2 Führungseigenschaften und -motive

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Persönlichkeit
2
17
Führungseigenschaften und -motive
Eine Eigenschaft (Trait) ist ein Konstrukt, welches annimmt, dass konsistente (stabile)
individuelle Unterschiede zwischen verschiedenen Personen existieren. Zwar gelten Eigenschaften und Motive über die Zeit hinweg als relativ stabil, dennoch unterscheiden sie sich
grundlegend. Eine Persönlichkeitseigenschaft kann förderlich oder hemmend auf ein bestimmtes Motiv einwirken. Beispielsweise fördert die Persönlichkeitseigenschaft Extraversion das Machtmotiv, während sich Introversion hemmend auf die Ausübung des Machtmotivs auswirkt (vgl. Winter, John, Stewart, Klohnen & Duncan, 1998). Während sich Persönlichkeit und Motive durch kritische Lebensereignisse verändern (z.B. einschneidendes
berufliches oder privates Ereignis), kann die Motivausprägung mittels Trainings verändert
werden (vgl. McClelland, 1975).
Führungseigenschaften alleine garantieren keinen Führungserfolg, dennoch unterscheiden
sich aktive und effektive von inaktiven und ineffektiven Führungskräften in verschiedenen
Persönlichkeitseigenschaften. Führungseigenschaften nehmen Einfluss auf den Erwerb von
spezifischen Führungsfähigkeiten, das Führungsverhalten und den Führungserfolg (Kirkpatrick & Locke, 1991). Auf Basis der Mythen und Legenden großer historischer Führungspersönlichkeiten und deren Einfluss auf die Entwicklung der zivilisierten Gesellschaft fokussierte sich die Führungsforschung zwischen Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts auf
die stabilen Persönlichkeitsmerkmale einer Führungskraft (vgl. Bass & Bass, 2008). Auf
Basis eines umfangreichen Reviews über 128 Führungsstudien hinweg folgerte Stogdill
(1948), dass universelle Führungseigenschaften nicht alleine für den Führungserfolg verantwortlich sind, sondern zudem situative Aspekte berücksichtigt werden müssten. Eine
Kombination aus Führungseigenschaften und kontextspezifischen Merkmalen muss berücksichtigt werden, um den tatsächlichen Führungserfolg zu belegen. Situative Aspekte
sind beispielsweise die Führungsebene, auf welcher eine Führungskraft operiert, die Führungserfahrung, Alter, Größe, finanzielle Situation und Konkurrenzsituation der Organisation und zudem ökonomische und gesellschaftliche Einflussfaktoren.
2.1
Persönlichkeit
2.1.1
Persönlichkeit und Motive
Persönlichkeitseigenschaften unterscheiden sich grundlegend von Motiven. Motive beziehen sich auf das Warum des Verhaltens. Wünsche, Absichten, Anreize und Ziele nehmen
hierbei eine tragende Rolle ein. Menschen unterscheiden sich bezüglich ihrer Persönlichkeit, wobei ihnen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Die Persönlichkeit eines
Menschen verbleibt über die Zeit hinweg relativ stabil. Das heißt, Menschen verändern sich
im Laufe ihres Lebens nur geringfügig hinsichtlich ihrer Persönlichkeit (vgl. McAdams &
Pals, 2006). Nach Winter et al. (1998) bezieht sich die Persönlichkeit auf jene Qualitäten,
welche Menschen haben, und Motive darauf, warum, wie und wann Menschen etwas tun.
M. Furtner, U. Baldegger, Self-Leadership und Führung, DOI 10.1007/978-3-8349-3837-4_2,
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
18
Führungseigenschaften und -motive
Beispiel: Mittels eines Persönlichkeitsfragebogens konnte bei drei Mitarbeitern einer Abteilung festgestellt werden, dass sie allesamt hoch gewissenhafte Persönlichkeiten sind. Die
erste Person verfügt über eine hohe Gewissenhaftigkeit und möchte einen hohen Status
und eine sehr gute Reputation erlangen. Das Ziel der zweiten Person liegt darin, die eigene
persönliche Leistung ständig zu verbessern, um dadurch auf sich selbst stolz sein zu können. Das Ziel der dritten Person liegt darin, anderen zu helfen und dadurch soziale Anerkennung zu erhalten. Alle drei Personen verfügen über dieselbe Persönlichkeitseigenschaft
Gewissenhaftigkeit, dennoch unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Motive und Ziele
grundlegend. Die erste Person verfügt über ein hohes Macht-, die zweite Person über ein
hohes Leistungs- und die dritte Person über ein hohes Anschlussmotiv (vgl. Snyder, 1994).
Nach McAdams (1995) funktionieren Persönlichkeitseigenschaften und Motive auf völlig
unterschiedlichen Ebenen. Persönlichkeitseigenschaften liefern einen guten ersten Eindruck
einer Person. Beispielsweise können Menschen bereits nach 50 Millisekunden (das heißt
nach 1/20 einer Sekunde) relativ genau einschätzen, ob eine andere Person extravertiert ist
oder nicht (Borkenau, Brecke, Möttig & Paelecke, 2009). Motive werden bezüglich ihrer
Ziele definiert. Warum, wie und wann beispielsweise eine extravertierte Person ihre individuellen Ziele erreicht, kann nicht mittels der Persönlichkeit, sondern mit den Motiven
erklärt werden. Winter et al. (1998) analysierten anhand zweier Längsschnittstudien die
Beziehungen und Interaktionen zwischen Extraversion-Introversion, Machtmotiv, Anschlussmotiv und deren Auswirkungen auf die Karriere und die Bedeutsamkeit der Arbeitsbeziehungen. Im Vergleich zu introvertierten zeigen extravertierte Personen einen
positiveren Karriereverlauf. Zudem legen extravertierte Personen mit einem ausgeprägten
Machtmotiv hohen Wert auf positive Arbeitsbeziehungen. Introvertierten Personen mit
hohem Machtmotiv scheint dies weniger wichtig zu sein. Im Vergleich zu introvertierten
betätigen sich extravertierte Personen mit hohem Anschlussmotiv stärker in ehrenamtlichen Tätigkeiten.
Nach Winter et al. (1998) zeigen sich keine direkten Beziehungen zwischen den Persönlichkeitseigenschaften und impliziten (= unbewussten) Motiven. Olson und Weber (2004) überprüften die Assoziationen zwischen Persönlichkeitseigenschaften und grundlegenden Motiven. Extraversion zeigt die stärksten Beziehungen zum Anschluss- und zum Machtmotiv,
wobei das Machtmotiv in negativer Beziehung zur Verträglichkeit steht. Das Leistungsmotiv wurde in dieser Studie nicht berücksichtigt.
2.1.2
Die Big Five Persönlichkeitseigenschaften
Persönlichkeitseigenschaften sind universal gültig und über die Lebensspanne hinweg
relativ stabil (McCrae & Costa, 1997). In einer 45-jährigen Längsschnittstudie konnten Soldz
und Vaillant (1999) belegen, dass insbesondere Neurotizismus, Extraversion und Offenheit
für Erfahrungen über die Lebensspanne hinweg relativ stabil bleiben. Gewissenhaftigkeit
und Extraversion sind hierbei die besten Prädiktoren für beruflichen Erfolg. Das FünfFaktoren-Modell der Persönlichkeit beschreibt fünf zentrale Dimensionen:
Persönlichkeit
19
1.
Extraversion,
2.
Verträglichkeit,
3.
Gewissenhaftigkeit,
4.
Neurotizismus,
5.
Offenheit für Erfahrungen.
Das Fünf-Faktoren Modell (FFM) gilt als das weltweit bewährteste Verfahren zur Beschreibung der menschlichen Persönlichkeitsstruktur (Roccas, Sagiv, Schwartz & Knafo, 2002).
Zur Beschreibung der Persönlichkeit wurden historisch zwei bedeutsame Wege eingeschlagen. Der lexikalische Zugang geht davon aus, dass Persönlichkeitseigenschaften in der
Sprache repräsentiert sind (z.B. „Sie ist offen und ehrlich“). Nach Allport und Odbert
(1936) existieren in der englischen Sprache schätzungsweise 4.500 Eigenschaftsbegriffe. Ist
die Persönlichkeit wirklich universal, dann müssten sich in den verschiedenen Sprachen
(z.B. Deutsch, Japanisch oder Chinesisch) eine ähnliche Faktorenstruktur bezüglich der
Persönlichkeit zeigen (vgl. McCrae & John, 1992). „Prototypische“ Eigenschaftsbegriffe
(Adjektive), welche sehr präzise den Kern der Big Five erklären, werden in Tabelle 2.1 dargestellt (vgl. John, 1990). In der nachfolgenden Tabelle werden jene Adjektive abgebildet,
welche die jeweilige Persönlichkeitseigenschaft am besten repräsentieren.
Tabelle 2.1
Prototypische Adjektive zur Beschreibung der Big Five Persönlichkeitseigenschaften (in Anlehnung an John, 1990)
3HUV¸QOLFKNHLW
*HULQJ
KRFK
([WUDYHUVLRQ
႑ ruhig, reserviert, schüchtern
႑ gesprächig, bestimmt, aktiv
႑ verschlossen, scheu
႑ energetisch, dominant
႑ kritisch, lieblos, unfreundlich
႑ mitfühlend, lieb und nett
႑ streitsüchtig, kaltherzig
႑ herzlich, weichmütig
႑ unzuverlässig, unordentlich
႑ organisiert, planvoll, tüchtig
႑ leichtsinnig, schlampig
႑ zuverlässig, gründlich
႑ gefestigt
႑ ängstlich, verkrampft
႑ gelassen
႑ nervös, launisch
႑ gewöhnlich, ungebildet
႑ ideenreich, intelligent
႑ oberflächlich, unintelligent
႑ originell, neugierig
9HUWU¦JOLFKNHLW
*HZLVVHQKDIWLJNHLW
1HXURWL]LVPXV
2IIHQKHLWI¾U(UIDKUXQJHQ
20
Führungseigenschaften und -motive
In der Geschichte der Persönlichkeitsforschung nimmt der lexikalische Ansatz lediglich
eine untergeordnete Rolle ein. Die meisten Erhebungen zur Persönlichkeit werden mittels
Fragebogen durchgeführt (vgl. McCrae & John, 1992). Das Fünf-Faktoren-Modell von Costa
und McCrae (1992) liefert eine sehr einfache und breite Erklärung der menschlichen Persönlichkeit. Zugleich ist es das einflussreichste und bislang bewährteste Modell zur Erklärung der menschlichen Persönlichkeit.
2.1.2.1
Extraversion
Extravertierte Personen mögen andere Menschen und gehen demnach stark auf sie zu. Sie
fühlen sich in Gesellschaft sehr wohl, wobei sie eine optimistische heitere Grundstimmung haben. Sie sind generell sehr aktiv und dynamisch und können in der Interaktion
mit anderen Personen sehr dominant und bestimmt auftreten (vgl. Tabelle 2.1). Extraversion ist sehr breit definiert. Deshalb herrscht in der Persönlichkeitspsychologie eine rege
Diskussion, wie Extraversion richtig eingeordnet werden sollte. Nach McCrae und Costa
(1989) befindet sich Extraversion in der Mitte zwischen Dominanz und Herzlichkeit. Dies
könnte auch die Beziehungen sowohl zum Machtmotiv als auch zum Anschlussmotiv erklären. Extravertierte sind gesprächig, gesellig und kontaktfreudig. All diese Eigenschaften
benötigt eine anschlussmotivierte Person, um Kontakt mit anderen Menschen aufzunehmen. Zugleich können extravertierte Personen dominant, direkt und bestimmt sein. Dies
sind Eigenschaften, welche stark einer machtmotivierten Person zugeordnet werden können. Den „dominanten“ Teil der Extraversion klassifiziert Hogan (1986) als Ehrgeiz. Eine
extravertierte Person ist entschlusskräftig, begeisterungsfähig, ambitioniert und leidenschaftlich. Die zweite „herzliche“ Dimension bezeichnet er als Geselligkeit. Extravertierte
Personen sind kontaktfreudig, nach außen gerichtet und ausdrucksstark. Nach einem Review von Watson und Clark (1997) setzt sich Extraversion aus folgenden Komponenten
zusammen:
႑ Abenteuerlichkeit,
႑ Zugehörigkeit (Anschluss, Kontakt),
႑ positive (emotionale) Befindlichkeit,
႑ Tatkraft / Energie,
႑ Vormachtstellung,
႑ Ehrgeiz.
Introvertierte Personen sind im Umgang mit anderen Menschen schüchtern, verschlossen
und zurückhaltend. Im Gegensatz zu extravertierten Personen bevorzugen sie es, alleine zu
sein. Nach Borkenau und Ostendorf (2008) müssen Introvertierte – obwohl sie ruhig, verschlossen und zurückhaltend sind – nicht unglücklich, pessimistisch oder depressiv sein.
2.1.2.2
Verträglichkeit
Verträglichkeit ist eine soziale Persönlichkeitsdimension und steht in enger Verbindung mit
Persönlichkeit
21
Altruismus und Hilfsbereitschaft. Eine Person mit hoher Verträglichkeit wird von anderen
Menschen als herzlich, mitfühlend und verständnisvoll wahrgenommen. Auf andere Menschen wirkt sie sozial und emotional unterstützend. Hingegen wirkt eine „unverträgliche“
Person auf andere Personen kalt, egoistisch, kritisch und streitsüchtig. Verträglichkeit und
Gewissenhaftigkeit repräsentieren den Charakter einer Person. Die verträglichen Personen
sind die „Guten“, während weniger verträgliche Personen die „Bösen“ sind. Gewissenhafte
Personen sind willensstark, während wenig gewissenhafte Personen willensschwach sind
(McCrae & John, 1992). Ähnlich wie beim Anschlussmotiv zeigen Personen mit hoher Verträglichkeit ein starkes zwischenmenschliches Harmoniebedürfnis. Verträgliche Personen
sind deshalb bei anderen Personen beliebter als weniger verträgliche (vgl. Borkenau &
Ostendorf, 2008). Verträgliche Personen zeigen enge Beziehungen zu den Werten des
menschlichen Mitgefühls (Roccas et al., 2002).
2.1.2.3
Gewissenhaftigkeit
Gewissenhafte Personen können sehr gut planen und organisieren. Sie zeigen eine starke
Willenskraft und hohe Leistungsbereitschaft. Gewissenhaftigkeit ist die Leistungsdimension der Persönlichkeit und zeigt demnach enge konzeptionelle Bezüge zum Leistungsmotiv. Einerseits können gewissenhafte Personen ihr impulsives Verhalten sehr gut beherrschen und andererseits zeigen sie eine starke leistungsbezogene Willenskraft. Roccas et al.
(2002) konnten belegen, dass die Gewissenhaftigkeit mit Leistungswerten in Verbindung
steht. Personen mit geringer Gewissenhaftigkeit gelten als unzuverlässig, schlampig, faul
und unorganisiert. Sie gelten generell als willensschwach und zeigen ungenügende Leistungen.
2.1.2.4
Neurotizismus / Emotionale Stabilität
Personen mit hohen Neurotizismus-Werten gelten als emotional labil und erleben fortlaufend negative Emotionen. Sie sind nervös, angespannt, frustriert, betrübt und gehemmt.
Sie zeigen häufig ein irrationales Denken, geringes Selbstvertrauen und nur eine geringe
Impulskontrolle. Sie lassen sich dadurch schnell aus der Ruhe bringen und machen sich
häufig Sorgen. Emotional stabile Personen hingegen sind ruhig, ausgeglichen und sorgenfrei. Durch ihre Standfestigkeit lässt sie nichts so schnell aus der Fassung bringen. Sie
sind entspannt. Ihre Stimmung ist gleichmütig und unerschütterlich.
2.1.2.5
Offenheit für Erfahrungen
Offenheit für Erfahrungen löste bislang die größten Kontroversen zwischen den Analysen
der natürlichen Sprache (= lexikalischer Ansatz) und den Fragebogenstudien aus (McCrae
& John, 1992). Studien, welche Eigenschaftsbegriffe (Adjektive) zur Beschreibung der Persönlichkeit einsetzten, konnten belegen, dass Personen mit hoher Offenheit für Erfahrungen
als intelligent, erfinderisch und scharfsinnig beschrieben werden (z.B. Goldberg, 1990).
Nach Digman (1990) repräsentiert Offenheit für Erfahrungen auf eine gewisse Art und
Weise den Intellekt. McCrae und John (1992) betonen, dass Offenheit für Erfahrungen
nicht zwingend mit hoher Intelligenz in Beziehung steht. Generell konnten Studien mittels
22
Führungseigenschaften und -motive
Fragebogenverfahren belegen, dass Offenheit für Erfahrungen ein breiterer Faktor ist, welcher Kreativität, intellektuelle Interessen, die ästhetische Sensibilität, das Bedürfnis nach
Vielfalt und unkonventionelle Werte beinhaltet (McCrae & John, 1992). Personen mit
hoher Offenheit für Erfahrungen bevorzugen Abwechslung und sind offen für neue Handlungsweisen. Personen mit geringen Werten verhalten sich konventionell und weisen konservative Einstellungen auf. Altbewährtes wird gegenüber neuen Ansätzen / Ideen bevorzugt (vgl. Borkenau & Ostendorf, 2008).
2.1.3
Persönlichkeit und arbeitsbezogene Kriterien
Die Beziehung zwischen Persönlichkeit und der Arbeitsleistung wurde bereits vielfach in
Metaanalysen untersucht. Eine Metaanalyse fasst die Ergebnisse aus einer Vielzahl von
Einzelstudien zusammen, beispielsweise hinsichtlich der Beziehungen zwischen Persönlichkeit und Arbeitsleistung. Eine häufig zitierte Metaanalyse hinsichtlich der Beziehung
zwischen den Big Five Persönlichkeitseigenschaften und der Arbeitsleistung wurde von
Barrick und Mount (1991) durchgeführt. Insgesamt wurden 117 Studien in die Analyse mit
einbezogen. Das wichtigste Ergebnis zeigt sich bezüglich der Persönlichkeitsdimension
Gewissenhaftigkeit. Gewissenhaftigkeit steht am stärksten mit der Arbeitsleistung in Beziehung. Dies konnte über die unterschiedlichen Berufe und Branchen hinweg bestätigt
werden. Das heißt, Personen welche ihre Arbeitsaufgaben gut planen, organisieren und
leistungswillig sind, weisen die höchste Arbeitsleistung auf. Sie zeigen zudem eine höhere
Ausdauer bei der Bewältigung ihrer Aufgaben. Die Beziehung zwischen Extraversion und
Arbeitsleistung ist besonders bei zwei Beschäftigungsformen wichtig: Führung und Verkauf. Der Führungs- und Verkaufserfolg ist stark davon abhängig, wie gut eine Person im
sozialen Kontext andere beeinflussen kann. Bei fachlichen Spezialisierungen (z.B. Sekretariat, Buchhaltung, Produktion, Technik oder Architektur) nimmt die Extraversion eine weniger bedeutsame Rolle ein. Der Fokus liegt insbesondere auf der individuellen Leistung und
weniger auf der Beeinflussung von anderen Personen. Personen mit hoher Offenheit für
Erfahrungen zeigen die besten Resultate bei Ausbildungs- / Trainingsprogrammen. Dies
lässt sich auf ihre Lernbereitschaft zurückführen, Neues kennenzulernen und es anzunehmen. Nach Barrick und Mount (1991) zeigt Offenheit für Erfahrungen die stärksten Verbindungen zur Lernfähigkeit und zur Lernmotivation. Neurotizismus (Gegenpol: emotionale
Stabilität) und Verträglichkeit zeigen nur geringe Auswirkungen auf die individuelle Arbeitsleistung. Arbeiten hoch verträgliche Personen in Teams zusammen, dann weisen sie
die stärksten Verbindungen zur arbeitsbezogenen Leistung auf (Mount, Barrick & Stewart,
1998).
