Statistische Thermodynamik II Lösungen zur Serie 10

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Statistische Thermodynamik II
Lösungen zur Serie 10
Fermidruck, Neutrinostrahlung
30.
November2016
2015
28, November
1. Werte die in der Vorlesung hergeleiteten allgemeinen Ausdrücke µ(T ), E(T ) und
p
CV (T ) in der Sommerfeld-Näherung für die Zustandsdichte ⇢(✏) / ✏ freier, nichtrelativistischer Teilchen aus. Interpretiere die Resultate und skizziere die Temperaturabhängigkeiten.
Die in der Vorlesung hergeleiteten Resultate für µ(T ), E(T ) und CV (T ) lauten:
⇡ 2 ⇢0 (✏F )
(kB T )2
6 ⇢(✏F )
µ(T ) = ✏F
⇡2
V ⇢(✏F )(kB T )2
6
@E(T )
⇡2
2
CV =
=
V ⇢(✏F ) kB
T.
@T
3
E(T ) = E0 +
Es sei nun anhand der Aufgabenstellung ⇢(✏) = A✏1/2 . Dann gilt bei T = 0
Z ✏F
2
2
3/2
N =V
d✏ ⇢(✏) = V A✏F = V ⇢(✏F )✏F .
3
3
0
p
Diese Gleichheit für T ! 0 bzw. ✏ ! ✏F und die Annahme ⇢(✏) / ✏ legen ⇢(✏) fest:
r
3 N
✏
⇢(✏) =
.
2 V ✏F ✏F
Mit diesem konkreten Ergebnis für ⇢(✏) kann der Ausdruck ⇢0 (✏F )/⇢(✏F ) in der Gleichung für µ(T ) bestimmt werden:
⇢0 (✏F )
⇢0 (✏)
=
⇢(✏F )
⇢(✏)
=
✏=✏F
1
.
2✏F
Dies in die Gleichung von µ(T ) eingesetzt führt zum Resultat
✓
◆ !
⇡ 2 kB T 2
µ(T ) = ✏F 1
12
✏F
und mit der Approximation ⇢(µ) = ⇢(✏F ) + O((kB T /✏F )2 ) ergibt sich schliesslich
E(T ) = E0 +
⇡ 2 kB T
N kB T ,
4 ✏F
CV (T ) =
⇡ 2 kB T
N kB ,
2 ✏F
wobei E0 die Grundzustandsenergie bzw. die Gesamtenergie des Systems im Grundzustand bezeichnet (Aufgabe 3b)
3
E0 = N ✏ F .
5
1
m HTL
EHTL
eF
exakt
ap p rox
exakt
ap p rox
klassisch
E0
kB T
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
CV HTL
3
2
kB T
0.5
eF
1
1.5
eF
N kB
exakt
ap p rox
klassisch
0.5
1
1.5
kB T
eF
In den Diagrammen sind die exakten Kurven sowie die eben hergeleiteten Näherungen, die für sehr kleine Energien kB T ⌧ ✏F gelten, dargestellt. Wie man deutlich
erkennen kann, sind die hergeleiteten Näherungen nur bis zu ca. 10% der Fermienergie ✏F gültig, d.h. kB T /✏F . 0.1. Für die exakten Lösungen müssen numerische
Methoden hinzugezogen werden (Aufgabe 2).
Die Energieapproximation erklärt sich grob wie folgt: Nur der Bruchteil O(kB T /✏F )
aller N Teilchen kann thermisch über die Grundzustandsenergie E0 angeregt werden
mit einer zusätzlichen Energie von im Mittel O(kB T ).
Gegenüber dem klassischen Ausdruck für die spezifische Wärmekapazität CV =
3
2 N kB T kann das Fermigas bei sehr niedrigen Temperaturen (temperaturabhängig)
nur viel weniger Wärme aufnehmen, dies geschieht normiert auf den angeregten
Bruchteil kB T /✏F der Teilchen. Da diese Teilchen bereits angeregt sind, können sie
wesentlich weniger Wärme aufnehmen als hätten sie die klassische, linear abnehmende Energie. Bei höheren Energien nähert sich der exakte Ausdruck der Energie und
der spezifischen Wärmekapazität jeweils wieder dem klassischen Verhalten an.
