Für mehr Lebensfreude und Unabhängigkeit Mehr Freiheit erleben Patienteninformation zum primären Immundefekt (PID) Eine Entscheidung fürs Leben. Inhalt Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient, wenn eine genetische Veränderung das Immunsystem an seiner richtigen Funktion hindert, dann nennt man das einen primären Immundefekt (Primary Immunodeficiency, PID). Von diesen genetischen Defekten gibt es viele verschiedene – bekannt sind bisher mehr als 150. Jede dieser Krankheiten hat ihre spezifische Eigenart. Manche haben besonders niedrige Antikörperwerte, bei anderen wirken sich genetische Veränderungen auf T-Zellen, B-Zellen, Granulozyten oder andere Teile des Immunsystems aus. Solche Veränderungen machen den Menschen anfällig für viele andere Probleme. Und da vor allem das Immunsystem dieser Patienten geschwächt ist, haben sie ein erhöhtes Risiko für Infektionen. Wir möchten Ihnen mit dieser Broschüre die Möglichkeit geben, mehr über primäre Immundefekte zu erfahren. Auf leicht verständliche Weise wird hier erklärt, wie Ihr Immunsystem arbeitet und wie eine Behandlung mit Immunglobulinen Ihnen bei vorhandenen Infektionen helfen kann. 02 Was ist ein Immundefekt? 04 Unser Immunsystem 10 Variables Immundefektsyndrom (CVID) 16 Immunglobulin-A-Mangel 18 IgG-Subklassenmangel 20 Immunglobulin-Behandlung 22 Häufig gestellte Fragen 24 Glossar 26 Wo finde ich weitere Informationen? 28 03 Was ist ein Immundefekt? Wir kommen täglich mit Bakterien, Viren, Pilzen oder anderen Krankheitserregern in Kontakt – wir atmen sie ein, nehmen sie durch die Nahrung auf, kommen über die Haut in Kontakt mit ihnen oder sie werden durch andere Menschen auf uns übertragen. Um Infektionen zu verhindern oder zu bekämpfen, besitzt der Körper ein eigenes Abwehrsystem: das Immunsystem. Kommt ein gesunder Mensch mit einem Krankheitserreger in Berührung, werden seine weißen Blutkörperchen (Leukozyten) aktiv, um den Erreger durch Herstellung oder Vervielfältigung von körpereigenen Abwehrstoffen (Antikörpern) unschädlich zu machen. Es erstaunt nicht, dass dieses hochkomplizierte System an den unterschiedlichsten Stellen defekt sein kann. Menschen mit einem angeborenen Immundefekt besitzen nur eine eingeschränkte Fähigkeit, auf Infektionen zu reagieren und sie effektiv zu bekämpfen. Damit ihr Körper sich wehren kann, muss er von außen zusätzlich Antikörper (Immunglobuline) zugeführt bekommen. Nur dadurch können Anzahl und Schwere der Infektionen erfolgreich verringert werden. Primäre und sekundäre Immundefekte Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von Immundefekten: primäre und sekundäre. Ein primärer Immundefekt ist angeboren und muss ein Leben lang mit der Gabe von Immunglobulinen behandelt werden. Ein sekundärer Immundefekt kann viele Ursachen haben: Er kann sich z. B. nach einer chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) entwickeln, nach Verbrennungen, einer Chemotherapie oder auch nach der Einnahme von Medikamenten wie Kortison oder Zyklosporin. In der Folge wird das Immunsystem aus dem Gleichgewicht gebracht. Diese Art des Immundefekts erfordert entweder eine vorübergehende oder eine lebenslange Behandlung mit Immunglobulinen. 04 05 Allgemeine Symptome Die Patienten leiden oftmals an wiederkehrenden Infektionen der Atemwege. Bei einer Infektion leiden PID-Patienten nicht immer an hohem Fieber und auch die Werte für das C-reaktive Protein (CRP) können sich im Normbereich befinden. CRP ist ein Protein im Blut, dessen Werte sich als Reaktion auf eine Entzündung erhöhen. Diese Patienten leiden jedoch oft an einem anhaltenden Erschöpfungszustand. Eine Behandlung kann dabei helfen, die Anzahl der bakteriellen Infektionen zu reduzieren. Bereits vorher vorhandene Infektionen und eine Verzögerung bei der Diagnose können jedoch zu einer permanenten Schädigung führen. Sie erfahren mehr über die am häufigsten vorkommenden primären Immundefekte zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Broschüre. Die