Verehrtes Publikum, heute Abend werden wir

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Verehrtes Publikum,
heute Abend werden wir kein Konzert im herkömmlichen Sinn erleben, sondern eine Zeremonie. Wir feiern gemeinsam mit Frances-Marie Uitti und dem
Ensemble eXtracello die Zusammenkunft des Lamas Gyourmé mit Mönchen
des Samye Deche Ling-Klosters.
Die Pūjā-Gesänge, die in dieser Feier zu Gehör kommen, sind seit Jahrhunderten unverändert und verstehen sich als Gebet für alle fühlenden Wesen. Lama
Gyourmé wird außerdem traditionelle Lieder und Worte des Segens singen, die
seit lange zurückliegender Zeit bis heute in den Klöstern erklingen. Die Gesänge sind in eine Gesamtkomposition eingebunden, in welcher die Violoncelli die
Rolle verschiedener meditativer Geisteszustände einnehmen. Die Musikerinnen fühlen sich geehrt, in diesem Ritual mit dem weltweit hochgeachteten
Lama Gyourmé und den Mönchen des Samye Deche Ling-Klosters verbunden
zu sein.
Die Zeremonie wird ohne Pause stattfinden.
Essen und Trinken ist heute nur außerhalb des Kirchenraumes im Kreuzgang
möglich. Gläser bitte nicht in den Kirchenraum mitnehmen.
Es wird gebeten, die Feier nicht durch Fotografieren oder Filmen zu stören.
Wir freuen uns auf eine gemeinsame Zeremonie.
Das Team von „Imago Dei“
PŪJĀ – EHRERBIETUNG AN DEN SCHÖPFERGEIST
Uraufführung
FRANCES-MARIE UITTI, Komposition, Violoncello
EXTRACELLO:
EDDA BREIT, Violoncello
MARIA FRODL, Violoncello
MELISSA COLEMAN, Violoncello
MARGARETHE DEPPE, Violoncello
LAMA GYOURMÉ, Gesang
UMZE LODRO GYAMTSO, Gesang
TSULTRIM KALDEN, Schlagzeug
KARMA NYIMA & KARMA MINGYUR, Radong, Gyaling & Kangling
Unser Dank gilt Ani Jinba für ihre großzügige Unterstützung, ohne die dieses
Projekt gar nicht möglich gewesen wäre.
Eine Auftragskomposition des Landes Niederösterreich,
Abteilung Kunst und Kultur.
Mit freundlicher Unterstützung von BUTHANMUSICFOUNDATION.
PŪJĀ
Die Pūjā ist ein Ritual, im Zuge dessen durch besondere Ehrerbietung um den
Segen einer Gottheit oder einer verehrten religiösen Persönlichkeit gebeten
wird.
Buddhisten praktizieren Pūjās und andere den Geist reinigende Rituale mithilfe verschiedener Techniken, um sich von Emotionen wie Unzufriedenheit
und Leid, die dem Geist infolge von Habgier, Überdruss und mangelnder
Achtsamkeit innewohnen, zu befreien. Zum Beispiel kann es Ziel eines Rituals
sein, jenen gereinigten, höheren Bewusstseinszustand zu erreichen, in dem allen Lebewesen ein gleiches Maß an Liebe geschenkt werden kann – eine Liebe,
die im Kontrast zur romantischen Liebe steht, welche exklusiv und besitzorientiert ist oder ganz unnatürlich und gequält in Erscheinung treten kann.
Im Buddhismus repräsentiert Mara (vergleichbar mit dem christlichen Teufel)
die inneren Qualen der Aggression, der Wut, des Überdrusses und der Gier.
Als Buddha unter dem Bodhi-Baum der Erleuchtung nahe war, stellte ihn
Mara vor die Armee der Leiden und Versuchungen. Indem Buddha jedoch
Ruhe bewahrte und realisierte, dass er lediglich eine Illusion vor sich hatte,
konnte er verkünden: „Mara, ich erkenne dich“, woraufhin sich das Heer zerstreute und Buddha sein Ziel erreichte.
Das Abhalten eines authentischen Pūjā-Rituals ist ein großes Privileg und soll
uns Menschen und allen anderen fühlenden Wesen Gutes bringen. Alle Mönche im Kloster Samye-Deche Ling haben nach Kagyupa-Tradition 3 Jahre, 3
Monate und 3 Tage lang Einkehr gehalten.
Verschiedenste tibetanische Instrumente verstärken den Effekt der Zeremonie
und spiegeln die Unerschütterlichkeit der Schutzgottheiten wider. Die kleinen
Hörner namens KANGLINGS wurden ursprünglich aus menschlichen Oberschenkelknochen gefertigt und von Praktizierenden der Chöd-Lehre zur Beschwörung zorniger Gottheiten gespielt. Mittlerweile sind die meisten Klöster
aufgrund des qualitativ besseren Klangs zur Instrumentenherstellung aus einer
Kupfer-Messing-Silber-Legierung übergegangen.
