Teil 6: Die kulturelle Kluft überbrücken

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Bibel-Studien-Kurs
6. Teil: Die kulturelle Kluft überwinden
12.05.2017
Teil 6: Die kulturelle Kluft überbrücken
I. Grundlegende Gedanken und Problematik
Wurde die Bibel von ausschließlich für die Menschen ihrer Zeit geschrieben, oder für Menschen aller
Zeiten? Gerne und sofort beantworten wir diese Frage mit: für alle! Aber können wir dies so ohne
Ausnahme sagen? Gibt es nicht doch einige Aussagen und Anwendungen der Schrift, die an ein
kulturelles Umfeld gebunden sind?
1. Die kulturelle Bedingung der Bibel
Natürlich ist die Bibel nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde von einer
bestimmten Person in einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Sprache
an eine bestimmte Gruppe, mit bestimmten Bräuchen und Gepflogenheiten
geschrieben. Deshalb müssen wir uns mit der sogenannten „kulturellen
Kluft“ befassen, die uns von der Zeit der Bibel trennt. Nach R. C. Sproul ist
dabei die entscheidende Frage:
Bibel-Leser-Kulturmodell
In welchem Ausmaß wird die Relevanz und die Autorität der Bibel
eingeschränkt durch Veränderungen menschlicher Strukturen und
Perspektiven? […]
Kurz gesagt: Je besser ich den jüdisch-römischen Kulturraum des 1.
Jahrhunderts verstehe, desto leichter fällt es mir, Texte aus dieser Zeit
richtig zu verstehen.1
Da nun die Bibel vor einer langen Zeit geschrieben wurde, ist es die
entscheidende Kunst, diese Kluft, die mich von der ursprünglichen
Kommunikationssituation trennt, zu überbrücken.
2. Die kulturelle Bedingung des Lesers
Diese ohnehin schon komplizierte Angelegenheit wird dadurch noch
verstärkt, dass auch der Leser der Bibel in einem bestimmten Kulturkreis,
mit bestimmten Bräuchen, einer bestimmten Sprache, etc. beheimatet ist.
Dieser Aspekt wird bei vielen Auslegern völlig missachtet! Jeder Bibelleser
liest di Bibel zwangsläufig durch seine eigene kulturell eingestellte Brille.
Dem Leser fällt es öfter schwer, die Aussage der Bibel zu verstehen, weil er
eine Vielzahl an außerbiblischen Annahmen an sie heranbringt. Jeder
Mensch hat diesen kulturellen „blinden Fleck“: Er nimmt sich selber nicht
vollständig wahr.
II. Ein Test zur Kultur: Ist die Aussage dauerhaft oder begrenzt?
Eine der wichtigsten Fragen für Bibelausleger ist, inwiefern Schriftstellen kulturbedingt sind. Sind einige
Stellen der Bibel durch ihren kulturellen Rahmen auf die damalige Zeit beschränkt und somit nicht auf
unsere Kultur übertragbar, oder ist alles, was wir in der Schrift lesen, auch für uns heute maßgebend?
Wenn manche Stellen auf diese Weise eingeschränkt sind, wie können wir dann bestimmen, welche auf
unsere Kultur übertragbar sind und welche nicht? 2
Du wirst das Problem schnell erkennen, wenn du den folgenden Test ausfüllst, kreuze nach jedem Satz
entweder „D“ (für dauerhaft) oder „B“ (für begrenzt) ein.
1. Einander mit heiligem Kuss Küssen (Römer 16,16)
D
B
2. Kein Fleisch essen, das den Götzen geopfert wurde (Apg 15,29)
D
B
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Robert C. Sproul: Bibelstudium für Einsteiger. Oerlinghausen: Betanien ²2015, S. 109.
Roy B. Zuck: Grundlagen der Schriftauslegung. Berlin: EBTC-Media 2015, S. 135.
