Geglückter Start unter neuer Leitung

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Kultur
Bieler Tagblatt, Dienstag, 26. März 2013
Geglückter Start unter neuer Leitung
Konzert Mit dem «Stabat Mater» von Antonin Dvorak gab die neue Dirigentin des Chœur symphonique,
Anna Jelmorini, am Sonntag im Kongresshaus ihren geglückten Einstand.
Am Mittwoch zwei sinfonische
Werke von Dvorak, am Sonntag
eines seiner gewichtigen geistlichen Werke. Die Häufung ist wohl
Zufall. Dvorak ist einer der bedeutenden und meistgespielten
Komponisten des 19. Jahrhunderts. Seine Musik wird gelegentlich als harmlos und «bloss»
schön bezeichnet. Die Schönheit
und der unüberwindliche Optimismus seiner Musik ist aber
nicht oberflächlich, sondern
gründet auch in leidvollen Lebenserfahrungen. Es gibt andere
Komponisten der Romantik, welche «schöne» Musik geschaffen
haben, aber ohne «Tiefgang»
(eine schwer messbare Eigenschaft), und die deshalb in der Bedeutungslosigkeit verschwunden
sind.
Auch das «Stabat Mater», obwohl auf einen leidvollen Text
komponiert, verbreitet mehr
Trost als Trauer, aber nicht billigen und oberflächlichen Trost. Es
ist «schöne», aber auch ergreifende Musik. Darin vielleicht dem
Deutschen Requiem von Johannes Brahms ein wenig verwandt.
HEIMKINO
Charmant
Ralph hat genug: In seinem
eigenen Videospiel muss er
regelmässig die
Rolle des Bösewichts übernehmen, obwohl er lieber der gute Held sein
möchte. Also haut er einfach ab
und begibt sich in fremde Videospielwelten. Dadurch bringt er
aber sämtliche Regeln durcheinander, und es droht ein grosser
Kollaps. Damit es nicht zum endgültigen «Game Over» kommt,
muss er sich mit einer Aussenseiterin zusammentun. Das ungleiche Paar erlebt eine wahre Achterbahnfahrt in einem kuriosen
Mikrokosmos. Wer sich mit der
Game-Kultur auskennt, kann sich
auf ein Sammelsurium von Insidergags freuen. Für alle anderen
bleibt ein charmanter Familienfilm über Freundschaft und Heldentum. Als Extras gibt es alternative Szenen und Dokumentationen. Auch als DVD erhältlich. sd
Info: «Ralph reichts» («Wreck-It
Ralph»). Regie: Rich Moore.
Vertrieb: Walt Disney Home
Entertainment.
Kultivierter Klang
Die Ausführung misst sich an den
wenigen Takten der Orchestereinleitung zum ersten Satz, welche die Stimmung des ganzen
Werks vorwegnehmen. Diese allerdings klangen nicht vielversprechend, eher unausgewogen.
Mit dem ersten Choreinsatz änderte sich der Eindruck, und der
verfestigte sich im Laufe der Aufführung. Der Chœur symphonique – diesmal ohne Verstärkung
Stabat Mater
«Stabat Mater dolorosa»
(Es stand die Mutter schmerzerfüllt) ist ein lateinisches
Gedicht in zehn Strophen aus
dem Mittelalter. Verfasser unbekannt. Es wurde von zahlreichen Komponisten (u.a. Caldara, Pergolesi, Vivaldi, Haydn,
Schubert, Rossini, Dvorak,
Poulenc) vertont.
dan
M
an geht über eine
schmale Rampe, stösst
eine Tür auf, Dunkelheit umfängt den Besucher. Langsam gewöhnen sich die Augen,
deren Blick gefangen wird von
einem langen, schmalen Dämmerraum, schwach erhellt durch kleine quadratische Fensterchen. Sie
ermöglichen den Blick in eine tiefverschneite nordische Landschaft.
Den Öffnungen zugeordnet sind
Glühlampen, deren zartes Licht
das Lesen von 91 Namen und deren Schicksal erlaubt. Drei Beispiele: Nils Jonsen, angeklagt der
Hexerei, vor Gericht gestellt am
11. August 1617, verurteilt zum
Tod auf dem Scheiterhaufen.
Karen Edisdatter, vor Gericht gestellt am 13. Mai 1620, angeklagt
der Hexerei und der Verursachung von Krankheit und Tod verschiedener Personen, verurteilt
zum Tod auf dem Scheiterhaufen.
Elsebe Knudsdatter, vor Gericht
gestellt am 27. Januar 1621, angeklagt der Hexerei, verurteilt zum
Tod auf dem Scheiterhaufen.
91 Hinrichtungen sind in diesem Raum dokumentiert, etwa
drei Viertel von Frauen, ein Viertel von Männern, alle angeklagt
der Hexerei, des Bündnisses mit
satanischen Kräften. Wir befinden
uns in Vardø, einem kleinen Ort in
Die beiden Solistinnen Maria Gessler (links) und Isabelle Henriquez.