Auf der DJALING, einer Doppelrohrblatt-Schalmei, werden feierliche Fanfaren
zur Begrüßung und Verabschiedung der friedlichen Gottheiten geblasen.
Die langen Hörner namens RADUNG (manchmal auch Dungchen genannt)
ergänzen die Becken, die im charakteristischen „Accelerando“ [Beschleunigung] erklingen. Radungs werden stets paarweise und unisono gespielt.
Die GROSSE TROMMEL, die mit einem Filzkopf-Schlegel geschlagen wird,
dient als Taktgeber und unterstreicht den rhythmischen Charakter der
Gesänge.
Traditionellerweise werden tibetanische Gesänge einstimmig gesungen. Um
jedoch die wunderbare Ornamentik, das reiche Repertoire an Resonanzen und
das harmonische Spektrum in Lama Gyourmés Stimme hervorzustreichen, begleite ich seine Gesänge mit bescheidenen melodischen Elementen und verbinde sie – zwei Bögen in einer Hand – mit traditionellen westlichen Harmonien.
Die virtuosen Cellistinnen von eXtracello bilden den Rahmen des Pūjā-Rituals
und verkörpern unterschiedliche theatralische und musikalische Ausprägungen von Friede, Wildheit, Macht und Ritus. Ihre Instrumente werden radikal
umgestimmt, um den Gebrauch der langen und nachschwingenden offenen
Saiten mitsamt ihrer Harmonien zu erleichtern und alle westlichen Tonlagen
zu erreichen, ohne die Saiten mit der linken Hand zur Ruhe zu bringen. Der
rhythmische Hoquetus [Verschränkung der musikalischen Stimmen mit abwechselnd Tönen und Pausen] und die Koordination der Stimmen sind äußerst
komplex und verlangen nach einer außergewöhnlichen geistigen Wachsamkeit
und Konzentration.
F M Uitti
Lama Gyourmé
LAMA GYOURMÉ
Der in Bhutan geborene Lama Gyourmé zeigte schon in sehr frühem Alter
außergewöhnliche Fähigkeiten und eine Hingabe zum klösterlichen Leben. Mit
neun Jahren begann seine religiöse Erziehung sowie die Ausbildung in traditioneller Kunst und Musik. Nachdem er seine ersten 3 Jahre, 3 Monate und 3 Tage
dauernde Einkehr gehalten hatte, verlieh ihm sein ehrwürdiger Meister Kyabje
Kalou Rinpoche den Titel des Umze (Meister der Rituale, Gesänge und Tänze).
Nach Jahren des Studierens und der Initiationen, wurde er vom 16. Karmapa
zum Lehrenden der Kagyupa-Tradition ernannt.
Seit 1974 ist Lama Gyourmé Leiter des Kagyu Dzong-Tempels in Paris sowie
des Vajradhara Ling-Zentrums in der Normandie, wo er auch unterrichtet.
Lama Gyourmé reist mit seinen Konzerten um die Welt, nimmt CDs und
DVDs auf und unterrichtet in Paris und der Normandie. Mit Hingabe widmet
er sich der Errichtung eines Tempels des Friedens in der Normandie, wofür
ihm die Friedensgesänge als wertvolle Unterstützung dienen.
EXTRACELLO
2006 gegründet, macht sich das Ensemble mit seiner ungewöhnlichen Offenheit für Musik aus allen Richtungen einen Namen. Eigene bis eigenwillige Arrangements und Kompositionen, von der Renaissance über klassische
Moderne bis hin zu Jazz, Pop, Rock, sind üblicherweise der Schwerpunkt
des Programms. Mit der Uraufführung des Stückes von Frances-Marie Uitti
kehren die vier Musikerinnen quasi zu ihren Wurzeln zurück, da jede der vier
klassisch ausgebildeten Cellistinnen auch reiche Erfahrung mit zeitgenössischer Musik hat. Das ursprünglich eher kleine Originalrepertoire wurde von
Beginn an mit Auftragskompositionen, überwiegend aus den Bereichen Crossover und Jazz, sowie mit Eigenkompositionen, Eigenarrangements und Improvisationen bereichert. Experimentierfreudig loten die vier Cellistinnen die
Grenzen ihres Instrumentes aus, dem – von der zartschmelzenden Kantilene
über „noises“ aller Art bis zum groovigen Rockbass – Möglichkeiten wie kaum
einem anderen Instrument offen stehen. Neben der reinen Quartettarbeit ist
es auch ein spezielles Interesse des Ensembles, genreübergreifend zu arbeiten,
so zum Beispiel mit dem Countertenor Bernhard Landauer („Von Dowland
bis Dylan“), Willi Resetarits („Ich bin der Herr ...“), den Sängerinnen Caroline de Roji und Agnes Heginger und der Schauspielerin und Autorin Linde
Prelog („Schüttelsprach mit Saitenhieb“). Das Ensemble hat unter anderem
Auftritte in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz und war bei den
Salzburger Festspielen, dem Festival Imago Dei in Krems, dem „Xong“-Festival
in Mals, den Gmundner Festwochen, den Hofhaimer Tagen in Radstadt, im
Radiokulturhaus Wien und beim Internationalen Akkordeonfestival Wien zu
hören.
