Kooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im

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Heinz-Dieter Nesbor, Katja Eckelmann, Peter Königshof & Ulf Linnemann
Kooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung
der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald
Kooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung
der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000
im Kellerwald
G4
Heinz-Dieter Nesbor, Katja Eckelmann, Peter Königshof & Ulf Linnemann
Einleitung
3505
Das Rheinische Schiefergebirge im
Westen von Hessen ist ein Teil des Variskischen Gebirges, das während der
Karbon-Zeit, vor 320 Millionen Jahren,
entstanden war. Vergleichbar mit den
heutigen Alpen durchzog es als Hochgebirge ganz Europa. Da das Rheinische
Schiefergebirge zahlreiche Erzlagerstätten enthält, war es besonders ab dem
ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum
Ende des 2. Weltkriegs von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Entsprechend
intensiv wurde die geologische Kartierung von der damaligen Königlich
Preussischen Geologischen Landesanstalt vorangetrieben. Daher stammt ein
beträchtlicher Teil der einzelnen Blätter
der Geologischen Karte von Hessen im
Maßstab 1 : 25 000 (GK 25) aus dieser
Zeit. Mittlerweile haben zwar die Erzlagerstätten in Deutschland stark an
Bedeutung verloren, dafür sind aber
andere Fragestellungen in den Vordergrund getreten. Dazu zählt die Raumund Landesplanung, der Natur- und
Landschaftsschutz sowie die Sicherung
von Grundwasser-, Rohstoff- und Energieressourcen. Als Grundlage für die Beantwortung entsprechender Fragen zu
diesen Themenbereichen ist ein modernes geologisches Kartenwerk erforderlich. Da die personellen Ressourcen des
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3507
Abb. 1: Ausschnitt aus der geologischen Karte des Kellerwaldes (aus Meischner
1966), bestehend aus einer Vielzahl unterschiedlicher Sedimentgesteine
(verschiedene Farben) und vulkanischer Gesteine (dunkelgrün). Abstand
der Gitterlinien = 1 km.
137
Jahresbericht 2011
HLUG für eine flächendeckende Neukartierung nicht
vorhanden sind, werden Möglichkeiten genutzt, qualitativ hochwertige Kartierungen von externen Fachleuten heranzuziehen.
Eines dieser Kartenwerke betrifft das Gebiet des Kellerwaldes, das gleich mehrere Einzelblätter der GK 25
umfasst. Ab den 60er Jahren hatte eine Arbeitsgruppe
von der Universität Göttingen unter Leitung von Prof.
Dr. Meischner dieses Gebiet flächendeckend geologisch kartiert. Meischner gilt in der Fachwelt als ausgewiesener Experte des in seinem geologischen Bau
überaus komplizierten Kellerwaldes (Abb. 1). Dementsprechend erfüllt die auf höchstem wissenschaftlichen Niveau stehende Manuskripkarte die an eine
amtliche geologische Karte zu stellenden Ansprüche.
Seit kurzem liegt die Manuskriptkarte des Kellerwaldes im HLUG digital vor. Da das Kartenwerk aber
bereits vor über 40 Jahren erarbeitet wurde, sind
aufgrund des mittlerweile erfolgten Erkenntniszuwachses verschiedene Aktualisierungen notwendig.
Dies betrifft zuerst die biostratigraphische Einstufung
der Sedimentgesteine. Das bedeutet, dass die seinerzeit gültige Alterseinstufung der Gesteine anhand
der aufgefundenen Fossilien überprüft und an die
inzwischen geltenden zeitlichen Einstufungen angepasst werden muss. Weiterhin ist die Abgrenzung der
tektonischen Einheiten neu zu bewerten. Schließlich
müssen die im Kellerwald weit verbreiteten vulkanischen Gesteine mit den mittlerweile vorhandenen
modernen geochemischen Analysemethoden neu
bearbeitet werden. Hierdurch ergeben sich jedoch
keine Veränderungen in den Geometrien der einzelnen damals kartierten Gesteinskörper, wie durch
erneute Geländebegehungen belegt werden konnte –
eine Bestätigung der Gültigkeit der Manuskriptkarte.
