moo 03/96 GESUNDE ERNÄHRUNG Gesunde Ernährung ist die Basis für körperliches Wohlbefinden und im Sport die Voraussetzung für körperliche Leistungsfähigkeit. Obwohl den meisten von uns die Bedeutung einer richtigen, "gesunden" Ernährung bewusst ist, sieht die Wirklichkeit oft anders aus. In unserer Wohlstandsgesellschaft spielt ein fehlerhaftes Ernährungsverhalten leider eine entscheidende Rolle in der Entstehung von Zivilisationskrankheiten wie Adipositas (Fettleibigkeit), Zuckerkrankheit und Herzinfarkt. Übergewicht (vor allem im Sinne von Adipositas), erhöhte Blutfettwerte, gestörter Zuckerstoffwechsel aufgrund einer Insulinresistenz bis hin zum Typ2Diabetes mellitus, Bluthochdruck (Stichwort “metabolisches Syndrom“, “the deadly quartet“) sowie körperliche Inaktivität sind Risikofaktoren (v.a. für Herz-Kreislauferkrankungen), die nicht nur Folge einer fehlerhaften Ernährung und eines “sedentary life style“ sind, sondern zwangsläufig ineinander übergreifen. Dieser Teufelskreis kann nur unterbrochen werden, wenn das Übel an der Wurzel gepackt wird. [siehe DIE PRÄVENTIVMEDIZINISCHE BEDEUTUNG KÖRPERLICHER AKTIVITÄT…] Was versteht man eigentlicher unter "gesunder Ernährung" ? Der einfache Grundsatz lautet: Gesunde Ernährung ist fettbewusste, kohlenhydratbetonte, ausgewogene Mischkost mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr. Jede einseitige Ernährung sowie die verschiedenen in Mode gekommenen Diätformen sind alles andere als gesund. Der zivilisierte Mensch neigt zu zwei Ernährungssünden: Er isst erstens zu viel (gemessen am Energieverbrauch) und zweitens zu fettreich, wobei letzteres zwangsläufig ersteres bedingt und damit die Entstehung von Übergewicht und Adipositas vorprogrammiert ist. Die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in den westlichen Industrieländern ist übergewichtig (Tendenz steigend), und immer mehr Kinder sind von Fettleibigkeit betroffen, die sogar zum Typ2-Diabetes führt (den man früher als “Alterszucker“ nur bei älteren übergewichtigen Erwachsenen gekannt hat). Der tägliche Energiebedarf (gemesen in Kilokalorien bzw. Kilojoules) wird nur allzu gerne überschätzt. Bei körperlicher Inaktivität kommt unser Organismus mit weit weniger Kalorien aus, als vielfach geglaubt und “beraten“ wird, wobei Frauen aufgrund der geringeren Muskelmasse einen deutlich geringeren Energiebedarf als Männer haben [siehe DER ENERGIEUMSATZ, siehe FETTVERBRENNUNG IM SPORT: MYTHOS UND WAHRHEIT]. Energiezufuhr (Nahrung) und Energieverbrauch (körperliche Aktivität) bestimmen unsere Energiebilanz und unser Körpergewicht, genauer gesagt, unseren Körperfettanteil. Ist die Bilanz positiv, nehmen wir zu, werden also übergewichtig und dick, ist sie negativ, wird die fehlende Energie aus den Fettreserven de Körpers mobilisiert und wir nehmen ab, sprich wir werden schlanker. Der Hauptgrund für eine übermäßige Energiezufuhr ist, wie schon oben erwähnt, ein zu hoher Fettanteil in der Nahrung. Fett hat mehr als doppelt soviel Kalorien wie Kohlenhydrate oder Eiweiß. Als Faustregel gilt: Mindestens 50 % der Tageskalorienzufuhr sollen aus Kohlenhydraten stammen, 15 bis 20 % aus Proteinen (Eiweiß) und höchstens 30 % aus Fetten. Der Durchschnitts-Österreicher nimmt jedoch fast 50 % Fettkalorien zu sich, wobei nicht nur mit Vorliebe “sichtbares“ Fett konsumiert wird, sondern vor allem die "versteckten" Fette übersehen werden. Wer bedenkt schon, daß Vollmilch und Vollmilchprodukte (3.6 g Fett pro 100g) zu mehr als der Hälfte aus Fettkalorien bestehen? Deshalb sind fettreduzierte Milch bzw. Milchprodukte zu bevorzugen, auch für Kinder. Der vielgeschmähte Hamburger bei Mc Donald´s hingegen ist mit ca. 30 % Fettkalorien regelrecht mager. Lässt man sich am Würstlstand eine Burenwurst schmecken, müßte man ca. 17 Stück Brot dazu essen, um den Fettkalorienanteil dieser Mahlzeit auf 30% zu senken! Soweit ein paar Beispiele aus dem Alltag. 