wichtigsten Warnzeichen für Immundefekte bei Erwachsenen Vier oder mehr Lungenentzündungen, neue Infektionen im Ohr oder schwere Nasennebenhöhlenentzündung innerhalb eines Jahres 06 Einnahme von Antibiotika über mehrere Monate ohne wesentliche Besserung Schwere Infektionen, z. B. Hirnhautentzündung, infektiöse Entzündung des Knochenmarks, Blutvergiftung, eitrige Ansammlung in der Haut oder schwere, chronische Nasennebenhöhlenentzündungen Mindestens zwei durch das Röntgenbild gesicherte Lungenentzündungen innerhalb von drei Jahren Infektionen ungewöhnlicher Herkunft oder durch ungewöhnliche Erreger Vorliegen eines Immundefekts in der Familie 07 Die wichtigsten Warnzeichen für Immundefekte bei Kindern Eltern sind es gewohnt, dass die Kleinen immer wieder unter Infektionen leiden. Immer mal wieder ein Schnupfen, Durchfall oder eine Mittelohrentzündung ist da ganz „normal“. Ungewöhnliche Erkrankungen Wenn aus immer mal wieder allerdings dauernd wird, könnte das auch Schlimmeres bedeuten: Das Kind könnte einen Immundefekt haben. Doch wie kann man hier unterscheiden? Diese 12 Warnzeichen für einen primären Immundefekt bei Kindern sollen Ihnen das Erkennen und Einschätzen leichter machen. Bereits eines dieser Warnzeichen kann auf einen Immundefekt hinweisen. Erhöhte Infektanfälligkeit Zwei oder mehr Lungenentzündungen pro Jahr 08 Bleibende Pilzinfektionen an Haut und Schleimhaut (besonders auf der Mundschleimhaut), wenn das Kind älter als ein Jahr ist Eiteransammlung tief unter der Haut oder in inneren Organen Hartnäckige Erkrankungen durch normalerweise ungefährliche Bakterien, z. B. atypische Mykobakterien Unklare chronische Rötungen bei Säuglingen an Händen und Füßen (Graft-vs.-Host-Disease) Sonstige Warnzeichen Zwei oder mehr schwere Nasennebenhöhlen-Infektionen pro Jahr Acht oder mehr Ohrinfektionen pro Jahr Zwei oder mehr schwere innere Infektionen der Hirnhäute (Meningitis), der Knochen (Osteomyelitis) oder des gesamten Körpers (Sepsis) Zwei oder mehr Monate Antibiotika-Therapie mit nur geringer Wirkung Hinweise auf einen primären Immundefekt in der Familie Impfkomplikationen bei Lebendimpfungen, z. B. Rotavirus oder BCG Gedeihstörung im Säuglingsalter, mit und ohne chronische Durchfälle 09 Unser Immunsystem Der Aufbau des Immunsystems Die Lehre vom menschlichen Immunsystem wird auch als Immunologie bezeichnet. Die wichtigste Aufgabe des Immunsystems besteht darin, uns gegen Infektionen zu schützen, die durch Bakterien, Viren, Parasiten oder Pilze ausgelöst werden. Nachfolgend finden Sie einen Überblick über das Immunsystem und seine Funktionsweise. Struktur des Immunsystems Stammzellen Thrombozyten Alle Zellen des Körpers werden als Stammzellen „geboren“. Einige dieser Stammzellen entwickeln sich zu Thrombozyten, Erythrozyten und Leukozyten, die überall in Ihrem Blut zu finden sind. Sie alle besitzen unterschiedliche Funktionen, und das Diagramm rechts zeigt, wie die Zellen miteinander in Verbindung stehen. Die Leukozyten sind in verschiedene Untergruppen unterteilt, wobei jede ein unterschiedliches Erscheinungsbild und unterschiedliche Funktionen aufweist. Insgesamt befinden sich über 10 Milliarden Leukozyten im Körper. (rote Blutkörperchen) Leukozyten (weiße Blutkörperchen) (polymorphkernige weiße Blutkörperchen) (Vorläufer-Fresszellen/ Fresszellen) Antikörper (Immunglobuline) T-Lymphozyten (T-Zellen) B-Lymphozyten (B-Zellen) Plasmazellen Zytotoxische Zellen (Killerzellen) T-Helferzellen 10 Monozyten/ Makrophagen Granylozyten Das Immunsystem lässt sich normalerweise in zwei Bereiche aufteilen: das unspezifische (angeborene) und das spezifische (adaptive) Immunsystem. Das unspezifische Immunsystem reagiert umgehend, wohingegen das spezifische Immunsystem bis zu fünf Wochen für eine vollständige Reaktion benötigen kann. Auf den folgenden Seiten erhalten Sie eine etwas tiefere Einsicht in die Funktionsweise der beiden Bereiche. Erythrozyten (Blutplättchen) - lgG - lgA - lgM - lgD - lgE Gedächtniszellen 11 Unspezifisches Immunsystem Das unspezifische Immunsystem ist die erste Verteidigungslinie des Körpers. Seine Hauptfunktion besteht aus der Vermeidung von Infektionen und deren Verbreitung im Körper. Es besteht aus verschiedenen Bestandteilen, darunter die äußeren Barrieren wie Haut, Schleimhäute und Magensäure und die Leukozyten, wie beispielsweise Granulozyten, Monozyten und Makrophagen. Diese Leukozyten haben eine phagozytierende Funktion, das heißt, sie können Bakterien oder andere Keime aufnehmen, welche die äußere Barriere durchbrechen. Granulozyten findet man in Blut, Haut und Schleimhäuten. Sie sind in der Lage, unerwünschte Bakterien abzutöten. Monozyten, die auch im Blut zu finden sind, können sowohl Infektionserreger als auch „Abfallprodukte“ aufnehmen. Monozyten findet man außerdem an vielen anderen Körperstellen, wo sie als Makrophagen bezeichnet werden. Es gibt eine Vielzahl an Makrophagen in Haut, Lungen, Milz und Leber. Wichtige Organe des Immunsystems3 Thymusdrüse Die Thymusdrüse ist ein Organ und befindet sich im oberen Brustbereich. Unreife Lymphozyten verlassen das Knochenmark und suchen sich ihren Weg zur Thymusdrüse, wo sie zu reifen T-Lymphozyten „ausgebildet“ werden. Lymphknoten Die Lymphknoten sind Ansammlungen von B-Lymphozyten und T-Lymphozyten im gesamten Körper. Sie stellen eine der wichtigsten Strukturen zur Antikörperbildung dar. Spezifisches Immunsystem Das spezifische Immunsystem entwickelt sich nach der Geburt kontinuierlich als Reaktion auf Impfungen und Infektionen, denen unser Körper ausgesetzt ist. Nachdem wir uns von einer Infektion erholt haben, werden Gedächtniszellen gebildet, die schnell reagieren können und uns schützen, sobald wir erneut mit derselben Infektion in Berührung kommen. Die Lymphozyten sind Teil des spezifischen Immunsystems und besitzen die einzigartige Fähigkeit, alle möglichen Keime zu identifizieren. Es gibt viele verschiedene Arten von Lymphozyten, die sich jedoch in zwei Hauptgruppen einteilen lassen: T-Zellen und B-Zellen. Die T-Zellen werden wiederum in zwei Gruppen eingeteilt, die sogenannten zytotoxischen T-Zellen und die T-Helferzellen. Zytotoxische T-Zellen können infizierte oder beschädigte Zellen erkennen und diese zerstören. T-Helferzellen scheiden chemische Stoffe aus, welche die Reaktionen anderer Zellen im Immunsystem steuern. B-Zellen werden durch eine Infektion aktiviert und dann in Plasmazellen umgewandelt, die Antikörper produzieren. Eine aktivierte Plasmazelle kann bis zu 2 000 Antikörper pro Sekunde produzieren. Diese Antikörper reagieren wie wärmesuchende Raketen, sie identifizieren die spezifische Infektion und merzen sie aus. Einige dieser aktivierten B-Zellen entwickeln sich zu Gedächtniszellen, die eine schnellere Reaktion ermöglichen und uns im Falle einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger schützen. 12 Mandeln Die Mandeln befinden sich im Hals und sind eine Ansammlung von Lymphozyten. Sie bilden das „Frühwarnsystem“ für die körpereigene Abwehr. Leber Die Leber ist das Hauptorgan für die Synthetisierung von Proteinen des Komplementsystems. Darüber hinaus enthält sie eine große Anzahl phagozytierender Zellen, die Bakterien im Blut aufnehmen, während es die Leber passiert. Knochenmark Das Knochenmark ist der Ort, an dem alle Zellen des Immunsystems ihre Entwicklung aus primitiven Stammzellen beginnen. Milz Die Milz liegt in der Bauchhöhle nahe dem Magen. Sie besteht aus einer Ansammlung von T-Lymphozyten, B-Lymphozyten und Monozyten und erfüllt zahlreiche Aufgaben des Immunsystems. Bei der Milzentfernung besteht erhöhte Blutungsgefahr während und nach der Operation. Blut Blut ist das Zirkulationssystem, das Zellen und Proteine des Immunsystems von einem Teil des Körpers zu einem anderen befördert. 