Die Aktualisierung der vorliegenden Manuskriptkarte des Kellerwaldes wird zurzeit im Rahmen von
Kooperationsprojekten mit den Senckenberg Forschungsinstituten und Naturmuseen sowie mit dem
Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen durchgeführt. Die genannten Institute haben
ihrerseits das grundsätzliche Interesse, neue biostratigraphische Daten zu erheben und mit neuen Methoden die bestehenden plattentektonischen Modelle zu
überprüfen. Integriert werden dabei die unter Federführung des HLUG durchgeführten geochemischen
Untersuchungen der vulkanischen Gesteine. Die geochemische Charakterisierung dient dazu, die Genese
der vulkanischen Gesteine in einen erdgeschichtlichgeologischen Zusammenhang zu stellen. Weiterhin
sollen die gesteinsbildenden Prozesse im Einzelnen
beschrieben und mit den derzeit geltenden plattentektonischen Vorstellungen verglichen werden. Die
geplanten Arbeiten werden als grundlegend angesehen, da die zu erwartenden Ergebnisse eine wesentliche Verbesserung der bisherigen Datengrundlage
darstellen und bestehende plattentektonische Modelle
modifizieren.
Geologie des Kellerwaldes
Der Kellerwald lässt sich in drei Großeinheiten gliedern: den Nördlichen, den Zentralen und den Südlichen Kellerwald (Abb. 2). Alle drei Einheiten unterscheiden sich grundlegend in ihrer räumlichen und
zeitlichen Entwicklung. Der Nördliche Kellerwald
wird von Gesteinen aufgebaut, deren Alter von der
höheren Unterdevon- bis in die Unterkarbon-Zeit
reicht – eine Zeitspanne von 400–335 Millionen
Jahren (Ma) vor heute. Das Gesteinsspektrum ist entsprechend vielfältig und reicht bei den Sedimentgesteinen von Tonschiefern über Sandsteine und Kalksteine bis hin zu Kieselschiefern und Grauwacken.
138
Charakteristisch ist die weite Verbreitung vulkanischer
Gesteine, die von einem intensiven untermeerischen
Vulkanismus zeugen.
Im Zentralen Kellerwald dagegen sind nur drei
Gesteinstypen vertreten, die erst in der tieferen Unterkarbon-Zeit (360–345 Ma) entstanden sind. Der
Kellerwald-Quarzit stellt dabei eine Besonderheit dar.
Das überaus harte Gestein, das zahlreiche Klippen
im Gelände bildet, setzt sich fast ausschließlich aus
Quarzkörnern zusammen. Aufgrund der Reinheit,
der guten Sortierung der Körner sowie sedimentolo-
Heinz-Dieter Nesbor, Katja Eckelmann, Peter Königshof & Ulf Linnemann
Kooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung
der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald
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Postvariskische Gesteine
Nördlicher Kellerwald
Unterkarbon
Oberdevon
Mitteldevon
Unterdevon
Ense− Schuppe
Zentraler Kellerwald
Unterkarbon
Südlicher Kellerwald
Unterkarbon
Oberdevon
Mittel− bis Oberdevon
Unterdevon
Silur− Oberdevon
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3
4
5 km
Abb. 2: Karte der Großeinheiten des Kellerwaldes.
gischer Kriterien handelt es sich bei diesen Ablagerungen wahrscheinlich um ehemalige Strandsande,
deren Körner in der Meeresbrandung aufbereitet und
gerundet wurden. Neben dem Kellerwald-Quarzit
treten noch Kieselschiefer und in geringem Umfang
vulkanische Gesteine auf.
(375–360 Ma) abgelagert und nicht erst im Unterkarbon. Weiterhin treten dort kleinräumige Scherkörper
auf, die aus exotischen Kalksteinablagerungen aus
der viel älteren Silur-Zeit (440–415 Ma) bestehen.
Solche Gesteine sind für das Rheinische Schiefer­
gebirge untypisch.
Der Südliche Kellerwald ist durch Grauwacken
geprägt, deren Alter aber zum Teil nicht mit dem
der Grauwacken aus dem Nördlichen Kellerwald
korres­pondiert. So wurden im Südlichen Kellerwald
Grauwacken schon in der höheren Oberdevon-Zeit
Die Gesteinsabfolgen aller drei Großeinheiten des
Kellerwaldes sind während der Variskischen Gebirgsbildung in der Oberkarbon-Zeit gefaltet, in einzelne schuppenförmige Gesteinskörper zerlegt und
schwach metamorph überprägt worden.