Ungefähr 10 Jahre nach der Metaanalyse von Barrick und Mount (1991) führten Hurtz und
Donovan (2000) eine weitere Metaanalyse (N = 24 Studien) bezüglich der Beziehungen
zwischen Persönlichkeit und individueller Arbeitsleistung durch. Die Ergebnisse von Barrick und Mount (1991) konnten weitgehend bestätigt werden. Gewissenhaftigkeit ist der
stärkste Prädiktor zur Vorhersage der individuellen Arbeitsleistung. Im Gegensatz zur
Metaanalyse von Barrick und Mount (1991) zeigt sich, dass emotionale Stabilität ein ähnlich starker Prädiktor wie Gewissenhaftigkeit zur individuellen Arbeitsleistung ist.
Persönlichkeit
23
Emotionale Stabilität und Gewissenhaftigkeit nehmen auch bezüglich der Arbeitsmotivation eine bedeutsame Rolle ein. Judge und Ilies (2002) konnten mittels einer Metaanalyse (N
= 65 Studien) belegen, dass emotionale Stabilität und Gewissenhaftigkeit die stärksten Prädiktoren für die individuelle Arbeitsmotivation sind. Arbeitsmotivation setzte sich hierbei
aus Zielsetzung, Erwartung und wirksamkeitsbezogene Motivation zusammen. Bezüglich
der motivationalen Zielsetzung ist Verträglichkeit ein stark negativer Prädiktor. Extraversion ist einer der stärksten Prädiktoren für die wirksamkeitsbezogene Motivation. Generell
zeigt das Ergebnismuster, dass gewissenhafte Personen mit hoher emotionaler Stabilität die
stärkste Vorhersagekraft bezüglich der individuellen Arbeitsmotivation aufweisen, gefolgt
von Extraversion, Verträglichkeit und Offenheit für Erfahrungen.
In einer weiteren Metaanalyse (N = 163 Studien) zur Beziehung zwischen Persönlichkeit
und Arbeitszufriedenheit konnten Judge, Heller und Mount (2002) belegen, dass emotionale Stabilität, Extraversion und Gewissenhaftigkeit die stärksten Verbindungen zur
Arbeitszufriedenheit aufweisen. Emotionale Stabilität und Extraversion zeigen hierbei
konsistente Ergebnisse über die Studien hinweg. Nach DeNeve und Cooper (1998) stehen
die emotionale Stabilität und Extraversion mit einer „glücklichen“ Persönlichkeit in Beziehung. Zusammenfassend zeigt sich über die verschiedenen Studien hinweg, dass Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Extraversion die wichtigsten Prädiktoren für die
individuelle Arbeitsleistung, Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit sind. Emotionale
Stabilität und Gewissenhaftigkeit wirken sich zudem positiv auf den beruflichen Erfolg
aus. Judge, Higgins, Thoresen und Barrick (1999) analysierten auf Basis von drei Langzeitstudien (mit einer Dauer von über 50 Jahren) die Beziehungen zwischen Persönlichkeit und
Berufserfolg. Beruflicher Erfolg setzte sich hierbei aus zwei Dimensionen zusammen:
1. intrinsischer Erfolg (= Arbeitszufriedenheit),
2. extrinsischer Erfolg (= Einkommen und Beschäftigungsstatus).
Gewissenhaftigkeit konnte hierbei sowohl intrinsischen als auch extrinsischen Berufserfolg vorhersagen. Emotionale Stabilität wirkt positiv auf den extrinsischen Erfolg ein. Das
heißt, über die Zeit hinweg gesehen, wirken sich Gewissenhaftigkeit und die emotionale
Stabilität positiv auf den beruflichen Erfolg aus. Personen, welche relativ gleichmütig sind
und sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen, haben langfristig gesehen ein höheres Einkommen und einen höheren Beschäftigungsstatus.
Hoch gewissenhafte und emotional stabile Personen sind bezüglich der Arbeit nicht nur
leistungswilliger, motivierter, zufriedener und erfolgreicher, sondern sie sind auch weniger
in Arbeitsunfälle verwickelt. Eine Metaanalyse von Clarke und Robertson (2005) (N = 47
Studien) konnte belegen, dass insbesondere gewissenhafte, emotional stabile und verträgliche Personen am geringsten in Arbeitsunfälle involviert sind. Nach Salgado (2002) zeigen unverträgliche Personen ein stark negatives Verhalten am Arbeitsplatz (z.B. disziplinäre Probleme, Nichtbeachtung organisationaler Regeln und Drogenmissbrauch). Wenig
verträgliche Personen sind kalt, unfreundlich, lieblos und streitsüchtig. Zudem sind sie
häufig in Arbeitsunfällen involviert. Unverträgliche Personen haben Probleme damit, mit
anderen Menschen umzugehen. Dadurch sind sie häufig sehr unbeliebt, wobei ihnen mög-
24
Führungseigenschaften und -motive
licherweise Informationen fehlen (z.B. sicherheitsbezogene Verhaltensweisen), welche sich
eine Arbeitsgruppe teilt (vgl. Clarke & Robertson, 2005). Das launische, nervöse und ängstliche Gemüt einer emotional instabilen Persönlichkeit (= Neurotizismus) führt ebenfalls zu
höheren arbeitsbezogenen Unfällen. Personen mit geringer Gewissenhaftigkeit sind oft
unbekümmert, leichtsinnig, unordentlich und verantwortungslos. All dies sind Eigenschaften, welche die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitsunfalles erhöhen können.
2.1.4
Persönlichkeit und Leadership
Judge, Bono, Ilies und Gerhardt (2002) überprüften im Rahmen einer Metaanalyse, inwiefern die Big Five Persönlichkeitseigenschaften mit Leadership in Verbindung stehen. Nach
Hogan, Curphy und Hogan (1994) kann Führung auf zwei Arten konzeptualisiert und
gemessen werden:
1. die Entstehung von Führung (Leader Emergence),
2. die Effektivität von Führung (Leader Effectivity).
Die Entstehung einer Führungskraft bezieht sich darauf, ob ein Individuum von anderen
tatsächlich als Führungskraft wahrgenommen wird (Leader Emergence). Die Führungseffektivität bezieht sich darauf, inwiefern eine Führungskraft in der Lage ist, eine Gruppe
effektiv zu beeinflussen und zu führen (Leader Effectivity). Extraversion zeigt die stärksten
Assoziationen zu Leadership. Extraversion nimmt sowohl für die Entstehung einer Führungskraft als auch für deren Effektivität die wichtigste Rolle ein. An zweiter Stelle folgt
Gewissenhaftigkeit, welche wichtiger für die Entstehung von Führung ist. Offenheit für
Erfahrungen ist ebenfalls für die Entstehung einer Führungskraft wichtiger. Emotionale
Stabilität nimmt eine geringere Rolle ein und Verträglichkeit ist für Leadership am wenigsten relevant.
Studien zwischen den Big Five Persönlichkeitseigenschaften und Leadership fokussierten
sich in jüngerer Zeit ausschließlich auf die transformationale Führung, charismatische Führung und transaktionale Führung. Dies kann auf die Popularität der neocharismatischen
Führungstheorien (transformationale und charismatische Führung) als auch auf das FullRange-Leadership-Modell (transformationale, transaktionale und Laissez-faire-Führung)
zurückgeführt werden. Judge und Bono (2000) überprüften in einer Studie die Beziehungen
zwischen den Big Five Persönlichkeitseigenschaften einer Führungskraft und dem wahrgenommenen transformationalen Führungsverhalten (eingeschätzt durch die Geführten). Im
Vergleich zur Metaanalyse von Judge et al. (2002) ist überraschend, dass Verträglichkeit
der stärkste Prädiktor für die transformationale Führung ist (vgl. Rubin, Munz & Bommer,
2005). Verträglichkeit korrelierte sowohl mit dem wahrgenommenen Charisma der Führungskraft als auch mit der individuellen (emotionalen) Berücksichtigung der Mitarbeiter.
Extraversion und Offenheit für Erfahrungen lassen ebenfalls bedeutsame Beziehungen
zur transformationalen Führung belegen. Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit zeigen
keine bedeutsamen Beziehungen zur transformationalen Führung. Bono und Judge (2004)
führten eine Metaanalyse bezüglich der Beziehung zwischen den Big Five Persönlichkeits-
Persönlichkeit
25
eigenschaften und der transformationalen und transaktionalen Führung durch. Extraversion war die einzige Persönlichkeitseigenschaft, welche sowohl Beziehungen zur transformationalen als auch zur transaktionalen Führung aufweist. Die vier weiteren Persönlichkeitseigenschaften zeigten nur schwache Assoziationen zu den beiden Dimensionen des Führungsverhaltens.
Reichard et al. (2011) überprüften über 12 Jahre hinweg in einem längsschnittlichen Design,
inwiefern sich die Persönlichkeit und die Intelligenz auf die Entstehung von Führung
(Leader Emergence) und die transformationalen Führung auswirken. Bei der Ersterhebung
wurde bei 17-jährigen sowohl die Persönlichkeit erfasst als auch die Intelligenz getestet.
Dieselben Personen wurden im Alter von 29 Jahren (12 Jahre später) in Bezug auf die Entstehung von Führung und die transformationale Führung getestet. Die Ergebnisse können
belegen, dass die Persönlichkeitsdimension Extraversion (über die Intelligenz hinweg) ein
positiver Prädiktor für die (spätere) Entstehung von Führung (Leader Emergence) und die
transformationale Führung ist. Extravertierte Führungskräfte übernehmen öfters die Führung, werden von anderen stärker als Führungskraft wahrgenommen und gewinnen
dadurch an sozialen und praktischen Fähigkeiten und Erfahrungen. Dadurch zeigen sie ein
effektiveres Führungsverhalten (vgl. Guerin et al., 2011).
De Hoogh, Den Hartog und Koopman (2005) untersuchten die Beziehungen zwischen Persönlichkeit, charismatischer und transaktionaler Führung in Abhängigkeit, ob es sich um
eine stabile oder dynamische Umwelt handelte. In einer stabilen Umwelt zeigte sich eine
Beziehung zwischen Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und charismatischer und transaktionaler Führung. In einer dynamischen Umwelt wurden verträgliche oder gewissenhafte
Führungskräfte als weniger charismatisch und weniger transaktional wahrgenommen.
Offenheit für Erfahrungen zeigt mit der charismatischen Führung nur dann eine positive
Beziehung, wenn eine dynamische (unsichere) Umwelt vorherrscht. Personen mit höherer
emotionaler Instabilität (= Neurotizismus) werden ebenfalls als charismatischer wahrgenommen, wenn sich der Kontext auf eine dynamische Umwelt bezieht. Extraversion weist
in beiden Kontextbeziehungen (stabile versus dynamische Umwelt) keine bedeutsamen
Beziehungen zur charismatischen und transaktionalen Führung auf.
Felfe und Schyns (2006, 2010) überprüften, inwiefern die Persönlichkeitseigenschaften der
Geführten Einfluss darauf nehmen, wie transformationale Führungskräfte wahrgenommen
werden. Geführte, welche eine hohe Verträglichkeit und Extraversion aufweisen, bewerten
ihre Führungskraft stärker als transformationale Führungskraft. Geführte mit hoher emotionaler Instabilität (= hoher Neurotizismus) schreiben ihrer Führungskraft eine geringere
individuelle (emotionale) Berücksichtigung zu. Geführte mit hoher Extraversion und Verträglichkeit zeigen eine höhere Akzeptanz bezüglich der Führungskraft. Sie entwickelten
ein stärkeres affektives Commitment (d.h. eine ausgeprägte emotionale Verpflichtung) zu
ihrer Führungskraft. Die Studien von Felfe und Schyns (2006, 2010) liefern Evidenz für die
Ähnlichkeitshypothese: Führungskräfte werden als transformational wahrgenommen,
wenn sie eine hohe Extraversion, eine hohe Verträglichkeit, eine hohe Offenheit für Erfahrungen und eine geringe emotionale Instabilität aufweisen. Geführte (mit hoher Extraversion, hoher Verträglichkeit und geringem Neurotizismus) führen eine Art soziale Projektion
26
Führungseigenschaften und -motive
durch. Die Führungskraft scheint ihnen bezüglich ihrer Persönlichkeitseigenschaften ähnlich und wird dadurch als transformationale Führungskraft wahrgenommen.
2.1.5
Narzissmus, Machiavellismus und Leadership
Narzissmus wird im Zusammenhang mit der „dunklen“ Triade der Persönlichkeit (Dark
Triad; Paulhus & Williams, 2002) beschrieben. Neben Narzissmus beinhaltet die dunkle
Triade Machiavellismus und Psychopathie. Die dunklen Persönlichkeitseigenschaften haben gemeinsam, dass sie alle relativ wenig verträglich sind (vgl. Jakobwitz & Egan, 2006;
Lee & Ashton, 2005), wobei insbesondere Narzissmus in der jüngeren Führungsforschung
eine zentrale Rolle einnimmt. Eine narzisstische, selbstverliebte und egozentrische Person
nimmt sich selbst als grandios, mächtig und “übermenschlich” wahr. Auf andere Personen
wirkt sie arrogant, wobei sie im zwischenmenschlichen Bereich manipulativ agiert. Sie
verfügt zudem über eine starke Selbstaufmerksamkeit, um die eigene Stärke und Größe
wahrzunehmen. Aufgrund ihrer starken Selbstzentriertheit verfügt eine narzisstische
Person für andere Menschen nur über eine geringe Empathie, mit Ausnahme, wenn sie
von anderen Menschen hinsichtlich ihrer Größe bestätigt werden möchte. Narzisstische
Personen strahlen Autorität aus und möchten gerne andere Menschen führen und beeinflussen (vgl. Raskin & Hall, 1979). Nach Jones und Paulhus (2011a, 2011b) ist die Wahrnehmung der eigenen Größe und Stärke die Hauptcharakteristik von Narzissmus. Narzisstische Personen suchen in ihrem Umfeld Bestätigung für ihre Grandiosität. Im Führungskontext suchen sie demnach Mitarbeiter, welche sie bewundern und sie in ihrem
Narzissmus bestärken. Personen, welche sie nicht in ihrem Narzissmus bekräftigen, werden hingegen vermieden und degradiert. Narzissten weisen ein stark personalisiertes
Machtmotiv auf (Rosenthal & Pittinsky, 2006). Das Ziel liegt in der Beeinflussung und
Führung von anderen Personen, um die eigene Stärke und Größe wahrnehmen zu können.
Narzisstische Personen sind extravertiert und werden zudem häufig als charismatisch
beschrieben (Lee & Ashton, 2005; Rosenthal & Pittinsky, 2006). Narzissten weisen demnach
ein intrinsisches Interesse für Führung auf.
Machiavellismus basiert auf Niccolò Machiavelli’s Der Fürst (Il Principe; 2007) und steht in
Verbindung mit pragmatischen, zynischen und unmoralischen Ansichten. Das persönliche Verhalten dient rein zum eigenen egoistischen Selbstzweck. Machiavellisten sind kalt,
berechnend und verfolgen Langzeitziele um schließlich ihre eigenen Ziele zu erreichen.
Machiavellisten zielen darauf ab, Geld, Macht und Status zu erlangen. Sie sind relativ
kaltherzig und verfügen über eine geringe Empathie. Die zwischenmenschliche Manipulation (Täuschung und Betrug) zur Erreichung der persönlichen Langzeitziele steht im Vordergrund. Das Verhalten wird rein darauf ausgelegt, die persönlichen Ziele zu erreichen.
Um Macht zu erlangen, setzt ein Machiavellist alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel
ein, unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht sind. Wie beim Narzissten liegt beim Machiavellisten die personalisierte Machtmotivation zugrunde. Machiavellisten sind Langzeitstrategen. Sie können ihre Gefühle sehr gut kontrollieren und verfügen demnach über
eine bessere Selbstkontrolle als Narzissten. Narzissten sind impulsiver und bezüglich ihrer
Ziele kurzfristiger orientiert (vgl. Jones & Paulhus, 2011b). Machiavellistische Führungs-
Persönlichkeit
27
kräfte manipulieren ihre Mitarbeiter, um ihre Ziele zu erreichen. Machiavellismus steht in
positiver Beziehung zur wahrgenommenen Größe (Deluga, 2001).
Psychopathie repräsentiert impulsives und unberechenbares Verhalten. Personen mit
hohen Ausprägungen in Psychopathie sind sehr kalt und verfügen im Gegensatz zu Machiavellisten über ein sehr starres taktisches Verhalten. Sie möchten, dass alle ihre Wünsche sofort erfüllt werden und sind ruhelos, impulsiv und zeigen ein starkes Temperament (Jones & Paulhus, 2011a). Da „Psychopathen“ aufgrund ihres Verhaltens nur relativ
selten Führungspositionen erlangen, Machiavellisten nur wenig charismatisch sind und
zum Teil negative Leistungsergebnisse aufweisen (Brown & Trevino, 2006), liegt der
Schwerpunkt der aktuellen Führungsforschung auf dem Narzissmus.