13 Antikörper Antikörper (auch als Immunglobuline bezeichnet) lassen sich in fünf wesentliche Gruppen einteilen: IgG, IgA, IgM, IgD und IgE. Es handelt sich dabei um Y-förmige Proteine, die sich an spezifische Viren oder Bakterien anheften. IgG ist der am häufigsten anzutreffende Antikörper im Blut und spielt in unserem Immunsystem eine wichtige Rolle. In den letzten Wochen der Schwangerschaft wird IgG von der Mutter über die Plazenta an das Baby weitergegeben. Sobald das Baby geboren wird, ist es durch die Antikörper der Mutter für die ersten sechs Lebensmonate geschützt. Während der ersten sechs Monate im Leben eines Kindes werden diese Antikörper schrittweise abgebaut und das Kind beginnt mit der Bildung eigener Antikörper, sobald es Infektionen ausgesetzt ist oder geimpft wird. IgG-Antikörper lassen sich in vier Untergruppen einteilen: IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4. Diese Untergruppen werden auch als IgG-Unter- bzw. Subklassen bezeichnet und übernehmen bei der Abwehr des Körpers gegen Infektionen verschiedene Funktionen. IgA ist der im Rest des Körpers am häufigsten anzutreffende Antikörper und wird über die Muttermilch auf das Baby übertragen. IgA-Antikörper findet man hauptsächlich auf der Schleimhaut, unter anderem in: Mund, Ohren, Augen, Rachen, Luftwege innerhalb der Lunge, Magen-Darm-Trakt, Genitalien, Nebenhöhlen und Nase. Die IgA-Antikörper werden über Sekrete zu den Schleimhäuten transportiert und spielen eine wichtige Rolle beim Schutz dieser Oberflächen vor Infektionen. Unsere Schleimhäute bedecken eine große Oberfläche: Aneinandergelegt würde die Fläche dieser Schleimhäute eineinhalb Tennisplätzen entsprechen – daher kann die Bedeutung des IgA beim Schutz unserer Schleimhäute nicht stark genug hervorgehoben werden. IgM ist der größte aller Antikörper und extrem wirksam, wenn es darum geht, sich an Viren oder Bakterien anzuheften. IgM wird hauptsächlich in den frühen Phasen einer Infektion gebildet und greift auf effektive Weise Viren oder Bakterien an. Nach einem Zeitraum von mehreren Wochen werden Plasmazellen für die Bildung von IgG oder IgA freigesetzt, je nachdem, wo im Körper sich die Infektion befindet. IgD und seine Funktionsweise im Körper sind so gut wie unbekannt. IgE bekämpft große Mikroorganismen, wie z. B. Würmer und Parasiten. IgE spielt außerdem bei einigen Nahrungsmittelallergien eine Rolle. 14 15 Variables Immundefektsyndrom (Common Variable Immunodeficiency = CVID)3 Einer von 25 000 bis 50 000 Menschen leidet schätzungsweise an einem CVID.4 CVID zeichnet sich durch eine niedrige Antikörperzahl und eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen aus. In der Mehrheit der Fälle erfolgt die Diagnose bis zu einem Alter von 20 – 30 Jahren. Etwa 20 % der Patienten, die Krankheitssymptome zeigen oder bei denen eine Immunschwäche festgestellt wird, sind jünger als 16 Jahre. Warum leiden Menschen an CVID? Die meisten Patienten mit CVID scheinen eine normale Anzahl an B-Zellen zu haben, die sich jedoch nicht zu Antikörper produzierenden Plasmazellen entwickeln können. Bei manchen Patienten gibt es eine Abnahme von IgG und IgA; bei anderen reicht die Funktionsfähigkeit der T-Helferzellen nicht aus, um eine normale Antikörperreaktion zu erzeugen. In einer dritten Gruppe besitzen die Patienten eine überhöhte Anzahl an zytotoxischen T-Zellen. Dabei ist die Bedeutung dieser Zellen beim Krankheitsverlauf jedoch noch weitgehend unbekannt. Welche Symptome treten auf? Patienten mit CVID leiden an wiederkehrenden Infektionen in Ohren, Stirnhöhlen, Nase, Bronchien und Lungen. Wiederholt auftretende schwere Lungeninfektionen können permanente Schädigungen hervorrufen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer chronischen Bronchialerkrankung. Die bei diesen Infektionen im Allgemeinen auftretenden Organismen sind Bakterien, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind und häufig Lungenentzündungen auslösen. 