2. Reproduziere numerisch die exakten Funktionen für µ(T ), E(T ) und CV (T ).
Aus Serie 9 wissen wir, dass die mittlere Anzahl von Fermionen in einem Einteilchenzustand beschrieben wird durch
1
hn(✏)i = (✏ µ)
.
e
+1
Aus Aufgabe 1 kennen wir die Zustandsdichte für freie nicht-relativistische Teilchen
r
3 N
✏
⇢(✏) =
.
2 V ✏F ✏F
2
Wir betrachten nun einzeln und im Detail die drei Funktionen µ(T ), E(T ) und
CV (T ):
• Wir konzentrieren uns zuerst auf die Funktion µ(T ) und erhalten für die Teilchenzahlgleichung mit Hilfe der genannten Gleichungen für hn(✏)i und ⇢(✏)
Z 1
N
=
d✏ ⇢(✏)n(✏) ,
V
0
r
Z 1
3 N
✏
1
=
d✏
,
(✏
µ) + 1
2 V ✏F ✏F e
0
r
Z 1
3 1
✏
1
1 =
d✏
.
✏ µ
2 ✏ F ✏ F e kB T + 1
0
Mit der Annahme dass N/V konstant bleibt, wenn wir die Temperatur ändern,
ergibt sich eine Temperaturabhängigkeit des chemischen Potentials µ(T ). Allerdings können wir die Gleichung nicht analytisch nach µ(T ) auflösen. Jedoch
wissen wir, dass bei T = 0 die Bedingung µ = ✏F gelten muss,
✓ ◆3
r
r
Z 1
Z µ
3 1
✏
3 1
✏
µ 2
T =0
1 =
d✏
✓(µ ✏) =
d✏
=
.
2 ✏F ✏F
2 ✏F ✏F
✏F
0
0
Zum Schluss möchten wir die ursprüngliche Gleichung für eine allgemeine Temperatur T gerne in Einheiten der Fermienergie auszudrücken, d. h. wir normieren alle Energieskalen mit ✏F und es ergibt sich
r
Z 1
d✏ 3
✏
1
1=
.
(1)
✏F
✏F 2 ✏F e kB T e ✏✏Fµ + 1
0
Damit ist die nun gesuchte Grösse µ(T )/✏F dimensionslos und eignet sich, deren Temperaturabhängigkeit graphisch darzustellen.
Um die Funktion µ(T )/✏F zu zeichnen, geben wir ein bestimmtes T , genauer
kB T /✏F , vor und fragen nach dem µ/✏F , welches im Integral stehen muss, damit die Gleichung (1) erfüllt ist. Dies kann dann für beliebige kB T /✏F getan
werden und wir erhalten so die gewünschte Funktion µ(T )/✏F . Mit Hilfe von
Mathematica oder einem ähnlichen Programm lassen sich solche numerische
Integrationen einfach durchführen. Die Fermienergie ✏F muss in einem numerischen Integral natürlich auch in einer expliziten Form vorgegeben sein. Es gilt
wie oben gezeigt µ(T = 0)/✏F = 1. Die exakte Lösung kann schliesslich noch
mit der Näherung
✓
◆
✓
◆ !
µ(T )
⇡ 2 kB T 2
kB T 4
=1
+O
✏F
12
✏F
✏F
bei kleinen Temperaturen kB T /✏F ⌧ 1 verglichen werden. Damit ist die Figur
für µ(T ) in Aufgabe 1 reproduziert.
• Die zweite gesuchte Funktion ist die Energie E(T ) pro Teilchen, welche in unserer Normierung für ⇢(✏) durch die Energiedichte
Z 1
N
E(T ) =
d✏ ✏⇢(✏)hn(✏)i
V
0
3
gegeben ist. Auch hier wird die Energie in Einheiten der Fermienergie ausgedrückt und wir erhalten die dimensionslose Grösse
✓ ◆
Z 1
E(T )
d✏ 3 ✏ 3/2
1
=
.
(2)
✏F
✏ µ
✏F
✏
2
✏
F
F
0
e k B T e ✏F + 1
Um E(T )/✏F für eine vorgegebene Temperatur zu erhalten, müssen wir zuerst
µ(T )/✏F finden, welches wie oben beschrieben durch numerische Integration und
Lösen der Gleichung (1) bestimmt wird. Damit berechnet man das Integral in
Gleichung (2) numerisch und erhält E(T )/✏F . Auch dieses Resultat wurde in
Aufgabe 1 mit einer Näherung
✓
◆
✓
◆ !
