GENDER IN DER FRIEDENS- UND KONFLIKTFORSCHUNG Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel Aufbau der Vorlesung 1. 2. 3. 4. Einführung in Begrifflichkeiten und Konzepte von Gender Darstellung von Genderkonzepten in den Sozialwissenschaften und der FuK Beispiel: Genderdynamiken in Bürgerkriegen Beispiel: Genderdynamiken in Wissenschaft und Praxis Begriffsbestimmung und Konzepte Begriffsbestimmung Gender (engl.) bezeichnet das soziale und kulturelle Geschlecht einer Person im Unterschied zum biologischen Geschlecht (sex). Gender ist die sozial und kulturell ausgehandelte Interpretation von Geschlecht, d.h. was man in einem bestimmten Kontext unter Mann und Frau, oder männlich und weiblich, versteht. Zusammensetzung von Gender Engels 2008 / Harding 1986 Soziale Konstruktion von Gender „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Simone de Beauvoir) Trifft in gleichen Masse auf Maskulinität zu. Clip: Masculinity in Disney Films Frage: Welche stereotypischen Männer/Frauenbilder werden produziert und reproduziert? Genderbeziehungen 1. 2. 3. 4. 5. Binär, dualistisch und polarisiert Relational und oppositional Hierarchisch Heterogen und multidimensional Prozesshaft und variabel (Engels 2008, S. 10) Gender in den Sozialwissenschaften und der Friedens- und Konfliktforschung Das Gender-Konzept in den Sozialwissenschaften (FuK) Ist in der sozialwisschenschaftlichen Forschung Gender nur eine Variable neben anderen? Untersucht Gender nur die unterschiedlichen Rollen von Männern und Frauen? Ist Gender messbar? Gender als Kritik herrschender Diskurse Skepsis über herrschende Wissenschaftstheorien Vorwurf: androzentrisch Mainstream = malestream Kritik an Macht und Herrschaftsstrukturen Argument: Wissen und Wissenschaft sind immer sozial und historisch situiert, d.h sie können abhängig von der Person des Wissenschaftler/der Wissenschaftlerin zu verschiedene Aussagen führen Unterschiede in Untersuchungsgegenstand, Methode und Ergebnis Feministische Forschungsagenden in der FuK Malestream Forschungsagenda Feministische Forschungsagenda Staatliche Ebene, ‚high politics‘ Individuelle, soziale Ebene Öffentliche Gewalt Öffentliche und häusliche Gewalt, keine Trennung öffentlich / privat Trennung Krieg/Frieden Keine Trennung Krieg/Frieden Neutrale Individuen als Akteure Genderspezifische Akteure/Akteurinnen in sozialen und historischen Kontexten Meist positivistische Forschungsdesings Oft interpretative Ansätze ‚apolitisch‘, doch Verstetigung des Malestreams Emanzipatorisch Genderkonzepte in der FuK (Harding, 1986) POSITV KONNOTIERT – NEGATIV KONNOTIERT Männlich - Weiblich Öffentlich - Privat Aggressiv - Friedlich Konflikt - Kooperation Rational - Emotional Stark - Schwach Aktiv - Passiv Macht - Ohnmacht Täter - Opfer Beschützer – Beschützte (‚Frauen&Kinder‘) Genderdynamiken in Bürgerkriegen Maskulinität und Bürgerkriege (Schäfer 2009) Sozial Konflikte als Motivation zur Teilnahme: Unzufriedenheit junger Männer mit lokalen Machtstrukturen, Landrecht, hohe Brautpreise, Armut, Arbeitslosigkeit, usw. Koloniales Erbe militarisierter Männlichkeit Manipulation von Geschlechterstereotypen: Starke Krieger Schutzbedürftige Frauen und Mütter Sexualisierte Gewalt Frauen = Trägerinnen und Hüterinnen kollektiver Identitäten Frauen = symbolische Ziele von Gewalt in (Bürger)Kriegen Bush wives / Sexsklavinnen Sexuelle vs. sexualisierte Gewalt Strategische Kriegswaffe, kein ‚Kavaliersdelikt‘ (ICTR/ICTY) Sexualisierte Gewalt Clip: The Greatest Silence: Rape in the Congo (Lisa F. Jackson) Sexualisierte Gewalt Ziele: Symbolische Eroberung und Unterwerfung des feindlichen Terrain (= Frauenköper) Zerstörung der reproduktiven Fähigkeiten einer Nation/ethnischen Gruppe Verbreitung der eigenen ethnischen Gruppe/Gene Erniedrigung der Männer in ihrer Rolle als Gatten und Beschützer Nicht sexuelle Befriedigung, sondern Demonstration von Macht Sexualisierte Gewalt Folgen: Stigma, Schweigen Ausschluss aus der Gemeinschaft Krankheiten, HIV/AIDS Schwangerschaften und (unerwünschte) Kinder Anstieg häuslicher Gewalt nach gewaltsamen Konflikten = keine Unterscheidung vor/nach dem Krieg