16 Patienten mit CVID leiden auch oft an vergrößerten Lymphknoten an Hals, Brust oder Unterleib. Die genaue Ursache dafür ist unbekannt, aber vergrößerte Lymphknoten werden oftmals durch eine Infektion, eine irreguläre Immunantwort oder durch beides verursacht. Ähnlich ist auch eine vergrößerte Milz in diesem Fall relativ normal. Einige Patienten mit CVID, die keine optimale Immunglobulin-Behandlung erhalten, entwickeln im Verlauf oftmals eine schmerzhafte Entzündung eines oder mehrerer Gelenke. Die bei CVID auftretende typische Arthritis betrifft häufig die größeren Gelenke wie z. B. Knie, Knöchel, Ellbogen und Handgelenke. Manche Patienten mit CVID berichten außerdem über Störungen des Verdauungssystems (Magen-Darm), wie beispielsweise Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Gewichtsverlust. Welche Behandlung kann helfen? Eine Immunglobulin-Behandlung kann die Prognose eines Patienten mit CVID erheblich verbessern. Das Ziel der Behandlung liegt darin, den Patienten infektionsfrei zu halten und die Entwicklung einer chronischen Lungenkrankheit zu verhindern. 17 Immunglobulin-A-Mangel3 Einer von 500 Menschen leidet an einem Immunglobulin-A-Mangel.5 Viele dieser Menschen erscheinen gesund und sind im Allgemeinen nicht krank genug, um einen Arzt aufzusuchen. Manche erfahren vermutlich nie, dass sie an einem Immunglobulin-A-Mangel leiden, doch dann gibt es wiederum Menschen mit signifikanten Symptomen. Warum leiden Menschen an einem Immunglobulin-A-Mangel? Derzeit gibt es keine Erklärung dafür, warum manche Menschen mit einem Immunglobulin-A-Mangel gesund sind und andere schwer krank. Menschen mit Immunglobulin-A-Mangel produzieren kein IgA, aber sie produzieren alle anderen Antikörper. Manchen Patienten mit Immunglobulin-A-Mangel fehlt auch IgG2 und/oder IgG4, was erklären könnte, warum diese eher anfällig für Infektionen sind als andere. Welche Symptome treten auf? Ein allgemeines Problem beim Immunglobulin-A-Mangel ist die Anfälligkeit für Infektionen. Diese tritt in etwa bei der Hälfte aller Patienten auf. Wiederkehrende Ohrinfektionen, Nebenhöhlenentzündung, Bronchitis und Lungenentzündung sind die am häufigsten auftretenden Infektionen. Ein zweites großes Problem ist das Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Diese treten bei etwa 25 – 33 % aller Patienten auf, die sich an einen Arzt wenden. Bei Autoimmunkrankheiten produziert der Patient Antikörper, die auf sein 18 eigenes Gewebe reagieren, was zu Entzündungen und Schädigungen führt. Autoimmunkrankheiten können entzündete und geschwollene Hand- und Kniegelenke, einen Ausschlag im Gesicht oder eine niedrige Anzahl an roten Blutkörperchen (Anämie) oder Blutplättchen (Thrombozythämie) zur Folge haben. Andere Autoimmunkrankheiten können sich auf das endokrine System (zuständig für die Hormonproduktion) und/oder das Magen-Darm-System auswirken. Auch Asthma und Nahrungsmittelallergien treten bei Menschen mit Immunglobulin-A-Mangel häufiger auf als bei der Allgemeinbevölkerung. Welche Behandlung kann helfen? Die Behandlung der mit dem Immunglobulin-A-Mangel in Verbindung stehenden Probleme sollte direkt gegen das eigentliche Problem gerichtet sein. Beispiel: Patienten mit chronischen oder wiederkehrenden Infektionen benötigen geeignete Antibiotika. Für Patienten mit IgA- und IgG2-Mangel, die nicht entsprechend auf Antibiotika reagieren, kann eine Immunglobulin-Behandlung zur Reduzierung der Infektionshäufigkeit sehr hilfreich sein. 19 IgG-Subklassenmangel3 Menschen mit einem IgG-Subklassenmangel leiden an wiederkehrenden Infektionen, da eine oder zwei IgG-Unterklassen fehlen oder nur in geringen Mengen vorhanden sind. Die Menge der einzelnen IgG-Unterklassen im Blutkreislauf variiert je nach Alter. Beispiel: IgG1 und IgG3 erreichen bei 5- bis 7-Jährigen normale Erwachsenenwerte, während IgG2- und IgG4-Werte eher langsam ansteigen und erst bei Kindern von etwa 10 Jahren Erwachsenenwerte erreichen. Der IgG2-Unterklassenmangel ist der am häufigsten auftretende Unterklassenmangel bei Kindern, bei Erwachsenen fehlt häufig die IgG3-Unterklasse. Warum