49 - Medi

Werbung
2.4 Nervengewebe
2.4
Nervengewebe
Das Nervengewebe bildet sicherlich den komplexesten und bis jetzt am wenigsten verstandenen Teil unseres Körpers: das zentrale und
das periphere Nervensystem. Wir dürfen in
diesem Abschnitt endlich einmal ein wenig
philosophisch werden, wenn wir uns überlegen, was für eine aufregende, einzigartige Aufgabe uns hier ansteht: Eine Struktur versucht
sich selbst ansatzweise zu verstehen, sich
selbst (auch mittels anderer Lebewesen, z. B.
Versuchstieren) auf den Grund zu gehen und
ihre ihr selbst innewohnende Funktionsweise
zu entschlüsseln. Das gibt es vielleicht sonst
nirgendwo im Universum. Dass uns ausgerechnet das Physikum vor diese eventuell unlösbare Aufgabe setzt, zeigt, wie anmaßend
Wissenschaft manchmal ist ...
Im Nervengewebe kann man zwei Zellgruppen unterscheiden:
–– die funktionellen Nervenzellen oder Neurone und
–– die Stütz- und Helferzellen, die Gliazellen.
Dieses Kapitel wird sich größtenteils mit den
Neuronen beschäftigen, ihre Morphologie,
ihre Klassifikation und ihre Verbindungen (die
Synapsen) betrachten, um dann – von klein auf
© IMPP
Abb. 35: Spines an den Dendriten eines Neurons
medi-learn.de/histo1-35­
www.medi-learn.de
groß – erst den Aufbau der Nervenfasern und
dann den der makroskopisch sichtbaren Nerven zu behandeln.
Die Gliazellen werden hier nur kurz angesprochen, obwohl ohne sie keine Nervenzelle lange überleben, geschweige denn funktionieren
könnte und beide entwicklungsgeschichtlich
aus dem gleichen Gewebe hervorgehen, dem
Neuroektoderm.
Den Abschluss bildet ein kurzer Abschnitt über
die Ganglien, da sie immer wieder im Physikum gefragt werden und der Großteil der Fragen mit einigen wenigen Begriffen souverän
beantwortet werden kann.
2
2.4.1 Nervenzellen = Neurone
Man streitet sich noch über die Anzahl der
Nervenzellen in unserem Körper, die Angaben schwanken zwischen 10 und 30 Milliarden.
Sie sind unsere informationsverarbeitenden
und -speichernden Einheiten mit Fähigkeiten,
die jeden Computer in den Schatten stellen.
Morphologie
Grob lässt sich der Aufbau von Neuronen in drei
Abschnitte unterteilen: einen empfangenden, einen verarbeitenden und einen sendenden Teil
(s. Abb. 36, S. 50). Der empfangende Abschnitt wird von den b
­ aumartigen Dendriten gebildet, den Zellausläufern, an die die Synapsen
anderer Zellen andocken. Zahlreiche Dendriten
haben Dornen (spines). Dabei handelt es sich
um bis zu 2 µm große Vorwölbungen, an die in
der Regel andere Axone mit Synapsen herantreten. Die Information sammelt sich auf der
Membran des Perikaryons, des zytoplasmareichen Abschnitts um den Zellkern herum. Hier
liegt das trophische Zentrum der Zelle: Im Zytoplasma und den Organellen werden die meisten metabolischen Aufgaben der Zelle gemeistert und hier werden auch die Informationen in
Form veränderter Membranpotenziale gesammelt sowie verarbeitet. Am großen Zellkern fällt
vor allem sein deutlicher Nukleolus und fein verteiltes Chromatin auf. Franz Nissl entwickelte
49
Herunterladen