1 Wichtig ist also eine möglichst fettbewusste Kost, sprich ein maßvoller Konsum tierischer Fette und das Legen des Hauptaugenmerks auf pflanzliche Fette in Form von Ölen mit einfach ungesättigten (z.B. Olivenöl, Rapsöl, Leinöl) und mehrfach ungesättigten (z.B. Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, Kürbiskernöl usw.) Fettsäuren sowie auf Seefisch mit seinen wertvollen Omega 3Fettsäuren. Unser Organismus ist, abgesehen von den fettlöslichen Vitaminen und den sog. essentiellen Fettsäuren, theoretisch auf keine Fettzufuhr angewiesen, da er ohnehin Fett aus Kohlenhydraten bilden kann (was jedoch ein relativ aufwändiger biochemischer Prozess ist und nicht so leicht von statten geht, wie es z.B. die Anhänger der “Glyx“- oder “LOGI“-Diät glauben. [siehe DER GLYKÄMISCHE INDEX]) Übrigens - jeder Mensch besitzt von Geburt an annähernd gleich viele Fettzellen. In der Kindheit wird die Anzahl der Fettzellen noch etwas erhöht. Im Lauf des weiteren Lebens kommt es darauf an, wie gut diese mit Fetten (Triglyzeride) "gefüllt" sind. Das macht den Unterschied zwischen "schlank" und "dick" aus. Fettzellen können aber nicht nur größer werden, sondern sich auch vermehren. Das geschieht dann, wenn sie mit Triglyzeriden so “voll“ sind (ca. 0.7 µg/Zelle), dass sie kein weiteres Fett mehr speichen können. Dann enstehen aus mesenchymalen Vorläuferzellen, den sog. Präadipozyten, neue Fettzellen (=Adipozyten). [siehe GIBT ES “MÄNNLICHES“ UND “WEIBLICHES“ FETTGEWEBE ?] Kohlenhydrate sind wichtig, weil sie dafür sorgen, dass die Glykogenspeicher in der Leber und vor allem in der Muskulatur (eine Grundvoraussetzung für sportliche Leistungsfähigkeit) immer wieder aufgefüllt werden. Das Glykogen in der Leber sorgt auch im Nüchternzustand für die Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels, was vor allem für die Energieversorgung des Gehirns wichtig ist, weil es keine Fettsäuren, sondern nur Glukose (Traubenzucker) verbrennen kann (Anmerkung: Im Hungerstoffwechsel kann das Gehirn zusätzlich Ketonkörper, die in der Leber aus Fettsäuren entstehen, verbrennen. Die Hauptenergiequelle bleibt jedoch auch in diesem Fall Glukose). Der Kohlenhydratanteil der Nahrung, der aufgrund des reichlichen Fettkonsums oftmals zu gering ist, idealerweise jedoch die Hälfte der Nahrungsenergie liefern soll (im Ausdauersport noch mehr), sollte in erster Linie aus “komplexen“ Kohlenhydraten, den sog. Polysacchariden, bestehen. Das sind Mehrfachzucker, die im Dünndarm aufgeschlüsselt werden und somit langsamer ins Blut aufgenommen werden als Einfachzucker (Monosacchararide wie z.B. Traubenzucker) oder Zweifachzucker (Disaccharide wie z.B. der Haushaltszucker). Sie sind z.B. in Vollkornprodukten, Kartoffeln, Gemüse usw. enthalten, die zudem auch die für die Verdauung günstigen Ballaststoffe enthalten. Es wäre jedoch nicht richtig, das sog. "Auszugsmehl" zu verdammen, welches nicht nur "leere" Kalorien liefert, wie vielfach geglaubt und bahauptet wird. Genausowenig ist Zucker von vornherein abzulehnen, er sollte