FRANCES-MARIE UITTI
Mit Frances-Marie Uitti ist das Violoncello in eine neue Ära eingetreten. Die
in Chicago geborene Musikerin revolutionierte das Spiel auf dem Violoncello
durch mehrere technische und gestalterische Neuheiten und Erweiterungen.
Weltweit für Aufsehen sorgte ihre Entwicklung des gleichzeitigen Spiels mit
zwei Bögen. Sie verwandelt das Violoncello damit von einem hauptsächlichen
Melodieinstrument in einen umfassenden polyphonen Klangkörper, da sie
durch diese Spielweise zwei-, drei- und vierstimmige Akkorde lange anhalten
und aufeinander folgen lassen kann und dadurch eine komplexe Vielstimmigkeit erzeugt. Auch in Hinsicht auf die Phrasierung und die Dynamik erweitert
sie mit dieser Spieltechnik das Spektrum wesentlich. So ist es möglich, zur selben Zeit legato und marcato, gebunden und gestoßen, zu spielen, gleichzeitig
differenziert zu artikulieren und parallel dynamische Kontraste zu setzen.
Diese spieltechnischen Erneuerungen kommen bei Frances-Marie Uitti zu
einer außergewöhnlichen Beherrschung des Instruments in seiner „herkömmlichen“ Spielweise dazu und gehen Hand in Hand mit einem leidenschaftlichen
Einsatz für Musik der Zeit, in der sie lebt. Ihre Zusammenarbeit mit vielen
bedeutenden Komponisten der Gegenwart führte und führt zu Uraufführungen von neuer Cellomusik und deren Integration in das Repertoire für dieses
Instrument.
Nach ihren Studien in den Vereinigten Staaten in der Sommerschule von
Meadowmount, an der Boston University bei Leslie Parnas und an der University of Texas bei George Neikrug übersiedelte Frances-Marie Uitti nach Europa
und lebte ab 1975 für lange Zeit in Rom, wo sie bis in das Jahr 1988 mit dem
Komponisten Giacinto Scelsi musizierte, improvisierte, seine Werke transkribierte und sie interpretierte. 2006 brachte Uitti Scelsis bis dahin verschollenes
Cellokonzert zur Uraufführung. Neben Scelsi arbeitete sie mit weiteren Ikonen der Neuen Musik wie John Cage, Elliott Carter und Brian Ferneyhough
zusammen. Eine prägende Zeit lang lebte sie in den Niederlanden, wo sie unter
anderem mit dem Komponisten Louis Andriessen zusammenarbeitete und
dessen Musik für Violoncello aufführte. Werke widmeten der Musikerin neben
Scelsi („Trilogy“, „Voyages“) und Andriessen („La Voce“) auch Luigi Nono
(„...dal Diario Polacco“), György Kurtág („Message to Frances-Marie“), Sylvano
Bussotti („Variazione per Violoncello solo“), Jonathan Harvey (Cellokonzert,
„3 Studies“, „Untitled for 2 bows“) und Per Nørgard (Cellokonzert).
In ihrem Repertoire hat die Cellistin des Weiteren Werke von Elliott Sharp,
György Ligeti, Iannis Xenakis, Luciano Berio, Gunther Schuller, Colin
Matthews, Morton Feldman, Bernd Alois Zimmermann und Georges Crumb,
aus früheren Epochen auch von Max Reger, Ernst Bloch, Eugène Ysaye,
Benjamin Britten, Luigi Dallapiccola, Roger Sessions und Zoltán Kodály.
Mehrere Komponisten schrieben Werke für sie, in denen die Cellistin auch mit
ihrer Stimme zum Einsatz kommt (Andriessen, Vinko Globokar, James
Tenney). Projekte mit improvisierter Musik verwirklichte Uitti mit Mark
Dresser, Evan Parker, Misha Mengelberg und Pauline Oliveros. Unter ihren
vielen CD-Einspielungen befindet sich auch eine Aufnahme gemeinsam mit
dem Schriftsteller Paul Griffiths. Frances-Marie Uitti ist auch selbst auf kompositorischem Gebiet tätig.
Als Pädagogin war und ist Frances-Marie Uitti in den Vereinigten Staaten,
Spanien, Norwegen, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Schweiz und
Deutschland (u. a. Professur bei den Darmstädter Ferienkursen) tätig.
Frances-Marie Uitti hat mehrfach Bhutan bereist und die Bhutan Music
Foundation gegründet, eine durch Spenden unterstützte Non-ProfitOrganisation zur Unterstützung der Musik von Bhutan, der Musikerziehung in
Bhutan und der Bewahrung der Musik der Ureinwohner von Bhutan.
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