Christof Wolf Soziale Ungleichheit, Krankheit und Gesundheit Abschlussbericht an die Deutsche Forschungsgemeinschaft Projektnummer WO 739/3-1 Forschungsinstitut für Soziologie Universität zu Köln Köln, 2003 Inhalt 1. Fragestellung und Design 1 2. Hypothesen 4 2.1 Belastungen und Gesundheit 4 2.2 Soziale Netzwerke und Gesundheit 7 2.3 Lebensstil und Gesundheit 10 2.4 Gesundheitsverhalten und Gesundheit 15 2.5 Zusammenfassung der theoretischen Überlegungen 16 3. Angaben zur Datenerhebung 20 3.1 Der Fragebogen 20 3.2 Der Pretest 21 3.3 Die Haupterhebung 21 3.4 Das Datenmaterial 25 4. Operationalisierung und Verteilung der zentralen Variablen 26 4.1 Maße der Gesundheit 26 4.2 Gesundheitsverhalten 29 4.2.1 Rauchen 29 4.2.2 Alkoholkonsum 32 4.2.3 Sportliche Betätigung 34 4.2.4 Kumulation gesundheitsschädigender Verhaltensweisen 34 4.3 Klassische Merkmale sozialer Ungleichheit 36 4.3.1 Bildung 36 4.3.2 Beruf 37 4.3.3 Einkommen 39 4.3.4 Zum Zusammenhang der klassischen Indikatoren sozialer Ungleichheit 41 4.4 Lebensstile 42 4.4.1 Alltagsästhetische Schemata 44 4.4.2 Soziale Milieus 49 4.5 Soziale Netzwerke 52 4.6 Belastungen durch Erwerbsarbeit 55 4.7 Belastungen durch Hausarbeit 58 4.8 Übersicht über die Indikatoren 61 ii 5. Überprüfung der Hypothesen 62 5.1 Soziale Ungleichheit und Gesundheit bzw. Gesundheitsverhalten 62 5.1.1 Soziale Ungleichheit und Gesundheit 62 5.1.2 Soziale Ungleichheit und Gesundheitsverhalten 66 5.2 Soziale Ungleichheit, berufliche Belastungen und Gesundheit 72 5.2.1 Berufsprestige und berufliche Belastungen 72 5.2.2 Arbeitsbelastungen und Gesundheitsverhalten 74 5.2.3 Arbeitsbelastungen und Gesundheit 81 5.3 Soziale Ungleichheit, Belastungen durch Hausarbeit und Gesundheitsverhalten bzw. Gesundheit 85 5.4 Soziale Ungleichheit, soziale Netzwerke und Gesundheit 88 5.4.1 Soziale Ungleichheit, soziales Kapital und Gesundheit 88 5.4.2 Soziale Ungleichheit, Geschlossenheit der Netzwerke und Gesundheit 93 5.4.3 Soziale Netzwerke und Gesundheitsverhalten 93 5.5 Soziale Ungleichheit, Lebensstile und Gesundheit 98 5.5.1 Lebensstile und Gesundheitsverhalten 100 5.5.2 Lebensstile und Gesundheit 105 5.6 Gesundheitsverhalten und Gesundheit 107 6. Zusammenfassung und Integration der Einzelbefunde 110 6.1 Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse 110 6.2 Zusammenfassende Modelle zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens und der Gesundheit 116 7. Schlussfolgerung und Ausblick 123 Literatur Anhang A Zusätzliche Tabellen Anhang B Erhebungsunterlagen: Kontaktprotokoll, Fragebogen, Selbstausfüller und Listen Anhang C Anschreiben, Merkblatt für die Interviewer, Presseberichte im Vorfeld der Studie 126 1. Fragestellung und Design 1 Thema der hier vorgelegten Studie ist der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit. Diese Fragestellung ist keineswegs neu, hatten Sozialepidemiologen doch schon vor 100 Jahren auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht (vgl. die Beiträge in Mosse und Tugendreich 1913). Verkürzt lautet das Ergebnis entsprechender Untersuchungen damals wie heute, dass sozial und ökonomisch Bessergestellte gesünder sind und länger leben als weniger gut Gestellte (für einen Überblick über neuere Untersuchungen vgl. Mielck 2000). Gemeinsam ist den Studien auch, dass sie einen kontinuierlichen Zusammenhang zwischen der sozialen und ökonomischen Stellung auf der einen und der Gesundheit auf der anderen Seite finden – ein Resultat, das auch als Schichtgradient der Gesundheit bezeichnet wird. Trotz der Vielzahl der empirischen Studien auf diesem Gebiet werden die Bindeglieder, die den statistischen Zusammenhang zwischen der Ungleichheit und der Gesundheit erklären könnten, meist nicht berücksichtigt. Ein Ziel dieser Studie ist es daher, einige dieser Bindeglieder zu identifizieren und ihren Erklärungsbeitrag empirisch zu überprüfen. Die Auswahl entsprechender Bindeglieder – d.h. der intervenierenden Variablen – erfolgt in Anlehnung an das ambitionierte theoretische Modell von Steinkamp (1999). In diesem Modell werden die Faktoren, die den Zusammenhang zwischen den Merkmalen der sozialen Ungleichheit und den Merkmalen der Gesundheit erklären können, zunächst drei Ebenen zugeordnet: der Makroebene (z.B. die Struktur sozialer Ungleichheit), der Mesoebene (z.B. Belastungen aus den Bereichen Arbeit und Familie) sowie der Mikroebene. Die Mikroebene wird ihrerseits noch einmal in drei Bereiche untergliedert: die Persönlichkeit (z.B. gesundheitsrelevantes Verhalten), der Organismus (z.B. Blutdruck) und die „outcomes“ (z.B. Lebenserwartung). Obwohl das von Steinkamp präsentierte Modell zu umfangreich für eine Überprüfung in einer einzigen Arbeit ist, bietet es dennoch wertvolle Anhaltspunkte zur Formulierung von Hypothesen, die im Rahmen dieser Studie analysiert werden können. Diese Hypothesen beziehen sich zunächst auf zwei zentrale Bestandteile aus Steinkamps Modell: die Bedeutung der 1 Die Konzeption dieser Studie wurde durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Forschungspraktikums beeinflusst, das ich im Sommersemester 1999 und im Wintersemester 1999/2000 an der Universität zu Köln angeboten habe. An dieser Veranstaltung, die den Titel „Soziale Ungleichheit, Krankheit und Gesundheit“ trug, nahmen folgende Personen teil: Amévor Amouzou-Glipka, Angela Brinck, Stephanie Bous, Imke Dunkake, Stephanie Latzel, Phillip Pilgram, Theta Thiel und Bernd Weiß. Für ihre Diskussionsfreude, ihre Anregungen und ihre kritischen Einwände bin ich diesen Personen sehr zu Dank verpflichtet. Stephanie Bous hat der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln im Jahr 2001 eine Magisterarbeit mit dem Titel „Lebensstile und gesundheitsrelevantes Verhalten“ vorgelegt, deren empirische Grundlage die in dieser Studie erhobenen Daten bilden. Für das Korrekturlesen und für Kommentare zu diesem Bericht danke ich Catie Keßler, Sabine Rhiza und Anja Semmler. 2 alltäglichen Belastungen, denen Personen ausgesetzt sind, und das Netzwerk sozialer Unterstützungsbeziehungen, die helfen können, diese Belastungen zu bewältigen. Folgt man Steinkamps Kategorisierung, so handelt es sich bei beiden Komplexen um Merkmale der Mesoebene, über die die Effekte der sozialen Ungleichheit – der Makroebene – auf die Gesundheit, d.h. die Mikroebene, vermittelt werden. Eine detaillierte Diskussion der zu überprüfenden Hypothesen findet sich im nächsten Kapitel dieser Arbeit, die Überprüfung der Hypothesen erfolgt in Kapitel 5. Neben der Formulierung und Überprüfung der Hypothesen zu diesen beiden Bereichen, verfolgt die Studie als zweites das Ziel, zu klären, welchen Ertrag eine Erweiterung der Konzeption sozialer Ungleichheit auf Lebensstile und Milieus erbringen kann. Damit versteht sich diese Arbeit nicht nur als Beitrag zur Gesundheitssoziologie, sondern auch als Beitrag zur Soziologie sozialer Ungleichheit. Die Messung der sozialen Ungleichheit, der Lebensstile sowie aller weiteren Merkmale wird ausführlich im vierten Kapitel dargestellt. Bei der Studie, über die hier berichtet wird, handelt es sich um eine Querschnittsstudie, eine Längsschnittstudie war aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht möglich. (Genauere Angaben zur Datenerhebung sind in Kapitel 3 zusammengestellt.) Auf der Grundlage der erhobenen Daten lassen sich daher Kausalaussagen im engeren Sinn nicht empirisch absichern, diese können lediglich auf der Basis von Plausibilitätsüberlegungen vermutet werden. Mit einer angestrebten Fallzahl von 700 Befragten handelt es sich um eine relativ kleine Studie. Eine größer angelegte Befragung mit deutlich mehr Befragten und mindestens zwei Befragungszeitpunkten erschien zum Zeitpunkt der Antragstellung jedoch nicht nur in finanzieller und organisatorischer Hinsicht als unpraktikabel. Vielmehr sollte in einer kleineren Studie zunächst einmal die Qualität der Messinstrumente und der empirische Gehalt der Hypothesen geprüft werden. Insofern hat diese Untersuchung den Charakter einer Pilotstudie, deren Ergebnisse die Grundlage für eine aufwändigere Studie sein können. Entsprechende Schlussfolgerungen für weitere Arbeiten werden im Abschlusskapitel zur Diskussion gestellt. Die Grundgesamtheit der Studie stellt die in Privathaushalten lebende Bevölkerung Kölns mit deutscher Staatsbürgerschaft, die zwischen 30 und 60 Jahre alt ist, dar. Die Einschränkung auf deutsche Personen erfolgte allein aus pragmatischen Gründen, da eine Untersuchung von Migranten zum einen ganz andere Fragestellungen nahegelegt hätte – etwa zum Einfluss der Migrationsgeschichte auf die Gesundheit–, zum anderen wären zusätzliche Mittel für die Übersetzung des Fragebogens nötig gewesen. Auch die Einschränkung des Untersuchungsgebietes auf Köln diente allein der Kostenreduktion. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass 3 diese Beschränkung die Verallgemeinerbarkeit der hier berichteten Ergebnisse entscheidend beeinflusst. Die Beschränkung der Grundgesamtheit auf Personen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren ist inhaltlich begründet. Jüngere Personen werden zu einem erheblichen Teil ihre berufliche Ausbildung noch nicht vollendet haben. Ältere Personen dagegen werden ihr Arbeitsleben zu einem großen Teil schon wieder beendet haben. Für beide Gruppen stellen sich aufgrund der fehlenden Berufstätigkeit jeweils eigene Probleme. Zum einen wären die Untersuchungen zum Einfluss der beruflichen Belastungen auf die Gesundheit nur für einen noch kleineren Teil der Stichprobe möglich,2 zum anderen bereitet die Bestimmung der sozialen Lage dieser Personen besondere Schwierigkeiten, die im Rahmen dieser Studie nicht behandelt werden sollten.3 Neben der Beschränkung auf die Altersspanne zwischen 30 und 60 Jahren fand keine weitere Einschränkung der Grundgesamtheit statt, z.B. auf spezifische Berufsgruppen mit besonderer Belastung oder auf Personen mit speziellen Erkrankungen. Damit gestatten die Daten Aussagen über die gesamte deutsche Bevölkerung im entsprechenden Alter. Dieser Vorteil wird jedoch damit erkauft, dass bei der gegebenen relativ kleinen Fallzahl keine Aussagen über spezielle Gruppen, wie z.B. Personen unterhalb der Armutsgrenze, Alleinerziehende oder einzelne Berufe möglich sind. 2 Die beruflichen Belastungen für ehemals Berufstätige lassen sich zwar prinzipiell erheben, dies hätte aber das ohnehin schon umfangreiche Erhebungsinstrument noch verlängert und zudem ernste Fragen nach der Validität von erinnerten Belastungen aufgeworfen. 3 Selbstverständlich verbleiben unter den 30- bis 60-Jährigen immer noch Personen, die nicht erwerbstätig sind, insbesondere die Gruppe der Hausfrauen. 4 2. Hypothesen Die folgenden empirischen Analysen folgen einer Reihe von Hypothesen, die sich auf den Einfluss von Belastungen, Netzwerken und Lebensstilen auf das Gesundheitsverhalten und auf die Gesundheit beziehen. Von diesen Merkmalen wird erwartet, dass sie den Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit erklären können, sie stellen somit intervenierende Variablen dar. 2.1 Belastungen und Gesundheit Menschen werden in verschiedenen Lebensbereichen in unterschiedlicher Weise belastet. In dieser Studie liegt der Schwerpunkt auf den Belastungen am Arbeitsplatz und im Haushalt. Erwerbstätige stehen durch ihre Arbeit und an ihrer Arbeitsstelle vielfältigen Anforderungen und Belastungen gegenüber. Grob kann z.B. zwischen: „Umgebungsbelastungen (z.B. Lärm, Dämpfe, Hitze) und Unfallgefahren, körperlichen Belastungen (schwere Lasten heben, einseitige Muskelbelastungen) sowie psychischen und psycho-sozialen Belastungen (Monotonie, Zeitdruck, Vorgesetztenverhalten) unterschieden“ werden (Statistisches Bundesamt 1998: 143). Diesen ‚objektiven’ Belastungen, die auch als „Summe aller äußeren Faktoren, die eine Reaktion hervorrufen“ bezeichnet werden, stehen ‚subjektive’ Beanspruchungen gegenüber, also „die Summe aller durch die Belastungen hervorgerufenen Reaktionen“ (Griefahn 1996: 5).4 Die Veränderungen in der Arbeitswelt haben zur Folge, dass die psychischen und sozialen Belastungen durch eine Erwerbsarbeit in den letzen Dekaden angestiegen sind, z.B. in Form von erhöhtem Termin- und Leistungsdruck, der vermehrten Notwendigkeit zu starker Konzentration sowie dem häufigeren Gefühl, einer nervenaufreibenden und seelisch belastenden Tätigkeit nachzugehen (Statisches Bundesamt 1998: 144f.; v. Henninges 1998: 4ff.). Gleichzeitig ist der Anteil der Erwerbstätigen, die körperlich belastende Tätigkeiten ausüben, in den letzten 40 bis 50 Jahren zurückgegangen. Mechanisierung, Automatisierung und Rationalisierung haben dazu geführt, dass viele körperlich anstrengende und gefährliche Arbeitsplätze – zumindest in den westlichen Industrieländern – abgebaut wurden. Trotz dieses Rückgangs arbeiteten auch am Ende des 20. Jahrhunderts etwa die Hälfte aller Erwerbstätigen zumindest zeitweise unter belastenden Umgebungseinflüssen (z.B. Einatmung von Dämpfen, Rauchen oder Stäuben 22,1%; Vibrationen von Werkzeugen und Maschinen 27,7%; Lärm 26,5%) und 4 In der Gesundheitspsychologie wird auch von Stressoren (Belastungen) und Stressreaktionen gesprochen (vgl. Sarafino 1998: Kapitel 3). 5 sogar knapp 60% aller Erwerbstätigen übten eine körperlich belastende Tätigkeit aus (v. Henninges 1998: 65).5 Die Höhe der Arbeitsbelastung variiert mit verschiedenen Merkmalen der Arbeitsplätze und Berufe. Folgt man v. Henninges (1981: 365), spielen die verwendeten Arbeitsmittel, der Wirtschaftszweig, die Betriebsgröße, die berufliche Tätigkeit und die berufliche Stellung in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Da es wiederum nicht möglich war, alle diese Aspekte in die Analyse einzubeziehen, und da vor dem Hintergrund der hier verfolgten Fragestellung dem sozialen Ansehen einer beruflichen Tätigkeit eine besondere Bedeutung zukommt, wird im Folgenden nur dieses Merkmal der Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Nach Huster (1990: 249) „konzentrieren sich die Belastungen vor allem auf die Arbeiter ohne formalen Berufsabschluß“. Ich gehe daher davon aus, dass die Belastungen in höher gestellten Berufen geringer sind als in weniger hoch gestellten Berufen. Damit sollten die Belastungen durch die Erwerbsarbeit negativ mit der Stellung eines Berufs in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe variieren. Unterstellt man zudem einen negativen Einfluss der Belastungen auf die Gesundheit, werden die Inhaber von höher gestellten beruflichen Positionen gesünder sein als die Inhaber von niedrigen beruflichen Positionen. Zudem wird erwartet, dass Belastungen häufig mit defizitären Bewältigungsstrategien in Form von gesundheitsschädlichem Verhalten begegnet wird (Huster ebenda). Unter solchen Verhaltensweisen sollen hier das Rauchen, der Alkoholkonsum und die (mangelnde) Ausübung von Sport verstanden werden.6 Auf der Grundlage dieser Überlegungen lassen sich die folgenden Hypothesen formulieren: H1: Je höher ein Beruf in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe angesiedelt ist, desto geringer ist die Belastung durch die Erwerbsarbeit. H2a: Je höher die beruflichen Belastungen sind, desto eher tritt gesundheitsschädigendes Verhalten auf. H2b: Je höher die beruflichen Belastungen sind, desto schlechter ist die Gesundheit. Eine weitere Hypothese folgt aus den Arbeiten von Karasek und Theorell (1990) und Siegrist (1994, 1996). Ihr liegt die Beobachtung zugrunde, dass nicht jede Arbeitsbelastung ein gesundheitliches Problem nach sich zieht, sondern nur solche Belastungen, die gepaart mit 5 Ergebnisse des deutschen Teils des „Second European Survey of Working Conditions“ von 1995. 6 Im Folgenden werden diese Verhaltensweisen auch mit den Begriffen Gesundheitsverhalten oder gesundheitsbezogenes Verhalten umschrieben. Damit wird hier ein eingegrenzter Begriff des Gesundheitsverhaltens verwendet, der Verhaltensweisen, die dazu geeignet sind, Krankheiten zu entdecken (z.B. die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen), ausschließt (für eine ausführliche Diskussion verschiedener Dimensionen des Gesundheitsverhaltens vgl. Weiss und Lonnquist1997:108ff.). 6 einem geringen Entscheidungsspielraum und einer als nicht angemessen empfundenen Entlohnung für die Tätigkeit auftreten. Da der berufliche Entscheidungsspielraum und die materielle Entlohnung einer Tätigkeit eng mit ihrer Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe zusammenhängt, kann diese Überlegung in folgende Hypothesen übersetzt werden (vgl. auch Steinkamp 1999: 134ff.): H3a: Je niedriger ein Beruf in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe angesiedelt ist und je höher die Belastungen in diesem Beruf sind, desto eher tritt gesundheitsschädigendes Verhalten auf. H3b: Je niedriger ein Beruf in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe angesiedelt ist und je höher die Belastungen in diesem Beruf sind, desto schlechter ist die Gesundheit. Die hier vorgenommene Beschränkung auf die Stellung eines Berufs in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe bedeutet nicht, dass der Einfluss weiterer Merkmale des Berufs auf die Belastungssituation und damit auf die Gesundheit abgestritten wird. Im Kontext der hier verfolgten Fragestellung, den Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und der Gesundheit zu erklären, spielen diese Merkmale jedoch keine Rolle, da sie nicht zur Charakterisierung der beruflichen Ungleichheit herangezogen werden. Eine arbeitssoziologische oder arbeitsmedizinische Untersuchung im engeren Sinne ist hier nicht beabsichtigt und kann auch nicht geleistet werden (vgl. auch Jansen 2000: 43f.). Neben den Belastungen durch eine Erwerbsarbeit dürften Belastungen in Haushalt und Familie von besonderer Bedeutung für das Wohlbefinden und die Gesundheit sein. Diese Belastungen wurden in der vorliegenden Studie ebenfalls erfasst, wenn auch nicht so differenziert wie die Belastungen am Arbeitsplatz. Es wird hier davon ausgegangen, dass die (subjektiven und objektiven) Belastungen durch die Haus- und Familienarbeit ähnlich wie Belastungen durch Erwerbsarbeit einen negativen Einfluss auf die Gesundheit haben. Mit einem entsprechenden Einkommen lassen sich diese Belastungen durch den Einkauf entsprechender Dienstleistungen jedoch reduzieren. Es wird daher von einem negativen Zusammenhang zwischen Einkommen und Belastungen durch Haus- und Familienarbeit ausgegangen. Die Hypothesen lauten also: H4: Je höher das Einkommen, desto geringer sind die Belastungen durch Haus- und Familienarbeit. 7 H5a: Je höher die Belastungen durch Haus- und Familienarbeit sind, desto eher tritt gesundheitsschädigendes Verhalten auf. H5b: Je höher die Belastungen durch Haus- und Familienarbeit sind, desto schlechter ist die Gesundheit. Diese Belastungen werden vorwiegend die Gesundheit von Frauen beeinflussen, da Hausarbeit noch immer überwiegend „Frauensache“ ist. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass entsprechende Belastungen in jedem Fall eine negative gesundheitliche Belastung entfalten, da Hausarbeit nur ein geringes soziales Ansehen genießt (Verbundprojekt – Frauengesundheit in Deutschland 2001: 435). Eine zu Hypothese H3a bzw. H3b analoge Hypothese entfällt somit. 2.2 Soziale Netzwerke und Gesundheit Menschen sind Belastungen, wie sie im letzten Abschnitt beschrieben wurden, nicht hilflos ausgeliefert. Vielmehr verfügen die meisten Menschen über persönliche und soziale Ressourcen, die ihnen helfen, solche Belastungen zu bewältigen oder zumindest ihre gesundheitsschädliche Wirkung abzumildern. Eine wichtige Ressource zur Bewältigung von Belastungen stellt das Netzwerk sozialer Unterstützungsbeziehungen dar. In der einschlägigen Literatur werden v.a. zwei Mechanismen beschrieben, wie sich soziale Unterstützung auf das Wohlergehen und die Gesundheit auswirken kann (vgl. Waltz 1981). Einerseits soll soziale Unterstützung einen direkten positiven Einfluss auf die Gesundheit haben. Nach dieser Vorstellung fördert ein intaktes soziales Netzwerk das Wohlbefinden, während umgekehrt „fehlender oder schwacher sozialer Rückhalt für sich genommen eine chronische soziale Risikosituation darstellt, die Distress (und damit erhöhte Erkrankungsgefahr) auszulösen vermag“ (Siegrist 1995: 182).7 Eine zweite Vorstellung geht davon aus, dass das soziale Netzwerk nur dann gesundheitsrelevant wird, wenn eine Person Belastungen ausgesetzt ist. Verfügt sie in dieser Situation über die notwendige soziale Unterstützung, dann wird sie diese Belastungen besser bewältigen und diese werden sich dementsprechend weniger negativ auf die Gesundheit auswirken als es der Fall wäre, wenn keine oder nicht ausreichende Unterstützung verfügbar ist. Die erste Vorstellung über den Einfluss des sozialen Netzwerks auf die Gesundheit wird auch als Direkteffekt-Hypothese bezeichnet, die zweite als Puffer-Hypothese. Folgt man 7 Mit Distress bezeichnet Siegrist Stressoren, die einen negativen Effekt auf die Gesundheit haben; z.B. die wiederholte Erfahrungen bestimmten Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Das Antonym, Eustress, bezeichnet ebenfalls Stressoren, die jedoch nach erfolgreicher Bewältigung das Selbstwertgefühl und die internen Kontrollüberzeugungen steigern bzw. festigen und damit einen positiven Einfluss auf die Gesundheit ausüben, z.B. die erfolgreiche Bearbeitung einer schwierigen Arbeitsaufgabe. 8 Waltz (1981), so müssen sich diese beiden Effekte nicht ausschließen, sondern können sich ergänzen. Nun stellt sich die Frage, ob das Ausmaß der sozialen Unterstützung dazu geeignet ist, den Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit zu erklären. Eine notwenige Voraussetzung hierfür wäre, dass das Ausmaß der sozialen Unterstützung mit dem sozialen Status zunimmt. Wie die Ergebnisse der Netzwerkforschung zeigen, variieren tatsächlich eine Reihe von Netzwerkmerkmalen positiv mit dem sozialen Status. So nehmen die Größe und die Heterogenität des sozialen Netzwerks einer Person und damit ihr soziales Kapital im Sinne Bourdieus (1983) mit ihrem sozialen Status zu (Fischer 1982; Kecskes und Wolf 1996; Marsden 1987; Pappi und Melbeck 1988). Das zur Verfügung stehende soziale Kapital sollte seinerseits eine gesundheitsfördernde Wirkung haben, da mit dem Umfang des sozialen Kapitals auch die Wahrscheinlichkeit steigt, die jeweils benötigte Unterstützung zu erhalten. Es lassen sich somit die folgenden Hypothesen formulieren: H6: Je höher die soziale Position einer Person ist, desto größer das soziale Kapital, auf das sie zurückgreifen kann. H7: Je höher das soziale Kapital, über das eine Person verfügt, desto besser ist die Gesundheit. (Direkteffekt-Hypothese) H8: Je höher die Belastungen, denen eine Person ausgesetzt ist, und je niedriger das soziale Kapital, über das sie verfügt, desto schlechter ist ihre Gesundheit. (PufferHypothese) Nicht alle Dimensionen sozialer Netzwerke variieren positiv mit dem sozialen Status. Einige Dimensionen sind gar nicht oder nur geringfügig vom Status abhängig, z.B. die Anzahl Verwandter; diese werden hier nicht weiter betrachtet. Andere Dimensionen sind negativ mit dem Status korreliert, unter diesen ist die Geschlossenheit der Netzwerke von besonderer Bedeutung. So haben statusniedrige Personen dichtere Netzwerke mit einem höheren Anteil von Verwandten und Personen, die in geographischer Nähe wohnen, als statushohe Personen (Fischer 1982; Kecskes und Wolf 1996; Laumann 1973). Mit Bezug auf die gesundheitliche Bedeutung dieses Aspekts stellt sich daher die Frage, ob die Geschlossenheit der Netzwerke in der Lage ist, den Mangel an persönlichen Ressourcen auszugleichen und damit positiv auf die Gesundheit zu wirken, oder ob im Gegenteil die Geschlossenheit der Netzwerke eine weitere Benachteiligung darstellt, die die Bewältigung von Belastungen erschwert und schließlich negative Folgen für die Gesundheit zeitigt. In der einschlägigen Literatur wurde diese Frage m.E. bisher kaum untersucht. Die einzige mir bekannte Hypothese zum Zusammenhang zwischen Netzwerkdichte und Gesundheit formulieren Pescosolido und Georgianna 9 (1989) bei ihrem Versuch, Durkheims Überlegungen zum Zusammenhang von Religionszugehörigkeit und Selbstmordrate zu explizieren. Sie vermuten, dass sowohl sehr dichte Netzwerke, wie sie in Sekten vorliegen, als auch die Abwesenheit jeglicher Bindung die Wahrscheinlichkeit eines Selbstmordes erhöhen. Das heißt sie postulieren einen U-förmigen Zusammenhang zwischen Netzwerkdichte und Selbstmordneigung (ebenda: 44). Ob sich dieser Zusammenhang generell auf gesundheitliche Phänomene übertragen lässt, soll im Folgenden geprüft werden. Die entsprechenden Hypothesen lauten also: H9: Je höher der soziale Status, desto geringer die Geschlossenheit der sozialen Netzwerke. H10: Wenn das soziale Netzwerk einer Person kaum oder aber sehr stark geschlossen ist, dann ist ihre Gesundheit schlechter als bei Personen mit einem mittleren Grad der Netzwerkschließung. Während sich die letzten Hypothesen auf den Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und Gesundheit beziehen, stellt sich die Frage, ob auch das Gesundheitsverhalten von sozialen Netzwerken beeinflusst wird. In Anlehnung an Sutherlands (1947) Theorie der differentiellen Assoziation wird hier davon ausgegangen, dass gesundheitsschädigendes Verhalten in Interaktionen mit anderen gelernt und bestärkt wird. Demnach erhöht der persönliche Umgang mit Menschen, die z.B. (stark) rauchen oder häufig viel Alkohol trinken, die Wahrscheinlichkeit, selbst gesundheitsschädigende Verhaltensweisen auszuüben. Das Erlernen gesundheitsschädigender Verhaltensweisen kann zwar nur in einer Längsschnittstudie untersucht werden (für Beispiele siehe Cohen 1979, Kandel 1978). Da aber nach der Theorie der differentiellen Assoziation auch ein Stabilisierungseffekt des gelernten Verhaltens durch regelmäßige Interaktionen stattfindet, sollte sich auch im Querschnitt ein positiver Zusammenhang zwischen gesundheitsschädigendem Verhalten einer Person und dem ihrer Netzwerkpersonen zeigen. Die entsprechende Hypothese lautet also: H11: Je verbreiteter gesundheitsschädigende Verhaltensweisen im Netzwerk einer Person sind, desto eher wird sie selbst gesundheitsschädigendes Verhalten ausüben. Wird das eigene Gesundheitsverhalten konstant gehalten, ist nicht davon auszugehen, dass das Gesundheitsverhalten Dritter einen Einfluss auf die eigene Gesundheit hat – eine Ausnahme ist das Passivrauchen. Daher entfällt eine zu Hypothese 11 vergleichbare Hypothese für die Gesundheit. 10 2.3 Lebensstil und Gesundheit Der im Vergleich zu den 1950er Jahren gestiegene Wohlstand der Bevölkerung bietet den Menschen heute mehr Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten und einen eigenen Lebensstil zu entwickeln. „Lebensstile sind gruppenspezifische Formen der Alltagsorganisation und -gestaltung, die auf der Ebene des kulturellen Geschmacks und der Freizeitaktivitäten symbolisch zum Ausdruck kommen. Sie dienen ... der aktiven Zuordnung zu und Abgrenzung von kollektiv geteilten Lebensweisen.“ (Spellerberg 1996: 57) Ein Lebensstil ist somit zugleich Ausdruck der Individualität (Expressivitätsfunktion des Lebensstils) und Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Lebensstilgruppe sowie Ausdruck der Abgrenzung gegen andere Lebensstilgruppen (Identifizierbarkeits- und Distinktionsfunktion des Lebensstils) (ähnlich Hartmann 1999: 46f.). Der Lebensstil ist damit Ausdruck der personalen und sozialen Identität (Lüdtke 1989: 41). Mit dem Lebensstilkonzept tritt eine (analytisch) nicht-hierarchische, horizontale Form der sozialen Ungleichheit neben die klassischen, vertikalen Konzepte sozialer Ungleichheit. Letztere prägen die Lebenschancen nach wie vor in besonderer Weise. Allerdings bieten diese Faktoren heute mehr Raum für eine Stilisierung des Lebens, und daher kann die Kenntnis des Lebensstils einen Beitrag zur Erklärung von Verhaltensweisen liefern. Merkmale wie das Einkommen, der Beruf und die Bildung stecken somit den Rahmen ab, innerhalb dessen sich Lebensstile entfalten und soziale Milieus entstehen. Die bisherigen Erörterungen zum Lebensstilbegriff sollten deutlich gemacht haben, dass hier ein soziologischer Lebensstil-Ansatz (Pientka 1994) zugrunde gelegt wird, der aus den neueren Theorien sozialer Ungleichheit entnommen ist. (Genauer: Hier wird der Lebensstilansatz von Schulze (1992) verfolgt, siehe dazu weiter unten.) Diesem soziologischen Ansatz stehen in der Gesundheitssoziologie Ansätze zur Identifikation sogenannter gesundheitsrelevanter Lebensstile gegenüber (Abel 1991, 1997). Diese Richtung wird hier aus drei Gründen nicht weiter verfolgt. Erstens steht in dieser Arbeit der Einfluss der sozialen Ungleichheit auf die Gesundheit im Vordergrund. Deshalb wird auf die allgemeinen Lebensstilansätze der Soziologie sozialer Ungleichheit zurückgegriffen. Zweitens scheint es unter theoretischen Gesichtspunkten erstrebenswerter, zu prüfen, wie weit ein allgemeines Lebensstilkonzept trägt, statt für jeden Gegenstandsbereich eine spezifische Konzeption des Lebensstils zu entwickeln (etwa einen Lebensstil des Nahrungsmittelkonsums, einen des Medienkonsums, einen des Urlaubverhaltens etc.). Drittens besteht die Gefahr, dass die Erklärung von Verhalten auf der Basis solcher bereichsspezifischer Lebensstile tautologisch wird. Folgt man z.B. Abel und Kohlmann (1989: 73) und misst gesundheitliche Lebensstile mit Items „including 11 eating habits, alcohol consumption, and smoking“, dann kann ein solches Maß nicht zur Erklärung des Rauchens, des Alkoholkonsums oder der Ernährungsweise verwendet werden. Die Festlegung auf die Verwendung eines allgemeinen Lebensstilkonzepts darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass es der Soziologie sozialer Ungleichheit bis heute noch nicht gelungen ist, ein einheitliches Konzept und Messinstrument für die Erhebung des Lebensstils zu entwickeln. Aus der Vielzahl der Angebote wurde für die vorliegende Studie auf die Konzeption von Gerhard Schulze (1992, 1999) zurückgegriffen. Diese Konzeption hat den Vorteil, dass sie gut dokumentiert ist und in mehreren Studien erfolgreich repliziert wurde (Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002; Hartmann 1999; Müller-Schneider 2000; Voll 2001). Schulzes Lebensstilansatz ist mit zwei empirischen Konzepten verknüpft: alltagsästhetischen Schemata und sozialen Milieus. „Alltagsästhetische Schemata bestehen in der Zuordnung von Bedeutungen zu Zeichengruppen. Für dieses Zuordnungsverhältnis gilt eine dreifache Generalisierung: Zeichengruppen werden von den Angehörigen einer Deutungsgemeinschaft in etwa derselben Weise abgegrenzt; eine gegebene Person legt in die vielen Zeichen einer Gruppe immer wieder ähnliche Bedeutungen hinein; Teile dieser zeichenübergreifenden persönlichen Lesarten sind intersubjektiv verbreitet.“ (Schulze 1992: 129) Schulze unterscheidet drei besonders ausgeprägte Schemata: das Hochkulturschema, das Trivialschema und das Spannungsschema. Zu diesen Gruppen von Zeichen mit einer jeweils gemeinsamen Bedeutung kann jede Person eine gewisse Nähe oder Distanz aufweisen. Die drei Schemata sind so konzipiert, dass sie theoretisch unabhängig voneinander sind, d.h. die Nähe zu einem Schema schließt die Nähe zu einem anderen Schema nicht aus. Diese Annahme wird auch durch verschiedene empirische Studien gerechtfertigt (z.B. Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002: 212). Technisch gesprochen handelt es sich bei diesen Schemata also um drei kontinuierliche Variablen, die zwischen großer Distanz und großer Nähe variieren und einen dreidimensionalen Raum aufspannen (Schulze 1992: 157). Um nun Hypothesen über den Zusammenhang von Schemata und Gesundheit abzuleiten, müssen die Eigenschaften dieser Schemata, wie Schulze sie beschreibt, näher betrachtet werden. Zeichen für das Hochkulturschema sind die Lektüre „guter“ Bücher, der Besuch von Theaterund Konzertveranstaltungen sowie ein Interesse für Kultur- und Nachrichtensendungen. Äußeres Zeichen für die Nähe zu diesem Schema ist eine hohe Bildung und damit auch ein höheres Berufsprestige und ein höheres Einkommen (Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002: 133). Das Hochkulturschema ist eher durch psychische als physische Genüsse gekennzeichnet. Es „zielt ... nicht ... direkt auf physische Reize ab wie etwa die Feinschmeckerei oder das Tanzen“ (Schulze 1992: 143). Gleichzeitig kann vermutet werden, dass Disziplin und Selbst- 12 kontrolle in diesem Schema eine wichtige Rolle spielen. Diese Eigenschaften sind auch Voraussetzung für die regelmäßige Ausübung sportlicher Aktivitäten und die Kontrolle des Genussmittelkonsums und der Ernährungsweise. Daher grenzen sich Personen mit einer Nähe zum Hochkulturschema u.a. von den „biertrinkende(n) Vielfernseher(n)“ ab (ebenda: 146). Diese Charakterisierung würde erwarten lassen, dass die Nähe zum Hochkulturschema mit gesundheitsfördernden Verhaltensweisen verknüpft ist. Andererseits schreibt Schulze, die Nähe zu diesem Schema sei „geprägt von einer Zurücknahme des Körpers“ (ebenda: 143) und verpönt seien „das Geräuschvolle, das Schwitzen, das Riechen, die Korpulenz“ (ebenda: 146). Dies könnte darauf hindeuten, dass die Nähe zum Hochkulturschema mit einer geringeren sportlichen Aktivität einhergeht. Es ist jedoch zu vermuten, dass hier das Schwitzen beim Arbeiten oder beim Feiern (z.B. im Bierzelt) gemeint ist und weniger ein durch systematisches Training kontrolliert herbeigeführtes und danach schnell abgewaschenes Schwitzen durch sportliche Aktivitäten. Diese dienen ja u.a. auch dazu, „Korpulenz“ zu vermeiden oder im Rahmen zu halten. Auf der Grundlage dieser Beschreibungen können die folgenden Hypothesen formuliert werden: H12: Je höher der soziale Status, desto größer die Nähe zum Hochkulturschema. H13a: Je größer die Nähe zum Hochkulturschema, desto seltener werden gesundheitsschädigende Verhaltensweisen ausgeübt. H13b: Je größer die Nähe zum Hochkulturschema, desto besser die Gesundheit. Die Zeichen für das Trivialschema umschließen eine Vorliebe für Heimatfilme, Volksmusik und deutsche Schlager. Die Nähe zum Trivialschema steigt mit dem Alter und sinkt mit dem sozialen Status. „Der Körper spielt im Genussschema des Trivialschemas eine aktivere Rolle als beim Hochkulturschema.“ (ebenda: 150) „Ob im Bierzelt oder beim Volksliederabend, bei der Kaffeefahrt im Autobus oder beim Trachtenumzug, der Körper kommt zu seinem Recht, er darf sich bewegen, ohne sich anstrengen zu müssen, darf laut sein, essen und trinken, berühren und berührt werden. Er darf sich bemerkbar machen, ein bisschen gehenlassen und so bleiben, wie er ist, mag er nun dick oder dünn, groß oder klein, jünger oder älter sein.“ (ebenda: 151) Diese Beschreibung, die von Schulze pointiert mit dem Begriff der Gemütlichkeit umschrieben wird, lässt vermuten, dass Personen mit einer Nähe zum Trivialschema sich den (einfachen) Genüssen des Lebens hingeben, ‚gut’ essen und trinken und keine Notwendigkeit sehen, ihren Körper durch systematische sportliche Betätigung in Form zu halten. Es lässt sich daher folgende Vermutung formulieren: 13 H14: Je höher der soziale Status, desto größer die Distanz zum Trivialschema. H15a: Je größer die Nähe zum Trivialschema, desto häufiger werden gesundheitsschädigende Verhaltensweisen ausgeübt. H15b: Je größer die Nähe zum Trivialschema, desto schlechter die Gesundheit. Das dritte alltagsästhetische Schema, das Spannungsschema, ist durch eine Vorliebe für Rock- und Popmusik, den Besuch von Kino und Diskothek, Ausgehen und Abwechslung gekennzeichnet (Schulze 1992: 154). Action ist der Begriff, der die Erlebnisqualität dieses Schemas am besten beschreibt. Als äußeres Zeichen für dieses Schema gilt insbesondere das Alter, mit dessen Anstieg die Distanz zu diesem Schema zunimmt. Allerdings gilt hier auch, dass es eher darauf ankommt, wie alt man sich fühlt als wie alt man ist. In diesem Schema „spielt der Körper eine zentrale Rolle“ (ebenda). „Man agiert sich aus (Disco, Sport, PopKonzerte), verwendet Zeit und Geld für die äußere Erscheinung, zeigt sich her, mustert die anderen.“ (ebenda: 154f.) Aufgrund dieser Beschreibung kann erwartet werden, dass eine Nähe zum Spannungsschema positiv mit der Ausübung von Sport assoziiert ist. Mit Bezug auf das Rauchen und den Alkoholgenuss kann dagegen eher ein gegenläufiger Zusammenhang vermutet werden. Beide Verhaltensweisen können kombiniert mit der ‚richtigen Umgebung’ die Erlebnisqualität (vermeintlich) steigern, sollten also bei denen, die eine größere Nähe zum Spannungsschema aufweisen auch häufiger zu beobachten sein. Aus diesen Überlegungen ergeben sich damit die folgenden Hypothesen: H16: Je größer die Nähe zum Spannungsschema, desto häufiger wird Sport ausgeübt. H17: Je größer die Nähe zum Spannungsschema, desto größer der Konsum von Tabakwaren und Alkohol. Inwieweit sich diese Verhaltensweisen mit Bezug auf die Gesundheit neutralisieren oder ob die gesundheitsfördernden Aspekte der sportlichen Betätigung oder aber die gesundheitsschädigenden Aspekte des Rauchens und des Alkoholgenusses die Oberhand gewinnen, muss hier offen bleiben. Soziale Milieus, als zweites Element der Schulzeschen Konzeption von Lebensstilen, basieren auf einer spezifischen Kombination der drei alltagsästhetischen Schemata, so dass fünf disjunkte Gruppen unterschieden werden können (vgl. weiter unten Abbildung 4.4):8 Das 8 Gleichzeitig zeichnen sich die Milieus durch eine spezifische Kombination der „Milieuzeichen“ Alter und Bildung aus (Schulze 1992: 188-192, 278ff.), die hier jedoch nicht zur Identifizierung der Milieus herangezogen werden, sondern lediglich zu ihrer Beschreibung. Stattdessen werden die Milieus allein auf der Basis 14 Niveau-, das Integrations-, das Harmonie-, das Selbstverwirklichungs- und das Unterhaltungsmilieu. Das Niveaumilieu „ist ganz auf das Hochkulturschema ausgerichtet“, „um es zu besichtigen, muß man nur während der Konzertpause ins Foyer gehen“ (Schulze 1992: 283). Dementsprechend weisen die Mitglieder dieses Milieus eine hohe Distanz zum Trivial- und Spannungsschema auf. Unter sozialstrukturellen Gesichtspunkten handelt es sich bei diesem Milieu um eine Gruppe von älteren Personen mit hoher Bildung, die in gehobenen beruflichen Positionen beschäftigt sind und über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen verfügen (Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002: 134ff.). Das Integrationsmilieu zeichnet sich durch eine gemäßigte Nähe zum Hochkultur- und zum Trivialschema sowie durch eine gewisse Distanz zum Spannungsschema aus. Überspitzt spricht Schulze (1992: 301) von einer „Ehe von Kitsch und Kunst“. „Das Besondere an diesem Milieu ist seine Durchschnittlichkeit“, seine „gediegene Mittellage“ (ebenda). Bei den Angehörigen dieses Milieus handelt es sich um ältere Personen, die mittlere Positionen in der Angestellten- und Beamtenschaft besetzen. Das Harmoniemilieu steht dem Trivialschema nahe und weist eine Distanz zum Hochkultursowie Spannungsschema auf. „Gemütlichkeit als Genussform, Harmonie als Lebensphilosophie“ zeichnet dieses Milieu aus (ebenda: 297). Sozialstrukturell hat dieses Milieu seine Basis unter älteren Personen in unteren Berufsgruppen, seine Mitglieder haben dementsprechend eine geringe Bildung und ein geringes Einkommen. Das Selbstverwirklichungsmilieu weist wie das Niveaumilieu eine Nähe zum Hochkulturschema und eine Distanz zum Trivialschema auf. Es unterscheidet sich jedoch von diesem durch seine gleichzeitige Nähe zum Spannungsschema: Kennzeichnend ist „der Grenzverkehr zwischen verschiedenen alltagästhetischen Zeichen- und Bedeutungskosmen, zwischen Mozart und Rockmusik, Kunstausstellung und Kino, Kontemplation und Action“ (ebenda: 312). Seine Mitglieder verfügen typischerweise über eine sehr hohe Bildung, sie sind jünger und stehen daher meist am Anfang einer beruflichen Karriere, die auf gehobene berufliche Positionen gerichtet ist. Das Unterhaltungsmilieu schließlich steht nur dem Spannungsschema nahe. Dieses Milieu bedient sich „mehr als jedes andere solcher Erlebnisangebote, die reines Aktiviert-Werden ohne ästhetische Dekodierungsarbeit verheißen, oft in Verbindung mit Unterhaltungsmaschi- der Stilelemente – d.h. der alltagsästhetischen Schemata – gebildet (vgl. dazu die Diskussion in Abschnitt 4.2.2 weiter unten). 15 nen“ (ebenda: 326). Angehörige dieses Milieus sind eher jünger, weniger gut gebildet und gehen häufiger manuellen Berufen nach. Nimmt man diese kurzen Charakterisierungen der Milieus zusammen mit den oben entwickelten Vermutungen zum Einfluss der alltagsästhetischen Schemata auf die Gesundheit bzw. das Gesundheitsverhalten, lassen sich folgende Hypothesen formulieren:9 H18: Niveau- und Selbstverwirklichungsmilieu weisen von allen Milieus den höchsten sozialen Status auf, es folgen das Integrations- und das Unterhaltungsmilieu und das Harmoniemilieu ist durch den niedrigsten sozialen Status gekennzeichnet. H19a: Ordnet man die sozialen Milieus aufsteigend nach dem Grad ihres gesundheitsschädigenden Verhaltens, sollten sich folgende drei Gruppen ergeben: Niveaumilieu und Selbstverwirklichungsmilieu mit der geringsten Rate an gesundheitsschädigendem Verhalten, Integrationsmilieu und Unterhaltungsmilieu in einer mittleren Position, Harmoniemilieu mit der höchsten Rate gesundheitsschädigender Verhaltensweisen. H19b: Ordnet man die sozialen Milieus aufsteigend nach dem Ausmaß ihrer Gesundheit, sollten sich drei Gruppen ergeben: Harmoniemilieu, Integrationsmilieu und Unterhaltungsmilieu, Niveaumilieu und Selbstverwirklichungsmilieu. 