natürlich in Maßen genossen werden (max. 10% der Energiezufuhr. Übrigens - Honig ist nicht "gesünder"! [siehe DER GLYKÄMISCHE INDEX] Ein Grundsatz der heutigen Ernährungslehre lautet: Es gibt kein Verbote! (“Verbote sind verboten“) Der wichtigste Baustoff unseres Körpers ist Eiweiß (Protein). Dieses ist in Form verschiedenster Proteine in unserer Nahrung reichlich vorhanden. Der Eiweißgehalt der österreichischen Durchschnittskost ist wegen des meist übermäßigen Fleisch- und vor allem Wurstkonsums vielfach zu hoch. Bei fehlender sportlicher Aktivität beträgt der tägliche Eiweißbedarf nur 0.8 Gramm pro kg Körpergewicht. Wichtig ist in erster Linie die Qualität und weniger die Quantität der Nahrungsproteine. Unser Organismus benötigt die sog. essentiellen Aminosäuren (Aminosäuren sind die Einzelbausteine der Proteine), die er nicht selbst bilden kann und somit auf die Zufuhr von außen angewiesen ist; diese sind vor allem in tierischem Eiweiß enthalten [siehe DER PROTEINSTOFFWECHSEL]. Oft wird der Fehler gemacht, tierisches Eiweiß mit Fleisch gleichzusetzen. Neben dem Ei (dessen hoher Cholesteringehalt im Dotter sich übrigens nicht negativ auf den Cholesterinspiegel auswirkt, weil das Cholesterin im Eidotter kaum resorbiert wird), liefern Milch und Milchprodukte sowie Fleisch und Fisch das biologisch hochwertigste tierische Eiweiß. [siehe ’Die Proteinqualität’ in DER PROTEINSTOFFWECHSEL]. 2 Wie schon festgestellt, sind fettreduzierte Milchprodukte (Magertopfen, Magerjoghurt, Buttermilch, magere Käsesorten usw.) zu bevorzugen. Auf die meisten Wurstwaren sollte weitgehend verzichtet (zu fett) und maßvoll Fleisch (nicht öfter als 3 mal pro Woche, wenn man kein Leistungssportler ist), vorzugsweise mageres Rind-, Schweine-, Kalbfleisch, Huhn, Truthahn (= Pute) und Fasan (Ente und Gans sind relativ fett) sowie mehr Fisch (mindestens einmal pro Woche) verzehrt werden. Fleisch liefert aber nicht nur hochwertiges Protein als Makronährstoff, sondern auch wertvolle Mikronährstoffe, allen voran Eisen (“rotes“ Fleisch ist die wichtigste Eisenquelle unserer Nahrung, da pflanzliches Eisen kaum resorbiert werden kann), aber auch Zink, Vitamin Β12 usw. Auch Seefisch, v.a. die fetteren Arten wie Lachs, Thunfisch, Makrele, Hering usw. liefert nicht nur hochwertige Proteine, sondern auch die bereits genannten, gesundheitlich wertvollen Omega 3Fettsäuren. Daneben darf natürlich auf pflanzliche Proteine nicht vergessen werden, die sich idealerweise mit den tierischen Proteinen ergänzen und so die biologische Wertigkeit von Nahrungseiweiß zu erhöhen vermögen [siehe ’Die Proteinqualität’ in DER PROTEINSTOFFWECHSEL]. Gesunde, ausgewogene Mischkost sollte deshalb ausreichend Gemüse beinhalten, welches außerdem zusammen mit Salaten und Obst den täglichen Bedarf an Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) deckt und die sog. sekundären Pflanzenstoffe enthält (wie z.b. Flavonoide u.v.m.), die zunehmende Bedeutung für die Gesundheit erlangen. Von Ausnahmefällen (Hochleistungssport, bestimmte Krankheiten) abgesehen, bedarf es bei richtig gestalteter Mischkost keiner zusätzlichen Einnahme von Vitaminpräparaten, ebensowenig muss man einen Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen befürchten - auch wenn die zusätzliche Einnahme von Mikronährstoffen in Form von Nahrungergänzungsmitteln seit einiger Zeit stark beworben und von so manchem "Ernährungsexperten" oder “Ernährungsberater“ propagiert wird. [siehe NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL IM SPORT – FACTS AND FALLACIES] Soweit ein Überblick über Richtlinien für eine gesunde Ernährungsgestaltung. Im Einzelfall, speziell im Leistungssport, können individuell erstellte Ernährungspläne den Trainingseffekt optimieren und so zur Leistungsoptimierung beitragen. Dennoch muss gesagt werden: Die Ernährung ist an sich keine komplizierte Materie. Im Grunde ist sie etwas Banales. Sie wird nur allzu gern von allen möglichen Leuten (die in Wahrheit keine Experten auf diesem Gebiet sind) zu einer Pseudoreligion hochstilisiert. Dr. Kurt A. Moosburger www.dr-moosburger.at Innsbruck, im Feb/März 1996 (überarbeitet im Mai 2007) veröffentlicht auf http://de.fitness.com/nutrition/articles/gesunde_ernaehrung.php 3 Empfehlenswerte Publikationen der Autoren Andreas Hahn, Alexander Ströhle, Maike Wolters Universität Hannover, Insititut für Lebensmittelwissenschaft, Humanernährung, Wunstorferstr. 14, D-30453 Hannover [email protected] Abteilung für Ernährungsphysiologie und Artikelserie “Qualifizierte Ernährungsberatung“ der Deutschen Apotheker Zeitung: Teil1: Von den Grundlagen zur Anwendung DAZ Nr. 45/2004, S. 43 ff Teil 2: Vitamine in der Prävention DAZ Nr. 49/2004, S. 65 ff Teil 3: Neue Erkenntnisse zu Vitamin D und Vitamin B12 DAZ Nr. 2/2005, S. 49 ff Teil 4: Sekundäre Pflanzenstoffe - die neuen "Vitamine"? DAZ Nr. 5/2005, S. 73 ff Teil 5: Mineralstoffe – ist eine Supplementierung immer sinnvoll? DAZ Nr. 8/2005, S. 52 ff Teil 6: Selen und Zink in Prävention und Therapie DAZ Nr. 11/2005, S. 62 ff Teil 7: Ernährung und Osteoporose - Bedeutung von Calzium und Vitamin D DAZ Nr. 15/2005, S. 74 ff Teil 8: Ernährung und Osteoporose - Vitamin K, Fluorid und Phytoestrogene DAZ Nr. 18/2005, S. 57 ff Teil 9: Rheumatoide Arthritis - diätetisch beeinflussbar DAZ Nr. 21/2005, S. 57 ff Teil 10: Rheumatoide Arthritis - Bedeutung von Antioxidantien und anderen Mikronährstoffen DAZ Nr. 24/2005, S. 63 ff Weitere Publikationen: Was Evolution nicht erklärt (Kommentar zum Beitrag: Aktuelle Ernährungsempfehlungen vor dem Hintergrund prähistorischer Ernährungsweisen) Ernährungs-Umschau 50 (2003), S. 420-425 Vitamin B12-Mangel im höheren Lebensalter (Pathogenetische Aspekte eines weit verbreiteten Phänomens) Ernährungs-Umschau 51 (2004), S. 90-96 Sojaisoflavone in der Therapie menopausaler Beschwerden Ernährungs-Umschau 51 (2004), S. 440-446 Nährstoffsupplemente und Functional Food zur Gewichtsreduktion – Wunsch und Wirklichkeit Ernährung & Medizin 2004;19:121-128 Unwissenschaftliche Nachschrift oder die endlose und dabei doch beendbare Ernährungsdebatte Ernährungsumschau 52 (2005), S. 180-18 Evolutionäre Ernährungswissenschaft und 'steinzeitliche' Ernährungsempfehlungen - Stein der alimentären Weisheit oder Stein des Anstoßes? Teil 1: Konzept, Begründung und paläoanthropologische Befunde Ernährungs-Umschau 53 (2006), S. 10-16 Teil 2: Ethnographische Befunde und ernährungswissenschaftliche Implikationen Ernährungs-Umschau 53 (2006), S. 52-58 Erhöht der Verzehr von Milch und Milchprodukten das Krebsrisiko? Ernährungsforum MMP 29. Jahrgang 8/2006, S. 303-304 4 Vegetarische Ernährung: Präventives Potenzial und mögliche Risiken. Teil 1: Lebensmittel pflanzlicher Herkunft. Wiener klinische Wochenschrift 2006;118/19-20:580-593 Vegetarische Ernährung: Präventives Potenzial und mögliche Risiken. Teil 2: Lebensmittel tierischer Herkunft und Empfehlungen. Wiener klinische Wochenschrift 2006;118/23-24:728-737 5