Die narzisstische Führungskraft rückte in den letzten Jahren in das Zentrum der eigenschaftsbezogenen Führungsforschung. Nach Rosenthal und Pittinsky (2006) tritt narzisstische Führung auf, wenn die Handlungen der Führungskraft grundsätzlich durch ihre eigenen egomanischen Bedürfnisse motiviert sind. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter und der
Organisation werden dabei ausgeblendet. Für Maccoby (2000) verfügt sogar eine Mehrzahl
der Führungskräfte über einen ausgeprägten Narzissmus (vgl. Rosenthal & Pittinsky,
2006). Narzisstische Führungskräfte sind charismatisch, machtmotiviert und können andere Menschen sehr gut beeinflussen (vgl. Rosenthal & Pittinsky, 2006). Mittels ihrer Fähigkeit
zur Formulierung einer großen Vision und der Beeinflussung ihrer Mitarbeiter können
narzisstische Führungskräfte starken Einfluss auf die strategische Ausrichtung und Entwicklung einer Organisation ausüben. Dadurch sind sie in der Lage, ganze Organisationen
zu transformieren (vgl. Maccoby, 2000). Die große Gefahr von narzisstischen Führungskräften besteht darin, dass sie ganze Organisationen zugrunde richten können. Rosenthal und
Pittinsky (2006) nennen mehrere negative Konsequenzen der narzisstischen Führungskraft,
welche auf ihre psychische Struktur zurückzuführen sind:
႑ Arroganz
Arroganz ist ein Hindernis für eine effektive Führungskraft und führt zu Kurzsichtigkeit,
Selbstgefälligkeit und unflexiblem Verhalten. Eine arrogante Person verschließt sich vor
weisen Ratschlägen und Veränderungen in der Umwelt (z.B. existenzielle Bedrohung durch
einen Konkurrenten). Nach Ma und Karri (2005) führte arrogante Selbstgefälligkeit dazu,
dass beispielsweise US-amerikanische Autobauer wichtige Marktanteile an japanische
Unternehmen verloren haben.
႑ Minderwertigkeitsgefühle
Obwohl narzisstische Führungskräfte nach außen hin Stärke signalisieren, fühlen sie sich
im Inneren oft leer und minderwertig (z.B. Harwood, 2003). Narzissten kämpfen unermüdlich gegen ihre eigenen Gefühle der Leerheit und gegen die Kränkung des narzisstischen
Stolzes. Werden sie in ihrem narzisstischen Selbstbild gekränkt, dann stellen sie eine große
Gefahr für ihre Mitarbeiter dar. Bereits der leichteste Fehltritt kann zu übertriebenen und
unangemessenen Reaktionen führen.
28
Führungseigenschaften und -motive
႑ Unersättliches Bedürfnis nach Anerkennung und Überlegenheit
Da nicht einmal eine unbegrenzt verfügbare Macht die hohen Erwartungen eines Narzissten erfüllen kann, sind sie ständig auf der Suche nach äußerer Anerkennung und nach
Bestätigung der eigenen Überlegenheit (Horowitz & Arthur, 1988). Verfügen Narzissten
über Macht, dann verwenden sie alle verfügbaren Mittel, um ihre eigene Stärke zu erfahren. Narzissten richten ihre Ziele, Verhaltensweisen und Reden danach aus, welche Wirkung und Anerkennung sie dadurch von anderen erfahren. Narzissten fordern von ihren
Geführten uneingeschränkte Hingabe und Loyalität (Harwood, 2003). Um auf andere Menschen „charismatisch“ wirken zu können und von ihnen bewundert zu werden, suchen
und bewerten narzisstische Führungskräfte ihre Mitarbeiter sehr selektiv (Judge, LePine &
Rich, 2006). Narzisstische Führungskräfte nehmen sich selbst als die größte Führungskraft
wahr. Daher dulden sie keine anderen Narzissten („Alpha-Anwärter“) neben sich.
႑ Überempfindlichkeit und Ärger
Werden Narzissten in ihrer Größe und Stärke bedroht, reagieren sie mit übertriebener
Überempfindlichkeit und Ärger. Eine Beleidigung des Narzissten führt zu feindseligen und
rachsüchtigen Reaktionen (Horowitz & Arthur, 1988).
႑ Mangel an Empathie
Narzissten können nur schwer die Ansichten und Meinungen von anderen Menschen verstehen und nachempfinden. Dies kann auf einen Mangel an Empathie zurückgeführt werden, welche ein Schlüsselkonzept im Rahmen der emotionalen Intelligenz ist. Demnach
können Narzissten zwar andere Menschen mittels ihrer Visionen und ihres Charismas
beeinflussen, dennoch verfügen sie über einen Mangel an emotionaler Intelligenz. Aufgrund des Mangels an Empathie verfolgen Narzissten selbstzentrierte Entscheidungen,
wobei sie zugleich Kritik ignorieren (Rosenthal & Pittinsky, 2006).
႑ Unmoralisches Verhalten
Narzisstische Führungskräfte kommunizieren an ihre Mitarbeiter ihre hohe Erwartungshaltung (beinahe unmöglich erreichbare Ziele). Erhalten sie von ihren Mitarbeitern nicht das,
was sie sich wünschen, dann büßen diese ihre „Existenzberechtigung“ ein. Nach Glad
(2002) dient diese Strategie zum Machterhalt.
႑ Irrationalität und Inflexibilität
Im Gegensatz zu Machiavellisten sind Narzissten in ihren Gedanken und ihrem Verhalten
sehr unflexibel. Nach Conger (1990) identifiziert sich ein Narzisst so stark mit seiner Vision,
dass sie Teil seiner Persönlichkeit wird. Dadurch ist der Narzisst nicht gewillt, gegenteilige
Meinungen zu akzeptieren. Nach Glad (2002) führte Hitler seine Entscheidungen rein auf
Basis seiner Vision und Inspiration durch. Diese war geprägt durch eine tiefe Verachtung
und Unterschätzung von anderen Menschen.
႑ Verfolgungswahn (Paranoia)
Narzisstische Führungskräfte sind sehr misstrauisch gegenüber ihren Geführten. Zwar
Persönlichkeit
29
sollte eine Führungskraft immer besorgt sein, wenn sie von ruhigen Sykophanten („Kriechern und Schleimern“) umgeben ist. Narzisstische Führungskräfte verhalten sich jedoch
irrational. Sie misstrauen sogar ihren loyalsten Mitarbeitern, weisen sie zurück und degradieren sie (Judge et al., 2006).
Narzisstische Führungskräfte verfügen auch über eine Reihe von vorteilhaften Eigenschaften. Durch ihre dominante und zuversichtliche Art wird eine Gruppe so stark inspiriert,
dass sie den Narzissten als Führungskraft wählen und akzeptieren (z.B. Brunell et al., 2008;
Gladwell, 2002; Hogan et al., 1994). In Krisenzeiten sind Narzissten nicht nur förderlich,
sondern sogar notwendig (vgl. Post, 1986). Eine Menschengruppe, welche über nur wenig
Hoffnung verfügt und nach höheren Idealen strebt, findet in der zuversichtlichen – von
Ideen geprägten – narzisstischen Führungskraft ihre ideale Führungskraft. Narzisstische
Führungskräfte benötigen wiederum jene Menschengruppen oder Mitarbeiter, welche
„schwach“ oder unsicher sind, sich inspirieren lassen und ihnen bedingungslos ergeben
sind. Nach Maccoby (2000) ist die heutige globale Welt von Unsicherheit geprägt. Um diese
zu bewältigen, benötigt sie große Visionäre und innovative Köpfe, welche die Zukunft
formen. CEOs von Unternehmen, welche sich zugleich in den Medien als Stars präsentieren
(z.B. Steve Jobs, Jack Welch), streben nach Ruhm und Ehre. Sie arbeiten unermüdlich daran,
geliebt und bewundert zu werden. Für Maccoby (2000) kann ein Narzisst sehr produktiv
sein. Sie können die Massen mit ihren Visionen und ihrer Rhetorik in den Bann ziehen.
Narzisstische Führungskräfte bewegen sich auf zwei extremen Polen. Entweder sie sind
sehr erfolgreich oder sie schaden einem System (z.B. einem Unternehmen) sehr stark. Nach
Chatterjee und Hambrick (2006) sind narzisstische Führungskräfte sehr dynamisch und
glanzvoll. Sie zeigen extremere Leistungen (sowohl gute als auch schlechte) und eine höhere Volatilität bezüglich der gewinnbezogenen Leistung eines Unternehmens. Für Deluga
(1997) waren einige der am meisten und am wenigsten erfolgreichsten US-amerikanischen
Präsidenten Narzissten. Nach Rosenthal und Pittinsky (2006) ist es für Narzissten ein relativ einfaches Spiel, eine Führungsposition einzunehmen. Ihr Leistungsverhalten als Führungskraft ist jedoch inkonsistent. Sie überschätzen sich häufig hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und neigen zu risikoreichem Verhalten (vgl. Campbell, Foster & Brunell, 2004; Judge et
al., 2006). Nevicka, Velden, De Hoogh und van Vianen (2011) konnten belegen, dass Narzissten bezüglich ihres Führungsverhaltens als effektiv wahrgenommen werden, sie jedoch
bewusst den Informationsfluss zwischen den Gruppenmitgliedern zurückhalten. Dadurch
üben narzisstische Führungskräfte einen negativen Einfluss auf die Gruppenleistung aus.
Narzisstische Führungskräfte zeigen eine negative Beziehung zur leistungs- und ereignisbezogenen Belohnung der Mitarbeiter. Demnach lässt sich kein Interesse erkennen, die
Austauschbeziehungen zwischen den Mitgliedern einer Organisation zu fördern (Resick,
Whitman, Weingarden & Hiller, 2009). Narzisstische Führungskräfte können unter bestimmten Bedingungen sehr produktiv und erfolgreich sein (Rosenthal & Pittinsky, 2006):
႑ in allen Situationen, in welchen Charisma und Extraversion wichtig sind (z.B. im Verkauf),
႑ in Situationen, in welchen die persönlichen Ziele mit den organisationalen Zielen
übereinstimmen,
30
Führungseigenschaften und -motive
႑ in unsicheren Situationen können Narzissten mittels ihrer Visionen und ihres Charismas eine Organisation möglicherweise vor ihrem Untergang retten.
Der Aufstieg und Niedergang einer narzisstischen Führungskraft kann am Beispiel von
SAS illustriert werden. Jan Carlzon wurde Anfang der 1980er Jahre CEO der skandinavischen Fluglinie SAS. Carlzon hatte die Vision, SAS zu einer weltweit führenden BusinessFluglinie aufzubauen. Er duldete keine Widersprüche und konnte keinen seriösen Dialog
mit seinen Geführten eingehen. Aufgrund seiner narzisstischen Impulsivität ignorierte er
die explodierenden Kosten und investierte in eine weitere Expansion. Die Bedenken seiner
Mitarbeiter wertete er zynisch ab. Aufgrund der düsteren wirtschaftlichen Lage seines
Unternehmens wurden sowohl das Unternehmen (SAS) als auch Jan Carlzon von der internationalen Presse sehr negativ dargestellt. Dadurch sah sich Carlzon in seinem narzisstischen Stolz verletzt und brachte die Fluglinie immer mehr in die Verlustzone, bis er schließlich von der Fluglinie entlassen wurde (vgl. Maccoby, 2000).
Judge und Long (2012) schreiben sowohl den „hellen“ (Big Five) als auch den „dunklen“
(z.B. Narzissmus, Machiavellismus) Persönlichkeitseigenschaften positive und negative
Aspekte zu. Sowohl die „hellen“ als auch die „dunklen“ Persönlichkeitseigenschaften einer
Führungskraft führen – unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation – zu positiven oder
negativen Konsequenzen. In Tabelle 2.2 werden die jeweiligen Vor- und Nachteile der
„hellen“ und „dunklen“ Persönlichkeitseigenschaften dargestellt.
Tabelle 2.2
Vor- und Nachteile der „hellen“ und „dunklen“ Eigenschaften einer
Führungskraft (in Anlehnung an Judge & Long, 2012)
3HUV¸QOLFKNHLW
9RUWHLOH
1DFKWHLOH
([WUDYHUVLRQ
႑ charismatisch, inspirierend und
႑ sind impulsiver und risikoreicher
ehrgeizig, führen gerne
9HUWU¦JOLFKNHLW
႑ freundlich und besorgt
႑ positive soziale Interaktionen
႑ geringe Konfliktbereitschaft
*HZLVVHQKDIWLJNHLW
႑ können weniger gut zuhören
႑ geringer Ehrgeiz, die Führung zu
übernehmen
႑ werden von (machtmotivierten)
Geführten „eingenommen“
႑ sind ausdauernd
႑ geringere Anpassungsfähigkeit
႑ setzen sich Ziele und verfolgen
႑ überwachen und kontrollieren
diese effektiv
(PRWLRQDOH
6WDELOLW¦W
႑ positivere Vision
႑ können Risiken schlechter erkennen
႑ höhere Ethik
႑ sind mit Gefahren weniger vertraut
Persönlichkeit
31
2IIHQKHLWI¾U
႑ sind innovative Visionäre
(UIDKUXQJHQ
႑ wenig anpassungsfähig
႑ akzeptieren weniger die Führung
von „oben“
1DU]LVVPXV
0DFKLDYHOOLVPXV
႑ sind charismatisch
႑ verzerrtes Selbstbild
႑ hohe Führungsmotivation
႑ „Konkurrenten“ werden degradiert
႑ scharfsinnige „Politiker“
႑ stark manipulativ und wenig rücksichtsvoll
႑ „politische“ Führung
2.1.6
Messung „heller“ und „dunkler“ Persönlichkeit
Neo-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI, NEO-PI-R). Das Neo-Fünf-Faktoren-Inventar
wurde von Costa und McCrae (1992) entwickelt und im deutschsprachigen Raum von
Borkenau und Ostendorf (2008) validiert. Das NEO-FFI enthält insgesamt 60 Items, welche
auf fünf Dimensionen abgebildet werden: Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit für Erfahrungen. Die Befragung dauert insgesamt ca.
10 Minuten und stellt die Kurzform des NEO-PI-R (NEO-Persönlichkeitsinventar) dar,
welches die Big Five auf insgesamt 240 Items abbildet und mehrere Subdimensionen beinhaltet. Die fünf Hauptskalen werden beim NEO-PI-R auf 30 Subfacetten abgebildet. Deshalb erlaubt das NEO-PI-R eine vollständige Erfassung der Big Five. Aufgrund der größeren Anzahl an Items dauert das Verfahren jedoch 30 bis 40 Minuten. Sowohl das NEO-FFI
als auch das NEO-PI-R wurden in umfangreichen Validierungsstudien normiert und bestätigt, wobei sich sehr gute psychometrische Gütekriterien nachweisen lassen. Beide Verfahren weisen eine reliable und valide Messung zur Abbildung der Big Five Persönlichkeitseigenschaften auf.
IASR-B5. Die interpersonale Adjektivskala, welche sich auf die Big Five bezieht, wurde
von Trapnell und Wiggins (1990) entwickelt. Sie beinhaltet insgesamt 124 Adjektive, welche
hinsichtlich der Einschätzung auf einer achtstufigen Likert-Skala abgebildet werden (äußerst unzutreffend – äußerst zutreffend). Das Verfahren wurde auf Basis des interpersonalen Circumplex-Modells entwickelt, welches auf den beiden Achsen Dominanz (= Extraversion) und Liebe (= Verträglichkeit) abgebildet wird. Die Faktoren Extraversion und Verträglichkeit beinhalten jeweils vier Subskalen: Dominanz / Extraversion (selbstbewusstdominant, unsicher-unterwürfig, gesellig-extravertiert, reserviert-introvertiert) und Liebe /
Verträglichkeit (bescheiden-treuherzig, arrogant-berechnend, herzlich-verträglich, kaltherzig). Neurotizismus, Offenheit für Erfahrungen und Gewissenhaftigkeit werden ebenfalls
berücksichtigt, beinhalten jedoch keine Subfacetten, da sie nicht als interpersonale Persönlichkeitseigenschaften angesehen werden.
32
Führungseigenschaften und -motive
Big Five Inventory-SOEP (BFI-S). Das BFI-S ist eine Kurzskala zur Erfassung der fünf
Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit (Schupp & Gerlitz, 2008). Das BFI-S besteht aus insgesamt 15 Items und ist demnach ein sehr ökonomisches Verfahren zur Abbildung der Big
Five. Die Bearbeitungszeit beträgt 4-5 Minuten. Die Reliabilität zeigt akzeptable Werte.
The Dirty Dozen. Das „dreckige“ Dutzend von Jonason und Webster (2010) ist ein sehr
kurzes und ökonomisches Verfahren zur Messung der dunklen Triade Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus. Es enthält insgesamt 12 Items. Die Bearbeitungszeit beträgt 3-4 Minuten. Das Verfahren verfügt über eine genügende Reliabilität und Validität.
2.2
Motive
Die drei großen Motive. Ein Motiv entspricht dem grundlegenden Bedürfnis eines Menschen nach Macht, Leistung und Anschluss, welches in bestimmten Situationen (z.B. Handlungs- und Leistungssituationen) zielgerichtet wirksam ist.
Motive sind der grundlegendste Antrieb für das menschliche Handeln, wobei sich Personen bezüglich ihrer Motivausprägungen unterscheiden und der Antrieb zur Handlung
jeweils von der Person selbst ausgeht. Motive beschreiben demnach die Ursachen des
menschlichen Verhaltens. Der Begriff Motivation / Motiv leitet sich aus dem Lateinischen
movere (= sich bewegen, antreiben und beeinflussen) ab. Hätte eine Person keine Motivausprägung und demnach keine Motivation, dann würde sie nicht handeln. Sie hätte keinen Antrieb, keinen Grund zum Handeln und dies würde Stillstand bedeuten.
Die psychologische Forschung zeigt, dass das menschliche Handeln durch drei zentrale
Motive beeinflusst wird (vgl. McClelland, 1985):
1.
Machtmotiv (Need for Power),
2.
Leistungsmotiv (Need for Achievement),
3.
Anschlussmotiv (Need for Affiliation).
Diese drei Basismotive bilden die wichtigsten Dimensionen motivierten menschlichen
Verhaltens ab (vgl. Murray, 1938). Motive dienen dazu, dass sich eine Person kompetent
und wirksam fühlt (Schmalt & Heckhausen, 2010). Das Machtmotiv entspricht dem Bedürfnis und dem Wunsch einer Person, Einfluss auf andere Menschen zu nehmen, das
heißt, Einfluss auf deren Gedanken, Emotionen und Verhalten auszuüben (vgl. Winter,
1992) und dabei die eigene Stärke und Wirksamkeit zu erleben. Beim Leistungsmotiv handelt es sich um die Auseinandersetzung mit einem persönlichen oder sozialen Güte- und
Tüchtigkeitsmaßstab (Standard of Excellence) (vgl. McClelland, Atkinson, Clark & Lowell,
1953). Eine Person steht entweder mit ihrem persönlichen Leistungsstandard oder mit anderen Personen im „Wettbewerb“. Ihr Ziel liegt darin, die eigene Leistung fortlaufend zu
steigern und im sozialen Vergleich bessere Leistungen als andere – persönlich relevante –
Motive
33
Personen (= Bezugspersonen) zu zeigen. Das Anschlussmotiv (Kontaktmotiv, Affiliationsmotiv) zielt darauf ab, positive Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, zu erhalten
oder wiederherzustellen (vgl. Heyns, Veroff & Atkinson, 1958).