Olivier Gresset
auftretend – hat anscheinend mit
dem Amtsantritt der neuen Dirigentin gewonnen. Er entwickelte
sowohl bei den Damen wie bei
den Herren eine bemerkenswerte
Klangkultur, er war hörbar gut
vorbereitet, die Höhen bei den
Sopranen sicher und unverkrampft. Der Chor bot eine sehr
ansprechende Leistung, dynamisch differenziert, mit sicher gesetzten Akzenten, sauberer Intonation, einem breiten dynamischen Spektrum und sowohl im
Forte wie im Piano einem kultivierten Klang.
auf ein paar kleine Patzer (bei den
Holzbläsern), die aber den guten
Eindruck nicht nennenswert zu
stören vermochten. Vielmehr
gefielen auch die Bläser durch
schöne Interventionen, das Blech
war diesmal diszipliniert, intonierte sauber und fiel durch
Klangkultur auf. Der Chor wurde
nie zugedeckt, einzig im Altsolo
des neunten Satzes hatte die Solistin stellenweise Mühe, sich zu
behaupten. Generell hätte das Orchester im Pianobereich nach unten in Richtung Pianissimo noch
Entwicklungspotential.
Ausgewogen
Klare Leitung
Das Sinfonieorchester Biel war
mit Luitgard Mayer als Konzertmeisterin ein zuverlässiger Partner. Auch es entwickelte ein schönes, ausgewogenes Klangbild. Bis
Die Dirigentin Anna Jelmorini
konzentrierte sich naturgemäss
stark auf den Chor, gab aber dort
wichtige und richtige Impulse.
Beim Orchester und bei der Be-
Mit dem Solistenquartett wurde
ebenfalls eine gute Wahl getroffen. Die Sopranistin Maria Gessler gefiel mit warmer, ausdrucksvoller Stimme, die Altistin Isabelle Henriquez hat ein eher dunkles, aber nicht sehr voluminös
Nordnorwegen, an der Küste der
Barentssee. Der Besucher wird in
diesem Raum in das 17. Jahrhundert hineingeführt, in eine Zeit, in
der die Finnmark geprägt wurde
vom Kampf der theologisch und
politisch Mächtigen gegen Hexerei, gegen das vermeintlich Böse.
Gottesgericht durch Menschenhand. Weit verbreitet damals in
vielen Regionen Europas, auch in
der Schweiz. Eine Methode der
Wahrheitsfindung war die Wasserprobe. Hier an der Küste warf
man die Körper ins Meer, wer an
der Wasseroberfläche blieb, wurde
schuldig gesprochen, das Sinken
des Körpers bedeutete Unschuld.
Der Besucher befindet sich in
einem Raum, der vom Schweizer
Architekten Peter Zumthor entworfen wurde. Das Memorial
«Steilneset» belegt wieder einmal
mehr das genaue Nachdenken
dieses Architekturkünstlers. Er
setzte diesen 120 Meter langen
Raum in eine fragil wirkende
Holzkonstruktion, wie sie die
Fischer in dieser Gegend seit Jahrhunderten für das Trocknen der
Fische bauten. Mehr noch: Er gibt
der Hülle dieses Raumes die Form
eines Kajaks. So verbindet er
traditionelle Lebensform mit der
Absicht, die Erinnerung an die
Todesfolgen irrationalen Han-
delns nicht verblassen zu lassen.
Nicht nur das. Es gelingt ihm,
dem Besucher eine Stätte zu präsentieren, die historisches Geschehen mit unserer weltweiten
Gegenwart verbindet. Weder das
auf das 17. Jahrhundert folgende
Jahrhundert der Aufklärung
noch die Zeiten danach haben die
Grundlagen menschlichen Handelns wesentlich verändert. Wir
mögen technisch kompetenter
und effizienter geworden sein,
gescheiter aber nicht. Wenn etwa
die ehemaligen USA-Präsidenten
Reagan und Bush über die «Reiche des Bösen» schwadronierten,
so waren sie keineswegs weit entfernt von den Argumenten, welche
die norwegischen Frauen und
Männer im 17. Jahrhundert auf
den Scheiterhaufen zwangen.
Neben dem Memorial von Peter
Zumthor steht ein dunkler Pavillon, ein Entwurf der Künstlerin
Louise Bourgeois. Sie hat einen
Raum entworfen, in dessen Mitte
ein einfacher Stuhl steht, umgeben
und geschützt durch einen niedrigen Betonwall. Aus der Sitzfläche
des Stuhls steigt eine kleine, immerbrennende Gasflamme, die sich
in mehreren hochgehängten grossen Spiegeln gleichsam vervielfacht. Die Installation verweist
nicht nur auf die Scheiterhaufen
KOLUMNE
Hans J.
