126 48. ZELLULÄRE UND MOLEKULARE MECHANISMEN VON ENTWICKLUNG (Lodish: Seite 1084-1139) (Alberts: Seite 668-679) Genomische Äquivalenz = gleicher Genom - unterschiedlicher Phänotyp basiert auf unterschiedlicher Genexpression Frühe Entwicklung von Säugetieren (Abb. 48.1.) Zygote (= befruchtetes Ei) → erfolgreiche Zellteilung → totipotente Zelle → Morula → Differenzierung → Blastocyste (= Trophoblast + innerer Zellmaß) → Organogenese Abbildung 48.1. Die frühe Phase der Entwicklung von Säugetieren.. Zelluläre Prozesse von Entwicklung Zellproliferation Serie von mitotischen Zellteilungen kurze Zyklen Determination = Engagement für eine bestimmte Entwicklungsrichtung wird in der Tochterzellen geerbt basiert auf Zellgedächtnis - Cytoplasmatisches Gedächtnis = Produktion von Transkriptionsfaktoren Produkte von Selektionsgene - autokrines Gedächtnis - nucleäres Gedächtnis ist auf erblichen Chromatinänderungen basiert z.B. X Chromosom-Inaktivierung genomische Imprinting (Prägung) Differenzierung = phänotypische Veränderungen in eine bestimmte Entwicklungsrichtung terminale Differenzierung Zellbewegungen Zellmigration ist wichtig für Morphogenese programmierter Zelltod (Apoptose) → Elimination von unerwünschten Zellen Musterbildung (pattern formation) ist auf positionsabhängiger Determination von Zellen basiert Morphogen-Gradienten sind wichtig 127 Signalübetragung und embryonale Entwicklung verschiedene Formen von Signalisierung - direkte Zell-Zell-Kommunikation (z.B. gap junctions) - Zell-Matrix Kommunikation (z.B. Integrine) - Signalisierung durch Wachstumsfaktoren EGF → epidermale Zelle PDGF →glatter Muskelzelle, Gliazelle FGF → Mesoderm-Induktion Aktivin → Mesoderm-Induktion IGF → skeletale Elemente Homöotische Selektor-Gene (Abb. 48.2.) → Kode für die wichtige Regulatorproteine (Helix-Knick-Helix Transkriptionsfaktoren) enthalten Homöoboxe → Kode für DNA-bindende Homöodomäne Abbildung.48.2.Homöotische Genclusters in Drosophila (A.) und in der Maus (B.). C. Distribution der Expression von Hox-Genen im Zentralnervensystem und in Segmenten vom Mausembryo. Kongenital Abnormitäten von Entwicklung = abnormale Morphogenese Knorpelbildungsstörung (Achondroplasie) → vererbter Zwergwuchs Kraniosynostose-Syndrom = Fusion von Schädelnähten Albright-Syndrom = hereditäre Osteodystrophie FGF-Rezeptor-Mutationen 128 Mutation in GSα-Genen kombinerter hypophysär Hormonmangel →Zwergwuchs verursacht durch Mutation in homöotischem Gen (Pit-1) Hirschprung-Krankheit = Megacolon congenitum verursacht durch mutationale Inaktivierung von einem spezifischen Tyrosin-Kinasegekoppelten Rezeptor → abnormale Innervation von dem Dickdarm → Obstruktionen 129 49. APOPTOSE (Lodish: Seite 1128-1134) (Alberts: Seite 628-630) Apoptose = programmierter Zelltod kann physiologisch und pathologisch sein Nekrose und Apoptose (Abb. 49.1.) Nekrose verursacht durch ernste chemische oder physische Beschädigungen Schwellen von Zelle Verdichtung des Chromatins Beschädigung der Membran Entzündung Apoptose Schrumpfen von Zelle Verdichtung des Chromatins, internucleosomale DNA-Fragmentation keine Entzündung apoptotische Körperchen → werden phagozytiert Abbildung.49.1. Morphologische Eigenschaften von Nekrose und Apoptose. Die physiologische Rolle von Apoptose - Entwicklung (Elimination von unerwünschten Strukturen) - Homöostase von Gewebe - Involution von Gewebe - physiologisches Altern 130 Die Phasen von Apoptose (Abb. 49.2.) 