Unternehmensorganisation - Selbstorganisation Die systemische Sicht auf Organisationen Ein Unternehmen ist ein zweckorientiertes, soziales System. Sein eigentlicher Zweck liegt in der Schaffung von unternehmerischer Wertschöpfung, die entsteht, indem Menschen miteinander in Interaktion treten. Diese Interaktionen, als soziale Aktivitäten verstanden, treten in drei Formen auf: Systemerhaltende Interaktionen, deren Auswirkungen das System aufrecht erhalten Zweckorientierte Interaktionen zur Wertschöpfung Selbsterhaltende Interaktionen der Beteiligten Die Qualität der Interaktion bestimmt, zu welcher Interaktionsform sie gehört, nicht die ihr zugrunde liegende Motivation bzw. Intension. So können Planungssitzungen, die von der Intension den Systemerhalt sichern sollen („Welche Potentiale hat unser Markt?“), in der Art und Weise stattfinden, dass sie zum reinen Selbsterhalt der Beteiligten werden („Ich plane so, dass ich meine 100%ige Zielvorgabe erreiche“). Die Verteilung der einzelnen Interaktionen entscheidet letztendlich über den nachhaltigen Erfolg der Organisation, denn je größer der Anteil der wertschöpfenden Interaktionen ist, umso größer ist die tatsächliche Wertschöpfung des Unternehmens. Unternehmen und Selbstorganisation Unternehmen gelten als Musterbeispiele für bewusste Planung und zweckrationale Gestaltung und sind doch gleichzeitig sehr komplexe, dynamische Systeme. Im Vergleich mit der Biologie ist es offensichtlich, dass die Natur - in ihrer Evolution und im Umgang mit der Überlebensstrategie der Arten - sehr wohl auf Selbstorganisation baut. Da die Umgebung von Unternehmen ebenso komplex wie die Natur ist, macht es Sinn, wenn das Management bewusst die Selbstorganisationsmechanismen einsetzt, da diese ausreichend Kapazität für den Umgang mit dieser Komplexität aufweisen. Auch wenn es im Rahmen einer Organisationsentwicklung zunächst ungewohnt erscheint, ist es deshalb lohnenswert, sich mit der Selbstorganisation von Unternehmen zu beschäftigen. Welche Voraussetzungen benötigen die Selbstorganisationsprozesse? Systemtheoretiker und Verhaltensforscher, u.a. Professor Hayek, konnten nachweisen, dass Rahmenbedingungen, die soziales Handeln überhaupt erst ermöglichen, nämlich die Normen und Ordnungsmuster sozialen Verhaltens (Sprache und Recht, Sitte und Moral, Geld und Kredit) zwar das Resultat menschlichen Handelns, nicht aber menschlichen Planens sind: Sie sind Resultate von Selbstorganisationsprozessen. Selbstorganisierende Systeme bedingen Ordnung schaffende und erhaltende Normen bzw. Regeln, die die Interaktionen zwischen den Menschen bestimmen und ihre Handlungen steuern. Wobei interessanterweise den Menschen weder die Normen noch die Regeln bewusst sein müssen. Für die Entstehung und Aufrechterhaltung sozialer Ordnungen reicht ausschließlich die Befolgung der Ordnung, ohne dass sich die Sinnhaftigkeit dem Einzelnen erschließen muss, d.h. ohne die Zusammenhänge im Großen und Ganzen zu erkennen. Auch die Regeln selbst sind nicht im üblichen Sinne erfunden oder erlassen worden. Sie entstanden eher aus einem Selektionsprozess, der jene Gruppen bevorzugte, die die Regeln © atunis GmbH Unternehmensorganisation - Selbstorganisation tatsächlich (meist intuitiv) befolgten, womit im Übrigen die spezielle Kultur dieses Systems entstand. Das bedeutet, dass diese Gruppen durch das Anwenden dieser Regeln - im Vergleich zu anderen - Vorteile im Erreichen der Aufgabenstellung und/oder im „Überleben“ hatten. Damit können solche Systeme auch eine