COVERTHEMA INGENIEURHOLZBAU Die Open Academy beeindruckt nicht nur durch ihre ungewöhnliche Gebäudeform, sondern auch als reiner Holzbau. „Eine besondere Herausforderung war der enorm straffe Bauzeitplan, sowie die damit verbundene Fertigungs-, Transport- und Baustellenlogistik.“ Kay Hartmann, Projektkoordinator KLH UK 14 8|2012 ein Zentrum des Lernens geschaffen, das das Gemeinschaftliche widerspiegelt, andererseits öffnet sich das Gebäude durch die von zahlreichen Fenstern durchbrochene Fassade nach außen. Konzentrischer Grundriss Das Zentrum des Gebäudes bildet ein Atrium, um das über drei Stockwerke offene Balkone und fliegende Treppenaufgänge angeordnet sind. Es hat in seiner weitesten Ausdehnung einen Durchmesser von 71 m. Überdacht wird es durch eine Kuppel in 18 m Höhe, die durch Dachfenster durchbrochen ist. Architektonisch und ingenieurtechnisch bemerkenswert ist die doppelte Wölbung des Kuppeldachs. Die weiteren Gebäudeteile sind ähnlich wie Laufbahnen in einem Sportstadion um das zentrale Forum angeordnet: Ganz außen sind die Lehrsäle untergebracht, die alle durch bodentiefe Fenster optimal mit Tageslicht versorgt sind. Im mittleren „Ring“ befinden sich diverse Nebenräume. Die Turnhalle ist in einem ei- © Fotos: Sheppard Robson & Kier Group D as Norfolk County Council als Bauherr wünschte sich ein Schulhaus, das ein „attraktives und anregendes Lernumfeld“ für seine Schülerinnen und Schüler bietet und das auch die Offenheit, für die die Schule steht, nach außen zeigt. Der Entwurf des Londoner Architekturbüros Sheppard Robson erfüllt all diese Anforderungen auf ideale Weise. Diese „school in the round“, wie sie die Architekten bezeichnen, bricht mit klassischen Vorstellungen von Schulgebäuden und vereint laut den Planern vor allem zwei Aspekte: Durch die ovale Form wird einerseits coverthema open academy Holz macht Schule Schulriese Rund, modern, hell – so präsentiert sich die Open Academy in Norwich, in der Nähe von London, die knapp 1.000 Schülerinnen und Schüler besuchen. Der moderne Holzbau mit seinem unkonventionellen, ovalen Grundriss ersetzt ein bestehendes Schulgebäude aus den 1960er-Jahren. Die Akademie ist bis dato das größte Kreuzlagenholzprojekt in Großbritannien. Von Cornelia Kühhas genen, rechteckig ausgeführten Gebäudekomplex untergebracht. Insgesamt umfasst das Schulgebäude 9.500 m2. Größtes Schulgebäude aus Holz in Großbritannien Die Open Academy ist ein reiner Holzbau, abgesehen von einigen Stahlträgern. Englands bislang größter Kreuzlagenholzbau wurde mit österreichischer Beteiligung errichtet. Die Firma Wiehag GmbH lieferte die unterspannten Bogenträger sowie die Baumstützen der spektakulären Wellenbrücke jeweils inklusive der Stahlteile als Verbindungselemente. Alle Brettsperrholzplatten – rund 3.600 m3 – wurden im Werk der KLH Massivholz GmbH in der Steiermark gefertigt und in 70 Lkw-Zügen nach Norwich transportiert. Die Tochterfirma in London, KLH UK, zeichnet für die Projektkoordination, die Planung sowie die Überwachung des Baus vor Ort verantwortlich. Brettsperrholz bietet viel Gestaltungsfreiraum in der architektonischen Umsetzung. So war es auch für die geschwun- genen Formen