1. Initiation äußerliche Stimuli: z.B. Tumornekrosefaktor-α (TNFα) → Todesrezeptor Wachstumsfaktor-Entzug 2. Signalübertragung (Signalweg) Signalproteine sind beteiligt: z.B. Adapterproteine Bcl-2 - antiapoptotisch p53 - induziert durch DNA-Beschädigung → löst Apoptose aus Mitochondrien spielen eine zentrale Rolle (Abb. 49.3.) apoptotische Signale → proapoptotische Proteine der Bcl-2 Familie (Bax, Bad) → Freisetzung von Cytochrom c aus Mitochondrien → Apoptosom 3. Effektor-Phase Exekutoren: Caspasen (proteolytische Enzyme) Zielproteine z.B. Lamine → Kondensation von Chromatin Aktin-Bindende Proteine, Intermediärfilamente → Veränderungen vom Cytoskelett Nucleäre Proteine → veränderte Genexpression DNase → DNA-Fragmentierung 4. Degradationsphase beendet mit Phagocytose Abbildung. 49.2. Die Phasen von dem programmierten Zelltod.. 131 Abbildung 49.3.Die Rolle von Mitochondrien in Apoptose 132 Krankheiten von Apoptose zu viel Apoptose → AIDS Alzheimer-Krankheit Parkinson-Krankheit Alkoholische Leberschäden usw. zu wenig Apoptose → Tumoren Autoimmunkrankheiten Virus-Krankheiten usw. 133 50. TUMORBIOLOGIE I: DIE TUMORZELLE (Molekulare Zellbiologie: Seiten 1140-1143) Klassifikation der Tumoren benigne (gutartige) Tumoren maligne (bösartige) Ttumoren Invasion, Metastase Karzinom = epithelialer Tumor Sarkom = mesodermaler fester Tumor Leukämie = Blutzelltumor Lymphom = Immunzelltumor Morphologie der Tumorzellen differenzierter Tumor dedifferenzierter (anaplastischer) Tumor Veränderung des Zellkerns hoher mitotischer Index Euchromatinisierung nucleoläre Abnormalitäten (Hypertrophie usw.) Hypersegmentierung des Zellkerns Pseudoinklusionen Karyopyknose, Karyolyse, apoptotische Veränderungen cytoplasmatische und membranabänderungen Mitochondriendegeneration endoplasmatisches Reticulum ↓ → freie Ribosomen ↑ Desmosomen ↑ Cytoskelett-Neuordnung Funktionale Merkmale der Tumorzellen Transformation von Kulturzellen (Abb. 50.1.) maligne Transformation Fokusse Abbildung 50.1 Maligne Transformation von Kulturzellen. 134 Das Verhalten der Tumorzellen Verschwindung der Kontaktinhibition verminderte Wachstumsfaktordependenz autocrine Stimulierung Verankerungsunabhängigkeit Das Fehlen von anoikis → Metastase Immortalität Telomerase-Expression Verlust von Fähigkeit um sich der Apoptose zu unterziehen Veränderungen in der Genexpression z.B. Matrixproteasen ↑ → Invasion Stimulation von Angiogenese Sekretion von angiogenetischen Faktoren (z.B. VEGF, FGF) 135 51. TUMORBIOLOGIE II: ONKOGENE DNA VIREN (Cooper: Seiten 618-621) Onkogene Viren in Kulturen: maligne Transformation in vivo: Tumorbildung ihre genetische Information wird in das zelluläre Genom integriert DNA oder RNA Viren Onkogene DNA Viren SV40 und Polyoma Virus Virusgenom (Abb. 51.1.) kleine, zirkuläre, doppelsträngige DNA frühere Region → Frühproteine (grosses T, /mittleres T/, kleines t) späte Region → Virionproteine Abbildung 51.1. Genomstruktur von SV40/Polyoma Virus (die Pfeilen weisen auf die Richtung der Transkription) Konsequenz einer viralen Infektion (Abb. 51.2.) lytische Infektion in permissiven Zellen Virusreplikation findet statt permanenteTtransformation in nichtpermissiven Zellen keine Virusreplikation stabile Integration der viralen DNA Adenoviren