7.2 Ätiologie der entzündlichen

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7.2 Ätiologie der entzündlichen Parodontalerkrankungen
7.2
211
Ätiologie der entzündlichen
Parodontalerkrankungen
7.2.1
Ätiologie der Gingivitis
Eine (chronische) Gingivitis ist streng genommen Ausdruck einer erfolgreichen Immunabwehr gegen Bakterien, die in das Körperinnere vorzudringen versuchen. Erst wenn ungünstige endogene und/oder exogene Faktoren diese körpereigene Abwehr schwächen
(s. Ätiologie der Parodontitis), kann es zur Entstehung einer marginalen Parodontitis
kommen. Eine Gingivitis muss keineswegs zwangsläufig in eine Parodontitis übergehen.
Umgekehrt entsteht eine marginale Parodontitis aber nicht ohne das Vorstadium einer
Gingivitis.
Ursachen der Gingivitis
쐌 Mechanische oder thermische Verletzungen
쐌 Bakterielle Beläge (Menge der beteiligten Bakterien ist wichtiger als deren Zusam-
mensetzung)
Besonderheiten der Gingivitis
쐌 Ohne Mundhygiene entsteht immer eine Gingivitis
쐌 Fast immer schmerzlos
쐌 Vollständig reversibel
쐌 Bei nahezu allen Patienten (lokalisiert) anzutreffen
7.2.2 Ätiologie der marginalen Parodontitis
Einer marginalen Parodontitis geht praktisch immer eine Gingivitis voraus (mögliche
Ausnahme: juvenile Parodontitis). Folgende Faktoren beeinflussen die Entstehung und
das Fortschreiten der Erkrankung:
쐌 Bakterien (Angriff)
쐌 Immunreaktion des Wirts (Abwehr)
쐌 Knochen- und Weichgewebszerstörung
쐌 Genetische Faktoren des Wirts
쐌 Rauchen
쐌 Diabetes mellitus
쐌 Traumatische Okklusion
쐌 Weitere Risikofaktoren
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Aus Ott, R., W. Krug, H. P. Vollmer: Klinik- und Praxisführer Zahnmedizin
(ISBN 9783131317810) © 2002 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
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Wie bei vielen anderen Erkrankungen verbirgt sich auch hinter den entzündlichen Parodontalerkrankungen (Gingivitiden und Parodontitiden) ein multikausales Krankheitsgeschehen. Das Wechselspiel zwischen bakteriellem Zahnbelag (Angriff) und Abwehrreaktion des Wirtsorganismus ist entscheidend für die Krankheitsentstehung und deren Verlauf.
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7 Parodontologie
Bakterien (Angriff)
쐌 Die Anwesenheit bestimmter (gramnegativer, anaerober) Bakterien ist eine Voraus-
setzung für die Entstehung einer marginalen Parodontitis
쐌 Bakterien allein sind nicht ausreichend für eine Erkrankung; zusätzliche Einflüsse
sind erforderlich
쐌 Wichtigster Virulenzfaktor: Lipopolysaccharid (LPS) = Endotoxin (bakterieller Zell-
wandbestandteil)
chanisch, nicht aber allein chemisch zerstört werden kann
쐌 Wichtigste Bakterienspezies:
–
–
–
–
–
Porphyromonas gingivalis (Pg)
Bacteroides forsythus (Bf)
Actinobacillus actinomycetemcomitans (Aa)
Treponema denticola (Td)
Prevotella intermedia (Pi)
Immunreaktion des Wirts (Abwehr)
1. Migration neutrophiler Granulozyten (PMN) als wichtigste Leukozyten der unspezifischen, zellulären Abwehr in Richtung der bakteriellen Plaque (Abb. 7.2)
2. PMN bilden einen Granulozytenwall zwischen bakterieller Plaque und Taschenepithel 씮 kein Eindringen von Bakterien(bestandteilen) ins Gewebe
3. Produktion von Antikörpern (vor allem IgM und IgG) gegen bakterielle Antigene
(u. a. LPS)
4. Zerstörung von Bakterien, die z. B. durch Antikörper markiert sind, durch Makrophagen und PMN
Abb. 7.2
wall.