2.4 Gesundheitsverhalten und Gesundheit Gesundheitsrelevantes Verhalten hat einen Einfluss auf die Gesundheit, sonst wäre dieses Verhalten falsch bezeichnet. Ob sich dieser Zusammenhang jedoch auch in einer Querschnittsstudie nachweisen lässt, ist fraglich, zumal bei einem solchen Design kein empirischer Nachweis über die kausale Richtung des Zusammenhangs möglich ist. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass der Effekt des Gesundheitsverhaltens auf die Gesundheit mit einer sehr großen Verzögerung eintreten kann – vgl. Silbereisen (1997: 201), der von einem „Incubation“ oder „Sleeper-Effekt“ spricht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass gesundheitlich relevante Verhaltensweisen, wie anderes Verhalten auch, habitualisiert und relativ dauerhaft sind. Ist diese Vermutung richtig, dann stellt das zum Zeitpunkt des Interviews berichtete Verhalten einen guten Näherungswert für das frühere Verhalten dar. Trotz dieser Schwierigkeiten berichten verschiedene Studien auf Basis von Querschnittsdaten von negativen Korrelationen zwischen gesundheitsschädigendem Verhalten und Gesundheit. So zeigen Manderbacka, Lundberg und Martikainen (1999), dass starkes Rauchen, Bewegungsmangel und starker Alkoholkonsum (allerdings auch Alkoholabstinenz) negativ mit der gesundheitlichen Selbsteinschätzung assoziiert sind. Ähnlich zeigt Blaxter (1990: 189ff.), 9 Die Ableitung dieser Hypothesen kann auch anhand der Abbildung A1 in Anhang 1 nachvollzogen werden. 16 dass Raucher ihre Gesundheit schlechter beurteilen und über mehr Beschwerden klagen als Nichtraucher. Allerdings hatten ehemalige Raucher einen noch deutlich schlechteren Gesundheitszustand als Raucher. „The fact that the health status of this group was worse than that of current smokers must obviously not be taken as suggesting that health deteriorates on giving up smoking: rather, those who give up smoking are likely to be in poor health.“ (ebenda: 192) Eine genauere Untersuchung zeigte dann, dass es vor allem diejenigen waren, die ein Jahr vor der Studie mit Rauchen aufgehört hatten, während sich diejenigen, die mehr als fünf Jahre nicht geraucht hatten, kaum noch von denjenigen, die nie geraucht hatten, unterschieden (ebenda: 192). Für sportliche Betätigung kommt Blaxter (1990:197) zu demselben Ergebnis wie Manderbacke et al. (s.o.): Mehr sportliche Betätigung führt zu einer besseren Gesundheit. In Bezug auf den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gesundheit kommt Blaxter zu keinem klaren Ergebnis; es überwiegen jedoch die positiven Effekte des Alkoholkonsums auf die Gesundheit. Wie das angeführte Beispiel der ehemaligen Raucher zeigt, kann der Gesundheitszustand auch einen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten haben. Ein anderes Beispiel sind Probleme mit den Knien oder dem Rücken, die der Ausübung vieler Sportarten im Wege stehen; allerdings kann in diesen Fällen auch eine spezifische Gymnastik für die nötige Bewegung sorgen. Trotz der angeführten methodischen Schwierigkeiten, gehe ich von folgender Hypothese aus: H20: Je mehr gesundheitsschädigendes Verhalten ausgeübt wird, desto schlechter ist die Gesundheit. 2.5 Zusammenfassung der theoretischen Überlegungen Die bisher diskutierten Zusammenhänge sind schematisch in Abbildung 2.1 wiedergegeben. Nach diesem Modell wird der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit vermittelt durch die Belastungen, denen eine Person ausgesetzt ist, durch die soziale Unterstützung, die eine Person genießt, durch den Lebensstil einer Person und durch ihr gesundheitsschädigendes bzw. –förderndes Verhalten. Neben den in Abbildung 2.1 dargestellten Merkmalen wird in den folgenden Analysen immer auch das Geschlecht und das Alter kontrolliert. Durch die Berücksichtigung dieser grundlegenden demographischen Variablen 17 Abbildung 2.1: Das heuristische Modell der Untersuchung Belastungen Gesundheitsverhalten Soziale Ungleichheit Soziale Netzwerke Krankheit/ Gesundheit Lebensstile Makroebene Mesoebene Mikroebene werden vor allem biologische Einflüsse auf die Gesundheit kontrolliert, d.h. der Alterungsprozess und die physiologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen.10 Aus diesen allgemeinen Überlegungen wurden konkrete Hypothesen abgeleitet, die in den Tabellen 2.1 und 2.2 zusammengestellt sind. Die erste Tabelle enthält die vermuteten Effekte der verschiedenen Merkmale sozialer Ungleichheit auf die hier betrachteten intervenierenden Variablen. Da die Merkmale der sozialen Ungleichheit trotz einer (geringfügigen) Zunahme der Statusinkonsistenz noch immer deutlich positiv miteinander korreliert sind (Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002: 124ff.), kann vermutet werden, dass die angegebene Einflussrichtung für ein Merkmal der sozialen Ungleichheit (zumindest bivariat) auch für die jeweils anderen Merkmale der sozialen Ungleichheit gelten. Vereinfacht kann daher davon ausgegangen werden, dass mit steigendem sozialen Status die Belastungen, die Geschlossenheit der sozialen Netzwerke und die Nähe zum Trivialschema abnehmen, während das soziale Kapital und die Nähe zum Hochkulturschema zunehmen. Über den Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und dem gesundheitsschädigenden Verhalten der Netzwerkpersonen und dem Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und dem Spannungsschema konnten keine Hypothesen formuliert werden. Hypothese 18, in der der Einfluss des sozialen Status auf die Milieuzugehörigkeit formuliert ist, wurde nicht in Tabelle 2.1 aufgenommen. Tabelle 2.2 fasst die Hypothesen zum Effekt der intervenierenden Variablen auf das gesundheitsschädigende Verhalten bzw. die Gesundheit zusammen. Belastungen durch Erwerbsar10 Natürlich sind Alter und Geschlecht auch in vielfältiger Weise „soziale“ Merkmale, die sich z.B. in der stärkeren Erwerbsbeteiligung von Männern oder in dem (verordneten) Rückzug älterer Menschen aus dem Arbeitsleben niederschlagen. Allerdings werden diese „sozialen“ Anteile von Alter und Geschlecht durch die anderen Merkmale (zumindest teilweise) explizit berücksichtigt, so dass ihre „biologischen Anteile“ überwiegen werden. 18 beit, aber auch durch die Haus- und Familienarbeit, gesundheitsschädigendes Verhalten der Netzwerkpersonen und eine Nähe zum Trivialschema fördern gesundheitsschädigendes Verhalten und/oder schwächen die Gesundheit. Dagegen wird die Gesundheit durch viel soziales Kapital und eine Nähe zum Hochkulturschema geschützt. Tabelle 2.1: Effekte der Merkmale sozialer Ungleichheit auf die intervenierenden Variablen a Belastungen soziales Kapital Bildung Trivialschema Spannungsschema – (H14) – (H1) Beruf – (H4) Einkommen sozialer Status Geschlossen- GSV der Hochkulturheit der Netzwerkschema Netzwerke personen b + (H12) c + (H6) – (H9) a +: positiver Einfluss; –: negativer Einfluss; in Klammern Nummer der Hypothese. b GSV: Gesundheitsschädigendes Verhalten. c Sozialer Status wird hier zum einen als Sammelbezeichnung der drei Einzeldimensionen sozialer Ungleichheit verwendet, zum anderen zur Bezeichnung eines zusammenfassenden Indexes. Die Effekte der Geschlossenheit der Netzwerke und der Nähe zum Spannungsschema auf die Gesundheit sind etwas komplizierter. Für das erste Merkmal wird eine umgekehrt U-förmige Beziehung vorhergesagt, d.h. mittlere Grade der Netzwerkgeschlossenheit sind gut für die Gesundheit. Für den Einfluss des Spannungsschemas auf die Gesundheit konnte keine eindeutige Hypothese formuliert werden, da von widersprüchlichen Einflüssen auf das Gesundheitsverhalten ausgegangen wird. Mit Bezug auf den Zusammenhang zwischen den fünf sozialen Milieus oder Lebensstilgruppen und dem Gesundheitsverhalten lautet die Vermutung, dass die Angehörigen des Harmoniemilieus am meisten, die Mitglieder des Niveau- und Selbstverwirklichungsmilieus am wenigsten gesundheitsschädigende Verhaltensweisen ausüben und die Mitglieder des Integrations- und Unterhaltungsmilieus eine Zwischenstellung einnehmen. Für die Gesundheit sollte sich ein dazu spiegelbildliches Ergebnis zeigen. Die Angehörigen des Selbstverwirklichungsund Niveaumilieus sollten also über die beste Gesundheit verfügen, die Mitglieder des Unterhaltungs- und Integrationsmilieus sollten eine mittlere Position einnehmen und die Angehörigen des Harmoniemilieus sollten durchschnittlich den schlechtesten Gesundheitszustand aufweisen. Die letzte Hypothese bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen gesundheitsschädigendem Verhalten und der Gesundheit. Hier wird von einem negativen Einfluss ausgegangen. 19 Bevor mit der empirischen Überprüfung der Hypothesen begonnen werden kann, soll zunächst die Datengrundlage der Studie und die Operationalisierung der verwendeten Merkmale beschrieben werden. Tabelle 2.2: Einflüsse auf das gesundheitsschädigende Verhalten und die Gesundheit a Belastungen Belastungen H niedriger Beruf b Gesundheitsschädigendes Verhalten Gesundheit + (H2a, H5a) – (H2b, H5b) + (H3a) – (H3b) soziales Kapital + (H7) Belastungen H niedriges soziales Kapital b – (H8) niedrige und hohe Geschlossenheit der sozialen Netzwerke – (H10) Gesundheitsschädigendes Verhalten der Netzwerkpersonen + (H11) Hochkulturschema – (H13a) + (H13b) Trivialschema + (H15a) – (H15b) Spannungsschema für Sport für Rauchen und Alkoholkonsum – (H16) + (H17) Milieus Niveaumilieu Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsmilieu Unterhaltungsmilieu – (H19a) 0 (H19a) + (H19a) – (H19a) 0 (H19a) Gesundheitsschädigendes Verhalten a Es bedeuten: +: positiver Einfluss; –: negativer Einfluss; bei den Milieus: +: überdurchschnittlich; 0: durchschnittlich; –: unterdurchschnittlich; in Klammern Nummer der Hypothese. b Gemeint ist ein Interaktionseffekt. + (H19b) 0 (H19b) – (H19b) + (H19b) 0 (H19b) – (H20) 20 3. Datenerhebung In diesem Kapitel werden einige zentrale Angaben zum Erhebungsinstrument, zur Organisation der Feldarbeit und zur Struktur des erhobenen Datenmaterials präsentiert. 3.1 Der Fragebogen Die Datenerhebung zu dieser Studie erfolgte als face-to-face Befragung mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens. Der Fragebogen umfasste verschiedene Themenbereiche, wobei Fragen zum Thema Gesundheit den Schwerpunkt bildeten. Unter anderem wurde nach dem Verständnis der Begriffe ‚Krankheit’ und ‚Gesundheit’ gefragt, es wurden gesundheitsrelevante Verhaltensweisen wie das Rauchen, das Alkoholtrinken oder sportliche Aktivitäten erhoben. Außerdem enthielt der Fragebogen verschiedene in Psychologie und Gesundheitsforschung entwickelte standardisierte Instrumente. Darunter befinden sich der SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand (Bullinger und Kirchberger 1998) und die Zerssen Beschwerdeliste (v. Zerssen 1976). Neben den Fragen zur Gesundheit wurden in dem Fragebogen auch die Themen Freizeitaktivitäten, soziale Beziehungen sowie Arbeitswelt und Familie ausführlich abgefragt (vgl. den Fragebogen im Anhang B dieses Berichts). Da der Fragebogen ohnehin sehr lang war, wurde entschieden, einen kleinen Teil der Fragen nur jeweils der Hälfte der Befragten zu stellen. Dies betraf die Fragen zu den Fernsehinteressen und die Frage zur Gestaltung von Reisen. Ein Teil der Fragen sollte von den Befragten selbst beantwortet werden. Zu diesem Zweck wurde ein eigener kleiner Fragebogen eingesetzt, der im Folgenden auch als Selbstausfüller bezeichnet wird. Während die Befragten mit dem Selbstausfüller beschäftigt waren, konnten die Interviewer eine Liste von Personen zusammenstellen, die für die Erhebung der egozentrierten Netzwerke benötigt wurde. Die durchschnittliche Dauer eines Interviews betrug 80 Minuten. Trotz der Länge des Fragebogens sagten 90% der Befragten, sie würden an einer Wiederholungsbefragung teilnehmen. Dieser hohe Anteil kann zum einen als Anzeichen für das Interesse am Thema der Befragung gedeutet werden. Zum anderen zeigt er aber auch, dass das Interview nur von sehr wenigen Befragten als unangenehm empfunden wurde. 21 3.2 Der Pretest Der Haupterhebung ging ein Pretest voraus, der im August und September 1999 von den Studierenden des Forschungspraktikums „Soziale Ungleichheit, Krankheit und Gesundheit“ durchgeführt wurde. Für diesen Pretest wurde zunächst eine 84 Haushalte umfassende Stichprobe im Random-Route-Verfahren zusammengestellt. Diese Haushalte wurden dann vom Untersuchungsleiter angeschrieben und gebeten, für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Im Rahmen des Pretests wurden insgesamt 23 Interviews realisiert. Der Pretest zeigte, dass das Interview keine größeren Schwierigkeiten bereitete, sodass der Fragebogen bis auf wenige Änderungen für die Haupterhebung übernommen werden konnte. 3.3 Die Haupterhebung Die Grundgesamtheit der Studie umfasste alle Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die mit erstem Wohnsitz in Köln gemeldet waren und die zwischen dem 16.11.1938 und dem 15.11.1969 geboren wurden. Diese Personen waren also zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung zwischen 30 und 60 Jahren alt. Wegen der Größe des Kölner Stadtgebiets und den begrenzten Mitteln, die für diese Studie zur Verfügung standen, wurde eine zweistufige Zufallsauswahl getroffen: Auf der ersten Stufe wurden 63 der 313 Kölner Stadtviertel ausgewählt. Die Auswahl der einzelnen Viertel erfolgte proportional zu der Anzahl der Personen, die zur Grundgesamtheit gehören. Auf der zweiten Stufe wurden in jedem der 63 Stadtviertel jeweils 30 Personen der Grundgesamtheit aus dem Einwohnerregister der Stadt Köln gezogen. Abbildung 3.1 gibt die Verteilung dieser 63 Viertel über das Stadtgebiet wieder. Insgesamt lagen somit 63H30=1.890 zufällig ausgewählte Adressen vor. Die Ziehung der Stichprobe wurde vom Amt für Statistik und Einwohnerwesen der Stadt Köln im September 1999 vorgenommen. Die Datenerhebung erfolgte in zwei Wellen. In der ersten Feldphase, die vom Untersuchungsleiter organisiert wurde, wurden in der Zeit zwischen Oktober 1999 und April 2000 zunächst 374 Interviews durchgeführt. Da im Laufe dieser Phase die Erfahrung gemacht wurde, dass die Neuregelungen im Zusammenhang mit dem „Scheinselbstständigkeitsgesetz“ (Gesetz zum Schutz der Arbeitnehmerrechte) die administrative Abwicklung von Interviews an der Universität zu Köln eine Beschäftigung von Interviewern nahezu unmöglich macht, wurde ifep, ein Umfrageinstitut in Köln, mit der Durchführung der zweiten Welle beauftragt. In dieser zweiten Phase wurden zwischen August und November 2000 noch einmal 321 Interviews durchgeführt. Um die Antwortbereitschaft zu erhöhen, wurden alle Personen der Brutto- 22 Stichprobe vor einem Kontakt durch die Interviewer vom Untersuchungsleiter persönlich angeschrieben und um ihre Mitarbeit gebeten. Darüber hinaus wurde die Studie in zwei lokalen Zeitungen angekündigt. Das Anschreiben und Kopien der Zeitungsartikel finden sich in Anhang C. Abbildung 3.1: Die Verteilung der 63 Erhebungsgebiete in Köln Alt-W orringen NeuW orringen Thenhoven Blumberg Chorweiler SeebergNord e in Volkhoven Dünnwald Flittard Rh GartenstadtNord Stam mheim Süd RennbahnViertel Neuehrenfeld NaumannViertel ParkgürtelNord Bickendorf HolweideW est HolweideO st Dellbrück Mülheim Nippes Alt-Vogelsang Siedlung Schlagbaum Buchforst Germ ania- Bergische Siedlung Siedlung ParkgürtelSüd Vogelsanger Str. Braunsfeld BaumeisterViertel Neu-W eiden Belgisches Viertel 1 11 1 3 33 3 Bayenthal Uni-Viertel Deutz W aldtier-Siedlung Kalk Merheim er Höhenberg Heide 2 22 2 Humboldt 4 44 4 Rolshoven 55 Poll Zollstock Rath W esthoven G rem berghoven Junckersdorf Arnoldhöhe Siedlung Südfriedhof Porz-M itte 1 2 3 4 5 = = = = = Eil-Süd Urbach Schillingsroth Neu-W eiß Cäcilien-Viertel Georgs-Viertel Pantaleons-Viertel Severins-Viertel Südstadt Hochkirchen Elsdorf W ahn 2,5 5 R 0 he in Zündorf-Süd Kilometer Neben den genannten administrativen Problemen wurde die Datenerhebung durch die lange Feldzeit, in deren Verlauf die gezogenen Adressen teilweise veralteten, erschwert. Insgesamt konnten 10,0% der 1.890 Personen wegen falscher Adressen nicht befragt werden, in weiteren 4,7% der Fälle konnten die Personen aufgrund einer längeren Abwesenheit, wegen fehlender oder mangelhafter Deutschkenntnisse, längerer Krankheit u.ä. nicht befragt werden (vgl. Tabelle 3.1).11 Werden diese Personen von der Brutto-Stichprobe abgezogen, verbleibt eine 11 Im Zusammenhang mit der hier verfolgten Fragestellung ist besonders wichtig, dass nur 11 Personen (0,6%) aufgrund eines zu schlechten Gesundheitszustands nicht an der Befragung teilnehmen konnten. Dementsprechend ist von einer nur geringen Verzerrung der abhängigen Variablen auszugehen. 23 bereinigte Stichprobe von 1.613 Personen. Von diesen konnten 10,8% nicht erreicht werden, 35,8% verweigerten ein Interview und in 7,1% der Fälle verweigerte eine dritte Person das Interview. 2,4% konnten zwar erreicht werden, fanden jedoch keine Zeit, das Interview durchzuführen. Befragt werden konnten schließlich 695 Personen, was einer Ausschöpfungsquote von 43,1% der bereinigten Brutto-Stichprobe entspricht (36,8% der nicht bereinigten Brutto-Stichprobe). Tabelle 3.1: Ausfallgründe und Ausschöpfungsquote Ausfallgrund Brutto-Stichprobe Neutrale Ausfälle Adresse nicht gefunden Adresse nicht eingesetzt ZP spricht nicht deutsch ZP zu alt, zu krank etc. ZP längere Zeit verreist Zwei ZPen in einem Haus Bereinigte Brutto-Stichprobe Systematische Ausfälle Nicht erreicht Verweigerung Keine Zeit Verweigerung durch Dritte Nicht nachvollziehbar Realisierte Interviews Angaben Absolut in Prozent 1.890 100,0 277 14,7 189 27 24 11 12 14 10,0 1,4 1,3 0,6 0,6 0,7 1.613 100,0 906 56,2 175 578 38 115 10,8 35,8 2,4 7,1 12 0,7 695 43,1 Durchschnittlich erreichte jeder Interviewer 9,5 Interviews. Fünf Interviewern gelang kein einziges Interview und nur zwei Interviewer führten mehr als 23 Interviews durch; einer 38 und ein weiterer sogar 91. Da diese beiden Interviewer von dem beauftragten Institut geführt wurden, bestand keine Möglichkeit, hier rechtzeitig einzugreifen. Alle Interviewer, auch die des beauftragten Instituts, wurden ausführlich vom Untersuchungsleiter geschult und regelmäßig kontrolliert. Dazu wurden die durchgeführten Interviews regelmäßig auf Erhebungsfehler durchgesehen und wo nötig, wurden die Interviewer nachgeschult. Jeder Interviewer erhielt zudem ein ausführliches Merkblatt mit allgemeinen Anmerkungen zur Durchführung der Befragung und mit speziellen Hinweisen zu einzelnen Fragen (s. Anhang C). Außerdem wurden die Angaben zum Geburtsjahr der Befragten in allen 24 Interviews mit den amtlichen Angaben verglichen. Ergaben sich hier Abweichungen, wurden die Befragten persönlich kontaktiert und gefragt, ob tatsächlich eine Befragung stattgefunden hatte. Die auf diese Weise identifizierten (Teil-)Fälschungen wurden nicht in den Datensatz aufgenommen und die entsprechenden Interviewer wurden aus dem Feld entlassen. Tabelle 3.2: Merkmale der Interviewer Gesamt Forschungsinstitut männlich weiblich 18 27 ifep männlich weiblich 10 18 Anzahl der Interviewer 73 Anzahl der Interviews Mittelwert Median Minimum Maximum 695 9,5 7,0 0 91 156 8,7 7,5 1 18 218 8,1 8,0 0 22 181 18,1 7,5 0 91 140 7,8 4,5 0 38 1972 1951 1982 1972 1953 1979 1975 1966 1980 1968 1951 1982 1972 1959 1982 Geburtsjahr der Interviewer Mittelwert Minimum Maximum Insgesamt umfasst die realisierte Stichprobe die Angaben von 695 Kölnerinnen und Kölnern. Diese Personen verteilen sich zu etwa gleichen Teilen auf die Altersgruppen der 30- bis 39Jährigen, der 40- bis 49-Jährigen und der 50- bis 60-Jährigen. Die Ausschöpfungsrate ist unter den Frauen etwas größer als unter den Männern und unter den Älteren höher als unter den Jüngeren. Die Verteilung der Brutto-Stichprobe und der realisierten Stichprobe nach Geschlecht und Altersgruppen kann Tabelle 3.3 entnommen werden. Tabelle 3.3: Altersverteilung der Brutto-Stichprobe und der realisierten Stichprobe, nach Geschlecht, in Prozent Männer Frauen Gesamt 41 27 31 1019 36 31 32 871 39 29 32 1890 Männer Frauen Gesamt Alter 30-39 40-49 50-60 a BruttoStichprobe Gesamt (N=100%) Alter realisierte Stichprobe Gesamt (N=100%) 30-39 40-49 50-60 a 38 27 35 353 32 30 38 342 35 28 37 695 a Insgesamt 60 Personen der Brutto-Stichprobe und 19 Personen der realisierten Stichprobe sind schon 61 bzw. 62 Jahre alt. 25 Die Verkodung und Datenerfassung erfolgte für sämtliche Fragebögen im Forschungsinstitut für Soziologie der Universität zu Köln. Die geschlossenen Fragen wurden im Feld vorverschlüsselt und mussten nur noch entsprechend erfasst werden. Die offenen Fragen wurden zum einen numerisch verkoded, zum anderen wurden aber alle Texte auch unverändert in die Datensätze aufgenommen. Die Verkodung der Berufsangaben wurde vom Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim durchgeführt. Für die schnelle und unbürokratische Erledigung dieser Arbeit danke ich dem Leiter der entsprechenden Abteilung, Herrn Alfons Geis, herzlich. Die Erfassung der Daten erfolgte unter Verwendung von SPSS Data Entry, die Datenanalyse wurde mit SPSS durchgeführt. 3.4 Das Datenmaterial Die Daten der Befragung wurden in vier verschiedene Datensätze abgelegt (vgl. Abbildung 3.2). Der erste Datensatz enthält alle Angaben aus den 1890 Kontaktprotokollen. Anhand dieser Daten kann jeder einzelne Kontakt nachvollzogen werden. Der zweite Datensatz enthält die Angaben zu den Befragten. Diese Daten stammen aus dem Hauptfragebogen und dem Selbstausfüller. Da dieser Datensatz auch Angaben zum Wohnviertel der Befragten enthält, können diesem Datensatz ökologische Variablen zugespielt werden. Dies ist bisher noch nicht geschehen, ist jedoch für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Die Angaben zu den Kindern und die Angaben zu den Netzwerkpersonen wurden separat in eigenen Datensätzen abgelegt, so dass getrennt Analysen für Kinder bzw. Netzwerkpersonen möglich sind. Diese Daten können den Angaben der Befragten entweder in aggregierter Form zugespielt werden oder die Befragtendaten werden disaggregiert und den Kindern bzw. Netzwerkpersonen zugespielt, um so Beziehungsdaten zu erzeugen (vgl. Wolf 1993). Abbildung 3.2: Die Datensätze und ihre relationale Struktur Netzwerkpersonen 5086 Einheiten 35 Variablen Kontaktprotokolle Befragte Personen 1890 Einheiten 113 Variablen 695 Einheiten 528 Variablen Schlüsselvariable: ID Schlüsselvariable: ID Schlüsselvariable: ID, ANR Kinder 849 Einheiten 10 Variablen Schlüsselvariable: ID, KNR 26 4. Operationalisierung und Verteilung der zentralen Variablen Bevor mit der Überprüfung der im zweiten Kapitel präsentierten Hypothesen begonnen wird, soll die Operationalisierung der zentralen Variablen dokumentiert werden. Dies sind die Variablen zur Erfassung der Gesundheit, der gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen, der Belastungen durch Arbeit und Familie, der sozialen Beziehungen und Netzwerke, der Lebensstile und der klassischen Indikatoren der sozialen Ungleichheit. Über die Angaben zur Operationalisierung hinaus enthält dieses Kapitel auch Angaben zur Verteilung der verwendeten Merkmale über die Altersgruppen und nach Geschlecht. 4.1 Maße der Gesundheit Der Begriff Gesundheit wurde bisher nicht weiter problematisiert oder gar definiert. Die Schwierigkeit, diesen Begriff genau zu bestimmen, beruht unter anderem darauf, dass verschiedene Disziplinen von unterschiedlichen Ansätzen zu seiner Definition ausgehen. Im medizinischen System wird Gesundheit vor allem als Abwesenheit von klar diagnostizierbaren Symptomen und Krankheitsbildern bestimmt. Das heißt Gesundheit wird negativ vor dem Hintergrund von Krankheit definiert, die durch medizinisch geschulte Experten festgestellt werden muss. Im Bereich der psychologischen und soziologischen Gesundheitsforschung stehen vor allem subjektive Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit sowie Laientheorien über die Entstehung von Krankheiten bzw. die Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit im Vordergrund (Filipp und Aymanns 1997; Flick 1991). Trotz der verschiedenen Positionen zur Bestimmung von Gesundheit besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Gesundheit ein mehrdimensionales Konstrukt ist und dass es sich bei diesen Dimensionen um Kontinua handelt (Bengel und Belz-Merk 1997: 23; Sarafino1998: 4). Die Datenerhebung der vorliegenden Studie erfolgte ohne die Beteiligung von Medizinern, daher konnten lediglich subjektive Gesundheitsindikatoren erhoben werden. Die dabei verwendeten Instrumente, der SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand (Bullinger und Kirchberger 1998) und die Beschwerdeliste (v. Zerssen 1976), zeigen jedoch einen engen Bezug zu Gesundheitskonzepten, die nach klinischen Kriterien definiert sind. Insofern ist eine substantielle Überschneidung von Laien- und Expertenangaben zum Gesundheitszustand zu erwarten, ohne dass die beiden Angaben jedoch deckungsgleich wären. Im Folgenden wird mit Gesundheit bzw. Krankheit das bezeichnet, was diese Instrumente messen. 27 Der SF-36 (Kurzform für Short Form 36), der aus 36 verschiedenen Items12 besteht, gehört mittlerweile international zu den Standardinstrumenten der Gesundheitsforschung und ist auch im ersten Bundes-Gesundheitssurvey von 1998 enthalten (Ellert und Bellach 1999; Radoschewski und Bellach 1999). Von den verschiedenen Varianten, in denen das Instrument angeboten wird, wurde diejenige mit einem Zeitfenster von vier Wochen gewählt, die von einem Interviewer durchzuführen ist. Die mit diesem Instrument erhobenen Daten können auf zwei verschiedenen Ebenen ausgewertet werden: Zum einen können die 36 Items zu neun verschiedenen Gesundheitsdimensionen13 zusammengefasst werden, zum anderen können zwei aggregierte Variablen gebildet werden, die das Ausmaß der körperlichen und psychischen Gesundheit summarisch wiedergeben. In der hier vorgelegten Studie wurde die zuletzt genannte Vorgehensweise gewählt, die auf der Basis der im Handbuch des SF-36 mitgelieferten SPSS-Syntax gebildet wurden. Die beiden resultierenden Skalen spiegeln das Ausmaß der körperlichen bzw. psychischen Gesundheit wider, je höher die Skalenwerte, desto besser die Gesundheit. Der Beschwerdeindex nach v. Zerssen beruht auf Angaben zur Intensität von 24 verschiedenen Beschwerden (Selbstausfüller, Frage 6).14 Der Beschwerdeindex „hat vornehmlich die Funktion, eine globale Beeinträchtigung des subjektiven Befindens ... anhand konkreter Beschwerden zu objektivieren und zu quantifizieren.“ (v. Zerssen 1976: 6) „Inhaltlich kennzeichnen die Items im wesentlichen Allgemeinbeschwerden ... oder lokalisierbare körperliche Beschwerden.“ (ebenda: 7) Entsprechend dieser Charakterisierung messen hohe Indexwerte stärkere und mehr Beschwerden als niedrige Indexwerte. Die Tabellen 4.1 und 4.2 geben die Mittelwerte und Standardabweichungen der drei Gesundheitsindikatoren nach Altersgruppen und Geschlecht wieder. Wie diese Angaben zeigen, nimmt die körperliche Gesundheit mit dem Alter ab, während die Beschwerden mit dem Alter zunehmen. Gleichzeitig nimmt auch die Streuung dieser beiden Messwerte mit dem Alter zu, d.h. die gesundheitlichen Unterschiede der Bevölkerung steigen zwischen dem 31. und dem 61. Lebensjahr an. Im Gegensatz zur körperlichen Gesundheit verschlechtert sich die psychische Gesundheit nicht mit dem Alter. Im Gegenteil, die psychische Gesundheit der Älteren ist durchschnittlich signifikant besser als die der Jüngeren. Die Streuungswerte der psychischen Gesundheit unterscheiden sich dabei nicht zwischen den Altersgruppen. 12 Vergleiche Fragen 16 bis 23, 25 und 33 im Fragebogen in Anhang B. 13 Diese bilden die körperliche Funktionsfähigkeit, die körperliche Rollenfunktion, körperliche Schmerzen, die allgemeine Gesundheitswahrnehmung, Vitalität, die soziale Funktionsfähigkeit, die emotionale Rollenfunktion und das psychische Wohlbefinden ab (Bullinger und Kirchberger 1998: 12). 14 In dieser Studie wurde die Beschwerdeliste B-L eingesetzt, die auch im Bundesgesundheits-Survey verwendet wurde. V. Zerssen (1976) bietet auch eine Parallelform B-L' sowie einen Ergänzungsbogen B-L0 an. 28 Tabelle 4.1: Alter 30-39 40-49 50-60 Differenz Korrelation a Statistische Kennwerte der Gesundheitsindikatoren nach dem Alter Körperliche Gesundheit s N 0 Psychische Gesundheit s N 0 51,4 50,8 47,4 *** –0,21 49,8 49,0 51,9 ** 0,11 8,3 8,3 11,3 *** 241 196 251 8,6 9,1 8,9 n.s. 241 196 251 Beschwerdeindex s N 0 13,4 15,6 16,8 ** 0,14 10,7 10,4 13,4 *** 242 194 251 a Korrelation unter Verwendung des ungruppierten Alters. n.s.: nicht signifikant; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Bei der Gegenüberstellung von Männern und Frauen zeigt sich, dass letztere durchschnittlich eine schlechtere körperliche Gesundheit aufweisen und mehr bzw. stärkere Beschwerden angeben. Auch die psychische Gesundheit der Frauen liegt durchschnittlich unter derjenigen der Männer, dieser Unterschied ist in der vorliegenden Stichprobe jedoch nicht signifikant. Mit Bezug auf alle drei Maße sind die gesundheitlichen Unterschiede in der Gruppe der Frauen größer als in der Gruppe der Männer. Wie Vergleiche der hier analysierten Stichprobe mit dem Bundes-Gesundheitssurvey von 1998 (BGS98) und mit der Normstichprobe des SF-36 bzw. des Beschwerdeindexes zeigen, entsprechen die berichteten Alters- und Geschlechtsunterschiede der gesundheitlichen Lage in ihrer Tendenz den bekannten Ergebnissen. Einzige Ausnahme ist der nur geringe Unterschied der psychischen Gesundheit in den Kölner Daten, der in den anderen Untersuchungen deutlicher ausfällt. Tabelle 4.2: Statistische Kennwerte der Gesundheitsindikatoren nach dem Geschlecht Körperliche Gesundheit s N 0 Geschlecht männlich weiblich Differenz η 51,0 48,5 *** 0,13 9,5 9,7 * 347 341 Psychische Gesundheit s N 0 50,7 50,0 n.s. 0,04 8,3 9,5 * 347 341 Beschwerdeindex s N 0 13,3 17,4 *** 0,18 10,9 12,2 * 351 336 n.s.: nicht signifikant; *: p ≤ 0,05; ***: p ≤ 0,001. Abschließend sei kurz auf den Zusammenhang der drei Indikatoren eingegangen. Die beiden Indizes aus dem SF-36 sind nicht miteinander korreliert (r = –0,02), sie sind ursprünglich auch als orthogonale Faktoren konstruiert worden. Die körperliche und psychische Gesundheit variieren in der Gesamtbevölkerung demnach unabhängig voneinander. Dagegen sind 29 beide Skalen in etwa gleich stark mit dem Beschwerdeindex assoziiert (körperliche Gesundheit: r = –0,42; psychische Gesundheit: r = –0,45). Die mit dem Beschwerdeindex erfasste gesundheitliche Verfassung berührt somit sowohl psychische als auch körperliche Anteile der Gesundheit. Die Korrelationen der drei Gesundheitsindikatoren sind im BGS98 mit den soeben berichteten vergleichbar (in derselben Reihenfolge: –0,03; –0,47; –0,51). 4.2 Gesundheitsverhalten Zu den gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen werden unter anderem Ernährungsweise, Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum, Schlafverhalten, sportliche Betätigung sowie risikoarme bzw. risikoreiche Verhaltensweisen beispielsweise im Straßenverkehr gezählt. Von diesen Verhaltensweisen sollen hier das Rauchen, der Alkoholkonsum und die sportliche Betätigung näher untersucht werden. 4.2.1 Rauchen Der Tabakkonsum wurde mit verschiedenen Fragen erfasst, die dem Nationalen Gesundheitssurvey der Deutschen Herz-Kreislauf-Präventionsstudie (DHP) entnommen wurden. Zunächst wurde nach dem gegenwärtigen Raucherstatus gefragt (Frage 27). Wie Tabelle 4.3 ausweist, variiert der Raucherstatus deutlich mit dem Alter und dem Geschlecht. Der Anteil derjenigen, die nie geraucht haben, liegt bei den Frauen um mehr als 10 Prozentpunkte über demjenigen der Männer. Umgekehrt sind die Anteile der ehemaligen und aktuellen Raucher unter Männern deutlich größer als unter Frauen. Allerdings sind diese geschlechtsspezifischen Unterschiede umso geringer, je jünger die betrachteten Altersgruppen sind. Tabelle 4.3: Nie geraucht Früher geraucht Rauche zur Zeit N (=100%) Raucherstatus nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent 30-39 38,7 21,0 40,3 243 Alter 40-49 28,4 21,3 50,3 197 CV = 0,13; p ≤ 0,001 a 50-60 37,8 32,3 29,9 254 Geschlecht Männer Frauen 29,7 41,3 27,8 22,6 42,5 36,1 353 341 CV = 0,12; p ≤ 0,01 a CV: Cramers V. Zwischen dem Alter und dem Rauchen besteht eine umgekehrt U-förmige Beziehung. Die Mitglieder der jüngsten und der ältesten Altersgruppe rauchen seltener und haben einen größeren Anteil von Personen, die nie geraucht haben als die mittlere Altersgruppe. Die 30 mittlere Altersgruppe ist am stärksten durch das Rauchen belastet. Etwas über die Hälfte der 40- bis 49-Jährigen zählt zu den Rauchern, dagegen nur 40% der Jüngeren und lediglich 30% derjenigen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Die Besonderheit der mittleren Altersgruppe bleibt auch dann bestehen, wenn in Rechnung gestellt wird, dass einige von ihnen das Rauchen noch aufgeben werden. Von denen, die heute 50 Jahre und älter sind, haben 51% im Alter von 30 Jahren und noch 41% im Alter von 40 Jahren geraucht (s. Abbildung 4.1). Bei den 40- bis 49-Jährigen waren es mit 60% bzw. 52% jeweils deutlich mehr. In der jüngsten Altersgruppe betrug der Anteil derjenigen, die mit 30 Jahren geraucht haben, nur 48%. Damit haben die Jüngsten im Alter von 30 Jahren die geringste Raucherquote. Abbildung 4.1: Anteile von Rauchern im Alter von 30, 40 und 50 Jahren nach dem Alter 70 60 30 40 50 50 40 30 20 10 0 30-39 40-49 50 u.ä. Neben dem Raucherstatus wurde für die (ehemaligen) Raucher erhoben, wie viele Zigaretten sie täglich rauch(t)en.15 Wie Tabelle 4.4 zeigt variiert die Zahl der täglich konsumierten Zigaretten kaum mit dem Alter. Im Gegensatz dazu sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen auch mit Bezug auf die Höhe des Tabakkonsums deutlich: Der Anteil der starken Raucher (mehr als 20 Zigaretten täglich) liegt bei den Männer um über 10 Prozentpunkte über dem gleichen Anteil bei den Frauen. 15 Es wurde nach der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten mit Filter und ohne Filter, der Anzahl der selbstgedrehten Zigaretten, der Zahl der Zigarren, Zigarillos und Stumpen sowie der Anzahl der Pfeifen gefragt. Diese Angaben wurden alle gleichgewichtet zu einer Gesamtzahl der täglich konsumierten Tabakwaren addiert. 31 Tabelle 4.4: Anzahl der heute bzw. früher gerauchten Zigaretten pro Tag nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent Nie geraucht 1-10 Zigaretten a 11-20 Zigaretten Über 20 Zigaretten N (=100%) 30-39 38,7 19,8 21,0 20,6 243 Alter 40-49 28,4 21,8 28,4 21,3 197 50-60 37,8 22,8 19,3 20,1 254 CV = 0,08; n.s. Geschlecht Männer Frauen 29,7 41,3 20,1 22,9 24,1 20,8 26,1 15,0 353 341 CV = 0,16; p ≤ 0,001 a Beinhaltet alle Tabakwaren, auch Pfeifen, Zigarren und Zigarillos. Aus den zusätzlich erhobenen Angaben zum Alter bei Beginn des Rauchens und ggf. dem Alter, in dem das Rauchen aufgegeben wurde, kann die Maßzahl ‚Packungsjahre’ berechnet werden. Diese Zahl gibt an, wie viele Jahre eine Person ein Päckchen Zigaretten täglich geraucht hat. So zeigt z.B. ein Wert von 10 Packungsjahren einen Zigarettenkonsum an, der einem 10 Jahre langen, täglichen Konsum von einem Päckchen Zigaretten (à 20 Zigaretten) entspricht (es kann sich dabei aber auch um einen 20-jährigen Konsum von täglich 10 Zigaretten oder einen 5-jährigen Konsum von täglich 40 Zigaretten handeln usw.). Die Angaben zu den Packungsjahren wurden in vier Gruppen zusammengefasst: noch nie geraucht; unter 20 Packungsjahre, 20 bis unter 40 Packungsjahre, und 40 Packungsjahre und mehr. Tabelle 4.5 zeigt die Verteilung dieser kategorisierten Variablen nach Alter und Geschlecht. Tabelle 4.5: Packungsjahre (PJ) nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent Nie geraucht Unter 20 PJ 20 bis unter 40 PJ Über 40 PJ N (=100%) 30-39 38,7 40,3 18,9 2,1 243 Alter 40-49 28,4 32,0 27,4 12,2 197 CV = 0,20; p ≤ 0,001 50-60 37,8 28,7 13,4 20,1 254 Geschlecht Männer Frauen 29,7 41,3 34,0 33,4 21,8 16,7 14,4 8,5 353 341 CV = 0,14; p ≤ 0,01 Der positive Zusammenhang zwischen dem Alter und den Packungsjahren ergibt sich daraus, dass die Gelegenheit, eine Raucherkarriere um ein weiteres Jahr auszudehnen, mit jedem Lebensjahr zunimmt. Dennoch spiegeln die Packungsjahre nicht einfach nur das Alter wider. 32 Vielmehr geben sie Auskunft über die reale Belastung durch das Rauchen.16 Mit Bezug auf das Geschlecht ergibt sich wiederum eine deutlich höhere Belastung der Männer; sie sind nicht nur häufiger (ehemalige) Raucher, sie rauchen nicht nur durchschnittlich mehr Zigaretten, sondern sie rauchen auch durchschnittlich eine längere Zeit. 4.2.2 Alkoholkonsum Der Alkoholkonsum wurde, ähnlich wie das Rauchen, durch mehrere Fragen erfasst (Frage 26). Zunächst wurde gefragt, ob man gelegentlich Alkohol trinke oder ob man abstinent sei und nie Alkohol zu sich nehme. Im Anschluss wurden die Nicht-Abstinenten gefragt, ob sie in den sieben Tagen vor dem Interview Alkohol getrunken hatten. Schließlich wurden alle, die in der Woche vor dem Interview Alkohol getrunken hatten, gefragt, wie viele Gläser Bier, wie viele Gläser Wein und wie viele Gläser hochprozentige alkoholische Getränke sie in den vergangenen sieben Tagen konsumiert hatten. Aus diesen Angaben wurde dann die durchschnittlich täglich konsumierte Menge reinen Alkohols in Gramm geschätzt.17 Diese Angaben wurden anschließend wiederum zu Gruppen zusammengefasst. Diese Gruppierung, die auf den Vorschlag von Uhl und Springer (1996: 13ff.) zurückgeht, unterscheidet: Abstinente, Personen mit geringem Alkoholkonsum (Frauen: bis einschließlich 16 Gramm pro Tag, Männer: bis einschließlich 24 Gramm pro Tag), Personen mit mäßigem Alkoholkonsum (Frauen: mehr als 16 bis einschließlich 40 Gramm pro Tag, Männer: mehr als 24 bis einschließlich 60 Gramm pro Tag) und Personen mit starkem Alkoholkonsum (Frauen: über 40 Gramm pro Tag, Männer: über 60 Gramm pro Tag). Der Konsum der zuletzt genannten Gruppe wird gemeinhin als gesundheitsgefährdend betrachtet. Die unterschiedliche Grenzziehung für Frauen und Männer ist darauf zurückzuführen, dass die Gefährdungsgrenze für Männer aus physiologischen Gründen höher liegt als bei Frauen. So produziert der weibliche Körper weniger Dehydrogenase, die zum Abbau von Alkohol benötigt wird; zusätzlich bremst Östrogen den Alkoholabbau. Der hier eingeschlagene Weg, den Alkoholkonsum für die letzten sieben Tage zu erheben, bringt Vor- und Nachteile mit sich. Aufgrund der Einschränkung auf einen klar definierten und leicht zu überschauenden Zeitraum werden Erinnerungsschwierigkeiten keine Rolle 16 Berechnet man aus den vorliegenden Daten die Anzahl der Packungsjahre bis zum 30. Lebensjahr, so zeigt sich der höchste Durchschnittswert wiederum in der mittleren Altersgruppe. Betrachtet man jedoch nur die Raucher, so erhält man den höchsten Durchschnittswert für die Packungsjahre bis 30 in der jüngsten Altersgruppe. Ursache hierfür ist vor allem, dass das Alter, in dem das Rauchen begonnen wird, immer niedriger geworden ist. 17 Dazu wurde der Alkoholgehalt des Bieres mit 4,8%, der des Weines mit 11,5% und der der hochprozentigen Alkoholika mit 40% angesetzt. Aus diesen Volumenprozenten wurde berechnet, wie viele Milliliter Alkohol getrunken wurden und aus dieser Angaben wurde die Alkoholmenge in Gramm bestimmt (1 Milliliter Alkohol = 0,789 Gramm Alkohol). 33 spielen. Außerdem müssen die Befragten keine ‚Durchschnittswerte’ bilden, wie dies bei Fragen zum ‚gewöhnlichen’ oder ‚normalen’ Alkoholkonsum der Fall ist. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben zum Alkoholkonsum der letzten sieben Tage reliabel und valide sind. Dies wird jedoch dadurch erkauft, dass einige Befragte im betrachteten Zeitraum ein für ihre Verhältnisse eher untypisches Trinkmuster aufweisen, sei es, weil sie weniger getrunken haben als üblich, sei es, weil sich die Trinkgelegenheiten in diesem Zeitraum häuften. Im Aggregat dürften sich diese Phänomene jedoch ausgleichen. Ein weiterer Nachteil der gewählten Vorgehensweise ist das Fehlen von Angaben für diejenigen, die in der Woche vor dem Interview keinen Alkohol getrunken haben. Dies sind immerhin 16% aller Befragten und 18% aller Nichtabstinenten. Für beide Gruppen, die Abstinenten und die in den letzten sieben Tagen vor dem Interview keinen Alkohol genossen haben, wurde als konsumierte Alkoholmenge der Wert null eingesetzt. Die Ergebnisse zur Menge des getrunkenen Alkohols beziehen sich daher immer nur auf den Alkoholkonsum der Berichtswoche. Tabelle 4.6: Alkoholkonsum in den letzten sieben Tagen nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent Abstinent Geringer Konsum a Mäßiger Konsum b Starker Konsum c N (=100%) 30-39 9,9 67,5 20,2 2,5 243 Alter 40-49 9,7 67,3 19,4 3,6 196 CV = 0,06; n.s. 50-60 15,4 62,2 18,9 3,5 254 Geschlecht Männer Frauen 7,6 16,2 64,6 66,5 24,1 14,7 3,7 2,6 353 340 CV = 0,17; p ≤ 0,001 a Frauen: bis höchstens 16 Gramm/Tag, Männer: bis höchstens 24 Gramm/Tag; inkl. aller Personen, die zwar generell Alkohol trinken, aber in den letzten sieben Tagen keinen Alkohol getrunken hatten. b Frauen: 16 bis 40 Gramm/Tag, Männer: 24 bis 60 Gramm/Tag. c Frauen: über 40 Gramm/Tag, Männer: über 60 Gramm/Tag. Wie Tabelle 4.6 zeigt, variiert das Trinkverhalten zwischen den Altersgruppen nicht besonders stark. Nur der Anteil der Abstinenten liegt in der ältesten Altersgruppe deutlich höher als in den beiden anderen Altersgruppen. Im Gegensatz dazu zeigen sich sehr große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Wie schon beim Konsum von Tabakwaren zeichnen sich die Männer durch das gesundheitsschädigendere Verhalten aus. Dabei muss bedacht werden, dass die geschlechtsspezifisch gesetzten Grenzen die Männer eher ‚begünstigen’. 