leiden Menschen an einem Immunglobulin-A-Mangel? Der Grund, warum Menschen an einem IgG-Unterklassenmangel leiden, ist noch nicht ausreichend erforscht. Derzeit ist es unmöglich, eine Prognose zu stellen, welche Patienten an einem vorübergehenden IgG-Unterklassenmangel leiden und bei welchen Patienten dieser Zustand chronisch ist. regelmäßigen Infektionen, während sie bei anderen erst später auftreten. Oftmals fällt einem Hausarzt der IgG-Unterklassenmangel dann auf, wenn bei einem Kind wiederholt Ohrinfektionen auftreten. Später können dann wiederkehrende oder chronische Nebenhöhlenentzündungen, Bronchitiden und/oder Lungenentzündungen auftreten. Welche Behandlung kann helfen? Welche Symptome treten auf? Wiederkehrende Ohrinfektionen, Nebenhöhlenentzündung, Bronchitis und Lungenentzündung sind die am häufigsten beobachteten Krankheiten bei Patienten mit einem IgG-Unterklassenmangel. Einige der Patienten leiden ab ihrem zweiten Lebensjahr an 20 Die Behandlung der Infektionen erfordert im Allgemeinen Antibiotika. Das Ziel der Behandlung liegt in der Vermeidung permanenter Schäden von Ohren und Lungen und der Patient soll möglichst symptomfrei gehalten werden. Einige der Patienten benötigen außerdem eine Immunglobulin-Behandlung, um die Anzahl der Infektionen zu reduzieren. 21 Immunglobulin-Behandlung Wie funktioniert die Behandlung? Das Ziel der Immunglobulin-Behandlung ist der Ersatz fehlender Antikörper, die normalerweise für die Bekämpfung der Infektionen zuständig sind. Diese Ersatztherapie ist im Allgemeinen in regelmäßigen Abständen erforderlich. Immunglobulin ist ein anderer Name für Antikörper, der auch bei der Beschreibung der Behandlung Verwendung findet. Die Behandlung umfasst hohe Dosen von IgG und Spuren von IgA und IgM. Herstellung und Plasmasicherheit Immunglobuline werden aus gesundem Blutplasma hergestellt. Für die Produktion von Immunglobulinen ist eine große Anzahl an Spendern erforderlich und die Herstellung ist streng reguliert. Die Gesundheitsbehörden haben strenge Auflagen verfügt, um sicherzustellen, dass die Behandlungen so sicher und effektiv sind wie nur möglich. Personen, die Blutplasma spenden, müssen vollkommen gesund sein und das gespendete Blutplasma wird sorgfältig untersucht, um so Infektionserreger zu bestimmen, die Krankheiten wie Hepatitis (Leberinfektion) und HIV (Human Immunodeficiency Virus) auslösen können. In der Theorie besteht die Möglichkeit, dass Virusinfektionen im Blut des Spenders an Patienten weitergegeben werden, die eine Immunglobulin-Behandlung erhalten, auch wenn alle Blutspenden und das Plasma gründlich untersucht werden. Theoretisch stellen diese Blutplasmen ein potenzielles Risiko für die Weitergabe von Krankheiten dar, die über das Blut übertragen werden, wie z. B. Hepatitis, HIV, vCJD (Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) oder andere, noch nicht entdeckte Krankheiten. Verschiedene Möglichkeiten der Behandlung Immunglobulin-Behandlungen können entweder als intravenöse oder subkutane Infusionen gegeben werden. Intravenöses Immunglobulin (IVlg) wird direkt in eine Vene verabreicht, während subkutanes Immunglobulin (SClg) unter die Haut verabreicht wird. Beide Therapien können sowohl im Krankenhaus als auch zu Hause durchgeführt werden. Darüber hinaus muss der Herstellungsprozess aus mindestens zwei getrennten Verfahren bestehen, die speziell entwickelt wurden, um das Risiko einer Infektionsübertragung so gering wie möglich zu halten. Manche Immunglobuline werden sogar in drei voneinander unabhängigen Schritten hergestellt. Nach der Herstellung werden Immunglobuline zusätzlichen Labortests unterzogen, um so das Risiko von Verunreinigungen zu minimieren. Alle schließlich für die Behandlung eingesetzten Immunglobuline haben diese Qualitäts- und Sicherheitsüberprüfungen erfolgreich durchlaufen. 