139
Jahresbericht 2011
Arbeitsschwerpunkte der Kooperationsprojekte
Voraussetzung für die Darstellung der geologischen
Gegebenheiten einer Landschaft ist die möglichst
exakte biostratigraphische Einstufung der einzelnen
Gesteinseinheiten. Das bedeutet, dass anhand der
in den einzelnen Gesteinsschichten vorhandenen
Fossilien das relative Alter der jeweiligen Einheit bestimmt wird und damit die Altersfolge der in dem
betreffenden Gebiet auftretenden Gesteine festgelegt werden kann. Für diesen Zweck werden häufig
Mikro­fossilien herangezogen, die in den Gesteinsproben in großer Anzahl vorhanden sein können. Dabei
handelt es sich meist um Bestandteile von Conodontentieren, die zu den frühen Wirbeltieren gezählt
werden und die ausschließlich in marinem Milieu gelebt haben. Die überlieferten Relikte – zahnähnliche
Reste eines Kauapparates (Conodonten) – haben eine
Größe von nur wenigen mm und sind durch eine ausgesprochene Formenvielfalt gekennzeichnet (Abb. 3).
Bedingt durch diese schnelle evolutive Entwicklung
eignen sich diese Fossilien ausgezeichnet für bio­
stratigraphische Einstufungen. Zur Feststellung des
Gesteinsalters werden Conodonten aus den verschiedenen Proben des Kellerwaldes unter dem Mikros­
kop bestimmt und dem jeweiligen erdgeschichtlichen
Alter zugeordnet.
Neben den Mikrofossilien werden auch die in den
Sedimentgesteinen eingeschlossenen Makrofossilien
betrachtet. Die in den Proben vertretene gesamte
Fauna und Flora geben Auskunft über die damaligen
Lebensgemeinschaften, die wiederum Rückschlüsse
auf den Ablagerungsort der Sedimente erlauben. So
unterscheiden sich z. B. die Lebensbedingungen in
einem tropischen Meeresraum von denen in einem
Meer der gemäßigten Breiten gravierend. Entsprechend lässt der jeweilige Lebensraum nur die Entwicklung einer dort angepassten und damit typischen
Tierwelt zu. Die genannten Arbeiten werden im Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt am Main
durchgeführt.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt zur Aktualisierung
der Manuskriptkarte des Kellerwaldes stellt die Provenance-Analyse dar, die eine Identifikation
und Trennung einzelner tektonischer
Einheiten ermög­licht. Diese isolierten
Einheiten sind durch die kompressiven
Kräfte während der Variskischen Gebirgsbildung entstanden. Dabei wurden
die ursprünglich horizontal übereinander abgelagerten Gesteinsabfolgen gefaltet, zerrissen und zum Teil über weite
Strecken überschoben. Durch die Untersuchungen ist es nun möglich zu er­
kennen, welche tektonischen Einhei­ten
zusammengehören und welche nicht.
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist
die exakte Kenntnis des biostratigraphischen Alters der jeweiligen Gesteinsschichten.
Abb. 3: Formenvielfalt der Conodonten aus der Devon- und Karbon-Zeit
(Foto: P. Königshof, Senckenberg Forschungsinstitut, Frankfurt am Main).
140
Die Provenance-Analyse ist ein sehr aufwendiges Verfahren, bei dem aus ausgewählten Sandstein- bzw. Grauwackenproben winzige Körner des Minerals
Zirkon zunächst separiert und dann auf
einen Objekt­träger aufgebracht werden.
Heinz-Dieter Nesbor, Katja Eckelmann, Peter Königshof & Ulf Linnemann
Kooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung
der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald
Abb. 4: Radiometrische Datierung von Zirkon-Kristallen mittels Massenspektrometer mit induktiv gekop-
peltem Plasma im GeoPlasmaLab des Senckenberg Forschungsinstituts in Dresden.
Danach erfolgt die radio­metrische Datierung der einzelnen Zirkon-Körner anhand der Uran-Blei-Isotope
mittels Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP MS, Abb. 4). Pro Gesteinsprobe
werden ca. 80–150 Zirkon-Körner datiert. Die Analysen werden im Geo­PlasmaLab des Senckenberg
Forschungsinstituts in Dresden vorgenommen. Als
Ergebnis erhält man ein Altersspektrum, das für das
damalige Liefergebiet des Sandes, aus dem der heutige Sandstein entstand, charakteristisch ist (Abb. 5).
Der ursprüngliche Ablagerungsort bestimmter Sedimentgesteine des Kellerwaldes hat sich während der
Devon- und Unterkarbon-Zeit sogar auf verschiedenen Kontinenten befunden, die durch Ozeane
voneinander getrennt waren. Durch den späteren
Zusammenstoß der Kontinente, der zur Bildung des
Variskischen Gebirges geführt hat, wurden die betreffenden Gesteinskörper übereinander geschoben.
Heute liegen sie im Kellerwald unmittelbar nebeneinander oder übereinander.
Die noch ausstehende petrographische und geochemische Neubearbeitung der im Kellerwald verbreiteten vulkanischen Gesteine wird arbeitsteilig durch
das HLUG und das Geowissenschaftliche Zentrum
der Universität Göttingen übernommen. Dabei werden anhand einer Vielzahl von Gesteinsdünnschliffen
aus den Einzelvorkommen petrographische Untersuchungen durchgeführt, die Auskunft über die Mine­
ralzusammensetzung und den Gesteinstyp geben.
Weiterhin werden geochemische Untersuchungen
an ausgewählten Gesteinsproben vorgenommen. Dabei werden mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse
die Haupt- und Spurenelemente und mittels Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma
(ICP MS ) die Seltenen-Erden-Elemente bestimmt.
Die Ergebnisse werden mit den aus dem übrigen
Rheinischen Schiefergebirge im HLUG archivierten
petrographischen und geochemischen Gesteinsanalysen abgeglichen. Anhand der Ergebnisse können
Aussagen über den Bildungsort der jeweiligen vul-
141
Jahresbericht 2011
A
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(b48)
(b47)
970±30 Ma
1712±26 Ma
(b19)
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200μm
1764±22 Ma
467±12 Ma
(b54)
1362±22 Ma
(a36)
935±29 Ma
(a3)
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466±11 Ma
(a25)
1131±48 Ma
Häufigkeit
1764±22 Ma
(a6)
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(b47)
Ems-Sandstein
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0
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2 800
2 600
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1 000
800
600
400
200
Alter (Millionen Jahre)
B
24
200μm
754±32 Ma
(a58)
20
2031±21 Ma
2410±12 Ma
(a44)
658±21 Ma
(a27)
(a38-Kern)
Häufigkeit
16
2470±33 Ma
(a36)
12
558±18 Ma
657±18 Ma
(a37-Rand)
2106±32 Ma
(a1)
(a15)
8
2953±17 Ma
(a23)
Ulmbach-Grauwacke
4
0
3 200
3 000
2 800
2 600
2 400
2 200
2 000
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1 600
1 400
1 200
1 000
800
600
400
200
Alter (Millionen Jahre)
Abb. 5: Alterspektrum der Zirkon-Kristalle (Eckelmann et al. 2011) in: A: Ems-Sandstein
aus der Unterdevon-Zeit, abgelagert auf dem ehemaligen Großkontinent Laurussia
(heutiges Nordamerika, Grönland und Nordeuropa). B: Grauwacke aus der Oberdevon-Zeit, abgelagert auf dem ehemaligen Mikrokontinent Armorika (südliche
Teile des heutigen Mitteleuropas).
kanischen Gesteine getroffen werden. So kann z. B.
unterschieden werden, ob die Gesteinsschmelzen in
Form von Lavaströmen auf dem Boden eines Ozeans
oder in einem Flachmeer auf kontinentaler Kruste
142
ausgeflossen sind. Diese Aussagen können wiederum
mit den Ergebnissen der oben beschriebenen Provenance-Analyse in Beziehung gesetzt werden.
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Kooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung
der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald
Erste Ergebnisse – ein geologisches Puzzle am Ostrand des
Rheinischen Schiefergebirges
Um die geologische Kartierung einer Großeinheit
wie den Kellerwald für den Anwender nutzbar zu
machen, ist die Kenntnis von Aufbau und Struktur
der Gesteinsabfolge erforderlich. Das setzt wiederum
voraus, die Entwicklungsgeschichte des entsprechenden Gebietes in ihrer zeitlichen Abfolge und
räumlichen Fixierung zu verstehen. Einen wesentlichen Beitrag dazu liefert die Zusammenarbeit mit
den kooperierenden Instituten.
Das Rheinische Schiefergebirge ist ein Teil von Avalonia und gehört somit zum ehemaligen Großkontinent Laurussia, während Odenwald und Spessart zu
Armorika zu rechnen sind.