neutrophile
Granulozyten
Blutgefäß
Biofilm
Zahnwurzel
Fibroblast
IL- 8
IL- 8
IL- 8
IL- 8
IL- 8
IL- 8
IL- 8
IL- 1, TNF
Makrophage
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Granulozyten-
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쐌 Entstehung eines bakteriellen Biofilms auf der Zahnoberfläche; dieser kann nur me-
7.2 Ätiologie der entzündlichen Parodontalerkrankungen
213
Wird der Granulozytenwall (s. Abschnitt Immunreaktion des Wirts) ineffektiv, beginnen
Bakterien und deren Zellwandbestandteile (vor allem LPS) ins gingivale Bindegewebe
einzudringen; darauf reagiert die Wirtsabwehr mit (Abb. 7.3):
쐌 Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie Tumornekrosefaktor α (TNFα),
Interleukin-1β (IL-1β) und Prostaglandin E2 (PGE2) vor allem durch Makrophagen,
Fibroblasten und PMN
쐌 Osteoklastenstimulation durch TNFα, IL-1β und PGE2
씮 Knochenzerstörung
쐌 Produktion und Ausschüttung von Enzymen, die das Bindegewebe zerstören
(Matrix-Metalloproteinasen) vor allem durch Makrophagen und Fibroblasten
씮 u. a. Zerstörung des Faserapparats
Genetische Faktoren des Wirts
Die Abwehrreaktion des Wirtsorganismus gegen den bakteriellen Biofilm ist sehr stark
von den folgenden genetisch determinierten Faktoren abhängig:
쐌 Effektivität der neutrophilen Granulozyten (s. Abschnitt Granulozytenwall)
쐌 Menge (Titer) und Effektivität (Avidität) der Antikörper
쐌 Menge der ausgeschütteten Entzündungsmediatoren IL-1β und PGE2
Rauchen
Ab einem Konsum von 15 – 20 Zigaretten am Tag gilt das Rauchen inzwischen eindeutig
als einer der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung und das beschleunigte Fortschreiten
einer Parodontitis; Hauptgründe:
쐌 Reduzierte Funktion der neutrophilen Granulozyten
쐌 Verminderte Antikörperproduktion (vor allem IgG2)
쐌 Erhöhte IL-1β-Ausschüttung
Abb. 7.3 Knochen- und
Weichgewebsdestruktion.
LPS
Biofilm
Zahnwurzel
LPS
Makrophage
IL-1
Fibroblast
TNFIL-1
MMP
Faserapparat
PGE2
Osteoklasten
Alveolarknochen
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Knochen- und Weichgewebszerstörung
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7 Parodontologie
Cave
Bei Rauchern ist mit reduzierter Wundheilung und einem schlechteren Ansprechen auf therapeutische Eingriffe zu rechnen 씮 ungünstigere Prognose.
쐌 Erhöhte Prävalenz der marginalen Parodontitis
쐌 Schlechteres Ansprechen auf Therapiemaßnahmen
쐌 Reduzierte Funktion der neutrophilen Granulozyten
쐌 Erhöhte Ausschüttung von IL-1β und PGE2
Cave
Bei optimaler Einstellung besteht wahrscheinlich keine erhöhte Anfälligkeit für eine marginale Parodontitis.
Traumatische Okklusion
쐌 Führt bei parodontal gesunden Zähnen zu erweitertem Parodontalspalt mit erhöhter
Zahnbeweglichkeit, aber nicht zu Taschen oder Attachmentverlust
쐌 Kann unter bestimmten Umständen die Progression des Attachment- und Knochen-
verlusts an Zähnen mit erkranktem Parodont beschleunigen
쐌 Mögliche Konsequenzen: Schaffung einer ausgeglichenen statischen und dynami-
schen Okkusion bzw. Eingliederung eines Aufbissbehelfs (z. B. bei Parafunktionen).
Weitere Risikofaktoren
Folgende Faktoren vermögen nach heutigem Erkenntnisstand alleine keine Parodontitis
zu verursachen, können den Krankheitsverlauf jedoch modifizieren:
쐌 Psychosozialer Stress
쐌 Sozioökonomischer Status
쐌 Osteoporose
쐌 HIV
7.3
Systematische Parodontaltherapie
Abb. 7.4 gibt einen Überblick über den Behandlungsablauf nach Diagnostizierung einer
fortgeschrittenen Parodontitis. Wird die Verdachtsdiagnose marginale Parodontitis gestellt, schließt sich eine entsprechende (parodontologische) Befundung und Diagnosestellung an. Auf die Hygienephase folgt ein Kontrollbefund (Reevaluation), anhand dessen über den Ablauf der korrektiven Phase entschieden wird. Nach erfolgreichem Abschluss der korrektiven Phase erfolgt die Übernahme des Patienten in die Erhaltungspha-
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Diabetes mellitus
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