34 4.2.3 Sportliche Betätigung Der letzte Bereich des gesundheitsrelevanten Verhaltens, der hier untersucht wird, ist die körperliche Bewegung. Zur Messung dieser Eigenschaft wird die Frage nach der Häufigkeit sportlicher Aktivitäten herangezogen (Frage 9a). Die Verteilung dieses Merkmals ist in Tabelle 4.7 wiedergegeben. Etwa jeder Siebte betreibt (fast) täglich Sport, ein weiteres (gutes) Drittel betreibt mindestens einmal pro Woche Sport.18 Allerdings übt auch jeder fünfte überhaupt keine sportlichen Aktivitäten aus. Diese Verteilung ist bei Männern und Frauen nahezu identisch. Eine altersspezifische Analyse zeigt, dass die Häufigkeit des Sporttreibens mit dem Alter abnimmt. Insbesondere steigt der Anteil derjenigen, die sich jeglicher sportlichen Tätigkeit enthalten. Der Anteil derjenigen, die seltener als einmal in der Woche Sport treiben und daher an Bewegungsmangel leiden dürften, steigt von 45% in der jüngsten Altersgruppe, auf 49% in der mittleren Altersgruppe und sogar auf 56% in der ältesten Altersgruppe an. Tabelle 4.7: Häufigkeit sportlicher Aktivität nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent Täglich Einmal pro Woche Seltener Nie N (=100%) 30-39 17,7 37,0 32,5 12,8 243 Alter 40-49 11,7 39,6 28,4 20,3 197 50-60 13,7 30,2 24,3 31,8 255 CV = 0,15; p ≤ 0,001 Geschlecht Männer Frauen 13,9 15,2 34,6 36,0 30,0 26,6 21,5 22,2 353 342 CV = 0,04; n.s. 4.2.4 Kumulation gesundheitsschädigender Verhaltensweisen Die hier untersuchten gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen – Rauchen, der Genuss von Alkohol und die Ausübung sportlicher Aktivitäten – werden im Folgenden nicht nur einzeln, sondern auch in einer Maßzahl zusammengefasst ausgewertet. Diese Zahl gibt Auskunft über den Grad der verhaltensbasierten Gesundheitsrisiken. Sie kann auch als eine Facette des gesundheitsbezogenen Lebensstils verstanden werden. Der Index der kumulierten verhaltensbasierten Gesundheitsrisiken wurde so bestimmt, dass für jede der folgenden Eigenschaften ein Punkt vergeben wurde: 20 oder mehr Packungsjahre, Konsum von mehr als geringen Alkoholmengen (für die Frauen mehr als 16, für die Männer 18 Im verwendeten Datensatz liegen keine Informationen über den Anteil der Hochleistungssportler vor. Diese meist sehr kleine Gruppe hat oftmals gerade wegen des Sports gesundheitliche Probleme. Dieser Sachverhalt bleibt hier unberücksichtigt. 35 mehr als 24 Gramm pro Tag) und seltener als einmal in der Woche Sport treiben. Der so gebildete Index variiert zwischen 0 (bei keiner der ausgewählten Verhaltensweisen gesundheitlich bedenkliche Ausprägungen) bis 3 (auf allen drei untersuchten Verhaltensweisen gesundheitsbedenkliche Ausprägungen). Bei etwa einem Drittel (32%) der Befragten liegen keine der genannten Verhaltensweisen vor. Nicht ganz die Hälfte (47%) weisen auf einer der drei Verhaltensweisen einen möglicherweise gesundheitsgefährdenden Wert auf. Immerhin 18% verhalten sich in zwei Bereichen und 3% in allen drei Bereichen in einer Weise, die ihre Gesundheit schädigt. Tabelle 4.8: Keine Eine Zwei Drei N (=100%) Anzahl gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent 30-39 38,7 39,9 17,3 4,1 243 Alter 40-49 28,9 47,2 19,8 4,1 197 50-60 28,3 53,1 16,9 1,6 254 CV = 0,10; p ≤ 0,05 Geschlecht Männer Frauen 28,9 35,5 46,2 47,5 19,8 15,8 5,1 1,2 353 341 CV = 0,13; p ≤ 0,01 Eine nach Geschlecht und Altersgruppen differenzierte Analyse ist in Tabelle 4.8 dargestellt. Danach verhalten sich Männer wesentlich gesundheitsgefährdender als Frauen: Während der Anteil der Männer, der keine der drei schädigenden Verhaltensweisen ausübt, unter dem entsprechenden Anteil der Frauen liegt, ist der Anteil der Männer, der sich in allen drei Bereichen gesundheitlich bedenklich verhält, um das 4-fache höher als der vergleichbare Anteil der Frauen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien (Blaxter 1990:131ff.; Hoffmeister et al. 1992: 62, 67; Kolip 1998: 512f.). Mit Bezug auf das Alter zeigt sich ein gemischtes Ergebnis: Die Gruppe derjenigen, die sich am wenigsten gesundheitsschädlich verhält und die Gruppe derjenigen, die aufgrund ihres Verhaltens die größten Gesundheitsgefahren riskieren, sind in der ältesten Altersgruppe am kleinsten. Umgekehrt weist die jüngste Altersgruppe den größten Anteil von Personen auf, die kein gesundheitsschädigendes Verhalten ausüben, und ebenso einen verhältnismäßig hohen Anteil von Personen, die durch ihr Verhalten ihre Gesundheit beeinträchtigen. 36 4.3 Klassische Merkmale sozialer Ungleichheit In der theoretischen und empirischen Literatur zur sozialen Ungleichheit werden übereinstimmend Bildung, Beruf und Einkommen als zentrale Dimensionen der vertikalen sozialen Ungleichheit genannt (Empfehlungen 1998; Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002: 109ff.; Kreckel 1997: 94ff.). Diese Merkmale wurden in der vorliegenden Studie entsprechend der Demographischen Standards (Statistisches Bundesamt 1999) erhoben und (weitgehend) gemäß der Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Epidemiologische Methoden operationalisiert (Empfehlungen 1998; Wolf 1998). 4.3.1 Bildung Als Indikator für die Bildung kommt zunächst der höchste allgemeinbildende Schulabschluss, den eine Person erlangt hat, in Frage. Darüber hinaus kann die ggf. erworbene berufliche Ausbildung separat oder in Kombination mit der schulischen Bildung berücksichtigt werden. In diesem Bericht wird den Empfehlungen (1998: 15) folgend mit einem Index der Bildung gearbeitet, in dem die schulische und die berufliche Ausbildung zusammengefasst werden. Dieser Index reicht von 1 (ohne Schul- und Berufsabschluss) bis 8 (Universitätsabschluss). Tabelle 4.9 gibt die Verteilung dieser Maßzahl nach Alter und Geschlecht getrennt wieder. Tabelle 4.9: Niedrig (1-3) a Mittel (4-6) Hoch (7,8) N (=100%) Die Verteilung des Bildungsindexes nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent 30-39 16,6 47,7 35,7 241 Alter 40-49 32,8 35,4 31,8 195 50-60 50,2 27,7 22,1 253 r = –0,24; p ≤ 0,001 b Geschlecht Männer Frauen 29,0 38,1 37,6 36,1 33,3 25,8 348 341 η = 0,11; p ≤ 0,01 c a In Klammern sind die Stufen des Bildungsindexes, die zusammengefasst wurden, angegeben. b Korrelation zwischen nicht gruppiertem Alter und nicht gruppiertem Bildungsindex. c Korrelation zwischen Geschlecht (Referenzkategorie: männlich) und nicht gruppiertem Bildungsindex; Maßzahl η (eta). Deutlich zu erkennen ist der immer besser werdende Ausbildungsstand. Verfügen noch die Hälfte der älteren über eine niedrige Bildung, sind es in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen deutlich unter 20%. Umgekehrt steigt der Anteil derjenigen mit hoher Bildung von 22% in der ältesten auf knapp 36% in der jüngsten Gruppe. Bei einem Vergleich von Männern und Frauen fällt der immer noch schlechtere Bildungsstand der letzteren auf. Und obwohl sich der Abstand zwischen den Bildungsabschlüssen der Männer und Frauen verringert hat, sind auch 37 in der jüngsten hier betrachteten Altersgruppe die Männer noch etwas besser gebildet als die Frauen. 4.3.2 Beruf Im Rahmen der Soziologie sozialer Ungleichheiten wird das vielschichtige Phänomen „Beruf“ (Frieling 1980) meist auf den sozio-ökonomischen Status oder das Berufsprestige der beruflichen Tätigkeit reduziert, manchmal wird auch die sozialrechtliche Stellung im Beruf berücksichtigt. In der hier präsentierten Studie wird dieser Tradition gefolgt. Dazu wurde zum einen nach der derzeitigen bzw. letzten beruflichen Tätigkeit (Frage 47) gefragt, die nach ISCO-68 und ISCO-88 kodiert wurde (ILO 1969, 1990); zum anderen wurde anhand einer differenzierten Liste nach der beruflichen Stellung gefragt. Aus den nach ISCO kodierten Angaben wurden verschiedene Berufsprestige- bzw. SES-Skalen abgeleitet,19 von denen im Folgenden die Magnitude-Prestigeskala (MPS) von Wegener (1988) verwendet wird.20 Dieselben Informationen liegen auch für einen eventuell vorhandenen (Ehe-)Partner vor. Aus den Angaben zur beruflichen Tätigkeit kann das Prestige, gemessen als Berufsprestige, abgeleitet werden. Es wäre jedoch verkürzt, würde man das Prestige einer Person ohne Bezug auf ihre häusliche Situation bestimmen. So ist z.B. das Prestige einer verheirateten Person nicht nur von ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit abhängig – sofern eine solche überhaupt besteht –, sondern auch von der Tätigkeit ihres Partners. Dieser Tatsache wird hier durch die Verwendung eines Einordnungsberufs Rechnung getragen, der folgendermaßen konstruiert wurde: Alle Personen, die nicht mit einem (Ehe-)Partner zusammenwohnen, werden nach ihrer eigenen (jetzigen bzw. früheren) Tätigkeit eingestuft. Alle Personen, die nicht erwerbstätig sind, aber mit einem (Ehe-)Partner zusammenleben, der aktuell erwerbstätig ist, werden nach der Tätigkeit ihres Partners eingestuft. Alle erwerbstätigen Personen, die mit einem nicht erwerbstätigen Partner zusammenwohnen, werden nach ihrer eigenen Tätigkeit eingestuft. Alle Personen, die mit einem Partner zusammenleben und entweder beide nicht erwerbstätig sind oder beide erwerbstätig sind, werden nach der Tätigkeit eingestuft, die das höhere Prestige auf der Magnitude-Prestigeskala erreicht. Nach dieser Vorgehensweise wurde zum einen das Prestige des Einordnungsberufs, zum anderen eine zusammengefasste Klassifikati- 19 Für die Verkodung der Berufe nach ISCO und die Generierung der Statusskalen danke ich dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim; besonderen Dank schulde ich dem Leiter der Abteilung Textanalyse, Medienanalyse und Verkodung, Herrn Alfons Geis. 20 Für die Verwendung einer Prestigeskala und gegen die Verwendung einer SES Skala spricht, dass Prestige im Gegensatz zu sozio-ökonomischem Status konzeptionell unabhängig von den beiden anderen hier betrachteten Aspekten der sozialen Ungleichheit, also der Bildung und dem Einkommen, ist. 38 on der beruflichen Stellung berechnet.21 Tabelle 4.10 gibt die Verteilung des zuletzt genannten Merkmals nach dem Alter und dem Geschlecht wieder. Tabelle 4.10: Berufliche Stellung des Einordnungsberufs nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent Freie Berufe Selbstständige, 0-1 Mitarbeiter a Selbstständige, 2+ Mitarbeiter einfache Ang./Beamte b mittlere Ang./Beamte höhere Ang./Beamte leitende Ang./Beamte un-, angelernte Arbeiter Facharbeiter Meister c N (=100%) 30-39 3,0 6,4 1,7 9,3 26,3 36,9 4,2 2,5 8,1 1,7 236 Alter 40-49 3,6 7,7 3,1 8,2 27,2 26,2 4,6 9,7 7,2 2,6 195 50-60 2,4 4,5 6,1 10,1 19,4 26,7 10,5 7,7 6,5 6,1 247 CV = 0,18; p ≤ 0,01 Geschlecht Männer Frauen 2,0 3,9 6,1 6,0 3,5 3,9 4,9 13,8 25,9 22,2 32,6 27,5 5,2 8,1 7,3 5,7 8,1 6,3 4,4 2,7 344 334 CV = 0,19; p ≤ 0,01 a Inklusive zwei mithelfende Familienangehörigen. b Inklusive einem Beamtenanwärter. c Inklusive Industriemeister, Vorarbeiter, Kolonnenführer und Brigadiers. Betrachtet man die Verteilung des Einordnungsberufs nach dem Alter, lassen sich drei Trends ausmachen: Erstens steigt der Anteil der leitenden Angestellten und Beamten sowie der Anteil der hochqualifizierten Arbeiter mit dem Alter an. Hier wird das Senioritätsprinzip sichtbar. Zweitens ist der Anteil der un- und angelernten Arbeiter in der jüngsten Altersgruppe sehr klein und zeigt so die Erfolge der Bildungsexpansion sowie die Umstrukturierung des Arbeitsmarktes. Drittens sind die in der jüngsten Kohorte sehr hohen Anteile der mittleren und vor allem der höheren Angestellten und Beamten ein deutlicher Hinweis auf die Ausweitung des tertiären Sektors. Bei der Interpretation dieser Daten darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich um den Einordnungsberuf handelt und nicht notwenigerweise um den eigenen Beruf. Diese Vorsicht ist insbesondere für die Interpretation der zweiten Hälfte von Tabelle 4.10 geboten. Dass Frauen z.B. häufiger als leitende Angestellte oder Beamte eingestuft sind als Männer, bedeutet nicht, dass sie diese berufliche Stellung häufiger bekleiden, sondern dass 21 Die Konstruktion des Einordnungsberufs lässt sich an folgender Tabelle nachvollziehen: Partner vorhanden nein ja Partner erwerbstätig nein ja Befragter erwerbstätig nein ja früherer Beruf Befragter jetziger Beruf Befragter höchster früherer Beruf jetziger Beruf Befragter Beruf des Partner höchster jetziger Beruf 39 sie häufiger in einem häuslichen Kontext leben, der seinerseits als Haushalt eines leitenden Angestellten oder Beamten bzw. einer leitenden Angestellten oder Beamtin eingestuft wurde.22 Während im Zusammenhang der Analysen zum Einfluss sozialer Ungleichheit der Einordnungsberuf das geeignete Konzept darstellt, kommt es bei der Analyse der Arbeitsbelastungen auf die eigene berufliche Tätigkeit mit ihren spezifischen Belastungen und Belohnungen an. Daher wird in diesem zuletzt genannten Zusammenhang das Prestige des eigenen Berufs verwendet. 4.3.3 Einkommen Wie der Beruf kann auch das ‚Einkommen’ in sehr unterschiedlicher Weise konzeptualisiert werden. So können z.B. Brutto- und Nettoeinkommen, persönliches und Haushaltseinkommen unterschieden werden. Darüber hinaus kann Einkommen nach der Art der Einkommensquelle differenziert werden. In der vorliegenden Studie wurde sowohl das persönliche als auch das Haushaltseinkommen erhoben, und zwar jeweils als Nettoeinkommen. Dabei wurde nicht nach Einkommensquellen unterschieden, vielmehr wurden die Befragten gebeten, alle Einkünfte zusammenzurechnen. Die Erhebung erfolgte mit Hilfe einer Listenvorlage, auf der 23 Einkommensintervalle aufgeführt waren, die von ‚unter 450 DM’ bis ‚über 14.750 DM’ reichten. Zur Bestimmung der Einkommen in DM wurden die jeweils genannten Einkommensintervalle durch ihren Mittelpunkt ersetzt.23 Das persönliche Einkommen spielt insbesondere im Zusammenhang mit der Analyse der Belastungen und Belohnungen, die durch die Arbeit entstehen, eine wichtige Rolle. Zur Beschreibung der ökonomischen Situation einer Person taugt es dagegen nur bedingt. Diese wird treffender durch das Einkommen des Haushalts bestimmt, dem sie angehört.24 Um die finanzielle Situation des Haushalts richtig einschätzen zu können, muss das Haushaltseinkommen auf die Zahl der Haushaltsmitglieder bezogen werden. Aber auch das Pro-KopfEinkommen gibt die ökonomischen Möglichkeiten der Haushaltsmitglieder nicht adäquat wieder, da diese Art der Einkommensberechnung die Einspareffekte nicht berücksichtigt, die durch gemeinsames Wirtschaften entstehen. Als Ausweg hat sich die Verwendung eines Äquivalenzeinkommens eingebürgert, bei dem neben der Haushaltsgröße auch die Alters22 Tatsächlich üben bzw. übten 6,4% der Männer, aber nur 4,0% der Frauen eine leitende Tätigkeit im Angestellten- oder Beamtenverhältnis aus. 23 Für die beiden offenen Randklassen, die kaum besetzt waren, wurden die Werte 449 DM und 15.000 DM eingesetzt. 24 Neben dem Haushaltseinkommen hat das Vermögen des Haushalts einen entscheidenden Einfluss auf die ökonomische Lage einer Person. Die Untersuchung des Vermögens unterbleibt jedoch meist, so auch in der hier vorgelegten Studie. 40 struktur der Haushaltsmitglieder berücksichtigt wird. Das Äquivalenzeinkommen wird durch den Quotienten des Haushaltseinkommens und der Summe von Äquivalenzgewichten gebildet. Diese Gewichte sollen die Einspareffekte des gemeinsamen Wirtschaftens widerspiegeln. Das Problem besteht nun darin, diese Gewichte zu bestimmen bzw. zu entscheiden, welche der angebotenen Gewichte der Berechnung des Äquivalenzeinkommens zu Grunde gelegt werden sollen (vgl. Krause 1992; Faik 1995; Weick 1999). Da es hier nicht um Armutsmessung und die Feststellung absoluter Einkommenshöhen bzw. –differenzen geht, sondern um relative Einkommenseffekte, spielt die Wahl der Äquivalenzskala kaum eine Rolle.25 Das im Folgenden verwendete Äquivalenzeinkommen, welches der Einfachheit halber auch schlicht als Einkommen bezeichnet wird, ist nach den Regelsätzen der Bundessozialhilfe gewichtet (Krause 1992: 7). Tabelle 4.11: Verteilung des Äquivalenzeinkommens in DM über Quartilsklassen nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent a 1. Quartil: unter 1.615 DM 2. Quartil: 1.615 bis unter 2.450 3. Quartil: 2.450 bis unter 3.400 4. Quartil: 3.400 DM und mehr N (=100%) 30-39 26,4 22,8 28,9 21,8 197 Alter 40-49 28,6 29,8 18,6 23,0 161 Keine Angabe in % von Gesamt 18,9 18,3 R = 0,04; n.s.b 50-60 20,4 23,5 27,0 29,1 196 23,1 Geschlecht Männer Frauen 17,3 32,6 25,2 25,0 27,3 23,2 30,2 19,2 278 276 21,2 19,3 r = –0,14; p ≤ 0,001 c a Personengewichte des Äquivalenzeinkommens nach den Regelsätzen der Bundessozialhilfe. b Multiple Korrelation zwischen nicht gruppiertem Äquivalenzeinkommen sowie dem nicht gruppiertem Alter und dem quadrierten Alter. c Korrelation zwischen Geschlecht (Referenzkategorie: männlich) und nicht gruppiertem Äquivalenzeinkommen. Tabelle 4.11 zeigt die Verteilung des Äquivalenzeinkommens nach dem Alter und dem Geschlecht. Zunächst ist festzuhalten, dass 80% der Befragten Angaben zum Haushaltseinkommen gemacht haben und dass kein Zusammenhang zwischen der Verweigerung der Einkommensfrage und dem Alter oder dem Geschlecht vorliegt. (Ebenso wenig kann ein Zusammenhang zwischen der Verweigerung der Einkommensfrage und der Bildung oder dem Einordnungsberuf festgestellt werden.) Bedingt durch eine Zunahme der Haushaltsgröße nimmt das Äquivalenzeinkommen von der jüngsten zur mittleren Gruppe ab und steigt dann, 25 So variieren beispielsweise die Korrelationen zwischen der hier verwendeten Gewichtung nach BSHG und der alten sowie neuen OECD Skala zwischen 0,97 und 1,00 (obwohl sich die Mittelwerte und Mediane der entsprechenden Maße stark unterscheiden). 41 ausgelöst durch einen Rückgang der Haushaltsgröße, bei den über 49-Jährigen wieder an. Allerdings ist der statistische Zusammenhang zwischen dem Alter und dem Einkommen nicht signifikant. Im Gegensatz dazu unterscheidet sich das Äquivalenzeinkommen von Männern und Frauen deutlich. Mit der hier verwendeten Gewichtung beträgt die Differenz des Durchschnittseinkommens der Männer und der Frauen immerhin 400 DM. Wie die Verteilung in Tabelle 4.11 zeigt, befinden sich nahezu ein Drittel aller Frauen in der untersten Einkommensgruppe, dagegen nur 17% der Männer. Ein nahezu umgekehrtes Bild zeigt sich in der obersten Einkommensgruppe, in der sich 19% der Frauen, aber 30% der Männer befinden. 4.3.4 Zum Zusammenhang der klassischen Indikatoren sozialer Ungleichheit Tabelle 4.12 fasst die vorgestellten klassischen Merkmale der sozialen Ungleichheit zusammen und gibt die Korrelationen zwischen diesen Merkmalen wieder. Zunächst erstaunt der starke Zusammenhang zwischen der Bildung und dem Berufsprestige. Diese Korrelation spiegelt die für Deutschland typische enge Kopplung zwischen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt wider (Müller und Shavit 1998; Müller, Steinmann und Ell 1998). Dementsprechend fällt auch der Zusammenhang zwischen Ausbildung und Einkommen relativ stark aus. Dass das Prestige des Einordnungsberufs eine geringfügig höhere Korrelation mit dem Äquivalenzeinkommen aufweist als das Prestige des eigenen Berufs, spricht für die Validität des hier gewählten Konzepts des Einordnungsberufs. Tabelle 4.12: Verteilungskennwerte und Korrelationen der Ungleichheitsindikatoren a Bildungsindex Bildungsindex Prestige des eigenen Berufs b Prestige des Einordnungsberufs Persönliches Einkommen Äquivalenzeinkommen Median Mittelwert Standardabweichung 677 684 541 551 4,00 4,95 2,08 Prestige Prestige persönlieigener Einordches Beruf nungsberuf Einkommen 0,66 0,62 0,40 0,86 0,42 681 0,35 536 540 544 550 525 65,0 65,6 3.000 70,1 76,1 3.462 31,9 33,7 2.236 Äquivalenzeinkommen 0,41 0,44 0,47 0,57 2.454 2.647 1.437 a Oberhalb der Hauptdiagonale Korrelationskoeffizienten, unterhalb Anzahl der gültigen Fälle. Alle Korrelationen signifikant mit p ≤ 0,001. b Prestige der jetzigen oder letzten beruflichen Tätigkeit nach Wegener (1988). Schließlich sollte noch erwähnt werden, dass sich hinter der sehr hohen Korrelation zwischen dem Prestige des eigenen Berufs und dem Prestige des Einordnungsberufs für Männer und 42 Frauen unterschiedliche Korrelationen verbergen. Bei Männern beträgt diese Korrelation 0,95, bei Frauen dagegen 0,77. Der Einordnungsberuf ist somit ‚männerzentriert’, allerdings nur insoweit, wie der Arbeitsmarkt ‚männer-’ und die häusliche Arbeitsteilung ‚frauenzentriert’ sind. Aufgrund der engen statistischen Beziehung zwischen den Indikatoren der sozialen Ungleichheit lässt sich die Bildung eines zusammengefassten Indikators des sozialen Status rechtfertigen. In diesen Indikator fließen die Bildung, das Prestige des Einordnungsberufs und die Höhe des Äquivalenzeinkommens ein.26 Der gewählte Indikator ist der Mittelwert dieser ztransformierten Merkmale, der anschließend auf einen Wertebereich zwischen 1 (niedrigster Status) und 10 (höchster Status) skaliert wurde. Die Korrelationen zwischen diesem Indikator des sozialen Status und seinen drei Komponenten betragen 0,84 (Bildung), 0,86 (Prestige des Einordnungsberufs) und 0,77 (Äquivalenzeinkommen). 4.4 Lebensstile Eine der Zielsetzung der vorliegenden Studie ist, die klassischen, vertikalen Dimensionen sozialer Ungleichheit um Aspekte horizontaler Ungleichheiten zu erweitern und zu untersuchen, in welchem Verhältnis diese ‚neuen’ Ungleichheiten zu Krankheit und Gesundheit stehen. Von den verschiedenen Konzeptionen, die im Zusammenhang mit sogenannten ‚neuen’ sozialen Ungleichheiten diskutiert werden, wird hier nur auf Lebensstile und Lebensstilgruppen eingegangen. In Anlehnung an Hartmann (1999: 46f.) wird unter einem Lebensstil ein Bündel von Handlungen und Präferenzen verstanden, durch das sich eine Person ausdrücken und welches als spezifisch und von anderen Stilen unterschieden wahrgenommen werden kann. Lebensstile haben somit eine expressive sowie eine identifikative und damit gleichzeitig eine distinktive Funktion. Auf der Basis von Lebensstilen können Lebensstilgruppen, also Gruppen von Personen mit ähnlichem Lebensstil, gebildet werden. Diese Lebensstilgruppen werden hier auch als soziale Milieus bezeichnet. Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeiten wird hier die These vertreten, dass die Einbeziehung des Lebensstilkonzepts in die Analyse des Zusammenhangs zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit nur dann fruchtbar ist, wenn dies im Anschluss an die Konzeptionen geschieht, die in der Soziologie sozialer Ungleichheiten erarbeitet wurden. Im Gegensatz 26 Dies wird auch durch eine Hauptkomponentenanalyse der Bildung, des Einordnungsberufs und des Äquivalenzeinkommens bestätigt, bei der der erste Faktor 67% der Varianz dieser Merkmale auf sich vereint. Nahezu dasselbe Ergebnis berichten Friedrichs, Kecskes und Wolf (2002: 127) für die Verhältnisse in einer Mittelstadt. 43 dazu stehen Versuche, die je nach empirischem Gegenstand immer andere Lebensstilkonzepte verwenden. So wird in der Gesundheitssoziologie häufig mit gesundheitsbezogenen Lebensstilen gearbeitet, womit letztlich nur die gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen bzw. der Risikofaktorenansatz ein neues Etikett erhalten (Abel und Kohlmann 1989; Blaxter 1990; Cockerham 2000).27 Es spricht nichts gegen diese Praxis; allerdings handelt es sich dann bei den entsprechenden Arbeiten m.E. nicht mehr um eine Arbeit, die den Zusammenhang zwischen den sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten thematisiert und somit auch nicht um einen Beitrag zur Allgemeinen Soziologie bzw. der Soziologie sozialer Ungleichheit.28 Abbildung 4.2: Body-Mass-Index nach Musikgeschmack Wie gerne hören Sie ... 28 Body-Mass-Index (Mittelwert) klassische Musik? Volkslieder? 27 26 25 24 sehr ungern ungern weder noch gern sehr gern Wie in Abschnitt 2.3 ausführlich dargestellt, wird aus der Fülle der theoretischen und empirischen Ansätze zur Messung von Lebensstilen hier auf die Konzeption von Gerhard Schulze (1992, 1999) zurückgegriffen. Diese Konzeption hat den Vorteil, dass sie gut dokumentiert ist. Zudem zeigen eine Reihe weiterer Studien, dass sich die Konzepte von Schulze auch mit anderen Datensätzen replizieren lassen (Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002; Hartmann 1999; Müller-Schneider 2000). Dass die Einbeziehung eines solchen soziologischen Lebensstilkonzeptes in die Gesundheitssoziologie in der Tat vielversprechend ist, wird aus Abbildung 4.2 deutlich, die auf den Daten der hier vorgestellten Studie beruht. Sie zeigt einen statistisch 27 Hradil (1997: 37) und Cockerham (2000: 161) sehen in den gesundheitsbezogenen Lebensstilen eine spezielle Form der Lebensstile, die den ‚allgemeinen’ Lebensstilen – gemeint sind wohl die in der Ungleichheitsforschung verwendeten Konzepte – untergeordnet sind. In welchem empirischen Verhältnis die hier verwendeten Lebensstile zu den gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen stehen, wird in Kapitel 5.5.1 eingehend untersucht. 28 Ähnlich argumentiert Pientka (1994), der zwischen Lifestyle-Ansatz – Risikofaktorenansatz – und soziologischer Lebensstilanalyse unterscheidet. 44 signifikanten Zusammenhang zwischen dem Body-Mass-Index29 und der Präferenz für klassische Musik bzw. für Volklieder (beides Indikatoren der Lebensstile bei Schulze). Im Folgenden werden zunächst die drei von Schulze (1992) beschriebenen alltagsästhetischen Schemata mit den vorhandenen Daten repliziert. Anschließend werden auf Basis dieser Variablen die fünf Lebensstilgruppen gebildet. 4.4.1 Alltagsästhetische Schemata Insgesamt wurden den Befragten 22 Items zum Freizeitverhalten (Frage 8), 13 Items zum Musikgeschmack (Frage 34) und 10 Items zum Interesse am Fernsehen (Frage 10 – Split 1) bzw. 10 Items zu den wichtigen Aspekten im Urlaub (Frage 10 – Split 2) vorgelegt. Die Bewertung dieser Items erfolgte mit Ausnahme des Urlaubinteresses auf fünfstufigen Antwortskalen. Die Urlaubsinteressen wurden dichotom erhoben. Im Rahmen der Studie wurde auch untersucht, inwieweit sich die Urlaubsinteressen dazu eignen, den Lebensstil bzw. die alltagsästhetischen Schemata zu charakterisieren. Da aufgrund des ohnehin sehr umfangreichen Fragebogens die Aufnahme weiterer Items nicht in Frage kam, wurde entschieden, die Items zu den Fernsehinteressen und die Items zu den Urlaubsinteressen alternierend in zwei verschiedenen Fragebogenversionen zu stellen. Die bisher vorgenommenen Analysen zeigen, dass zumindest die von uns erhobenen Urlaubsinteressen kaum mit den anderen Lebensstilvariablen kovariieren. Diese Daten werden daher im Folgenden nicht weiter verwendet. Im Gegensatz dazu bilden die Fernsehinteressen, wie auch nach den Untersuchungen von Schulze oder Hartmann zu erwarten war, einen wichtigen Bestandteil der alltagsästhetischen Schemata, auf den nicht verzichtet werden sollte. Aufgrund des Fragebogen-Splits fehlen die Angaben zum Fernsehinteresse jedoch von etwa der Hälfte der Befragten. Um auch diese zu den alltagsästhetischen Schemata und später den Milieus zuordnen zu können, wurden diese fehlenden Werte aus den Angaben zu allen anderen Lebensstilitems geschätzt. Obwohl die Qualität der vorhergesagten Werte sich durch die Hinzunahme des Alters, der Bildung, des Geschlechts und weiterer Sozialstrukturvariablen verbessert hätte, wurde bewusst auf deren Hinzuziehung verzichtet. Denn ohne diesen Verzicht wären alle weiteren Analysen zum Verhältnis der ‚neuen’ und ‚alten’ Ungleichheitsdimensionen tautologisch geworden. Um die in der einen Stichprobenhälfte fehlenden Angaben zum Fernsehinteresse zu schätzen, wurde zunächst für jedes Fernsehitem eine Regressionsanalyse durchgeführt. Dabei wurde auf der Basis der anderen 35 Lebensstilitems (22 Freizeit, 13 Musik) eine Schätzgleichung für das jeweilige Item bestimmt. Dies geschah zunächst in der Teilstichprobe, für die die Items zum 29 Der Body-Mass-Index ist ein Maß für das Gewicht einer Person unter Berücksichtigung ihrer Größe. Es wird nach folgender Formel berechnet: BMI = Gewicht in kg / Größe in m². 45 Fernsehen auch erhoben worden waren. Über alle zehn Items hinweg, erklären diese Schätzgleichungen durchschnittlich knapp 30% der Varianz im Interesse für die verschiedenen Fernsehsendungen. Allerdings variiert dieser Anteil zwischen den Sendungen relativ stark (s. Tabelle 4.13).30 Tabelle 4.13: A B C D E F G H I J Erklärte Varianz der Fernsehitems auf Basis der anderen Lebensstilitems Fernsehshows, Quizsendungen Sportsendungen Nachrichten und politische Magazine Kunst- und Kultursendungen Volkstümliche Unterhaltung Krimis und Krimiserien Actionfilme Familien- und Unterhaltungsserien Komödien (Filme und Serien) Nachmittags-Talk-Shows R² 0,30 0,21 0,17 0,37 0,56 0,18 0,38 0,32 0,18 0,25 292 ≤ N ≤ 320 Auf der Basis der so gewonnenen Schätzgleichungen wurde nun für die zweite Teilstichprobe, in der die Angaben zum Fernsehinteresse fehlen, eben diese Angaben geschätzt. Die Validität dieser Schätzungen wurde anhand verschiedener Analysen überprüft. So wurde z.B. die Struktur der Korrelationen zwischen den Items zum Fernsehinteresse und den Variablen Geschlecht, Alter und Schulbildung jeweils für die geschätzten und die empirischen Angaben berechnet (s. Tabelle 4.14). Von den jeweils 30 Korrelationen weichen 4 im Vorzeichen voneinander ab, eine davon ist jedoch in keiner der beiden Stichproben signifikant. In einer weiteren Analyse wurde die faktorielle Struktur der geschätzten und der empirischen Angaben untersucht. Dabei zeigt sich, dass das Item ‚Interesse für Sportsendungen’ sich in den beiden Teilstichproben etwas anders verhält. Wird dieses Item aus der Analyse ausgeschlossen, erhalten wir in beiden Teilstichproben dieselbe Anzahl von Faktoren und dieselbe Zuordnung der Items zu diesen Faktoren. Auch wenn auf der Grundlage dieser Analysen von einer gewissen Gültigkeit der Schätzwerte ausgegangen werden kann, darf nicht vergessen werden, dass sie viel weniger Varianz beinhalten als die empirischen Werte. Dennoch wird in den folgenden Analysen mit diesen Items gerechnet. 30 In die endgültige Bestimmung der Schemata gehen nur fünf der zehn Items ein (s.u.). Diese weisen durchschnittlich 36% erklärte Varianz auf. 46 Tabelle 4.14: A B C D E F G H I J Korrelationsmuster zwischen den empirischen und geschätzten Angaben zum Fernsehinteresse und den Merkmalen Geschlecht (männlich = 1), Alter, Schulabschluss Empirisch Geschätzt Mann Alter Schule Mann Alter Schule Fernsehshows, Quizsendungen (–) (+) – – + – Sportsendungen + (+) – + – – Nachrichten und politische Magazine + + (+) (+) + (–) Kunst- und Kultursendungen – (+) + (+) + + volkstümliche Unterhaltung, Heimatfilme (–) + – – + – Krimis und Krimiserien (–) (–) – (–) (–) – Actionfilme + – (–) + – – Familien- und Unterhaltungsserien – (+) – – + – Komödien (Filme und Serien) (+) (–) – (+) (–) – Nachmittags-Talk-Shows – (–) – – + – +: positive Korrelation –: negative Korrelation (..): nicht signifikante Korrelation Die Replikation der von Schulze identifizierten drei alltagsästhetischen Schemata erfolgte in mehreren Schritten. Zunächst wurde eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt, bei der auf der Grundlage des Scree-Tests drei bedeutsame Faktoren extrahiert wurden. Im nächsten Schritt wurden für jede dieser drei Dimensionen Reliabilitätstests durchgeführt. Dabei wurden alle Items derjenigen Dimension zugeordnet, auf der sie die größte Ladung aufwiesen, vorausgesetzt diese überstieg einen Betrag von 0,3. Bei diesen Reliabilitätsanalysen wurden diejenigen Items, die nicht zur Reliabilität beitrugen bzw. diese verringerten, sukzessive ausgeschlossen. Nachdem die Reliabilität der drei Skalen optimiert war, wurde nochmals eine dimensionale Analyse durchgeführt. Aufgrund großer Nebenladungen wurden daraufhin nochmals zwei Items aus der Analyse ausgeschlossen. Das Endergebnis der Skalenbildung ist in Tabelle 4.15 wiedergegeben. Faktor I, auf den zehn Items laden, repräsentiert das Hochkulturschema (HS). Auf Faktor II laden ebenfalls zehn Items, die das Spannungsschema (SS) abbilden und auf dem dritten Faktor finden sich die sechs Items des Trivialschemas (TS) wieder. Um abschätzen zu können, inwieweit die gefundene Lösung von den teilweise geschätzten Angaben zum Fernsehinteresse abhängig ist, wurden die Hauptkomponentenanalyse und die Reliabilitätsanalysen noch einmal für beide Fragebogensplits getrennt durchgeführt. In beiden Teilstichproben ergibt sich eine dreidimensionale Lösung sowie dieselbe Zuordnung der Items zu den Faktoren. Nur die Reihenfolge der Faktoren ist verändert: Mit den empirischen Fernsehdaten kommt das Trivialschema auf den zweiten Faktor und das Spannungsschema 47 auf den dritten Faktor, bei den geschätzten Fernsehdaten ist es umgekehrt. Auch die Reliabilität der Skalen zum Hochkulturschema und zum Spannungsschema unterscheiden sich nicht. Tabelle 4.15: Hauptkomponentenanalyse der Lebensstilitems, varimax-rotierte Ladungsmatrix I HS 0,76 0,76 0,73 0,71 0,70 0,68 0,58 0,54 0,49 0,46 F34h Musik: Klassische Musik F8j Freizeit: Konzerte mit klassischer Musik besuchen F34e Musik: Oper F8t Freizeit: Ins Theater gehen F8d Freizeit: Ausstellungen, Kunstmuseen besuchen F10d TV: Kunst- und Kultursendungen F8a Freizeit: Ein Buch lesen F34g Musik: Jazz F8b Freizeit: Etwas niederschreiben F8e Freizeit: Sich weiterbilden F8r Freizeit: In eine Diskothek gehen F8q Freizeit: In eine Bar gehen F34f Musik: Hip-Hop F34k Musik: Techno und ähnliche Musik F34c Musik: Popmusik F8g Freizeit: Ins Kino gehen F8p Freizeit: In eine Kneipe oder ein Weinlokal gehen F8k Freizeit: Konzerte mit Rock, Pop besuchen F8m Freizeit: In ein Café oder in eine Eisdiele gehen F8c Freizeit: Kicker, Billard, Flippern, in Spielhallen gehen F34d Musik: Volkslieder F34b Musik: Deutsche Schlagermusik F10e TV: Volkstümliche Unterhaltung, Heimatfilme F10h TV: Familien- und Unterhaltungsserien F10j TV: Nachmittags-Talk-Shows F10a TV: Fernsehshows, Quizsendungen –0,33 Varianzanteil 18,0 0,85 Reliabilität, Cronbachs α II SP III TS 0,69 0,63 0,59 0,58 0,56 0,54 0,48 0,47 0,46 0,45 12,8 0,74 0,78 0,76 0,75 0,65 0,63 0,62 12,7 0,81 h2 0,59 0,59 0,54 0,52 0,57 0,50 0,37 0,36 0,26 0,29 0,48 0,41 0,35 0,36 0,35 0,37 0,28 0,31 0,24 0,21 0,70 0,63 0,65 0,47 0,41 0,49 43,6 Die Items zum Musikgeschmack wurden umgepolt; paarweiser Ausschluss fehlender Werte; 646 ≤ N ≤ 695; nur Ladungen > |0,3|. Nur mit Bezug auf das Trivialschema findet sich in der Variante mit den geschätzten Fernsehitems ein höherer Reliabilitätskoeffizient als in der Variante mit den empirischen Daten (0,85 vs. 0,77). Da in dieser Skala vier der sechs Items aus dem Bereich der Fernsehinteressen stammen und diese durch die Schätzmethode viel gemeinsame Varianz aufweisen, ist dieses Ergebnis nicht verwunderlich. Es ist daher davon auszugehen, dass der in Tabelle 4.15 angegebene Reliabilitätskoeffizient für das Trivialschema überschätzt ist. Insgesamt ergeben 48 sich jedoch keine Unterschiede in der Struktur der Items und der Qualität der Skalen, so dass im Folgenden mit der gesamten Stichprobe gearbeitet wird.31 Zur eigentlichen Messung der alltagsästhetischen Schemata wurde für jede der drei Dimensionen ein Index gebildet, in den alle Items des jeweiligen Faktors ungewichtet eingingen. Um alle drei Indizes auf einer gemeinsamen Skala abzubilden, wurden die additiven Indizes durch die Anzahl der Items geteilt. Tabelle 4.16 gibt die Korrelationen der Schemata untereinander und mit den Merkmalen Alter, Bildung und Geschlecht wieder. Ähnlich wie in den früheren Untersuchungen sind das Hochkultur- und das Spannungsschema untereinander positiv und mit dem Trivialschema negativ korreliert. Ebenso ist die Struktur der Zusammenhänge zwischen den Schemata und dem Alter und der Bildung derjenigen der früheren Studien ähnlich. Das Alter zeigt die höchste (negative) Korrelation mit dem Spannungsschema, diese Form der Stilisierung ist damit am stärksten altersabhängig.32 Den zweitstärksten Zusammenhang mit dem Alter zeigt das Trivialschema, welches mit steigendem Alter ausgeprägter wird. Kaum ein Zusammenhang besteht dagegen zwischen dem Alter und dem Hochkulturschema. Dieses zeigt vielmehr eine deutliche Abhängigkeit von der Bildung. Ähnlich stark, aber mit anderem Vorzeichen sind die Bildung und das Trivialschema korreliert. Tabelle 4.16: Korrelationen der alltagsästhetischen Schemata untereinander und mit Alter, Bildung und Geschlecht a HS Hochkulturschema (HS) Trivialschema (TS) Spannungsschema (SS) Alter in Jahren Bildungsindex Geschlecht (Ref.: männlich) –0,38 0,16 0,08 * 0,50 0,15 TS –0,38 –0,25 0,35 –0,44 0,17 SS 0,16 –0,25 –0,51 0,22 –0,14 * p ≤ 0,05; für alle anderen Korrelationen gilt p ≤ 0,001; N=694. Im Durchschnitt erreichen Frauen im Vergleich zu Männern höhere Ausprägungen auf dem Hochkultur und dem Trivialschema, aber niedrigere Werte auf dem Spannungsschema. Dieses 31 Für die Validität der Skalen spricht auch, dass die hier präsentierten Ergebnisse zur Dimensionalität und zur Reliabilität der Skalen nahezu identisch mit den Ergebnissen von Schulze und Hartmann sind (vgl. die Gegenüberstellung dieser Ergebnisse bei Hartmann (1999: 180ff.)). 32 Ein im Querschnitt beobachteter Zusammenhang zwischen dem Alter und einem anderen Merkmal kann bekanntlich auf einer Veränderung dieses Merkmals mit dem Alter oder aber auf Unterschieden zwischen Geburtskohorten (oder beidem) beruhen. Die von Hartmann (1999: 215ff.) vorgelegten Analysen zur Veränderung der Schemata im Lebenslauf legen die Vermutung nahe, dass beim „Hochkulturschema ... Aspekte der altersmäßigen ‚Reifung’, bei Trivial- und Spannungsschema ... Effekte der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kohorten“ überwiegen (Hartmann 1999: 232). 49 Ergebnis ist ebenfalls konsistent mit Ergebnissen aus anderen Stichproben (vgl. Friedrichs, Keckses und Wolf 2002: 133). Allerdings wurden diese geschlechtsspezifischen Ausformungen der Lebensstile bisher nur selten theoretisch reflektiert. 4.4.2 Soziale Milieus Auf der Basis der drei alltagsästhetischen Schemata wurde versucht, Gruppen von Personen mit ähnlichem Freizeitverhalten bzw. ähnlichem Musikgeschmack – also Lebensstilgruppen oder soziale Milieus – zu identifizieren. Dabei wurden verschiedene Vorgehensweisen, die in der Literatur beschrieben werden, auf ihren Nutzen und ihre Durchführbarkeit hin untersucht. Eine Möglichkeit zur Abgrenzung sozialer Milieus, die auf Schulze zurückgeht, wurde z.B. von Jacob (1995) in die Gesundheitssoziologie eingeführt (dieses Verfahren wird auch von Müller-Schneider (1994) verwendet). Grundlage der Gruppenbildung ist in diesem Fall die Einteilung der Stichprobe in die fünf von Schulze vorgegebenen Alters- und Bildungsgruppen (Schulze 1992: 664). Abbildung 4.3: Das Milieumodell auf Basis von Alters-Bildungsgruppen (Schulze 1992: 664) Bildung Bildung 12 Abitur und Uni-Ausbildung 11 Abitur und Fachhochschule/Lehre 10 Abitur ohne Zusatzausbildung 9 Fachabitur und Fachhochschule 8 Fachabitur und Lehre 7 Mittlere Reife und berufsbildende Schule 6 Mittlere Reife und Lehre 5 Mittlere Reife ohne Zusatzausbildung 4 Hauptschule und berufsbildende Schule 3 Qualifizierter Hauptschulabschluss und Lehre 2 Einfacher Hauptschulabschluss und Lehre 1 Hauptschule ohne Lehre/ohne Schulabschluss Niveaumilieu Selbstverwirklichungsmilieu Integrationsmilieu Unterhaltungsmilieu 18 30 Harmoniemilieu 40 50 60 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 > Alter 70 Jahre Diese in Abbildung 4.3 wiedergegebene Einteilung hat den Vorteil, dass sie ohne große Schwierigkeiten reproduziert werden kann. Wird dieses Modell verwendet, erübrigt sich zudem die teure Erhebung unzähliger Lebensstilitems, genügen doch die Merkmale Alter und Bildung. In einer Untersuchung wie der hier präsentierten, in der geprüft werden soll, ob Milieuzugehörigkeiten über die traditionell verwendeten Ungleichheitsindikatoren hinaus von Bedeutung sind, ist dieses Modell jedoch nicht geeignet. Da diese Konzeption auch die Bildung als Merkmal enthält, ist sie nicht mehr analytisch unabhängig von den herkömm- 50 lichen Merkmalen der Schichtungsforschung. Ähnliches gilt für das Alter: Dieses Basismerkmal der epidemiologischen Forschung sollte m.E. in gesundheitsbezogenen Analysen immer als eigenständige Variable kontrolliert werden und nicht in einer Typologie mit anderen Merkmalen ‚verschwinden’.33 Darüber hinaus zeigen die in Tabelle 4.16 wiedergegebenen Korrelationen, dass nur ein Teil der Varianz der Schemata durch das Alter und die Bildung erfasst wird. Statt die Milieuzugehörigkeit auf eine Kombination aus Alter und Bildung zu reduzieren, wird hier vorgeschlagen, die Milieus alleine anhand der alltagsästhetischen Schemata zu bilden. Mit Hilfe einer auf diese Weise gebildeten Milieuvariable kann abgeschätzt werden, wie groß der Einfluss der ‚neuen’ Ungleichheiten unabhängig von und im Vergleich zu den ‚alten’ Ungleichheiten ist. In welchem Verhältnis die Milieuzugehörigkeit zu den Merkmalen Alter und Bildung steht bleibt damit empirisch offen.34 Doch auch mit der Entscheidung für eine Gruppierung auf Basis der Schemata bleiben unzählige Möglichkeiten zu einer entsprechenden Einteilung zu gelangen. Zwei dieser Möglichkeiten wurden näher untersucht: Zunächst wurden die drei Schemata am Median dichotomisiert und dann miteinander gekreuzt. Das Ergebnis sind acht Gruppen, die nach Schulze (1992: 663) zu fünf Milieus zusammengefasst werden können. Zumindest mit dem hier verwendeten Datensatz führt dieser Weg zu keinem befriedigenden Resultat. So variiert beispielsweise die Größe der fünf Gruppen sehr stark (Harmoniemilieu 41%,35 Unterhaltungsmilieu und Niveaumilieu je 10%). Außerdem korrespondieren diese Gruppen nicht sehr gut mit den von Schulze vorgelegten Charakterisierungen der Milieus. Aus diesen Gründen wurde ein zweiter Weg zur Bildung der Milieus eingeschlagen, bei dem versucht wurde, mit Hilfe einer Clusteranalyse zu einer Gruppierung zu gelangen. Um jedoch nicht vollkommen empiristisch vorzugehen und sich 33 Zudem ist es mehr als fraglich, ob die von Schulze vorgeschlagene Trennungslinie zwischen jüngeren (bis 40 Jahre) und älteren (älter als 40 Jahre) Personen bzw. Milieus heute noch in der gleichen Weise gilt. Auffällig ist, dass diese Trennungslinie 1985, im Jahr der Nürnberger Erhebung von Schulze, die vor Ende des Zweiten Weltkriegs Geborgenen und die nach dem Ende des Krieges Geborenen scheidet. Wie andere Untersuchungen zeigen, unterscheiden sich die Vor- und Nachkriegskohorte deutlich in Bezug auf ihre Werthaltungen oder ihre Religiosität (Jagodzinski 1995: 269). Da es sich bei diesen Unterschieden aber um Kohortenunterschiede und nicht um Alterseffekte handelt, ändert sich die bedeutsame Altersgrenze von Jahr zu Jahr. Schulze (1992: 372) hat selbst daraufhingewiesen, dass die „Milieustruktur ... wesentlich durch Generationsdifferenzierungen bedingt“ ist. In dieselbe Richtung weist auch die schon oben zitierte, von Hartmann (1999: 232) berichtete Kohortenabhängigkeit des Trivial- und Spannungsschemas. Wenn nun auch die Milieuzugehörigkeit eher kohorten- als altersabhängig wäre und man sich des von Schulze postulierten Alters-Bildungs-Modells bedienen möchte, müsste die Altersgrenze, die die ‚jungen’ von den ‚alten’ Milieus trennt, laufend verschoben werden. 