Immundefekte Bakk-Modul Immunologie Prof. Dr. Albert Duschl Survival of the Fittest I have called this principle, by which each slight variation, if useful, is preserved, by the term Natural Selection. Charles Darwin in "The Origin of Species" Zentrale Selektionskriterien Verletzung Reaktion: Reparatur Nahrungsmangel Reaktion: Entgiftung, Intelligenz, Kommunikation Schädigung der DNA Reaktion: DNA-Reparatur, Menopause, Tod Krebs und Virusbefall Reaktion: Adaptive Immunabwehr - CTL Bakterieninfektion Reaktion: Angeborene und adaptive Immunabwehr – PRR, Antikörper Parasiten Reaktion: Antiparasitische Immunabwehr - IgE Freßfeinde Reaktion: Kampf oder Flucht Homo erectus (?) aus Dmanisi, Georgien. 1.77 Mio Jahre alt © Science 2013 Pathologische Entartung Ein korrekt funktionierendes Immunsystem ist ein wichtiger Selektionsvorteil. Das Immunsystem kann jedoch auch auf unterschiedliche Arten in seiner Funktion versagen: INAKTIVITÄT: Keine oder nicht ausreichende Abwehr gegen Parasiten, Bakterien, Viren oder Tumorzellen. Beipiele: Chronische Parasitosen, unkontrollierte Infektionen, Krebs, AIDS, SCID. ÜBERAKTIVITÄT: Zu starke Reaktion auf einen tatsächlich bedrohlichen Stimulus. Beispiele: Septischer Schock, Pfortaderverschluß bei Bilharziose. FALSCHE REAKTION: Unangemessene Wahl der Reaktion gegen einen gefährlichen Erreger. Beispiele: Lepra, Tuberkulose, Flußblindheit, humorale Reaktion gegen Viren. IRRTÜMLICHE REAKTION: Reaktion gegen harmlose, nicht bedrohliche Stimuli. Beispiele: Allergie, Asthma, Autoimmunität, abiotische Entitäten. Fehlendes Immunsystem Starke angeborene Defekte bezeichnet man als Severe Combined Immune Deficiency (SCID). RAG (RAG-1 oder RAG-2), ADA (Adenosin Deaminase) und PNP (Purin Nucleosid Phosphorylase) Defekte resultieren alle in Tund/oder B-Defizienz. RAG und ADA werden für TCRund BCR-Reifung benötigt. PNP wird für Purinabbau benötigt, sein Fehlen führt zur Akkumulation von deoxy-GTP, was T-Zelltoxisch ist. © Abbas/Lichtman/Pober: Cellular and Molecular Immunology Weiter fehlendes Immunsystem Btk (Brutons Tyrosine Kinase) ist für B-Zell Differenzierung wichtig. gc (common gamma) wird für TZell Differenzierung benötigt, als Komponente des IL-7 Rezeptors. MHC II Defekt resultiert in Bare Lymphocyte Syndrome. TAP-1/2 sind für die Beladung von MHC I mit Peptiden erforderlich. In beiden Fällten fehlen TCR Bindungspartner. In DiGeorge Syndrom fehlt ein Stück von Chromosom 22. Neben anderen Defekten tritt Verlust der Thymusentwicklung ein. © Abbas/Lichtman/Pober: Cellular and Molecular Immunology Etc. Immundefizienz erfordert eine genaue Differenzialdiagnose jede Mutation ist anders. Man kann dabei auch viel über die Funktionen einzelner Komponenten des Immunsystems lernen: Das beste Modell für den Menschen ist der Mensch. © Paul: Fundamental Immunology Nicht funktionsfähiges Immunsystem Auch wenn alle Zelltypen vorhanden sind, kann die Immunaktivierung gestört sein. Phänotypen wie die MHC/TAPDefekte sind wirken sich aus auch wenn alle Lymphozyten vorhanden sind, ebenso Defekte der TCRSignalübertragung. Letzeres imitiert man ja mit Cyclosporin A. CD40/CD40L-Interaktion ist ein obligates Signal für Klassenwechsel. CD40L Defekte führen zu Hyper IgM-Syndrom. Andere Defekte betreffen spezielle Isotypen. © Abbas/Lichtman/Pober: Cellular and Molecular Immunology Mausmodelle Viele Immundefekte können in