E(T )
E0 ⇡ 2 k B T 2
kB T 4
=
+
+O
✏F
✏F
4
✏F
✏F
verglichen, wobei E0 die Grundzustandsenergie angibt. Diese umgeschrieben
und in Einheiten von ✏F angegeben führt auf
◆
✏ 3/2
✓(µ
✏F
0
✓ ◆
Z µ=✏F
d✏ 3 ✏ 3/2
=
✏F 2 ✏F
0
Z 1
3
3
=
dx x3/2 = .
2
5
0
E0
=
✏F
Z
1
d✏ 3
✏F 2
✓
✏)
Zusätzlich ist in der dazugehörigen Figur in Aufgabe 1 noch die bekannte klassische Lösung
E(T )
3 kB T
=
✏F
2 ✏F
dargestellt, welche erst bei höheren Temperaturen eine genügend gute Approximation ist.
• Schliesslich noch die Untersuchung der spezifischen Wärmekapazität CV (T ) pro
Teilchen, welche durch
cV = CV /N =
@E(T )
@T
= kB
V
@E(kB T )
@(kB T )
= kB
V
@E(kB T )/✏F
@(kB T /✏F )
V
definiert ist. Die natürliche Einheit für cV ist also kB und damit ist cV /kB
dimensionslos. Verwenden wir für E(T ) den Ausdruck aus Gleichung (2) ergibt
sich
✓ ◆
Z 1
cV (T )
@
d✏ 3 ✏ 3/2
1
=
.
(3)
✏F
✏ µ
kB
@(kB T /✏F ) 0 ✏F 2 ✏F
e k B T e ✏F + 1
Das Integral ist nichts anderes als die Energie E(T ), welche wir schon berechnet
haben. Es empfiehlt sich eine numerische Ableitung durchzuführen, da wir nicht
nur explizite Abhähngigkeiten von T haben, sondern auch das chemische Potential wegen Gleichung (1) bei festgehaltener Dichte N/V temperaturabhängig
4
ist. Dazu wählen wir einen genügend kleinen Temperaturunterschied
halten eine Approximation für die Ableitung durch
@E(x)
E(x)
'
@x
E(x +
)
und er-
.
Die Näherung von cV (T ) für kleine Temperaturen ist aus Aufgabe 1 bekannt
✓
◆ !
⇡ 2 kB T
kB T 3
cV (T )/kB =
+O
2 ✏F
✏F
und der klassische Ausdruck lautet cV (T )/kB = 3/2.
3. Fermidruck:
(a) Berechne den Druck eines nicht-relativistischen Fermigases.
Der Druck eines nicht-relativistischen Gases mit ✏p / p2 beträgt
P (T, V, N ) = 2E(T, V, N )/3V . Damit gilt für ein nicht-relativistisches Fermigas
P (T, V, N ) =
2E(T, V, N )
2E0 (V, N ) ⇡ 2 N kB T kB T
=
+
,
3V
3V
6 V
✏F
wobei E0 die Gesamtenergie des Systems im Grundzustand ist.
(b) Berechne die mittlere Energie pro Teilchen im Grundzustand für die Zustandsp
dichte ⇢(✏) / ✏.
p
Für ⇢(✏) / ✏ haben wir in Aufgabe 1 bereits berechnet, dass
r
3
✏
⇢(✏) =
.
2✏F ✏F
Damit erhalten wir die mittlere Energie pro Teilchen im Grundzustand wiefolgt:
Z ✏F
E0 (V, N )
3
=
d✏⇢(✏)✏ = ✏F .
N
5
0
(c) Bestimme den Druck des Fermigases für T ! 0.
Im Gegensatz zum idealen klassischen Gas oder zum idealen Bosegas geht der
Druck des Fermigases für T ! 0 nicht gegen Null, sondern gegen den endlichen
Wert
2N
(3⇡ 2 )2/3 ~2
PFermi = P (0, V, N ) =
✏F =
,
5V
5
mv 5/3
welcher als Fermidruck bezeichnet wird. Der Fermidruck ist verantwortlich für
die relative Inkompressibilität von flüssiger und fester Materie.