lineare, doppelsträngige DNA frühe und späte Gene lytische Infection oder Transformation Hepatitis B Virus akute Hepatitis → chronische Hepatitis → Zirrhose → hepatozelluläres Karzinom Papillomaviren Einige verursachen benigne Warzen 136 Abb 51.2. Infektionszyklus von SV40. A. lytische Infektion in permissiven Zellen; B. permanente Transformation in nicht-permissiven Zellen. Bestimmte Typen verursachen Cervixkarzinom, anogenitale Krebsarten Die Verbreitung erfolgt durch sexuellen Kontakt frühe und späte Gene (Abb. 51.3.) transformierende Proteine inaktivieren Tumor Suppressor Proteine (p53, Rb) 137 Abbildung 51.3. Genomstruktur von HPV-16, ein humanes, Cervixkarzinom verursachendes Papillomavirus. (E1-E7, Produkte der frühen Regionen; L1-L2, Produkte der späten Regionen; die Pfeilen weisen auf den Startpunkt und Richtung der Transkription.) Herpesviren Grosses Genom Epstein-Barr Virus (EBV) verursacht Mononucleosis infectiosa kann Burkitt-Lymphom verursachen Herpesvirus assoziiert mit Kaposi-Sarkom Kaposi-Sarkom: oft assoziiert mit AIDS Virus kodiert für: - angiogener Wachstumsfaktor - Zyklin - antiapoptotisches Protein 138 52. TUMORBIOLOGIE III: ONKOGENE RNA VIREN (Cooper: Seiten 622-625) Retroviren (Abb. 52.1.) enthalten reverse Transkriptase Hülle: Phospholipid Doppelschicht + Env Protein Nukleokapsid: 2 RNA Molekülen + Gag Protein + reverse Transkriptase Abbildung 52.1. Die Struktur der Retroviren. Abbildung 52.2. Der Infektionszyklus von Retroviren 139 Der Infektionszyklus von Retroviren (Abb. 52.2.) Virus adsorbiert an die Zelloberfläche → Fusion mit der Zellmembrane → Genome wird reverse transkibiert → doppelsträngige cDNA (LTR Sequenzen an beiden Enden) → Transport zum Nukleus → Integration in das Wirtsgenom → Provirus →Transkription → Translation → Anhäufung von neuen Viruspartikeln → freigesetzt durch Sprossen Infektion ist normalerweise nicht-lytisch Die Zellen können transformiert werden endogene Retroviren Stark onkogene und schwach onkogene Retroviren stark onkogene Viren z.B.: Rous Sarkomvirus (RSV) rapide Onkogenese polyklonaler Tumor transformiert Zellen in Kulturen enthält Onkogene schwach onkogene Viren z.B.: Avian Leukaemia Virus (ALV) langsame Onkogenese monoklonaler Tumor keine Zelltransformation in Kulturen enthält keine Onkogene Retrovirale Onkogene Transformation-defectives RSV (td RSV) Mutant Bishop-Varmus Experiment (Abb. 52.3.) Abbildung 52.3. Das Bishop-Varmus Experiment: Identifizierung des v-src Onkogenes. 140 retrovirale Onkogene (z.B.: v-src) Protoonkogene (z.B.: c-src) ALV Genom: 5'-LTR-gag-pol-env-LTR-3' (Abb. 52.4.) RSV Genom: 5'-LTR-gag-pol-env-src-LTR-3' andere retrovirale Onkogene: myc, erbA, erbB, jun, fos, abl, raf, ras, sis Abbildung 52.4. Genkarte des Provirus vom Avian Leukemia Virus (ALV) und vom Rous Sarkomvirus (RSV). Herkunft der retroviralen Onkogene (Abb. 52.5.) Infektion durch schwach onkogene Retroviren → Integration → Transkription → Virusgenom erhält ein zelluläres Protoonkogen (Transduktion) (Abb. 52.6.) Abbildung 52.5. Die Herkunft eines tranduzierenden Retrovirus (Ugag bedeutet ein teilweise gelöschtes gag Gen). 