34 Dies hat den weiteren Vorteil, dass sich Veränderungen in den Verankerungen der Milieus in bestimmten Altersgruppen und Bildungsschichten ebenfalls empirisch untersuchen lassen. 35 Die Größe des Harmoniemilieus resultiert aus der Tatsache, dass hier drei der acht Typen zusammengefasst sind. Verzichtet man auf eine Zusammenfassung und arbeitet mit den acht Grundtypen, die sich aus den möglichen Kombinationen der dichotomisierten Schemata ergeben, erhält man für die vorliegende Stichprobe zu kleine Fallzahlen. 51 dem Verfahren vollständig auszuliefern, wurde eine K-Means Clusteranalyse mit folgenden Vorgaben durchgeführt: a) Es sollten fünf Gruppen erzeugt werden, die b) in Übereinstimmung mit Schulzes Milieubeschreibungen und seinen Angaben zur Nähe und Distanz der Milieus zu den Schemata stehen (Schulze 1992: 277ff.). Schulzes Angaben zur Nähe und Distanz der Milieus zu den Schemata, die in Abbildung 4.4 wiedergegeben sind, wurden so in Startwerte für die Clusteranalyse umgesetzt, dass die Clusterbildung an jeweils fünf äußeren Ecken des dreidimensionalen Raumes der Schemata begann und sich von da zum Mittelpunkt vorarbeitete. So wurden z.B. für das Niveaumilieu bei der größtmöglichen Nähe zum Hochkulturschema und der größtmöglichen Distanz zum Trivial- und Spannungsschema begonnen (dies entspricht den Startwerten 5, 1 und 1). Abbildung 4.4: Verhältnis der alltagsästhetischen Schemata zu den Milieus (nach Schulze) Hochkulturschema Trivialschema Spannungsschema Niveaumilieu Nähe Distanz Distanz Integrationsmilieu Nähe Nähe Distanz Harmoniemilieu Distanz Nähe Distanz Selbstverwirklichungsmilieu Nähe Distanz Nähe Unterhaltungsmilieu Distanz Distanz Nähe Die auf der Basis dieser Regeln gefundenen Gruppen sind in etwa gleich groß und zeigen eine erstaunliche Übereinstimmung mit den Charakterisierungen der Milieus bei Schulze. Aus diesen Gründen wird im Folgenden diese Klassifikation verwendet. Wie Tabelle 4.17 zeigt, besteht auch 15 Jahre nach Schulzes Untersuchung ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Milieuzugehörigkeit und dem Alter. Die Anteile der ersten drei Milieus nehmen mit dem Alter zu. Mit einer Zunahme um mehr als das 3,5fache gilt dies am stärksten für das Harmoniemilieu. Aber auch der Anteil des Integrationsmilieus wächst von der jüngsten zur ältesten Altergruppe um das 2,8fache. Im Gegensatz zu den drei ersten Milieus gehen die Anteile für die beiden letzten Milieus mit dem Alter stark zurück und zwar für das Selbstverwirklichungsmilieu noch etwas stärker als für das Unterhaltungsmilieu. Bei einer Analyse der Milieuzugehörigkeit nach dem Geschlecht zeigen sich interessante Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Am größten ist diese Differenz in Bezug auf das Unterhaltungsmilieu: Die Männer unserer Stichprobe gehören diesem Milieu doppelt so 52 häufig an wie Frauen. Im Gegenzug sind Frauen etwas häufiger im Harmoniemilieu und im Integrationsmilieu zu finden.36 Tabelle 4.17: Verteilung der sozialen Milieus nach Alter und nach Geschlecht, Spaltenprozent Niveaumilieu (NM) Integrationsmilieu (IM) Harmoniemilieu (HM) Selbstverwirklichungsmilieu (SM) Unterhaltungsmilieu (UM) N (=100%) 30-39 17,8 8,3 8,7 29,8 35,5 242 Alter 40-49 23,4 14,2 15,7 20,3 26,4 197 50-60 25,1 24,3 31,0 7,8 11,8 255 CV = 0,29; p ≤ 0,001 Geschlecht Männer Frauen 22,2 21,9 13,6 18,1 14,5 23,4 17,3 20,8 32,4 15,8 352 342 CV = 0,21; p ≤ 0,001 4.5 Soziale Netzwerke Netzwerke sozialer Beziehungen bieten Hilfe und Unterstützung für ihre Mitglieder. In den Studien, die den Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und Gesundheit untersuchen, wird dieser Aspekt, das Netzwerk als Ressource, betont (Waltz 1981, Hawe und Shiell 2000). Dabei wird angenommen, dass sich soziale Beziehungen sowohl direkt als auch indirekt auf die Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Gesundheit auswirken (Pilisuk und Parks 1986; Meyer et al. 1998: 16ff.). Soziale Beziehungen können aber auch psychische Belastungen mit sich bringen (Laireiter und Lettner 1993) oder gesundheitsschädliches Verhalten bestärken bzw. dazu verleiten (Kandel 1978). In der vorliegenden Studie wurde versucht, sowohl den Ressourcenaspekt als auch den Aspekt der Belastung und Gesundheitsgefährdung durch soziale Netzwerke zu erheben. Dies geschah mit Hilfe eines Instruments zur Erhebung egozentrierter sozialer Netzwerke, welches Kecskes und Wolf (1996) auf der Basis der Arbeiten von Fischer (1982; McCallister und Fischer 1978) entwickelt und seither in verschiedenen Studien eingesetzt haben (Kecskes 2000; Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002). Das Instrument besteht aus drei Teilen: den sogenannten Namensgeneratoren (Fragen 30-32), den Namensinterpretatoren (Fragen N1N18) und den Items zur Ermittlung der Netzwerkdichte (Frage N19). Die Namensgeneratoren stehen am Beginn des Instruments und bestehen zunächst aus fünf Fragen nach Personen, mit denen die befragte Person in den letzten 14 Tagen eine bestimmte Art von Interaktion ausge- 36 Diese Unterschiede bleiben auch nach Kontrolle des Alters bestehen. 53 übt hat. Es folgt eine Frage nach weiteren wichtigen Bezugspersonen. Die so ermittelten Netzwerkpersonen konstituieren den Kern des sozialen Netzwerks der befragten Person. Die Anzahl der genannten Personen gilt als Indikator für die Größe der sozialen Netzwerke. Im vorliegenden Fall variiert die Netzwerkgröße zwischen 0 und 35 Personen, bei einem Mittelwert von 8,7 und einem Median von 8 Personen. Im zweiten Teil des Instruments folgen Fragen zu den Netzwerkpersonen. Um zu verhindern, dass der Fragebogen zu lang wird, und um Interviewereffekte auf die Netzwerkgröße zu minimieren, wurde beschlossen, diese Fragen nur für bis zu 10 Netzwerkpersonen zu stellen. Sollte eine befragte Person mehr als 10 Netzwerkpersonen genannt haben, wählten die Interviewer mit Hilfe einer Zufallszahlentabelle 10 dieser Personen für eine weitere Befragung aus.37 Für jede dieser Personen wurden 19 verschiedene Merkmale erhoben, z.B. das Alter, der Schulabschluss, die (letzte) berufliche Stellung oder, ob es sich um Raucher handelt. Der dritte Teil des Instruments enthält Fragen nach dem Bekanntschaftsgrad der Netzwerkpersonen untereinander. Da eine vollständige Erhebung dieses Merkmals schon für kleine Netzwerke sehr aufwändig ist, geschieht dies im eingesetzten Instrument nur für bis zu fünf Personen.38 Bei Netzwerken mit mehr als fünf Mitgliedern wurden wiederum mit Hilfe der Zufallszahlentabelle fünf Personen zufällig ausgewählt. Auf Basis dieser Angaben wurde die Dichte der Netzwerke berechnet. Dabei wurden Beziehungen, in denen sich die Netzwerkpersonen gut kannten mit einem Punkt, Beziehungen, in denen sich die Netzwerkpersonen oberflächlich kannten mit einem halben Punkt und Beziehungen, in denen sich die Netzwerkpersonen gar nicht kannten, mit null Punkten bewertet (s. Pappi und Melbeck 1988). Wird die Summe dieser Punkte durch die Anzahl der potentiell möglichen Beziehungen geteilt, erhält man einen Wert für die Dichte der Netzwerke. Die Dichte variiert im vorliegenden Datensatz empirisch zwischen 0 und 1 und hat einen Mittelwert und einen Median von 0,65. Neben der Größe und der Dichte der sozialen Netzwerke wurden auf der Basis der Angaben zu den Netzwerkpersonen durch Aggregation weitere Netzwerkmerkmale gebildet (zur Methode vgl. Wolf 1993). Das soziale Kapital wird durch den Anteil der Personen mit 37 In jeden Fragebogen war eine entsprechende Zufallszahlentabelle, die sich von Fragebogen zu Fragebogen unterschied, eingedruckt. Wie erste Analysen zeigen, wurde dieser Auswahlmechanismus nicht immer richtig befolgt. Wie groß der dadurch entstandene Fehler ist, kann nicht genau beziffert werden. Betroffen ist jedoch nur eine Minderheit der Netzwerke und Netzwerkpersonen. In nur 188 von 692 Netzwerken musste aus den Netzwerkpersonen ausgewählt werden, weil sie mehr als 10 Personen umfassten. Für 5086 (84%) der insgesamt 6031 genannten Netzwerkpersonen wurden weitere Informationen gesammelt. 38 Bei N Personen können potentiell N H (N – 1) / 2 Beziehungen bestehen und müssen daher ebenso viele Fragen gestellt werden. Bei fünf Netzwerkpersonen also 10 Fragen bei 10 Netzwerkpersonen schon 45 Fragen. 54 höchstens Hauptschulabschluss, dem Anteil der Personen mit (Fach-)Abitur und durch den durchschnittlichen beruflichen Status39 im Netzwerk bestimmt. Als Indikatoren für die Geschlossenheit der Netzwerke wird die Netzwerkdichte, der Anteil Verwandter im Netzwerk (inklusive des (Ehe-)Partners) und der Anteil der Nachbarn verwendet. Das Gesundheitsverhalten der Netzwerkpersonen wurde durch zwei Indikatoren bestimmt: Den Anteil der starken bzw. sehr starken Raucher und den Anteil der Netzwerkpersonen, die oft oder sehr oft Alkohol trinken. Tabelle 4.18: Hauptkomponentenanalyse der Netzwerkmerkmale, varimax rotierte Ladungsmatrix Durchschnittlicher Berufsstatus Anteil (Fach-)Abiturienten Anteil mit höchstens Hauptschulabschluss Dichte des Netzwerks Anteil Verwandter Anteil Nachbarn Anteil häufiger Alkoholgenuss Anteil starke Raucher Varianzanteil pro Faktor Reliabilität: Cronbachs α I 0,92 0,90 –0,87 II III 0,85 0,69 0,65 33,2 0,93 22,1 0,63 0,82 0,72 15,2 0,36 h² 0,90 0,86 0,81 0,74 0,56 0,45 0,71 0,61 Nur Ladungen |a| > 0,3. Eine Hauptkomponentenanalyse zeigt das in Tabelle 4.18 dargestellte Ergebnis. Die acht Variablen laden wie vorgesehen auf drei Komponenten. Der erste Faktor, in den die Schulbildung und der Berufsstatus der Netzwerkpersonen eingeht, bildet das soziale Kapital der Netzwerke ab. Der zweite Faktor, der durch den Anteil Verwandter, den Anteil der Nachbarn und die Dichte gebildet wird, wird hier als Geschlossenheit der Netzwerke interpretiert. Der dritte Faktor reflektiert das Ausmaß gesundheitsschädigenden Verhaltens der Netzwerkpersonen. Gemessen an Cronbachs α ist dieser Faktor nicht sehr reliabel. Die Ursache hierfür ist die relativ geringe Korrelation zwischen dem Anteil starker Raucher und Trinker unter den Netzwerkpersonen. Bei der Hypothesenprüfung wird es daher nötig sein, diese beiden Merkmale auch separat zu untersuchen. 39 Die zur Bestimmung des Berufsprestiges bzw. des sozio-ökonomischen Berufsstatus nötigen Angaben zur beruflichen Tätigkeit bzw. zur fein klassifizierten beruflichen Stellung liegen für die Netzwerkpersonen nicht vor. Albrecht, Trappmann und Wolf (2002) haben jedoch ein Verfahren entwickelt, das es erlaubt, auf der Basis des Geschlechts, des höchsten Schulabschlusses und der grob klassifizierten beruflichen Stellung aus den herkömmlichen SES bzw. Prestigeskalen abgeleitete Skalen zu erstellen. Dieses Verfahren wurde hier angewendet, und es wurden sechs abgeleitete Skalen berechnet. Da diese Skalen mit Werten zwischen 0,94 und 0,99 miteinander korreliert sind, wurden sie zu einem Statusindikator zusammengezogen. 55 Wie weiter oben erwähnt, wird neben den drei soeben beschriebenen Faktoren die Netzwerkgröße als zusätzlicher Indikator verwendet. Die Anzahl der Netzwerkpersonen korreliert schwach positiv mit dem sozialen Kapital (r = 0,13) und negativ mit der Geschlossenheit der Netzwerke (r = –0,36). Zwischen der Belastung durch das Netzwerk und der Netzwerkgröße besteht dagegen kein Zusammenhang (r = 0,01). 4.6 Belastungen durch Erwerbsarbeit Obwohl die Arbeitssituation und die Arbeitsbelastung einen Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bilden, musste die Auswahl der Indikatoren doch begrenzt werden. Insgesamt stehen für den Bereich der Arbeitsbelastungen und –beanspruchungen 24 Items zur Verfügung (Fragen 52-59). Diese Items stammen aus verschiedenen Quellen: acht Items wurden dem Fragebogen zur Erfassung der subjektiven Belastung von Weyer und Hodapp (1975) entnommen; die Fragen zur Arbeitszeit, den Arbeitstagen in der Woche und der Schicht-, bzw. Nacht- und Wochenendarbeit stammen aus dem Mikrozensus 1995; andere Items wurden für die vorliegende Studie neu entwickelt – z.B. Fragen zur Kontrolle der Arbeitszeit. Auf der Basis dieser Indikatoren wurden für die 522 Erwerbstätigen (=75%) mit Hilfe einer exploratorischen Hauptkomponentenanalyse mit schiefwinkliger Rotation fünf Belastungsdimensionen identifiziert und entsprechende Indizes gebildet. Drei Items wurden nach einer ersten Analyse ausgeschlossen, da sie sehr kleine Ladungen und Kommunalitäten aufwiesen. Die fünf Faktoren lassen sich wie folgt beschreiben:40 1. Physische Belastung: Die physische Arbeitsbelastung wurde durch vier Items bestimmt: überwiegendes Sitzen (negativ), langes Stehen, schweres Tragen, gebeugtes Arbeiten (Frage 57a-d). Diese Items der objektiven physischen Belastung laden gemeinsam mit der subjektiven Einschätzung der körperlichen Belastung durch die Arbeit (Frage 59e) auf einem Faktor (siehe Faktor 2 in Tabelle 4.19). 2. Psycho-soziale Arbeitsbelastung: Starke seelische Belastungen (Frage 59d), das Problem nach der Arbeit nicht ‚abschalten’ zu können (Frage 59g), mangelnde Anerkennung durch Kollegen (Frage 59h) und wenig Freude am Beruf (Frage 59i) bilden eine Dimension der psycho-sozialen Arbeitsbelastung (Faktor 4 in Tabelle 4.19). 3. Zeitdruck und eingeschränkte Zeitautonomie: Zeitdruck (Frage 59a, Frage 59f) und fehlende Zeitautonomie (Frage 58a und b, Frage 59b und c) bilden diesen Faktor (Faktor 1 in 40 Die hier angegebene Reihenfolge der Dimensionen ist nach inhaltlichen Kriterien bestimmt worden und entspricht nicht der Reihenfolge, in der die Faktoren bei der Hauptkomponentenanalyse extrahiert wurden (vgl. Tabelle 4.19). 56 Tabelle 4.19). Diese subjektiv erlebte Belastung durch ‚zu wenig Zeit’ korreliert nur schwach bzw. gar nicht mit den beiden nächsten Dimensionen, die objektive Aspekte der Arbeitszeit abbilden (s. Tabelle 4.20). 4. Umfang der Arbeitzeit: Dieser Aspekt der Arbeitsbelastung setzt sich zusammen aus der (logarithmierten) wöchentlichen Arbeitszeit (Frage 54), der Anzahl der Wochentage, an denen gearbeitet wird (Frage 55), und der Häufigkeit mit der an Samstagen gearbeitet wird (Frage 56a) (Faktor 3 in Tabelle 4.19). 5. Belastung durch ungewöhnliche Arbeitszeiten: Diese Dimension der Arbeitsbelastung reflektiert die Häufigkeit mit der Nacht-, Sonntags- und Schichtarbeit ausgeübt wird. Weil die Einzelindikatoren der Arbeitsbelastung auf unterschiedlichen Antwortskalen erhoben wurden, sind die fünf Belastungsindizes als Faktorwerte gebildet. Tabelle 4.19: Hauptkomponentenanalyse der Arbeitsbelastungen schiefwinklige Rotation, nur Erwerbstätige F58a Unvorhergesehene Arbeiten F59c Häufige Störungen F59f Zeitlich nicht zu schaffen F59a Starker Zeitdruck F59b Häufig Probleme F58b Verlängerter Arbeitstag F59e Körperlich anstrengend F57b Langes Stehen F57c Schwer tragen F57a Überwiegend Sitzen F57d Gebeugtes Arbeiten F55 Arbeitstage pro Woche F54 Arbeitsstunden pro Woche (ln) F56a Samstagsarbeit F59g Kein Abschalten nach Arbeit F59i Beruf macht Spaß F59d Starke seelische Belastung F59h Wenig Anerkennung F56c Nachtarbeit F56d Schichtarbeit F56b Arbeit an Sonn- und Feiertagen Varianzanteil pro Faktor Reliabilität: Cronbachs α I 0,78 0,74 0,68 0,63 0,60 0,59 II III IV –0,31 V 0,31 0,81 0,77 0,76 –0,76 0,74 0,88 0,80 0,61 0,64 –0,61 0,59 0,56 0,31 17,7 0,78 16,8 0,84 0,43 10,7 0,73 7,6 0,54 0,81 0,75 0,63 5,8 0,66 h² 0,67 0,53 0,52 0,51 0,53 0,52 0,75 0,62 0,58 0,62 0,55 0,74 0,71 0,61 0,52 0,39 0,55 0,40 0,68 0,63 0,68 Nur Ladungen |a| > 0,3. Diese fünf Belastungsbereiche bilden statistisch gesehen verschiedene Dimensionen, die nur schwach miteinander korreliert sind (s. Tabelle 4.20), insofern hätte auch eine orthogonale Rotation der Dimensionen erfolgen können. 57 Häufige Schicht-, Nacht- und Sonntagsarbeit geht durchschnittlich mit einer etwas größeren physischen Belastung und einem entsprechend größeren Umfang der Arbeit einher. Subjektiv empfundener Zeitdruck bzw. eingeschränkte Zeitautonomie ist mit durchschnittlich etwas höherer psycho-sozialer Belastung und einem größeren Umfang der Arbeit assoziiert. Im Gegensatz dazu sind subjektiv empfundener Zeitdruck und physische Arbeitsbelastung schwach negativ korreliert. Die physische Belastung, die psycho-soziale Belastung und die Belastung durch den Umfang der Arbeit variieren unabhängig voneinander. Ebenso sind weder die psycho-sozialen Belastungen, noch der subjektiv empfundene Zeitdruck mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten korreliert. Tabelle 4.20: Korrelationen zwischen den Dimensionen der Arbeitsbelastungen Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Psycho-soziale Belastung 0,07 Zeitdruck –0,11* 0,16*** Umfang der Arbeitszeit 0,01 –0,01 0,22*** ungewöhnliche Arbeitszeit 0,15*** 0,03 –0,01 0,20*** * p ≤ 0,05; *** p ≤ 0,001. Da nach der vorliegenden Literatur angenommen werden kann, dass sich neben dem Vorliegen einzelner Arbeitsbelastungen vor allem die Kumulation verschiedener Belastungen negativ auf die Gesundheit auswirkt (Henninges 1998: 21f.), wurde zusätzlich eine Maßzahl der kumulativen Arbeitsbelastung berechnet.41 Diese Zahl gibt an, bei wie vielen der fünf Belastungsdimensionen eine Person mehr als eine Standardabweichung über der durchschnittlichen Belastung auf dieser Dimension liegt. Eine Operationalisierung wie diese ist insofern problematisch, als sie keine Aussagen über den absoluten Belastungsgrad einer Person zulässt, da die Stichprobenverteilung zum Maßstab herangezogen wird. Diese Schwierigkeit ist m.E. in einer allgemeinen Bevölkerungsbefragung wie der hier vorliegenden jedoch weniger gravierend als in Spezialuntersuchungen bestimmter Berufsgruppen. Dadurch, dass hier nur Belastungen, die mindestens eine Standardabweichung über der durchschnittlichen Belastung liegen, in den Belastungsindex eingehen, dürften hier Belastungsmomente berücksichtigt werden, die auch objektiv ernst zu nehmen sind. Insgesamt sind 42% aller befragten Erwerbstätigen keiner, 39% einer, 13% zwei, 5% drei und weniger als 0,5% vier der fünf Arbeitsbelastungen in hohem Maße ausgesetzt. Wie Tabelle 41 Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es sich auch bei den einzelnen Dimensionen der Arbeitsbelastung um eine Kumulation mehrerer Belastungen handelt, die jedoch jeweils einem Bereich zugerechnet werden können. 58 4.21 zeigt, unterscheidet sich die kumulative Arbeitsbelastung von Männern und Frauen nur geringfügig; Männer scheinen an ihrem Arbeitsplatz etwas mehr Belastungen ausgesetzt als Frauen.42 Ebenfalls kaum Unterschiede lassen sich zwischen den Altersgruppen ausmachen, auch wenn es so scheint, als ob die jüngste Altersgruppe etwas stärker belastet ist als die beiden anderen Gruppen. Tabelle 4.21: Keine Eine Zwei und mehr N (=100%) Kumulation der Arbeitsbelastungen nach Alter und nach Geschlecht, nur Erwerbstätige, Spaltenprozent a Alter 40-49 45,8 32,1 22,0 168 30-39 37,4 43,7 18,9 190 50-60 45,1 40,7 14,2 162 CV = 0,09; n.s. Geschlecht Männer Frauen 39,5 46,7 40,5 36,9 19,9 16,4 306 214 CV = 0,07; n.s. Die in diesem Abschnitt präsentierten Analysen bezogen sich lediglich auf die Gruppe der Erwerbstätigen. Dort wo bei den Auswertungen in Kapitel 5 Analysen für die gesamte Stichprobe vorgelegt werden, wird die Arbeitsbelastung derjenigen, die nicht erwerbstätig sind, auf das Minimum der jeweiligen Belastungsdimension festgesetzt. Gleichzeitig wird in diesen Analysen jedoch auch der Erwerbsstatus kontrolliert. 4.7 Belastungen durch Hausarbeit Zur Bestimmung der Belastung durch die Haus- und Familienarbeit wurde zum einen direkt nach der Anzahl der Stunden gefragt, die in jeder Woche für das Erledigen der Hausarbeit (Putzen, Einkaufen, Wäschewaschen, Spülen usw.) aufgewendet wird (Frage 63). Zum anderen wurde allen, die mindestens 10 Stunden in der Woche Hausarbeiten ausführen, eine Liste von acht Aussagen vorgelegt, die parallel zu den Items der Arbeitsbelastung im Erwerbsleben formuliert waren (N = 320 oder 46%). Diese Items wurden (überwiegend) aus Weyer und Hodapp (1975) übernommen (Frage 64a bis i). Eine Faktorenanalyse dieser Items zeigt, dass diese – bei Ausschluss der Items e und i – einen Faktor abbilden (Cronbachs α = 0,84). Dieser Faktor wird als die psycho-soziale Belastung durch die Hausarbeit interpretiert. 42 Ein ähnliches Ergebnis berichtet Huster (1990: 247f.) auf Basis des DHP-Gesundheitssurvey 84-86. 59 Eine Analyse dieses Faktors zeigt, dass erwerbstätige Frauen sich stärker durch die Hausarbeit belastet sehen als Männer und auch stärker als Frauen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Die Belastung durch die Hausarbeit nimmt für Frauen mit der Größe der Haushalte zu, nicht aber für die Männer. Sowohl für Männer als auch für Frauen sinkt die Belastung durch Hausarbeit mit der Anzahl erwachsener Personen im Haushalt. Werden die genannten Merkmale kontrolliert, besteht kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Stunden, die für die Erledigung der Hausarbeit eingesetzt werden, und der subjektiv empfundenen Belastung. Um nun für die Gesamtstichprobe einen Indikator für die Belastung durch Hausarbeit zu erhalten, wurde diese auf der Grundlage einer Regressionsanalyse geschätzt. Als unabhängige Variablen gingen in diese Analysen die Haushaltsgröße, die Anzahl der erwachsenen Haushaltsmitglieder, eine Variable, die anzeigt, ob die befragte Person erwerbstätig ist oder nicht, das Alter, das Geschlecht, ein Interaktionseffekt für Frauen und Haushaltsgröße und ein Interaktionseffekt für Frauen und Erwerbsstatus ein. Dieses Modell erklärt 25% der Varianz in der Belastung durch Hausarbeit. Die Anzahl der Stunden, die wöchentlich für die Hausarbeiten aufgewandt werden, ist mit r = 0,15 mit der empirisch ermittelten Belastung durch Hausarbeit korreliert und mit r = 0,24 mit der geschätzten Belastung. Wie die Tabellen 4.22 und 4.23 ausweisen, liegen die gemessenen Werte in den Altersgruppen 30 bis 39 und 40 bis 49 Jahre sowie die durchschnittlich gemessenen Werte für die Frauen über den abgeleiteten Werten. Für die älteste Gruppe und für Männer decken sich die Werte. In beiden Fällen zeigen die gemessenen Werte schon eine sehr geringe Belastung durch Hausarbeit an, so dass die Schätzung von sehr niedrigen Belastungswerten, für diejenigen, die noch seltener Hausarbeiten durchführen, plausibel ist. Tabelle 4.22: Statistische Kennwerte der Belastung im Haushalt, nach Altersgruppen 0 Alter 30-39 40-49 50-60 Differenz η Gemessene Werte s 0,41 0,11 –0,41 *** 0,34 n.s.: nicht signifikant; ***: p ≤ 0,001. 0,94 1,03 0,88 n.s. N 0 96 99 122 –0,11 –0,42 –0,63 *** 0,56 Abgeleitete Werte s 0,31 0,37 0,34 n.s. N 146 95 130 60 Die gemessenen und abgeleiteten Belastungswerte variieren in ähnlicher Weise mit dem Alter und dem Geschlecht.43 Die subjektive Belastung durch Hausarbeit sinkt mit dem Alter, und Frauen fühlen sich durch Hausarbeit stärker belastet als Männer. In den Analysen, bei denen die Belastung durch den Haushalt für die Gesamtstichprobe analysiert wird, wird zusätzlich kontrolliert, ob es sich um die gemessenen oder die geschätzten Werte handelt. Tabelle 4.23: Statistische Kennwerte der Belastung im Haushalt, nach Geschlecht 0 Geschlecht männlich weiblich Differenz η –0,44 0,13 *** 0,24 Gemessene Werte s 0,77 1,03 ** N 70 247 0 –0,51 0,04 *** 0,59 Abgeleitete Werte s 0,31 0,36 n.s. N 280 91 **: p ≤ 0,01***; p ≤ 0,001. 43 Dies ist auch nicht verwunderlich, wurden die abgeleiteten Werte doch u.a. auf Basis dieser beiden Merkmale geschätzt; eine Folge davon ist, dass der Zusammenhang zwischen diesen demographischen Merkmalen und der Belastung durch Hausarbeit bei den abgeleiteten Werten deutlich höher ist als bei den gemessenen Werten. 61 4.8 Übersicht über die Indikatoren In Abbildung 4.4 sind alle in diesem Kapitel vorgestellten Indikatoren nach thematischen Bereichen zusammengestellt. Für die sieben verschiedenen Bereiche liegen insgesamt 30 Indikatoren vor. Abbildung 4.4: Übersicht über die verwendeten Indikatoren Bereiche Gesundheit Indikatoren Körperliche Gesundheit (SF-36) Psychische Gesundheit (SF-36) Beschwerdeindex (v. Zerssen) Gesundheitsverhalten Raucherstatus Tabakkonsum (klassiert und offen) Packungsjahre (klassiert und offen) Alkoholkonsum (klassiert und offen) Häufigkeit sportlicher Betätigung Kumulation gesundheitsschädigender Verhaltensweisen Soziale Ungleichheit Bildungsindex Berufsprestige (eigener Beruf und Einordnungsberuf) Berufliche Stellung (eigener Beruf, Einordnungsberuf) Persönliches Einkommen und Äquivalenzeinkommen Index des sozialen Status Lebensstile Indizes der drei alltagsästhetischen Schemata Milieuzugehörigkeit Soziale Netzwerke Netzwerkgröße Soziales Kapital Geschlossenheit der Netzwerke Gesundheitsverhalten der Netzwerkpersonen Belastungen durch Erwerbsarbeit Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeiten Kumulation der Arbeitsbelastungen Belastungen durch Hausarbeit Dauer der Hausarbeit Psycho-soziale Belastung 62 5. Überprüfung der Hypothesen Nachdem die Anlage der Untersuchung und die Operationalisierung der zentralen Konstrukte beschrieben wurden, werden die im zweiten Kapitel entwickelten Hypothesen überprüft. Dies geschieht zunächst getrennt für die jeweiligen Bereiche. In Abschnitt 5.2 wird der Einfluss der beruflichen Belastungen auf das Gesundheitsverhalten und die Gesundheit untersucht. Im nächsten Abschnitt wird der Effekt der Belastung durch Hausarbeit analysiert. In Abschnitt 5.4 wird untersucht, ob die Hypothesen, die sich auf den Einfluss des sozialen Netzwerks beziehen, bestätigt werden können, und in Abschnitt 5.5 steht der Einfluss der Lebensstile auf das Gesundheitsverhalten und die Gesundheit im Mittelpunkt. In einem abschließenden Teil wird untersucht, ob sich ein Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsverhalten und der Gesundheit nachweisen lässt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und der Versuch, diese in ein Gesamtmodell zu integrieren, erfolgt in Kapitel 6. 5.1 Soziale Ungleichheit und Gesundheit bzw. Gesundheitsverhalten Bevor mit der Überprüfung der Hypothesen begonnen wird, soll jedoch untersucht werden, wie stark der Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und der Gesundheit bzw. dem Gesundheitsverhalten im vorliegenden Datenmaterial ist. 5.1.1 Soziale Ungleichheit und Gesundheit Eine erste grobe Aussage über den Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit gestattet die in Tabelle 5.1 wiedergegebene Analyse. Danach steigt der Anteil derjenigen, die ihren eigenen Gesundheitszustand als ausgezeichnet oder als gut bezeichnen, kontinuierlich mit dem sozialen Status an. Die relative Chance, dass eine Person mit hohem sozialen Status ihren Gesundheitszustand als ausgezeichnet oder sehr gut bezeichnet ist 1,9mal höher als bei einer Person mit niedrigem sozialen Status. Umgekehrt sinkt der Anteil derjenigen, die ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder als schlecht bezeichnen, mit dem sozialen Status. Die relative Chance, seinen Gesundheitszustand als weniger gut oder als schlecht zu bezeichnen, liegt in der Gruppe mit niedrigem sozialen Status 2,9-mal über dem Wert der Gruppe mit hohem Status. Obwohl die in Tabelle 5.1 wiedergegebene Analyse die Ausgangsannahme einer positiven Korrelation zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit zunächst bestätigt, lässt sich nicht erkennen, ob diese Aussage für alle Dimensionen sozialer Ungleichheit und die verschiedenen Indikatoren der Gesundheit gilt. Darüber hinaus variiert sowohl die Gesundheit als auch die 63 soziale Ungleichheit mit dem Alter und dem Geschlecht. Daher werden diese beiden demographischen Merkmale bei den folgenden Analysen kontrolliert. Tabelle 5.1: Gesundheitszustand nach sozialem Status, Spaltenprozent niedrig Subjektive Einschätzung des Gesundheitszustands Weniger gut, schlecht Gut Ausgezeichnet, sehr gut N (=100%) 29 46 25 231 Sozialer Status a mittel 21 49 30 232 Gesamt hoch 13 49 39 232 21 48 31 695 a An Terzentilen trichotomisierter Faktor sozialer Status (vgl. Abschnitt 4.3.4). Kendalls τb = 0,15 (p ≤ 0,05) Eine detaillierte Analyse, die über den Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts informiert, findet sich in den Tabellen 5.2 und 5.3. Für die in Tabelle 5.2 präsentierten Analysen wurden zunächst alle Merkmale in Quartilsklassen eingeteilt – einzige Ausnahme war die Bildung, hier wurden drei Klassen verwendet. Dann wurde berechnet, wie groß die relativen Chancen (odds ratios) der Personen mit hoher Bildung, hohem Berufsprestige, hohem Einkommen und hohem sozialen Status sind, einen Platz im obersten und nicht im untersten Quartil der Gesundheitsmaße zu erreichen. Als Vergleichsgruppe wurden Personen mit niedriger Bildung, niedrigem Berufsprestige, niedrigem Einkommen bzw. niedrigem sozialen Status herangezogen. Tabelle 5.2: Odds Ratios für niedrige vs. hohe Werte auf den Ungleichheits- und Gesundheitsdimensionen, kontrolliert nach Alter und Geschlecht a Bildungsindex Prestige des eigenen Berufs Prestige des Einordnungsberufs Persönliches Einkommen Äquivalenzeinkommen Sozialer Status SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch 2,3** 1,0 ns 2,3** 1,2 ns 1,8 + 1,5 ns 3,3** 1,5 ns 2,2* 1,8 ns 2,4** 1,7 ns Beschwerden 5,7–1*** 5,7–1*** 5,6–1*** 6,0–1*** 6,1–1** 8,0–1*** a Alle Variablen wurden in Quartilsklassen eingeteilt, niedrige Werte: 1. Quartil, hohe Werte: 4. Quartil; Ausnahme ist die Bildung, hier gilt: niedrig: Indexwerte 1-3, hoch: Indexwerte 7 und 8. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (136 ≤ N ≤ 216). Die deutlichsten Unterschiede zwischen statushohen und statusniedrigen Personen finden sich in Bezug auf den Beschwerdeindex. Im Vergleich zu Personen mit niedriger Bildung sind die 64 besser Gebildeten 5,7-mal seltener unter dem Viertel mit den stärksten Beschwerden zu finden. Bei den anderen Ungleichheitsdimensionen ergeben sich ähnlich hohe bzw. noch höhere relative Chancen. Auch für die mit dem SF-36 gemessene Dimension der körperlichen Gesundheit zeigt sich durchgehend ein Vorteil der statushöheren Positionen. Verglichen mit denen im untersten Quartil der Einkommensverteilung sind diejenigen im obersten Quartil 3,3-mal häufiger unter den 25% mit der besten und nicht unter den 25% mit der schlechtesten Gesundheit. Wird statt der einzelnen Ungleichheitsdimensionen der Index des sozialen Status verwendet, ergibt sich dasselbe Ergebnis: Im Vergleich mit statusniedrigen Personen sind Personen im obersten Quartil der Statusverteilung 2,4-mal häufiger unter den 25% mit der besten und nicht unter den 25% mit der schlechtesten körperlichen Gesundheit. Mit Bezug auf den Beschwerdeindex ergibt sich für die relativen Chancen sogar ein Wert von 8,0. Die mit dem SF-36 gemessene psychische Gesundheit variiert zwar auch in der angenommenen Weise mit der sozialen Ungleichheit, die Zusammenhänge sind jedoch deutlich schwächer als bei den beiden anderen Gesundheitsmaßen und werden in diesen Analysen nicht signifikant. Tabelle 5.3: Korrelationen zwischen den Dimensionen sozialer Ungleichheit und der Gesundheit unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Bildungsindex Prestige des eigenen Berufs Prestige des Einordnungsberufs Persönliches Einkommen Äquivalenzeinkommen Sozialer Status SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch 0,11** 0,07 ns 0,11** 0,08* 0,11** 0,09* 0,14*** 0,04 ns 0,09* 0,07 ns 0,13*** 0,09* Beschwerden –0,24*** –0,21*** –0,24*** –0,21*** –0,23*** –0,28*** ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (535 ≤ N ≤ 683). Werden statt der relativen Chancen für die Extremgruppen partielle Korrelationen zwischen den verschiedenen Merkmalen für die gesamte Stichprobe berechnet, verändert sich das Bild geringfügig (Tabelle 5.3). Wieder zeigt sich kein bzw. ein nur sehr schwacher Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und der psychischen Gesundheit. Die Korrelationen zwischen der körperlichen Gesundheit und den Ungleichheitsdimensionen sind zwar auch nicht besonders stark, aber durchgehend signifikant. Und die deutlichste Abhängigkeit der Gesundheit von der sozialen Ungleichheit zeigt sich wiederum mit Bezug auf die Beschwerden. 65 Abschließend wurde der Einfluss der Ungleichheitsmerkmale auf die Gesundheit in multivariaten Analysen untersucht. Für jedes der drei Maße der Gesundheit wurden drei Analysen durchgeführt. In der ersten Analyse wurden nur Alter und Geschlecht kontrolliert (M1). In der zweiten Analyse wurden zusätzlich die Bildung, das Prestige des Einordnungsberufs und das Äquivalenzeinkommen eingeführt (M2a). In der dritten Analyse wurde neben dem Alter und dem Geschlecht der Index des sozialen Status verwendet (M2b). Zur Beurteilung der Erklärungsleistungen der Ungleichheitsmaße wurde für die Modelle 2a und 2b der Zuwachs an erklärter Varianz gegenüber Modell 1 angegeben (∆ R²). Die Ergebnisse dieser Analysen sind in Tabelle 5.4 zusammengestellt. In Hinblick auf das Alter und das Geschlecht bestätigen diese Analysen die Ergebnisse, die in Abschnitt 4.1 gewonnen wurden. Unter den 30- bis 60-Jährigen wird die körperliche Gesundheit mit zunehmendem Alter schlechter, die Anzahl und Stärke der Beschwerden nimmt zu, während sich gleichzeitig die psychische Gesundheit verbessert. Dabei berichten die Männer durchschnittlich eine bessere Gesundheit und klagen über weniger Beschwerden als die Frauen. Für die psychische Gesundheit lassen sich dagegen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede feststellen. Tabelle 5.4: Soziale Ungleichheit und Gesundheit, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2a M2b M1 M2a Alter –29*** –18*** –18*** 12** 12** Geschlecht (männlich = 1) 8** 10* 10** 5 ns 4 ns ns 2 ns Bildung 6 ns Prestige des Einordnungsberufs 6 7 ns ns Äquivalenzeinkommen 4 3 ns Sozialer Status 13*** R² bzw. ∆ R² 9*** 3*** 2*** 1* 1 ns Beschwerden M2b M1 M2a M2b 13*** 13*** 10* 10** 4 ns –17*** –13*** –14*** –12* –9 + –13** 9* –28*** 1* 5*** 8*** 7*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; paarweiser Ausschluss fehlender Werte. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Wie die Modelle M2a für die körperliche und psychische Gesundheit zeigen, sind die Effekte der Bildung, des Berufs und des Einkommens, wenn man sie gleichzeitig in die Analyse einführt, sehr schwach und werden nicht signifikant. (Und dies obwohl diese drei Merkmale im Fall der körperlichen Gesundheit zusätzlich drei Prozent mehr Varianz erklären.)44 Immer- 44 Es ist naheliegend, hier ein Problem zu hoher Multikollinarität zu vermuten. Eine Untersuchung der entsprechenden Toleranzkoeffizienten zeigt für das Berufsprestige einen relativ niedrigen Wert (tol = 0,56), der jedoch keine ernsthaften Schwierigkeiten verursachen sollte. Wird dieses Merkmal dennoch aus den Analy- 66 hin sind die Einflüsse der drei Ungleichheitsmerkmale im entsprechenden Modell für den Beschwerdeindex signifikant – auch wenn die Einflussstärke nicht besonders groß ist. Werden die drei Aspekte sozialer Ungleichheit zu einem Index des sozialen Status zusammengefasst und wird dieser Index in die Regressionsanalyse eingeführt, ergibt sich ein signifikanter Einfluss auf jedes der drei Gesundheitsmaße (vgl. Modell 2b). Insbesondere die Zahl und Stärke der Beschwerden variiert mit dem sozialen Status.45 Insgesamt sind die Resultate dieser Analysen ernüchternd. In Bezug auf die durch den SF-36 gemessenen Gesundheitsdimensionen kann nicht von einem sehr starken Einfluss der sozialen Ungleichheit ausgegangen werden.46 Etwas anders sieht es beim Beschwerdeindex aus, bei dem eine deutliche Abhängigkeit von der sozialen Ungleichheit vorliegt – Bildung, Beruf und Einkommen erklären acht Prozent der Varianz dieser Variablen. In den folgenden multivariaten Analysen zur Gesundheit, bei dem der Einfluss weiterer Merkmale untersucht wird, wird zunächst nur der Index des sozialen Status verwendet, da er einen konsistenten Einfluss in der erwarteten Richtung auf alle drei Gesundheitsmaße hat. 5.1.2 Soziale Ungleichheit und Gesundheitsverhalten Nachdem der Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Gesundheit genauer analysiert wurde, soll geprüft werden, ob das Gesundheitsverhalten mit der sozialen Ungleichheit variiert. Diese Frage kann mit dem vorliegenden Datenmaterial am Beispiel folgender Verhaltensweisen untersucht werden (vgl. Abschnitt 4.2): Ausmaß des Zigarettenkonsums und Anzahl der Packungsjahre, Menge des konsumierten (reinen) Alkohols bzw. einer Typologie des Alkoholkonsums, dem Ausmaß sportlicher Betätigung und einem zusammenfassenden Index gesundheitsschädigenden Verhaltens. Die nach Alter und Geschlecht kontrollierten partiellen Korrelationen zwischen diesen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen und den Maßen der Ungleichheit finden sich in Tabelle 5.5. Wie diese Koeffizienten zeigen, besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsverhalten und der sozialen Ungleichheit. So konsumieren statushöhere sen ausgeschlossen, bleibt es bei den nichtsignifikanten Ergebnissen der Bildung und des Einkommens. (In diesen Analysen produziert die Bildung den niedrigsten Toleranzwert – tol = 0,76). 45 In Tabelle A1.1 finden sich die Ergebnisse derselben Analysen, wenn nur die Gruppe der Erwerbstätigen zugrundegelegt wird. Für die soziale Ungleichheit ergeben sich hier dieselben Resultate. Allerdings sind die Effekte des Alters in diesen Analysen deutlich geringer. Im Fall der Beschwerden verschwindet der Alterseffekt unter Kontrolle der sozialen Ungleichheit vollständig. Im Gegenzug sind die Unterschiede zwischen den Erwerbstätigen Männern und Frauen stärker ausgeprägt als in der gesamten Stichprobe. So ist die psychische Gesundheit der männlichen Erwerbstätigen signifikant besser als die der weiblichen. Diese Analysen bilden die Basis zur Beurteilung des Einflusses der Arbeitsbelastungen, die in Abschnitt 5.2 untersucht werden. 46 Vergleichsanalysen mit dem Bundesgesundheits-Survey 1998 für Westdeutsche im Alter von 30 bis 60 Jahren bestätigen die hier vorgelegten Ergebnisse zum eher geringen Einfluss der Ungleichheitsmaße auf die Gesundheit. Es handelt sich demnach nicht um einen „Defekt“ der Kölner Stichprobe. 67 Personen weniger Tabakwaren, sie haben weniger Packungsjahre und sie treiben deutlich häufiger Sport als statusniedrige Personen. Diese Zusammenhänge finden sich tendenziell sowohl für jeden einzelnen Ungleichheitsindikator als auch für den zusammengefassten Index des sozialen Status. Unter den Einzelindikatoren hat die Bildung die größten Effekte auf die Verhaltensweisen, am schwächsten ist der Einfluss des Äquivalenzeinkommens.47 Tabelle 5.5: Korrelationen zwischen den Dimensionen der sozialen Ungleichheit und dem Gesundheitsverhalten unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Bildungsindex Prestige des eigenen Berufs Prestige des Einordnungsberufs Persönliches Einkommen Äquivalenzeinkommen Sozialer Status Tabakkonsum a Packungsjahre –0,23*** –0,17*** –0,19*** –0,10* –0,08 ns –0,20*** –0,25*** –0,18*** –0,19*** –0,16*** –0,13** –0,22*** Alkoholmenge b Sport Gesamtindex 0,14*** 0,13*** 0,11** –0,01 ns 0,06 ns 0,11** 0,16*** 0,15*** 0,17*** 0,15*** 0,17*** 0,20*** –0,13*** –0,08* –0,11** –0,12** –0,06 ns –0,12** a Anzahl der heute bzw. früher täglich gerauchten Zigaretten, Zigarren und Pfeifen. b In der Berichtswoche durchschnittlich täglich konsumierte Menge reinen Alkohols. ns: nicht signifikant; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (539 ≤ N ≤ 690). Eine der analysierten Verhaltensweisen, der Alkoholkonsum, variiert positiv mit der Bildung, dem Berufsprestige und dem sozialen Status. Die Korrelationen sind in diesem Fall zwar etwas schwächer als die zwischen den Ungleichheitsmaßen und dem Rauchen bzw. der Häufigkeit des Sporttreibens, aber sie sind signifikant. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Beobachtung von Mielck (2000: 203), dass die meisten Studien in Deutschland einen positiven Zusammenhang zwischen der sozialen Schicht und dem Alkoholkonsum berichten. Am Beispiel der Bildung gibt Abbildung 5.1 ein genaueres Bild des Zusammenhangs zwischen sozialer Ungleichheit und der konsumierten Alkoholmenge. Mit zunehmender Bildung sinkt der Anteil der Abstinenten während der Anteil der starken Trinker ansteigt. Wie eine nach Getränkearten differenzierte Analyse zeigt, unterscheiden sich die Bildungsgruppen vor allem mit Bezug auf die Menge des konsumierten Weins, nicht jedoch hinsichtlich der Menge des konsumierten Biers oder der konsumierten höherprozentigen alkoholischen Getränke. Das heißt vor allem der Weinkonsum ist schichtabhängig, ein Resultat, das sich mit anderen Forschungsergebnissen deckt (Rommel et al. 2002: 63f.). 47 Ob dieses Ergebnis bedeutet, dass die kulturellen und kognitiven Eigenschaften, die über die formale Bildung gemessen werden, für das Gesundheitsverhalten eine größere Bedeutung haben als die anderen Dimensionen der Ungleichheit, oder ob die unterschiedlich großen Korrelationskoeffizienten nur die unterschiedlich hohe Reliabilität der Indikatoren widerspiegeln, kann hier nicht geklärt werden. 68 Abbildung 5.1: Typologie des Alkoholkonsums nach der Bildung a Bildung hoch mittel niedrig 0% 20% 40% 60% 80% 100% Alkoholkonsum: abstinent gering mäßig stark a abstinent: trinkt nie Alkohol; gering: Frauen bis 16 gr./Tag, Männer bis 24 gr./Tag; mäßig: Frauen mehr als 16 bis 40 gr./Tag, Männer mehr als 24 bis 60 gr./Tag; stark: Frauen mehr als 40 gr./Tag, Männer mehr als 60 gr./Tag. χ² = 36,8; p ≤ 0,001; γ = 0,25 (N = 687) Abschließend soll auch für das Gesundheitsverhalten in multivariaten Modellen untersucht werden, welchen Einfluss die soziale Ungleichheit hat. Für das Rauchen und den Alkoholkonsum bin ich dabei in zwei Schritten vorgegangen. Zunächst wurde in logistischen Regressionen untersucht, welchen Einfluss die Ungleichheit darauf hat, dass jemand zum Zeitpunkt des Interviews raucht48 bzw. nie Alkohol trinkt, also abstinent ist. Da Angaben zur Menge des getrunkenen Alkohols nur für diejenigen vorliegen, die in den sieben Tagen vor dem Interview alkoholische Getränke zu sich genommen haben (vgl. Abschnitt 4.2.2), wurde außerdem geprüft, von welchen Faktoren die Abstinenz in der Berichtswoche abhängt. Diese Analyse bezieht sich nur auf Personen, die grundsätzlich Alkohol trinken. Die Ergebnisse der entsprechenden Untersuchungen finden sich in Tabelle 5.6.49 In einem zweiten Schritt wurde für diejenigen, die rauchen bzw. diejenigen, die in der Berichtswoche Alkohol getrunken haben, untersucht, inwieweit die Menge der gerauchten Tabakwaren bzw. die Menge des getrunkenen Alkohols von den Merkmalen der sozialen Ungleichheit abhängt. Diese Fragen wurden mit Hilfe linearer Regressionsanalysen überprüft (vgl. Tabelle 5.7). 48 Sinnvoll wäre auch, zu untersuchen, von welchen Faktoren es abhängt, ob jemand überhaupt einmal geraucht oder nie geraucht hat. Entsprechende Analysen finden sich in Tabelle A1.4 in Anhang A. Im Rahmen dieser Arbeit, bei der im Weiteren der Einfluss der Arbeitsplatzbelastungen oder der sozialen Unterstützung auf das Gesundheitsverhalten untersucht wird, erscheint es sinnvoller, den derzeitigen Status zu analysieren, denn nur dieser kann durch die heutige Lebenssituation beeinflusst werden. 49 Um einen besseren Vergleich mit den Ergebnissen der linearen Regression zu ermöglichen, wurden alle Koeffizienten nach der von Menard (1995: 46) vorgeschlagenen Methode standardisiert. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die Effekte der Variablen desselben Modells gut vergleichbar sind und dass sie ihrer Größe nach den standardisierten Koeffizienten der linearen Regressionsanalyse gleichen. 69 Tabelle 5.6: Soziale Ungleichheit und Gesundheitsverhalten, logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Raucher Alter Geschlecht (männlich = 1) Bildung Prestige des Einordnungsberufs Äquivalenzeinkommen Sozialer Status Nagelkerke R² bzw. ∆ R² M1 –9* 6 ns 2* M2a M2b M1 –11* –12** 6+ ns 6 8* –13** –10 + –9 ns –3 ns –20*** 4** 4*** 4** Abstinente M2a M2b 5 ns 4 ns + –7 –11** –12 + –5 ns –16* –22*** 9*** 7*** nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche b M1 M2a M2b 0 ns 0 ns –1 ns –15*** –17*** –14*** –1 ns –11 ns –2 ns –12** 4** 2+ 2** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; die Standardisierung der Koeffizienten erfolgte nach der von Menard (1995: 46) vorgeschlagenen Methode. b Nur Personen, die grundsätzlich Alkohol trinken. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Für den Status als Raucher finden sich die folgenden Ergebnisse: Jüngere Personen rauchen häufiger als ältere und Männer geringfügig häufiger als Frauen. Die Einführung von Bildung, Beruf und Einkommen in die Analyse des Rauchens erhöht die erklärte Devianz um immerhin vier Punkte. Die Einflussstärke der drei Ungleichheitsmerkmale ist jedoch gering und wird nur im Fall der Bildung auf dem 10%-Niveau signifikant (Modell 2a). Wird statt dessen der soziale Status in das Modell eingeführt (Modell 2b), zeigt sich ein deutlicher negativer Einfluss der sozialen Ungleichheit: Je höher der soziale Status einer Person, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass sie raucht. Im zweiten Analyseschritt wurde untersucht, von welchen Faktoren der Tabakkonsum der Raucher abhängt. Wie Modell 2a in Tabelle 5.7 zeigt, hängt die Menge der konsumierten Tabakwaren vor allem mit der Bildung zusammen und zwar negativ. Wird die Bildung kontrolliert, haben die beiden anderen berücksichtigten Ungleichheitsmerkmale keinen eigenständigen Einfluss auf den Tabakkonsum. Dasselbe gilt für das Alter und das Geschlecht. Wird nur der soziale Status berücksichtigt, ergibt sich ebenfalls ein negativer Effekt auf den Tabakkonsum, wobei dieser Effekt geringer ist als derjenige der Bildung in Modell 2a. Es kann also angenommen werden, dass hier vor allem der im Statusindex enthaltene Bildungseffekt durchschlägt. Vergleicht man den Anteil der in Modell 2a und 2b zusätzlich erklärten Varianz – zehn bzw. fünf Prozent – bestätigt sich diese Vermutung.50 Separat durchgeführte Analysen für das Rauchverhalten und die konsumierte 50 Statt des heutigen Tabakkonsums kann auch die Anzahl der Packungsjahre (vgl. Abschnitt 4.2.1) untersucht werden. Entsprechende Analysen, die in Tabelle A1.5 in Anhang A zusammengestellt sind, zeigen sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für die Teilgruppe der Erwerbstätigen ebenfalls einen starken negativen Einfluss der Bildung auf diese Variable. Für die Gesamtstichprobe ergibt sich zudem ein schwacher negativer Einfluss des Einkommens auf die Packungsjahre. Im Gegensatz zur Analyse des Tabakkonsums ergibt sich, 70 Tabakmenge der Erwerbstätigen, die in den Tabellen A1.2 und A1.3 wiedergegeben sind, führen zu den gleichen Ergebnissen. Tabelle 5.7: Soziale Ungleichheit und Gesundheitsverhalten lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Bildung Prestige des Einordnungsberufs Äquivalenzeinkommen Sozialer Status R² bzw. ∆ R² Tabakkonsum b Alkoholmenge c Sport M1 M2a M2b M1 M2a M2b M1 M2a M2b –7 ns –11 ns –8 ns 2 ns 4 ns 3 ns –16*** –15*** –14*** 3 ns 7 ns 7 ns 30*** 30*** 30*** –3 ns –6 ns –5 ns ns ns –32*** 7 7 –4 ns 5 ns 7 ns ns ns 8 1 11* –23*** 11** 19*** 1 ns 10*** 5*** 9*** 1 ns 1** 3*** 4*** 4*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. b Nur jetzige Raucher; Anzahl der gerauchten Tabakwaren pro Tag wurden logarithmiert. c Nur Personen, die in der Berichtswoche Alkohol getrunken haben; Alkoholmenge wurde logarithmiert. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Betrachten wir nun die Ergebnisse für den Alkoholkonsum. Zunächst wurden die Einflussfaktoren für Abstinenz untersucht (vgl. Tabelle 5.6). Diese tritt häufiger bei Frauen als bei Männern auf, das Alter spielt keine Rolle. Wie Modell 2a zeigt, sinkt die Wahrscheinlichkeit für Abstinenz mit der Bildung und mit dem Einkommen, beide Effekte sind signifikant. Und auch wenn die einzelnen Koeffizienten nicht besonders groß sind, sollte doch beachtet werden, dass die drei Merkmale der sozialen Ungleichheit zusammen neun Prozent der Devianz aufklären. Der in Modell 2b eingeführte Index des sozialen Status hat einen negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, abstinent zu sein, und seine relative Einflussstärke ist deutlich größer als die der drei Einzeldimensionen sozialer Ungleichheit, die in Modell 2a berücksichtigt wurden. Bei der Untersuchung der Frage, von welchen Faktoren es abhängt, ob unter den nichtabstinenten Personen in der letzten Woche Alkohol getrunken wurde oder nicht, kommt man zu ähnlichen Ergebnissen. Wieder zeigt sich, dass Frauen seltener Alkohol trinken als Männer und Personen mit niedrigem Status seltener als Personen mit hohem sozialen Status. Im zweiten Analyseschritt wurde untersucht, von welchen Faktoren die Menge des in der Berichtswoche getrunkenen Alkohols abhängt; d.h. diese Analyse bezieht sich lediglich auf diejenigen, die in der Woche vor dem Interview Alkohol zu sich genommen haben (vgl. Tabelle 5.7). Der stärkste Prädiktor für den Alkoholkonsum ist das Geschlecht, wobei Männer dass Männer durchschnittlich mehr Packungsjahre aufweisen als Frauen; da sie sich beim aktuellen Konsum kaum unterscheiden, bedeutet dies, dass Männer durchschnittlich länger rauchen als Frauen. Der positive Effekt des Alters auf die Packungsjahre ist dagegen trivial, da die Älteren mehr Gelegenheit hatten, Packungsjahre anzuhäufen als die Jüngeren. 71 deutlich mehr Alkohol konsumieren als Frauen. Das Alter hat dagegen keinen Einfluss auf die Höhe des Alkoholkonsums. Mit Bezug auf die soziale Ungleichheit zeigt die erste Analyse unter Verwendung der drei einzelnen Ungleichheitsindikatoren zwar durchweg positive Effekte auf den Alkoholkonsum, aber keiner dieser Effekte ist stark genug, um statistisch signifikant zu werden. Erst die Analyse, in der der soziale Status als zusammenfassender Index verwendet wurde, zeigt, dass der Alkoholkonsum statistisch signifikant mit dem sozialen Status zunimmt. Wie eine getrennte Analyse für die Erwerbstätigen zeigt, steigt der Alkoholkonsum in dieser Gruppe ebenfalls signifikant mit dem sozialen Status an, dabei handelt es sich im Wesentlichen um einen Effekt des Berufsprestiges (vgl. Modelle 2a und 2b für die konsumierte Alkoholmenge der Erwerbstätigen in Tabelle A1.3 in Anhang A). Das letzte gesundheitsrelevante Verhalten, das hier untersucht wird, ist die Häufigkeit des Sporttreibens. Wie die Analysen in Tabelle 5.7 zeigen, nimmt die Häufigkeit sportlicher Betätigung mit zunehmendem Alter ab und mit steigendem sozialen Status zu. In Modell 2a, in dem Bildung, Beruf und Einkommen wieder getrennt eingeführt werden, hat nur das Einkommen einen signifikanten Effekt, der jedoch relativ klein ist. Dass die Ausübung sportlicher Aktivitäten auch von den beiden anderen Ungleichheitsdimensionen beeinflusst wird, zeigt Modell 2b. Zum einen ist der Einfluss des sozialen Status deutlich höher als die Effekte der drei Einzelvariablen in Modell 2a, zum anderen ist der zusätzlich erklärte Anteil an Varianz in Modell 2a und 2b mit jeweils vier Prozent identisch.51 Zusammengefasst zeigen die Analysen zum Gesundheitsverhalten, dass statushöhere Personen seltener zu den aktuellen Rauchern zählen als statusniedrige, und wenn sie rauchen, rauchen sie weniger stark. Darüber hinaus treiben statushöhere im Vergleich zu statusniedrigen Personen deutlich häufiger Sport. Für diese beiden gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen bestätigt sich meine Erwartung eines positiven Zusammenhangs zwischen sozialer Stellung und gesundheitsbewusstem Verhalten. Die Analysen zum Alkoholkonsum ergaben, dass statushohe Personen seltener abstinent sind, dass sie häufiger Alkohol trinken und größere Mengen Alkohol konsumieren als statusniedrige Personen. Inwieweit regelmäßiger Alkoholkonsum in Maßen gesundheitlich bedeutsam ist, ist umstritten. Auf der einen Seite wird behauptet, auch kleinste Mengen Alkohol, wenn sie nur regelmäßig konsumiert werden, seien der Gesundheit langfristig abträglich (Teyssen und Singer 2001). Auf der anderen Seite werden Studien angeführt, die belegen sollen, dass der regelmäßige Konsum von geringen Mengen Alkohol positive Effekte auf die Gesundheit hat – ein Effekt der auch als französisches Paradox bekannt ist (Bode und Bode 1999; Renaud und 51 Getrennte Analysen für die Gruppe der Erwerbstätigen ergeben dieselben Ergebnisse (vgl. Tabelle A1.3). 72 Gueguen 1998). Welche dieser Hypothesen eher zutrifft, kann hier nicht entschieden werden. Wir können jedoch festhalten, dass sich Personen mit einem hohen sozialen Status in Bezug auf den Alkoholkonsum nicht gesundheitsbewusster verhalten als andere. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird nun geprüft, ob die hier gefundenen Zusammenhänge durch die Einführung von intervenierenden Variablen in ihren Wirkungen besser verstanden werden können. 5.2 Soziale Ungleichheit, berufliche Belastungen und Gesundheit In den ersten Hypothesen, die in Kapitel 2 entwickelt wurden, wird behauptet, dass gesundheitsschädigendes Verhalten positiv (H2a und H3a), die Gesundheit negativ mit beruflichen Belastungen variiert (H2b und H3b) und dass die beruflichen Belastungen umso größer sind, je niedriger das Prestige eines Berufs ist (H1). Diese Hypothesen sollen nun schrittweise überprüft werden. Dabei wird auch untersucht, ob die beruflichen Belastungen mit anderen Ungleichheitsdimensionen korreliert sind. Alle Analysen dieses Abschnitts (5.2) beziehen sich ausschließlich auf die Gruppe der Erwerbstätigen (N = 522). 5.2.1 Berufsprestige und berufliche Belastungen Mit Ausnahme der psycho-sozialen Belastung variieren die anderen Dimensionen der beruflichen Belastung mit dem Prestige des Berufs (vgl. Tabelle 5.8). Dennoch kann Hypothese 1, der zu Folge die Belastungen mit der gesellschaftlichen Anerkennung der Berufe abnehmen sollten, nur für die physische Belastung am Arbeitsplatz bestätigt werden. Im Gegensatz dazu steigen die Belastungen durch Zeitdruck kontinuierlich mit dem Prestige der Berufe an; und bei den beiden mit der Arbeitszeit in Zusammenhang stehenden Belastungsdimensionen ergibt sich ein U-förmiger Zusammenhang, bei dem die Personen im obersten Quartil der Prestigeverteilung höher belastet sind als die im untersten Quartil. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für den Index der kumulativen Arbeitsbelastung: Nimmt man die fünf unterschiedenen Belastungsaspekte zusammen, sind die Erwerbstätigen mit dem niedrigsten Berufsprestige tatsächlich am stärksten belastet, und diese Belastung nimmt in Übereinstimmung mit Hypothese 1 mit steigendem Prestige zunächst auch ab. Allerdings sind die Personen im obersten Quartil der Prestigeverteilung wiederum deutlich stärker belastet als diejenigen des dritten Quartils. 73 Tabelle 5.8: Prozentsatz der Erwerbstätigen mit überdurchschnittlichen beruflichen Belastungen, nach Berufsprestige Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Ungewöhnliche Arbeitszeit Durchschnittliche Anzahl beruflicher Belastungen Prestige des jetzigen Berufs Gesamt Signifikanz a 1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil 81 43 27 21 41 *** ns 42 45 49 49 46 37 51 54 69 54 *** 43 30 38 62 45 *** 38 29 25 44 35 ** 1,02 0,75 0,56 0,73 0,76 *** a χ²-Unabhängigkeitstest bzw. einfaktorielle Varianzanalyse; N = 519. ns: nicht signifikant; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Eine nach Geschlecht differenzierte Analyse ergibt für den Index der kumulierten Arbeitsbelastung dieselbe Verteilung nach Berufsprestige wie in der Stichprobe insgesamt, wobei die Gesamtbelastung der Frauen ab dem zweiten Quartil der Prestigeverteilung immer unterhalb derjenigen der Männer liegt (vgl. Tabelle A1.6 in Anhang A). Mit Bezug auf die fünf einzelnen Belastungsaspekte ergeben sich jedoch teilweise größere Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Erwerbstätigen. So sind die Belastungen durch Zeitdruck, durch den Umfang der Arbeitszeit und in etwas geringerem Maße durch ungewöhnliche Arbeitszeiten bei Männern deutlich höher als bei Frauen. Dafür liegt die psycho-soziale Belastung der Frauen etwas über derjenigen der Männer. Bei der körperlichen Belastung zeigen die Analysen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Analysen zum Zusammenhang zwischen den Arbeitsbelastungen und dem Bildungsniveau, dem persönlichen Einkommen und dem sozialen Status führen zu vergleichbaren Ergebnissen: Keines dieser Ungleichheitsmaße steht mit der psycho-sozialen Belastung im Zusammenhang. Die körperlichen Belastungen nehmen mit jeder dieser Dimensionen ab und der wahrgenommene Zeitdruck nimmt zu. Bei den beiden arbeitszeitbezogenen Belastungsaspekten findet sich wie auch für den Index der kumulierten Arbeitsbelastung jeweils ein Uförmiger Zusammenhang. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die unterschiedlichen beruflichen Belastungen nicht einheitlich mit dem Prestige der Berufe oder mit den anderen Ungleichheitsdimensionen variieren. Eine Abnahme der Belastungen mit dem sozialen Status kann nur für die körperliche Belastung nachgewiesen werden. Dagegen steigt der wahrgenommene Zeitdruck mit dem sozialen Status der Erwerbstätigen stetig an. Werden die einzelnen Belastungen zu einem Index der Gesamtbelastung zusammengefasst, zeigt sich, dass Personen in 74 mittleren Positionen des Ungleichheitsgefüges deutlich geringer durch ihre Arbeit belastet werden als Personen in unteren oder oberen sozialen Positionen. Das Ausmaß der Arbeitsbelastungen scheint demnach nur bedingt dazu geeignet zu sein, die Korrelation zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit zu erklären. Dies wäre nur dann möglich, wenn entweder allein das Ausmaß körperlicher Belastungen für den Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Gesundheit verantwortlich wäre oder aber wenn statushöhere Personen die beruflichen Belastungen besser bewältigen als statusniedrige Personen. Diese letzte Überlegung wird durch die Arbeiten von Karasek und Theorell (1990) sowie Siegrist (1994) nahegelegt und ist in der Hypothese 3b formuliert. Bevor diese Hypothese untersucht wird, sollen jedoch zunächst die Hypothesen 2a, 2b und 3a überprüft werden. 5.2.2 Arbeitsbelastungen und Gesundheitsverhalten Nach Hypothese 2a sollten höhere berufliche Belastungen mit einem größeren Ausmaß an gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen einhergehen. Zur Prüfung dieser Hypothese habe ich zunächst verschiedene Kreuztabellen berechnet, in denen die Gesamtbelastung mit den ausgewählten gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen in Beziehung gesetzt wurde. Für den Index der gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen ergibt sich dabei das in Abbildung 5.2 wiedergegebene Resultat. Abbildung 5.2: Anzahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen, nach Anzahl beruflicher Belastungen (Erwerbstätige, N = 520) mehr Belastungen eine Belastung keine Belastung 0% 20% 40% 60% 80% 100% Gesundheitsschädigende Verhaltensweisen: keine eine zwei/drei Es zeigt sich, dass der Anteil derjenigen, die ihre Gesundheit nicht durch Fehlverhalten schädigen, in der Gruppe ohne Belastungen am größten und der Anteil mit zwei oder drei gesundheitlich bedenklichen Verhaltensweisen in dieser Gruppe am kleinsten ist. Dennoch ist 75 der Zusammenhang zwischen den beiden zusammengefassten Maßzahlen der Belastungen und des Verhaltens sehr schwach (γ = 0,12; p ≤ 0,1). Werden statt der zusammengefassten Indizes die einzelnen Belastungs- und Verhaltensdimensionen getrennt analysiert, ändert sich das Bild kaum; nur in wenigen Fällen lässt sich der vermutete Zusammenhang erkennen. Eine Analyse der partiellen Korrelationen zwischen dem Ausmaß der einzelnen Belastungen und dem Ausmaß gesundheitsrelevanten Verhaltens unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts ergibt dasselbe Bild. Von den insgesamt 30 Korrelationen sind nur vier auf dem 5%-Niveau signifikant (vgl. Tabelle A1.7 in Anhang A). So ist die Häufigkeit sportlicher Betätigung negativ mit der körperlichen und der gesamten Arbeitsbelastung assoziiert (partielles r = –0,15 bzw. –0,12). Darüber hinaus ist die körperliche Arbeitsbelastung positiv mit der Anzahl der gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen korreliert (partielles r = 0,09). Außerdem steigt der Konsum von Alkohol mit dem Umfang der Arbeitszeit an (partielles r = 0,11). Diese Korrelationen sind, obwohl sie statistisch signifikant sind und in die richtige Richtung weisen, sehr klein und bieten somit keine besonders überzeugende Basis zur Akzeptanz der untersuchten Hypothese. Zudem sind die meisten Korrelationen zwischen den Indikatoren der Belastung und dem Tabakkonsum bzw. den Packungsjahren negativ und nicht wie erwartet positiv; d.h. mit steigenden Belastungen sinkt die konsumierte Tabakmenge bzw. die Rauchdauer. Die untersuchte Hypothese bestätigt sich in diesen Fällen noch nicht einmal der Tendenz nach. Die bisherigen Analysen zum Zusammenhang von Belastung und gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen bezogen sich ausschließlich auf die Gruppe der Erwerbstätigen. Nun könnte argumentiert werden, dass die Tatsache, erwerbstätig zu sein, an sich schon eine Belastung darstellt, die viele durch gesundheitsschädigende Verhaltensweisen zu bewältigen versuchen. Wie ein entsprechender Vergleich des Gesundheitsverhaltens von Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen zeigt, findet diese Überlegung keine empirische Bestätigung. Nimmt man all diese Ergebnisse zusammen, muss Hypothese 2a als weitestgehend falsifiziert angesehen werden. Dies gilt ganz eindeutig für das Rauchen, hier findet sich kein einziger signifikanter Zusammenhang und die meisten Korrelationen haben zudem das falsche Vorzeichen. Immerhin korreliert der Alkoholkonsum positiv mit dem Umfang der Arbeit und schwere körperliche Arbeit reduziert die Häufigkeit sportlicher Betätigung. Diese Korrelationen sind jedoch sehr klein und es ist kaum davon auszugehen, dass sie bei Kontrolle weiterer Merkmale, wie z.B. dem Berufsprestige, signifikant bleiben. Doch selbst wenn die beruflichen Belastungen insgesamt keinen eigenständigen Einfluss auf das gesundheitsschädigende Verhalten haben, ist es denkbar, dass ein solcher Einfluss we- 76 nigstens unter den statusniedrigen Personen vorhanden ist, dass also der in Hypothese 3a postulierte Interaktionseffekt zwischen beruflichen Belastungen und Berufsprestige nachgewiesen werden kann. Um diese Hypothese zu überprüfen, habe ich die Belastungsindikatoren und das Berufsprestige zunächst am Median dichotomisiert und für jede Kombination dieser dichotomen Variablen eine Vierfelder-Tabelle erstellt (Prestige niedrig/ Belastung niedrig, Prestige niedrig/ Belastung hoch, Prestige hoch/ Belastung niedrig, Prestige hoch/ Belastung hoch). Für jede dieser Vierfelder-Tabellen wurden dann die Mittelwerte der verschiedenen Indikatoren des gesundheitsschädigenden Verhaltens untersucht. Von den 30 untersuchten Interaktionseffekten (sechs Belastungs- und fünf Verhaltensindikatoren) sind zumindest sechs auch dem 10%-Niveau signifikant und bei einer ganzen Reihe weiterer Merkmale zeigt sich derselbe Zusammenhang, ohne jedoch signifikant zu werden. Ein typisches Beispiel für die Art des gefundenen Interaktionseffekts ist in Abbildung 5.3 dargestellt. Menschen mit niedrigem Berufsprestige, die häufig Schicht-, Nacht- oder Sonntagsarbeit verrichten, üben durchschnittlich deutlich mehr gesundheitsschädigende Verhaltensweisen aus als Menschen mit vergleichbarem Prestige, die seltener zu untypischen Zeiten arbeiten. Verhaltensweisen (Mittelwert) Abbildung 5.3: Durchschnittliche Anzahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen der Erwerbstätigen, nach dem Berufsprestige und dem Ausmaß untypischer Arbeitszeiten (N = 519) 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 selten oft selten oft untypische Arbeitszeit untypische Arbeitszeit niedrig hoch Berufsprestige In weiterführenden Analysen wurde die Gruppe der Personen mit einem niedrigen Berufsprestige, die hohen beruflichen Belastungen ausgesetzt sind, allen anderen Personen gegenübergestellt. Wie sich zeigt, raucht die Personengruppe mit niedrigem Prestige und untypischer Arbeitszeit deutlich mehr und schon länger und sie übt deutlich seltener Sport aus als alle anderen Personen. Bei den Erwerbstätigen mit höherem Berufsprestige führt häufigere 77 alle anderen Personen. Bei den Erwerbstätigen mit höherem Berufsprestige führt häufigere Nacht-, Sonntags- oder Schichtarbeit nicht zur Erhöhung gesundheitsschädigenden Verhaltens. Personen dieser Gruppe scheinen tatsächlich über Ressourcen zu verfügen, die ihnen alternative Bewältigungsstrategien der beruflichen Belastungen ermöglichen. Analysen für die anderen Belastungsdimensionen ergeben ähnliche Ergebnisse: Erwerbstätige in Berufen mit niedrigem Prestige, die überdurchschnittlich viel arbeiten oder starkem Zeitdruck oder hohen körperlichen bzw. psycho-sozialen Belastungen ausgesetzt sind, rauchen tendenziell stärker und treiben seltener Sport als andere. Diese Ergebnisse bleiben auch bei Kontrolle des Alters und des Geschlechts weitgehend stabil, auch wenn sie in Bezug auf den Tabakkonsum nicht signifikant werden (vgl. Tabelle A1.8 in Anhang A). Diese Analysen zeigen jedoch auch, dass Erwerbstätige mit niedrigem Berufsprestige und hohen Arbeitsbelastungen deutlich weniger Alkohol trinken als andere Erwerbstätige.52 Dies gilt für alle fünf Belastungsdimensionen, für die physische Arbeitsbelastung wird die Differenz der konsumierten Alkoholmenge signifikant (p ≤ 0,01). Abschließend wird wieder in multivariaten Modellen untersucht, welchen Einfluss die Arbeitsbelastungen auf das Gesundheitsverhalten haben und ob durch die Berücksichtigung der Belastungen der Einfluss des sozialen Status verschwindet – d.h. statistisch erklärt werden kann. Die entsprechenden Analysen, deren Ergebnisse in den Tabellen 5.9 und 5.10 zusammengestellt sind, gliedern sich wieder in zwei Schritte. Zunächst wird in logistischen Regressionsmodellen untersucht, von welchen Faktoren der heutige Status als Raucher, die Alkoholabstinenz bzw. der Nichtkonsum von Alkohol in der Berichtswoche abhängt. Dann wird untersucht, ob die Arbeitsbelastungen den Tabakkonsum, die Alkoholmenge und die Häufigkeit sportlicher Aktivitäten beeinflussen. Jedes Modell wird zweimal präsentiert. Im ersten Modell werden zusätzlich zum Alter, zum Geschlecht und zum sozialen Status die fünf hier unterschiedenen beruflichen Belastungen berücksichtigt. Im zweiten Modell werden zusätzlich fünf Dummyvariablen eingeführt, die anzeigen, ob ein niedriges Berufsprestige zusammen mit einer hohen Belastung vorliegt oder nicht. Zum Vergleich kann auf die Ergebnisse der ersten Analysen, in denen nur der Einfluss des Alters, des Geschlechts und des sozialen Status untersucht wurden, zurückgegriffen werden. Diese finden sich für die Gruppe der Erwerbstätigen in den Tabellen A1.2 und A1.3 in Anhang A. In diesen Analysen hätte auch nach der Dauer der Erwerbstätigkeit kontrolliert werden müssen; außerdem wäre es wün- 52 Wie die Analysen in Abschnitt 5.1 gezeigt haben, ist dies vor allem auf den höheren Alkoholkonsum der statushöheren Personen zurückzuführen, denn auch bei höheren Arbeitsbelastungen neigen die Erwerbstätigen mit einem niedrigen Berufsprestige nicht zu erhöhtem Konsum von Alkohol. 78 schenswert, Angaben über die Belastungen in allen bisher ausgeübten Berufen zur Verfügung zu haben. Diese Angaben liegen im hier verwendeten Datensatz jedoch nicht vor. Mit Bezug auf die zentrale Fragestellung dieser Arbeit kann zunächst festgehalten werden, dass der soziale Status auch unter Kontrolle der Arbeitsplatzbelastungen das Gesundheitsverhalten signifikant beeinflusst, seine relative Einflussstärke nimmt jedoch ab – die einzige Ausnahme von dieser Regel ist die Wahrscheinlichkeit des Alkoholkonsums in der Berichtswoche (vgl. Modell 2 in den Tabellen 5.9 und 5.10). Tabelle 5.9: Arbeitsbelastungen und Gesundheitsverhalten von Erwerbstätigen, logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Raucher Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Ungewöhnliche Arbeitszeit Niedriges Prestige und Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Ungewöhnliche Arbeitszeit Nagelkerke R² bzw. ∆ R² M1 –11* 6 ns –17** –3 ns 2 ns 4 ns –1 ns 3 ns M2 –11* 6 ns –13* –7 ns –3 ns 11* –5 ns 4 ns 5* 5 ns 13* –14* 10 + 2 ns 3* Abstinente M1 4 ns –14** –17** –1 ns 1 ns –7 ns 5 ns 1 ns M2 3 ns –15** –16* –8 ns 6 ns –11 + 6 ns 1 ns 10** 10 ns –8 ns 7 ns 0 ns 0 ns 2 ns nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche M1 –1 ns –16** –13* –1 ns –2 ns –1 ns –2 ns –2 ns M2 0 ns –16** –14* 4 ns –2 ns 3 ns –4 ns –6 ns 8** –7 ns 1 ns –7 ns 1 ns 8 ns 1 ns a Siehe Anmerkungen in Tabelle 5.6. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Wie eine genauere Betrachtung der Analysen zeigt, haben die Arbeitsbelastungen als solche kaum einen Einfluss auf die gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen (vgl. die Modelle 1 in Tabellen 5.9 und 5.10). Von den insgesamt 30 Regressionskoeffizienten sind nur zwei signifikant, einer auf dem 10%-Niveau – Untypische Arbeitszeiten erhöhen den Tabakkonsum von Rauchern geringfügig –, der andere auf dem 5%-Niveau – Physische Arbeitsbelastung senkt die Häufigkeit sportlicher Aktivitäten. Da bei Variablen, die in der Grundgesamtheit unabhängig von einer Zielvariablen sind, im Fall einer Stichprobenuntersuchung bei der gegebenen Anzahl von Koeffizienten mit durchschnittlich drei auf dem 10%-Niveau signifikanten Effekte zu rechnen ist, muss davon ausgegangen werden, dass die beruflichen Belastungen keinen direkten Einfluss auf das Gesundheitsverhalten haben. 79 Bei den Analysen mit Dummyvariablen, die ein niedriges Berufsprestige und eine hohe Belastung anzeigen, ergeben sich sehr heterogene Ergebnisse, die in ihrer Gesamtheit nur schwer zu interpretieren sind (vgl. Modelle 2 in Tabellen 5.9 und 510). Die Wahrscheinlichkeit zu rauchen steigt mit dem Zeitdruck an, aber nur für statushöhere Personen – denn für Personen mit niedrigem Prestige sinkt die Raucherwahrscheinlichkeit bei hohem Zeitdruck. Bei letzteren steigt die Wahrscheinlichkeit des Rauchens bei hohen psycho-sozialen Belastungen und einem großen Arbeitszeitumfang. Die Menge der von den Rauchern konsumierten Tabakwaren steht kaum mit den Arbeitsplatzbelastungen in einem Zusammenhang. Es zeigt sich jedoch, dass untypische Arbeitszeiten den Tabakkonsum vor allem unter den statusniedrigen Personen erhöhen. Allerdings ist dieser Effekt nicht signifikant (vgl. Modell 2 für den Tabakkonsum in Tabelle 5.10). Tabelle 5.10: Arbeitsbelastungen und Gesundheitsverhalten von Erwerbstätigen, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit Niedriges Prestige und Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit R² bzw. ∆ R² Tabakkonsum M1 M2 ns –7 –5 ns 8 ns 7 ns –24** –20* –2 ns 6 ns ns –3 –1 ns 8 ns 8 ns ns –6 –11 ns 13 + 6 ns 8* –13 ns –4 ns –2 ns 7 ns 15 ns 2 ns Alkoholmenge M1 M2 ns 0 1 ns 27*** 28*** 18** 13 + 9 ns 18* ns 6 7 ns –4 ns 0 ns ns 6 1 ns 2 ns 3 ns 12*** –14 ns –2 ns –10 ns 8 ns 1 ns 2 ns Sport M1 –18*** –4 ns 12* –10* –6 ns 0 ns 0 ns 0 ns 8*** M2 –19*** –4 ns 10 + –12 + –6 ns –6 ns 3 ns 7 ns 4 ns –2 ns 12* –3 ns –15* 2+ a Siehe Anmerkungen in Tabelle 5.7. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Bei der Frage, ob man überhaupt Alkohol trinkt oder aber abstinent ist, wird keine der Dummyvariablen signifikant (vgl. Tabelle 5.9). Ihre Berücksichtigung führt aber dazu, dass der negative Effekt des Zeitdrucks signifikant wird, d.h. mit steigendem Zeitdruck sinkt die Wahrscheinlichkeit für Alkoholabstinenz. Ob in der letzten Woche Alkohol getrunken wurde oder nicht, ist vollkommen unabhängig von den Arbeitsbelastungen oder den Dummyvariablen. Unter denjenigen, die in der Berichtswoche Alkohol getrunken haben, steigt der Konsum mit steigenden physischen Arbeitsbelastungen; dies gilt jedoch vor allem für statushohe 80 Personen, da der Interaktionseffekt für niedriges Prestige und hohe körperliche Belastungen einen negativen Effekt auf den Alkoholkonsum zeigt (der allerdings nicht signifikant wird). Im Gegensatz zu manch populären Vorurteilen zeichnet sich die Gruppe der Statusniedrigen mit hohen beruflichen Belastungen nicht generell durch einen höheren Alkoholkonsum aus – im Gegenteil zeigen die Ergebnisse, dass diese durchschnittlich weniger Alkohol trinken als andere Erwerbstätige. Die Häufigkeit des Sporttreibens schließlich wird vom Ausmaß physischer Belastungen negativ beeinflusst, dasselbe gilt für häufige Nacht-, Schicht- und Sonntagsarbeit, wenn sie mit einem niedrigen Berufsprestige kombiniert auftritt. Im Gegensatz dazu üben diejenigen mit niedrigem Prestige, die einen hohen Zeitdruck wahrnehmen, häufiger Sport aus als andere. In einem letzten Test wurde für jede Belastungsdimension und für jede der Dummyvariablen getrennt überprüft, ob sie einen Effekt auf die verschiedenen Formen gesundheitsrelevanten Verhaltens haben. Auch in diesen Analysen ergaben sich nur sehr wenige signifikante Koeffizienten, die zudem bei den verschiedenen Verhaltensweisen von unterschiedlichen Belastungen ausgehen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein direkter Zusammenhang zwischen den Arbeitsbelastungen und dem Gesundheitsverhalten – mit einer Ausnahme – nicht nachgewiesen werden kann, Hypothese 2a muss also als weitgehend falsifiziert gelten.53 Das heißt jedoch nicht notwendigerweise, dass ein solcher Zusammenhang nicht besteht. Der Einfluss der Arbeitsbelastungen auf das Gesundheitsverhalten könnte so gering sein, dass er mit der verhältnismäßig kleinen Stichprobe nicht erfasst werden kann. Darüber hinaus gilt dieses Ergebnis nur für die Gruppe der Erwerbstätigen insgesamt. In Untergruppen dieser Population, z.B. bei Binnenschiffern (Braun, König und Georg 2002), könnten durchaus andere Verhältnisse vorliegen. Etwas anders sieht es aus, wenn die Belastungssituation der Erwerbstätigen mit niedrigem Prestige untersucht wird. In dieser Gruppe führen psycho-soziale Belastungen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu rauchen und untypische Arbeitszeiten zu einer Verminderung sportlicher Aktivitäten. Diesen Ergebnissen, die sich in Einklang mit Hypothese 3a befinden, stehen jedoch Resultate gegenüber, die der Hypothese widersprechen. So steigt die Wahrscheinlichkeit zu rauchen unter den Statushohen mit steigendem Zeitdruck an, nicht aber unter den Statusniedrigen. Umgekehrt ist es bei der Häufigkeit sportlicher Aktivitäten. Diese 53 Die Ausnahme betrifft den negativen Effekt physischer Arbeitsbelastung auf die Ausübung sportlicher Aktivitäten. 81 nimmt unter den Erwerbstätigen mit niedrigem Prestige mit zunehmendem Zeitdruck zu, nicht jedoch unter den Erwerbstätigen mit hohem Prestige. Schließlich findet für den Alkoholkonsum kein einziges Ergebnis, das mit Hypothese 3a kompatibel wäre. Daher muss auch diese Hypothese eher als widerlegt gelten. 5.2.3 Arbeitsbelastungen und Gesundheit Nachdem das Gesundheitsverhalten untersucht wurde, sollen nun die entsprechenden Hypothesen, die sich auf die Gesundheit selbst beziehen, analysiert werden. In Hypothese 2b wird behauptet, dass sich Belastungen am Arbeitsplatz negativ auf die Gesundheit auswirken. Eine erste Analyse zu dieser Frage findet sich in Abbildung 5.4. Dargestellt sind die prozentualen Abweichungen der Durchschnittswerte für die drei Gesundheitsmaße in jeder Belastungsgruppe vom Gesamtmittelwert. Das Alter und die Geschlechtszugehörigkeit wurden in diesen Analysen kontrolliert. Abbildung 5.4: Berufliche Belastungen und Gesundheit, nach Kontrolle von Alter und Geschlecht a Körperliche Gesundheit keine Belastung eine Belastung zwei und mehr Psychische Gesundheit Beschwerden -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 Abweichungen vom Mittelwert in Prozent a Multiple Klassifikationsanalyse (N = 514); β körperl. G. = 0,10 (p ≤ 0,1); β psych. G. = 0,21 (p ≤ 0,001); β Beschw. = 0,18 (p ≤ 0,001) Im Ergebnis zeigt sich, dass die psychische Gesundheit mit der Anzahl der Belastungen stetig sinkt und die durchschnittliche Zahl der angegebenen Beschwerden steigt. Beide Effekte sind auf dem 0,1%-Niveau signifikant. Die körperliche Gesundheit ist bei denen, die keiner (übermäßigen) Belastung ausgesetzt sind, am besten, nimmt dann aber nicht kontinuierlich mit der Zahl der Belastungen ab. Der Mittelwertsunterschied zwischen den drei verschiedenen Belastungsstufen ist nach Kontrolle der beiden demographischen Variablen noch auf dem 82 10%-Niveau signifikant. Mit Bezug auf die Gesamtbelastung kann Hypothese 2b demnach als bestätigt gelten. Wie eine nach den verschiedenen Belastungsformen differenzierte Analyse zeigt, sind es vor allem die psycho-sozialen Belastungen am Arbeitsplatz, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken (vgl. Tabelle 5.11). Höhere Belastungen dieser Art sind mit einer schlechteren körperlichen und psychischen Gesundheit und einer größeren Anzahl von Beschwerden verknüpft. Eine körperlich belastende Tätigkeit wirkt sich negativ auf die körperliche Gesundheit und positiv auf die Nennung von Beschwerden aus, ist jedoch nicht mit der psychischen Gesundheit assoziiert. Die einzige weitere signifikante Korrelation findet sich zwischen dem wahrgenommenen Zeitdruck und der psychischen Gesundheit, wobei letztere bei Personen, die unter starkem Zeitdruck leiden, schlechter ist. Der Umfang der Arbeitszeit sowie häufige Nacht-, Schicht- und Sonntagsarbeit ist mit keinem der drei Gesundheitsindikatoren korreliert. Ursache hierfür mag zum einen das Vorliegen eines Selektionseffekts sein – Personen mit schlechterer Gesundheit ziehen sich eventuell aus diesen Arbeitszeiten zurück –, zum anderen mag nicht das Vorliegen dieser Belastung zum Zeitpunkt des Interviews für die Gesundheit von Bedeutung sein, sondern die Anzahl der Jahre, die diese Form der Arbeit ausgeübt wurde.54 Da derartige Informationen jedoch nicht vorliegen, können diese Überlegungen im Rahmen dieser Studie nicht geprüft werden. Tabelle 5.11 Korrelationen zwischen den Arbeitsbelastungen und der Gesundheit unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Ungewöhnliche Arbeitszeit SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch –0,11* –0,03 ns –0,22*** –0,36*** –0,04 ns –0,14*** ns 0,08 0,01 ns 0,00 –0,07 ns Beschwerden 0,14** 0,31*** 0,03 ns –0,09 ns –0,01 ns ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (N = 512/514). Insgesamt wird Hypothese 2b durch die hier vorgelegten Analysen eher bestätigt als widerlegt. Zwar konnte für den Umfang der Arbeitszeit und das Arbeiten zu untypischen Zeiten kein Zusammenhang mit der Gesundheit festgestellt werden, dies kann jedoch auch methodische Ursachen haben, auf die hingewiesen wurde. Mit Bezug auf die physische Belastung und 54 Dieses Argument gilt jedoch auch für die anderen Belastungsdimensionen, da die gesundheitliche Bedeutung der Belastungen mit ihrer Dauer zunehmen müsste. 83 vor allem die psycho-soziale Belastung wird Hypothese 2b jedoch bestätigt; darüber hinaus findet sich auch ein negativer Einfluss des Zeitdrucks auf die psychische Gesundheit. Gemäß Hypothese 3b wird erwartet, dass sich die Arbeitsbelastungen vor allem dann gesundheitsschädlich auswirken, wenn ein statusniedriger Beruf ausgeübt wird. Wie schon im Zusammenhang mit dem Gesundheitsverhalten argumentiert wurde, beruht diese Hypothese auf der Überlegung, dass die Inhaber statushöherer Berufe für die erfahrenen Belastungen besser kompensiert werden – sie erhalten ein höheres Einkommen und genießen eine höhere gesellschaftliche Anerkennung. Diese Kompensationen sollten statushöhere Personen in die Lage versetzen, ihre Arbeitsbelastungen erfolgreicher zu bewältigen und damit gesünder zu bleiben. Ebenso wird bei Personen, die nur wenigen beruflichen Belastungen ausgesetzt sind, eine bessere Gesundheit erwartet. Damit konzentriert sich das Interesse wieder auf die Personen, die einem Beruf nachgehen, der eine nur geringe gesellschaftliche Anerkennung genießt, und die gleichzeitig hohen Belastungen ausgesetzt sind. Vergleicht man diese Gruppe mit allen anderen Erwerbstätigen, ergibt sich eine deutliche Bestätigung für diese Interpretation der Hypothese 3b (vgl. Tabelle 5.12). Mit Ausnahme des Umfanges der Arbeitszeit führen hohe Belastungen auf den anderen vier Dimensionen bei niedrigem Prestige immer zu deutlich mehr Beschwerden und zu einer schlechteren körperlichen und/oder psychischen Gesundheit (diese Ergebnisse bleiben bestehen, wenn nach Alter und Geschlecht kontrolliert wird). Am deutlichsten ist dabei der Effekt der psycho-sozialen Belastung am Arbeitsplatz. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Erwerbstätige in Berufen mit geringem gesellschaftlichen Ansehen, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, einem größeren Gesundheitsrisiko unterliegen sind als andere. Tabelle 5.12: Mittelwertsdifferenz der Gesundheitsmaße bei Erwerbstätigen mit hohen Belastungen und niedrigem Prestige zu allen anderen Erwerbstätigen unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Ungewöhnliche Arbeitszeit SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch –2,5** –0,1 ns –2,6** –3,8*** ns –1,9 –2,3* –1,2 ns 0,4 ns –2,1* –0,6 ns Beschwerden 3,0** 6,3*** 2,5* 0,5 ns 2,7* ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (N = 515/517). In einer abschließenden Analyse wurde wiederum multivariat geprüft, ob die Arbeitsbelastungen auch bei der Kontrolle des sozialen Status einen eigenständigen Einfluss auf die 84 Gesundheit haben. Die Ergebnisse dieser Analysen sind in Tabelle 5.13 zusammengestellt. Da die in den Modellen 2 aufgenommenen Dummyvariablen zwischen niedrigem Prestige und hohen Arbeitsbelastungen in keinem Fall einen signifikanten Einfluss auf die Gesundheitsindikatoren haben und sich die Ergebnisse der anderen Merkmale auch nicht verändern, muss Hypothese 3b auf der Basis dieser Analysen zurückgewiesen werden.55 Daher werde ich im Folgenden nur noch die Ergebnisse der Modelle 1 betrachten. Tabelle 5.13: Berufliche Belastungen und die Gesundheit von Erwerbstätigen lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit Niedriges Prestige und hohe Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit R² bzw. ∆ R² SF-36: Gesundheit körperlich psychisch M1 M2 M1 M2 –13** –13** 12** 12** 12** 12** 9* 9* ns ns 3 –1 10* 12* –9 + –3 ns 4 ns 0 ns –20*** –24*** –33*** –33*** –4 ns –5 ns –12** –10 + + + ns 8 10 2 3 ns 0 ns 4 ns –7 + –10 + 10*** –9 ns 8 ns 0 ns –6 ns –7 ns 1 ns 17*** 6 ns –1 ns –3 ns –1 ns 5 ns 0 ns Beschwerden M1 6 ns –18*** –23*** 1 ns 28*** 5 ns –4 ns 0 ns M2 6 ns –18*** –24*** 5 ns 26*** 6 ns –3 ns –2 ns 20*** –7 ns 4 ns –3 ns –3 ns 5 ns 0 ns a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Die oben getroffene Feststellung der herausragenden Bedeutung psycho-sozialer Arbeitsbelastungen für die Gesundheit wird in diesen Analysen noch einmal bestätigt. Von allen einbezogenen Merkmalen hat diese den größten Einfluss auf die Gesundheit. Die anderen Arbeitsbelastungen spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Zwar führt hohe physische Belastung zu einem geringfügigen Rückgang physischer Gesundheit und hoher Zeitdruck sowie häufige Nacht-, Schicht- und Sonntagsarbeit zu einer mäßigen Reduktion der psychischen Gesundheit. Diese Effekte sind jedoch im Vergleich zur Bedeutung psychosozialer Belastung gering. Schließlich sollte noch auf den (sehr schwachen) positiven Einfluss des Umfangs der Arbeitszeit auf die körperliche Gesundheit hingewiesen werden. Hier 55 Werden statt der hier verwendeten Dummyvariablen echte Interaktionseffekte zwischen den Belastungsdimesionen und dem Berufsprestige bzw. dem sozialen Status gebildet, erhält man dasselbe negative Ergebnis. 85 handelt es sich wahrscheinlich um einen Selektionseffekt, der auch unter der Bezeichnung „Healthy Worker Effect“ (Östlin 1989) bekannt ist. Dieser Effekt besteht darin, dass weniger Gesunde den Umfang ihrer Erwerbsarbeit eher reduzieren, z.B. indem sie weniger Überstunden machen oder indem sie Teilzeit arbeiten. Damit verbleiben unter denjenigen, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen und sich zeitlich besonders engagieren, mehr gesündere Personen. Zuletzt soll noch untersucht werden, wie sich der Einfluss des sozialen Status auf die Gesundheit verändert, wenn die Belastungsdimensionen berücksichtigt werden. Zum Vergleich kann auf die Modelle 2b in der Tabelle A1.1 zurückgegriffen werden. Im Fall der Beschwerden und der psychischen Gesundheit reduziert die Kontrolle der Belastungen den Einfluss des sozialen Status nicht – für die psychische Gesundheit ist sogar eine leichte Zunahme der Effektstärke des sozialen Status festzustellen. Nur im Fall der körperlichen Gesundheit verschwindet der Einfluss des sozialen Status, wenn die Arbeitsbelastungen kontrolliert werden. Das heißt nur in Bezug auf diesen Gesundheitsindikator bestätigt sich meine Vermutung, dass der ohnehin sehr schwache Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Gesundheit (vg. Abschnitt 5.1.1) durch die beruflichen Belastungen erklärt wird. Für die hier untersuchten Hypothesen kann abschließend festgestellt werden, dass die Arbeitsbelastung, zumindest in Form psycho-sozialer Arbeitsbelastung, einen deutlichen Einfluss auf die Gesundheit hat. Hypothese 2a kann somit als bestätigt gelten. Hypothese 2b, nach der die Arbeitsbelastung vor allem die Gesundheit von Personen in Berufen mit geringer gesellschaftlicher Anerkennung beeinträchtigen sollte, kann dagegen nicht bestätigt werden; zumindest dann nicht, wenn der soziale Status kontrolliert wird. Das heißt Arbeitsplatzbelastungen, und dies sind hier insbesondere die psycho-sozialen Belastungen, wirken sich auf allen Stufen der gesellschaftlichen Hierarchie negativ auf die Gesundheit aus – und zwar sowohl auf die körperliche wie die seelische Gesundheit. 5.3 Soziale Ungleichheit, Belastungen durch Hausarbeit und Gesundheitsverhalten bzw. Gesundheit In den Hypothese 5a und 5b wird vermutet, dass die Belastungen durch Haus- und Familienarbeit gesundheitsschädigendes Verhalten fördern und die Gesundheit verschlechtern. Außerdem wird in Hypothese 4 die Behauptung aufgestellt, dass diese Belastungsform mit steigendem Einkommen sinkt, da es mit höherem Einkommen eher möglich ist, die belastenden Tätigkeiten von Personen, die nicht dem Haushalt angehören, gegen Bezahlung erledigen zu lassen. Zur Überprüfung dieser Hypothesen stehen zwei Indikatoren zur Verfügung: die 86 wöchentliche aufgewendete Zeit für Hausarbeit und die psycho-sozialen Belastungen durch diese Tätigkeit (vgl. Abschnitt 4.7). Wie Tabelle 5.14 zeigt, kann Hypothese 4 als bestätigt gelten. Unter den hier verwendeten Ungleichheitsmerkmalen zeigt sich für das Äquivalenzeinkommen jeweils die größte Korrelation zu den beiden Indikatoren der Belastung durch Haus- und Familienarbeit.56 Dies gilt auch, wenn die Analyse für Männer und Frauen getrennt durchgeführt wird, allerdings ist die Korrelation zwischen Einkommen und Dauer der Hausarbeit für Männer nicht signifikant. Tabelle 5.14: Korrelationen der Dauer der Hausarbeit (1) und der psycho-sozialen Belastungen durch Hausarbeit (2) mit der sozialen Ungleichheit, nach Geschlecht und unter Kontrolle des Alters Männer 1 Bildung –0,06 ns Prestige des Einordnungsberufs –0,01 ns Äquivalenzeinkommen –0,07 ns Sozialer Status –0,05 ns 2 –0,05 ns –0,11* –0,15* –0,09 ns Frauen 1 –0,21*** –0,13* –0,29*** –0,23*** 2 0,03 ns –0,01 ns –0,16** –0,04 ns Gesamt a 1 –0,15*** –0,09* –0,21*** –0,16*** 2 0,01 ns –0,04 ns –0,15*** –0,05 ns a In diesen Analysen wurde zusätzlich zum Alter auch das Geschlecht kontrolliert. ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Nach Hypothese 5a wird erwartet, dass mit zunehmender Belastung durch die Haus- und Familienarbeit das Ausmaß gesundheitsschädigenden Verhaltens ansteigt. Wie schon bei der Überprüfung der analogen Hypothesen zur Rolle der Arbeitsbelastungen (siehe Abschnitt 5.2.2) wird in zwei Schritten vorgegangen. Zunächst wird in logistischen Regressionsmodellen untersucht, ob die Wahrscheinlichkeit des Rauchens, der Alkoholabstinenz und der Alkoholenthaltsamkeit in der Berichtswoche durch die Belastungen im Haushalt beeinflusst werden. Dann wird in linearen Regressionsmodellen geprüft, ob diese Belastungen Auswirkungen auf die Höhe des Tabak- und Alkoholkonsums und die Häufigkeit sportlicher Aktivitäten haben. Jede dieser Analysen wird einmal unter Verwendung des Äquivalenzeinkommens als Ungleichheitsmaß und einmal unter Verwendung des sozialen Status durchgeführt. Die Ergebnisse sind in den Tabellen A1.9 und A1.10 dokumentiert. Von den insgesamt 24 Koeffizienten, die in diesem Zusammenhang interessieren, sind gerade zwei auf dem 10%-Niveau signifikant. Diese sind jedoch so klein, dass von einem substantiell bedeutsamen Ergebnis nicht die Rede sein kann. Hypothese 5a muss also als falsifiziert 56 Kontrolliert man zusätzlich zum Alter noch die jeweils anderen Ungleichheitsmerkmale, dann wird nur der partielle Korrelationskoeffizient für das Äquivalenzeinkommen signifikant. D.h. bei den in Tabelle 5.14 berichteten Korrelationen zwischen der Bildung bzw. dem Berufsprestige und den Belastungsmaßen handelt es sich um Scheinkorrelationen, die unter Kontrolle des Einkommens verschwinden. 87 gelten, d.h. in der vorliegenden Studie kann kein Einfluss der Belastungen durch die Hausund Familienarbeit auf das Gesundheitsverhalten nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht, wenn die Analysen für Männer und Frauen getrennt durchgeführt werden. Damit komme ich zur Überprüfung der Hypothese 5b, in der behauptet wird, dass die Belastungen durch Haus- und Familienarbeit negative Effekte für die Gesundheit haben. Die Ergebnisse der entsprechenden Analysen sind in Tabelle 5.15 wiedergegeben. Wie sich zeigt, hat die Dauer der Hausarbeit keinen Einfluss auf die Gesundheit. Anders sieht es mit der psycho-sozialen Belastung durch die Arbeit aus. Mit Bezug auf diesen Indikator findet sich für alle drei Indikatoren der Gesundheit der erwartete Effekt und zudem in einer beachtlichen Größenordnung. Tabelle 5.15: Belastungen durch Hausarbeit und Gesundheit lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich=1) Äquivalenzeinkommen Sozialer Status Dauer der Hausarbeit Psycho-soziale Belastung R² SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2 M1 M2 ns –26*** –25*** 3 4 ns 0 ns 0 ns –6 ns –6 ns ns ns 5 4 11** 8* –6 ns –5 ns 1 ns 2 ns –18*** –18*** –26*** –26*** 8*** 9*** 6*** 6*** Beschwerden M1 23*** –3 ns –20*** 1 ns 24*** 13*** M2 19*** –3 ns –26*** 0 ns 26*** 17*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (N = 515/517). Darüber hinaus ergibt diese Analyse weitere interessante Resultate. Wie ein Vergleich der Modelle 2 in Tabelle 5.15 mit den Modellen 2b in Tabelle 5.4 zeigt, verschwindet der Einfluss der Geschlechtszugehörigkeit auf die körperliche Gesundheit und die Beschwerden (im Fall der psychischen Gesundheit unterscheiden sich die Geschlechter auch ohne Kontrolle der Hausarbeitsbelastung nicht). Die gesundheitlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen werden also maßgeblich durch ihre unterschiedliche Belastung im Haushalt verursacht. Es zeigt sich weiter, dass sich bei Kontrolle der psycho-sozialen Belastung durch die Hausarbeit die Altersunterschiede in der körperlichen Gesundheit und den Beschwerden verschärfen und der ehemals positive Einfluss des Alters auf die psychische Gesundheit verschwindet. Da die Belastung durch die Hausarbeit mit zunehmendem Alter deutlich sinkt (vgl. Abschnitt 4.7), würde die Verschlechterung der Gesundheit im Alter noch deutlicher 88 ausfallen, wenn sich die Belastung durch Haus- und Familienarbeit gleichmäßig über die Altergruppen verteilte.57 Im Gegensatz zu den Veränderungen der Alters- und Geschlechtseffekte bleibt der Einfluss des sozialen Status auf die Gesundheit auch unter Kontrolle der Haushaltsbelastungen stabil. Das heißt der hier im Vordergrund stehende Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit wird nicht durch diese Belastungsform vermittelt. Wird die Analyse auf diejenigen Personen eingeschränkt, die mindestens 10 Stunden in der Woche für Hausarbeit aufwenden,58 zeigt sich ein noch stärkerer Effekt der psycho-sozialen Belastung auf die Gesundheit (für die Modelle mit dem sozialen Status lauten die standardisierten Koeffizienten auf die körperliche Gesundheit: -0,22; auf die psychische Gesundheit: -0,34; und auf die Beschwerden: 0,35). An den anderen Ergebnissen ändert sich dagegen nichts grundlegendes. Es wurde auch überprüft, ob zwischen der Geschlechtszugehörigkeit und den Belastungen durch Haus- und Familienarbeit ein Interaktionseffekt auf die Gesundheit besteht. Dies ist nicht der Fall, das heißt diese Form der Belastung wirkt sich bei Männern und Frauen in der gleichen Weise negativ auf die Gesundheit aus. Es kann festgehalten werden: Hypothese 4 und Hypothese 5b können als deutlich bestätigt gelten, Hypothese 5a muss dagegen als falsifiziert betrachtet werden. 5.4 Soziale Ungleichheit, soziale Netzwerke und Gesundheit In diesem Abschnitt werden die Hypothesen 6 bis 11 untersucht, in denen spezifische Beziehungen zwischen der sozialen Ungleichheit, der Struktur der Netzwerke und der Gesundheit bzw. dem Gesundheitsverhalten vermutet werden. Die Überprüfung dieser Hypothesen ist in drei Unterabschnitte gegliedert. Im ersten Teil wird der Einfluss des sozialen Kapitals auf die Gesundheit untersucht. Dann wird geprüft, ob die Geschlossenheit der Netzwerke mit der Gesundheit in einem Zusammenhang steht. Abschließend steht der Einfluss des Gesundheitsverhaltens der Netzwerkpersonen auf die Befragten im Zentrum der Analyse. 5.4.1 Soziale Ungleichheit, soziales Kapital und Gesundheit Im Mittelpunkt dieses Abschnitts steht der Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und dem sozialen Kapital einerseits sowie zwischen dem sozialen Kapital und der 57 Diese beiden Befunde gelten auch für diejenigen, für die die Belastung durch die Hausarbeit direkt gemessen und nicht geschätzt wurde. 58 Das heißt für diese Belastungsform werden nur die gemessenen Werte, nicht die geschätzten Werte verwendet (vgl. Abschnitt 4.7) 89 Gesundheit bzw. dem Gesundheitsverhalten andererseits. In der sechsten Hypothese wird ein positiver Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und der Menge an sozialem Kapital, das eine Person hat, vermutet. Als Indikatoren des sozialen Kapitals kommen zum einen die Netzwerkgröße, zum anderen der aus der Bildung und dem beruflichen Status der Netzwerkpersonen gebildete Index in Frage (vgl. Abschnitt 4.5). Tabelle 5.16: Korrelationen des sozialen Kapitals mit der sozialen Ungleichheit, unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Bildung Prestige des Einordnungsberufs Äquivalenzeinkommen Sozialer Status Netzwerkgröße 0,19 0,20 0,15 0,22 Index soziales Kapital 0,68 0,55 0,36 0,64 Für alle Koeffizienten gilt: p ≤ 0,001. Wie Tabelle 5.16 zeigt, besteht zwischen der Netzwerkgröße und allen Ungleichheitsdimensionen ein mäßig starker positiver Zusammenhang. Statushöhere Personen haben also größere soziale Netzwerke, ein Ergebnis, das in allen mir bekannten Netzwerkuntersuchungen auftritt. Deutlich stärker als die Netzwerkgröße korreliert der Index des sozialen Kapitals mit den Dimensionen der sozialen Ungleichheit. Hier zeigt sich das hohe Ausmaß an Statusgleichheit (Statushomophilie) der sozialen Beziehungen; ein Strukturmerkmal von Beziehungen, welches auch mit Bezug auf andere Merkmale auftritt (vgl. zusammenfassend Wolf 1996). Hypothese 6 kann somit als bestätigt gelten. In der siebten Hypothese wird behauptet, dass das soziale Kapital einen direkten positiven Einfluss auf die Gesundheit hat (Direkteffekt-Hypothese). Um diese Hypothese zu überprüfen, habe ich zunächst partielle Korrelationen zwischen den beiden Indikatoren des sozialen Kapitals und den drei Gesundheitsmaßen berechnet. Dabei wurden zum einen das Alter und das Geschlecht konstant gehalten, zum anderen wurde zusätzlich der soziale Status der Befragten kontrolliert. Die Ergebnisse dieser Analysen sind in Tabelle 5.17 zusammengestellt. Die psychische Gesundheit variiert positiv mit der Netzwerkgröße, ein Zusammenhang, der auch nach der Kontrolle des sozialen Status bestehen bleibt. Dagegen hat die Netzwerkgröße keinen Einfluss auf die Anzahl und Stärke der Beschwerden, und auf die körperliche Gesundheit hat die Netzwerkgröße einen negativen Einfluss, wenn der soziale Status kontrolliert wird. Mit Bezug auf diese beiden Gesundheitsmerkmale muss Hypothese sieben also als falsifiziert gelten. 90 Tabelle 5.17: Netzwerkgröße Soziales Kapital Netzwerkgröße H Soziales Kapital Korrelationen zwischen der Netzwerkgröße, dem Index des sozialen Kapitals und der Gesundheit 1. unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts 2. unter zusätzlicher Kontrolle des sozialen Status SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch 1 2 1 2 ns –0,05 –0,08* 0,11** 0,09* 0,10** 0,02 ns 0,06 ns 0,00 ns 1 –0,05 ns –0,18*** –0,01 ns –0,08* –0,01 ns 0,00 ns 0,00 ns Beschwerden 2 0,02 ns 0,00 ns –0,07 + ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (677 ≤ N ≤ 680). Verwendet man statt der Netzwerkgröße den Index des sozialen Kapitals im Netzwerk, wird H7 sogar mit Bezug auf alle drei Gesundheitsmaße widerlegt. Wird nur nach Alter und Geschlecht kontrolliert, zeigt sich zwar der erwartete positive Zusammenhang zwischen dem Index des sozialen Kapitals und der körperlichen Gesundheit sowie ein negativer Zusammenhang mit dem Beschwerdeindex. Diese beiden Korrelationen verschwinden jedoch, wenn der soziale Status der Befragten konstant gehalten wird. Der durchschnittliche soziale Status der Netzwerkpersonen hat also keinen direkten Einfluss auf die Gesundheit.59 Nun kann argumentiert werden, dass nicht die Anzahl der Netzwerkmitglieder oder ihr durchschnittlicher Status ausschlaggebend für das Wohlbefinden und die Gesundheit sind, sondern die Tatsache, dass man viele Personen mit hohem Status kennt. Daher wurde in einem weiteren Schritt überprüft, ob zwischen der Netzwerkgröße und dem durchschnittlichen Status im Netzwerk ein Interaktionseffekt in Bezug auf die Gesundheit besteht. Wie der letzten Zeile in Tabelle 5.17 entnommen werden kann, zeigt sich ein solcher Effekt immerhin für den Beschwerdeindex und zwar in der erwarteten Richtung – je größer das Netzwerk und je höher der Status der Netzwerkpersonen, desto weniger Beschwerden. Und obwohl dieser Effekt sehr klein ist, bleibt er in einem multivariaten Regressionsmodell unter Kontrolle der anderen Variablen signifikant. Eine zusammenfassende Beurteilung der Direkteffekt-Hypothese (H7) fällt angesichts dieser Ergebnisse nicht leicht. Klar scheint, dass die körperliche Gesundheit weder von der Netzwerkgröße noch vom sozialen Kapital profitiert. In Bezug auf diesen Aspekt der Gesundheit muss H7 eindeutig abgelehnt werden. Betrachtet man dagegen die psychische Gesundheit, 59 Dieser Befund wird auch durch Regressionsanalysen bestätigt (vgl. Tabelle A1.11 in Anhang A). Außerdem wurde untersucht, ob Anzeichen für einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen sozialem Kapital und Gesundheit oder für einen Interaktionseffekt zwischen sozialem Status der Befragten, ihrem sozialen Kapital und der Gesundheit existieren. Beides ist nicht der Fall. 91 findet sich immerhin ein positiver Einfluss der Netzwerkgröße: Je mehr Menschen jemand kennt, desto besser seine seelische Befindlichkeit. Und die Beschwerden betreffend kann festgehalten werden, dass diese bei Personen mit großem Netzwerk und vielen statushohen Verwandten, Freunden und Bekannten geringer sind als bei anderen Personen. Diese beiden Ergebnisse sprechen für die Geltung der Direkteffekt-Hypothese, zumindest für die psychische Gesundheit und das Ausmaß allgemeiner Beschwerden. Eine Ursache für dieses nicht eindeutige Ergebnis mag sein, dass das soziale Kapital seinen Einfluss auf die Gesundheit erst dann entfaltet, wenn diese durch Belastungen gefährdet ist. Erst in dieser Situation, so die Vermutung der Puffer-Hypothese (H8), kann das Ausmaß der sozialen Unterstützung als Schutzschild der Gesundheit wirksam werden. Im Rahmen dieser Studie kann diese Hypothese mit Bezug auf die Arbeitsbelastung und die Belastung durch Haus- und Familienarbeit geprüft werden. Bei den entsprechenden Analysen wurde in folgenden Schritten vorgegangen. Zunächst wurde untersucht, ob zwischen den Belastungen durch die Hausarbeit und dem Ausmaß sozialen Kapitals bzw. der Netzwerkgröße ein Interaktionseffekt auf die Gesundheit besteht. Dazu wurden diese beiden Merkmale im ersten Schritt dichotomisiert, kreuztabelliert und die durchschnittliche Gesundheit der vier Gruppen untersucht. In keiner dieser Analysen konnte der postulierte Effekt nachgewiesen werden. Stattdessen fanden sich stets einfache additive Einflüsse der Belastungen und des sozialen Kapitals bzw. der Netzwerkgröße auf die Gesundheit. Ein typisches Ergebnis dieser Analysen ist in Abbildung 5.5 wiedergegeben. Abbildung 5.5: Durchschnittliche körperliche Gesundheit nach dem Ausmaß der Hausarbeitsbelastung und dem sozialen Kapital (N = 681) körperliche Gesundheit 52 51 50 49 48 47 hohe Belastung geringe Belastung wenig soziales Kapital hohe Belastung geringe Belastung viel soziales Kapital In weiterführenden Untersuchungen wurden lineare Regressionsmodelle für die drei Gesundheitsmaße geschätzt, in die neben den Merkmalen Alter, Geschlecht und sozialer Status auch 92 die Belastung durch die Hausarbeit, die Netzwerkgröße bzw. der Index des sozialen Kapitals und ein Interaktionseffekt dieser Variablen aufgenommen wurde. Tabelle A1.12 in Anhang A enthält die Ergebnisse dieser Analysen für die Netzwerkgröße. Für die körperliche Gesundheit führen diese Analysen zu einer klaren Falsifikation der Puffer-Hypothese, der Interaktionseffekt hat in beiden Analysen das falsche Vorzeichen – wird jedoch nicht signifikant. Bei den Beschwerden zeigt sich zwar die vermutete Richtung des Effekts, d.h. große Belastungen durch die Hausarbeit und wenig soziales Kapital führen zu mehr Beschwerden, aber die entsprechenden Koeffizienten sind sehr klein und werden nicht signifikant. Ähnliches gilt für die psychische Gesundheit, allerdings erreicht der Interaktionseffekt zwischen geringer Netzwerkgröße und hohen Belastungen hier immerhin auf dem 5%-Niveau statistische Signifikanz.60 Dieselben Analysen wurden auch für die verschiedenen Formen der Arbeitsbelastung durchgeführt. Dabei ergab sich weder bei der Analyse der Vierfelder-Tafeln noch in den entsprechenden Regressionsmodellen ein überzeugender Beleg für die Puffer-Hypothese. Auch wenn man nur die Vorzeichen der Interaktionseffekte betrachtet und ihre Einflussstärke außer Acht lässt, muss die Puffer-Hypothese zurückgewiesen werden. Für die körperliche und psychische Gesundheit haben vier der zehn Effekte das falsche Vorzeichen, bei den Beschwerden sind es immerhin noch drei von zehn. In Hinblick auf die Arbeitsbelastungen kann diese Hypothese daher als falsifiziert gelten. Dies gilt zumindest in Bezug auf die hier vorgenommene Operationalisierung dieser Hypothese, an der mindestens zwei Punkte kritisiert werden können. Zum einen könnte es sein, dass zur Bewältigung der Arbeitsbelastungen nicht das gesamte soziale Netzwerk, sondern nur bestimmte Ausschnitte, z.B. die Gruppe der Kollegen, von Bedeutung sind. Zum anderen könnte argumentiert werden, dass das soziale Kapital oder die Netzwerkgröße etwas anderes messen als das Unterstützungspotential des Netzwerkes und dass nur letzteres effektiv gegen die gesundheitliche Beeinträchtigung von Belastungen schützt. Dieser Einwand wurde weiter untersucht, indem statt der Netzwerkgröße bzw. statt des sozialen Kapitals die Anzahl bzw. der Anteil der Netzwerkpersonen, auf den man sich in persönlichen Krisensituationen auf jeden Fall verlassen kann, herangezogen wurde (vgl. Frage N11 im Fragebogen, Anhang B). Allerdings konnte die Puffer-Hypothese auch in diesen Analysen in keinem einzigen Fall bestätigt werden. 60 Neben dieser Operationalisierung des Interaktionseffekts wurden verschiedene andere überprüft. In keiner dieser Analysen konnte die Puffer-Hypothese klar bestätigt werden. 93 Soziales Kapital schützt demnach nicht vor den gesundheitsschädlichen Auswirkungen hoher Arbeitsbelastungen. Zumindest in dieser Hinsicht hat sich die Puffer-Hypothese nicht bewährt. In Bezug auf die Belastungen durch die Hausarbeit ließen sich immerhin schwache Hinweise für die Gültigkeit der Puffer-Hypothese feststellen. Große Belastungen durch die Hausarbeit wirken sich weniger stark auf die psychische Gesundheit aus, wenn man über ein großes soziales Netzwerk verfügt. 5.4.2 Soziale Ungleichheit, Geschlossenheit der Netzwerke und Gesundheit Die soziale und räumliche Geschlossenheit der sozialen Netzwerke, die hier über die Netzwerkdichte, den Anteil Verwandter und den Anteil der Nachbarn im Netzwerk operationalisiert wurde (vgl. Abschnitt 4.5), sollte nach Hypothese 9 negativ mit dem sozialen Status korreliert sein. Diese Hypothese wird voll bestätigt.61 Im Gegensatz dazu kann Hypothese 10 nicht bestätigt werden. In dieser Hypothese wurde vermutet, dass Personen mit besonders stark bzw. besonders wenig geschlossenen Netzwerken eine schlechtere Gesundheit aufweisen als Personen, deren Netzwerke einen mittleren Grad der Geschlossenheit aufweisen. Wie entsprechende Analysen zeigen, steht die Geschlossenheit der Netzwerke weder in einem linearen noch in einem nichtlinearen Zusammenhang mit der Gesundheit. Dies gilt sowohl bivariat also auch unter Kontrolle des Alters, des Geschlechts, des sozialen Status und der Netzwerkgröße. Auch eine Analyse auf Basis der drei einzelnen Bestandteile des Geschlossenheitsmaßes führt zum selben Ergebnis. Folglich muss festgehalten werden, dass die Geschlossenheit der sozialen Netzwerke keinen Einfluss – zumindest keinen direkten Einfluss – auf die Gesundheit hat. 5.4.3 Soziale Netzwerke und Gesundheitsverhalten Die letzte Hypothese (H11) im Zusammenhang der sozialen Netzwerke bezieht sich auf den Einfluss des Gesundheitsverhaltens der Netzwerkmitglieder auf das Gesundheitsverhalten der Befragten. Dabei wird das Gesundheitsverhalten der Netzwerkmitglieder über den Anteil der starken Raucher und den Anteil der Netzwerkpersonen, die oft oder sehr oft Alkohol trinken, gemessen.62 61 Die partiellen Korrelationen unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts lauten: mit der Bildung: –0,20; mit dem Prestige des Einordnungsberufs: –0,10; mit dem Äquivalenzeinkommen: –0,21 und mit dem sozialen Status: –0,19. 62 Zur Operationalisierung des gesundheitsschädigenden Verhaltens der Befragten siehe Abschnitt 4.2, zur Operationalisierung des gesundheitsschädigenden Verhaltens der Netzwerkpersonen siehe Abschnitt 4.5. 94 Abbildung 5.6: Durchschnittliche Anzahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen der Befragten nach dem Ausmaß gesundheitsschädigenden Verhaltens im Netzwerk (Quartilsklassen; N = 689) Verhaltensweisen (Mittelwert) 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 wenig mittel viel sehr viel Gesundheitsschädigendes Verhalten im Netzwerk Wie Abbildung 5.6 deutlich macht, kann der vermutete Effekt tatsächlich nachgewiesen werden. Mit dem Ausmaß des gesundheitsschädigenden Verhaltens im Netzwerk steigt die durchschnittliche Anzahl der gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen, die von den Befragten berichtet werden. Dabei scheinen vor allem Netzwerke, in denen ein großer Anteil von Personen stark raucht bzw. viel Alkohol trinkt, zu einer Verstärkung gesundheitsschädigenden Verhaltens zu führen. Den Ergebnissen der Tabelle 5.18 zufolge, hat das Gesundheitsverhalten der Netzwerkpersonen auch nach der Kontrolle des Alters, des Geschlechts und des sozialen Status einen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten der Befragten. Weitere Analysen zeigen, dass dieser Effekt nicht von der Netzwerkgröße oder der Geschlossenheit der Netzwerke abhängt. Darüber hinaus besteht auch kein quadratischer Effekt des gesundheitsschädigenden Verhaltens auf das eigene Verhalten, wie Abbildung 5.6 nahe legt. Es kann jedoch ein schwacher Interaktionseffekt zwischen dem sozialen Status und dem gesundheitsschädigenden Verhalten im Netzwerk nachgewiesen werden. Dieser Effekt ist positiv, das heißt je höher der soziale Status, desto größer der Einfluss des Verhaltens der Netzwerkmitglieder auf das eigene Verhalten. Eine Ursache für dieses Ergebnis könnte in der mit dem sozialen Status wachsenden Netzwerkgröße und damit der größeren Anzahl von potentiellen Einflüssen liegen. Allerdings bleibt der Effekt unverändert bestehen, wenn die Netzwerkgröße kontrolliert wird. In einer weiteren Analyse wurde geprüft, ob das gesundheitsschädigende Verhalten im Netzwerk mit dem sozialen Status Egos variiert. Dies ist nicht der Fall. 95 Tabelle 5.18: Soziales Netzwerk und gesundheitsschädigendes Verhalten lineare Regression, standardisierte Koeffizienten Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status GSV im Netzwerk a H Sozialer Status Egos R² bzw. ∆ R² Zahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen der Befragten M1 M2 M3 0,05 + 0,06 + 0,06 + 0,13*** 0,13*** 0,13*** –0,12** –0,12*** –0,12*** 0,14*** 0,14*** 0,07 + 3*** 2*** 1+ a GSV im Netzwerk: Gesundheitsschädigendes Verhalten im Netzwerk. +: p ≤ 0,1; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (690 ≤ N ≤ 695). Im nächsten Schritt wird der Einfluss der Netzwerkpersonen auf die einzelnen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen untersucht. Wie bei den bisherigen Analysen dieser Merkmale wird wiederum zunächst in logistischen Regressionen der aktuelle Raucherstatus, die generelle Alkoholabstinenz und die Alkoholsabstinenz in der Berichtswoche analysiert. Danach wird für die Raucher die Höhe des Tabakkonsums, für diejenigen, die in der Berichtswoche Alkohol getrunken haben, die Menge des konsumierten Alkohols, und für alle Befragten die Häufigkeit sportlicher Betätigung in linearen Regressionsanalysen untersucht. Jede dieser Analysen wird zweimal durchgeführt. In der ersten Analyse wird der Index des gesundheitsschädigenden Verhaltens im Netzwerk verwendet (Modell 2a). In der zweiten Analyse wird stattdessen die durchschnittliche Trinkhäufigkeit und die durchschnittliche Rauchstärke der Netzwerkpersonen verwendet (Modell 2b).63 Dieses Vorgehen scheint geboten, weil die Reliabilität des Gesamtindexes des Gesundheitsverhaltens der Netzwerkpersonen sehr gering ist (vgl. Abschnitt 4.5). Die Ergebnisse dieser Analysen sind in den Tabellen 5.19 und 5.20 zusammengestellt. Für den Status als Raucher und für die Menge der von den aktuellen Rauchern gerauchten Tabakwaren zeigt sich jeweils ein deutlicher Einfluss des sozialen Netzwerks. Wie die Ergebnisse der Modelle 2b zeigen, ist es der durchschnittliche Tabakkonsum der Netzwerkpersonen, der diesen Effekt erklärt. (Der Alkoholkonsum im Netzwerk hat dagegen keinen Einfluss auf das Rauchverhalten Egos.) Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem ein Vergleich von Modell 1 und Modell 2b zur Erklärung des aktuellen Raucherstatus. Wird der Tabakkonsum im Netzwerk kontrolliert, verschwinden die Effekte des Alters, des Ge- 63 Diese Angaben wurden für bis zu 10 Netzwerkpersonen erhoben (vgl. Frage N14 und N16 im Fragebogen, Anhang B). Die vorgegebenen 5-stufigen Antwortskalen lauten für den Alkoholkonsum „1: nie“ bis „5: sehr oft“; für das Rauchen „1: gar nicht“ bis „5: sehr stark“. 96 schlechts und des sozialen Status. Das Rauchverhalten ist somit zu einem ganz erheblichen Maße von dem Verhalten der sozialen Nahwelt abhängig. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch in den verschiedenen Analysen zum Alkoholkonsum. In den Netzwerken von Abstinenten wird weniger Alkohol getrunken (allerdings mehr geraucht) als in den Netzwerken von Nichtabstinenten. Dabei bleibt der Effekt des Geschlechts und des sozialen Status signifikant. Auch in den Netzwerken derjenigen, die zwar nicht generell abstinent sind, aber in der Berichtswoche keinen Alkohol konsumiert haben, wird weniger getrunken als in den Netzwerken derjenigen, die in der Woche vor dem Interview Alkohol genossen haben. Und in der zuletzt genannten Gruppe zeigen die Analysen einen starken positiven Einfluss des durchschnittlichen Alkoholkonsums der Netzwerkpersonen auf den eigenen Konsum. Ähnlich wie bei der Analyse des Raucherstatus verschwindet der signifikante Effekt des sozialen Status in der Analyse zur konsumierten Alkoholmenge und zur Abstinenz in der Berichtswoche. Tabelle 5.19: Gesundheitsverhalten im Netzwerk und Gesundheitsverhalten Egos logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Raucher Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status GSV im Netzwerk b Alkoholkonsum im Netzwerk Tabakkonsum im Netzwerk Nagelkerke R² bzw. ∆ R² Abstinente M1 M2a M2b M1 M2a M2b –12** –9* –4 ns 4 ns 4 ns 4 ns ns 8* 8* 6 –11** –12** –13** –20*** –19*** –6 ns –22*** –20*** –15** 16*** 0 ns ns –3 –18*** 39*** 8+ ns 6*** 4*** 17*** 11*** 0 4*** nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche b M1 M2a M2b –1 ns –2 ns –3 ns –14*** –13*** –14*** –12** –11** –6 ns –9 + –18*** 3 ns + 6*** 1 3*** a Siehe Anmerkungen in Tabelle 5.6. b GSV: Gesundheitsschädliches Verhalten der Netzwerkpersonen. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. In Hinsicht auf die Häufigkeit sportlicher Betätigung haben die beiden gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen der Netzwerkpersonen unterschiedliche Vorzeichen, der durchschnittliche Alkoholkonsum im Netzwerk hat einen positiven, die durchschnittliche Stärke des Rauchens im Netzwerk einen negativen Effekt. Beide Effekte verschwinden jedoch, wenn die Häufigkeit sportlicher Aktivitäten der Netzwerkpersonen kontrolliert wird. Wie beim Rauchen und beim Alkoholkonsum hat das sportliche Verhalten der Netzwerkpersonen einen starken positiven Einfluss auf die sportlichen Aktivitäten Egos. Der Einfluss des Alters und der des sozialen Status bleiben jedoch bestehen (diese Analyse ist hier nicht wiedergegeben). 97 Tabelle 5.20: Gesundheitsverhalten im Netzwerk und Gesundheitsverhalten Egos lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status GSV im Netzwerk b Alkoholkonsum im Netzwerk Tabakkonsum im Netzwerk R² bzw. ∆ R² Tabakkonsum Alkoholmenge Sport M1 M2a M2b M1 M2a M2b M1 M2a –8 ns –6 ns –2 ns 3 ns 7+ 9* –14*** –15*** 7 ns 7 ns 5 ns 30*** 29*** 30*** –5 ns –5 ns ns –23*** –22*** –19** 11** 11* 6 19*** 19*** 15* 21*** –4 ns ns 6 28*** 25*** 8+ 6*** 2* 7*** 10*** 4*** 8*** 6*** 0 ns M2b –15*** –5 ns 15*** 7+ –8* 1+ a Siehe Anmerkungen in Tabelle 5.7. b GSV: Gesundheitsschädliches Verhalten der Netzwerkpersonen. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Auf der Basis dieser Analysen kann Hypothese 11 im Prinzip als bewährt gelten, sie sollte jedoch dahingehend präzisiert werden, dass ein jeweils spezifisches gesundheitsrelevantes Verhalten (Rauchen, sportliche Betätigung etc.) durch ebensolches Verhalten von Personen der sozialen Nahwelt beeinflusst wird. Dabei ist dieser Einfluss teilweise so stark, dass der Einfluss der sozialen Ungleichheit auf das Gesundheitsverhalten reduziert wird oder sogar ganz verschwindet. Mit anderen Worten, der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheitsverhalten kann zumindest teilweise durch die in einem sozialen Netzwerk verbreiteten Verhaltensweisen erklärt werden. Wenn diese Schlussfolgerung richtig ist, bedeutet dies, dass statushohe Personen nicht deshalb seltener rauchen als statusniedrige, weil sie über mehr Ressourcen verfügen oder die langfristigen Gesundheitsgefahren des Rauchens ernster nehmen, es bedeutet auch nicht, dass statusniedrige Personen Belastungen dadurch begegnen, dass sie ein inadäquates Bewältigungsverhalten in Form von Tabakkonsum an den Tag legen. Vielmehr folgt aus diesem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit zu rauchen mit dem sozialen Status abnimmt, weil die Wahrscheinlichkeit, mit Rauchern zu verkehren, mit dem sozialen Status zurückgeht. Ähnliches gilt für die anderen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen, auch wenn hier der Einfluss des sozialen Status bestehen bleibt.64 64 Sicherlich sind hier methodische Probleme in Bezug auf die Validität der Daten nicht ganz von der Hand zu weisen. So ist bekannt, dass Personen dazu neigen, ihre Netzwerkpersonen als ähnlicher wahrzunehmen als sie es tatsächlich sind (Pappi und G. Wolf 1984). Dieser Einwand trifft vor allem die Bewertung der Stärke des Rauchens oder der Häufigkeit des Alkoholkonsums der Netzwerkpersonen durch Ego. Ob jedoch eine Person raucht oder alkoholabstinent ist, wird einer vertrauten Person auf Dauer nicht verborgen bleiben. Ein anderer Punkt betrifft das Verhalten der Netzwerkpersonen. Dieses wird Ego üblicherweise nicht vollständig bekannt sein, sondern lediglich das in der Gegenwart Egos gezeigte bzw. das von Alter berichtete Verhalten. Dieser Punkt ist jedoch für die Gültigkeit der Hypothese 11 nicht von Bedeutung, wenn expliziert 98 Wie bereits in Abschnitt 4.5 betont wurde, erlauben es die hier präsentierten Daten nicht, zu entscheiden, ob der beobachtete Effekt darauf beruht, dass Personen sich anderen mit ähnlichen Präferenzen und Verhaltensweisen anschließen (Selektionshypothese), oder darauf, dass das Verhalten einer Person durch ihre Kontaktpersonen beeinflusst wird (Sozialisationshypothese). Die Wirkung beider Mechanismen ist plausibel und wurde auch empirisch nachgewiesen. Doch einerlei, wie diese Frage empirisch beantwortet wird, das Ergebnis ist dasselbe: Die Mitglieder eines sozialen Netzwerks weisen nicht nur ähnliche sozialstrukturelle Merkmale auf oder zeichnen sich durch Wertehomophilie aus (Lazarsfeld und Merton 1954; Wolf 1996), sie sind sich auch in Bezug auf ihr Gesundheitsverhalten sehr ähnlich. 5.5 Soziale Ungleichheit, Lebensstile und Gesundheit In diesem Abschnitt wird untersucht, inwieweit sich das Lebensstilkonzept von Gerhard Schulze mit seinen empirischen Realisationen durch alltagsästhetische Schemata und soziale Milieus dazu eignet, den Zusammenhang zwischen den klassischen Merkmalen sozialer Ungleichheit und der Gesundheit bzw. dem Gesundheitsverhalten zu erklären.65 Zunächst soll jedoch untersucht werden, in welchem Zusammenhang die klassischen Dimensionen sozialer Ungleichheit und die Lebensstilmerkmale stehen. Die Hypothesen 12 und 14 beziehen sich auf den Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und dem Hochkultur- bzw. dem Trivialschema. Dabei wurde vermutet, dass die Nähe zum Hochkulturschema mit steigendem Status zunimmt, während die Nähe zum Trivialschema abnimmt. Zum Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und dem Spannungsschema wurde keine Hypothese formuliert. Wie Tabelle 5.21 zeigt, werden beide Hypothesen deutlich bestätigt. Tabelle 5.21: Korrelationen der Ungleichheitsmaße mit den alltagsästhetischen Schemata unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Hochkulturschema Bildung 0,56*** Prestige des Einordnungsberufs 0,47*** Äquivalenzeinkommen 0,36*** Sozialer Status 0,56*** Trivialschema –0,38*** –0,37*** –0,35*** –0,44*** Spannungsschema 0,10** 0,06 ns 0,12** 0,11** ns: nicht signifikant, **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. wird, dass nur das von Ego wahrgenommene aktuelle oder berichtete Verhalten Alters sein Verhalten beeinflusst. 65 Zur Operationalisierung der Lebensstilmerkmale vergleiche Abschnitt 4.4. 99 Von den drei alltagsästhetischen Schemata Schulzes ist das Hochkulturschema am engsten, das Spannungsschema am schwächsten mit den klassischen Indikatoren der sozialen Ungleichheit verknüpft. Dabei weisen die Korrelationen der Bildung, des Berufsprestiges und des Einkommens mit den drei Schemata jeweils in etwa die gleiche Größenordnung auf - einzige Ausnahme ist die im Verhältnis zu den beiden anderen Merkmalen etwas geringere Korrelation des Einkommens mit dem Hochkulturschema. Folglich ist es auch nicht verwunderlich, dass der Index des sozialen Status jeweils ähnlich hoch wie die Einzeldimensionen der Ungleichheit mit den drei Schemata korreliert. Hypothese 18 bezieht sich auf den sozialen Status der Milieus, die auf der Grundlage der Schemata gebildet wurden. Der Hypothese zufolge sollten die Angehörigen des Niveau- und des Selbstverwirklichungsmilieus den höchsten, die Angehörigen des Integrations- und des Unterhaltungsmilieus einen mittleren und die Angehörigen des Harmoniemilieus den geringsten sozialen Status aufweisen. Wie Abbildung 5.7 zeigt, trifft diese Erwartung weitgehend zu, muss jedoch geringfügig korrigiert werden. Selbstverwirklichungs- und Niveaumilieu stehen in Bezug auf die klassischen Ungleichheitsdimensionen tatsächlich an der Spitze der Milieus, und zwischen ihnen gibt es in Bezug auf diese Merkmale keine Unterschiede.66 Es folgt das Integrationsmilieu, dessen Angehörige wie erwartet ziemlich genau dem Durchschnitt der Population entsprechen. Damit bestätigt sich die schon in Abschnitt 2.3 zitierte Charakterisierung dieses Milieus auch im Hinblick auf die Ungleichheitsdimensionen: „Das Besondere an diesem Milieu ist seine Durchschnittlichkeit“, seine „gediegene Mittellage“ (Schulze 1992: 301). Das Unterhaltungsmilieu, von dem erwartet wurde, dass es einen in etwa vergleichbaren sozialen Status aufweist wie das Integrationsmilieu, ist mit diesem jedoch nur in Bezug auf das Einkommen vergleichbar. Die Bildung und das Berufsprestige in diesem Milieu liegen dagegen deutlich unterhalb der entsprechenden Werte im Integrationsmilieu. Das Milieu mit dem niedrigsten sozialen Status ist erwartungsgemäß das Harmoniemilieu. Nach ihrem sozialen Status lassen sich die fünf sozialen Milieus also vier Gruppen zuordnen: Niveau- und Selbstverwirklichungsmilieu, Integrationsmilieu, Unterhaltungsmilieu, Harmoniemilieu. 