höhere Komplexität verarbeiten und sichern sich, speziell in sich verändernden Umgebungen, ihr Überleben bzw. ihren anhaltenden Erfolg. Wie werden Unternehmen gesteuert? Organisationen werden im Wesentlichen definiert von ihren Zielen/Strategien (Formierung – Unternehmensleitbild, Werte, Mission, Vision...) Strukturen und der in ihnen herrschenden Kultur. Die Strategie umfasst die Zweckbestimmung und den daraus resultierenden Zielsetzungen und Maßnahmen zur Schaffung der Identität des Unternehmens. Die sinnvolle Strukturierung legt die Verteilung von Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Kompetenzen, den Informationsfluss und die Regelungen der Interaktionen fest. Die Kultur wird bestimmt durch die (gelebten) Wertvorstellungen, die Verhaltensnormen sowie die geistige Fokussierung der Organisationsmitglieder. Alle drei Elemente Strategie, Struktur und Kultur können so angelegt sein, dass sie eine Selbstorganisation behindern oder derart „missbrauchen“, dass sich ihre Kräfte (rein systemerhaltend, aber nicht wertschöpfend) gegen den Zweck des Unternehmens richten. Die Herausforderung liegt demnach darin, die Selbstorganisation so zu gestalten, dass sie zum Motor der Wertschöpfung wird. In diesen Komponenten müssen jene Regeln enthalten sein, die es den einzelnen Systemelementen möglich machen, sich unvorhersehbaren Veränderungen in der Umwelt (Markt, Kunden, Wettbewerb, politische Rahmenbedingungen), aber auch Änderungen im internen Umfeld anzupassen, ohne auf Weisungen einer zentralen Instanz angewiesen zu sein. Dies gilt sowohl in der Vermeidung von Risiken als auch in der konsequenten Nutzung von Chancen. Die Biokybernetik interessiert sich seit Jahrzehnten für das Phänomen der Selbstorganisation. Allen voran ist hier Stafford Beer zu nennen, der sich intensiv mit der Selbstorganisation von Systemen beschäftigte. Seine Erkenntnisse münden im „Viable System Model“, einer Darstellung, wie soziale Systeme über fraktale Steuerungsebenen eine nachhaltige Überlebensfähigkeit unter sich verändernden Umweltbedingungen sicherstellen können. Aus seinen Erkenntnissen (wie auch bei Frederik Vester, Karl-Heinz Foerster u.a.) ist das scheinbare Paradoxon zu folgern: „Je mehr wir auf Kontrolle verzichten, umso mehr Kontrolle haben wir.“ Das Management von Unternehmen ist hier in besonderer Weise herausgefordert: Einerseits sollen Unternehmen ein hohes Maß von Zweckmäßigkeit und Ordnung aufweisen, damit der beabsichtigte Zweck der Organisation auch sichergestellt ist. Andererseits agieren Unternehmen in einer hochkomplexen Umwelt und sind auf Grund ihrer eigenen, inneren Komplexität und Größe in der Regel nie in Gänze überschaubar. Insofern bietet die Idee der selbstorganisierten Systeme einen völlig neuen Ansatz, der den Erfolg des Unternehmens 2 © atunis GmbH, 01.10.2013 Unternehmensorganisation - Selbstorganisation nicht allein von dem zentralen Steuerungsorgan abhängig macht. In sehr kleinen oder einfachen Organisationen wird Selbstorganisation nicht benötigt. Solange eine zentrale Steuerungsstelle (unabhängig von ihrer Gestaltung) fähig ist, für die Steuerung der Organisation erforderliche Informationen zu gewinnen, sie zu verarbeiten und an die Aktionselemente (operative Einheiten) weiterzuleiten, ist diese Form der Steuerung ausreichend und in der Regel sogar optimal. Selbstorganisation kommt als Ergänzung oder als Alternative dann ins Spiel, wenn die Komplexität einer Organisation das Steuerungsvermögen einer Zentralinstanz übersteigt. Hier