Später führte die Kollision des Mikrokontinents Armorika (vor 340–330 Ma) und schließlich Gondwanas mit Laurussia zur Bildung des Superkontinents
Pangäa, der vor knapp 300 Ma vollendet war. Pangäa
vereinigte alle heutigen Erdteile in einem einzigen
Kontinent. Durch die Kollision entstand das sogenannte Variskische Gebirge, das nahezu die gesamte
Erde umspannte. Das Rheinische Schiefergebirge,
Odenwald und Spessart sind Teile dieses Gebirges.
In Hessen liegt die Trennlinie zwischen dem ehemaligen Nordkontinent Laurussia und dem südlich anschließenden Armorika am Südrand des Taunus.
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand gab es vor
etwa 370 Millionen Jahren auf der Erde zwei Großkontinente (Abb. 6). Im Süden der Erde lag damals
Gondwana, bestehend aus dem heutigen Südamerika,
Afrika, Antarktis, Australien und Indien. Weiter im
Norden etwas südlich des Äquators befand sich der
Großkontinent Laurussia, von Gondwana durch
einen Ozean getrennt. Aufgrund der mächtigen
roten Sandsteine, die dort unter wüstenhaftem Klima
abgelagert wurden, spricht man auch vom „Old Red
Continent“ („Alter roter Kontinent“). Er bestand aus
dem heutigen Nordamerika, Grönland und Nordeuropa. Den Südrand von Laurussia bildete der
Mikrokontinent Avalonia. Dieser hatte sich lange Zeit zuvor von Gondwana abgelöst, war
zwischenzeitlich nach Norden gewandert
und hatte sich schließlich mit Nordamerika
und Nordeuropa vereint.
Sibirien
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Am
a
Zwischen den beiden Großkontinenten,
durch Ozeanbereiche voneinander getrennt,
lag ein Mikrokontinent mit dem Namen
Armorika, der aus den südlichen Teilen des
heutigen Mitteleuropas bestand. Er hatte sich,
ebenso wie zuvor Avalonia, vom Nordrand
des Großkontinents Gondwana gelöst und war
nach Norden gewandert. In Hessen sind Bestandteile von zwei der genannten Kontinente vertreten.
ru
s
d w
a n
a
Südpol
Abb. 6: Lage der Kontinente während der Oberdevon-Zeit, vor 370 Millionen Jahren.
Roter Stern: Lage des späteren Rheinischen Schiefergebirges am Südrand von
Laurussia. Blauer Stern: Lage von Odenwald und Spessart auf dem Mikrokontinent Armorika. (modifiziert nach Tait et al. 2000, Torsvik 2004).
143
Jahresbericht 2011
Die ersten Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass
bei der oben beschriebenen Gebirgsbildung Teile von
Armorika als Deckeneinheiten von Süden her auf das
Rheinische Schiefergebirge und somit auf den Nordkontinent überschoben wurden. Solche ortsfremde,
allochthone Gesteinseinheiten, die durch weiträumige Deckentransporte an ihre heutige Position gelangt sind, wurden schon seit längerer Zeit vermutet.
Deren Existenz ist in der Vergangenheit sehr kontrovers diskutiert worden. Durch die vorliegenden
Daten können solche weitreichende Deckenüberschiebungen nun bewiesen werden. Auf der geologischen Karte des Kellerwaldes befinden sich entsprechende allochthone Gesteinskörper am häufigsten in
der südlichen Großeinheit.
Literatur
Eckelmann, K., Königshof, P., Linnemann, U., Hofmann, M., Nesbor, H.-D., Lange, J.-M. & Sagawe,
A. (2011): Detrial zircon ages of Devonian and
Early Carboniferous sediments in the south­
eastern Rheinisches Schiefergebirge (RhenoHercynian Zone, Central European Variscides)
– a multidisciplinary approach and plate tectonic implications. – Fragile Earth International
Conference, München, September 2011: 145;
München.
Meischner, D. (1966): Geologische Karte des Kellerwaldes. – unveröffentlichte Manuskriptkarte,
Univ. Göttingen; Göttingen.
144
Tait, J., Schätz, M., Bachtadse, V., Soffel, H. (2000):
Palaeomagnetism and Palaeozoic palaeogeography of Gondwana and European terranes. In:
Franke, W., Haak, V., Oncken, O., Tanner, D.,
(Eds.), Orogenic Processes: Quantification and
Modelling in the Variscan Belt. Journal Geol.
Soc., Spec. Publ. 179: 21-34; London.
Torsvik, T. H. & Cocks, L.R.M. (2004): Earth geography from 400 to 250 million years: a palaeomag­
netic, faunal and facies review. – Journal Geol.
Soc. Lond. 161: 555-572; London.
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