Vorlesung im WS 06/07: Einführung in das Christentum

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Vorlesung im WS 06/07: Einführung in das Christentum
VL WS 06/07:
15.04.13 12:22
Einführung in das Christentum – 1.
Sitzung
Christentum als Religion: eine
religionswissenschaftliche Perspektive
(J. Gentz / A. Grünschloß)
1. Zur Begriffsgeschichte von religio“
2. Religionstypologien und unterschiedliche Klassifizierungen
des Christentums
3. Christliches Selbstverständnis und Religion“
4. Religionswissenschaftliche Außendarstellung des
Christentums
a) Art der Botschaft (Kodierung, Grundannahmen, Inhalte,
Tradierung, Frömmigkeitsformen, ethische
Konsequenzen)
b) Sozialer und interreligiöser Kontext
c) Konstanz und Identität
Wenn heutzutage vom Christentum als Religion gesprochen wird, so wird
die zuhöchst kontroverse geschichtliche Debatte, die dem zugrunde liegt,
meist nicht mitgedacht. Beide Begriffe, sowohl der des Christentums“ als
auch derjenige der Religion“ sind in ihrer Bedeutung höchst strittig und
keineswegs so klar wie wir meinen, wenn wir sie verwenden. Ich möchte
mich
in
der
heutigen
ersten
Vorlesung
der
Reihe
als
Religionswissenschaftler dem Christentum zunächst analytisch von außen
nähern. — Was ist das Christentum eigentlich religionswissenschaftlichvergleichend gesehen? ... Ist es eine Religion? Wenn es eine Religion ist:
was für eine Religion ist es dann? ... Inwiefern unterscheidet es sich denn
von anderen Religionen und wo lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen?
— Zu diesen Fragen gibt es, wie Sie sich sicher denken können,
unterschiedliche Auffassungen. Wie ordnen Religionswissenschaftler das
Christentum systematisch in eine Typologie der Religionen ein? Welche
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unterschiedlichen Typologien gibt es da überhaupt, also aus was für
unterschiedlichen
Perspektiven
lässt
sich
das
Christentum
religionswissenschaftlich beschreiben? Wie ist es geschichtlich zu diesen
Typologien gekommen? Und dann stellt sich natürlich auch die Frage, wie
denn Christen selbst das Christentum als Religion beschreiben? Ist es in
deren Augen überhaupt eine Religion? Wie verhält es sich denn eigentlich
zu anderen Religionen? Hier sollen theologische Standpunkte von
einflussreichen Theologen wie Friedrich Schleiermacher, Heinrich Frick,
Karl Barth und anderen kurz vorgestellt werden. – Am Ende ist zu zeigen,
wie heute eine religionswissenschaftliche analytische Außendarstellung des
Christentums aussehen kann ...
Grobe Begriffsgeschichte zu religio“
Römisches Reich
Kultisch-ritueller Aspekt: religio ! rituelle Exaktheit und Sorgfalt
Spätantike
religio in christlicher Literatur keine große Rolle, nur als
Abgrenzungsbegriff von Glauben vs. Ritus.
Mittelalter
Begriff nicht wichtig, nicht komparatistisch, nicht theologisch,
sondern moralisch. Monastische Ordenslebensform als
perfekter und reiner Ausdruck von religio.
Renaissance und Reformation
Im 16. Jhd. Ausweitung über christl. Religion hinaus,
komparatistisch: wahre und falsche Religion.
Neuzeit
Grundlegender Wandel in Auffassung. Unterscheidung
zwischen natürlicher und geoffenbarter Religion. Nach 1700
entscheidende Veränderungen, faktische Neukonzeption des
Begriffes Religion“.
Wegen zunehmenden ethnologischen Materials seit dem
späten 18. Jhd. ! Entwicklung von Religionstypologien. –
Konzept der "Weltreligionen" wird zum ersten Mal in Thieles
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Outline of the History of Religion to the Spread of Universal
Religions 1876 formuliert.
20. Jhd.
Rudolf Otto (1912): Das Heilige
Paul Tillich (1959): Religion = ultimatives, unbedingtes Anliegen
William A. Christian (1964): Jemand ist religiös, wenn in seinem
Universum etwas ist, dem alles andere prinzipiell untergeordnet
ist.
Ninian Smart (1983): Religion = Weltsicht als ein
Glaubenssystem, das durch Symbole und Handlungen die
Gefühle und den Willen der Menschen mobilisiert.
Melford E. Spiro (1966): Institution, die aus kulturell gestalteter
Interaktion mit kulturell postulierten übermenschlichen Wesen
besteht.
Axel Michaels (1997): Religion = Antwort des Menschen auf
das Bewusstsein seiner Sterblichkeit.
Systematische Probleme beim Definieren von
Religion“
Es gibt ein Dilemma zwischen Inhalt und Umfang:
Vergrößert man den Umfang des Religionsbegriffs,
umfasst er zwar umso mehr Fälle, wird aber auch
entsprechend diffuser. Umgekehrt fasst ein genauer
definierter Begriff auch weniger Phänomene, die man
vielleicht doch als religiös bezeichnen wollte.
Das Problem der Übersetzbarkeit: Außereuropäische
Sprachen haben oft kein eigenes Wort, keinen Begriff für
Religion.“
Der Konflikt zwischen Innenperspektive und
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Außenperspektive: Wird die Definition besser aus dem
jeweils eigenen Glauben heraus vorgenommen oder von
einem distanzierten Betrachter von außen?
Der Konflikt zwischen deskriptiver und normativer
Definition: Soll die Definition sagen, wie man Religion
beschreiben kann, oder soll sie sagen, was Religion sein
sollte?
Beispiele für Religionstypologien ...