des Gebäudes das ideale Baumaterial: Die CLT-Elemente wurden für lasttragende Wände, Fußböden und Deckenplatten eingesetzt. Bis zu 7,5 m erstrecken sich die Böden aus 230 mm starkem Brettsperrholz ohne Stützen. Bei größeren Spannweiten werden sie durch Brettschichtholzträger unterstützt. Zwölf dieser Träger wurden auch beim Bau der gewölbten Kuppel über dem Atrium eingesetzt. Elemente von 600 x 300 mm überspannen 28 m. An den Enden werden sie vertikal durch Stahlschwellen und horizontal mit BSP-Platten fixiert. „Die Bogenträger wurden in zwei Teilen angeliefert und hatten einen verdeckten Firststoß“, berichtet Johannes Rebhahn von Wiehag. „Eine besondere Herausforderung waren die Baumstützen der Wellenbrücke, weil die doch hohen Kräfte mit der organischen Form – schlanke Querschnitte mit Ausrundungen – zu kombinieren waren. Außerdem war gefordert, dass alle Stahlteile unsichtbar bleiben und trotzdem leicht montierbar sind.“ > 8|2012 15 COVERTHEMA INGENIEURHOLZBAU 1 Die Klassenräume befinden sich im äußeren Gebäudeteil. Sie sind von Tageslicht durchflutet und bieten eine angenehme Lernatmosphäre. 1 3 2 2 Das Zentrum des Schulhauses bildet ein Atrium, um das die weiteren Gebäudeteile wie Laufbahnen in einem Sportstadion angelegt sind. 3 Das Zentrum des Schulhauses bildet ein Atrium, um das die weiteren Gebäudeteile wie Laufbahnen in einem Sportstadion angelegt sind. > 18 Wochen Bauzeit Beeindruckend ist auch die kurze Bauzeit: In nur 18 Wochen wurde das Gebäude in seiner Grundstruktur errichtet – mit zwei Kränen, ganz ohne Baugerüste. Laut Bauunternehmen Kier Eastern dauerte es nur vier Tage, um die wetterfeste Gebäudehülle der 600 m2 umfassenden Sporthalle mit CLT-Holz aufzubauen, inklusive fast gänzlich vorgefertigter Innenwände und Decken. Und das mit nur vier Arbeitern vor Ort. Dieser Zeitplan wäre in einer anderen Bauweise nicht einzuhalten gewesen, sind sich die beteiligten Ingenieure sicher. Daten & Fakten: Standort: Open Academy, www.open-academy.org.uk Architekt: Sheppard Robson, www.sheppardrobson.com Bauherr: Norfolk County Council Holzbau/Vorfertigung: Wiehag GmbH Holzsysteme & Holzbau, www.wiehag.com; KLH Massivholz GmbH, www.klh.at; KLH UK Ltd., www.klhuk.com Bauunternehmer: Kier Eastern, www.kier.co.uk Konstruktion: Tragsystem BSH, BSP-Konstruktion Tragwerksplanung: Ramboll UK, www.ramboll.co.uk Nettogeschoßfläche: 9.500 m2 Bauzeit: Baubeginn April 2009, Eröffnung September 2010 Baukosten: 20 Mio. engl. Pfund 16 8|2012 Nachhaltigkeit großgeschrieben Von allen am Bau beteiligten Firmen wird die Ökobilanz der Open Academy hervorgehoben: Kier Eastern hat berechnet, dass im Bauholz des Schulgebäudes 2.700 t CO2 gespeichert sind. Die Holzelemente sind hoch wärmeeffizient und mit 5 m3 / h/m2 extrem luftdicht. Da das Holzgebäude relativ leicht ist, reichten Streifenfundamente mit punktuellen Verstärkungen aus – hier konnte also auch der Einsatz von Beton minimiert werden. Selbstverständlich werden auch beim Betrieb des Gebäudes umweltfreundliche Technologien eingesetzt: Regenwasser wird für die Toilettenspülung verwendet, Photovoltaikelemente tragen zur Stromversorgung bei und geheizt wird mit Biomasse.