Eine Person, welche über ein hohes Machtmotiv verfügt, möchte andere Menschen gerne
beeinflussen, kontrollieren und führen. Aufgrund ihrer Motivausprägung hat sie gelernt,
mit welchen Mitteln und Methoden sie andere Menschen beeinflussen und lenken (= führen) kann (= Machtmotiv). Einer Person mit einem hohen Leistungsmotiv ist es dagegen
besonders wichtig, dass sie ihre eigenen Leistungen fortlaufend verbessern und sich
dadurch kompetent und wirksam fühlen kann (= Leistungsmotiv). Hingegen ist es einer
Person mit einem hohen Anschlussmotiv wichtig, dass sie von anderen Menschen akzeptiert wird. Sie fühlt sich insbesondere in Gruppen wohl, wobei ihr Freundschaft und Harmonie wichtig sind und sie sich in ihrem sozialen Umfeld integrieren kann. Der soziale
Kontakt und das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, ist ihr am wichtigsten (= Anschlussmotiv). Sie fühlt sich in sozialen Gruppen wohl und strebt nach Akzeptanz. Wird sie
von anderen Menschen als beliebte Person anerkannt und wertgeschätzt, dann erlebt sie
sich als kompetent und wirksam. Ihr Bedürfnis, Macht über andere Menschen auszuüben,
ist vergleichsweise gering, ebenso das Bedürfnis, sich ständig selbst zu übertreffen und eine
konstant hohe Leistung zu erbringen.
Welche Motive bei einer Person stark ausgeprägt sind, hängt davon ab, welche Erfahrungen eine Person in ihrer sozialen Entwicklung gemacht hat, wobei sich Motive noch im
Jugend- und Erwachsenenalter verändern können (z.B. mittels eines Motiv-Trainings).
Fördert eine Mutter die Selbständigkeit ihres Kindes und wird leistungsorientiertes Verhalten belohnt, dann fördert sie damit direkt das Leistungsmotiv (Winterbottom, 1958). Somit
hat das Kind bereits seit der frühen Kindheit gelernt, dass es mit leistungsmotiviertem
Verhalten Erfolg und Anerkennung erfährt und sich dadurch kompetent, wertvoll und
wirksam fühlt.
Aufgrund der Erfahrungen, welche Personen in der Interaktion mit ihrer Umwelt machen,
bilden sich entsprechende Motive aus. Motive stehen mit einer breiten Spanne von verhaltensorientierten Kriterien in Verbindung und zeigen unmittelbare Auswirkungen auf das
menschliche Verhalten. Im Vergleich zu den anderen beiden Motiven zeigen Personen mit
hohem Machtmotiv ein aggressiveres und risikoreicheres Verhalten. Ihr Ziel liegt darin,
andere Menschen zu dominieren, zu kontrollieren und zu beeinflussen. Sie möchten die
absolute und uneingeschränkte Aufmerksamkeit erhalten. Machtmotivierte Personen
schmücken sich mit prestigeträchtigen Gegenständen und streben nach sozialer Anerkennung und Wertschätzung (vgl. Tabelle 2.3). Personen mit hohem Anschlussmotiv suchen
ebenfalls den Kontakt mit ihrer sozialen Umwelt. Die Beweggründe unterscheiden sich
jedoch grundlegend vom Machtmotiv. Beeinflussen und Kontrollieren treten in den Hintergrund. Das motivrelevante Ziel liegt in der sozialen Integration und Akzeptanz. Personen mit hohem Anschlussmotiv möchten in einer sozialen Gruppe von allen akzeptiert und
bei keiner Person unbeliebt sein. Dadurch zeigen sie konformes und kooperatives Verhalten. Durch ihre unkomplizierte, herzliche und verträgliche Art erfahren sie in ihrer sozialen
Umwelt Anerkennung und Wertschätzung. Personen mit hohem Leistungsmotiv verglei-
34
Führungseigenschaften und -motive
chen sich entweder mit einem persönlichen oder sozialen Gütemaßstab. Ihr Ziel liegt darin,
Stolz über die eigene Tüchtigkeit zu erfahren. Sie erhalten durch ihre Umwelt Anerkennung und Wertschätzung (Tabelle 2.3). Im Vergleich zu einem hohen Macht- und Anschlussmotiv ist ihnen die soziale Anerkennung und Wertschätzung jedoch weniger wichtig. Die eigene Tüchtigkeit und die fortlaufende Leistungsverbesserung tragen unmittelbar
zu einem Gefühl des Stolzes, der Kompetenz, der Wirksamkeit und der eigenen Stärke bei.
Tabelle 2.3
Merkmale und Verhaltensweisen des Macht-, Leistungs- und Anschlussmotivs (in Anlehnung an McClelland, 1985)
0DFKWPRWLYLHUWH
/HLVWXQJVPRWLYLHUWH
႑ zeigen aggressives Verhal-
႑ bevorzugen ein gemäßigtes ႑ investieren in ihr soziales
ten
Risiko
႑ streben Berufe und Positio- ႑ sind ausdauernd und
nen an, bei welchen sie
Kontrolle und Einfluss
ausüben können
႑ erwerben prestigeträchtige
Objekte (z.B. Luxusgüter)
႑ buhlen um Aufmerksamkeit
႑ zeigen ein starkes Bedürfnis nach Feedback
႑ sind innovativ
႑ zeigen einen hohen Ar-
႑ sind risikoreich
႑ zeigen ein effektives Führungsverhalten
2.2.1
zeigen persönliche Verantwortung für ihr Leistungsverhalten
beitserfolg (z.B. als Unternehmer oder auf tieferen
Management-Ebenen)
$QVFKOXVVPRWLYLHUWH
Netzwerk
႑ sind kooperativ
႑ zeigen konformes Verhalten
႑ vermeiden Konflikte
႑ haben Angst vor Zurückweisung
႑ verfügen über eine bessere
Gesundheit
Machtmotiv
Eine Person hat Macht über eine andere Person, wenn diese veranlasst wird, etwas zu tun,
was sie sonst nicht tun würde (vgl. Schmalt & Heckhausen, 2010). Nach McClelland (1975)
liegt das grundlegende Bedürfnis einer machtmotivierten Person darin, sich stark zu fühlen und Kontrolle über eine andere Person auszuüben. Machtvolles Handeln und das
Bedürfnis, andere Menschen zu beeinflussen, ist eine Folge dieser gefühlten Stärke. Nach
Winter (2002, 2005) steht das Machtmotiv mit Charisma, hohen kommunikativen Fähigkeiten, Humor, kämpferischer Fähigkeit, Aggression und Ausbeutung in Verbindung. Das
Machtmotiv lässt sich nicht nur bei Menschen sondern auch bei Primaten (z.B. Schimpansen) beobachten. Dominante Schimpansen zeigen in sozialen Interaktionen ein durchsetzungsfähigeres und entschiedeneres Verhalten. Sie schmieden Allianzen, sind geschickt bei
taktischen Täuschungen und lassen sich kaum einschüchtern (King & Figueredo, 1997;
Schmalt & Heckhausen, 2010). Macht dient zur Maximierung der eigenen Fitness. Eine
Motive
35
evolutionspsychologische Untersuchung von Sadalla, Kenrick und Vershure (1987) konnte
belegen, dass dominante Männer bei Frauen sexuell attraktiver sind. Frauen bevorzugen
zur Sicherung der eigenen Fortpflanzungsreihe Männer, welche dominant sind, einen hohen Status haben und diesen auch zur Schau stellen. Frauen achten bei Männern zunächst
auf deren Status (Wie mächtig ist die Person?), in einem zweiten Schritt auf deren Leistungsmotiv (Wie kompetent ist die Person?) und in einem dritten Schritt auf das Anschlussmotiv (Wie umgänglich ist die Person?).
Das Machtmotiv ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen wirksam. Für McDougall
(1932) liegt im Selbstbehauptungsstreben eine instinktive Tendenz im machtmotivierten
Verhalten. Das Selbstbehauptungsstreben wird durch Dominanz und Führung bestätigt.
Nach Murray (1938) liegt das Ziel von machtmotivierten Personen darin, die soziale Umwelt zu kontrollieren. Zusammengefasst äußerst sich das Machtmotiv in Dominanz, Kontrolle und Beeinflussung von anderen Menschen. Das Ziel liegt im Erleben von persönlicher Stärke und Wirksamkeit. Zwischen dem Machtmotiv und der transformationalen und
charismatischen Führung bestehen enge Zusammenhänge: nach Winter (1988) bezieht sich
das Machtmotiv auf die Beeinflussung und Anregung von starken Emotionen in anderen
Personen. Die emotionale Beeinflussung ist eine äußerst effektive und „mächtige“ Form zur
Beeinflussung anderer Personen.
2.2.1.1
Machtquellen
Einer Person stehen unterschiedliche Machtquellen zur Verfügung. French und Raven
(1959) beschreiben insgesamt sechs Machtquellen, welche einer machtmotivierten Person
zur Verfügung stehen können. Entscheidend ist hierbei, dass sie auf der jeweiligen Ebene
über eine stärkere Machtquelle verfügen muss als sie bei der zur beeinflussenden Person
verfügbar ist. Die ersten beiden Machtquellen fokussieren sich auf die Belohnungs- und
Bestrafungsmacht. Inwiefern hat beispielsweise eine machtmotivierte Person die Möglichkeit und die Mittel, andere Personen zu belohnen oder zu bestrafen. Vorbildmacht ist beispielsweise bei charismatischen oder transformationalen Führungskräften wirksam. Die
Geführten möchten sich aufgrund der Vorbildfunktion mit ihrer Führungskraft identifizieren. Die Legitimationsmacht entspricht beispielweise dem Status oder einem Rang, welcher eine Person im Rahmen einer Organisation einnimmt. Je höher der Status und die
Position, desto stärker legitimiert dies eine Person zum Machthandeln. Die Expertenmacht
bezieht sich darauf, dass eine spezialisierte Person in einem bestimmten Fachgebiet über
ein besonderes Wissen verfügt. Die letzte Machtquelle ist die Informationsmacht. Eine
Person hat Macht, wenn sie über bestimmte Informationen verfügt, welche nur ihr zugänglich sind.
Winter (1973) untersuchte spezifische Verhaltensweisen, welche von hoch machtmotivierten Personen gezeigt werden. Machtmotivierte Personen besetzen mehr Ämter in Organisationen und zeigen die Tendenz, sich für einflussreiche Positionen zu bewerben. Sie sind in
Gruppen sehr einflussreich, zeigen rege Teilnahme an Gruppendiskussionen und Initiative.
Im Freundeskreis wählen sie Personen, welche sehr zurückhaltend sind. Sie besitzen mehr
Prestigegüter und teure Autos. Nach Winter (1973) neigen hoch machtmotivierte Personen
36
Führungseigenschaften und -motive
dazu, von anderen Personen Aufmerksamkeit zu erhalten. Sie scharen gerne ruhige und
leicht beeinflussbare Personen um sich, um von ihnen die uneingeschränkte Anerkennung zu erfahren. Deshalb zeigen sie nur geringe Kritikfähigkeit. Sie besetzen gerne Positionen mit formaler Macht und erwerben Prestigegüter als Symbol für ihre Macht. Für
McClelland (1975) ist für machtmotivierte Personen das Gefühl, Macht zu besitzen, der
wichtigere Faktor, als andere Personen beeinflussen zu können. Verfügt eine Person über
Machtquellen (z.B. Führungsposition, Besitz, Status, Prestige), dann kann das einhergehende Machtgefühl bereits zur Befriedigung des Machmotivs beitragen. Die Beeinflussung
anderer Personen führt direkt zur Wahrnehmung, Macht über andere Menschen zu haben.
Personen unterscheiden sich hinsichtlich der Form, ob sie ihre Machtmotivation und
Machtimpulse gehemmt oder ungehemmt ausleben (Winter, 1992). Macht kann kontrolliert
und gehemmt werden. Hierfür benötigt eine machtmotivierte Person ein hohes Ausmaß an
Selbstkontrolle. Die ungehemmte Form der Machtmotivation äußert sich beispielsweise in
ausbeuterischen Sexualkontakten oder starkem Alkoholkonsum. Bei der gehemmten Form
der Machtmotivation wird Macht kontrolliert ausgeübt. Durch die hohe Selbstkontrolle ist
die gehemmte Form langfristiger und sozial verträglicher ausgerichtet. Demnach kann
generell zwischen einer personalisierten (ungehemmten, unkontrollierten) und einer sozialisierten (gehemmten, kontrollierten) Form der Machtmotivation unterschieden werden
(vgl. McClelland, Davis, Kalin & Wanner, 1972). Nach Winter (1988) ist bei Männern die
ungehemmte Form der Machtmotivation stärker ausgeprägt. Die ungehemmte Form der
Machtmotivation dient insbesondere persönlichen und egoistischen Zielen. Führungskräfte,
welche über mangelhafte Selbstkontrolle verfügen, agieren häufig impulsiv. Sie weisen eine
geringe Fähigkeit zur Impulskontrolle auf. Umgekehrt wird bei der sozialisierten (kontrollierten) Form der Machtmotivation der Fokus stärker auf die Bedürfnisse des sozialen Umfeldes gelegt. Die egoistisch personalisierte Form der Machtmotivation kann im sozialen
Umfeld kurzfristig durchaus erfolgreich sein. Längerfristig „bestraft“ das soziale Umfeld
jedoch das egoistische und ungehemmte Verhalten einer machtmotivierten Person, da sie
möglicherweise entgegen sozialer und kultureller Normen agiert.
Eine Führungskraft, welche über eine kontrollierte Form der Machtmotivation verfügt,
versucht ihr Umfeld und ihre Mitarbeiter zu stärken. Da sie selbst über eine hohe Macht
und Stärke verfügt, möchte sie, dass auch das soziale Umfeld von ihrer Macht profitiert.
Durch die soziale Akzeptanz sind Personen mit gehemmter Machtmotivation mittel- bis
langfristig erfolgreicher. Nach Rheinberg (2010) erscheint die ungehemmte Form der
Machtmotivation, welche sich insbesondere auf persönliche, egoistische Motive bezieht, als
ethisch sehr bedenklich, wobei die personalisierte (egoistische) Form der Machtmotivation
in engem Zusammenhang zu zwei „dunklen“ Persönlichkeitseigenschaften steht: Machiavellismus und Narzissmus (Carroll, 1987; Deluga, 2001). Personen mit gehemmter Machtmotivation, bei welcher ihre Macht auch anderen Menschen nützlich sein soll, verfügen
über eine höhere Überzeugungskraft und demnach über mehr Macht als Personen mit
einem egoistischen (ungehemmten) Machtmotiv (Schultheiss & Brunstein, 2002).
Motive
2.2.1.2
37
Entwicklungsstadien der Machtorientierung
McClelland (1975) beschreibt vier Stadien des Machtverhaltens, welche im Laufe der persönlichen Entwicklung erreicht werden können. Die vier Entwicklungsstadien der
Machtorientierung gleichen einem hierarchischen Modell. Wird ein höheres Stadium erreicht, bedeutet dies nicht, dass die früheren Stadien aufgehoben werden. Eine Person erweitert sozusagen ihren Spielraum und ihre Möglichkeiten, Macht auszuüben. Je höher das
Reifestadium des Machtverhaltens ausgeprägt ist, über umso mehr Macht verfügt eine
Person.
Machtstadium I. Im Machtstadium I ist die (machtmotivierte) Person nicht die Quelle der
Macht. Das heißt, die Quelle der Macht befindet sich in einer anderen Person. Ein typisches
Beispiel sind Anhänger und Geführte einer charismatischen Führungskraft. In Gegenwart
einer mächtigen Führungspersönlichkeit fühlen sich die Anhänger / Geführten stark, bedeutsam, wichtig und wirksam. Die Machtquelle liegt zwar außerhalb von ihnen (in der
charismatischen Führungsperson), die subjektiv erlebte (Macht-)Wirkung befindet sich
jedoch innerhalb von ihnen. Machtstadium I kann insbesondere beim Verhalten von Jugendlichen beobachtet werden. In der Gruppe von Gleichgesinnten (Peer Group) befinden
sich (mächtige) Idole, welche es gilt, nachzuahmen und nachzueifern. Sie fühlen sich stark,
wenn sie mit mächtigen Vorbildern zusammen sind. Charismatische Führungskräfte zeigen
ihre stärkste Wirkung bei Personen, welche sich im Machtstadium I befinden. Charismatische Personen bewirken ein Gefühl der Macht und Stärke. Dies erklärt die Wirkungskraft
einer charismatischen Person. Gelingt es ihr, ihren Anhängern / Geführten das Gefühl der
Stärke zu vermitteln, dass sie im Dienst ihrer Führungskraft stark, bedeutsam und wertvoll
sind, dann ist es für sie sehr einfach, sie zu führen und zu begeistern.
Machtstadium II. Im Machtstadium I liegt die Quelle der Macht außerhalb der Person. Die
Machtquelle befindet sich in einer anderen „bewundernswerten“ und charismatischen
Person. Im Machtstadium II wird die Person erstmals selbst zur Quelle der Macht. Macht
kann auf dieser Stufe auf zwei unterschiedliche Arten ausgeübt werden:
1. Selbstaufwertung und -vergrößerung
Eine Person „schmückt“ sich mit wertvollen Objekten und Prestigegütern (z.B. teure Autos,
exklusiver Schmuck). Wertvolle Objekte können beispielsweise auch andere Personen sein.
Ein beispielhaftes Klischee wäre, wenn ein wohlhabender Mann von einer jungen attraktiven Frau begleitet wird oder umgekehrt, eine junge attraktive Frau mit einem reichen
Mann liiert sein möchte. Sowohl der wohlhabende (und möglicherweise reifere) Mann als
auch die junge attraktive Frau befinden sich im Machtstadium II. Das Ziel liegt primär nicht
darin, andere zu beeindrucken, sondern zu zeigen, wie stark eine Person ist, wenn sie solche begehrenswerte „Objekte“ besitzt.
2. Selbstkontrolle
Die Selbstkontrolle bezieht sich insbesondere auf die Machtausübung und exzessive Kontrolle bezüglich des eigenen Körpers. Weil eine Person ihren eigenen Körper beherrscht,
empfindet sie Macht. Extrembeispiele sind eine strenge Askese oder Ausdauersport.