1. Typologie der Religionen nach Gottesvorstellungen
(Paul Tillich im ersten Band seiner Systematische Theologie)
a) Mythologisch-polytheistischer Typ
b) Universalistischer Typ
c) Dualistischer Typ
d) Monarchisch-monotheistischer Typ
e) Mystischer Monotheismus
f) Exklusiv-monotheistischer Typ
g) Trinitarischer Typ
h) Henotheistischer Typ
2. Typologie religiöser Strukturen
(Carsten Colpe in HrwG)
a) Umwelt- und sprachintegrierter Typ
b) Kulturell desintegrierter Typ
c) Ritenorientierter Typ
d) Zeitbezogener Typ
e) Normenorientierter Typ
f) Synkretistisch-komplexer Typ
g) Synthetisch-komplexer Typ
3. Typologie gesellschaftlicher Entwicklungsstadien
(Goldammer Die Formenwelt des Religiösen, 1960)
a) Gruppenreligionen der Naturvölker
b) National gegliederte Kulturreligionen
c) Universalreligionen (Missionsreligionen)
d) Neuzeitliche Individualreligiosität
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(Sundermeier Was ist Religion)
a) Stammesreligionen, Nomaden-, Bauern-, Stadtreligionen
b) regional begrenzt bleibende vs. expandierende Religionen
c) Primitive/Naturreligionen vs. Hoch-/Kulturreligionen
d) primäre vs. sekundäre Religionen
4. Psychologische bzw. Geschlechter-Typologie
Vater- vs. Mutterreligion (19. Jhd., 20. Jhd. Feminismus)
5. Typologie nach Frömmigkeitstypus
(Söderblom, Ursprung des Gottesglaubens 1910)
a) persönlichkeitsverneinende Mystik, Unendlichkeitsmystik/
Persönlichkeitsmystik/ Gefühlsmystik, akosmische
Erlösungsreligion
b) persönlichkeitsbejahende Mystik, Willens-/ Berufungsmystik,
prophetische/Offenbarungsreligion.
(Heiler Das Gebet, 41921, 248–283)
a) Mystische Religionen (Rel. indischen Ursprungs, aber auch
Griechenland, China und Ägypten)
b) Prophetische Religionen (aus semitischem Kulturraum,
Zarathustra)
(Goldammer 1960 fügt dieser Zweiteilung noch einen dritten
Typus hinzu)
a) Prophetische Religionen (Israel, Zoroastrismus)
b) Kultisch-priesterliche Religionen (Vorderer Orient)
c) Mystische Religionen (Indien)
6. Typologie nach Wahrheitsquelle
(Glasenapp Die fünf Weltreligionen)
a) Religionen des ewigen Weltgesetzes (asiatische Religionen:
Hinduismus, Buddhismus, chinesischer Universismus)
b) Religionen der geschichtlichen Offenbarung (Judentum,
Christentum, Islam).
7. Phänomenologische Typologien
(Gerardus van der Leeuw: Phänomenologie der Religion 1933)
a) Religionen der Entfernung und der Flucht
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b) Religionen des Kampfes
c) Religionen der Ruhe
d) Religionen der Unruhe
c) Religionen des Dranges und der Gestalt
d) Religionen der Unendlichkeit und der Askese
e) Religionen des Nichts und des Mitleids (Buddhismus)
f) Religionen des Willens und des Gehorsams
g) Religionen der Majestät und der Demut
h) Religionen der Liebe
8) Typologie nach Gemeinschaft
a) Kollektive Religion
b) Individuelle Religion
9. Typologie nach Herkunft
a) Stifterreligionen (Buddhismus, Konfuzianismus, Christentum,
Islam)
b) Nicht gestiftete Religionen (Hinduismus, Shintoismus)
(William Robertson Smith (1846–1894). 1889: Lectures on the
Religion of the Semites)
a) Judentum, Christentum, Islam: positive Religionen“ mit
klarem Ursprung, der sich gegen andere Traditionen abgrenzt
b) Unbewusst wachsende Religionen
(Goldammer 1960, 399–402)
a) gewachsene
b) gestiftete Religionen
(Söderblom)
a) Animismus
b) Dynamismus
c) Urheberreligion
10. Typologie nach Heilsweg
(Sundermeier Was ist Religion)
a) Erlösungsreligion (Buddhismus)
b) Versöhnungsreligion (Judentum, Christentum)
11) Typologie nach Höhe
a) Höhere
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b) Niedere Religion
12) Sprach-/Rassentypologie
a) Semitischer Gottesbegriff
b) Indogermanischer Gottesbegriff
13) Typologie nach Heilsweg:
(H. Frick)
a) Religion der Werke
b) Religion der Gnade
14) Idealistische Typologie
(Hegel II, 185ff.
a) Objektive Stufe, auf welcher Gott Naturmacht ist
b) Subjektive Stufe, auf welcher Gott als geistige Individualität
erscheint
c) Dritte Stufe: Christentum, in dem sich Gott als absoluter
Geist offenbart
15) Typologie nach Art der Ehrfurcht:
(Goethe)
a) Ehrfurcht richtet sich auf das, was über uns ist: Heidentum,
erste Ablösung der Furcht b) Ehrfurcht richtet sich auf das, was
uns gleich ist: philosophische Religion
c) Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist, vor Schwachem und
Niedrigem, sogar Widerwärtigem: Christentum: Religion des
Leidens und des Todes als Letztes und Höchstes.
Religionswiss. Beschreibung des
Christentums
von Fritz Stolz im RGG4-Artikel Christentum“
1. Art der Botschaft
a) Kodierung
b) Grundannahmen und deren Konsequenzen:
c) Inhalte
d) Modalitäten der Weitergabe der Botschaft
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