Ammann
Erinnerung
gleitung der Solisten beschränkte
sie sich eher auf die Koordination, was ihr aber gut gelang. Man
gewann den Eindruck, dass sich
das Orchester unter der klaren
Leitung wohlfühlte. Die Tempi
der zehn Sätze sind sich sehr ähnlich und gehen selten über ein
Andante hinaus. Trotzdem kam
nicht der Eindruck der Gleichförmigkeit auf, auch weil Dvorak verschiedene Satztechniken und
eine reich variierte farbige Orchestration verwendet.
Gutes Zusammenwirken
wirkendes Timbre. Leicht und
hell, auch in der Höhe unverkrampft, wirkt der Tenor Claude
Pia, und der Bassist Stephan
Imboden hinterliess mit gut geführter eher baritonal gefärbter
Stimme einen vorzüglichen Eindruck. Die Ensembles zusammen
mit dem Chor wirkten besonders
schön im Zusammenwirken und
mit den Glanzlichtern des Solosoprans zu den Chorstimmen.
Zusammengefasst eine schöne,
ausgereifte und dem Werk entsprechende Aufführung, der man
gerne zuhörte und die auch Ergriffenheit auslösen konnte. Das
Publikum im nicht ganz voll besetzten Kongresshaussaal war
begeistert und feierte insbesondere und durchaus verdient die
neue Dirigentin mit Ovationen.
Daniel Andres
der damaligen Zeit. Die kleine
Flamme symbolisiert für den Besucher in ihm brennende Erinnerungen, mal schwächer, mal stärker,
vielfach gespiegelt, und dadurch
immer wieder neu subjektive
Gegenwart mitgestaltend.
Es ist beiden Künstlern, Zumthor und Bourgeois, gelungen, am
Rande Europas, weit weg von den
üblichen Kultur- und Kunstzentren, Werke zu schaffen, die verschiedene Zeitschichten verknüpfen. Und damit Signaturen schaffen über den historischen Anlass
hinaus. Auf seltsame Weise vermischen sich für den Besucher
Raum und Zeit. Er sieht in der
kleinen Gasflamme die lodernden
Scheiterhaufen, gespiegelt im
Heute. Er spürt die dünne Schicht
zivilisatorischer Bemühungen,
konkretisiert etwa in Form der
Menschenrechte, er spürt gleichzeitig die vorhandenen Gefährdungen, Risse und kaum zu überwindende Widersprüche. An der
Küste der von der Schweiz weit
entfernten Barentssee ist etwas
entstanden, was fragend Distanzen überwindet.
Info: Hans J. Ammann wurde 1942
in Solothurn geboren. Er war von
2002 bis 2006/07 Direktor des
Theaters Biel Solothurn.
Intensiv
Der Auftragskiller «Picasso»
(Matthew Fox)
ist ein sadistischer Soziopath,
der seine Opfer
auf grausamste
Weise umbringt.
Polizeipsychologe Alex Cross und
seine Leute hängen sich wie Bluthunde an die Spur des Killers.
Dieser realisiert dies allerdings
bald, und so wird der Fall plötzlich zur persönlichen Angelegenheit zwischen den Beteiligten.
Matthew Fox, bekannt aus der
Fernsehserie «Lost», zieht alle
Blicke auf sich. Mit seinem übertrainierten Körper und der irren
Mimik spielt er einen Film-Psycho, der noch lange in Erinnerung
bleiben wird. Gott sei dank, denn
der Rest des Thrillers ist Durchschnittskost. Auch ein Jean Reno
kann da nicht viel helfen. Als Extras warten diverse Interviews.
Auch als DVD erhältlich.
sd
Info: «Alex Cross» mit Tyler Perry,
Matthew Fox, Jean Reno u.a.
Regie: Rob Cohen. Vertrieb: Ascot
Elite Home Entertainment.
Schockierend
Das Teenagerleben von Hyun
verwandelt sich
in die Hölle auf
Erden, als sie
dem Schlepper
eines Mädchenhändlerrings
zum Opfer fällt. Sie landet in einer
ehemaligen Lagerhalle, in der
Mädchen für Liebhaber mit speziellen Wünschen gefangen gehalten werden. Langsam gewinnt
sie das Vertrauen ihres Bewachers und plant die Flucht. Die
schockierende Geschichte beruht
auf realen Erlebnissen einer jungen Frau. Megan Griffiths hat daraus ein einfühlsames und behutsames Drama gemacht, das unter
die Haut geht und nachhaltig zum
Denken anregt. Mit vielen Extras
zum Thema. Auch als Blu-ray erhältlich.
sd
Info: «Eden» mit Jamie Chung,
Matt O’Leary, Beau Bridges u.a.
Regie: Megan Griffiths. Vertrieb:
Ascot Elite Home Entertainment.
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