22 23 Häufig gestellte Fragen Darf ich rauchen? Sie sollten nicht rauchen, da bei Patienten mit eingeschränktem Immunsystem das Risiko für Lungenschäden höher ist. Wenn Sie besonders anfällig für Infektionen von Nase, Nebenhöhlen oder Lungen sind oder regelmäßig an Lungenentzündungen erkranken, könnten Ihre Lungen durch die schädlichen Bakterien oder Viren Langzeitschäden davontragen. Das Rauchen erhöht Ihr Risiko für die Entwicklung dauerhafter Schäden umso mehr, je älter Sie werden. Beeinflusst PID meine Arbeitsplatzentscheidung? Bestimmte Orte mit einem besonders hohen Infektionsrisiko, wie z. B. Kindergärten, können für Menschen mit einem schwachen Immunsystem ein zusätzliches Risiko darstellen. Wie sieht es mit Sport aus? Die gute Nachricht ist: Wird Ihre PID gut behandelt, können Sie einem aktiven Lebensstil nachgehen. Schwimmen, Radfahren und Wandern sind gut für die Lunge, den Muskelaufbau und die Gesamtkondition. Fragen Sie vorher unbedingt Ihren behandelnden Arzt, welche Sportarten Sie betreiben dürfen und welche nicht. Muss mein Zahnarzt Bescheid wissen? Ja. Wenn Sie umfangreiche Zahnbehandlungen oder eine Operation benötigen, kann unter Umständen die Gabe eines zusätzlichen Antibiotikums erforderlich sein. Das muss unbedingt vorher mit Ihrem behandelnden Arzt abgeklärt werden. Gibt es allgemeine Ratschläge für Immunglobulin-Behandlungen? Vor dem Beginn der Behandlung sollte man viel Flüssigkeit zu sich nehmen, um Kopfschmerzen zu vermeiden. Nach Beendigung der Behandlung sollte man mindestens weitere 24 Stunden Flüssigkeit zu sich nehmen. Nachdem die Behandlung abgeschlossen ist, 24 können Symptome wie Kopfschmerzen, Fieber oder Schüttelfrost auftreten. Ihr Behandlungszentrum wird Ihnen Empfehlungen dafür aussprechen, was Sie tun müssen, wenn diese Symptome auftreten. Sollten die Symptome während des darauffolgenden Tages nicht abklingen, sollten Sie Ihren Arzt davon in Kenntnis setzen. Kann ich Auslandsreisen unternehmen? Wenn es Ihnen gut geht, stellen Auslandsreisen im Allgemeinen kein Problem dar. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt, wenn Sie ungewöhnliche Orte besuchen oder für einen längeren Zeitraum verreisen möchten – oder wenn Sie unsicher sind, welche Impfungen Sie benötigen. Was ist ein Infektionstagebuch? In einem Infektionstagebuch können Sie Ihre verschiedenen Krankheiten aufzeichnen, auch unbedeutende, und dieses Buch dann Ihrem Arzt vorlegen. Die Häufigkeit dieser Erkrankungen kann die von Ihrem Arzt verschriebene Behandlung beeinflussen. Das Ziel einer Behandlung liegt in der Reduzierung der Infektionshäufigkeit sowie der Vermeidung von Komplikationen und chronischen Infektionen. Wirkt sich PID auf die von mir erhaltenen Impfungen aus? Menschen mit PID sollten keine Lebendimpfstoffe erhalten, wie z. B. BCG (Tuberkulose), MMR (Masern, Mumps, Röteln) oder den oral verabreichten Polioimpfstoff (Kinderlähmung). Viele Menschen, die an einem Immundefekt leiden und vor dessen Diagnose bereits Impfungen erhalten haben, zeigten keinerlei Nebenwirkungen. Besprechen Sie sich diesbezüglich mit Ihrem Behandlungszentrum. Wie sieht es mit Blutproben aus? Das Medikament, das Sie erhalten, enthält eine Reihe von Antikörpern, die sich auf Blutproben auswirken können. Wenn Sie nach dem Erhalt einer Behandlung eine Blutprobe abgeben, klären Sie bitte die Arzthelferin oder den Arzt selbst über Ihre Erkrankung auf. 25 Glossar Anämie Leukozyten Eine niedrige Anzahl roter Blutkörperchen, weshalb das Blut weniger Sauerstoff befördern kann. Weiße Blutkörperchen, die den Körper gegen ansteckende Krankheiten und Fremdstoffe verteidigen. Das beinhaltet Monozyten/Makrophagen, Lymphozyten und Granulozyten. Antikörper Von B-Zellen abgesonderte Proteine, die eindringende Mikroorganismen neutralisieren. Werden auch Immunoglobuline genannt. Bakterien Lymphozyten Leukozyten in Blut und lymphatischem Gewebe, wie beispielsweise in Milz und Lymphknoten. Lymphozyten werden in zwei Hauptgruppen eingeteilt: B-Zellen und T-Zellen. Einzellige Organismen (oder Mikroorganismen), die