141 Abb 52.6. Formation des Genoms vom Abelson Murine Leukemia Virus durch Transduktion. Humane Retroviren HTLV1 und 2 (= human T cell leukaemia virus) verursacht Leukämie HIV (= human immunodeficiency virus) verursacht AIDS endogene humane Retroviren können autoimmune Krankheiten verursachen (z.B.: SLE, Sjögren Syndrom) 142 53. TUMORBIOLOGIE IV: ZELLULÄRE ONKOGENESE (Cooper: Seiten 624-635) Transfektionsexperimente mit der DNA von: - RSV-transformierten Zellen - nicht-viralen Tumoren - natürlich vorkommenden humanen Tumoren Abbildung 53.1. Klonierung vom ersten humanen zellulären Onkogen. 143 das erste humane Onkogen (Abb. 53.1.) aus Blasentumorzellen konstitutiv aktive rasH Gene → die GTPase Aktivität von RasH ist verloren →konstitutiv aktives RasH Mechanismus der Onkogenaktivation Punktmutation z.B.: rasH – Blasentumor, Hautkrebs usw. rasK – Dickdarmtumor, Bauchspeicheldrüsenkrebs, usw rasN - Neuroblastom, Leukämie neu - Neuroblastom insertionale Mutagenese (Abb. 53.2.) wird durch die Integration des Provirus eines schwach onkogenem Retrovirus verursacht z.B.: ALV → c-myc Überexpression Abbildung 53.2. Aktivation des c-myc Protoonkogenes durch insertionale Mutagenese nach der Infektion mit dem Avian Leukemia Virus. Translokation chronische myeloische Leukämie Philadelphia Chromosom (Abb. 53.3.) reziprokale Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 → bcr/abl Fusionsgen → konstitutiv aktives Brc/Abl Fusionsprotein 144 bcr (= breakpoint cluster region) Burkitt Lymphom Ig Promoter/c-myc Fusionsgen → c-Myc ist überexpressiert viele andere B- oder T-Zellmalignitäten z.B.: follikuläres B-Zelllymphom bcl-2 → kodiert für ein antiapoptotisches Protein Abb 53.3. Formation des Philadelphia Chromosomes (A.) und das bcr/abl Fusionsgen (B.) durch reziprokale Translokation. 145 Abb 53.4. Der Mechanismus (A.) und chromosomale Erscheinung (B.) der Genamplifikation. Genamplifikation (Abb. 53.4.) → homogen gefärbte Region oder “double minute” Chromosomen z.B.:. N-myc Amplifikation in Neuroblastom neu/HER2 Amplifikation in Brustkrebs kodiert für einen EGF Rezeptor Zelluläre Onkogene: Zielpunkte der Tumortherapie Entwicklung von onkogenspezifischen, selektiven Antitumor-Medikamenten z.B.: Herceptin monoklonaler anti-HER2 Antikörper effektiv in neu/HER2 positivem Brustkrebs Glivec (Gleevec) Abl-spezifischer Tyrosine Kinase-Inhibitor wird bei der Philadelphia Chromosom positiven chronischen myeloischen Leukämie verwendet 146 54. TUMOR BIOLOGIE V: TUMORSUPPRESSORGENE (Lodish: Seite 1150-1157) (Alberts: Seite 631-632, 666) Identifikation von Tumorsuppressorgenen durch Zellfusion-Experimente Hybride von normalen Zellen und Tumorzellen → sind oft nicht-tumorigen → es gibt rezessive Onkogene Tumorsuppressorgene hemmen maligne Proliferation von Zellen durch - Übertragung in G0 Phase - Induzierung von terminaler Differenzierung - Verursachung von Apoptose führt zur Karzinogenese durch Funktionsverlustmutationen Identifikation von Retinoblastom (Rb)-Gen Retinoblastom Kindesalter Augentumor hereditäre Form autosomal dominante Vererbung früher Ausbruch bilaterale, mehrfache Tumoren sporadische Form keine familiäre Anhäufung später Ausbruch unilateraler, einzeler Tumor Knudson Hypothese = “two-hit” oder “zwei-Treffer-“ Hypothese hereditäre Form: ein Keimbahn-Mutation + ein somatische Mutation sporadische Form: zwei somatische Mutationen Klonierung von Rb-Gen (Abb. 54.1.) Abbildung 54.1. Demonstration von Tumorsuppressor-Funktion von Retinoblastom-Gen in der Nacktmaus. Die Rolle von Tumorsuppressorgenen in menschlichen Krebsen Rb Mutation beteiligt sich bei Retinoblastom, Osteosarcom, andere Tumoren hemmen Transcription von S Phase-Genen (Abb. 54.2.) p53 Mutation beteiligt sich bei mehrere Tumoren Kodiert ein Transkriptionsfaktor hemmt Zellzyklusprogression oder verursacht Apoptose "Wächter vom Genom" (Abb. 54.3.) 