38
Führungseigenschaften und -motive
Machtstadium III. Die Machtstadien I und II zielen besonders darauf ab, dass sich die
Person selbst stärker fühlt. Bei den Machtstadien III und IV liegt der Fokus besonders auf
der Beeinflussung anderer Personen. Eine Person erlebt Stärke dadurch, dass sie Macht
und Einfluss auf andere Personen ausübt. Sie fühlt sich dadurch groß und stark. Machtstadium III teilt sich in zwei Ebenen auf. Machtstadium IIIa beschreibt die personalisierte
(egoistische) Form der Machtmotivation. Das Machthandeln ist manipulativ und zielt rein
auf den eigenen Vorteil ab. Wenn es nötig ist, müssen andere Personen belogen, betrogen
und getäuscht werden. In Führungspositionen haben Personen, welche sich in Machtstadium IIIa befinden, langfristig keinen Erfolg. Machtstadium IIIb ist hingegen sozialisiert und
kontrolliert („gehemmt“). Macht wird nicht zum persönlichen Vorteil sondern zum Nutzen
anderer Personen oder der Organisation angestrebt. Nicht die Person selbst will sich mächtiger erleben, sondern andere Personen sollen sich stärker und besser fühlen.
Im Vergleich zur personalisierten Form der Machtmotivation (Stufe IIIa) weisen sozialisierte Führungskräfte (Stufe IIIb) mehr Macht und mittel- bis langfristigen Führungserfolg
auf. Das Bestreben einer Personen oder Führungskraft im Machtstadium IIIb liegt in höheren Zielen und Idealen. Mitglieder einer Organisation erhalten durch sie das Gefühl, dass
sie selbst über die Stärke und Kompetenz verfügen, diese hohen Ziele und Ideale zu verfolgen und auch zu erreichen. Eine Führungskraft im Machtstadium IIIb zielt darauf ab, ein
starkes Wir-Gefühl zu erzeugen, während in Machtstadium IIIa die Ich-Stärkung im Vordergrund steht.
Machtstadium IV. Personen im Machtstadium IV verfügen über die höchste Machtausprägung. Sie wirken charismatisch und können andere Menschen magnetisch in ihren Bann
ziehen. Sie sind getrieben von einem göttlichen („übermenschlichen“) Ideal. Wie in Machtstadium I liegt die Machtquelle außerhalb der eigenen Person. Ein übergeordnetes Prinzip
(z.B. eine Idee, eine höhere Kraft, Gott) drängt sie dazu, Einfluss auf andere auszuüben. Die
Person wird zum „Instrument“ dieser höheren Macht und Idee. Eine Person im Machtstadium IV wirkt nach außen hin absolut altruistisch und selbstlos. Ähnlich zu Machtstadium
IIIb sollen sich andere Personen, stärker, besser und größer fühlen. Personen im Machtstadium IV verfügen über die höchste Form der Macht, weil eine Person im Machtstadium IV
augenscheinlich ohne Eigennutz handelt. Beispiele für Machtstadium IV sind Religionsgründer und äußerst selbstlose Persönlichkeiten, getrieben durch ihre hohen Ideale (z.B.
Mahatma Gandhi). Machtstadium IIIb und IV können belegen, dass personalisierte (egoistische) Führungskräfte, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind, über weit weniger
Macht verfügen als Personen, welche relativ selbstlos agieren.
2.2.2
Leistungsmotiv
Die leistungsmotivierte Person kann mit einer fleißigen „Arbeitsbiene“ verglichen werden.
Eine rein leistungsmotivierte Person kann an der richtigen Position (z.B. FachspezialistIn)
ein Segen für ein Unternehmen darstellen. Leistungsmotivierte Personen sind niemals zufrieden mit ihrer erbrachten Leistung. Ihr Ziel liegt darin, ihre bisher erbrachte Leistung zu
übertreffen. Sobald ein Ziel erreicht ist, setzen sie sich bereits ein neues Ziel. Würden sich
Motive
39
leistungsmotivierte Personen keine neuen Ziele mehr setzen, dann würden sie einer Depression verfallen. Beispielsweise beschreibt Aufmut (1988), dass Extrembergsteiger beim
Erreichen eines Gipfels in ein depressives „Loch“ fallen. Deshalb suchen sie baldmöglichst
ein neues und unerreichtes Ziel auf. Leistungsmotivierte Personen streben demnach immer
nach neuen, höheren Zielen, um ihre eigene Tüchtigkeit und Wirksamkeit unter Beweis zu
stellen.
Kinder erlernen leistungsmotiviertes Handeln bereits in einer sehr frühen Entwicklungsphase. Zentrale Antriebsmechanismen für leistungsmotivierte Personen sind einerseits die
Hoffnung auf Erfolg und andererseits die Furcht vor Misserfolg. Erfolg wird sogar früher
wahrgenommen als Misserfolg. Auf ein Erfolgserlebnis reagiert ein Kind bereits mit zweieinhalb Jahren mit Lächeln und auf Misserfolg reagiert es mit drei Jahren durch das Herabziehen der Mundwinkel. Leistungsmotiviertes Handeln bei Kindern äußert sich durch das
„Selbermachen-Wollen“. Insbesondere dann, wenn Aktivitäten fast aber noch nicht ganz
gelingen (vgl. Geppert & Küster, 1983; Heckhausen & Heckhausen, 2010). Die Gesamtmotivation von leistungsmotivierten Personen bildet sich aus der Summe von Hoffnung auf
Erfolg und Furcht vor Misserfolg (vgl. Heckhausen, 1963). Für lange Zeit herrschte die
Ansicht, dass Furcht vor Misserfolg ein leistungshemmender Faktor ist (vgl. Schultheiss &
Brunstein, 2005) oder möglicherweise als eigenständiges Motiv betrachtet werden sollte
(Heckhausen & Heckhausen, 2010). Heutzutage kann davon ausgegangen werden, dass
sowohl Hoffnung auf Erfolg als auch Furcht vor Misserfolg treibende Kräfte für leistungsmotivierte Personen sind (Elliot, 2006; Lang & Fries, 2006). Sie wirken wie zwei entgegengesetzte Pole auf einem Kontinuum. Hoffnung auf Erfolg ist hierbei die positiv wirkende Kraft. Sie bewirkt, dass Personen an die eigenen Fähigkeiten und ihre Möglichkeiten zur
Zielerreichung glauben. Hoffnung auf Erfolg stärkt demnach unmittelbar die wahrgenommene Selbstwirksamkeit, das heißt den Glauben einer Person, dass sie ihre Ziele tatsächlich
erreichen kann (vgl. Bandura, 1991). Furcht vor Misserfolg wirkt als „negative“ motivationale Kraft. Misserfolg wird antizipiert und der grundlegende Antrieb einer Person liegt
darin, diesen zu vermeiden. Eine Person wird dadurch versuchen, ihre Kräfte in Richtung
Zielerreichung zu bündeln, um das Ziel schließlich zu erreichen.
In enger Verbindung zu den Antriebstendenzen des Leistungsmotivs (Hoffnung auf Erfolg
und Furcht vor Misserfolg) steht das Hierarchische Modell der Annäherung und Vermeidung (Approach-Avoidance Motivation; Elliot, 2006; Elliot & Church, 1997). Die Unterscheidung zwischen Annäherung und Vermeidung als grundlegender Handlungsantrieb
wurde bereits im alten Griechenland beschrieben (z.B. Demokrit, Epikur; vgl. Elliot, 2006).
Beim Annäherungsverhalten (Hoffnung auf Erfolg) wird das Verhalten in Richtung eines
positiven Zielzustandes ausgerichtet (z.B. eine gute Leistungsrückmeldung; eine Beförderung erhalten). Beim Vermeidungsverhalten wird das Verhalten ebenfalls aktiviert, jedoch
durch die Entfernung von einem negativen Zielzustand (z.B. Angst vor einer negativen
Leistungsrückmeldung; Angst vor Versetzung oder Kündigung). Sowohl Annäherungs- als
auch Vermeidungsverhalten dienen als Schlüsselmerkmale für die Anpassung von Lebewesen an Umweltbedingungen (Tooby & Cosmides, 1990). Wie beim Leistungsmotiv steht
beim Annäherungs- und Vermeidungsverhalten das Ziel im Mittelpunkt. Durch Ziele kann
das persönliche Verhalten auf einen Endpunkt ausgerichtet werden. Ziele sind sowohl
40
Führungseigenschaften und -motive
beabsichtigt als auch bewusst und können unbewusste Prozesse aktivieren (Bargh & Ferguson, 2000). Ziele dienen dazu, den Motiven eine konkrete Richtung zu geben.
Ein und dasselbe Ziel kann durch verschiedene Antriebstendenzen aktiviert werden. Annäherungsziele können auf Basis zugrundeliegender Vermeidungsziele gewählt werden.
Beispielsweise liegt der grundlegendste Antrieb eines Mitarbeiters in einer Organisation
darin, seinen Vorgesetzten nicht zu enttäuschen. Das heißt, er hat Angst davor, sich selbst
und andere Menschen zu enttäuschen und in letzter Konsequenz seine Arbeit zu verlieren.
In diesem Beispiel wird das Leistungsziel zunächst durch Furcht vor Misserfolg aktiviert
(Elliot & Church, 1997). Zugleich ist jedoch Hoffnung auf Erfolg wirksam. Durch die konsequente Leistungserbringung und durch die Festlegung neuer und herausfordernder
Leistungsziele gewinnt der Mitarbeiter den Glauben an sich selbst und setzt systematisch
das Annäherungsverhalten zu einem positiven Zielzustand ein (= Hoffnung auf Erfolg).
Resultate sind hierbei Stolz auf die eigene Tüchtigkeit und positive Leistungsrückmeldungen durch den Vorgesetzten und die Kollegen. Die Vermeidungsmotivation dient zur
Sicherung des eigenen Überlebens (Angst vor Versagen und die Furcht persönlichen Misserfolg zu erleben). Eine rein negative Fokussierung auf Furcht und Angst wird jedoch auf
Dauer anstrengend. Elliot (2006) vergleicht dies mit der Arbeit eines Fluglotsen. Das ständige Beobachten von potenziell negativen Ereignissen ist auf Dauer ermüdend. Das Annäherungsverhalten (= Hoffnung auf Erfolg) ist langfristig die bessere Option, da sie zum
persönlichen Wachstum dient. Übermäßige und insbesondere dauerhafte Furcht vor Misserfolg führt zu einem generellen Vermeidungsverhalten. Furcht vor Misserfolg und die
persönliche Angst, eine gewisse Situation nicht bewältigen zu können oder zu versagen
kann kurzfristig eine sehr geeignete und nützliche Antriebsmotivation sein. Dadurch kann
eine höhere Anstrengung und Leistung bewirkt werden. Mit den ersten Leistungserfolgen
und dem persönlichen Glauben, dass höhere Leistungen erbracht werden können, sollte die
negative durch die positive Ausrichtung auf den Zielzustand (= Annäherungsverhalten;
Hoffnung auf Erfolg) abgelöst und ersetzt werden.
Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und an die persönliche Handlungsfähigkeit wird als
Selbstwirksamkeit bezeichnet. Selbstwirksame Personen glauben daran, dass sie herausfordernde Aufgaben tatsächlich bewältigen können (Bandura, 1991). Sie vertrauen sich und
ihren persönlichen Fähigkeiten („Ich weiß, dass ich es schaffen kann“). Selbstwirksamkeit
beeinflusst den Selbstregulationsprozess zur proaktiven Ausrichtung auf ein Ziel. Je mehr
Personen an ihre eigenen Fähigkeiten glauben, desto herausfordernder sind die Ziele und
desto ausdauernder werden diese Ziele verfolgt (Locke & Latham, 1990). Selbstwirksame
Personen verfügen über eine stark positive Antriebsmotivation (Hoffnung auf Erfolg).
Personen mit hohen Selbstzweifeln über ihre eigenen Fähigkeiten richten ihren Fokus stärker auf Hindernisse und Misserfolge aus. Bandura (1991) geht davon aus, dass sich Menschen proaktiv Ziele setzen. Durch die Zielsetzung wird der selbstregulatorische Prozess
aktiviert. Mittels Zielsetzung nimmt eine Person eine Diskrepanz zwischen aktuellem Istund zukünftigem Soll-Zustand wahr. Dadurch entsteht innerhalb einer Person ein Spannungszustand, da das Ziel noch nicht erreicht ist. Die Spannung wird erst abgebaut, wenn
sie das Ziel erreicht. Somit kann sich das innere System wiederum entspannen. Durch diesen inneren Spannungszustand zeigt eine Person eine hohe Selbstmotivation bezüglich der
Motive
41
Zielverfolgung. Nach Lewin (1936) motiviert der innere Spannungszustand zum Handeln,
wobei dieser bewusst von einer Person erzeugt werden kann (= Diskrepanzerhöhung zwischen Ist- und Soll-Zustand). Beispielsweise setzt sich ein Außendienstmitarbeiter das herausfordernde Ziel, bis zum Ende des Monats vier Neukunden zu akquirieren. Mittels dieser
Zielsetzung baut sich eine innere Spannung auf, da das Ziel im gegenwärtigen Moment
noch nicht erreicht ist. Dieser Spannungsbogen wird so lange aufrechterhalten, bis der
Verkäufer das Ziel – vier Neukunden bis zum Ende des Monats – erreicht hat. Unmittelbar
nach erfolgter Zielerreichung entspannt sich das innere System, da das Ziel ja erreicht wurde. Würde sich der Verkäufer nun keine neuen Ziele mehr setzen, dann würde er die Motivation zum Handeln verlieren. Ein leistungsmotivierter Verkäufer würde sich sofort neue
Ziele setzen und dadurch proaktiv einen neuen inneren Spannungszustand aufbauen.
2.2.3
Anschlussmotiv
Das Anschlussmotiv bezieht sich darauf, Kontakt mit anderen Menschen aufzubauen,
ihnen nahe zu sein, sich auszutauschen, befreundet zu sein und sich in einer Gruppe integriert zu fühlen (vgl. Murray, 1938; Sokolowski & Heckhausen, 2010). Das Anschlussmotiv
ist besonders dann wirksam, wenn es darum geht, mit wenig bekannten oder fremden
Personen Kontakt aufzunehmen. Anschlussmotivierte Personen sind besonders dann
freundlich, wenn sie erwarten, dass der „neue“ Kontakt erfolgreich aufgebaut werden kann
(Fishman, 1966). Sie sind sehr teamfähig, da sie andere Personen in ihren Merkmalen generell positiver wahrnehmen und einschätzen. Sie verfügen über eine positive Grundeinstellung gegenüber anderen Menschen: sie nehmen vermehrt Ähnlichkeiten zwischen sich und
anderen Personen wahr, stellen andere Personen in ein besseres Licht, mögen andere mehr
und werden auch mehr gemocht. Anschlussmotivierte Personen sind generell freundlich zu
anderen Personen und stecken diese mit ihrer Herzlichkeit an (vgl. Mehrabian & Ksionzky,
1974). Nach Sokolowski und Heckhausen (2010) sind beim Anschlussmotiv zwei zentrale
Antriebstendenzen wirksam:
1. Hoffnung auf Anschluss,
2. Furcht vor Zurückweisung.
Diese beiden Komponenten sind in unterschiedlichen Phasen des Kennenlernens wirksam.
Beispielsweise wird einem neuen Mitarbeiter am ersten Arbeitstag sein Arbeitsplatz und
sein zukünftiges Team vorgestellt. Verfügt dieser über ein hohes Anschlussmotiv, dann
versucht er zugleich, einen positiven Kontakt zu seinen Teammitgliedern aufzubauen. Sein
Verhalten ist durch ein freundlich zuvorkommendes Verhalten und durch eine positive
Grundeinstellung geprägt. Aufgrund des hohen Anschlussmotivs wird der neue Mitarbeiter den Kontakt auch außerhalb des beruflichen Alltags suchen. Wird der Kontakt intensiviert und ist ihm eine andere Person besonders sympathisch, dann kann sich die Furcht vor
Zurückweisung bilden. Die anschlussmotivierte Person hat Angst, dass sie den „positiven“
Kontakt verlieren könnte und geht stärker auf Distanz. Anschließend wird die Hoffnung
auf Anschluss wieder dominanter. Es erfolgt wiederum eine Annäherung.
42
Führungseigenschaften und -motive
Nach einer Untersuchung von Sokolowksi (1986) reagieren hoch anschlussmotivierte Personen sehr sensibel darauf, ob sie in einer Gruppe angenommen werden oder nicht. Werden sie nicht angenommen, dann fühlen sie sich hilflos. Dies unterscheidet sie von Personen mit einem hohen Machtmotiv oder Leistungsmotiv, welchen es relativ egal ist, ob sie
von einer Gruppe vollkommen akzeptiert werden oder nicht. Deshalb gehen hoch anschlussmotivierte Personen Konflikten generell aus dem Weg. Beispielsweise werden bei
Entscheidungen in Gruppen seltener Vorschläge gemacht, welche die Gruppenkohäsion
gefährden könnten. In Gruppen mit hoch anschlussmotivierten Personen sollte die Führungskraft nicht primär die Leistung, sondern den guten Zusammenhalt loben. Dies führt
zu den besten Leistungsergebnissen (vgl. French, 1958).
Im Vergleich zu leistungsmotivierten ist für anschlussmotivierte Personen Freundschaft
wichtiger als Tüchtigkeit. Anschlussmotivierte Personen zeigen insbesondere dann hohe
Leistungen, wenn die Führungskraft ebenfalls anschlussmotiviert ist oder wenn die Gruppen- und nicht die Einzelleistungen in den Vordergrund gerückt werden (vgl. McKeachie,
1961; Sorrentino & Sheppard, 1978).
2.2.4
Motive in der Führungs- und EntrepreneurshipForschung
Die drei Basismotive aktivieren und bestimmen die grundlegende Richtung des menschlichen Verhaltens. Das Machtmotiv aktiviert beispielsweise in der jeweiligen Situation den
Wunsch, andere Menschen zu führen, das heißt, andere Menschen zu beeinflussen und zu
motivieren. Ursprünglich wurde angenommen, dass alleinig das Leistungsmotiv für den
unternehmerischen Erfolg ausschlaggebend ist. Unternehmer und Führungskräfte, welche
über ein ausgeprägtes Leistungsmotiv verfügen, zeigen verstärkte unternehmerische Aktivitäten. Sowohl der Unternehmens- als auch Führungserfolg konnte erfolgreich durch das
Leistungsmotiv vorhergesagt werden (vgl. McClelland & Winter, 1969). Beispielsweise
konnten Wainer und Rubin (1969) bei 51 Unternehmern, welche ihr Unternehmen sowohl
gründeten als auch führten, feststellen, dass das Leistungsmotiv und ein gemäßigtes
Machtmotiv ausschlaggebend für den unternehmerischen Erfolg sind. In einer weiteren
Studie an über 1000 Führungskräften konnten Hall und Donnell (1979) belegen, dass Führungskräfte mit einem hohen Leistungsmotiv schneller Karriere machen. Nach Rheinberg
(2010) zeigen sich Zusammenhänge zwischen Leistungsmotiv und unternehmerischen
Erfolg insbesondere in kleinen Unternehmen, das heißt in Unternehmen, welche sich noch
in ihrer Gründungsphase befinden (vgl. Mitchell, 2004). Der hoch leistungsmotivierte Unternehmensgründer nimmt als oberste „Arbeitsbiene“ eine Vorbildfunktion ein, welche die
Mitarbeiter motivieren soll. Nimmt in der Wachstumsphase die Größe des Unternehmens
zu, dann nehmen zugleich die arbeitsbezogenen Aktivitäten des Unternehmensgründers ab
und die Führungsaufgaben zu. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße wird demnach
das Machtmotiv immer bedeutsamer.