stößt man an die Grenzen des eigenen Wachstums. Leider werden in den meisten Unternehmungen diese Grenzen nicht als solche wahrgenommen, sondern fälschlicherweise als gegebene Grenzen des Marktes interpretiert. Wie ist ein System zu unterstützen, damit sich die Selbstorganisation entfalten kann? Bildlich gesprochen sind alle Mitglieder einer Organisation, insbesondere die Führungskräfte mit einer Art „genetischem Code“ auszustatten, d.h. mit einem Satz von Regeln, die sicherstellen, dass jeder Einzelne alle ihm zugänglichen Informationen im Interesse des Ganzen nutzt. Daher ist es notwendig, dass dieser „genetische Code“ das Ganze als Modell beinhaltet. Aus der Kybernetik wissen wir, dass die Steuerung eines Systems nur so gut sein kann, wie das Modell des Systems das System selbst abbildet. Das bedeutet: Mit einem fehlerhaften Modell des Systems wird die Steuerung nicht gelingen können - und das System wird außer Kontrolle geraten. Den genetischen Code zu entschlüsseln, ist daher eine der ersten Basisaufgaben auf dem Weg zur Entfaltung der Selbstorganisation. Diese Basisinformationen, also die Grundannahmen, Normen und gelebten Ordnungsbegriffe finden wir bei der fundierten Analyse der Ist-Kultur des Unternehmens bzw. deren Reflektion hinsichtlich der Ziele/Strategie, Struktur und Führung. Sie sind für den aufmerksamen, geschulten Beobachter, der außerhalb des Systems steht, mit den Erkenntnissen von Ed Schein aus der Organisationskultur ableitbar. Der daraus entstehende Referenzrahmen klärt, inwieweit Veränderungen von der bestehenden Kultur getragen werden, bzw. in welcher Form ausgewählte kulturelle Normen angepasst werden müssen, um einen Veränderungsprozess erfolgreich gestalten zu können. Neben dem strategischen und operativen Management spielt hier die Einführung des normativen Managements - als sozusagen dritte Disziplin - eine große Rolle. Zusätzlich zur Schaffung dieses Referenzrahmens aus der Ist-Kultur des Unternehmens ist eine starke Ausrichtung des Unternehmens auf den Kunden notwendig. Sie ist die einzige systemerhaltende Orientierungsgröße für selbstorganisierte Unternehmen und ersetzt eine rein kostenoptimierte, kapitalwertorientierte Unternehmensausrichtung (wie sie z.B. die Shareholder-Value-Betrachtung mit sich brachte). Um ein System in Richtung Selbstorganisation zu entwickeln, ist ein grundlegendes Verständnis seiner Funktionsweise obligatorisch wie auch das Wissen um die intelligente Gestaltung diverser Schlüsselelemente, um anschließend einige der kybernetischen 3 © atunis GmbH, 01.10.2013 Unternehmensorganisation - Selbstorganisation Grundsätze (speziell im Bereich der Führung) sinnvoll in der Praxis anzuwenden. Die Schlüssel zur Selbstorganisation 1. Führungsperformance: Die Hauptaufgabe einer guten Führung ist die Bildung eines optimal funktionierenden Systems. Im Rahmen des normativen Managements muss die Wechselwirkung zwischen der Normensetzung (Soll) und ihrer Umsetzung bzw. dauerhaften Prägung (Ist) dabei bewusst gesteuert werden. Die Führungsperformance hängt maßgeblich von der Persönlichkeit bzw. des Selbst-Bewusstseins des Verantwortlichen ab wie auch von seiner Interaktions- und Entscheidungsfähigkeit. 