147 Abbildung 54.2.Der p53/Rb-Weg: Der Mechanismus der Aktivität von p53 (A.) und Rb Proteinen (B.). Abbildung 54.3 p53, der “Wächter vom Genom”. 148 Cdk Inhibitoren z.B. p16 Mutation in familiärem Melanom APC Mutation verursacht adenomatöse Polypose (Adenomatosis coli) → colorektaler Tumor Das Protein beteiligt sich bei Zelladhäsion WT1 Mutation verursacht Wilms Tumor (Kindesalter Nierenkrebs) Kode für einen Zinkfinger-Transkriptionsfaktor NF1 Mutation verursacht von Recklinghausen Neurofibromatose Kodiert ein Ras-GAP (Neurofibromin) BRCA1 und BRCA2 Ihre Mutationen verursachen familiären Brustkrebs PTEN (=Phosphatase und Tensin Homolog) Kodiert eine Lipidphosphatase → entgegenwirkt PI3K Deletion von PTEN → Inhibition von Apoptose → Tumor PTEN Mutationen sind häufig in verschiedenen Tumoren Mutator Gene Seine Produkte beteiligen sich bei DNA-Reparatur → Mutationen erhöhen genetische Instabilität→ erhöhen die Frequenz von Protoonkogen- oder Tumorsuppressorgenmutationen z.B. BRCA1 und 2, XP-Gene, Mismatch-Repair (Basenfehlpaarungsreparatur)-Gene 149 55. TUMOR BIOLOGIE VI: MEHRSCHRITT- KARZINOGENESE (Cooper: pages 609-614, 641-646) Mehrschritt-Karzinogenese = Tumoren werden durch mehrere Mutationen verursacht lange Latenz Risiken von meisten Krebsen wachsen mit Alter Experimentelle Karzinogenese: klonale Evolution von Tumoren (Abb. 55.1.) karzinogene Agenzien sind mutagenisch (genotoxisch) direkte und indirekte karzinogene Abbildung 55.1.Die klonale Evolution von Tumoren. 150 Die Stadien 1. Tumorinitiierung verursacht durch Mutation irreversibel 2. Tumorpromotion verursacht durch Tumor-Promotoren (Cokarzinogene) z.B. Phorbol Ester (stimuliert PKC → mitogenetischer Effekt) reversibel 3. Tumorprogression die initiierte Zelle wird bösartig karyotypische Instabilität → chromosomale Abnormalitäten irreversibel Klinische Stadien von Karzinogenese Ein Beispiel: Hautkrebs (Abb. 55.2.) initiierte Zelle → Epitheldysplasie → Karzinom in situ → invasives Karzinom (Sekretion von Matrix-Proteasen) → Metastase Abbildung 55.2. Die Stadien von Hautkrebs. 151 Onkogen-Kooperation in Karzinogenese = Kooperation zwischen Mutationen in zellulären Onkogenen und Tumorsuppressorgenen z.B. ras + myc wirken zusammen für - Maligne Transformation in Zellkulturen - Tumorigenese in transgenen Mäusen Ein Modell: Colonkarzinom (Abb. 55.3.) die häufigste Mutationen: - Ausfall des APC-Gens → familiäre adenomatöse Polypose - Aktivierung des rasK-Gens → Adenom - Deletion im Chromosom 18 - Inaktivierung des p53-Gens → malignes Colonkarzinom Abbildung 55.3. Genetische Änderungen in Colonkrebs . 