Das imperiale Motiv (Imperial Motive). Eine Längsschnittstudie bei 15 neugegründeten
Unternehmen konnte belegen, dass ein hohes Machtmotiv, ein hohes Leistungsmotiv und
Motive
43
ein geringes Anschlussmotiv langfristig für den unternehmerischen Erfolg ausschlaggebend sind. Kriterien waren hierbei beispielsweise Umsatz, Produktivität, Unternehmensgröße. Eine „ungünstige“ Motivkonstellation (z.B. geringes Machtmotiv, geringes Leistungsmotiv, hohes Anschlussmotiv) des Unternehmensgründers führte hingegen häufig
zum Niedergang des Unternehmens (Kock, 1965, 1974). Unternehmensgründer und Führungskräfte, welche über ein hohes Anschlussmotiv verfügen, werden von ihren Mitarbeitern nicht ernst genommen. Sie möchten sich bei ihren Mitarbeitern nicht unbeliebt machen
und halten sich mit unpopulären Entscheidungen zurück. Die Mitarbeiter betrachten ihren
Vorgesetzten mehr als „netten“ Kollegen und weniger als tatsächlich dominante Führungskraft (Rheinberg, 2010). Bezüglich des hohen Machtmotivs ist es entscheidend, dass ein
Unternehmer oder eine Führungskraft über eine sozialisierte (gehemmte) Form der
Machtmotivation verfügt. Nach McClelland (1985) handelt eine Führungskraft mit einem
egoistischen (ungehemmten) Machtmotiv wie ein „Eroberer“ (Konquistador). Neben der
Motivkonstellation der drei zentralen Motive (hohes Macht- und Leistungsmotiv, geringes
Anschlussmotiv) wird eine vierte Komponente bezüglich des imperialen Motivs integriert,
die Hemmung und Selbstkontrolle des Machtmotivs. Die Hemmung des Machtmotivs
führt zur „selbstlosen“ Führung, welche bezweckt, anderen Personen Gutes zu tun. „Gute“
Führungskräfte dienen ihrer Organisation und ihren Mitarbeitern. McClelland (1975) bezeichnet die Konstellation aus einem hohen (gehemmten, kontrollierten) Machtmotiv, einen
mittleren bis hohen Leistungsmotiv und einem geringen Anschlussmotiv als Führungsmotiv-Muster (Leadership Motive Pattern).
In einer Längsschnittstudie über 16 Jahre bei einem großen amerikanischen Unternehmen
(AT&T) konnten McClelland und Boyatzis (1982) sowohl technische als auch nichttechnische Führungskräfte einer Organisation bezüglich ihres Führungsmotiv-Musters
untersuchen. Die technischen Führungskräfte waren Linienvorgesetzte im mittleren und
unteren Management. Die nicht-technischen Führungskräfte waren im Verkauf, in der
Administration, im Marketing, in der Buchhaltung und im Personalmanagement beschäftigt. Unter den nicht-technischen Führungskräften konnte nach 8 und 16 Jahren belegt werden, dass ein hohes (gehemmtes) Machtmotiv und ein geringes Anschlussmotiv für Führungserfolg und Beförderung ausschlaggebend sind. Das Leistungsmotiv zeigt lediglich
auf niedrigeren Management-Ebenen Beziehungen zum Führungserfolg, das heißt auf jener
organisationalen Ebene, bei welcher der individuelle Leistungsbeitrag wichtiger ist als die
Beeinflussung anderer Personen. Auf höheren Führungsebenen zeigt sich keine Beziehung
zwischen Leistungsmotiv und Führungserfolg. Bei den technischen Führungskräften zeigten sich lediglich geringe Effekte hinsichtlich des Führungserfolgs. Der Hauptgrund liegt
darin, dass die Führungsaufgabe mehr fach- und weniger menschenbezogen war.
Zusammengefasst haben jene Führungskräfte (auf der mittleren und oberen Managementebene) Erfolg, welche andere Menschen gut beeinflussen können, sich weniger darüber
Gedanken machen, ob sie von anderen gemocht werden und über eine entsprechend hohe
Selbstkontrolle hinsichtlich ihres Machtmotivs verfügen (McClelland & Boyatzis, 1982).
De Hoogh et al. (2005) untersuchten an 73 Top-Führungskräften in kleinen und mittleren
Unternehmen die Beziehung zwischen Macht-, Leistungs-, Anschlussmotiv und charismati-
44
Führungseigenschaften und -motive
scher Führung. Ähnlich wie bei den Studien von McClelland konnten sie belegen, dass die
charismatische Führung mit einem hohen Machtmotiv und einem geringen Anschlussmotiv in Beziehung steht. Überraschend ist, dass sich zwischen der charismatischen Führung
und dem Leistungsmotiv keine bedeutsamen Beziehungen zeigen. Charismatische Führungskräfte beeinflussen ihre Mitarbeiter auf einer sehr stark emotionalen Ebene. Hierbei
nimmt das (gehemmte) Machtmotiv eine weit bedeutsamere Rolle ein als das Leistungsmotiv. Ferner konnten die Autoren belegen, dass bei gehemmter Machtmotivation das wahrgenommene Charisma in Nonprofit-Organisationen stärker ausgeprägt war. Dies lässt sich
darauf zurückführen, dass in diesen Organisationen hohe Ideale und Werte eine wichtigere
Rolle einnehmen und verantwortliches Verhalten von den charismatischen Führungskräften erwartet wird.
Das Leistungsmotiv ist das grundlegend wirksame Motiv zur Gründung eines Unternehmens (vgl. Mitchell, 2004). Apospori, Papalexandris und Galanaki (2005) konnten belegen,
dass sich Unternehmensgründer und Top-Führungskräfte in Unternehmen bezüglich des
Leistungsmotivs unterscheiden. In Vergleich zu den Top-Führungskräften von Unternehmen, welche nicht Eigentümer des Unternehmens sind, weisen Unternehmensgründer ein
höheres Leistungsmotiv auf. Collins, Locke und Hanges (2000) führten eine Metaanalyse
hinsichtlich der Beziehung zwischen dem Leistungsmotiv und Unternehmensführung
durch. Das Leistungsmotiv zeigt eine bedeutsame Beziehung zur Gründung eines Unternehmens. Unternehmen zeigen ein höheres Leistungsmotiv als die Vergleichsgruppen (z.B.
Fachspezialisten, Manager). Nach Stewart und Roth (2007) unterscheiden sich Unternehmer
nicht nur hinsichtlich des Leistungsmotivs sondern auch in ihrer Bereitschaft, risikoreiche
Ziele zu setzen. Unternehmensgründer weisen demnach generell ein hohes Leistungsmotiv
auf, wobei sie als Gründer zudem häufig Eigentümer des Unternehmens sind und dieses
führen. Befindet sich ein Unternehmen in der Wachstumsphase, dann wird die Organisationsstruktur formalisiert und es werden neue Funktionsbereiche (z.B. Beschaffung, Produktion, Absatz, Verwaltung) geschaffen. Eine Hauptgefahr des Wachstumsunternehmens
besteht darin, dass die Komplexität der Führungsaufgabe überproportional zum Größenwachstum zunimmt. In dieser Phase können leistungsmotivierte Personen, welche vor
allem als „oberste Arbeiter“ des Unternehmens Spitzenleistungen erbringen möchten,
schnell überfordert werden. Hingegen werden spezifische Beeinflussungsstrategien mit
zunehmender Komplexität und Größe des Unternehmens wichtiger. Demnach gewinnt das
Machtmotiv an Bedeutung. Um seine Ziele zu erreichen, muss der Unternehmer seine Mitarbeiter (insbesondere seine unterstellten Führungskräfte) gezielt beeinflussen und ihnen
vertrauen können. Somit kann er zugleich die Komplexität seiner Führungsaufgabe reduzieren und das Unternehmen effektiv führen.
In Entrepreneurship-Ausbildungsprogrammen konnte bereits belegt werden, dass das
Leistungsmotiv von Personen mittels spezifischer Verstärkungen erhöht werden kann. Das
Leistungsmotiv des Unternehmers wirkt sich positiv auf das Unternehmenswachstum aus
(McClelland, 1965). McClelland (1961, 1965, 1985) ging davon aus, dass sich breit angelegte
Leistungsmotiv-Trainingsprogramme nicht nur positiv auf das Unternehmenswachstum,
sondern auf die Entwicklung ganzer Gesellschaften auswirken. Hansemark (1998) konnte
nachweisen, dass sowohl das Leistungsmotiv als auch die internale Kontrollüberzeugung
Motive
45
mittels eines spezifischen Entrepreneurship-Ausbildungsprogrammes verstärkt und
dadurch erhöht werden können. Nicht nur das Leistungsmotiv, sondern auch das Machtund das Anschlussmotiv können mittels eines intensiven Trainingsprogramms entwickelt
und angeregt werden. In unterschiedlichen Phasen der Unternehmensentwicklung benötigen Unternehmer verschiedene Motivausprägungen: zu Beginn ist das Leistungsmotiv
erfolgsversprechend. Das Leistungsmotiv ist der zentrale Erfolgsfaktor in der Gründungsphase. In den darauf folgenden Phasen (z.B. Wachstumsphase) wird das Machtmotiv zunehmend bedeutsamer, da der Unternehmer in seiner Führungsposition vermehrt andere
Personen beeinflussen und führen muss. Verfügt ein Unternehmer zwar über ein hohes
Leistungsmotiv, jedoch nur über ein geringes Machtmotiv, müsste das Machtmotiv im
Rahmen von Ausbildungsprogrammen spezifisch entwickelt und angeregt werden.
2.2.5
Motivmessung
Motive können sowohl implizit (unbewusst) als auch explizit (bewusst) erfasst werden. In
der traditionellen Motivforschung wird der implizite (unbewusste) Zugang zur Messung
der Motivausprägungen einer Person gewählt (vgl. McClelland et al., 1953; Murray, 1938).
Bei der impliziten Motivmessung wird der Thematische Apperzeptionstest (TAT) herangezogen. Den Testpersonen werden Bilder vorgelegt, welche nach unterschiedlichen motivthematischen Inhalten interpretiert werden können. Während manche Personen beispielsweise bei der Interaktion zwischen zwei Personen besonders eine Leistungsinteraktion
wahrnehmen und beschreiben, fokussieren andere Personen stärker auf einen machtthematischen Inhalt. Die Bilder werden jeweils für eine kurze Zeit präsentiert und die Testperson
verfasst im Anschluss eine Geschichte. Im Anschluss wird die Geschichte bezüglich ihres
motivthematischen Inhaltes ausgewertet, wobei insbesondere Gedanken, Gefühle und
Handlungen eine wichtige Rolle einnehmen. Nach Weibler (2012) ist das gegenwärtig bevorzugte Verfahren zur Messung der impliziten Motive das Picture Story Exercise (PSE)
(Schultheiss, Liening & Schad, 2008).
Die explizite (bewusste) Motivmessung erfolgt mit Hilfe eines objektiven Fragebogens.
Der Fragebogen hat den Vorteil, dass die Motivausprägungen reliabel und valide erfasst
werden können und objektiv vergleichbar sind. Die Beantwortung der Testpersonen erfolgt
bewusst und bezieht sich insbesondere auf die Wahrnehmung, welches Motiv sich eine
Person gerne selbst zuschreibt. Die explizite Motivmessung wird häufig mit den drei Skalen Leistung, Macht und Anschluss der Personality Research Form (PRF, Jackson, 1984;
deutsche Version: Stumpf, Angleitner, Wieck, Jackson & Beloch-Till, 1985) durchgeführt.
Eine Weiterentwicklung und Validierung der expliziten Motivmessung, wie sie beispielsweise von Lang und Fries (2006) für die explizite Messung des Leistungsmotivs durchgeführt wurde, scheint angebracht.
Um die Vorteile des TAT (unbewusste Motivmessung) mit den Vorteilen von Fragebögen
(Erfüllung der Testgütekriterien und bessere Vergleichbarkeit) zu verbinden, entwickelten
Sokolowski, Schmalt, Langens und Puca (2000) mit dem Multi-Motiv-Gitter (MMG) ein so
genanntes semi-projektives Verfahren zur Messung der drei großen Motive (Macht, Leis-
46
Führungseigenschaften und -motive
tung und Anschluss). Das Multi-Motiv Gitter unterscheidet jeweils die beiden Antriebstendenzen der Motive (Hoffnung = Annäherung versus Furcht = Vermeidung).
Zur Messung der Motive stehen demnach drei unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung:
1. die klassische projektive Motivmessung mittels TAT oder PSE (= implizite, unbewusste Messung),
2. die semiprojektive Motivmessung mittels MMG (= implizite und explizite oder unbewusste und bewusste Messung),
3. die explizite (= bewusste) Motivmessung mittels Fragebogens.
Brunstein und Schmitt (2003) korrelierten die unterschiedlichen Verfahren der Motivmessung miteinander und konnten belegen, dass diese kaum miteinander in Beziehung stehen
(vgl. deCharms, Morrison, Reithman & McClelland, 1955). McClelland (1980) geht hierbei
davon aus, dass die impliziten (= unbewussten) und expliziten (= bewussten) Verfahren zur
Motivmessung unterschiedliche Konstrukte erfassen. Er bemängelt, dass Motive mittels
bewusster Befragung nicht abgebildet werden können (McClelland, 1987). Bewusste – mittels Fragebogen erfasste – Motive spiegeln das Selbstbild einer Person wider. Die unbewusste Messung der Motive integriert spontane Emotionen (McClelland, Koestner & Weinberger, 1989). Unbewusste Motive sind für McClelland (1995) der bewussten sprachlichen
Wahrnehmung nicht zugänglich. Motive, welche sich eine Person selbst zuschreibt, müssen
nicht mit dem tatsächlichen Motiv übereinstimmen. Schmalt und Sokolowski (2000) sehen
die implizite (= unbewusste) und explizite (= bewusste) Motiverfassung als zwei Seiten
einer Medaille. Explizite Motive (auf Basis von Selbstbeschreibungen) greifen auf implizite
(= unbewusste) Motive zurück (vgl. Schultheiss & Brunstein, 1999).
2.3
Persönlichkeit, Motive und Entrepreneurship
Persönlichkeitsmerkmale und motivationale Aspekte nehmen eine bedeutsame Rolle bei
der theoretischen Entwicklung von unternehmerischen Prozessmodellen ein. Shane, Locke
und Collins (2003) kritisieren, dass die Auswirkungen der Motivation auf die unterschiedlichen Phasen der Unternehmensentwicklung bislang nicht untersucht wurden. Die meisten
Studien fokussieren sich auf ein statisches Design (z.B. Unterschiede zwischen Unternehmensgründern und Managern). Dieser Ansatz nimmt an, dass Persönlichkeit und Motivation in allen Phasen der Unternehmensentwicklung gleich wirksam und gleich stark vorhanden sind. Die jeweiligen Persönlichkeitsanforderungen an einen Unternehmer im Rahmen
der Unternehmensentwicklung stehen hierbei im Vordergrund. Zhao und Seibert (2006)
führten erstmals eine Metaanalyse zur Untersuchung der Beziehung zwischen den fünf Big
Five Persönlichkeitsdimensionen und dem Status eines Unternehmers (im Vergleich zu
Managern) durch.
Persönlichkeit, Motive und Entrepreneurship
47
Als Unternehmer verstehen die Autoren einen Gründer, Eigentümer oder Leiter eines
kleinen wachstumsorientierten Unternehmens (vgl. Stewart & Roth, 2001). Den persönlichkeitsorientierten Ansätzen zur Untersuchung von Unternehmern wird zugrunde gelegt,
dass bestimmte Umwelten ganz spezifisch auf unterschiedliche Personen einwirken. Die
Person-Umwelt-Passung nimmt an, dass sich Personen von Jobs und Arbeitsumwelten
anziehen lassen, welche zu ihrer Persönlichkeit passen. Beispielsweise konnten Schneider,
Smith, Taylor und Fleenor (1998) zeigen, dass sich bedeutsame Persönlichkeitsunterschiede
zwischen Managern unterschiedlicher Organisationen zeigen. Das ASA-Modell (Attraction
– Selection – Attrition) von Schneider (1987) beschreibt, wie Individuen aufgrund ihrer
Persönlichkeit von unterschiedlichen organisationalen Umwelten angezogen werden. Nach
Zhao und Seibert (2006) zeigt sich auf Basis der ASA-Theorie folgende Beziehung zwischen
Persönlichkeit und Entrepreneurship:
႑ Personen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen fühlen sich stärker dazu angezogen, Unternehmer zu werden,
႑ die Fähigkeit, die richtigen Personen bei der Unternehmensgründung mit einzubeziehen (z.B. Investoren, Partner, Lieferanten, Mitarbeiter), benötigt ebenfalls bestimmte
Persönlichkeitsmerkmale,
႑ Personen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen sind bei unternehmerischen Aktivitäten zufriedener und erfüllter als Personen, welche diese Merkmale nicht aufweisen.
Die Ergebnisse aus der Metaanalyse von Zhao und Seibert (2006) konnte belegen, dass sich
Unternehmer und Manager grundsätzlich bezüglich ihrer Persönlichkeitsstruktur unterscheiden. Unternehmer verfügen über eine höhere Gewissenhaftigkeit, eine höhere Offenheit für Erfahrungen und eine höhere emotionale Stabilität. Im Gegensatz zu Managern sind sie jedoch weniger verträglich. Die stärkste Beziehung zeigte sich zwischen dem
leistungsbezogenen Aspekt der Gewissenhaftigkeit und Entrepreneurship. Verträglichkeit
ist die einzige Persönlichkeitsdimension, welche keine Beziehungen zur Gründungsintention und zur unternehmerischen Leistung aufweist (Zhao, Seibert & Lumpkin, 2010). Die
Risikoneigung zeigt positive Beziehungen zur Gründungsintention, jedoch nicht zur unternehmerischen Leistung. Apospori et al. (2005) konnten bei Unternehmern ein höheres
Leistungsmotiv als bei Top-Führungskräften nachweisen. Nach McClelland (1961) ist das
Leistungsmotiv der Basisantrieb zur Gründung eines Unternehmens (vgl. Mitchell, 2004).