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Sich taufen lassen (Apg 2,38)
Einander die Füße waschen (Joh 13,14)
Einander die rechte Hand der Gemeinschaft reichen (Gal 2,9)
Jemanden durch Handauflegung in ein Amt einsetzen (Apg 13,3)
Frauen sollen in der Gemeinde nicht sprechen (1.Kor 14,34)
Es sollen feste Gebetszeiten bestimmt werden (Apg 3,1)
Loblieder und geistliche Lieder singen (Kol 3,16)
Kein Blut essen (Apg 15,29)
Sklaven sollen ihren irdischen Herren gehorsam sein (Eph 6,5)
wir sollen am Gedächtnismahl teilnehmen (1.Kor 11,24)
Nicht schwören (Jak 5,12)
Die kranken mit Öl salben (Jak 5,14)
Frauen sollen nicht Männer lehren (1.Tim 2,12)
Christen sollen zu zweit ausgesandt werden (Mk 6,7)
In jüdische Synagoge gehen und predigen (Apg 14,1)
Frauen sollen sich nicht mit Haarflechten, Gold oder Perlen schmücken
Keine Ehe anstreben (1Kor 7,26)
In Sprachen reden und weissagen (1.Kor 14,5)
Gemeindetreffen im Haus von Gläubigen abhalten (Kol 4,15)
Sandalen tragen, aber keine zwei Unterkleider (Mk 6.9)
Ungesäuertes Brot zum Gedächtnismahl nehmen (Luk 22, 13.19)
Das Los werfen, um Gläubige in ein Amt einzusetzen (Apg 1,26)
Niemandem etwas schuldig sein (Röm 13,8)
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III. Die kulturelle Kluft überbrücken
1. Politischer Aspekt
a. Warum spricht Paulus in Philipper 3,20 vom „himmlischen Bürgertum“ seiner Leser?
b. Warum ging Boas zum Stadttor, um mit Ältesten über Naomis Land zu reden? (Ruth 4,1)
c. Warum wollte Jona nicht in die Stadt Ninive gehen?
2. Religiöser Aspekt
a. Warum brachte Gott zehn Plagen über Ägypten, und wieso gerade diese Plagen?
b. Warum schlug Elia den Berg Karmel als Ort vor, an dem er gegen die 450 Baalspropheten
antreten wollte?
c. Warum schreibt Paulus in Kolosser 2,3, dass Christus das Geheimnis Gottes ist, „in dem
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6. Teil: Die kulturelle Kluft überwinden
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verborgen sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis“, und in Vers 9: „In ihm wohnt die
ganze Fülle Gottes leibhaftig“?
3. Häusliches Leben
1. War es nicht unhöflich, dass Johannes sich beim Gedächtnismahl an Jesus anlehnte (Joh 13,23)?
2. Warum sagte der Mann in Lukas 9,59, dass er zuerst seinen Vater begraben wolle, bevor er Jesus
nachfolge?
3. Warum sagte Hiob: „Weshalb kamen Knie mir entgegen“ (Hiob 3,12)?
4. Architektur
1. Wie konnte sich Rahabs Haus in der Stadtmauer befinden? (Josua 2,15)
2. Wie konnten vier Männer einen Gelähmten durch ein Dach hinunterlassen? (Markus 2,1-12)
5. Sozialwesen
1. Warum warfen Menschen zur Zeit der Bibel manchmal Staub auf ihr Haupt? (Hiob 2,12; Kla
2,10; Hes 27,30; Off 18,19)
2. Warum sagte Jesus den Jüngern, dass sie niemanden auf dem Weg grüßen sollten? (Luk 10,4)
IV. Fundamentale und allgemeingültige Regeln3
1. Beachte den unmittelbaren Kontext der Stelle
Oftmals werden kulturelle Unklarheiten durch den Kontext der Stelle selber erklärt. Warum
lange in Büchern suchen, wenn es eigentlich schon dasteht? Zum Beispiel wundern sich die
Pharisäer in Matthäus 15,2 darüber, dass sich Jesu Jünger nicht die Hände vor dem essen
waschen. Seltsame Kerle, diese Jünger: kennen sie keine Hygiene? Warum stören sich die Juden
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Diese Regeln sind zusammengefasst aus: Robert C. Sproul, S. 114-119 und Robertson McQuilkin:
Understanding and Applying The Bible. Chicago: Moody Publishers ³2009, S. 115-116.