152 Aktuelle Theorien von Tumorigenese Theorie der Genmutation (siehe oben) Der Tumor wird durch Akkumulation von Mutationen in Protoonkogenen und Tumorsuppressorgenen verursacht am weitesten akzeptiert Mutator-Phänotyp-Theorie frühe Inaktivierung von DNA-Reparaturgenen ist erforderlich “Alle-Aneuploidie” Theorie Der Tumor wird durch karyotypische Abnormalitäten verursacht Genmutationen sind nicht in der Karzinogenese involviert Es wird von die meisten Fachleuten nicht akzeptiert 153 56. EINFÜHRUNG IN DIE KLINISCHE GENETIK I: VERERBTE KRANKHEITEN Meiose (Abb. 56.1) diploide Zellen → haploide Gameten I. meiotische Teilung Trennung der homologen Chromosomen Paarung (Synapsis) der homologen Chromosomen Interphase Keine DNA-Replikation II. meiotische Teilung Trennung der Schwesterchromatiden Abbildung 56.1 Meiotische Zellteilung Genetische Grundbegriffe Gen = eine DNA-Region, die ein Protein oder ein stabiles RNA-Molekül codiert Allel = Zustandform eines Gens Locus = die Stelle eines Gens innerhalb eines Chromosoms homologe Chromosomen = Chromosomen eines Chromosomenpaares somatische Chromosomen und Sexchromosomen = Homozygot = trägt identische Allele an einem Locus an den homologen Chromosomen Heterozygot = trägt unterschiedliche Allele an einem Locus an den homologen Chromosomen Genotyp = Gesamtheit der Gene eines Organizmus Phenotyp = erscheinende Merkmale Monogener Erbgang = das Merkmal wird von einem Chromosomenpaar bestimmt Polygener Erbgang = das Merkmal wird von mehreren Chromosomenpaaren bestimmt Dominante Krankheit = das abnormale Allel ist stärker als das normale Allel Rezessive Krankheit = das abnormale Allel ist schwächer als das normale Allel Inkomplett dominante Krankheit = die normale und abnormale Gene sind gleich stark Monogene Krankheiten Autosomal dominante Erbkrankheiten Sind von Mutationen ausgelöst die zu Funktionsgewinn führen (gain-of-function Mutation) 154 Haben einen vertikalen Erbgangtyp (Abb. 56.2.; Abb. 56.3.) z.B. Achondroplasie Huntington-Krankheit Osteogenesis Imperfecta Abbildung 56.2Der Erbgang einer autosomal dominanten Krankheit, dargestellt im Punnett-Viereck. (A = abnormales Allel, a = normales Allel) Abbildung 56.3. Stammbaum einer autosomal dominanten Erbkrankheit Autosomal rezessive Erbrankheiten Sind von Mutationen ausgelöst die zu Funktionsverlust führen (loss-of-function Mutation) Haben einen horizontalen Erbgangtyp (Abb. 56.4., Abb. 56.5.) Die Rolle der Blutsverwandschaft z.B. Mukoviszidose lysosomale Speicherkrankheiten Phenylketonurie (Abb. 56.6.) = Phenylalanin-Hydroxylase Defizienz Albinismus = Tyrosin-Hydroxilase Defizienz Sichelzell-Anämie 155 Abbildung 56.4. Der Erbgang einer autosomal rezessiven Krankheit, dargestellt im Punnett-Viereck. (A = normal Allel; a = abnormal Allel). Abbildung 56.5. Stammbaum einer autosomal rezessiven Erbkrankheit. Abbildung 56.6. Enzymdefizienzien die zur Phenylketonurie und Albinismus führen. 156 X-chromosomal rezessiver Erbgang Kommt bei Männer viel öfter vor (Hemizygoten) Wird nicht vom Vater an Sohn vererbt (Abb. 56.7., Abb. 56.8.) z.B. Hämophilie A Duchenne-Muskeldystrophie Farbenblindheit Abbildung 56.7. Der Erbgang einer X-gekoppelten rezessiven Krankheit, dargestellt im PunnettViereck. (X*= X-Chromosom mit abnormalem Allel) Abbildung 56.8. Stammbaum einer X-gekoppelten rezessiven Erbkrankheit Polygene Erbkrankheiten Polygene Merkmale weisen eine Gauß Verteilung auf Multifaktorielle Abnormalitäten - Vererbung - Umweltfaktoren Zwillingsuntersuchungen - z.B. Diabetes mellitus - Hypertension - Schizophrenie 157 57. EINFÜHRUNG IN DIE KLINISCHE GENETIK II. CHROMOSOMALE ABNORMALITÄTEN Cytogenetische Methoden Karyotyp Analyse (Abb. 57.1.) Lymphocyten vom Blut → Kultivierung in der Anwesenheit von Mitogen (Phytohemagglutinin) → Colchicine → Metaphasechromosomen → Markierung → Photographierung → Karyotyp Bandentechnik (Abb. 57.2.) z.B. Giemsa-Färbung → markiert Heterochromatin Fluoreszenz in situ Hibridisierung (FISH) Zur Sichtbarmachung von: - Centromeren - Telomeren - ganzen Chromosomen - Einzelgenen Interphase Cytogenetik Vergleichende Genomhybridisierung (Abb.57.3.) Zum Nachweis von Deletionen und Duplikationen (Amplifizierungen) fluoreszenzaktivierter Zellsortierer ermöglicht eine schnelle Karyotypanalyse durch Chromosomenfraktionierung Abbildung 57.1. Der normale humane Karyotyp 158 Abbildung 57.2 Giemsa-Färbungsmuster von einem normalen humanen Karyotyp Abbildung 57.3 Das Prinzip der vergleichenden Genomhybridisierung 159 Der normale Karyotyp Denver-System(Abb. 57.1) 23 Paare: 22 autosomale Paare 1 Paar Sexchromosom (XX oder XY) metacentrische, submetacentrische, akrocentrische Chromosomen (Abb. 57.4) Abbildung 57.4 Die Struktur von metacentrischen (A), submetacentrischen (B) und akrocentrischen (C) humanen Chromosomen Strukturelle Chromosomenaberrationen Sind durch Brüche verursacht Typen: Deletion Inversion Translokation - reziproke Translokation - Robertson’sche Translokation Kommen häufig vor bei: - Krebs - congenitalen Krankheiten z.B. Lejeune-Syndrom (cri du chat) Numerische Chromosomenaberrationen Poliploidie (z.B. Triploidie) Aneuploidie - Monosomie - Trisomie Autosomale Chromosomenaberrationen Down-Syndrome (Trisomie 21) Wachstums- und mentale Retardation Congenitale Herz- und Nierenfunktionsstörung Verursacht durch - meiotische Nondisjunktion (Alter der Mutter) die Bedeutung der Robertson’sche Translokation (Abb. 57.5.) - mitotische Nondisjunktion Patau-Syndrom (Trisomie 13) Edwards-Syndrom (Trisomie 18) 160 Abbildung 57.5. Die 14/21 Translokation erhöht die Risiko für meiotische Nondisjunktion Sexchromosomenaberrationen Bestimmung des Geschlechts (Abb. 57.6.) zfy Gene auf dem Y Chromosom → codiert einen Zinkfinger Transkriptionsfaktor (Testis determining faktor) Inaktivierung des X-Chromosoms Ein X-Chromosom wandelt sich in Heterochromatin um (Sex-Chromatin, „Barr-body”) Klinefelter-Syndrom 44 + XXY nicht funktionierende Testis Azospermie → Infertilität Insuffizienz der Testosteron Produktion → weibliche Merkmale (z.B. Gynäcomastie) Turner-Syndrom 44 + X0 nicht funkzionierende Ovarien → Infertilität → niedrige Oestrogen Produktion → Primer Amenorrhoe niedriger Wuchs, infantile weibliche Merkmale 161 Multiple X-Syndrom 44 + 3-5X Störungen der Mestruation Doppeltes Y-Syndrom 44 + XYY Agressivität, antisoziales Verhalten, geistige Retardierung Abbildung. 57.6. Normale Determinierung des Geschlechts (A) und die Folgen der Nondisjunktion väterlicher und mütterlicher Geschlechtschromosomen. 162 58. MOLEKULARE MEDIZIN I. MOLEKULARDIAGNOSE Molekularmedizin - Molekulardiagnose Gentherapie Molekulardiagnose der vererbten Krankheiten Identifizierung der Punktmutationen Nachweis der Entstehung oder Beseitigung einer Restriktionsstelle (Abb. 58.1.) Durch Southern-Blot oder PCR z.B. Sichelzellanämie Hybridisierung mit Allel-spezifischen Oligonukleotiden (Abb. 58.2.) Dot-Blot Hybridisierung PCR (Abb. 58.3.) Mit Wildtyp- und Mutantenprimers Einzelstrang-Konformationspolymorphismus (single-strand conformational polymorphism (SSCP) Heteroduplexanalyse Sequenzanalyse z.B. DNA Chips Abbildung 58.1. Mst 11 Stellen (Pfeile) im normalen und mutanten β-Globin