pr_0315 - Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

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Max-Planck-Institut für
biophysikalische Chemie
Göttingen
Presse-Information
20. November 2003
Neuer Kontrollfaktor bei der Entwicklung von Gliedmaßen
im Embryo entdeckt
Die Entwicklung eines Embryos ist ein hoch interaktiver Prozess, bei
dem Signale aus verschiedenen Zellen koordiniert werden müssen.
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
haben jetzt einen Regulator entdeckt, der Signale im heranwachsenden Mausembryo so lange aufrecht erhält, bis die Zielzellen ein Signal
erkannt und in ein bestimmtes Entwicklungsprogramm umgesetzt
haben, das die Entwicklung der Gliedmaßen steuert. Entsprechende
Regulator-Gene wurden auch bei der Fliege und beim Menschen
gefunden. (Genes & Development 17, 2630-2635 (2003).)
Seit der Entdeckung der "Induktion" durch Hans Spemann und Hilde Mangold
(Nobelpreis für Physiologie und Medizin im Jahre 1935) ist bekannt, dass bei der
Entwicklung von Geweben und Organen während der Embryogenese die einzelnen
Entwicklungsschritte sich gegenseitig beeinflussen. Induktion bedeutet, dass Zellen
miteinander kommunizieren: Manche Zellen setzen Signalstoffe frei, die von anderen
Zellen erkannt und dort in ein abgestimmtes genetisches Programm übersetzt werden.
Durch diese Wechselwirkung werden ausgewählte Gene zu einem Schaltkreis
zusammengefasst, dessen Aktivität ein vorgegebenes Entwicklungsschicksal der Zellen
auslöst. Wissenschaftler am Max-Planck Institut für biophysikalische Chemie
(Göttingen) haben herausgefunden, dass es nicht ausreicht, die Signalstoffproduktion
zu aktivieren, ihre Aktivität muss in den richtigen Zellen auch erhalten werden. Dafür
gibt es zentrale Kontrollfaktoren, die im Tierreich vom Insekt bis hin zum Menschen
sehr ähnlich sind und somit offenbar in der Evolution über mehr als 600 Millionen Jahre
erhalten blieben.
Die Entwicklung der Gliedmaßen der Säugetiere setzt Signale voraus, die den Zellen
mitteilen, welche Strukturen sie ausbilden sollen, ob sie sich entsprechend ihrer
Position zu Teilen des Fußes, der Hüfte oder der Zwischenbereiche entwickeln sollen.
Diese Signale, auch „Wachstumsfaktoren“ genannt, werden in kleinen Befehlszentren
synthetisiert und an die Umgebung abgegeben. Die Arbeiten am Max-Planck-Institut
weisen nun nach, dass es nicht ausreicht, die Synthese dieser Signale einmalig zu
aktivieren, sondern dass ihre Bildung auch über einen bestimmten Zeitraum hinweg an
der richtigen Stelle aufrecht erhalten werden muss. Für diesen Prozess ist bei der Maus
ein neu entdecktes Regulatormolekül verantwortlich. Es sorgt dafür, dass Signalstoffe
solange erhalten bleiben, bis alle Vorläuferzellen im Umfeld das Signal empfangen
haben und die Anlagen der betreffenden Gliedmaßen vollständig ausgebildet sind.
Skelettpräparationen von normalen Mäusen und von Mäusen, denen der
Transkriptionsfaktor mBtd fehlt, kurz vor der Geburt (Quelle: Dr. Mansouri / MPIbpc)
Dieses Molekül, ein so genannter Transkriptionsfaktor, wurde bei der Maus entdeckt, ist
aber im Tierreich bis hin zur Fruchtfliege Drosophila konserviert. Fehlt ein
entsprechender Faktor bei der Fruchtfliege, dann entwickeln die mutierten
Fliegenembryonen einen unvollständigen Kopf ohne Kiefer- und Antennensegmente.
Wird aber das Regulator-Gen der Maus in die mutierten Fliegenembryonen eingebracht,
so kann es dort das defekte Fliegen-Gen weitgehend ersetzen. Die Fliegen entwickeln
sich dann normal. Da der entsprechende Transkriptionsfaktor auch im Erbgut des
Menschen vorkommt, vermuten die Wissenschaftler, dass er auch eine Bedeutung für
die Gliedmaßenentwicklung beim Menschen hat und eine Rolle bei bestimmten
Erbkrankheiten spielt.
Originalveröffentlichung:
Dieter Treichel, Frieder Schöck, Herbert Jäckle, Peter Gruss and Ahmed Mansouri:
mBtd is required to maintain signaling during limb development. Genes & Development
17, 2630-2635 (2003).
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Ahmed Mansouri, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, 37070
Göttingen, Tel. 0551 201 1490, Fax: 0551 201 1504
Sie finden Text und Bild dieser Presse-Information auch im Internet: www.mpibpc.mpg.de/PR/03_15/
Herausgegeben von:
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Christoph Nothdurft
37070 Göttingen
Tel: 0551 201 - 1641
Fax: 0551 201 - 1151
eMail: [email protected]
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