ARZNEIPFLANZE Digitalis purpurea ist eine giftige Arzneipflanze, deren Heilwirkung bereits im Mittelalter bekannt war. Damals wurde sie als Lieblingsblume der Hexen bezeichnet; im Volksmund sind Namen wie „Teufelshut“ und „Giftglocke“ überliefert. Aus den Blättern des Fingerhuts werden noch heute Wirkstoffe für Herzmittel gewonnen, so genannte Glykoside, die nach wie vor nicht synthetisch hergestellt werden können. Digitalis steht an erster Stelle unter den pharmazeutisch genutzten Pflanzen und wird in großem Stil gewerblich angebaut. Digitalis-Präparate erhöhen die Pumpleistung des Herzmuskels, wodurch der Blutumlauf im Körper beschleunigt wird und krankhafte Wasserablagerungen durch vermehrte Harnabsonderung ausgeschwemmt werden. Eine Überdosis des pflanzlichen Wirkstoffs kann zu tödlichem Herzversagen führen. Fingerhut in einem waldartig gestalteten Gartenbereich D er botanische Name Digitalis bezieht sich auf die Blütenform, die deutlich an einen Fingerhut erinnert. (lat. digitale = Fingerhut, digitus = Finger). Auch im Englischen hat die Pflanze eine recht bildhafte Namensgebung: Foxglove, was mit Handschuh des Fuchses zu übersetzen ist. Der Fingerhut zählt ebenso wie Königskerze (Verbascum) und Ehrenpreis (Veronica) zur Familie der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae). Neben dem bekannten Roten Fingerhut (Digitalis purpurea) gibt es vor allem im Mittelmeerraum circa 20 weitere Arten (zum Beispiel D. grandiflora und D. lutea). Imposanter Habitus Leider ist der Rote Fingerhut nicht sehr ausdauernd, oft nur zweijährig. Im ersten Jahr bildet sich eine grundständige Rosette aus großen, eiförmig spitzen, rau behaarten Blättern. Im zweiten Jahr erhebt sich dann über dieser Blattrosette der ein bis anderthalb Meter hohe 28 Roter Fingerhut Kurzlebige Pflanze für große Auftritte Nicht nur an Waldrändern und auf Lichtungen ist der Rote Fingerhut eine der auffälligsten Blütenpflanzen. Auch als Gartenpflanze erfreut er sich großer Beliebtheit. Der Blütenschaft wächst auf eine stattliche Höhe heran und dominiert im Frühsommer ganze Gartenbereiche. Blütenstand mit seinen charakteristisch einseitswendigen Blütentrauben. Die glockigen, fingerhutartigen Einzelblüten sind purpur, rosa oder weiß und haben im Schlund oft eine sehr schöne Zeichnung aus dunklen, weiß umrandeten Flecken. Die Einzelblüten öffnen sich von unten nach oben nacheinander, sodass sich die Gesamtblütezeit meist über mehrere Wochen hinzieht. Wird der Fruchtstand zeitig nach der Blüte zwischen Juni und August zurückgeschnitten, kann unter Umständen die Lebenszeit der einzelnen Pflanze verlängert werden: die Blattrosette überdauert dann einen weiteren Winter und erfreut uns im nächsten Jahr noch einmal mit ihrer Blütenpracht. Allerdings sollte man auch einige Samen ausreifen lassen, um den Fortbestand des Fingerhuts im Garten sicherzustellen. An geeigneten Standorten sät sich Digitalis recht zuverlässig aus. Im Spätsommer kann man die jungen Pflanzen an gewünschte Stellen verpflanzen oder einfach die Dynamik der Selbstaussaat bestaunen. Besonders beliebt sind weiß blühende Formen des Fingerhuts. Diese sind jedoch leider im selbst gezogenen Saatgut in der Unterzahl und werden von 19/2006 PFLANZEN + SORTIMENTE SORTEN VON DIGITALIS PURPUREA ‘Alba’ ‘Camelot Creme’ ‘Camelot Lavendel’ ‘Camelot Mischung’ ‘Camelot Rosa’ ‘Camelot Weiß’ ‘Excelsior’ ‘Foxy’ ‘Gelbe Lanze’ ‘Glittering Prizes Grp.’ ‘Gloxiniaeflora’ ‘Gloxinioides’ ‘Maggi’ ‘Pam’s Choice’ ‘Snow Thimble’ ‘Sutton’s Apricot’ Digitalis purpurea ssp. heywoodii Digitalis purpurea ssp. mariana Fingerhut hat sich in einer alten Mauer versamt Die Sorte ‘Alba’ setzt einen Akzent neben Blattschmuckstauden W W W. D E G A . D E Die Sorte ‘Excelsior’ in einer Staudenrabatte den dominanteren Rot- und Rosatönen verdrängt. Durch eine gezielte Auslese lässt sich trotzdem das gewünschte Bild erzielen: Sobald die Blütenfarbe zu erkennen ist, werden die eventuell unerwünschten purpurfarbenen Exemplare entfernt. Im Nadelwald zu Hause Der Fingerhut verlangt einen frischen bis mäßig trockenen Standort. Am Naturstandort steht er bevorzugt in der Nachbarschaft von Nadelgehölzen und am Rand von Koniferenforsten. Unter sommergrünen Bäumen kommt er mit dem herabfallenden Laub nur schwer zurecht. So sollte auch im Hausgarten das Herbstlaub von den Blattrosetten des Fingerhuts unbedingt entfernt werden. Digitalis bevorzugt sauren Boden und gedeiht auf kalkhaltigen Böden nicht sehr gut. 19/2006 Die lachsrosa blühende Digitalis × mertonensis Im offenen Boden von Kahlschlägen oder nach Sturmschäden fasst D. purpurea schnell für ein paar Jahre Fuß, ehe er durch den neu aufkommenden Wald wieder verdrängt wird. An Waldrändern und auf Lichtungen findet er dauerhaftere Standorte. D. purpurea breitet sich als Kulturfolger heute noch weiter aus. Während zum Beispiel vor 150 Jahren im Schwarzwald lediglich in der Umgebung von Köhlersiedlungen Bestände bekannt waren, ist er heute vom Rheintal bis auf 1 200 m fast überall zu finden. Dynamisches Gestaltungselement Fingerhut bietet sich besonders für die Gestaltung von halbschattigen naturnahen Bereichen an. Waldartige Gartenteile erhalten durch den Fingerhut farbliche und strukturelle Ak- zente. Wie an seinen Naturstandorten kann Digitalis sehr wirkungsvoll in großen Trupps angepflanzt werden, womit man eine enorme Fernwirkung erreicht. In großen Parkanlagen sucht sich der Fingerhut durch Aussaat selbst seine Standorte, was ihm in der Regel sehr überzeugend gelingt. In Kombination mit anderen Schatten liebenden Stauden, zum Beispiel Geranium, Helleborus oder Hosta lassen sich mit dem Fingerhut auch im räumlich begrenzten Hausgarten eindrucksvolle und sehr malerische Kombinationen schaffen. In den englischen Staudenrabatten, den Mixed Borders, ist der Fingerhut ein immer wiederkehrendes Element. Mit seiner imposanten Größe, seinem ungewöhnlichen Habitus und seinen schönen Blüten setzt er starke Kontraste. Auch in den Rosengärten hat man Fingerhut als Gestaltungs- Bezugsquellen finden Sie auf www.dega.de, wenn Sie in der rechten Seite den Sortennamen unter „Pflanze gesucht“ eingeben. element entdeckt. Der berühmte Rosengarten von Mottisfont Abbey in Hampshire ist heute mit weißem Fingerhut übersät, der einen wohltuenden Kontrast zu den Rosensträuchern bietet. D. purpurea ist über die Staudengärtnereien sowie im Saatgutvertrieb in vielen Farben zu beziehen. Neben der in der Natur häufigen purpurfarbenen Form gibt es die weiße Auslese ‘Alba’. In cremefarben bis zartgelb blüht die Sorte ‘Apricot’, während die großblütige Kreuzung D. × mertonensis lachsrosa Blütenglocken hat. Die Sorte D. purpurea ‘Excelsior’ in den gemischten Tönen weiß über pastellrosa bis purpur wird mit gut 1,50 m Höhe und deutlich größeren Einzelblüten üppiger als die Art. Text und Bilder: Günter Mader, Ettlingen, und Elke Zimmermann, Hergatz 29