Gen (A.); Nachweis der Muation mit Southern-Blot (B.). Abbildung 58.2. Molekulardiagnose der Sichelzellanämie durch Hybridisierung mit Allel- spezifischen Oligonukleotiden 163 Abbildung 58.3. Molekulardiagnose der Sichelzellanämie durch Wildtyp- und Mutanten PCR Primer. Identifizierung von größeren Läsionen z.B. Deletionen, Translokationen, Inversionen, Insertionen Southern-Blot PCR (z.B. Multiple-PCR Abb. 58.4.) FISH Abbildung 58.4. Das Prinzip der Multiple-PCR. A. Exons (E1-E4) und Primerpaare; B. Bandenmuster der Gelelektrophorese von Multiple-PCR-Produkten normaler (1) und deletierter (2-4) DNA-Proben. Anwendung der genetischen Kopplungsanalyse (Abb. 58.5.) Kopplung zu einem polymorphischen genetischen Marker (z.B. Minisatelliten) 164 Abbildung 58.5. Molekulardiagnose mithilfe von Genkopplung: A. Stammbaum einer Krankheit mit X-chromosomal rezessivem Erbgang; B. VNTR-Analyse mit, für das betroffene Gen spezifischer, Mnisatelliten-Sonde. Anwendungen - Bestätigung der Diagnose - Screening der Heterozygoten - Pränatale Diagnostik - Preimplantationsdiagnose Molekulare Diagnose der Tumoren. Somatische (manchmal Keimzelle-) Mutationen der Protoonkogene und Tumorsuppressorgene z. B. bcr/abl Fusionsgene in CML (Abb. 58.6.) N-myc Amplifizierung bei Neuroblastoma (Abb. 58.7.) Abbildung 58.6. Identifizierung der Translokationsmerkmale des Philadelphia-chromosoms der DNA von CML-Zellen (die Kurze Pfeile deuten PCR Primers an). 165 Abbildung 58.7. Nachweis der N-myc Amplifizierung mit Southern-Blot Molekulare Diagnose der infektiösen Krankheiten. Schnell, senzitiv Southern-, Northern-Blot, PCR Diagnostische Kits sind zu erhältlich (z.B. Mycobacterium tuberculosis, Neisseria gonorrheae, Herpes simplex Virus, Hepatitis B Virus, Papillomavirus usw.) 166 59. MOLEKULARE MEDIZIN II. GENTHERAPIE Oligonukleotid-Therapie = Hemmung der Genexpression von bestimmten Genen durch komplementäre Oligonukleotide Antisense Oligonukleotide (Abb. 59.1.) Binden sich spezifische mRNA-Moleküle → verhindern ihre Funktion z.B. chronische myeloide Leukemie (CML) anti-bcr/abl Oligonukleotide verschiedene Tumore virale Infektionen (AIDS, Hepatitis usw.) bakterielle Infektionen Anti-Shine-Dalgarno Oligo Rybozyme Katalitische RNAs → Bindung und Abbau der Ziel-RNA z.B. AIDS, CML etc. Abbildung 59.1. Hemmung der HIV-Infektion durch Antisense-Oligonukleotide Gentherapie Durch Gensubstitution, -inaktivierung oder –korrektion Typen der Gentherapie ex vivo in situ in vivo in utero 167 Vektoren für Gentherapie Virale Vektoren Retroviren (Abb. 59.2.) Adenoviren (Abb. 59.3.) Adenoassoziierte Viren Nichtvirale Vektoren Nackte DNA Liposomen Abbildung. 59.2. Gentherapie mit einem retroviralen Vektor 168 Abbildung 59.3. Gentherapie mit Adenovirus-Vektor Klinische Versuche 1990 – die erste humane Gentherapie Adenosine-Deaminase Defizienz → ex vivo Einführung von ADA-cDNA in Lymphozyten Gentherapie der somatischen Zellen = die Zielzellen sind somatische Zellen → wird nicht vererbt Gensubstitution Für mutationen die zu einem Fukntionsverlust führen z.B. ADA-Defizienz cystische Fibrose familiäre Hypercholesterinämie Hämophilie 169 Selbstmord-Gene → Tumoren DNA-Vakzine Geninaktivierung (K.O.) Genkorrektion Für Mutationen die zum Funktionsgewinn führen Gentherapie der Keimzellen Keimzellen sind betroffen → wird vererbt Ist nicht zugelassen!