Das Theater Heilbronn – dramatisch, aktuell Geschichte Heilbronn

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Das Theater Heilbronn – dramatisch, aktuell
Geschichte
Heilbronn war und ist eine theaterfreundliche und -freudige Stadt. Dies belegt der Blick in die einstigen und die aktuellen Spielpläne und Besucherzahlen. Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts besaß die
Stadt Heilbronn ein festes Haus mit einem ständigen Ensemble, das auf Initiative der Bürger der Stadt,
die Aktien an diesem Theater erworben hatten, entstand und daher „Actien-Theater“ hieß. Das Repertoire umfasste Schauspiel, Oper und die aufkommende Operette, das Ensemble bestand aus 16 Schauspielern. Das stetig wachsende Interesse führte Anfang dieses Jahrhunderts zu dem Beschluss der
Stadt, ein noch größeres Theater zu bauen, ein Stadttheater mit insgesamt 850 Plätzen. Die gesamte
Bausumme für das im Jahre 1913 eingeweihte Jugendstiltheater finanzierten auch damals die Bürger
der Stadt. Über drei Jahrzehnte bildete das Haus einen kulturellen Mittelpunkt. Am 4. Dezember 1944
fiel das Gebäude dem Bombenangriff zum Opfer und brannte aus. Die Theatertradition brach damit
jedoch nicht ab, vielmehr wurde sie nun in verschiedenen provisorischen Spielstätten und schließlich
von 1951 bis 1982 im Gewerkschaftshaus fortgesetzt. Als Klaus Wagner 1980 die Intendanz des Theaters übernahm forderte er eine zweite Spielstätte, die „Alte Kelter“, zur Vorbereitung auf das neue
Haus, mit seinem nun wieder vollen Platzangebot.
Das jetzige Gebäude am Berliner Platz steht seit dem Jahre 1982. Die langen Jahre des Provisoriums
hatten die alte Theaterbegeisterung in Heilbronn empfindlich verstört und in dieser Situation waren die
Planungen für ein neues Theater ein Abenteuer. Niemand konnte wissen, ob das Heilbronner Publikum die neue Institution in ausreichendem Maße annehmen würde. Das damalige Motto des Intendanten Klaus Wagner lautete: „Überraschung, Vielfalt und keine Langeweile“. Und noch einmal übertrafen die Heilbronner alle Erwartungen: Schon ein halbes Jahr vor der ersten Premiere gab es einen wahren Ansturm auf die Theatermieten. Innerhalb von wenigen Wochen nach Beginn des Vorverkaufs
wurden bereits über 5000 Jahresmieten gebucht. Der neue Bau wurde mit dem Musical „My Fair Lady“, Goethes „Faust“ und Ariane Mouchkines „Mephisto“ eröffnet, beides in der Regie von Klaus
Wagner.
Theater auf Friedensmission in Israel, Lessings Nathan als Beispiel.
„Heilbronner Theater will in Israel und Palästina Zeichen setzen“ - so kündigte die bundesweite Presse
das Gastspiel von Klaus Wagner, dem Intendanten des Theaters Heilbronn, und seinem Ensemble an.
Als erstes deutsches Theater zeigten sie „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing (Regie
und Titelrolle: Klaus Wagner) in den israelischen Städten Tel Aviv und Haifa und in den palästinensischen Städten Gaza, Ramallah und Nablus. Begleitet wurden sie dabei von einem ARD-Team und
einigen Pressejournalisten. Mit den Aufführungen gerade von „Nathan der Weise“ sollte die Botschaft
der Versöhnung über religiöse und politische Schranken hinweg in das Krisengebiet getragen werden.
Was hierzulande bei so manchem als verstaubter Klassiker gilt, könnte in Israel und Palästina von
echter Brisanz sein, so die Hoffnung des Theaters.
Und tatsächlich waren die Reaktionen erwartungsgemäß heftig. Es trat ein, was in Deutschland im
Theater nur selten möglich ist: die Menschen setzten die Aufführung direkt in Beziehung zu sich und
ihrer eigenen Realität; Lessings aufklärerische Parabel des friedlichen Nebeneinanders von Juden,
Muslimen und Christen sorgte für Aufregung an beiden Fronten. Für Israel kam das Anliegen des
deutschen Theaters einer Einmischung in innere Angelegenheiten gleich, und für Araber wiederum
war es schwer erträglich, dass in Lessings Stück ausgerechnet der Jude Nathan als Friedensstifter auftritt. Kurz vor Beginn der Vorstellung in Ramallah traf sogar ein von palästinensischen Schriftstellern
und Kulturfunktionären unterschriebener Protestbrief ein, weil sie es inakzeptabel fanden, dass in dem
Stück der Sultan Saladin einen Juden um Rat fragt und als „Clown“ dargestellt werde. Für das Ensemble aus Heilbronn besonders aufregend war es, mit welcher Neugierde und Ernsthaftigkeit man
dem Gastspiel aus Deutschland grundsätzlich begegnete. Die Frage, ob die Botschaft der Toleranz
trotzdem angekommen sei, bejaht Klaus Wagner uneingeschränkt: „weil sie Widerspruch hervorgerufen hat. Aber widersprechen ist bereits der erste Schritt der Hinterfragung. Der aktuelle Bezug zur
Realität, der, unverstanden oder missverstanden, aus diesem Stück gezogen wird, zeigt in jedem Fall
eine Relevanz von Kunst, die wir bei uns kaum noch vorfinden.“
Für die spektakuläre, vom israelischen Staat ausgerichtete Show „Israel feiert Jubiläum“ war Heilbronn im Sommer 1998 - nach Berlin, Frankfurt, Hamburg - sogar die einzige Stadt in BadenWürttemberg, auf deren Bühne sie zu sehen war. In der Theaterarbeit war darüber hinaus auch in diesem Jahr wieder die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Judentums und dem Leben im heutigen Israel ein besonderer Schwerpunkt. In der Inszenierung „Scheindele“ von Danon/Lévy wurde das
Schicksal einer jungen Israelin in einer orthodoxen Umgebung an die Zuschauer herangetragen. Aus
dem Gesher-Theater, Tel Aviv, war mit „Das Dorf“ von Joshua Sobol eine Aufführung nach Heilbronn eingeladen, in der die utopische Idee von einer friedlichen Gemeinschaft aus Menschen verschiedenster Nationalität in Israel szenisch umgesetzt war. In der Spielzeit 1998/99 kommt mit „Die
Vergewaltigung“, ein Stück über den israelisch-palästinensischen Konflikt aus Sicht eines syrischen
Autors, Sadallah Wannus, als Uraufführung auf die Bühne.
