Nationalrat, XXV. GP 27. April 2017 177. Sitzung / 1 10.56 Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Steuerzahler! Überall auf der Welt wird derzeit vor nationalistischen Tendenzen gewarnt – interessanterweise aber nicht vor Protektionismus, aber auch das ist in Wirklichkeit nationalistische Politik. Woher kommt diese nationalistische Abschottungspolitik, die sowohl von linken als auch von rechten Parteien betrieben wird? – Sie rührt, glaube ich, daher, dass sich viele Menschen, auch zu Recht, von den Vertretern des politischen Systems nicht verstanden fühlen. Sie misstrauen der Europäischen Union, sie misstrauen internationalen Organisationen insgesamt und der Globalisierung sowieso. (Abg. Walter Rosenkranz: Und das alles zu Unrecht, nicht?) Dies ist auch verständlich, denn es gibt Globalisierungsverlierer, die fürchten, dass der Sozialstaat mitunter durch die Migration erodiert und sie dadurch arm werden. Dabei ist es gerade die weltoffene Freihandelspolitik, die Millionen von Menschen von Armut befreit hat, insbesondere vom Joch des Kommunismus. Also was ist die Lösung? Seine Parteimitglieder zu fragen, ob sie CETA wollen, und wenn sie das nicht wollen, schnell nach Brüssel zu fahren und trotzdem zuzustimmen? Die Grünen haben anscheinend ein ähnliches Verständnis von Basisdemokratie, denn auch sie fragen ihre Mitglieder beispielsweise, ob sie ein Hochhaus wollen, und wenn sie es nicht wollen, stimmen sie trotzdem für das Hochhaus. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kogler: ..., was hat das mit CETA zu tun?) Es geht leider viel zu oft um Macht, das ist leider so in der Politik. – Aber zurück zum Thema Handelsabkommen. Einige hier im Plenum haben schon einmal in der freien Wirtschaft gearbeitet und wissen daher vielleicht, wie Vertragsverhandlungen ablaufen. Das ist immer ein Geben und Nehmen, und es ist nicht immer nur so, dass ausschließlich eine Seite gewinnt. Einer meiner kanadischen Freunde hat sich beispielsweise in Kanada sehr gegen einen Teil des CETA-Vertragswerks eingesetzt, da sich Kanada übervorteilt gefühlt hat, weil die EU die Bedingungen für die europäischen Pharmakonzerne, insbesondere den Patentschutz, in Kanada viel großzügiger ausgestaltet hat, als das selbst innerhalb der EU für die europäischen Pharmakonzerne gilt. Und der Tenor drüben war dann: Nice Try, aber so machen wir das sicher nicht! Aber so ist das eben beim Verhandeln: Jede Seite versucht, für sich das Beste herauszuholen. Und im Gegensatz zu TTIP – da möchte ich kurz auf die Aussagen Version vom 26. Juni 2017, 14:08 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 27. April 2017 177. Sitzung / 2 meiner Vorredner eingehen – wurde hier nicht im Geheimen verhandelt. Das gesamte CETA-Vertragswerk ist seit über zweieinhalb Jahren öffentlich zugänglich. (Abg. Kogler: Ja, weil wir es erkämpft haben!) Außerdem gibt es auch einen permanenten Gerichtshof mit fest angestellten Richtern und einer Berufungsinstanz – auch etwas anderes als diese umstrittenen Schiedsgerichte, die es bei TTIP anscheinend geben soll. Diese beiden Abkommen also in einen Kritiktopf zu werfen, ist unsachlich (Beifall bei der ÖVP) – danke –, ist wirklich unsachlich und bringt uns in der Diskussion nicht weiter. Apropos sachlich: Kollegin Weigerstorfer hat von einem Konzernschutzabkommen gesprochen. Ich komme aus einem Konzern und habe mich daher schlaugemacht. Ich habe – wie ich hier im Plenum schon einmal erzählt habe – CEOs von österreichischen Konzernen gefragt: Braucht ihr TTIP und braucht ihr CETA? – Und interessanterweise haben die gesagt: Wir brauchen das nicht, denn wir exportieren sowieso! Die Konzerne haben ja schon die Marktmacht, die sind ja überall. Denen ist es herzlich egal, ob jetzt 3 Prozent mehr Zoll zu zahlen ist oder nicht. Für die KMUs macht das allerdings einen großen Unterschied. Wenn ein österreichischer Marmeladehersteller derzeit nach Kanada exportieren will, sind 13 Prozent Zoll zu entrichten. Das macht den Export natürlich denkbar unattraktiv. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kogler: Das kann man ja auch so verhandeln, ohne Schiedsgericht! Da braucht man ja kein Schiedsgericht!) Kanada und Europa sind sich im Übrigen sehr ähnlich. 10 Prozent der Bevölkerung in Kanada sind deutschstämmig. Und nach der englischen und französischen ist die deutsche die häufigste ethnische Herkunft der dortigen Bevölkerung. Ich habe 13 Jahre lang in Kanada gelebt und gearbeitet. (Abg. Neubauer: Was tun Sie dann hier?) Ich kenne Land und Leute, ich kenne die Industrie, ich kenne die Nahrungsmittel, und ich kann Ihnen erzählen: Österreich ist viel moderner. Allein wenn ich drüben durch eine Fabrikshalle gehe, sehe ich, wir haben viel mehr Hightech. Außerdem finde ich, wir haben die viel besseren Lebensmittel; unsere Produkte sind daher gefragt und werden sicher noch mehr gefragt sein. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.) Viele österreichische Unternehmer sind jetzt schon sehr erfolgreich im Export. Import und Export sind ja das Um und Auf einer funktionierenden Marktwirtschaft. Ich glaube an die Marktwirtschaft, besonders an die soziale Marktwirtschaft, also: Gewinn, Wettbewerb und ein soziales Netz für jene, die sich nicht selbst versorgen können. In Wirklichkeit macht ja der Sozialstaat Freihandel überhaupt erst möglich, weil er die Version vom 26. Juni 2017, 14:08 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 27. April 2017 177. Sitzung / 3 Globalisierungsverlierer versöhnt und absichert. Für die Globalisierungsverlierer ist der Sozialstaat gedacht – und im Übrigen: nicht für Wirtschaftsmigranten aus aller Herren Länder, sondern für unsere Globalisierungsverlierer. Zurück zum Thema Freihandel versus Protektionismus: Durch Protektionismus wird es keinen Wohlstandsgewinn geben. Fairer und freier Handel, das ist es, was Wohlstand bringt. Und, liebe protektionistisch, nationalistisch denkende Freunde aus allen Parteien: Wirtschaftliche Grundgesetze lassen sich nicht durch Ideologie aushebeln. Je mehr sich eine Volkswirtschaft abschottet, umso weniger Wohlstand wird geschaffen und umso weniger Kuchen gibt es dann zum Aufteilen. (Beifall des Abg. Loacker.) Also: Let’s bake a bigger cake with Canada! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker.) 11.02 Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte. Version vom 26. Juni 2017, 14:08 nach § 52(2) GOG autorisiert