Collins, Hanges und Locke (2004) konnten ebenfalls belegen, dass das Leistungsmotiv der
stärkste Prädiktor für Entrepreneurship ist und dass dieses zudem mit der unternehmerischen Leistung in Verbindung steht.
Offenheit für Erfahrungen ist bei Unternehmern stärker ausgeprägt als bei Managern
(Zhao & Seibert, 2006). Offenheit für Erfahrungen steht mit Kreativität, Intuition und „dem
Reiz für das Neue“ in Verbindung. Nach Shane und Venkataraman (2000) repräsentieren
Intuition, Veränderung und Kreativität den Kern der bisherigen Definitionen zu Entrepreneurship. Intuitiv müsste Offenheit für Erfahrungen – neben Gewissenhaftigkeit – zur
Kerneigenschaft eines Unternehmers gehören. In diesem Zusammenhang untersuchten
Ciavarella, Buchholtz, Riordan, Gatewood und Stokes (2004) den Persönlichkeitseinfluss
48
Führungseigenschaften und -motive
eines Unternehmers auf die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens. Die Überlebensfähigkeit wurde auf zwei Arten erhoben:
1. die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen für mindestens acht Jahre überleben
wird,
2. die gesamte Lebensspanne des Unternehmens.
Auch diese Studie konnte belegen, dass die Gewissenhaftigkeit des Unternehmers positiv
auf die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens einwirkt. Offenheit für Erfahrungen zeigt jedoch keine positiven Auswirkungen auf die langfristige Überlebensfähigkeit
eines Unternehmens. In späteren Stufen der Unternehmensentwicklung nimmt Offenheit
für Erfahrungen möglicherweise eine geringere Bedeutung ein. Ciavarella et al. (2004) gehen davon aus, dass Unternehmer in späteren Phasen der Unternehmensentwicklung (z.B.
Wachstums- und Reifephase) eine geringere Offenheit für Erfahrungen benötigen, um ihren
Führungs- und Managementaufgaben besser nachgehen zu können. Offenheit für Erfahrungen nimmt in der frühen Gründungsphase eine wichtige Rolle ein, da neue unternehmerische Gelegenheiten erkannt werden müssen (Opportunity Recognition). Dies unterscheidet einen Unternehmer von einem Manager. In den nachfolgenden Phasen wird Offenheit für Erfahrungen, welche für kreative, innovative Ideen benötigt wird, weniger
wichtig. Der Unternehmer fokussiert sich stärker auf das operative Unternehmensgeschäft,
das heißt auf die internen Unternehmensprozesse (vgl. Zhao & Seibert, 2006).
Nach Baron und Markman (2005) unterscheiden sich die Anforderungen an einen Unternehmer in den unterschiedlichen Phasen der Unternehmensentwicklung:
In den frühen Phasen der Unternehmensentwicklung ist für Unternehmer wichtig, Gelegenheiten zu identifizieren, diese richtig zu bewerten, ihre Machbarkeit zu überprüfen und
ein neues Unternehmen zu gründen. Für Baron und Markman (2005) ist Extraversion der
wichtigste Prädiktor für die Absicht, ein Unternehmen zu gründen. In der zweiten Stufe
der Gründungsphase ist es wichtig, geeignete Ressourcen für das Vorhaben aufzubauen.
Im Zentrum steht hierbei die Kapitalbeschaffung. Unternehmer müssen Investoren, Partner und Mitarbeiter für das neue Vorhaben begeistern. Extraversion ist auch in dieser
Phase die zentrale Schlüsselvariable. Baron und Markham (2005) konnten belegen, dass
Extraversion direkt mit der Höhe des beschafften Kapitals in Verbindung steht. In den
späteren Phasen der Unternehmensentwicklung bleiben Extraversion und Gewissenhaftigkeit die wichtigsten Persönlichkeitseigenschaften des Unternehmers. Sie wirken positiv
auf die persönliche finanzielle Situation des Unternehmers als auch auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens ein. Offenheit für Erfahrungen zeigt diesbezüglich negativere
Aspekte. Gewissenhaftigkeit des Unternehmers ist für die langfristige Überlebensfähigkeit
des Unternehmers bedeutsam.
In Tabelle 2.4 werden die Motive und die Persönlichkeit eines „idealen“ Unternehmers
bezogen auf die unterschiedlichen Phasen und Stufen der Unternehmensentwicklung dargestellt. Die Motive und Persönlichkeitseigenschaften sind in den verschiedenen Phasen
der Unternehmensentwicklung unterschiedlich wirksam.
Unternehmer und Unternehmensentwicklung
Tabelle 2.4
49
Phasen der Unternehmensentwicklung (Motive und Persönlichkeit eines
„idealen“ Unternehmers)
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2.4
Unternehmer und Unternehmensentwicklung
Shane et al. (2003) kritisieren, dass sich die Entrepreneurship-Forschung zu stark auf die
Einflüsse der Umwelt zur Unternehmensgründung (vgl. Aldrich, 2000) und auf die Charakteristik der unternehmerischen Gelegenheiten (Entrepreneurial Opportunities; Christiansen, 1997) fokussiert. Ein wichtiger Aspekt wurde in der aktuellen EntrepreneurshipForschung stark vernachlässigt, die menschliche Motivation und Handlungsfähigkeit.
Shane et al. (2003) gehen davon aus, dass jegliche menschliche Handlung sowohl auf motivationalen als auch kognitiven Faktoren resultiert. Daneben spielen Umwelteinflüsse (z.B.
ökonomischer Status, Unternehmenskapital, staatliche und gesetzliche Regulation, Konkurrenz) eine wichtige Rolle. Können die Umwelteinflüsse relativ konstant gehalten und kontrolliert werden, dann nimmt die menschliche Motivation eine Schlüsselposition im Rahmen der Unternehmensentwicklung ein. Nach Shane et al. (2003) müssen drei Haupteinflussgrößen der Umwelt kontrolliert werden, welche auf die Unternehmensentwicklung
einwirken:
1. politische Faktoren (z.B. legale Einschränkungen, Qualität der Gesetze, politische Stabilität und Währungsstabilität),
2. Marktkräfte (z.B. Industriestruktur, technologische Vorherrschaft, Eintrittsbarrieren,
Marktgröße, örtliche Bevölkerung),
50
Führungseigenschaften und -motive
3. Ressourcen (z.B. verfügbares Investitionskapital, Arbeitsmarkt, qualifizierte Arbeitskräfte, Verkehrsinfrastruktur, ergänzende Technologien).
Baum, Locke und Smith (2001) beschreiben auf Basis verschiedener Management-, Unternehmens- und- Organisationstheorien ein multidimensionales Modell der Unternehmensentwicklung. Neben den Persönlichkeitseigenschaften, den generellen Motiven, persönlicher Kompetenzen und der situationsspezifischen Motivation des Unternehmers werden
die Wettbewerbsstrategie und das Unternehmensumfeld berücksichtigt. Die Unternehmensentwicklung bezieht sich auf die unternehmerische Leistung und wird in der Entrepreneurship-Forschung als der Schlüsselindikator für den unternehmerischen Erfolg angesehen (z.B. Covin & Slevin, 1997).
Persönlichkeitseigenschaften und Motive des Unternehmers. Nach einer Studie von
MacMillan, Siegel und Subba Narisimha (1985) gehen Risikokapitalgeber davon aus, dass
das Leistungsmotiv des Unternehmers ausschlaggebendes Kriterium für den unternehmerischen Erfolg ist (vgl. McClelland, 1965). Verschiedene Entrepreneurship-Forscher gingen
hingegen in den 1980er Jahren davon aus, dass Persönlichkeit und Motive nur einen geringen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben (z.B. Begley & Boyd, 1987; Low &
MacMillan, 1988; Sandberg & Hofer, 1987). Nach Baum et al. (2001) könnte dies drei Gründe haben:
1. Persönlichkeitseigenschaften und Motive des Unternehmers spielen für den unternehmerischen Erfolg keine Rolle,
2. Persönlichkeitseigenschaften und Motive beeinflussen in Kombination mit weiteren
Faktoren den unternehmerischen Erfolg,
3. die falschen Eigenschaften wurden in der bisherigen Entrepreneurship-Forschung erhoben.
Baum et al. (2001) gehen davon aus, dass Persönlichkeitseigenschaften und Motive eines
Unternehmers nur in Kombination mit weiteren Eigenschaften ausschlaggebend für den
unternehmerischen Erfolg sind. Auffallend ist hierbei, dass sie insbesondere LeadershipEigenschaften nennen: Leidenschaft, Proaktivität und Beharrlichkeit. Nach Smilor (1997)
ist die Leidenschaft des Unternehmers möglicherweise das am häufigsten beobachtete
Phänomen für den unternehmerischen Erfolg. Leidenschaft ist eine Eigenschaft, welche
insbesondere transformationalen Führungskräften zugeschrieben werden kann (vgl. Abschnitt 6.1).
Fähigkeiten und Kompetenzen des Unternehmers. Unternehmer benötigen eine Vielzahl
von persönlichen und organisationalen Kompetenzen. Auf der persönlichen Ebene benötigt
ein Unternehmer spezifische Fähigkeiten, um seine Arbeit effektiv zu bewältigen und zu
steuern (z.B. Self-Leadership, Wissen). Auf der organisationalen Ebene benötigt er die Fähigkeit, andere Menschen aktiv und effektiv beeinflussen zu können (z.B. die Anwendung
von Macht und rhetorische Fähigkeiten). Ferner benötigt ein Unternehmer spezifisches
technisches und fachliches Wissen. Als besondere allgemeine Kompetenz gilt die Fähigkeit, unternehmerische Gelegenheiten richtig zu erkennen und zu interpretieren (vgl. Baum
Unternehmer und Unternehmensentwicklung
51
et al., 2001; Chandler & Jansen, 1992). Nach Gilbert, McDougall und Audretsch (2006) bilden vergangene Erfahrungen die Basis für die Entwicklung von Kompetenzen. Beispielsweise bewirken vorangegangene Erfahrungen (Branchenkenntnisse, Erfahrung in der Unternehmensgründung) einen positiven (direkten) Einfluss auf das Unternehmenswachstum.
Kenntnisse über die Unternehmensentwicklung von anderen Unternehmen wirken sich
ebenfalls positiv auf die Entwicklung des eigenen Unternehmens aus (Wasilczuk, 2000).
Heterogene Gründungsteams (z.B. Unterschiede bezüglich Alter, Bildung und fachlicher
Expertise) zeigen positive Auswirkungen auf die Unternehmensentwicklung. Fehlende
Fähigkeiten und Kompetenzen können im Team kompensiert und die jeweiligen Stärken
der Teammitglieder genutzt werden. Nach Gilbert et al. (2006) ist es von großer Bedeutung,
dass der Unternehmensgründer selbst über spezifische Erfahrungen (z.B. technische Expertise) verfügt.
Situationsspezifische Motivation des Unternehmers. Bei der situationsspezifischen Motivation des Unternehmers stellen Baum et al. (2001) mit Vision, Unternehmensziele und
Selbstwirksamkeit Konzepte in den Mittelpunkt, welche stark einer transformationalen
und charismatischen Führungskraft zugeschrieben werden können. Diese Konzepte stehen
in engem Zusammenhang mit der Leistung und des Erfolgs eines Unternehmens (vgl. Bird,
1989). Nach Bass und Avolio (1995) und Conger und Kanungo (1998) steht die Vision im
zentralen Mittelpunkt der transformationalen und charismatischen Führungskraft. Hierbei
werden spezifische, herausfordernde Ziele gesetzt. Der Unternehmer inspiriert seine Mitarbeiter mittels einer plastischen Vision und legt eine hohe Erwartungshaltung fest. Nach
Bandura (1986, 1991) ist Selbstwirksamkeit das Schlüsselmerkmal für erfolgreiches menschliches Handeln. Selbstwirksamkeit bedeutet, dass der Unternehmer an sich selbst glaubt.
Das heißt, an seine eigene Handlungsfähigkeit, Ziele tatsächlich erreichen zu können. Für
Chandler und Jansen (1992) steht die Selbstwirksamkeit des Unternehmers in positiver
Beziehung zur Fähigkeit, ein Unternehmen zu gründen und es zu entwickeln. Ferner zeigen sich positive Assoziationen zur unternehmerischen Leistung.
Wettbewerbsstrategie des Unternehmers. Porter (1980) beschreibt drei grundsätzliche
Strategien, welche ein Unternehmen verfolgen kann:
1. Fokussierung,
2. Differenzierung,
3. Kostenführerschaft.
Nach Baum et al. (2001) muss sich ein Unternehmer für eine dieser drei Strategien entscheiden. Die Strategie der Fokussierung zielt auf bestimmte Kunden, ein spezifisches
Segment oder auf eine bestimmte Region ab. Die Strategie der Differenzierung zielt darauf
ab, innovative und qualitativ hochwertige Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt
zu bringen. Die Strategie der Kostenführerschaft setzt sich zum Ziel, durch geringere Kosten (z.B. in der Produktion oder im Unternehmen) einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
Eine Kombination aus den Strategien ist nach Porter (1980) zum Scheitern verurteilt (vgl.
Baum et al., 2001).
52
Führungseigenschaften und -motive
Umwelteinflüsse auf das Unternehmen. Für Baum et al. (2001) wirken drei spezifische
Umweltfaktoren auf das Unternehmen ein:
1.
Dynamik
Die dynamische Umwelt ist sehr instabil. Eine Vorhersage, wie sich das Umfeld entwickeln
wird, ist schwierig zu treffen. Sowohl die Märkte als auch die Industrie können sich in einer
dynamischen Umwelt rasch verändern. Es herrscht große Unsicherheit über die einwirkenden Kräfte. Das Unternehmen selbst kann nur wenig kontrollieren (z.B. Dess & Beard,
1984). Eine stabile Umwelt kann von einem Unternehmen besser kontrolliert werden. Diese
wirkt sich demnach positiver auf die Unternehmensentwicklung aus.
2. Großzügigkeit
Dieser Aspekt bezieht sich darauf, wie großzügig die Umwelt das Unternehmen in seiner
Entwicklung unterstützt (z.B. Dess & Beard, 1984). Wird beispielsweise der Unternehmer
und das Unternehmen durch externe Kapitalgeber großzügig unterstützt, kann es besser
mit spezifischen Herausforderungen umgehen.
3. Komplexität
Ist die Komplexität hoch, das heißt sind viele verschiedene Unternehmen in einer bestimmten Branche tätig, dann ist diese für einen Unternehmer undurchsichtiger.
Nach dem multidimensionalen Modell der Unternehmensentwicklung wird die Beziehung
zwischen Persönlichkeit, Motivation, Kompetenz und der Leistung durch mehrere Faktoren mediiert. Persönlichkeitseigenschaften und Motive beeinflussen die Fähigkeiten und
Kompetenzen. Verfügt eine Person beispielsweise über ein hohes Anschlussmotiv und ist
sie zudem extravertiert und verträglich, dann wird sie durch den ständigen Umgang mit
anderen Menschen ihre sozialen und emotionalen Fähigkeiten verbessern. Baum et al.
(2001) gehen davon aus, dass bei einem Unternehmer insbesondere Beharrlichkeit (= eine
Subeigenschaft von Gewissenhaftigkeit), Leidenschaft und Proaktivität zu höherer allgemeiner und spezifischer Kompetenz führen. Weitere Mediatoren sind die Vision, situationsspezifische Ziele und Selbstwirksamkeit. Allgemeine Kompetenzen (z.B. Entscheidungsfähigkeiten) nehmen wiederum Einfluss auf spezifische Fähigkeiten (z.B. fachspezifische Kompetenzen). Baum et al. (2001) nehmen ferner an, dass sich Persönlichkeit, Kompetenzen und Motivation auf die Wahl der Wettbewerbsstrategie auswirken. Sie gehen davon
aus, dass Beharrlichkeit, Proaktivität, Leidenschaft, eine höhere allgemeine Kompetenz und
eine höhere Motivation zu einer klaren Selektion der Wettbewerbsstrategie (Fokussierung,
Differenzierung, Kostenführerschaft) führen. Die Umwelt übt ebenfalls Einfluss darauf aus,
welche Strategie gewählt wird. Nach der sozial-kognitiven Theorie von Bandura (1986)
wird Verhalten sowohl durch persönliche Faktoren (z.B. Persönlichkeit, Motive und Kompetenzen des Unternehmers) als auch Umweltfaktoren (z.B. Konkurrenz, großzügige Kapitalgeber, aktuelle wirtschaftliche Situation) beeinflusst.
Baum et al. (2001) prüften ihr Modell an 307 CEOs (Gründer und Eigentümer) von jungen
Kleinunternehmen und untersuchten die Unternehmensentwicklung in einer Zeitspanne
Unternehmer und Unternehmensentwicklung
53
von drei Jahren. Das wichtigste Ergebnis der Studie ist, dass die Unternehmensentwicklung
nicht durch ein einziges Kriterium (z.B. nur durch Persönlichkeit oder nur durch Umwelt)
vorhersagt werden kann. Werden die Einflüsse der individuellen Persönlichkeit, der Organisation und der Umwelt kombiniert, dann ergeben sich die besten Vorhersagen für die
Unternehmensentwicklung. Persönlichkeitseigenschaften und Motive beeinflussen die
Unternehmensentwicklung nicht direkt sondern indirekt. Das heißt, sie nehmen Einfluss
auf Kompetenzen, die Motivation und die Strategie und diese wiederum beeinflussen die
Unternehmensentwicklung. Klassische Studien, welche die Beziehungen zwischen der
Persönlichkeit und den Motiven des Unternehmers mit der Unternehmensleistung in Verbindung brachten, konnten keine Effekte belegen (z.B. Begley & Boyd, 1987; Low &
MacMillan, 1988). Sie wählten den falschen empirischen Zugang, da sie die Persönlichkeit
und die Motivausprägung des Unternehmers direkt mit der Unternehmensleistung in
Verbindung brachten. Die Persönlichkeit und die Motive des Unternehmens beeinflussen
auf indirektem Weg die Fähigkeiten des Unternehmers und seine unternehmerische Motivation und diese wiederum nehmen Einfluss auf die Strategie des Unternehmens. Nach
Baum et al. (2001) müssten Motive und Persönlichkeit in zukünftigen Studien stärker berücksichtigt werden, wobei spezifische Mediationsmodelle (z.B. Self-Leadership oder Leadership) die Unternehmensentwicklung und den unternehmerischen Erfolg beeinflussen.