66 Da es sich bei den Angehörigen des Selbstverwirklichungsmilieus um Jüngere handelt, die erst am Anfang ihrer beruflichen Karriere stehen, mag verwundern, dass sie nicht nur über eine ähnlich hohe bzw. höhere Bildung verfügen wie die Angehörigen des Niveaumilieus, sondern auch über ein entsprechend hohes Berufsprestige und Einkommen. Verantwortlich für dieses Ergebnis ist die Einschränkung der Grundgesamtheit auf Personen, die das 30. Lebensjahr abgeschlossen haben. Werden alle Erwachsenen in eine solche Milieutypologie einbezogen, liegt der soziale Status des Selbstverwirklichungsmilieus etwas unterhalb des Niveaumilieus (vgl. Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002: 137). 100 Abbildung 5.7: Die Verteilung der klassischen Ungleichheitsmerkmale über die fünf sozialen Milieus unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Selbstverwirklichungsm. Niveaumilieu Integrationsmilieu Bildung Unterhaltungsmilieu Berufsprestige Einkommen Harmoniemilieu Sozialer Status -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 Abweichungen vom Mittelwert in Prozent Wie in Kapitel 2 vermutet wurde, ist die Alltagsästhetik und die Milieuzugehörigkeit als ein Ausdruck des Lebensstils nicht unabhängig von den klassischen Merkmalen sozialer Ungleichheit. Gleichzeitig wird die Nähe oder Distanz zu den Schemata aber auch nicht vollständig durch den sozialen Status bestimmt. Vielmehr bestehen im Bereich der Alltagsästhetik neue bzw. weitere Differenzierungsmöglichkeiten, die auch genutzt werden. Daher ist es eine empirische Frage, ob diese Differenzierung der verschiedenen Lebensstile, über die Unterschiede in den klassischen Dimensionen sozialer Ungleichheit hinaus, zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens und der Gesundheit beitragen. 5.5.1 Lebensstile und Gesundheitsverhalten In Abschnitt 2.3 wurde vermutet, dass mit zunehmender Nähe zum Hochkulturschema seltener, mit zunehmender Nähe zum Trivialschema dagegen häufiger gesundheitsschädigendes Verhalten beobachtet werden kann (H13a bzw. H15a). Für den Zusammenhang zwischen dem Spannungsschema und dem Gesundheitsverhalten wurden zwei unterschiedliche Hypothesen formuliert. Zum einen sollte mit zunehmender Nähe zu diesem Schema die Häufigkeit des Sporttreibens zunehmen, zum anderen sollte aber auch der Tabak- und Alkoholkonsum ansteigen (H16 und H17). Die Ergebnisse der entsprechenden Analysen sind in den Tabellen 5.22 und 5.23 zusammengestellt. Die Hypothese für das Hochkulturschema wird in Bezug auf das Rauchen und Sporttreiben bestätigt. Raucher weisen eine größere Distanz zu diesem Schema auf als Nichtraucher, und unter den Rauchern steigt der Tabakkonsum mit der Distanz zu diesem Schema an. Umgekehrt ist es bei der Ausübung sportlicher Aktivitäten, deren Häufigkeit mit der Nähe zum 101 Hochkulturschema zunimmt. Damit kann Hypothese 13a zumindest für das Rauchen und die sportliche Betätigung als bewährt gelten. Dagegen findet sich kein Effekt dieses Schemas auf die Häufigkeit oder die Menge des Alkoholkonsums. Tabelle 5.22: Alltagsästhetische Schemata und Gesundheitsverhalten, logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Raucher M1 Alter –12** Geschlecht (männlich = 1) 8* Sozialer Status –20*** Hochkulturschema Trivialschema Spannungsschema Nagelkerke R² bzw. ∆ R² 6*** M2 –4 ns 4 ns –17*** –11* –8 ns 8+ 2+ Abstinente M1 4 ns –11** –22*** 11*** M2 –2 ns –12** –17** –3 ns 2 ns –13* 2* nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche b M1 M2 ns –1 –8 ns –14*** –12** –12** –13* 7 ns 6 ns –10 + 6*** 1 ns a Siehe Anmerkungen in Tabelle 5.6. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Die Hypothese zum Trivialschema wird nur in Hinblick auf die sportlichen Aktivitäten bestätigt, und auch dort ist der entsprechende Effekt sehr klein. Ansonsten variiert das Gesundheitsverhalten nicht mit der Nähe oder Distanz zu diesem Schema. Hypothese 15a muss also im Wesentlichen als falsifiziert gelten. Tabelle 5.23: Alltagsästhetische Schemata und Gesundheitsverhalten lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Hochkulturschema Trivialschema Spannungsschema R² bzw. ∆ R² Tabakkonsum M1 M2 ns –8 –1 ns ns 7 1 ns –23*** –8 ns –28*** –3 ns 6 ns 6*** 4** Alkoholmenge M1 M2 ns 3 5 ns 30*** 29*** 11** 9 ns 1 ns –4 ns 1 ns 10*** 0 ns Sport M1 –14*** –5 ns 19*** 6*** M2 –6 ns –4 ns 9* 10* –8 + 20*** 5*** a Siehe Anmerkungen in Tabelle 5.6. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Mit der Nähe zum Spannungsschema nimmt die Häufigkeit, mit der Sport getrieben wird, deutlich zu. Außerdem steigert eine größere Nähe zum Spannungsschema die Wahrscheinlichkeit zu rauchen – dieser Effekt ist jedoch sehr klein. Gleichzeitig senkt die Nähe zu 102 diesem Schema die Wahrscheinlichkeit, vollkommen alkoholabstinent zu sein oder in der Berichtswoche keinen Alkohol getrunken zu haben. Unter denjenigen, die rauchen, bzw. denjenigen, die in der Berichtswoche Alkohol getrunken haben, ist die Nähe zum Spannungsschema nicht mit der Menge der konsumierten Tabakwaren bzw. der konsumierten Alkoholmenge assoziiert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Personen, die auf ‚Action stehen’, häufiger Sport treiben, häufiger Alkohol trinken und mit einer größeren Wahrscheinlichkeit rauchen als andere, jedoch nicht mehr rauchen bzw. trinken. Hypothese 16 kann somit als vollständig bewährt gelten; Hypothese 17 nur mit Einschränkungen. Eine letzte interessante Beobachtung zu den Ergebnissen dieser Analysen betrifft die Veränderung im Effekt des sozialen Status auf das Gesundheitsverhalten, wenn die alltagsästhetischen Schemata kontrolliert werden. In fünf der sechs Analysen wird dieser Effekt kleiner, teilweise sogar deutlich kleiner. Dies gilt vor allem für die Menge der konsumierten Tabakwaren und für die Häufigkeit des Sporttreibens. Bei gegebener Stilisierung des Alltagslebens reduziert sich der Einfluss der sozialen Ungleichheit auf diese Verhaltensweisen stark. Bleibt die Frage, ob diese Feststellung auch für die Milieuzugehörigkeit zutrifft. Um dies beurteilen zu können, wird zunächst in bivariaten Analysen das Gesundheitsverhalten der Milieus untersucht. Abbildung 5.8 gibt die Verteilung des Tabakkonsums nach der Milieuzugehörigkeit wieder, entsprechende Abbildungen für den Alkoholkonsum und die sportlichen Aktivitäten finden sich in den Abbildungen A1.2 und A1.3 in Anhang A. Abbildung 5.8: Milieuzugehörigkeit und Rauchverhalten (N = 693; CV = 0,11; p ≤ 0,05) Niveaumilieu Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsm. Unterhaltungsmilieu 0% 20% 40% Nichtraucher 11-20 Zigaretten 60% 80% 100% 1-10 Zigaretten 21 u.m. Zigaretten Für das Rauchverhalten zeigen sich nur wenige Unterschiede zwischen den fünf Gruppen. Die Verteilung des Niveau- und des Integrationsmilieus auf die vier Gruppen des Tabakkonsums sind nahezu identisch. In beiden Gruppen sind über 40% der Personen Nichtraucher und 103 weniger als 16% rauchen mehr als 20 Zigaretten täglich. Sozialstrukturell ist diesen beiden Milieus gemeinsam, dass es sich um ältere Personen mit mittlerer bis hoher Bildung handelt. Auch das Rauchverhalten im Harmonie- und Unterhaltungsmilieu sind sich ähnlich. Über ein Viertel der Angehörigen dieser Milieus zählt mit einem Konsum von über 20 Zigaretten täglich zu den starken Rauchern. Allerdings ist der Anteil der Nichtraucher im Harmoniemilieu um 7 Prozentpunkte höher als im Unterhaltungsmilieu (35% zu 28%). Das Selbstverwirklichungsmilieu nimmt eine Zwischenstellung ein. Zum einen entspricht die Nichtraucherrate in dieser Gruppe etwa dem Durchschnitt und ist vergleichbar mit der im Harmoniemilieu. Zum anderen weist dieses Milieu den geringsten Anteil starker Raucher auf und ist insofern mit dem Niveau- und Integrationsmilieu vergleichbar. Insgesamt ist der bivariate Zusammenhang zwischen der Milieuzugehörigkeit und dem Rauchverhalten eher gering. Beim Alkoholkonsum zeigen sich ebenfalls nur geringe Differenzen zwischen den Milieus (vgl. Abbildung A1.2 in Anhang A). Hier weisen die beiden in sozialstruktureller Hinsicht am weitesten entfernten Milieus, nämlich das ältere, gutgebildete Niveaumilieu und das jüngere, weniger gutgebildete Unterhaltungsmilieu, dasselbe Muster auf. In beiden Milieus liegt der Anteil der Abstinenten bei etwa 10%, der Anteil derjenigen, die nur geringe Mengen Alkohol konsumieren, bei etwa zwei Drittel, der Anteil der mäßigen Alkoholkonsumenten bei einem Fünftel und der Anteil der starken Trinker bei etwa 4%. Das Harmoniemilieu unterscheidet sich von dieser Verteilung vor allem durch den deutlich höheren Anteil der Abstinenten (23%) und einen entsprechend geringeren Anteil mit geringem Alkoholkonsum. Im Selbstverwirklichungsmilieu ist es umgekehrt: hier findet sich der niedrigste Anteil von Abstinenten (5%) und dafür ein etwas höherer Anteil mit mäßigem Alkoholkonsum (23%). Das Integrationsmilieu schließlich zeichnet sich durch einen überdurchschnittlichen Anteil von Konsumenten geringer Alkoholmengen und durch das Fehlen starken Alkoholkonsums aus. Das Gesundheitsverhalten, welches am stärksten zwischen den sozialen Milieus variiert, ist die Ausübung sportlicher Tätigkeiten (vgl. Abbildung A1.3 in Anhang A). Deutlich am meisten Sport üben die Angehörigen des Selbstverwirklichungsmilieus aus. 73% dieser Gruppe tun dies mindestens einmal in der Woche und nur 5% üben keinen Sport aus. Es folgen, mit einigem Abstand, das Niveau- und das Integrationsmilieu. In diesen beiden Milieus übt immerhin noch jede zweite Person mindestens einmal in der Woche eine sportliche Aktivität aus, aber immerhin jede Fünfte tut es nie. Danach folgen das Unterhaltungs- und mit einem weiteren Abstand das Harmoniemilieu. Im zuletzt genannten Milieu üben etwa ein Drittel nie eine sportliche Aktivität aus und ein Drittel mindestens einmal wöchentlich. 104 Im nächsten Analyseschritt wird der Effekt der Milieuzugehörigkeit auf das Gesundheitsverhalten unter Kontrolle des Alters, des Geschlechts und des sozialen Status geschätzt. Diese Analysen sind in den Tabellen A1.13 und A1.14 in Anhang A wiedergegeben. Tabelle 5.24 enthält die relativen Chancen (odds ratios) für die Angehörigen der verschiedenen Milieus zu rauchen, abstinent zu sein, in der Berichtswoche keinen Alkohol getrunken zu haben und mindestens einmal pro Woche sportliche Aktivitäten auszuüben. Als Referenzkategorie dienen in diesen Analysen die Angehörigen des Niveaumilieus. Wie die bivariaten Analysen schon vermuten ließen, finden sich nur wenige signifikante Unterschiede zwischen den Lebensstilgruppen. Immerhin zeigt sich, dass im Verhältnis zum Niveaumilieu im Unterhaltungsmilieu häufiger geraucht, im Integrationsmilieu seltener Alkohol getrunken und im Selbstverwirklichungsmilieu häufiger Sport ausgeübt wird. Tabelle 5.24: Odds Ratios für das Gesundheitsverhalten in den sozialen Milieus nach Kontrolle des Alters, des Geschlechts und des sozialen Status Raucher Niveaumilieu (Referenzkat.) Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsmilieu Unterhaltungsmilieu 1,00 0,78 ns 1,21 ns 1,21 ns 1,75* Abstinente 1,00 0,74 ns 1,25 ns 0,54 ns 0,83 ns nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche 1,00 2,05* 0,82 ns 0,85 ns 1,08 ns mindestens einmal pro Woche Sport 1,00 1,06 ns 0,73 ns 2,37*** 0,81 ns ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; ***: p ≤ 0,001. Die im Anhang dokumentierten zweistufigen Analysen zum Zusammenhang zwischen der Milieuzugehörigkeit und dem Gesundheitsverhalten bestätigen noch einmal, dass vor allem die Ausübung sportlicher Aktivitäten durch die Milieuzugehörigkeit beeinflusst wird und sich durch die Berücksichtigung dieser Variable der Einfluss des sozialen Status auf die Sporthäufigkeit nahezu halbiert (von 0,19 auf 0,10). Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich für das Rauchen und den Tabakkonsum, auch wenn der Rückgang im Effekt des sozialen Status in diesen Analysen nicht so groß ist wie beim Sport. Wenn das Alter, das Geschlecht und der soziale Status kontrolliert werden, hat die Milieuzugehörigkeit keinen Einfluss auf die Alkoholabstinenz und den Alkoholkonsum. Abschließend soll Hypothese 19a beurteilt werden. In dieser Hypothese wurde vermutet, dass in den beiden Milieus – Niveau- und Selbstverwirklichungsmilieu – mit dem höchsten sozialen Status und der größten Nähe zum Hochkulturschema bei gleichzeitiger Distanz zum Trivialschema insgesamt am wenigsten gesundheitsschädigende Verhaltensweisen ausgeübt werden. Im Gegensatz dazu sollten im Harmoniemilieu, dem Milieu mit dem niedrigsten 105 sozialen Status, einer großen Nähe zum Trivialschema und einer Distanz zu den anderen beiden Schemata, die meisten gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen beobachtet werden. Integrations- und Unterhaltungsmilieu sollten eine mittlere Position einnehmen. Wie Abbildung 5.9 zeigt, bestätigen sich diese Erwartungen nur für das durchschnittlich sehr seltene gesundheitsschädigende Verhalten im Selbstverwirklichungsmilieu und das durchschnittlich sehr häufige gesundheitsschädigende Verhalten im Harmoniemilieu. Anders als erwartet üben die Mitglieder des Unterhaltungsmilieus nahezu ebenso viele gesundheitsschädigende Verhaltensweisen auf wie die des Harmoniemilieus. Auch im Niveaumilieu werden mehr gesundheitsschädigende Verhaltensweisen ausgeübt als erwartet, so dass dieses Milieu in der Rangfolge eine mittlere Position einnimmt. Das Integrationsmilieu schließlich ist durch ein sehr geringeres Maß an gesundheitsschädlichem Verhalten gekennzeichnet und teilt sich den unteren Rang mit dem Selbstverwirklichungsmilieu. Trotz dieser Abweichungen von Hypothese 19a kann festgehalten werden, dass die Anzahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen auch bei Konstanthaltung des sozialen Status signifikant mit der Milieuzugehörigkeit variiert. Abbildung 5.9: Milieuzugehörigkeit und gesundheitsschädigendes Verhalten unter Kontrolle des Alters, des Geschlechts und des sozialen Status Harmoniemilieu Unterhaltungsmilieu Niveaumilieu Integrationsmilieu Selbstverwirklichungsm. 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 Anzahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen 5.5.2 Lebensstile und Gesundheit In diesem Abschnitt werden die Hypothesen 13b, 15b und 19b überprüft, die einen Zusammenhang zwischen den alltagsästhetischen Schemata bzw. den sozialen Milieus und der Gesundheit vorhersagen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen, keine dieser Hypothesen kann empirisch bestätigt werden. So wurde ein positiver Effekt des Hochkulturschemas sowie ein negativer Effekt des Trivialschemas auf die Gesundheit erwartet. Wie Tabelle 5.25 zeigt, sind 106 beide Hypothesen falsch.67 Stattdessen ergeben die Analysen einen signifikanten Effekt des Spannungsschemas auf die körperliche Gesundheit und den Beschwerdeindex. Die in diesem Merkmal erfasste Neigung zur Aktivität, die – wie im letzten Abschnitt dargestellt – einen positiven Einfluss auf die Häufigkeit sportlicher Betätigung hat, schlägt sich also auch auf die physische Gesundheit nieder. Dieses Ergebnis kann auch dahingehend interpretiert werden, dass für diese Dimension der Gesundheit nicht nur das biologische Alter, sondern ebenso das subjektive Altersgefühl von Bedeutung ist. Denn eine Nähe zum Spannungsschema drückt Dynamik, „Power“, „Action“ – kurz „Jugendlichkeit“ – aus, wobei es weniger um eine Abgrenzung von „jung“ und „alt“ als vielmehr um den Gegensatz von Individualisten und Angepassten geht (Schulze 1992: 153ff). Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass das subjektive Alter seinerseits vom Ausmaß der körperlichen Gesundheit beeinflusst wird, eine Hypothese, die an den verfügbaren Querschnittsdaten nicht untersucht werden kann. Tabelle 5.25: Alltagästhetische Schemata und Gesundheit, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich=1) Sozialer Status Hochkulturschema Trivialschema Spannungsschema R² bzw. ∆ R² SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2 M1 M2 –18*** –10* 13*** 10* 10** 8* 4 ns 5 ns 13*** 12** 9* 7 ns –4 ns 3 ns ns 4 –3 ns 13** –6 ns 7*** 1* 2*** 0 ns Beschwerden M1 10** –14*** –28*** 12*** M2 6 ns –14*** –25*** –3 ns 1 ns –8 + 0 ns a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Zwischen den sozialen Milieus und der Gesundheit lassen sich in bivariaten Analysen zwar Zusammenhänge erkennen, diese verschwinden jedoch vollständig, wenn die unterschiedliche demographische Zusammensetzung der Milieus berücksichtigt wird (vgl. Tabelle A1.15 in Anhang A). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Lebensstilmerkmale einen Beitrag zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens leisten, insbesondere für die Erklärung des Rauchens 67 Für die bivariaten Korrelationen zwischen den Schemata und den drei Gesundheitsindikatoren ergibt sich zumindest zwischen dem Trivialschema und der körperlichen Gesundheit (r = –0,16), dem Trivialschema und dem Beschwerdeindex (r = 0,20) sowie zwischen dem Hochkulturschema und dem Beschwerdeindex (r = -0,15) ein Wert, der mit den Hypothesen H13b und H15b übereinstimmt. Diese Effekte werden jedoch durch die Kontrolle des Alters, des Geschlechts und des sozialen Status vollständig absorbiert. 107 und der sportlichen Betätigung. Dagegen haben diese Merkmale, mit Ausnahme des Spannungsschemas, keine eigenständigen Effekte auf die Gesundheit. 5.6 Gesundheitsverhalten und Gesundheit Die letzte zu überprüfende Hypothese bezieht sich auf den Einfluss des Gesundheitsverhaltens auf die Gesundheit. Dabei wurde von einem negativen Zusammenhang zwischen der Anzahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen und der Gesundheit ausgegangen (H20). Zieht man zur Beurteilung dieser Hypothese den kumulierten Index der gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen heran, ergeben sich die in Abbildung 5.10 dargestellten Ergebnisse. Danach bewährt sich die Hypothese in Bezug auf den Beschwerdeindex voll, in Bezug auf die psychische Gesundheit tendenziell und in Bezug auf die körperliche Gesundheit überhaupt nicht. In der hier betrachteten Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen verstärkt das gesundheitsschädliche Verhalten demnach vor allem die Beschwerden und vermindert die psychische Gesundheit geringfügig. Ein Einfluss auf die körperliche Gesundheit kann dagegen nicht nachgewiesen werden. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass ein solcher Einfluss bei Beibehaltung des entsprechenden Verhaltens in der Zukunft auftreten wird. Abbildung 5.10: Gesundheit in Abhängigkeit der Anzahl gesundheitsschädigender Verhaltensweisen unter Kontrolle des Alters, des Geschlechts und des sozialen Status keine körperliche Gesundheit psychische Gesundheit Beschwerden eine zwei drei -10 0 10 20 30 40 50 60 Abweichungen vom Mittelwert in Prozent Werden statt des kumulierten Index des gesundheitsschädlichen Verhaltens die verschiedenen Verhaltensweisen einzeln analysiert, gelangt man zu differenzierteren Aussagen (vgl. Tabelle 5.26). Ein erster Vergleich der Modelle ohne und mit den Merkmalen des Gesundheitsverhaltens, zeigt für alle drei Dimensionen der Gesundheit eine signifikante Zunahme der erklärten 108 Varianz. Das heißt auch die körperliche Gesundheit steht in einem Zusammenhang mit dem Gesundheitsverhalten. Von den als besonders gesundheitsschädlich angesehenen Verhaltensweisen, die auch in den kumulierten Index des gesundheitsschädigenden Verhaltens aufgenommen wurden, hat der starke Alkoholkonsum keinen Effekt auf die Gesundheit. Der Konsum von über 20 Zigaretten täglich hat einen Effekt auf die psychische Gesundheit und die Beschwerden und das Fehlen jeder sportlichen Aktivität hat einen Einfluss auf die körperliche Gesundheit und die Beschwerden. Diejenigen, die mäßig oder stark trinken, haben eine schlechtere psychische Gesundheit als Personen, die nur geringe Mengen Alkohol konsumieren. Allerdings wird dieser Effekt nur im Fall der mäßigen Trinker signifikant. Tabelle 5.26: Gesundheitsverhalten und Gesundheit, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich=1) Sozialer Status Rauchen Nichtraucher (Ref.) 1-10 Zigaretten täglich b 11-20 Zigaretten täglich b 21 und mehr Zigaretten b Alkoholkonsum Alkoholabstinenz Geringer Alkoholkonsum (Ref.) Mäßiger Alkoholkonsum Starker Alkoholkonsum Sportliche Aktivität Täglich (Ref.) Mindestens einmal in der Woche Seltener Nie R² bzw. ∆ R² SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2 M1 M2 –18*** –15*** 13*** 12** 10** 9* 4 ns 5 ns 13*** 10* 9* 6 ns 0 ns 4 ns 5 ns Beschwerden M1 M2 10** 10** –14*** –15*** –28*** –22*** –7 + –8 + –13*** 2 13*** 8* –10** –12** 11** 2 ns –2 ns –7 + –3 ns 5 ns 2 ns –3 ns –6 ns –16** 7*** 3** 2*** –6 ns 0 ns –2 ns 4*** 12*** 3 ns 10 + 11* 4*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. b Nur jetzige Raucher, ehemalige Raucher zählen zu den Nichtrauchern. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Die einzige Verhaltensweise, die einen signifikanten Effekt auf alle drei Gesundheitsindikatoren hat, ist die Alkoholabstinenz. Abstinente zeichnen sich durch eine schlechtere Gesundheit als die Konsumenten geringer Mengen Alkohols aus. Dieses Ergebnis darf sicherlich nicht im 109 Sinne einer gesundheitsfördernden Wirkung des Alkohols interpretiert werden. Vielmehr wird die Abstinenz ihrerseits häufig gesundheitliche Ursachen haben. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Raucher haben eine schlechtere psychische Gesundheit als Nichtraucher und bei einem Konsum von mehr als zehn Zigaretten täglich erhöhen sich auch die Anzahl und Stärke der Beschwerden. Auf die körperliche Gesundheit hat das Rauchen dagegen keinen unmittelbaren Einfluss. Alkoholabstinenz ist mit einer schlechteren Gesundheit korreliert, wobei eher von einem Effekt der Gesundheit auf die Abstinenz ausgegangen werden muss. Das Fehlen jeglicher sportlicher Aktivität reduziert die körperliche Gesundheit und verstärkt die Beschwerden. Zwar kann auch in Bezug auf dieses Ergebnis prinzipiell von dem umgekehrten Kausalzusammenhang ausgegangen werden, zu bedenken wäre jedoch in diesem Fall, dass es kaum physische Einschränkungen gibt, die nicht irgendeine Form von Sport erlauben würden bzw. bei denen nicht spezifische Bewegungsarten die körperliche Gesundheit erhalten. 110 6. Zusammenfassung und Integration der Einzelbefunde In diesem Kapitel werden zunächst die Ergebnisse der bisherigen empirischen Analysen kurz zusammengefasst. Anschließend wird untersucht, wie die im letzten Kapitel jeweils einzeln überprüften Hypothesen in Konkurrenz zueinander abschneiden. Dazu werden für das Gesundheitsverhalten bzw. die Gesundheit Modelle berechnet, in die alle unabhängigen Variablen einfließen. 6.1 Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse Die im letzten Kapitel präsentierten Ergebnisse sind, soweit sie die Hypothesen betreffen, in drei Tabellen zusammengestellt worden. Tabelle 6.1 enthält die Hypothesen zum Einfluss der sozialen Ungleichheit auf die in dieser Studie einbezogenen intervenierenden Variablen. Fünf dieser sieben Hypothesen haben sich ohne Einschränkungen bewährt. Dieses Ergebnis ist nicht überraschend, da alle diese Hypothesen schon in anderen, die meisten in zahlreichen Studien überprüft wurden. Dass sich die meisten Hypothesen auch in der vorliegenden Untersuchung bewähren, ist dennoch von Bedeutung. Wäre dies nicht der Fall, müsste an der Validität der Studie gezweifelt werden. Zwei der sieben Hypothesen lassen sich in der vorliegenden Form allerdings nicht halten, dies sind H1 und H18. Der in der ersten dieser Hypothesen vermutete Rückgang der Arbeitsbelastungen mit dem Berufsprestige kann nur für den Teilaspekt der körperlichen Belastung festgestellt werden. Für die beiden mit der Arbeitszeit in Verbindung stehenden Teildimensionen sowie für die gesamte Belastung zeigen sich die stärksten Belastungen am unteren und oberen Ende der Prestigeskala, also ein U-förmiger Zusammenhang; und der Zeitdruck nimmt sogar kontinuierlich mit dem Prestige der Berufe zu. Die psycho-soziale Belastung durch die Erwerbsarbeit, der Aspekt, der für die Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist, ist nicht mit dem Berufsprestige korreliert. Wenn von einem monotonen Zusammenhang zwischen Belastungen und Gesundheit ausgegangen wird, folgt aus diesen Ergebnissen, dass die Belastungen durch die Erwerbsarbeit zwar einen Einfluss auf die Gesundheit haben können – dazu weiter unten mehr –, dass diese Merkmale jedoch – mit Ausnahme der Dimension der körperlichen Belastung – aus analytischen Gründen nicht geeignet sind, den Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und der Gesundheit zu erklären.68 68 Prinzipiell könnte auch der Zeitdruck, der positiv mit dem Prestige korreliert ist, den positiven Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit ‚erklären’. Dazu müsste allerdings angenommen wer- 111 Im Gegensatz dazu führt die Falsifikation von Hypothese 18, in der eine spezifische Rangfolge der sozialen Milieus nach ihrem sozialen Status behauptet wurde, nicht automatisch zum Ausscheiden der Milieuzugehörigkeit als mögliche intervenierende Variable, die zwischen der sozialen Ungleichheit und der Gesundheit vermittelt. Denn zwischen den klassischen Merkmalen sozialer Ungleichheit und der Milieuzugehörigkeit besteht ein enger Zusammenhang (vgl. Abschnitt 5.5). Tabelle 6.1: Übersicht der Hypothesen zum Zusammenhang sozialer Ungleichheit und der intervenierenden Variablen Hypothese H1 Je höher ein Beruf in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe angesiedelt ist, desto geringer ist die Belastung durch die Erwerbsarbeit Beurteilung gilt für körperliche Belastung insgesamt ein U-förmiger Zusammenhang H4 Je höher das Einkommen, desto geringer sind die Belastungen durch Haus- und Familienarbeit bewährt H6 Je höher die soziale Position einer Person ist, desto größer das soziale Kapital, auf das sie zurückgreifen kann bewährt H9 Je höher der soziale Status, desto geringer die Geschlos- bewährt senheit der sozialen Netzwerke H12 Je höher der soziale Status, desto größer die Nähe zum Hochkulturschema bewährt H14 Je höher der soziale Status, desto größer die Distanz zum bewährt Trivialschema H18 Niveau- und Selbstverwirklichungsmilieu weisen von allen Milieus den höchsten sozialen Status auf, es folgen das Integrations- und das Unterhaltungsmilieu und das Harmoniemilieu ist durch den niedrigsten sozialen Status gekennzeichnet in dieser Form falsifiziert; aber es besteht ein starker Zusammenhang zwischen der Milieuzugehörigkeit und der sozialen Ungleichheit In Hinblick auf die Hypothesen zum Gesundheitsverhalten fällt die Bilanz weniger befriedigend aus (siehe Tabelle 6.2). Zudem ist auffällig, dass die Überprüfung der Hypothesen in den meisten Fällen kein eindeutiges Ergebnis bringt. Vielmehr hängt der Wahrheitsgehalt der Hypothesen häufig von dem jeweils betrachteten Gesundheitsverhalten ab. Eindeutig widerlegt wurde die Vermutung, dass die Belastungen durch die Hausarbeit sich in häufigerem gesundheitsschädigendem Verhalten niederschlägt, dies gilt auch, wenn nur die Gruppe der Frauen untersucht wird. Menschen, die dieser Form der Belastung besonders stark ausgesetzt sind, und dies sind vor allem Frauen, reagieren auf diese Belastungen demnach den, dass Zeitdruck einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat; eine Annahme, die keinen Sinn macht und sich empirisch auch als falsch erweist (vgl. Abschnitt 5.2.3). 112 nicht durch die hier untersuchten gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen.69 Denkbar wäre jedoch, dass hier andere, die Gesundheit schädigende Verhaltensweisen ausgeübt werden, z.B. Medikamentenmissbrauch (vgl. Verbundprojekt – Frauengesundheit in Deutschland 2001: 221ff.). Mehr falsifizierende als bestätigende Ergebnisse zeigten sich auch für die Hypothesen, in denen entweder ein direkter Einfluss der Arbeitsbelastungen auf das Gesundheitsverhalten oder zumindest ein Einfluss der Belastungen in Kombination mit einem niedrigen Berufsprestige vermutet wurde (H2a und H3a). Die wenigen Ergebnisse in diesem Zusammenhang, die diese Hypothesen bestätigen, sind in Tabelle 6.2 aufgeführt. Bewährt hat sich Hypothese 11, in der ein Einfluss des Gesundheitsverhaltens der Netzwerkpersonen auf das eigene gesundheitsrelevante Verhalten vermutet wurde. Allerdings muss die Hypothese dahingehend präzisiert werden, dass ein spezifisches Verhalten Egos durch eben dieses Verhalten seiner Alteri beeinflusst wird. Von den vier Hypothesen über den Zusammenhang der alltagsästhetischen Schemata und dem Gesundheitsverhalten wurden drei eher bestätigt während eine eher falsifiziert wurde. Immerhin zeigen die Ergebnisse in Abschnitt 5.5.1, dass alle drei Schemata die Häufigkeit sportlicher Aktivität beeinflussen. Des Weiteren bestätigten die Analysen den erwarteten negativen Effekt des Hochkulturschemas auf das Rauchen und zwar sowohl für die Wahrscheinlichkeit zu rauchen als auch für den Tabakkonsum. Schließlich ergab die Überprüfung der Hypothese 17 zwar keinen Einfluss des Spannungsschemas auf die Menge der von Rauchern gerauchten Tabakwaren und auch keinen Einfluss auf die Menge des konsumierten Alkohols, aber einen deutlichen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit überhaupt zu rauchen bzw. Alkohol zu trinken. Eine letzte Hypothese betraf das Ausmaß des gesundheitsschädigenden Verhaltens in den sozialen Milieus (H19a). In der ursprünglichen Form kann diese Hypothese nicht aufrechterhalten werden. Die Analysen zeigten jedoch, dass sich die Angehörigen der verschiedenen Milieus nicht nur in Bezug auf ihr Freizeitverhalten, ihre Musikpräferenzen und ihr Interesse für bestimmte Fernsehsendungen, also der Alltagsästhetik, unterscheiden, sondern ebenso unterschiedliche gesundheitsrelevante Verhaltensweisen an den Tag legen. Insgesamt zeigen die Analysen, dass von den hier untersuchten Merkmalen das Verhalten der Netzwerkpersonen den größten Einfluss auf das Gesundheitsverhalten hat. An zweiter Stelle stehen die Lebensstilmerkmale, deren Einfluss sich zwar eher auf das Rauchen und die Ausübung sportlicher Aktivitäten bezieht, in Bezug auf diese Merkmale sind die Effekte 69 Wie die Analysen zur Gesundheit jedoch zeigen, haben Belastungen durch die Hausarbeit einen starken negativen Effekt auf alle untersuchten Aspekte der Gesundheit (vgl. weiter unten). Diese Effekte werden jedoch nicht durch die hier betrachteten gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen ausgelöst. 113 jedoch konsistent. Den geringsten Einfluss auf das Gesundheitsverhalten haben nach den vorliegenden Analysen die Belastungen, einerlei, ob es sich um Belastungen durch die Erwerbs- oder Hausarbeit handelt. Tabelle 6.2: Übersicht der Hypothesen zum gesundheitsschädigenden Verhalten Hypothese H2a Je höher die beruflichen Belastungen sind, desto eher tritt gesundheitsschädigendes Verhalten auf Beurteilung eher falsifiziert; die Gesamtbelastung und die körperliche Belastung haben jedoch einen Effekt auf die Häufigkeit sportlicher Aktivität H3a Je niedriger ein Beruf in der gesellschaftlichen Hierarchie der Berufe angesiedelt ist und je höher die Belastungen in diesem Beruf sind, desto eher tritt gesundheitsschädigendes Verhalten auf eher falsifiziert; jedoch erhöhen psycho-soziale Belastungen die Wahrscheinlichkeit zu rauchen; und untypische Arbeitszeiten verringern die Häufigkeit des Sporttreibens H5a Je höher die Belastungen durch Haus- und falsifiziert Familienarbeit sind, desto eher tritt gesundheitsschädigendes Verhalten auf H11 Je verbreiteter gesundheitsschädigende Verhaltensweisen im Netzwerk einer Person sind, desto eher wird sie selbst gesundheitsschädigendes Verhalten ausüben bewährt, mit der Modifikation, dass ein spezifisches Verhalten durch eben dieses Verhalten der Netzwerkpersonen beeinflusst wird H13a Je größer die Nähe zum Hochkulturschema, desto seltener werden gesundheitsschädigende Verhaltensweisen ausgeübt bewährt sich für Sport und Rauchen H15a Je größer die Nähe zum Trivialschema, desto häufiger werden gesundheitsschädigende Verhaltensweisen ausgeübt eher falsifiziert; bewährt sich jedoch für Sport H16 Je größer die Nähe zum Spannungsschema, desto häufiger wird Sport ausgeübt bewährt H17 Je größer die Nähe zum Spannungsschema, desto größer der Konsum von Tabakwaren und Alkohol bewährt sich für die Wahrscheinlichkeit zu rauchen und Alkohol zu trinken, jedoch nicht für die Höhe des Konsums H19a Ordnet man die sozialen Milieus aufsteigend nach dem Grad ihres gesundheitsschädigenden Verhaltens, sollten sich folgende drei Gruppen ergeben: Niveaumilieu und Selbstverwirklichungsmilieu mit der geringsten Rate an gesundheitsschädigendem Verhalten, Integrationsmilieu und Unterhaltungsmilieu in einer mittleren Position, Harmoniemilieu mit der höchsten Rate gesundheitsschädigender Verhaltensweisen in dieser Form falsifiziert; es bestehen jedoch Unterschiede zwischen den Milieus, aber die Rangfolge ist anders. In Bezug auf den Gesamtindex des Gesundheitsverhaltens ergibt sich in aufsteigender Folge: Integrations- und Selbstverwirklichungsmilieu, Niveaumilieu, Harmonie- und Unterhaltungsmilieu 114 Die Hypothesen, die sich auf die Gesundheit beziehen, schneiden insgesamt am schlechtesten ab (vgl. Tabelle 6.3). Fünf der zehn Hypothesen wurden vollständig falsifiziert und fünf können mit mehr oder weniger großen Einschränkungen oder Modifikationen als gültig angesehen werden. Für die Erwerbs- und Hausarbeit zeigen die Analysen deutlich, dass die jeweilige eingesetzte Zeit keinen Effekt auf die Gesundheit hat. Dagegen wirken sich die psycho-sozialen Belastungen dieser Arbeiten, die sich z.B. in zu wenig Anerkennung oder zu wenig Spaß an der Arbeit ausdrücken, für beide Arbeitsformen negativ auf die Gesundheit aus. Im Falle der beruflichen Belastungen gilt dies unabhängig von der beruflichen Position bzw. dem Berufsprestige der Tätigkeit und unabhängig von der Größe des sozialen Netzwerks oder dem sozialen Kapital für alle beruflichen Stellungen gleichermaßen. Immerhin konnte gezeigt werden, dass die negativen Folgen hoher Belastung durch die Haus- und Familienarbeit auf die psychische Gesundheit durch größere soziale Netzwerke abgepuffert werden. Diese Schutzfunktion großer sozialer Netzwerke für die psychische Gesundheit konnte auch generell nachgewiesen werden, ebenso ein schützender Einfluss großer Netzwerke mit vielen statushohen Personen auf die Anzahl und die Stärke der Beschwerden. Die körperliche Gesundheit profitiert dagegen nicht vom sozialen Kapital – egal welcher Indikator verwendet wird. Dieses Ergebnis ist theoretisch mehr als unbefriedigend, weil nicht klar ist, warum der eine Indikator den einen Aspekt von Gesundheit, ein anderer einen anderen Aspekt und ein weiterer Aspekt der Gesundheit überhaupt nicht vom sozialen Kapital beeinflusst wird. Theoretisch eindeutig ist hingegen die klare Falsifikation von Hypothese 10. Die Geschlossenheit der Netzwerke steht weder in dem in dieser Hypothese postulierten U-förmigen Zusammenhang mit der Gesundheit noch in einem anderen. Nach den Ergebnissen dieser Studie ist die Dichte, der Anteil Verwandter und der Anteil der Nachbarn in der sozialen Nahwelt einer Person für ihre Gesundheit vollkommen ohne Belang. Dasselbe gilt weitestgehend für die Merkmale des Lebensstils. Die drei in diesem Zusammenhang formulierten Hypothesen wurden alle eindeutig widerlegt. Werden das Alter, das Geschlecht und der soziale Status kontrolliert, stehen das Hochkultur- und Trivialschema nicht in einem Zusammenhang mit der Gesundheit, dasselbe gilt für die Milieuzugehörigkeit. Die Analysen zeigten jedoch einen nicht erwarteten Einfluss des Spannungsschemas auf die körperliche Gesundheit und die Beschwerden, so dass zumindest von dieser Dimension erwartet werden kann, dass sie gesundheitlich von Bedeutung ist. 115 Tabelle 6.3: Übersicht der Hypothesen zur Gesundheit Hypothese Beurteilung H2b Je höher die beruflichen Belastungen sind, für Gesamtbelastungsindex in Bezug auf desto schlechter ist die Gesundheit psychische Gesundheit und Beschwerden bewährt; psycho-soziale Belastungen haben auch einen Effekt auf körperliche Gesundheit; plus weitere Effekte der anderen Belastungsdimensionen auf jeweils ein Gesundheitsmaß H3b Je niedriger ein Beruf in der gesellschaft- falsifiziert lichen Hierarchie der Berufe angesiedelt ist und je höher die Belastungen in diesem Beruf sind, desto schlechter ist die Gesundheit H5b Je höher die Belastungen durch Haus- und in Bezug auf die psycho-sozialen BelasFamilienarbeit sind, desto schlechter ist tungen bewährt die Gesundheit in Bezug auf den Zeitaufwand falsifiziert H7 Je höher das soziale Kapital, über das eine für körperliche Gesundheit falsifiziert; Person verfügt, desto besser ist die psychische Gesundheit profitiert von Gesundheit größeren Netzwerken; Beschwerden sind geringer bei großen Netzwerken mit vielen Statushohen H8 eher falsifiziert; Je höher die Belastungen, denen eine Person ausgesetzt ist, und je niedriger das gilt nur für Hausarbeitsbelastungen in soziale Kapital, über das sie verfügt, desto Bezug auf psychische Gesundheit schlechter ist ihre Gesundheit H10 Wenn das soziale Netzwerk einer Person falsifiziert kaum oder aber sehr stark geschlossen ist, dann ist ihre Gesundheit schlechter als bei Personen mit einem mittleren Grad der Netzwerkschließung H13b Je größer die Nähe zum Hochkulturschema, desto besser die Gesundheit falsifiziert H15b Je größer die Nähe zum Trivialschema, desto schlechter die Gesundheit falsifiziert falsifiziert H19b Nach dem Ausmaß ihrer Gesundheit sollten sich drei Gruppen ergeben: Harmoniemilieu, Integrations- und Unterhaltungsmilieu, Niveau- und Selbstverwirklichungsmilieu H20 Je mehr gesundheitsschädigendes Verhalten ausgeübt wird, desto schlechter ist die Gesundheit teilweise bewährt 116 Die letzte Hypothese, die erwarten ließ, gesundheitsschädigendes Verhalten habe einen negativen Effekt auf die Gesundheit, bewährt sich nur teilweise. So verringert mäßiger und starker Tabakkonsum die psychische Gesundheit und vergrößert die Beschwerden, mäßiger Alkoholkonsum verringert die psychische Gesundheit und seltenes Sporttreiben reduziert die körperliche Gesundheit und vergrößert die Beschwerden. Die einzige Gruppe, die auf allen drei Gesundheitsdimensionen konsistent schlechtere Werte aufweist, sind die Abstinenten, doch hier wird von einem umgekehrten Kausalzusammenhang auszugehen sein. Von allen untersuchten Merkmalen haben die psycho-sozialen Belastungen durch den Beruf und vor allem durch die Hausarbeit den größten Einfluss auf die Gesundheit. An zweiter Stelle folgt das Gesundheitsverhalten und an dritter das soziale Kapital. Den geringsten Einfluss haben die Lebensstilmerkmale. 6.2 Zusammenfassende Modelle zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens und der Gesundheit Die bisher berichteten Ergebnisse beruhen auf der isolierten Überprüfung der verschiedenen Hypothesen. Abschließend wird nun untersucht, wie die Hypothesen abschneiden, wenn sie simultan überprüft werden. Dazu werden Modelle vorgestellt, in die alle in dieser Studie vorgestellten unabhängigen Variablen eingehen.70 Dabei kommt es mir nicht in erster Linie auf die Einflussstärke der einzelnen Variablen an, vielmehr sollen die Analysen Hinweise auf die relative Bedeutung der einzelnen Merkmalsbereiche liefern. Um diese relative Bedeutung der verschiedenen Bereiche von Einflussfaktoren abschätzen zu können, wurde festgestellt, um wie viel sich die Erklärungsleistung eines Modells mit allen unabhängigen Variablen verringert, wenn die Merkmale eines bestimmten Bereichs aus dem Modell entfernt werden. Diese Vorgehensweise hat zudem den Vorteil, dass die durch die Aufnahme von Interaktionseffekten möglicherweise vorhandene zu hohe Multikollinearität die Ergebnisse nicht beeinträchtigt, da sie keinen Einfluss auf die Schätzung der Modellgüte bzw. ihrer Veränderung hat. Für das Rauchen, den Alkoholkonsum und die Ausübung sportlicher Aktivitäten finden sich die Ergebnisse dieser Analysen in den Tabellen 6.4 und 6.5. Für die Gesundheit sind die Ergebnisse in Tabelle 6.6 zusammengefasst. 70 Nicht aufgenommen werden die Interaktionseffekte der beruflichen Belastungen mit dem sozialen Kapital, da die entsprechenden Analysen kaum Hinweise auf einen Einfluss dieser Merkmale auf das Gesundheitsverhalten und die Gesundheit geliefert haben. Darüber hinaus führt der gleichzeitige Einschluss dieser Interaktionseffekte und der Interaktionsterme für die beruflichen Belastungen mit dem Berufsprestige zu sehr großer Multikollinearität. Außerdem wurde die Geschlossenheit der Netzwerke nicht in diese zusammenfassenden Analysen aufgenommen, da dieses Merkmal in keinerlei Beziehung zur Gesundheit steht. 