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so daran? Markus 7,3-4 zeigt als Parallelstelle die Spannung auf: es handelt sich um ein
religiöses Ritual, dass die Jünger missachten.
2. Suche die Lösung in der ganzen Bibel
Richter 11,30-40 erzählt eine äußerst seltsame Geschichte über Jephta. Er kämpft gegen die
Ammoniter und gibt Gott im Falle eines eintretenden Sieges ein für unsere Verständnisse
unfassbares Gelübde. Wenn er nach Hause kommt, will er alles was aus seiner Haustüre kommt
als Brandopfer darbringen. Eid oder kein Eid: Es scheint ungeheuerlich, dass ein Vater seine
eigene Tochter opfern würde. Wir sehen jedoch an mehreren Stellen der Bibel, dass es so
frevelhafte Zeiten in Israel gab, in denen Eltern ihre Kinder opferten, was Gott ein Gräuel war.
(3Mo 18,21, 20, 2-5; Ps 106,37) So unfassbar es klingt, damit ist der sündige Brauch aufgedeckt.
3. Die Schöpfungsordnung ist absolut und kulturunabhängig
Bei ungewissen Dingen ist es immer hilfreich, wenn es absolute und nicht verrückbare
Voraussetzungen gibt, an denen man sich orientieren kann. Wir brauchen Leuchttürme, die
uns sichere Wegweiser sind. So ein Leuchtturm in der Frage nach Kulturabhängigkeit ist
für den Bibelleser der Schöpfungsbericht. R. C. Sproul kommentiert:
Biblische Prinzipien, die niemals kulturelle angepasst werden, sind jene Prinzipien, die auf
der Schöpfungsordnung basieren.4
In einigen „schweren“ Fragen unserer Zeit, besonders bezüglich der Stellung der Frau, wird
uns diese Regel eine sichere Hilfe sein:
- „Sind die strengen biblischen Regularien der Ehescheidung in unserer heutigen Kultur
nicht völlig überholt? Die Juden haben es früher so gesehen.“
Antwort: „Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer die Menschen am Anfang
als Mann und Frau erschuf und sprach: ‚Darum wird ein Mensch Vater und
Mutter verlassen […]‘ Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch
nicht scheiden.“ (Mat 19,4-5)
- „Dass Frauen nicht lehren dürfen ist völlig überholt! Sowas kann man heute einfach
nicht mehr sagen, Frauen werden damit diskriminiert. In Paulus‘ Kultur war es so.“
Antwort: „Ich erlaube aber einer Frau nicht, zu lehren noch über den Mann zu
herrschen, sondern still zu sein, denn Adam wurde zuerst gebildet, danach Eva,
und Adam wurde nicht betrogen, die Frau aber wurde betrogen und fiel in
Übertretung.“ (2Tim 2,12-14)
4. Im Zweifel, sei demütig
Wenn ich mir alle Mühe gegeben habe und sowohl innerbiblisch, als auch durch äußere
Quellen herangezogen habe und trotzdem keine Sicherheit erlangt habe, was tue ich dann?
Was ist, wenn weder das eine, noch das andere klar ist?
Wenn das Prinzip der Demut ohne die anderen genannten Regeln angewendet wird, kann es
leicht als Begründung für Gesetzlichkeit missbraucht werden. Wir haben kein Recht, das
Gewissen von Christen zu beherrschen, wo Gott Freiheit gegeben hat. [Dieses Prinzip] ist
dort anzuwenden, wo wir eine biblische Anweisung finden, bei der unklar bleibt, ob sie
allgemeingültig oder kulturell bedingt ist, nachdem alle möglichen Methoden der Exegese
ausgeschöpft sind.5
V. Ausblick und Aufgaben
- Bearbeite „Architektur“ und „Sozialwesen“ (im Skript); lies „Bibellesen mit Gewinn“, S. 261-288.
- Nächstes Treffen: 02.06.2017 um 20.00 Uhr
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Robert C. Sproul, S. 117.
Ebd., S. 119.
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