Spezifische technische und unternehmensbezogene Kompetenzen des Unternehmers nehmen direkten Einfluss auf die Unternehmensentwicklung. Möchte beispielsweise ein Fachspezialist in der Optiker-Branche mit einer spezifischen Idee ein innovatives Unternehmen
gründen, dann werden sich seine Fachkompetenzen direkt auf den unternehmerischen
Erfolg auswirken. Möchten Absolventen der Betriebswirtschaftslehre oder der Psychologie
eine Unternehmensberatung gründen, dann wird der unternehmerische Erfolg stark und
direkt davon abhängen, über welche Fachkompetenzen die Gründer verfügen. Die spezifischen Fachkompetenzen und die Idee beeinflussen die unternehmerische Vision und Strategie. Die situationsspezifische Motivation (Vision, Ziele und Selbstwirksamkeit) beeinflussen ebenfalls direkt die Unternehmensentwicklung. Die unternehmerische Motivation
beeinflusst, wie ein Unternehmen geführt wird. Nach Baum et al. (2001) beeinflusst sie
beispielsweise, wie sich die Organisationstruktur und organisationale Prozesse herausbilden und zudem die Personalauswahl. Der Unternehmer nimmt Einfluss, welches Personal
– in Bezug auf die eigene Vision und die Ziele – zur Organisation passt (z.B. zielorientierte,
gewissenhafte und leistungsmotivierte Mitarbeiter). Die Wettbewerbsstrategie hat neben
den spezifischen Kompetenzen (z.B. Fachkompetenzen) und der unternehmerischen Motivation (Vision, Ziele, Selbstwirksamkeit) ebenfalls einen direkten Effekt auf die Unternehmensentwicklung. Sowohl Persönlichkeitseigenschaften, Motive, Kompetenzen als auch die
unternehmerische Motivation wirken gleich wichtig auf die strategische Entscheidungsfindung ein. Die persönliche Motivation des Unternehmers übt demnach Einfluss auf die
Strategie der Organisation aus. Die Umwelt übt einen relativ schwachen direkten Effekt auf
die Unternehmensentwicklung aus. Nach Baum et al. (2001) üben die Unternehmensgründer mehr Einfluss und Kontrolle auf die Unternehmensentwicklung aus als Makrotheoretiker dies annehmen würden (z.B. Pfeffer & Salancik, 1978). Persönlichkeit, Motive, Kompetenzen und die unternehmerische Motivation üben demnach gemeinsam einen stärkeren
54
Führungseigenschaften und -motive
Einfluss auf die Unternehmensentwicklung aus als die Umwelt. Baum et al. (2001) folgern,
dass in unternehmerischen Ausbildungsprogrammen (Entrepreneurial Education Programs) organisationale Fähigkeiten (z.B. Self-Leadership- und Leadership-Fähigkeiten), die
Fähigkeit zur Erkennung von Gelegenheiten (Opportunity Skills) und analytische Fähigkeiten (z.B. Konkurrenzanalyse zur Formulierung der Strategie) gelehrt werden sollten.
Abbildung 2.1
Der indirekte Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften auf das Unternehmenswachstum (in Anlehnung an Baum et al., 2001)
Persönlichkeitseigenschaften
+
Unternehmenswachstum
KDE
Kompetenzen
(allgemein)
+
+
+
+
Kompetenzen
(spezifisch)
+
+
Motivation
Kompetitive
Strategien
+
Umwelt
KDE = kein direkter Effekt
Im Rahmen einer sechsjährigen Längsschnittstudie untersuchten Baum und Locke (2004)
den Einfluss der Persönlichkeit (Leidenschaft und Beharrlichkeit) und der Fähigkeit, neue
Ressourcen erfolgreich in das Unternehmen zu integrieren auf die Unternehmensentwicklung. Die sechsjährige Unternehmensentwicklung wurde auf Basis der jährlichen Wachstumsraten des Umsatzes und der Beschäftigten ermittelt. Als Mediator wurden die unter-
Zusammenfassung und Reflexion
55
nehmerische Motivation (Kommunizierte Vision, Ziele und Selbstwirksamkeit) eingesetzt.
Die Fähigkeit, neue Ressourcen in das Unternehmen zu integrieren, bezieht sich beispielsweise darauf, frisches Kapital aufzutreiben oder das richtige Personal auszuwählen und zu
integrieren. Die Ergebnisse zeigen, dass die unternehmerische Motivation (kommunizierte
Vision, Ziele und Selbstwirksamkeit) einen direkten und positiven Einfluss auf die Unternehmensentwicklung ausüben. Die Persönlichkeit (Leidenschaft und Beharrlichkeit) zeigt
wiederum keinen direkten aber einen indirekten Effekt auf die Unternehmensentwicklung
(vgl. Baum et al., 2001). Persönlichkeit und die Fähigkeit, während der Unternehmensentwicklung neue Ressourcen (z.B. Kapital, Personal) erfolgreich in das Unternehmen zu integrieren, wirken sich positiv auf die situationsbedingte unternehmerische Motivation aus
(z.B. Formulierung von Visionen, Festlegung von herausfordernden Zielen). Die Beschaffung von (zusätzlichem) Kapital und den passenden Mitarbeitern (in der jeweiligen Phase
der Unternehmensentwicklung) ist nach Gilbert et al. (2006) eine der größten Herausforderungen für einen Unternehmer (vgl. Arthurs & Busenitz, 2006). Der Personalbedarf verändert sich im Rahmen der Unternehmensentwicklung. Beispielsweise benötigt ein Unternehmer bei der Unternehmensgründung Experten und hochqualifizierte Arbeitskräfte (vgl.
Cardon, 2003). Zusammenfassend zeigt sich, dass Leidenschaft, Persönlichkeit und die
Fähigkeit, neue Ressourcen erfolgreich in das Unternehmen zu integrieren, unter Vermittlung von kommunizierter Vision, herausfordernder Ziele und Selbstwirksamkeit positiv
auf die Unternehmensentwicklung einwirken.
Die Ergebnisse aus den Studien von Baum et al. (2001) und Baum und Locke (2004) liefern
deutliche Belege, dass die Persönlichkeit und die Motive des Unternehmers indirekt und
positiv auf die Unternehmensentwicklung einwirken. Persönliche (fachspezifische) Kompetenzen, die situationsspezifische unternehmerische Motivation und die Wettbewerbsstrategie üben direkten Einfluss auf die Unternehmensentwicklung und demnach auf den unternehmerischen Erfolg aus. Einflüsse der Umwelt (z.B. großzügige Kapitalgeber) üben einen
geringeren Effekt auf die Unternehmensentwicklung aus. Demnach ist nicht überraschend,
dass Rauch und Frese (2007) fordern, dass die Person des Unternehmers wieder stärker in
den Mittelpunkt der Entrepreneurship-Forschung gestellt werden sollte. Eine Metaanalyse
von Rauch und Frese (2007) kann belegen, dass das Leistungsmotiv, die allgemeine Selbstwirksamkeit, Originalität, Stresstoleranz, das Bedürfnis nach Autonomie und die Proaktivität am stärksten mit dem unternehmerischen Verhalten (Unternehmensgründung und
Unternehmenserfolg) assoziiert sind.
2.5
Zusammenfassung und Reflexion
Persönlichkeit ist eine über die Zeit hinweg gesehene relativ stabile Eigenschaft. Nach den
Forschungen zu den Big Five Persönlichkeitseigenschaften gliedert sich die menschliche
Persönlichkeit in fünf zentrale Persönlichkeitseigenschaften: Extraversion, Verträglichkeit,
Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus (Gegenpol: emotionale Stabilität) und Offenheit für
Erfahrungen. Extravertierte Personen sind aktiv, dynamisch, gehen gerne auf andere Menschen zu und können dominant und bestimmt auftreten. Verträgliche Personen werden als
56
Führungseigenschaften und -motive
nett, herzlich, mitfühlend und verständnisvoll wahrgenommen. Gewissenhafte Personen
planen und organisieren sehr gerne. Sie verfügen über eine hohe Willenskraft und Leistungsfähigkeit. Neurotizismus steht mit einer erhöhten Labilität und mit impulsivem Verhalten in Verbindung. Emotional stabile Personen sind hingegen ausgeglichen, gleichmütig und relativ sorgenfrei. Personen mit hoher Offenheit für Erfahrungen sind liberal,
erfinderisch und scharfsinnig. Sie sind in ihrem Verhalten unkonventionell und zeigen eine
hohe Kreativität.
In Bezug auf die individuelle Arbeitsleistung ist Gewissenhaftigkeit die zentrale Persönlichkeitsdimension. Gewissenhafte Personen zeigen über alle Berufsgruppen hinweg konstant höhere Leistungen. Emotionale Stabilität und Extraversion stehen stärker mit der
Arbeitszufriedenheit in Beziehung. Emotionale Stabilität in Kombination mit Gewissenhaftigkeit wirken sich zudem positiv auf den beruflichen Erfolg aus. Gewissenhafte, emotional stabile und verträgliche Personen sind in weniger Arbeitsunfällen involviert. Hinsichtlich der Beziehung zwischen Persönlichkeit und Leadership nimmt die Extraversion
die wichtigste Rolle ein. Bei den höheren Formen der transformationalen (charismatischen)
Führung ist eine hohe Verträglichkeit der Führungskraft von Vorteil.
Narzissten wirken zwar arrogant, selbstverliebt und impulsiv, dennoch werden sie oft als
charismatisch, dynamisch und kraftvoll wahrgenommen. Da bei Narzissten insbesondere
das personalisierte (egoistische) Machtmotiv wirksam ist, können sie einem Unternehmen
sehr stark nützen aber auch in gleichem Ausmaß schaden. Befindet sich ein Narzisst an der
Führungsspitze, dann kann er mittels seiner Visionen, seines Charismas und seiner Inspirationen ein Unternehmen sehr effektiv führen, vorausgesetzt, der unternehmerische Erfolg
wird der eigenen Größe und Stärke zugeschrieben. Die größte Schwäche des Narzissten
liegt jedoch darin, dass er übermäßig auf persönliche „Angriffe“ reagiert. Aufgrund des
„aufgeblähten“ grandiosen Selbstbildes besteht immer die Gefahr, dass es durch äußere
Attacken wie ein Glashaus zerbrechen könnte. Die psychologische Forschung bezeichnet
dies als fragiles Selbst des Narzissten. Wird beispielsweise ein Narzisst von einem engen
Mitarbeiter kritisiert, dann reagiert er impulsiv und unangemessen. Das heißt der Narzisst
versucht alles daran zu setzen, dass die betreffende Person degradiert und „zerstört“ wird.
Machiavellisten stehen ebenfalls eng mit dem personalisierten (egoistischen) Machtmotiv
in Verbindung. Sie sind kühl, berechnend, stark manipulativ und suchen sich ihren strategischen Vorteil. Ihr Ziel liegt in der Erlangung von Macht, Status, Prestige und der Geldvermehrung. Im Gegensatz zu Narzissten werden Machiavellisten aufgrund ihrer kühlen
Art als weniger charismatisch wahrgenommen. Sie formulieren zudem keine Visionen und
versuchen ihre Geführten nicht zu inspirieren. Machiavellisten sind kluge Strategen, welche bei wichtigen Verhandlungen und im Verkauf sehr erfolgreich sein können. Mittel- bis
langfristig könnten Machiavellisten sogar erfolgreicher als Narzissten sein, da sie ihre Emotionen und Gefühle unter Kontrolle halten und nicht impulsiv agieren und reagieren.
Motive. Die Persönlichkeit kann positiv oder negativ auf Motive einwirken. Generell wird
angenommen, dass der Mensch über drei zentrale Motive verfügt: Macht-, Leistungs- und
Anschlussmotiv. Das Machtmotiv entspricht dem Bedürfnis, Einfluss auf andere Men-
Zusammenfassung und Reflexion
57
schen zu nehmen. Die machtmotivierte Person möchte sich dadurch stark fühlen, dominant
sein, ihre eigene Wirksamkeit empfinden und die jeweilige Situation unter Kontrolle halten.
Nach McClelland (1975) durchläuft der Mensch vier Machtentwicklungsstufen. Während
eine Person in der ersten Stufe noch andere mächtige Menschen für ihre Stärke bewundert
und deren Nähe aufsucht, um Macht zu empfinden, befindet sich die Machtquelle ab der
zweiten Stufe in der Person selbst. Im Übergang von der personalisierten (ungehemmten,
egoistischen) zur sozialisierten (gehemmten) Machtmotivation durchläuft der Mensch einen Evolutionssprung. Auf dem Höhepunkt der egoistischen (personalisierten) Form der
Machtausübung erkennt der Mensch, dass er über bestimmte Grenzen der Machtwirkung
nicht hinauskommt. Eine Führungskraft, welche ihre Macht zum Zwecke der sozialen Gemeinschaft ausübt, verfügt paradoxerweise über eine höhere Machtwirkung. Mittel- bis
langfristig akzeptiert die soziale Gruppe nur ein sozialisiertes Machtmotiv. Egoistische
Tendenzen werden vom sozialen Umfeld auf Dauer nicht akzeptiert. Die höchste Stufe der
Machtentwicklung entspricht einem Paradoxon. Die Führungskraft nimmt ihr Selbst zurück, kontrolliert ihre egoistischen Tendenzen und zeigt altruistisches Führungsverhalten.
Sie ist getrieben von hohen Visionen, Idealen und Werten. Dadurch erfährt sie die höchstmöglichste Machtwirkung.
Eine hoch leistungsmotivierte Person möchte ihre bisherigen Leistungen fortlaufend verbessern. Sie ist demnach niemals zufrieden mit ihrer aktuellen Leistung und strebt dadurch
eine kontinuierliche Verbesserung an. Im Leistungskontext zeigen leistungsmotivierte
Personen die besten Leistungen. Anschlussmotivierte Personen streben in sozialen Gruppen nach Kontakt, Anerkennung und Akzeptanz. Ähnlich zu machtmotivierten Personen
richten sie ihren Fokus auf die soziale Gruppe aus. Ihr Ziel liegt jedoch nicht daran, andere
Menschen zu dominieren und zu kontrollieren, sondern von ihnen anerkannt und akzeptiert zu werden.
Motive und Leadership. Das Anschlussmotiv ist für eine effektive Führungskraft sehr
hinderlich. Da ihr Führungshandeln zu sehr von der Hoffnung auf Anschluss oder der
Furcht vor Zurückweisung beeinflusst wird, kann die Führungskraft Anweisungen und
Entscheidungen gegenüber den Geführten nur schwer durchsetzen. Ihr Ziel liegt nicht
darin, andere Menschen effektiv zu beeinflussen. Deshalb ist das Anschlussmotiv für eine
Führungskraft eher hinderlich als vorteilhaft. Nach McClelland und Boyatzis (1982) verfügt
eine Führungskraft idealerweise über ein hohes Machtmotiv, ein mittleres bis hohes Leistungsmotiv und ein geringes Anschlussmotiv (= imperiales Motivmuster).
Persönlichkeit, Motive und Entrepreneurship. Unternehmer verfügen über eine höhere
Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen und eine höhere emotionale Stabilität.
Gewissenhaftigkeit und das Leistungsmotiv scheinen der stärkste Antrieb für eine Unternehmensgründung zu sein. Das Machtmotiv ist bei Unternehmensgründern generell niedriger und Offenheit für Erfahrungen höher ausgeprägt als bei Top-Managern. Zur langfristigen Sicherung der Überlebensfähigkeit ist Gewissenhaftigkeit die effektivste Persönlichkeitsdimension, wobei Offenheit für Erfahrungen insbesondere bei der Unternehmensgründung wirksam ist. Während das Leistungsmotiv zu Beginn der Unternehmensgründung wichtiger ist, nimmt bei zunehmenden Wachstum und einer Vergrößerung des Un-
58
Führungseigenschaften und -motive
ternehmens das Machtmotiv eine zentralere Rolle ein. Nach Baum et al. (2001) nehmen die
Persönlichkeitseigenschaften zwar keinen direkten Einfluss auf das Unternehmenswachstum, sie beeinflussen es jedoch indirekt. Das heißt, Persönlichkeitseigenschaften üben positiven Einfluss auf die allgemeinen und spezifischen Kompetenzen, die Motivation und die
kompetitiven Strategien des Unternehmers aus. Diese wiederum stehen in positiver Beziehung zum Unternehmenswachstum. Deshalb zeigt sich ein indirekter Effekt der Persönlichkeit auf das Unternehmenswachstum.
Sowohl die Persönlichkeit als auch die Motive nehmen Einfluss auf eine effektive Führung
und den Unternehmenserfolg. Die relativ stabile Persönlichkeit einer Führungskraft oder
eines Unternehmers wirkt sich positiv auf den Führungs- und Unternehmenserfolg aus.
Während Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit eine wichtigere Rolle für
den Führungserfolg spielen, ist bei Unternehmern (insbesondere in der Gründungsphase)
die Gewissenhaftigkeit ein zentraler Erfolgsfaktor. Das Machtmotiv und an zweiter Stelle
das Leistungsmotiv sind bei Führungskräften die zentral erfolgswirksamen Motive. Bei
Unternehmern ist zu Beginn das Leistungsmotiv wichtiger, mit zunehmendem Wachstum
des Unternehmens übernimmt das Machtmotiv eine zentrale Schlüsselrolle. Das Anschlussmotiv ist sowohl für Führungskräfte als auch für Unternehmer ein erfolgshemmender Faktor. Idealerweise sollten sowohl Führungskräfte als auch Unternehmer über ein
sozialisiertes (= gehemmtes und kontrolliertes) Machtmotiv verfügen, da es mittel- bis langfristig adaptiver und erfolgswirksamer ist.
2.6
Diskussionsfragen
1. Persönlichkeit
a. Welche Persönlichkeitseigenschaften zeigen die stärksten Beziehungen zur transformationalen und charismatischen Führung? Begründen Sie Ihre Antwort.
b. Narzissmus oder Machiavellismus? Welche „dunkle“ Persönlichkeitseigenschaft könnte
mittel- bis langfristig erfolgreicher sein? Begründen Sie ihre Antwort.
c. In empirischen Untersuchungen konnten über Jahre hinweg nur wenig aussagekräftige
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und dem Unternehmenserfolg
nachgewiesen werden. Für die Big Five wurden hingegen in jüngerer Zeit systematische
Zusammenhänge ermittelt. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
2. Motive
a. Inwiefern unterscheidet sich das personalisierte vom sozialisierten Machtmotiv?
b. Weshalb ist das sozialisierte Machtmotiv einer Führungskraft mittel- bis langfristig
erfolgreicher? Begründen Sie Ihre Antwort.
c. Beschreiben Sie die Kombination der Motive (nach McClelland), die mit effektivem
Führungsverhalten in Verbindung steht.
http://www.springer.com/978-3-8349-3403-1
Zugehörige Unterlagen
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