Im Bereich des Musicals leistet das Theater Heilbronn Pionierarbeit: Seit 1982, seit Klaus Wagner das Theater leitet, stellen einen Schwerpunkt im jährlichen Spielplan zwei Musical-Inszenierungen
dar. Eigenständig entwickelte Musicals werden mit dem eigenen festen Ensemble uraufgeführt, neue
Musicals in deutscher Sprache erstmals auf die Bühne gebracht. Mit Aufführungen u.a. von „Black
Rider“, „Assassins“ und „Fracasse“ sowie von „Dracula“ - Das Musical von Christian Mathias Kosel
in der Spielzeit 1998/99 hat das Theater den selbst gesetzten Ansprüchen entsprochen und erneut überregionale Resonanz erfahren. Heilbronn entwickelte sich zu einer bekannten Ur- und Erstaufführungsbühne für Musicals. Sicherlich ein Glanzpunkt des Jahres 1998 war das Musical von Bernhard J. Taylor, „Stürmische Höhen“ nach dem Roman „Wuthering Heights“ von Emily Bronte. Das Theater Heilbronn konnte darin mit neuen Talenten aufwarten, die die Musicalwelt aufhorchen ließen und die überregionale Presse und Fachpresse nach Heilbronn führten.
Die Förderung deutscher Gegenwartsdramatik bildet neben der Inszenierung von klassischer und
zeitgenössischer Literatur einen wichtigen Teil der Theaterarbeit. In der „Autorenwerkstatt“ werden
mit Hausautoren gemeinsam neue Stücke entwickelt und erstmals zur Aufführung gebracht, wie z.B.
„Der Weg zum Bahnhof“ von Irina Liebmann, „Hungrige Herzen“ von Michael Wildenhain und im
Jahre 1998 „Das siebte Siegel“ von Werner Buhss. Die „Autorenwerkstatt“ ist eine in der deutschen
Theaterlandschaft selten gewordene Initiative zur Förderung junger deutscher Schriftsteller, die in der
Fachwelt ebenso wie in der Öffentlichkeit immer wieder Aufmerksamkeit erregt.
Gastspiele aus dem In- und Ausland für die Bereiche Musiktheater und Tanz sind Höhepunkte einer
jeden Spielzeit. Feste Kooperationspartner sind das Moskauer Staatsschauspiel (das Mályj Theater),
die Staatsoper St. Petersburg und die Teatr Wielki Staatsoper in Poznan. Vor allem im Bereich des
Tanzes haben sich die in Jahren entwickelten internationalen Kontakte ausgezahlt. Im AbonnementProgramm war u.a. aus der amerikanischen modernen Ballettszene die Hubbard Street Dance Chicago
zu sehen, aus St. Petersburg „Don Quixote“ in der Choreographie von Boris Eifman und in der Spielzeit 1998/99 war zum ersten Mal in Europa die Ballet Beijing Dance Academy aus China zu Gast.
Seit 1984/85 wird darüber hinaus alljährlich im Sommer den Heilbronnern im Rahmen der Tanz Theater Tage eine faszinierende Palette von Truppen und Choreographien aus aller Welt vorgestellt: Elisa
Monte Dance aus New York, die Batsheva Dance Company aus Israel, die Sydney Dance Company
und aus Deutschland u.a. das choreographische Theater von Johann Kresnik und das TanztheaterEnsemble unter Pavel Mikulàstik aus Freiburg.
Durch seine schwerpunktmäßige kontinuierliche Arbeit auf den Gebieten zeitgenössischer Dramatik,
der Vorstellung neuer Musicals, der Thematik israelischen Lebens über Jahre hinweg ist das Theater
Heilbronn zu einer wichtigen Größe im kulturellen Leben der Stadt und der Region avanciert. Der
ständige, erfolgreich geführte Balanceakt zwischen Erwartungshaltung des Publikums und Anspruch
an die Zuschauer in Stil und Themen beschert dem Theater Zuschauerzahlen, die im Vergleich zu den
vielen ähnlich strukturierten deutschen Theatern Spitzenwerte darstellen. In der Spielzeit 1998/99
umfasst der Abonnentenstamm ca. 13.000 Abonnenten.
Das Theater Heilbronn expandiert seit seinem Bestehen sowohl in seinen Einspielergebnissen, als
auch in der sukzessiven Minimierung der Subventionen. Im Augenblick entsteht am Haus ein festes
Kinder- und Jugendtheater. Darüber hinaus arbeitet das Theater Heilbronn aktuell an der Entstehung
eines neuen Komödien- und Kammerspieltheaters, das im Jahre 2000 eröffnet werden soll.
Stadttheater Heilbronn, Großes Haus und Kammerspiele, Berliner Platz 1, 74072 Heilbronn, Tel.: 07131/56-3011 oder 563041 Fax: 07131/56-3139
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