(d) Wie gross ist der Fermidruck in einem typischen Metall?
Für typische Metalle ist die Grössenordnung der Fermienergie O(1eV) und diejenige von v 1/3 typischerweise O(10 10 m). Damit erhält man einen Fermidruck
der Grössenordnung O(1029 eV/m3 = 1010 Pa = 105 bar).
3
Als Beispiel hat man für Kupfer v = V /N = 12Å . Mit der Masse me eines
Elektrons erhält man PFermi = 3.7 · 1010 Pa.
5
4. Bei der Herleitung der Planckschen Strahlungsformel war essentiell, dass Photonen
Bosonen sind. Wir wollen nun dieselbe Rechnung für Neutrinos durchführen. Wie die
Photonen sind Neutrinos praktisch masselos, d.h. wir können E = ~! benutzen. Zudem haben die Neutrinos zwei ’Polarisationen’, da es Neutrinos und Anti-Neutrinos
gibt. Allerdings sind die Besetzungszahlen für die Neutrinos nur n(~k) 2 {0, 1}, da es
sich um Fermionen handelt.
(a) Berechne die 1-Teilchen-Zustandssumme für Neutrinos.
Da Neutrinos Fermionen sind, gilt für diese Teilchen das Ausschliessungsprinzip
von Pauli, wonach jede Anregungsmode höchstens einmal besetzt sein darf, d. h.
n(~k) 2 {0, 1}. Damit haben wir für die kanonische 1-Teilchen-Zustandssumme
Z(~k) =
1
X
exp(
n(~k)~|~k|c) = 1 + exp(
~|~k|c) .
n(~k)=0
(b) In Analogie zur Rechnung mit den Photonen leite das Analogon zur Planckschen
Strahlungsformel für Neutrinos her, d.h. die Verteilung der Energiedichte pro
Frequenzintervall d⇢(!)/d! als Funktion der Temperatur T .
Als erstes berechnen wir die mittlere Energie eines Neutrinos:
hn(~k)E(~k)i =
1
X
1
n(~k)E(~k) exp(
Z(~k)
n(~k)~|~k|c) =
n(~k)=0
~|~k|c
.
exp( ~|~k|c) + 1
Der einzige Unterschied zur entsprechenden Formel für die Photonen ist das
+-Zeichen im Nenner, an Stelle des -Zeichens. Durch den Vergleich mit der
entsprechenden Rechnung fr Photonen erhalten wir die Plancksche Strahlungsformel für Neutrinos,
d⇢(!)
1
~! 3
= 2 3
.
d!
⇡ c exp( ~!) + 1
(c) Integriere d⇢(!)/d! über alle Frequenzen und leite das Analogon zum StefanBoltzmann-Gesetz für Fermionen her.
Unter Benutzung der angegebenen Integrale erhält man
Z 1
4T4
7⇡ 2 kB
1
~! 3
⇢= 2 3
d!
=
.
⇡ c 0
exp( ~!) + 1
120~3 c3
(d) Berechne die Teilchenzahldichte n = hN i/L3 für Neutrinos.
Die Rechnung funktioniert analog zu derjenigen für die Photonen. Zuerst berechnen wir die mittlere Besetzungszahl pro Mode:
hn(~k)i =
1
X
1
n(~k) exp(
Z(~k)
n(~k)=0
n(~k)~|~k|c) =
1
.
exp( ~|~k|c) + 1
Dieses Resultat können wir nun über alle Impulse ~k integrieren und erhalten
✓
◆
Z 1
1
!2
3⇣(3) kB T 3
n= 2 3
d!
= 2 3
.
⇡ c 0
exp( ~!) + 1
2⇡ c
~
6
(e) Im frühen Universum muss entsprechend der kosmischen Hintergrundstrahlung
der Photonen eine kosmische Neutrino-Hintergrundstrahlung entstanden sein.
Die in der nächsten Aufgabe zu berechnende Temperatur der Strahlung beträgt
T⌫ = 1.96 K. Wie viele Neutrinos existieren folglich in unserem Universum pro
cm3 ?
Wenn wir die Temperatur T⌫ = 1.96 K in der Formel oben einsetzen, erhalten
wir die Anzahl Neutrinos pro Volumen,
n ' 116 cm
3
.
U. Wenger
7
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