nur unter einem Mikroskop sichtbar sind. Obwohl einige Bakterien nützlich sein können, verursachen viele andere beim Menschen Krankheiten. Makrophagen B-Zellen Mikroorganismen Eine Art von Lymphozyt, der sich zu einer Antikörper produzierenden Zelle entwickeln kann. Ein Sammelbegriff für Viren, Bakterien und Pilze. Zytokine Monozyten Signalchemikalien oder Neurotransmitter im Immunsystem, die bestimmte Zellen stimulieren oder blockieren. Große Leukozyten im Blut, die eindringende Bakterien und Fremdkörper aufnehmen und neutralisieren können. vCJD T-Zellen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, eine degenerative neurologische Erkrankung (Gehirnkrankheit), die durch ein abweichendes Prionenprotein (atypischer körpereigener Einweißkörper mit virusähnlichen Eigenschaften) verursacht wird. Eine Art von Lymphozyt. Große Leukozyten im menschlichen Gewebe, die eindringende Bakterien und Fremdkörper vernichten und neutralisieren können. Thrombozytopenie Rote Blutkörperchen, die Sauerstoff im Körper transportieren. Ein Zustand, bei dem eine reduzierte Anzahl an Blutplättchen (Zellen, die bei der Blutgerinnung eine Rolle spielen) im gesamten Körper für spontane Blutungen kleiner Blutgefäße sorgen kann. Granulozyten Impfung Eine Kategorie der Leukozyten, die Angreifer vernichten und abbauen. Ein toter oder zerfallener Virus, der das Immunsystem zur Produktion schützender Antikörper anregt. Erythrozyten Immunglobuline Siehe Antikörper. Virus Eine winzige Mikrobe, die sich in lebenden Zellen fortpflanzt und ansteckende Krankheiten verursachen kann. 26 27 Wo finde ich weitere Informationen? Notizen www.jmfworld.org Die Jeffrey Modell Foundation (JMF) wurde von Vicki und Fred Modell in Gedenken an ihren Sohn Jeffrey gegründet, der im Alter von 15 Jahren aufgrund seines primären Immundefekts an einer Lungenentzündung verstarb. Die JMF setzt sich für eine frühe und präzise Diagnose, vielversprechende Behandlungsmethoden und ein erhöhtes Bewusstsein der Menschen für PID ein. www.esid.org ESID ist die Abkürzung für European Society for Immunodeficiencies. Deren Hauptziele liegen in der Förderung des Ideen- und Informationsaustauschs unter Ärzten, Krankenschwestern, Forschern der Biomedizin, Patienten und Familien mit PID sowie der Forschung über Ursachen, Mechanismen und Behandlung dieser Krankheiten. www.dsai.de Die Deutsche Selbsthilfe Angeborene Immundefekte e. V. (DSAI) wurde 1991 aus einer Patienteneltern-Initiative heraus gegründet und ist Mitglied der IPOPI (Intern. Patient Organisation for Primary Immunodeficiency). Ziel ist es, die seelischen Bedürfnisse Betroffener und deren Angehöriger aufzufangen und den persönlichen Erfahrungsaustausch zu fördern. Wissensvorsprung durch den weltweiten Erfahrungsaustausch, Verständnis bei der Bevölkerung und den Ärzten und frühe Diagnose vor Ort sind weitere Schwerpunkte der DSAI. 28 29 Baxter bedankt sich bei der UK Immunology Community für deren Beitrag bei der Vorbereitung dieser Broschüre. Referenzen 1. Geha RS MD, Notarangelo LD MD, Casanova JL MD, et al. Primary immunodeficiency diseases: An update from the International Union of Immunological Societies Primary Immunodeficiency Diseases Classification Committee. J Allergy Clin Immunol; 2007; 120(4): 776 – 794 2. Gustafson R M.D, PhD. Baxter Medical AB, Kista and at the Immunodeficiency Unit, Karolinska University Hospital, Huddinge, Stockholm 3. Immune Deficiency Foundation (IDF). Illustration and part of the text are taken from the family handbook. Available at: http://www.primaryimmune.org/publications/book_pats/book_pats.htm 4. Cunningham-Rundles C. Blood, published 23 March 2010, 10.1182/blood-2010-01-254417 5. International Patient Organisation for Primary Immunodeficiencies. Available at: http://www.ipopi.org/pid-info/list-of-some-primary-immunodeficiencies.html 30 31 www.immundefekt.com www.baxter.de BITB0042SUB1010 Baxter Deutschland GmbH Edisonstraße 4 85716 Unterschleißheim