2. Managementperformance: Hier geht es um die sinnvolle Strukturierung des Unternehmens, wobei der Umgang mit Feedback, Sanktionen, Verantwortlichkeiten sowie mit Personalentscheidungen eine wesentliche Rolle spielen, um entsprechendes Wachstum mit Wertschöpfung zu generieren. So sollten zumindest einige der unzähligen Feedbackschleifen - wie die zwischen Zielen und Ergebnissen - bewusst gestaltet werden, um bei Abweichungen rechtzeitig korrektiv eingreifen zu können. Ein wesentliches Element zur Nutzung der Selbstorganisation sind auch die Belohnungs- und Sanktionsmechanismen eines Systems, d.h. zu definieren, wer wofür verantwortlich ist. In vielen Unternehmen wird leider Verantwortung mit Zuständigkeit verwechselt. Die Zuständigkeit bedeutet eine statische Zuordnung von Aufgaben und handlungsleitenden Richtlinien. Die Verantwortung bezeichnet dagegen eine dynamische, an die jeweilige Situation angepasste Vorgehensweise, deren Ausrichtung sich immer am Ergebnis - und weniger an den Einzelaufgaben - orientiert. Generell sind alle Personalentscheidungen bedeutende, bewusst zu gestaltende Regulierungsmechanismen. Die Auswahl, die Beförderung sowie die Kriterien für Aufstieg oder Rückstufung sind daher mit Blick auf die Selbstorganisation wichtigste Fragen, da sich systematische Fehler hierbei bedauerlicherweise permanent systemschädigend auswirken werden. 3. Systemperformance: Die erfolgreiche Systemperformance zeichnet sich durch die Schaffung einer klaren Identität und ihrer Ausrichtung aus. Die Ziele sind auf den Unternehmenszweck ausgerichtet – die Strategie analog und konsequent auf die Ziele. Die Unternehmenskultur, in der die „Kultur der Verantwortung“ für alle Organisationsmitglieder genauso erlebbar ist wie ihre klaren Wertevorstellungen, hat einen hohen Anteil an der Wertschöpfung. Ein funktionierendes normatives Management gibt hierfür die richtigen Impulse. Quintessenz Mit der sinnvollen Anwendung der Schlüsselelemente ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Veränderung und Verbesserung der Organisationseffizienz zu erreichen. Die Unternehmen müssen sich gerade in schwierigen Zeiten bewusst mit der Komplexität des Innen und Außen auseinandersetzen. Sie sind nicht nur Mitglied eines Systems, sondern 4 © atunis GmbH, 01.10.2013 Unternehmensorganisation - Selbstorganisation vieler (wie zum Beispiel des Kapitalmarkt- und des Technologie-Systems, des gesellschaftlichen Systems etc.). Netzwerkartig sind alle Faktoren – innerhalb und außerhalb des Systems – miteinander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig. Ein fundiertes Verständnis für das Phänomen der Selbstorganisation und deren Nutzung wird im Management künftig einer der Hauptfaktoren in der Abgrenzung zum Wettbewerb sein, um der Verantwortung für eine nachhaltige, wertsteigernde Unternehmensentwicklung nachzukommen. Der Anteil der wertschöpfenden Interaktionen in deutschen Unternehmen liegt derzeit bei durchschnittlich 20 %. Mit einer Steigerung dieser Interaktionen auf nur 30 % - mittels Einsatz der Methode zur Selbstorganisation - ergibt sich eine um 50 % gesteigerte Wertschöpfung. Dieses Ziel vor Augen bietet viele interessante Anreize, sich - mit einem werteorientierten Management und dem bewussten Einsatz der Selbstorganisation – genau diese Vorteile zu sichern, die über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens entscheiden werden. Kontaktdaten: atunis GmbH Kunstmühlstr. 17 83026 Rosenheim Ansprechpartner: Claudia Brehm eMail: [email protected] Tel: +49 (0) 8031 / 88738 30 Fax: +49 (0) 8031 / 88738 33 5 © atunis GmbH, 01.10.2013 Unternehmensorganisation - Selbstorganisation Titel des Dokuments Untertitel des Dokumentes Datum: 00.00.2013 6 © atunis GmbH, 01.10.2013 Unternehmensorganisation - Selbstorganisation ……………………. 7 © atunis GmbH, 01.10.2013