Mäusen reproduziert werden, die dann steril gehalten werden müssen. Eine Anwendung dafür ist die Implantation menschlicher Immunzellen und anderer Gewebe, die nicht abgestossen werden können. Oft verwendet man die RAG2-/- Maus, die keine VDJ-Rekombination durchführen kann, oder die nu/nu-/- Nacktmaus, die keinen Thymus und kein Fell hat, weil ein Transkriptionsfaktor fehlt. Das rechts ist aber eine normale BALB/c Maus. © Grunewald und Duschl Erworbene Immunschwächen Am bekanntesten: AIDS Am häufigsten: Unterernährung Am unterschätztesten: Alter Als Immunschwäche kann man es auch auffassen wenn das Immunsystem auf einen gesundheitsbedrohenden Zustand nicht reagiert. Ein zentrales Beispiel: Krebs. Cytotoxische T-Lymphozyten können entartetes Self zerstören, wie virusbefallene Zellen oder auch Krebszellen. Wenn sie das nicht tun liegt eine Art von Immunschwäche vor. Man kann Krebs daher als eine Immunerkrankung auffassen. Mehr dazu im Doktorandenkolleg „Immunity in Cancer and Allergy“: http://www.unisalzburg.at/index.php?id=25440&MP=77-44794&L=1 Krebs und Immunität Über die Mechanismen der zellulären Immunität gäbe es Möglichkeiten um alle Krebszellen zu zerstören. Daß dies nicht geschieht ist ein Fall irrtümlicher Toleranz. Ein wesentliches Problem der Krebsabwehr ist die weitgehende Identität der Tumorzellen mit normalem Self, vor allem am Anfang der Tumorentstehung. Es gibt nur wenige geeignete Antigene. Im Verlauf des Tumorwachstums findet eine Selektion zugunsten von Tumorzellen statt, die Immunabwehrreaktionen ausweichen können. Gleichzeitig wird durch die Verschlechterung des Gesundheitszustandes das Immunsystem geschwächt. Neu aufkommende Antigene können oft nicht mehr bekämpft werden. Apoptose wird unmöglich (Problem der Cytostatika- und StrahlenTherapie). © both figures: Mahon and Tice: Clinical Laboratory Immunology Tumorförderung ?! Entzündung kann Tumore begünstigen. Tumor-assoziierte Makrophagen (TAM) können Gewebeheilung (Proliferation!) unterstützen und Angiogenese fördern. Tumore selber können über intrinsische Aktivität von Onkogenen die Produktion von immunsupprimierenden aber auch von aktivierenden Cytokinen und Chemokinen aufnehmen. Manche Viren machen das auch (e.g. IL-10 Homologe in Cytomegalovirus (CMV) und Epstein-BarrVirus (EBV)). Da Entzündung im Rahmen von Wundheilung auch Restrukturierung von Gewebe (Tissue Remodeling) unterstützt, kann die Durchbrechung von Gewebegrenzen und damit die Entwicklung von Malignität gefördert werden. Wachstumsfördernde Cytokine und Chemokine aus Tumor- und Immunzellen unterstützen auch die Neuansiedlung von Metastasen. © Mantovani et al., Nature 454:436 (2008)) Entzündung ►Krebs ?? Führt Entzündung automatisch zu Krebs, also auch in Abwesenheit eines Karzinogens? Die bei Entzündung entstehenden Sauerstoffradikale wären gute Kandidaten für einen solchen Mechanismus. Pro: IL-10 knockout Mäuse mit spontaner Darmentzündung haben 4-5x mehr DNA Mutationen als normale Mäuse (Sato et al., Carcinogenesis 27:1068 (2006)). Contra: Psoriasis, eine TH1/TH17-vermittelte, chronisch entzündliche Hauterkrankung führt nicht zu höherem Risiko für Hautkrebs. Conclusio: Es ist gut sich daran zu erinnern dass „Entzündung“ ein komplexer Vorgang ist der unterschiedliche Reaktionen umfasst. Außerdem sollte man nie zu früh nur auf ein Pferd setzen. © Sidney Harris: Einstein Simplified