117 Wie die Analysen in Abschnitt 5.4.3 schon vermuten ließen, ist für die hier einbezogenen gesundheitlich bedeutsamen Verhaltensweisen in erster Linie das Verhalten der Netzwerkpersonen ausschlaggebend. Wird das Gesundheitsverhalten im Netzwerk kontrolliert, spielen alle anderen Merkmale – mit wenigen Ausnahmen – kaum noch eine Rolle. Wie die detaillierten Ergebnisse dieser Analysen zeigen, bestätigt sich zudem, dass ein spezifisches Verhalten vor allem durch ebendiese Verhaltensweise der Netzwerkpersonen beeinflusst wird. Für das Trinkverhalten zeigen sich jedoch auch schwache Effekte des Rauchens und der sportlichen Aktivitäten der Netzwerkpersonen (vgl. Tabelle A1.16 in Anhang A). So wirkt sich die Stärke des Rauchens und die Häufigkeit sportlicher Aktivitäten der Netzwerkpersonen jeweils positiv auf die Wahrscheinlichkeit, alkoholabstinent zu sein, aus. Unter denjenigen, die in der Berichtswoche Alkohol getrunken haben, erhöht der Tabakkonsum im Netzwerk gleichzeitig den Alkoholkonsum. Eine einfache Erklärung für diese Befunde ist hier nicht möglich. Vollkommen ohne Bedeutung für das gesundheitsrelevante Verhalten sind die Belastungen durch die Hausarbeit. Dasselbe gilt im Großen und Ganzen für die beruflichen Belastungen, deren Entfernung aus den Modellen zum Gesundheitsverhalten in keinem Fall zu einer signifikanten Reduktion der Erklärungsleistung der Modelle führt. Wie die detaillierten Ergebnisse zeigen, verringert die physische Belastung im Beruf die Wahrscheinlichkeit zu rauchen geringfügig und die Häufigkeit untypischer Arbeitszeiten erhöht den Tabakkonsum. Beide Effekte sind jedoch recht schwach (vgl. Modell 2 in Tabelle A1.16 und A1.17 in Anhang A). Werden zusätzlich zu den einfachen Belastungsmaßen die Interaktionseffekte für die Belastungen bei niedrigem Prestige in die Modelle aufgenommen, verändert sich ihre Erklärungsleistung nicht signifikant. Allerdings verändern sich die Effekte der einzelnen Belastungsdimensionen auf das Gesundheitsverhalten, insbesondere für das Ausmaß des Tabak- und Alkoholkonsums sowie für die Häufigkeit sportlicher Betätigung (vgl. Tabelle A1.17 in Anhang A, Modell 3). So nimmt der Konsum von Tabakwaren bei niedrigem Berufsprestige mit dem Umfang der Arbeitszeit ab, während er bei hohem Berufsprestige tendenziell zunimmt. In ähnlicher Weise sinkt der Alkoholkonsum bei niedrigem Berufsprestige mit dem Ausmaß psycho-sozialer Belastungen im Beruf, während er bei Personen mit hohem Berufsprestige und hohen psycho-sozialen beruflichen Belastungen ansteigt. Und die Ausübung sportlicher Aktivitäten geht unter den Personen mit niedrigem Berufsprestige und hohem Zeitdruck zurück, während er bei den Personen mit hohem Prestige und hohem Zeitdruck ansteigt. 118 Tabelle 6.4: Verringerung der erklärten Devianz bei Ausschluss jeweils eines Merkmalsbereichs bei Modellen zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens a Alter, Geschlecht, Erw., HA b Sozialer Status Berufliche Belastungen c Berufl. Belastungen H Prestige d Belastungen durch Hausarb. e Hausarbeitsbel. H Netzwerkgr. f Netzwerkgröße H soz. Kapital Gesundheitsverhalten im Netz g Alltagsästhetische Schemata Nagelkerke R² Raucher Abstinente 0,3 ns 0,6 + 1,1 ns 0,8 ns 0,3 ns 0,2 ns 0,4 ns 16,0*** 0,3 ns 26,2*** 1,8 ns 0,3 ns 0,5 ns 1,2 ns 0,4 ns 0,7 + 1,5* 4,5*** 1,7 + 22,5*** nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche 2,4 + 0,5 ns 0,4 ns 0,2 ns 0,0 ns 0,0 ns 0,5 ns 4,3*** 1,0 ns 12,2** a Die Ergebnisse der vollständigen Modelle finden sich in Tabelle A1.16 in Anhang A. b Erw. Erwerbstätig (ja = 1); HA: 10 Stunden und mehr pro Woche für Hausarbeit (ja = 1). c Nur für Erwerbstätige; Nichterwerbstätige = Mittelwert; Reduktion der Devianz ohne Interaktionseffekte im Modell. d Berufliche Belastungen und niedriges Berufsprestige. e Nur für Personen, die mindestens 10 Stunden pro Woche für die Hausarbeit aufwenden; andere = Mittelwert; Reduktion der Devianz ohne Interaktionseffekte im Modell. f Hausarbeitsbelastung und kleine Netzwerke. g Durchschnittliche Stärke des Rauchens, des Alkoholkonsums und der sportlichen Tätigkeiten der Netzwerkpersonen. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Die Indikatoren des sozialen Kapitals haben keinen Einfluss auf das Rauchen oder die Ausübung sportlicher Aktivitäten. Allerdings tragen sie deutlich zur Erklärung des Trinkverhaltens bei. Wie die entsprechenden Koeffizienten in den Tabellen A1.16 und A1.17 in Anhang A zeigen, beruht dieser Effekt allein auf der Netzwerkgröße. Mit zunehmender Anzahl von Freunden und Verwandten sinkt die Wahrscheinlichkeit, abstinent zu sein, und gleichzeitig steigt die Menge des getrunkenen Alkohols. Im Gegensatz zum Rauchen und zur Ausübung sportlicher Aktivitäten wird der Alkoholkonsum somit von der Geselligkeit beeinflusst. Die Kontrollvariablen Alter, Geschlecht, Erwerbsstatus und die Ausübung von mindestens 10 Stunden Hausarbeit pro Woche haben kaum einen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten. Bei Kontrolle aller anderen Variablen spielen diese Merkmale beim Rauchverhalten und der Ausübung sportlicher Aktivitäten keine Rolle; sie beeinflussen jedoch die Menge des von den Nichtabstinenten getrunkenen Alkohols. Die detaillierten Ergebnisse dieser Analyse zeigen, dass es sich hierbei vor allem um einen Effekt der Geschlechtszugehörigkeit handelt, in geringem Ausmaß auch um einen Effekt des Erwerbsstatus (vgl. Tabelle A1.17 in Anhang A): Männer trinken deutlich mehr Alkohol als Frauen und Nichterwerbstätige geringfügig mehr als Erwerbstätige. 119 Tabelle 6.5: Verringerung der erklärten Varianz bei Ausschluss jeweils eines Merkmalsbereichs bei Modellen zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens a Alter, Geschlecht, Erw., HA Sozialer Status Berufliche Belastungen Berufl. Belastungen H Prestige Belastungen durch Hausarb. Hausarbeitsbel. H Netzwerkgr. Netzwerkgröße H soz. Kapital Gesundheitsverhalten im Netz Alltagsästhetische Schemata R² Tabakkonsum 0,4 ns 0,0 ns 1,4 ns 1,7 ns 0,6 ns 0,0 ns 0,1 ns 5,5*** 3,4* 21,9*** Alkoholmenge 8,7*** 0,1 ns 1,5 ns 0,9 ns 0,2 ns 0,0 ns 1,7** 8,2*** 0,2 ns 23,9*** Sport 0,9 ns 0,1 ns 0,6 ns 0,9 ns 0,2 ns 0,1 ns 0,0 ns 4,3*** 2,5*** 17,8*** a Siehe Anmerkungen in Tabelle 5.6 und 6.4; die Ergebnisse der vollständigen Modelle findet sich in Tabelle A1.17 in Anhang A. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Der Lebensstil spielt bei allen drei analysierten gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen eine Rolle.71 Er beeinflusst die Wahrscheinlichkeit alkoholabstinent zu sein, die Menge der von den Rauchern konsumierten Tabakwaren und die Häufigkeit sportlicher Aktivitäten. Dabei handelt es sich insbesondere um Effekte des Spannungsschemas, welches sich negativ auf die Wahrscheinlichkeit, abstinent zu sein bzw. in der Berichtswoche keinen Alkohol getrunken zu haben, auswirkt und einen positiven Einfluss auf die Ausübung sportlicher Aktivitäten hat. Das Hochkulturschema zeigt immerhin noch einen negativen Effekt auf den Tabakkonsum, während das Trivialschema ohne Belang für das gesundheitsbezogene Verhalten ist. Von besonderem Interesse ist schließlich der Einfluss des sozialen Status auf das Gesundheitsverhalten. Wie in Abschnitt 5.1.2 gezeigt wurde, beeinflusst dieses Merkmal alle drei untersuchten Verhaltensweisen signifikant, und zwar auch unter Kontrolle des Alters und der Geschlechtszugehörigkeit. Werden zusätzlich die anderen unabhängigen Variablen dieser Untersuchung kontrolliert, verbleibt nur noch einer von sechs Effekten signifikant – und zwar für die Wahrscheinlichkeit, zu rauchen. Die Einflussstärke des sozialen Status auf dieses Merkmals geht jedoch stark zurück, der standardisierte Regressionskoeffizient wird von –0,20 auf –0,10 halbiert (vgl. Tabelle A1.16 in Anhang A). In den meisten anderen Fällen reduziert sich die relative Einflussstärke des sozialen Status auf die untersuchten Verhaltensweisen 71 Als Merkmale des Lebensstils wurde bei diesen Analysen auf die alltagsästhetischen Schemata und nicht die Milieuzugehörigkeit zurückgegriffen, da erstere bei den Analysen in Abschnitt 5.5 insgesamt mehr Erklärungspotential gezeigt haben. 120 sogar noch stärker. Somit ist zumindest ein Teil der einbezogenen Merkmale in der Lage, den Zusammenhang zwischen dem sozialem Status und dem Gesundheitsverhalten zu erklären. Damit komme ich zu den Modellen zur Erklärung der drei untersuchten Gesundheitsmaße (vgl. Tabelle 6.6 und Tabelle A1.18 in Anhang A). Gemessen an der Verringerung der Erklärungsleistung der Modelle, üben die Indikatoren des Gesundheitsverhaltens den stärksten Einfluss auf die Gesundheit aus. Wie schon mehrfach betont, darf jedoch bei der Interpretation dieses Ergebnisses die Rolle der Alkoholabstinenz nicht übersehen werden. Diese Kategorie des Gesundheitsverhaltens weist als einzige einen signifikanten Effekt auf alle drei Gesundheitsmaße auf, der jedoch nicht als kausaler Einfluss interpretiert werden sollte. Dennoch verbleiben weitere Effekte, die durchaus als Einfluss der jeweiligen Verhaltensweise auf die Gesundheit interpretiert werden können. So führt das Unterlassen sportlicher Aktivitäten zu einer Reduktion der körperlichen Gesundheit; mäßiger Alkoholkonsum und starkes Rauchen zu einer Reduktion der psychischen Gesundheit und mäßiges Rauchen zu einer Erhöhung der Beschwerden. Die Belastungen durch die Erwerbsarbeit und die Hausarbeit üben ebenfalls einen starken Einfluss auf die Gesundheit aus. Ein Blick auf die detaillierten Ergebnisse dieser Analysen bestätigt den Befund aus Abschnitt 5.2.3, dem zu Folge es unter den beruflichen Belastungen insbesondere die psycho-sozialen Belastungen sind, die die Gesundheit beeinträchtigen. Daneben existiert nur noch ein schwacher negativer Effekt des Zeitdrucks auf die psychische Befindlichkeit. Da in keiner dieser Analysen die Interaktionseffekte der Berufsbelastungen mit dem Berufsprestige nennenswert zur Erklärungsleistung der Modelle beitragen, kann gefolgert werden, dass sich die psycho-sozialen Belastungen für alle Berufstätigen gleichermaßen negativ auf die Gesundheit auswirken. Dagegen wird der negative Effekt der Belastungen durch die Hausarbeit zumindest für die psychische Gesundheit durch ein großes soziales Netzwerk teilweise abgemildert. Werden die beiden Netzwerkmerkmale – Netzwerkgröße und ein Interaktionseffekt zwischen Netzwerkgröße und sozialem Kapital – aus den Modellen entfernt, verringert sich die Erklärungsleistung für die beiden durch den SF-36 gemessenen Gesundheitsdimensionen. Auch für diesen Merkmalsbereich ergeben sich dieselben Ergebnisse wie sie schon in Abschnitt 5.4.1 berichtet wurden. Mit der Größe der sozialen Netzwerke nimmt die psychische Gesundheit zu, die körperliche Gesundheit verschlechtert sich dagegen. Während der erste Effekt mit den hier vorgelegten Hypothesen übereinstimmt, ist unklar, warum die körperliche Gesundheit unter einem großen Netzwerk leiden sollte. Denkbar wäre, dass diejenigen, denen es körper- 121 lich schlechter geht, ihr soziales Netzwerk bewusst vergrößern, umso die Wahrscheinlichkeit, Hilfe zu erhalten, zu maximieren. Ob dies der Fall ist, kann hier nicht entschieden und muss weiteren Analysen vorbehalten werden. Schließlich sollte erwähnt werden, dass das in den Einzelanalysen gefundene Ergebnis eines Rückgangs der Beschwerden mit großen Netzwerken, die viele statushohe Personen enthalten, auch unter der Kontrolle der anderen Merkmale stabil bleibt. Der Effekt ist zwar sehr klein, aber statistisch signifikant. Tabelle 6.6: Verringerung der erklärten Varianz bei Ausschluss jeweils eines Merkmalsbereichs bei Modellen zur Erklärung der Gesundheit a Alter, Geschlecht, Erw., HA Sozialer Status Berufliche Belastungen Berufl. Belastungen H Prestige Belastungen durch Hausarb. Hausarbeitsbel. H Netzwerkgr. Netzwerkgröße H soz. Kapital Gesundheitsverhalten im Netz Alltagsästhetische Schemata Alter, Geschlecht, Erw., HA R² SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch 2,7*** 0,5 ns ns 0,2 0,1 ns 3,0*** 7,7*** ns 0,2 0,3 ns 1,1** 2,1*** ns 0,0 0,5* 1,2** 0,8* ns 0,0 0,8 + 0,4 ns 0,5 ns 2,3* 2,3* 18,2*** 21,3*** Beschwerden 1,6** 1,4*** 4,2*** 0,4 ns 2,4*** 0,2 ns 0,5 ns 0,3 ns 0,3 ns 2,7** 27,0*** a Siehe Anmerkungen in Tabelle 6.4; die Ergebnisse der vollständigen Modelle finden sich in Tabelle A1.18 in Anhang A. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Im Gegensatz zu ihrer Bedeutung für das Gesundheitsverhalten, haben die Lebensstile kaum einen direkten Einfluss auf die Gesundheit. Nur die körperliche Gesundheit wird geringfügig von einer Nähe zum Spannungsschema beeinflusst. Das Gesundheitsverhalten im sozialen Netzwerk wurde in den Analysen zur Gesundheit bisher nicht untersucht, da nicht mit einem direkten Effekt dieses Merkmals auf die Gesundheit gerechnet wurde. In diesen abschließenden Analysen soll diese Annahme überprüft werden. Wie Tabelle 6.6 zeigt, bestätigt sich die Vermutung für die körperliche Gesundheit und die Beschwerden. Für diese beiden Gesundheitsmaße führt die Entfernung der Variablen zum Gesundheitsverhalten der Netzwerkpersonen zu keiner nennenswerten Verringerung der Erklärungsleistung. Dies gilt jedoch nicht für die psychische Gesundheit. Wie die detaillierten Ergebnisse zeigen, ist die psychische Gesundheit von Personen, in deren Netzwerken viel geraucht wird, etwas geringer als von Personen, deren Alteri nicht oder nur wenig rauchen – und dies bei Kontrolle des Rauchverhaltens Egos (vgl. Tabelle A1.18 in Anhang A). Es kann vermutet werden, dass nicht das Rauchen der Netzwerkpersonen selbst, sondern deren 122 psychische Verfassung für dieses Ergebnis verantwortlich ist – denn auch bei den Befragten zeigt sich, dass Rauchen die psychische Gesundheit beeinträchtigt. Durch das Entfernen der Kontrollvariablen Alter, Geschlecht, Erwerbsstatus und Ausmaß der Hausarbeit verringert sich die Erklärungsleistung der Modelle bei der körperlichen Gesundheit und den Beschwerden, für die psychische Gesundheit spielen diese Faktoren dagegen keine eigenständige Rolle, wenn die anderen berücksichtigten Merkmale kontrolliert werden. Im Einzelnen zeigt sich, dass Erwerbstätige körperlich gesünder sind und weniger Beschwerden angeben als Nichterwerbstätige. Dieses Ergebnis mag zum einen auf einen Selektionseffekt zurückzuführen sein, andererseits ist aber auch denkbar, dass die Personen der hier untersuchten Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen, für die eine Erwerbstätigkeit den Standardfall darstellt, bei Fehlen dieser Rolle gesundheitlich gefährdet sind. Das Alter hat ebenfalls einen Einfluss auf die körperliche Gesundheit und die Beschwerden, nicht jedoch auf die psychische Gesundheit. Die im Vergleich zu den Frauen bessere körperliche Gesundheit der Männer und ihr geringeres Ausmaß an Beschwerden wird durch die anderen in die Modelle einbezogenen Merkmale erklärt. Wie die Analysen in Abschnitt 5.3 zeigten, sind es vor allem die Belastungen durch die Hausarbeit, die für die gesundheitlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen verantwortlich sind. Der Umfang der Hausarbeit ist dagegen für die Gesundheit bedeutungslos. Die relative Einflussstärke des sozialen Status auf die Gesundheit geht durch die Berücksichtigung der anderen Variablen stark zurück. Bei den beiden durch den SF-36 gemessenen Gesundheitsdimensionen reduziert sich seine Einflussstärke um jeweils die Hälfte und der Effekt wird nicht mehr statistisch signifikant. Zumindest in Bezug auf diese beiden Gesundheitsmaße wird der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit also durch die einbezogenen Variablen erklärt. Für die Beschwerden findet sich ebenfalls eine Reduktion der Einflussstärke des sozialen Status, und zwar um knapp ein Drittel, der Effekt bleibt jedoch signifikant und ist mit –0,19 auch vergleichsweise groß. Die in diesem Abschnitt präsentierten Ergebnisse bestätigen die im letzten Kapitel durchgeführten Einzelanalysen überwiegend. Die nachgewiesenen Effekte auf das Gesundheitsverhalten und die Gesundheit sind also weitgehend unabhängig voneinander und bleiben unter Kontrolle der anderen Variablen signifikant. Die im vorherigen Abschnitt gezogene Bilanz zu den einzelnen Hypothesen kann daher im Wesentlichen als Fazit dieser Untersuchung gelten. 123 7. Schlussfolgerung und Ausblick Die Ziele dieser Studie waren erstens, Merkmale zu identifizieren, die für den statistischen Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und der Gesundheit bzw. dem Gesundheitsverhalten verantwortlich sind. Das zweite Ziel der Untersuchung bestand darin, zu klären, welchen Beitrag ein soziologisches Lebensstilkonzept bei der Analyse der Gesundheit und des Gesundheitsverhaltens leisten kann. In Bezug auf dieses zweite Ziel legen die vorgelegten Analysen den Schluss nahe, dass ein soziologisches Lebensstilkonzept nahezu ohne Bedeutung für die Erklärung der Gesundheit ist, jedoch einiges zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens beitragen kann. Alle drei untersuchten Verhaltensweisen – das Rauchen, der Alkoholkonsum und die Ausübung sportlicher Aktivitäten – werden durch Lebensstilmerkmale beeinflusst. Während dieser Zusammenhang empirisch als gesichert gelten kann, muss theoretisch noch genauer bestimmt werden, inwieweit die Unterscheidung zwischen den gesundheitlich bedeutsamen Verhaltensweisen und den Verhaltensweisen, die als Basis des Lebensstils dienen, fruchtbar begründet und somit „Lebensstile“ und gesundheitsbezogene Verhaltensweisen unterschieden werden können. Vor diesem Problem steht jedoch jede Analyse, die Verhaltensweisen mit (verhaltensbasierten) Lebensstilen erklären will. Wichtig scheint aus meiner Sicht, dass die Verwendung eines soziologischen Lebensstilansatzes gegenüber den ansonsten häufig verwendeten gesundheitsbezogenen Lebensstilansätzen den Vorteil hat, Explanans und Explanandum nicht zu vermischen und damit nicht mit dem Problem konfrontiert ist, möglicherweise tautologische Aussagen zu treffen. Ein weiterer Vorteil des soziologischen Lebensstilansatzes im Gegensatz zur Verwendung von explizit gesundheitsbezogenen Lebensstilkonzepten ist seine Anschlussfähigkeit an die theoretische Debatte und die empirischen Ergebnisse der soziologischen Lebensstilforschung als Teilbereich der Soziologie sozialer Ungleichheit. Das Hauptziel dieser Studie, Merkmale zu identifizieren, die für den Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und der Gesundheit bzw. dem Gesundheitsverhalten verantwortlich sind, kann insoweit als erreicht gelten, als in den zusammenfassenden Modellen kaum noch signifikante Effekte des sozialen Status auf die verschiedenen abhängigen Variablen vorliegen; und die relative Einflussstärke des sozialen Status durch die Berücksichtigung der betrachteten intervenierenden Variablen in allen Modellen erheblich reduziert wird. Im Fall des Gesundheitsverhaltens sind es insbesondere das Verhalten der Netzwerkpersonen und die Lebensstilmerkmale, die sich als entscheidende Drittvariablen herausstellen. Dies sind auch die beiden Merkmalsbereiche, die am meisten zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens 124 beitragen. Die Belastungen durch die Haus- oder Erwerbsarbeit üben kaum einen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten aus und kommen daher auch als intervenierende Variablen nicht in Frage. Die wichtigsten Determinanten der Gesundheit sind die psycho-sozialen Belastungen bei der Hausarbeit und im Beruf sowie das Gesundheitsverhalten. Insbesondere letzteres ist für die Reduktion der Einflussstärke des sozialen Status auf die Gesundheit verantwortlich, aber auch die Kontrolle der beruflichen Belastungen und des sozialen Kapitals verringert den Einfluss des sozialen Status auf die Gesundheit. Wie jede empirische Untersuchung wirft auch diese neue Fragen auf. Die meisten dieser Fragen stehen entweder mit dem Einfluss der sozialen Netzwerke oder dem Einfluss der beruflichen Belastungen im Zusammenhang. In Hinblick auf den Einfluss der sozialen Netzwerke ist z.B. offen, warum die Netzwerkgröße einen negativen Einfluss auf die körperliche Gesundheit hat; warum das Ausmaß des Rauchens von Netzwerkpersonen einen negativen Effekt auf die psychische Gesundheit hat oder warum das Ausmaß des Rauchens und der sportlichen Betätigung der Netzwerkpersonen einen Einfluss auf das Trinkverhalten Egos hat. Bei den beruflichen Belastungen liegt der Fall etwas anders. Die vorgelegten Analysen zeigen, dass diese Merkmale zwar eine gewisse Rolle für das Gesundheitsverhalten spielen, doch sind diese Effekte sehr klein, sodass sie bei dem relativ kleinen Umfang der Stichprobe nicht stabil geschätzt werden können. Hier wären differenziertere Analysen nach männlichen und weiblichen Erwerbstätigen sowie nach verschiedenen Branchen nötig, bei denen man aber schnell an die Grenzen des Datenmaterials stößt. Auch die Operationalisierung der Interaktionseffekte muss noch einmal überdacht werden. Mit den hier vorgelegten Analysen ist das Potential des Datensatzes bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Dies betrifft sowohl die abhängigen als auch die unabhängigen Variablen. Als weitere abhängige Variable kommt für das Gesundheitsverhalten die Ernährungsweise in Betracht, die über 19 verschiedene Items erhoben wurde (vgl. Frage 35 im Fragebogen). Ebenso stehen weitere Indikatoren der Gesundheit zur Verfügung. So wurde das Vorliegen von 18 konkreten Erkrankungen bzw. Beschwerden abgefragt (vgl. Frage 1 im Selbstausfüller). Darüber hinaus wurde nach der Körpergröße und dem Gewicht gefragt, sodass die Einflussfaktoren auf den Body-Mass-Index bzw. das Übergewicht untersucht werden können. Auf Seiten der unabhängigen Variablen können zum einen weitere Merkmale der Makrobzw. Mesoebene herangezogen werden, aber auch verschiedene Variablen der Mikroebene. Weiterführende Untersuchungen könnten z.B. die Effekte der intra- und intergenerationalen 125 Mobilität auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten in den Blick nehmen, da sowohl die früheren Berufe der Eltern als auch der erste Beruf der Befragten erhoben wurde. Des Weiteren erlaubt der Datensatz ökologische Analysen, die dem Einfluss der sozialen Zusammensetzung des Wohnumfeldes auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten nachgehen. Auf der Mikroebene wurden u.a. gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugungen (Frage 15), das Copingverhalten (Frage 36), die Religiosität (Frage 37 bis 39) und die Androgynie (Frage 10 des Selbstausfüllers) erhoben. Schließlich eröffnet die Anlage der Studie die Möglichkeit, die Teilnehmer noch einmal zu interviewen, da neun von zehn Befragten einer Wiederholungsbefragung zugestimmt haben. Die Vorteile einer solchen zweiten Befragung liegen auf der Hand, da auf diese Weise Längsschnittdaten zur Verfügung stehen würden, auf deren Basis mit größerer Sicherheit Aussagen über die Kausalität der verschiedenen Faktoren gemacht werden können. Bevor mit einer solchen Erweiterung des Datensatzes begonnen wird, muss jedoch noch genauer geprüft werden, ob sich der Aufwand bei einer erwartbaren Stichprobengröße von etwa 500 Personen lohnt. Die Alternative wäre, die bewährten Hypothesen in einer von vornherein als Längsschnittstudie angelegten Untersuchung mit einer größeren Fallzahl zu validieren. 126 Literatur Abel, Thomas und Thomas Kohlmann, 1989: Health Lifestyles: A Comparative Approach to the Culture of Health Concept. S. 71-82 in: Günther Lüschen, William C. 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Zerssen, Detlev von, 1976: Die Beschwerden-Liste: Parallelformen B-L und B-L', Ergänzungsbogen B-Lo. Weinheim: Beltz. Anhang A: Zusätzliche Tabellen und Abbildungen Abbildung A1.1: Die Ableitung der Hypothesen zum Zusammenhang der Milieuzugehörigkeit und des gesundheitsschädigenden Verhaltens bzw. der Gesundheit Milieu a NM Gesundheitsschädigung Gesundheit soz. c c SS c b HS TS d e f Status soz. Status HS TS Rang soz. Status d HS g TS h Rang 1 + + – – – – – 3 + + + IM 0 + + – 0 – + 2 0 + – 2 HM – – + – + + + 1 – – – 3 SM + + – + – – – 3 + + + 1 UM 0 – – + 0 + – 2 0 – + 2 a NM: Niveaumilieu; IM: Integrationsmilieu; HM: Harmoniemilieu; SM: Selbstverwirklichungsmilieu; UM: Unterhaltungsmilieu. b Aus Hypothese 18. c Aus den Beschreibungen der Milieus durch Schulze, vgl. auch Abbildung 4.4. d Grundannahme der Studie über den Einfluss des sozialen Status auf das Gesundheitsverhalten bzw. die Gesundheit in Verbindung mit Hypothese 18. e Hypothese 13a in Verbindung mit der Milieubeschreibung von Schulze. f Hypothese 15a in Verbindung mit der Milieubeschreibung von Schulze. g Hypothese 13b in Verbindung mit der Milieubeschreibung von Schulze. h Hypothese 15b in Verbindung mit der Milieubeschreibung von Schulze. 2 Tabelle A1.1: Soziale Ungleichheit und Gesundheit bei Erwerbstätigen, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Bildung Prestige des eigenen Berufs Persönliches Einkommen Sozialer Status R² bzw. ∆R² SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2a M2b M1 M2a –13** –13** –12** 11* 12* 15** 11* 14** 10* 10 + ns 3 2 ns ns 5 5 ns ns 7 –1 ns + 8 4*** 1+ 1+ 2** 0 ns Beschwerden M2b M1 M2a M2b 12** 8+ 7 ns 6 ns 10* –22*** –17** –20*** –11 + –10 + –9 + ns 7 –24*** 0 ns 6*** 6*** 6*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; paarweiser Ausschluss fehlender Werte. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Tabelle A1.2: Soziale Ungleichheit und Gesundheitsverhaltens bei Erwerbstätigen, logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Raucher Alter Geschlecht (männlich = 1) Bildung Prestige des eigenen Berufs Persönliches Einkommen Sozialer Status Nagelkerke R² bzw. ∆ R² M1 –10* 5 ns 2* M2a M2b M1 –7 ns –11* 6 ns ns ns 6 6 –14** –7 ns –5 ns –5 ns –15** 2* 3** 5** nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche b M2a M2b M1 M2a M2b 1 ns 4 ns 0 ns –2 ns –1 ns –12* –13** –10*** –16** –17*** –18* –13 + ns 0 2 ns ns 2 –6 ns –17** –14** 5** 4** 5** 3* 2** Abstinente a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; die Standardisierung der Koeffizienten erfolgte nach der von Menard (1995: 46) vorgeschlagenen Methode. b Nur Personen, die grundsätzlich Alkohol trinken. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. 3 Tabelle A1.3: Soziale Ungleichheit und Gesundheitsverhalten bei Erwerbstätigen, lineare Regression; standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Bildung Prestige des eigenen Berufs Persönliches Einkommen Sozialer Status R² bzw. ∆ R² Tabakkonsum b Alkoholmenge c Sport M1 M2a M2b M1 M2a M2b M1 M2a M2b –8 ns –8 ns –7 ns –1 ns 3 ns 0 ns –19*** –19*** –18*** 9 ns 15 + 10 ns 29*** 31*** 29*** –3 ns –7 ns –4 ns ns na –26** 9 8 –2 ns 13 + 6 na ns ns –13 –8 8 ns –21** 14** 17*** 0 ns 11*** 4*** 8*** 3** 2** 3*** 3** 3*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. b Nur jetzige Raucher; Anzahl der gerauchten Tabakwaren pro Tag wurden logarithmiert. c Nur Personen, die in der Berichtswoche Alkohol getrunken haben; Alkoholmenge wurde logarithmiert. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Tabelle A1.4: Soziale Ungleichheit und Raucherstatus (nie geraucht vs. jemals geraucht), gesamte Stichprobe und Erwerbstätige; logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Bildung Berufsprestige c Einkommen d Sozialer Status Nagelkerke R² bzw. ∆ R² Gesamte Stichprobe b M1 M2a M2b ns ns 1 3 0 ns 12** 13** 13** ns –5 –7 ns 2 ns –11** 2** 1 ns 2** Erwerbstätige b M1 M2a M2b ns ns –2 2 –2 ns 6 ns 7 ns 7 ns ns –4 –6 ns 4 ns –9* 1 ns 1 ns 1* a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; die Standardisierung der Koeffizienten erfolgte nach der von Menard (1995: 46) vorgeschlagenen Methode. b Nur Raucher und ehemalige Raucher. c Für die gesamte Stichprobe wurde der Einordnungsberuf verwendet, für Erwerbstätige der eigene Beruf. d Für die gesamte Stichprobe wurde das Äquivalenzeinkommen verwendet, für Erwerbstätige das persönliche Einkommen. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. 4 Tabelle A1.5: Soziale Ungleichheit und Packungsjahre, nur (ehemalige) Raucher gesamte Stichprobe und Erwerbstätige; lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Bildung Berufsprestige c Einkommen d Sozialer Status R² bzw. ∆ R² a b c d Gesamte Stichprobe b M1 M2a M2b 15** 12* 13** 9+ 11* 11* –18** –11 + 0 ns –24*** 3** 7*** 6*** Erwerbstätige b M1 M2a M2b + 14* 11 13* 9 ns 10 + 10 + –19* 5 ns 0 ns –20*** 3* 5** 4*** Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. Nur (ehemalige) Raucher; Anzahl der Packungsjahre wurden logarithmiert. Für die gesamte Stichprobe wurde der Einordnungsberuf verwendet, für Erwerbstätige der eigene Beruf. Für die gesamte Stichprobe wurde das Äquivalenzeinkommen verwendet, für Erwerbstätige das persönliche Einkommen. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Tabelle A1.6: Prozentsatz der Erwerbstätigen mit überdurchschnittlichen beruflichen Belastungen, nach Berufsprestige und Geschlecht Prestige des jetzigen Berufs Gesamt Signifikanz a 1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil Männer Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit Anzahl der Belastungen (0) Frauen Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit Anzahl der Belastungen (0) 78 39 42 45 43 1,01 50 45 60 35 34 0,79 31 49 52 48 33 0,61 14 47 77 67 39 0,78 41 45 60 51 38 0,81 86 48 29 38 29 1,02 36 45 42 25 25 0,70 22 49 56 29 17 0,51 35 53 51 53 55 0,63 42 49 45 35 30 0,70 a χ²-Unabhängigkeitstest bzw. einfaktorielle Varianzanalyse, Männer: N = 305; Frauen: N = 214. ns: nicht signifikant; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. *** ns *** *** ns * *** ns * * *** ** 5 Tabelle A1.7: Korrelationen zwischen beruflicher Belastung und Gesundheitsverhalten unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts, Erwerbstätige Tabakkonsum Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit Anzahl der Belastungen 0,03 –0,02 –0,03 –0,08 –0,04 0,02 Packungsjahre 0,05 –0,02 –0,05 –0,04 –0,04 0,03 Alkoholmenge 0,00 0,00 0,03 0,11** 0,07 0,03 Sport –0,15*** –0,07 0,03 –0,04 0,02 –0,12** Gesamtindex 0,09* 0,05 –0,03 0,03 0,02 0,07 *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001; alle anderen Koeffizienten sind nicht signifikant (N = 515 bzw. 516). Tabelle A1.8: Mittelwertsdifferenz des Gesundheitsverhaltens bei Erwerbstätigen mit hohen Belastungen und niedrigem Prestige zu allen anderen Erwerbstätigen unter Kontrolle des Alters und des Geschlechts Tabakkonsum Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit 1,5 1,8 2,6 3,1 2,5 Packungsjahre Alkoholmenge Sport Gesamtindex 3,1 3,0 1,6 4,6* 4,2* –4,2** –3,1 –3,0 –1,0 –3,0 –0,4*** –0,4** 0,0 –0,3* –0,5*** 0,1 0,2* 0,0 0,1 0,3** *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001; alle anderen Koeffizienten sind nicht signifikant (N = 518 bzw. 519). 6 Tabelle A1.9: Belastungen durch die Hausarbeit und Gesundheitsverhalten, logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Raucher M1 Alter –8 + Geschlecht (männlich = 1) 7 ns Äquivalenzeinkommen –11* Sozialer Status Dauer der Hausarbeit 3 ns Psycho-soziale Belastung –1 ns Nagelkerke R² bzw. ∆ R² 3* M2 –13*** 7 ns –19*** 3 ns –4 ns 7*** Abstinente M1 11* –3 ns –21*** 6 ns 4 ns 11*** M2 6 ns –7 ns –21*** 7+ 2 ns 12*** nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche M1 –3 ns –22*** –10 + –3 ns –8 ns 7*** M2 –3 ns –17*** –13** –4 ns –3 ns 6*** a Siehe Anmerkungen zu Tabelle A1.2. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Tabelle A1.10: Belastungen durch die Hausarbeit und Gesundheitsverhalten, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Äquivalenzeinkommen Sozialer Status Dauer der Hausarbeit Psycho-soziale Belastung R² bzw. ∆ R² Tabakkonsum b M1 M2 –9 ns –10 ns 6 ns 7 ns –6 ns –22*** 7 ns 10 ns ns –4 –4 ns 2 ns 6** Alkoholmenge c M1 M2 1 ns 2 ns 30*** 29*** 6 ns 11** 2 ns 3 ns ns –2 –3 ns 9*** 11*** a Siehe Anmerkungen zu Tabelle A1.3. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Sport M1 –19*** –7 ns 17*** 2 ns –6 ns 5*** M2 –17*** –7 ns 19*** 2 ns –8 + 7*** 7 Tabelle A1.11: Soziales Kapital und Gesundheit, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2 M3 M1 M2 Alter –18*** –19*** –19*** 13*** 14*** Geschlecht (männlich = 1) 10** 10** 10** 4 ns 5 ns Sozialer Status 13*** 13*** 13*** 9* 6 ns Netzwerkgröße –8* –8* 10* Soziales Kapital 3 ns 2 ns 1 ns ns –1 Netzwerkgröße H Soziales Kapital R² bzw. ∆R² 7*** 1 + 0 ns 2*** 1* Beschwerden M3 14*** 5 ns 6 ns 10* 1 ns –1 ns 0 ns M1 M2 M3 10** 10** 10** –14*** –14*** –14*** –28*** –28*** –27*** 1 ns 2 ns ns 0 –1 ns –7* 12*** 0 ns 1* a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; paarweiser Ausschluss fehlender Werte. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Tabelle A1.12: Belastungen durch die Hausarbeit, soziales Kapital und Gesundheit, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Hausarbeitsbelastung 10 Std Hausarbeit u.m. Netzwerkgröße Netzwerkgröße H Belastungen b R² bzw. ∆R² SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2 M1 M2 –26*** –26*** 5 ns 5 ns ns ns ns 3 3 –6 –5 ns 14*** 14*** 6 ns 6 ns –19*** –19*** –26*** –26*** 1 ns –1 ns 0 ns 1 ns –8* –8* 10** 11** 10*** 0 ns 0 ns 8*** –9* 1* Beschwerden M1 19*** –3 ns –27*** 26*** 0 ns 1 ns M2 19*** –4 ns –27*** 26*** 0 ns 1 ns 17*** 4 ns 0 ns a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; paarweiser Ausschluss fehlender Werte. b Dieser Interaktionseffekt wurde mit der negativen Netzwerkgröße gebildet. ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. 8 Abbildung A1.2: Milieuzugehörigkeit und Alkoholkonsum (N = 692; CV = 0,12; p ≤ 0,01) Niveaumilieu Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsm. Unterhaltungsmilieu 0% 20% 40% Abstinenz mäßiger Konsum 60% 80% 100% geringer Konsum starker Konsum Abbildung A1.3: Milieuzugehörigkeit und die Ausübung sportlicher Aktivitäten (N = 694; CV = 0,17; p ≤ 0,001) Niveaumilieu Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsm. Unterhaltungsmilieu 0% 20% 40% nie einmal pro Woche 60% seltener fast täglich 80% 100% 9 Tabelle A1.13: Soziale Milieus und Gesundheitsverhalten, logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a Raucher Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Niveaumilieu (Referenzkat.) Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsmilieu Unterhaltungsmilieu Nagelkerke R² bzw. ∆ R² M1 –12** 8* –20*** 6*** M2 –8 + 6 ns –16*** –4 ns 4 ns 4 ns 11* 2+ Abstinente M1 4 ns –11** –22*** M2 2 ns –12** –19*** 11*** –4 ns 3 ns –8 ns –3 ns 1 ns nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche M1 –1 ns –14*** –12** M2 3 ns –15** –14* 6*** 11* –3 ns –3 ns 1 ns 2+ a Siehe Anmerkungen in Tabelle A1.2. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. Tabelle A1.14: Soziale Milieus und Gesundheitsverhalten, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Niveaumilieu (Referenzkat.) Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsmilieu Unterhaltungsmilieu R² bzw. ∆ R² Tabakkonsum M1 M2 ns –8 –9 ns 7 ns 6 ns –23*** –14* 6*** 9 ns 13 ns –7 ns 13 ns 3+ Alkoholmenge M1 M2 ns 3 4 ns 30*** 31*** 11** 10 + 10*** a Siehe Anmerkungen in Tabelle A1.3. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. –7 ns 0 ns 3 ns –4 ns 1 ns Sport M1 –14*** –5 ns 19*** 6*** M2 –11** 3 ns 10* 0 ns –10* 13** –8 + 3*** 10 Tabelle A1.15: Soziale Milieus und Gesundheit, lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich=1) Sozialer Status Niveaumilieu (Referenzkat.) Integrationsmilieu Harmoniemilieu Selbstverwirklichungsmilieu Unterhaltungsmilieu R² bzw. ∆ R² SF-36: Gesundheit Körperlich Psychisch M1 M2 M1 M2 –18*** –16*** 13*** 11** ns 10** 10** 4 4 ns 13*** 11* 9* 8+ 7*** 4 ns –4 ns 5 ns 6 ns 1 ns 2*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert. ns: nicht signifikant, *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001 (N = 515/517). 1 ns –4 ns –4 ns –4 ns 0 ns Beschwerden M1 10** –14*** –28*** M2 9* –14*** –26*** 12*** –6 ns 3 ns –5 ns –4 ns 0 ns 11 Tabelle A1.16: Zusammenfassende Modelle zum Gesundheitsverhalten logistische Regression, standardisierte Koeffizienten a nicht abstinent, aber kein Alkohol in der Berichtswoche M1 M2 M3 M1 M2 M3 M1 M2 M3 –12** –2 ns –2 ns 4 ns –2 ns –2 ns –1 ns –10 + –9 + 8* 4 ns 3 ns –11** –8 ns –7 ns –14*** –11* –11* + + ns –20*** –10 –10 –22*** –10 –8 ns –12** –8 ns –9 ns ns ns ns ns ns 5 4 –6 –5 1 0 ns ns ns ns ns –9* –10 –4 –9 –1 7 ns ns ns ns ns ns 5 17 0 3 1 8 ns ns ns ns ns ns 3 –16 –4 22 –2 –3 ns ns ns ns ns ns 0 8 4 12 –3 –1 ns ns ns ns ns ns 0 –14 1 –2 –3 –5 ns ns ns ns ns ns 2 0 4 4 –1 –1 ns ns ns ns ns ns –5 –5 5 6 –2 –2 ns ns ns ns 6 6 –13* –14* 3 3 ns ns ns ns ns ns 1 –7 –5 0 –7 –5 ns ns 38*** 39*** 11* 11* 6 6 ns ns ns –4 –4 –16*** –16** –20*** –19*** –5 ns –5 ns 7+ 7+ 6 ns 6 ns ns ns ns ns ns –6 –6 –2 –3 6 6 ns ns ns ns ns ns –6 –5 4 4 4 4 ns ns ns + 1 1 –12* –11* –10 –10 + Raucher Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Erwerbstätig (ja = 1) Physische Belastung b Psycho-soziale Belastung b Zeitdruck b Umfang der Arbeitszeit b Untypische Arbeitszeit b Über 10h Hausarbeit (ja = 1) Belastung durch Hausarbeit c Netzwerkgröße Netzwerkgröße H soz. Kapital Tabakkonsum im Netzwerk Alkoholkonsum im Netzwerk Sport im Netzwerk Hochkulturschema Trivialschema Spannungsschema Niedriges Prestige H Physische Belastung b H Psycho-soziale Belastung b H Zeitdruck b H Umfang der Arbeitszeit b H Untypische Arbeitszeit b umgepolte Netzwerkgröße H Belastungen durch Hausarbeit c R² bzw. ∆ R² 6*** 19*** Abstinente 2 ns –13 ns 20 + –10 ns 15 ns 6 ns –5 ns –28 ns –9 ns 4 ns –10 ns –9 ns 2 ns –3 ns 3 ns 4 ns 1 ns –7 + 2 ns 0 ns 0 ns 11*** 10** 6*** 6+ a Siehe Anmerkungen in Tabelle A1.2. b Nur für Erwerbstätige; Nichterwerbstätige = Mittelwert; Reduktion der Devianz ohne Interaktionseffekte im Modell. c Nur für Personen, die mindestens 10 Stunden pro Woche für die Hausarbeit aufwenden; andere = Mittelwert; Reduktion der Devianz ohne Interaktionseffekte im Modell. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. 12 Tabelle A1.17: Zusammenfassende Modelle zum Gesundheitsverhalten lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Tabakkonsum M1 M2 Alter –8 ns 2 ns ns Geschlecht (männlich = 1) 7 –2 ns Sozialer Status –23*** –4 ns Erwerbstätig (ja = 1) –8 ns Physische Belastung –3 ns Psycho-soziale Belastung 0 ns Zeitdruck 7 ns Umfang der Arbeitszeit –5 ns Untypische Arbeitszeit 12 + Über 10h Hausarbeit (ja = 1) –4 ns Belastung durch Hausarbeit –8 ns Netzwerkgröße 3 ns –4 ns Netzwerkgröße H soz. Kapital Tabakkonsum im Netzwerk 23*** Alkoholkonsum im Netzwerk 6 ns Sport im Netzwerk –11 + Hochkulturschema –26** Trivialschema –1 ns Spannungsschema 5 ns Niedriges Prestige H Physische Belastung H Psycho-soziale Belastung H Zeitdruck H Umfang der Arbeitszeit H Untypische Arbeitszeit Netzwerkgröße H Belastungen durch Hausarbeit R² bzw. ∆ R² 6*** 14*** Alkoholmenge M3 2 ns –3 ns –3 ns –7 ns –14 ns 10 ns 10 ns 26 ns 28 ns –3 ns –8 ns 3 ns –1 ns 20** 6 ns –11+ –27** –2 ns 8 ns M1 M2 3 ns 8 ns 30*** 36*** 11** 6 ns –9 + 5 ns 6 ns –5 ns 5 ns –2 ns 6 ns –3 ns 15*** 1 ns 8+ 28*** –4 ns 1 ns –5 ns –3 ns Sport M3 M1 M2 8 ns –14*** –6 ns 35*** –5 ns –4 ns ns 5 19*** 4 ns –9* 3 ns ns 14 –5 ns 32* –4 ns ns –22 –1 ns ns 20 0 ns ns –8 –3 ns ns 5 6 ns ns –4 –6 ns 14*** –2 ns ns 0 –2 ns + 8 –5 ns 28*** 2 ns ns –3 20*** 1 ns 4 ns ns –5 –7 + ns –2 18*** M3 –6 ns 4 ns 4 ns 4 ns –4 ns –10 ns 29* –6 ns –6 ns 6 ns –5 ns –2 ns –1 ns –5 ns 2 ns 21*** 3 ns –7 ns 17*** 11 ns –10 ns –4 ns –33+ –16 ns –10 ns –26* 17 ns –16 ns 7 ns –2 ns 5 ns –32** 7 ns 3 ns 0 ns 2 ns 2 ns 1 ns 10*** 13*** a Siehe Anmerkungen zu Tabelle A1.3 und A1.16. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. –3 ns 6*** 10*** 1 ns 13 Tabelle A1.18: Zusammenfassende Modelle zur Gesundheit lineare Regression, standardisierte Koeffizienten a Alter Geschlecht (männlich = 1) Sozialer Status Erwerbstätig (ja = 1) Physische Belastung Psycho-soziale Belastung Zeitdruck Umfang der Arbeitszeit Untypische Arbeitszeit Über 10h Hausarbeit (ja = 1) Belastung durch Hausarbeit Netzwerkgröße Netzwerkgröße H soz. Kapital Tabakkonsum im Netzwerk Alkoholkonsum im Netzwerk Sport im Netzwerk Hochkulturschema Trivialschema Spannungsschema Rauchen Nichtraucher (Ref.) 1-10 Zigaretten täglich 11-20 Zigaretten täglich 21 und mehr Zigaretten Alkoholkonsum Alkoholabstinenz Geringer Alkoholk. (Ref.) Mäßiger Alkoholkonsum Starker Alkoholkonsum Sportliche Aktivität Täglich (Ref.) Mindestens einmal/Woche Seltener Nie Niedriges Prestige H Physische Belastung H Psycho-soziale Belastung H Zeitdruck H Umfang der Arbeitszeit H Untypische Arbeitszeit Netzwerkgröße H Belastungen durch Hausarbeit R² bzw. ∆ R² SF-36: Gesundheit Beschwerden Körperlich Psychisch M1 M2 M3 M1 M2 M3 M1 M2 M3 –18*** –12* –12* 13*** 7 ns 8+ 10** 10* 9* 10** –1 ns –1 ns 4 ns 1 ns 1 ns –14*** –6 ns –6 ns 13*** 6 ns 6 ns 9* 4 ns 3 ns –28*** –19*** –17*** ns 15*** 16*** –2 –2 ns –9* –8* ns ns ns –5 –8 3 2 ns –1 ns –15 ns –14*** –4 ns –26*** –33** 20*** 14 ns ns ns ns –4 –4 –9* –18 4 ns 13 ns ns ns ns ns 8* 16 3 1 –5 –13 ns ns ns ns ns ns 0 –4 –4 8 –1 2 ns ns ns ns ns ns 1 1 –3 –2 2 2 ns –11** –11** –16*** –16*** 17*** 17*** –11** –12** 9* 9* 4 ns 4 ns ns ns ns ns + 0 –1 –1 0 –6 –6 + ns ns ns 0 0 –9* –10* 6 6 ns ns ns ns ns ns 1 1 –2 –2 –1 –1 ns ns ns ns ns ns 2 2 2 2 –2 –3 ns ns ns ns ns ns –3 –3 –3 –2 1 0 ns ns ns ns ns ns –3 –3 –6 –7 3 3 ns + + ns ns ns 8 8 –6 –5 –6 –7 ns –2 ns 4 ns 5 ns –2 ns 3 ns 5 ns –9* –9* 4 ns 0 ns 4 ns –1 ns –7 + –3 ns –2 ns –2 ns –12* –2 ns –2 ns –12* –1 ns 5 ns 2 ns 7*** 11*** –5 ns –6 ns –8* –5 ns –6 ns –8 + –11** –12** 3 ns 3 ns 13*** 13*** 5 ns 5 ns 9** 10** –7 + –3 ns 5 ns 2 ns 4 ns 2 ns –2 ns 4 ns 1 ns 1 ns 6 ns 6 ns 1 ns 6 ns 6 ns 3 ns –11 ns 1 ns –8 ns 4 ns 2 ns 8 ns 10 ns 3 ns –13 ns 15 ns 7 ns –10 ns 8 ns –4 ns 0 ns 0 ns –7* 2*** 18*** 1 ns 5 ns 1 ns 12*** 14*** a Alle Koeffizienten wurden mit 100 multipliziert; paarweiser Ausschluss fehlender Werte; siehe auch Anmerkungen zu Tabelle A1.16. ns: nicht signifikant, +: p ≤ 0,1; *: p ≤ 0,05; **: p ≤ 0,01; ***: p ≤ 0,001. 14 Anhänge B und C können direkt vom Verfasser bezogen werden.