für viele Frauen Sexualisierte Gewalt Sexualisierte Gewalt gegen Männer Erniedrigung des männlichen Opfers (inkl. ‚entmännlichende‘ Unterstellung von Homosexualität) Stärkung der Rolle des Vergewaltigers (männlich, nicht homosexuell) Clip: Gender against Men (Refugee Law Project, Uganda) Reglungsversuche UN Resolutionen 1325 (2000) + 1820 (2008) Strafrechtliche Verfolgung von Tätern von sexueller und sexualisierter Gewalt Besonderer Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten Stärkere Inklusion von Frauen bei friedensschaffenden Missionen Stärkere Inklusion von Frauen an Friedensverhandlungen, Mediation und Wiederaufbau Zusammenarbeit der Internationalen Gemeinschaft bei der Reduktion von sexualisierter Gewalt Seit ICTY und ICTR ist Vergewaltigung und sexuelle Folter ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Genozidverbrechen, auch im Statut des ICC (2002) Reglungsversuche Lobbyarbeit auf der Grasswurzelebene Clip: Graca Machel and Mary Robinson Frauen sind keiner Opfer, sondern Akteurinnen! Genderdynamiken in Wissenschaft und Praxis Gender in Wissenschaft und Praxis Großes Interesse von weiblichen Studierenden an FuK (ca. 75% im MA FuK) Männer stärkeres Interesse an Sicherheitsaspekten, Frauen stärker an sozialen Aspekten/Frieden Frauen stark in NGOs und internationalen Organisationen vertreten Lobbybereich: AFK (Arbeitsgemeinschaft Friedensund Konfliktforschung) Frauenbeauftrage www.afk-web.de Unterrepräsentation von Frauen im höheren wissenschaftlichen Positionen Institut für Entwicklung und Frieden (INEF, Uni Duisburg Essen) Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg (IFSH) Institutsleitung Prof. Dr. Michael Brzoska Wissenschaftlicher Direktor Prof. Dr. Götz Neuneck Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor Dr. Wolfgang Zellner Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Prof. Dr. Harald Müller Geschäftsführendes Mitglied des Vorstands Prof. Dr. Klaus Dieter Wolf Stellvertretendes Geschäftsführendes Mitglied des Vorstands Prof. Dr. Christopher Daase Mitglied des Vorstands Dr. Sabine Mannitz Mitglied des Vorstands Dr. Niklas Schörnig Mitglied des Vorstands Dr. Hans-Joachim Spanger Mitglied des Vorstands Berufungen in der FuK 2007-9 ** inklusive 4 nicht ausgeschriebener Stellen (2 Umwandlungen von Juniorprofessuren in W2/W3 Professuren, 2 nicht ausgeschriebener Stellen) Professorinnen bundesweit: 16 % (2007, alle Besoldungsgruppen) Höchste Besoldungsgruppe W3: 12 % (2007) In Europe vorletzer Platz (vor Malta) Gender Mainstreaming Gleichstellung von Frauen und Männern Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen und Lebenssituationen in Struktur, Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen Nicht einfach Quotenregelung, sondern geschlechterspezifische Veränderungen Bsp. familienfreundliche Unis, Kinderbetreuungsstätten, Teilzeitarbeit, usw. Quellen Dittmer, Cordula (2007): Gender, Konflikt, Konfliktbearbeitung. Zivile und militärische Ansätze, Forderungen und Probleme, working-paper no. 6, Zentrum für Konfliktforschung, Marburg. http://www.uni-marburg.de/konfliktforschung/pdf/ccswp06 Engels, Bettina (2008): Gender und Konflikt. Die Kategorie Geschlecht in der Friedens und Konfliktforschung, Saarbrücken: Vdm Verlag Dr. Müller. Harding, Sandra (1986): The Science Question in Feminism, New York: Cornell University Press. Schäfer, Rita (2008): Frauen und Kriege in Afrika: Ein Beitrag zur Gender-Forschung, Frankfurt a.M.: Brandes & Apsel Verlag. Schäfer, Rita (2009): Männlichkeit und Bürgerkriege in Afrika – Neue Ansätze zur Überwindung sexueller Kriegsgewalt, Brief der Abteilung Staat und Demokratie der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, Eschborn. http://www2.gtz.de/dokumente/bib/gtz2009-0237de-maennlichkeit-buergerkrieg.pdf Sylvester, Christine (1994): Feminist Theory and International Relations in a Postmodern Era, Cambridge: Cambridge University Press. Tickner, J. Ann (1993): Gender in International Relations: Feminist Perspectives on Archieving Global Security, Ney York: Columbia University Press. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit