34 Tier BAUERNBLATT | 23. April 2016 ■ Erfolgreich füttern: Risiko für Atemwegserkrankungen minimieren Holsteiner Kälberstall als Pultdachlösung Einen Kälberstall, der jegliches Auftreten von Atemwegserkrankungen verhindern kann, wird es wohl niemals geben. Wichtig ist es, das Risiko dafür zu minimieren. Der Stallbau bietet einige Möglichkeiten, die Gesunderhaltung der Atemwege zu unterstützen. Dazu gehören beispielsweise die Verhinderung von Zugluft im Liegebereich der Kälber durch Kälbernester oder die Möglichkeit, einen Stall unkompliziert und schnell entmisten zu können, um Ammoniakausdünstungen vorzubeugen. Diese Voraussetzungen können durch zwei Entmistungsachsen pro Buchtenreihe geschaffen werden. Beide Merkmale erfüllt der Holsteiner Kälberstall. Trotzdem kann es zu Atemwegserkrankungen kommen, die sich über den gesamten Bestand im Stall ausbreiten können. Woran liegt es? Wir können davon ausgehen, dass sich in jedem Stall auch Erreger befinden, die Atemwegserkrankungen hervorrufen können. Ob es zu einer Infektion kommt, hängt, wie jeder weiß, von einer ganzen Reihe von Voraussetzungen ab. Die erste und wichtigste Voraussetzung ist ein gut funktionierendes Immunsystem. Um das Immunsystem ausreichend aktivieren zu können, müssen die Kälber optimal ernährt sein. Dieser Fakt wird noch sehr häufig unterschätzt. Trotzdem reicht dies alleine nicht immer aus. Beim Vorhandensein von sehr aggressiven Erregern kann es zusätzlich notwendig sein, eine Schutzimpfung bei den Muttertieren und/oder bei den Kälbern selbst durchzuführen. Zur Gruppe von Erregern, die ohne eine Schutzimpfung eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Atemwegerkrankungen bei Kälbern darstellen, gehört zum Beispiel das Bovine respiratorische Synzitialvirus (BRSV). In den meisten Fällen sind es jedoch Erreger, die in der normalen Umgebung vorhanden sind, deren Konzentration jedoch nicht ausreicht, um bei einem intakten Immunsystem Atemwegserkrankungen hervorzurufen. Faktoren, die sich negativ auf das eigene Immunsystem auswirken, wurden bereits genannt. Es sind Ammoniak, Zugluft und kalter, schleusender Wind. Selbst wenn all das in bester Ordnung ist, kann es passieren, dass einige Kälber trotz allem plötzlich zu husten beginnen, und es werden sehr schnell mehr. Um ein solches Geschehen in Gang zu setzen, reicht ein einziges Kalb aus, dessen Immunsystem, aus welchen Gründen auch immer, nicht gut genug war. Erreger von Atemwegserkrankungen (Bronchopneumonien) bekommen die Oberhand und vermehren sich in der Lunge massiv mit rasender Geschwindigkeit. Da von diesem Kalb ein sehr hoher Erregerdruck ausgeht, wird es unweigerlich weitere Kälber anstecken. In einem solchen Fall kann es durchaus angezeigt sein, den gesamten Bestand dieses Stalles antibiotisch zu behandeln, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. An dieser Stelle ist es von großem Vorteil, wenn „physikalische Grenzen“ vorhanden sind, die von den Pneumonieerregern nicht überschritten werden können, und dazu gehören zum Beispiel Wände, durch die die Luft mit den Erregern nicht von einem in das andere Abteil wandern kann. Natürlich kann es auch ein anderer Stall sein. Atemwegserkrankungen und Stallbau Mit den wachsenden Beständen sind kontinuierlich auch die Kälberställe immer größer geworden, und damit ist das Risiko für die Tiere, an einer Pneumonie zu erkranken, gestiegen. Was hat das Ganze nun mit dem Holsteiner Kälberstall zu tun? Auch im Holsteiner Kälberstall befinden sich alle Kälber in einem Luftraum. Das heißt, auch wenn in diesem Stall eine Atemwegserkrankung ausbricht, sind alle Kälber gefährdet. Im größten Holsteiner Kälberstall, der bisher gebaut worden ist, haben 400 Kälber Platz. Behandlungskosten bei Ausbruch einer Pneumonie wären hier enorm hoch. Dieser Grund hat dazu geführt, das Stallbaukonzept des Holsteiner Kälberstalles für große Betriebe neu zu überarbeiten. Anwendbar ist die Lösung trotzdem für jede Betriebsgröße. Die wichtigsten Komponenten bleiben erhalten. Es sind die zwei Entmistungsachsen in jeder Buchtenreihe und die Kälbernester. Die Zahl der Kälber, die sich in einem Luftraum befinden, wird jedoch reduziert. Als Baukörper dient in diesem Fall jedoch keine Satteldach-, sondern eine Pultdachhalle, die beliebig erweitert werden kann. Bei ei- nem Binderabstand von 4 m lassen sich in drei Fächern, die jeweils ein Abteil bilden, zwei 8 m tiefe Buchten und ein 4 m breiter Futtertisch im 90°-Winkel zur Stallachse unterbringen. Die Wand zum nächsten Abteil ist komplett geschlossen (Abbildung 1). Erreger von Atemwegserkrankungen könnten in diesem Fall nicht von einem in das nächste Abteil gelangen. Das heißt, erkrankten in einem Abteil Kälber, bliebe die Infektion auf diese Tiere beschränkt. Pro Bucht ließen sich maximal zehn Kälber unterbringen, das heißt pro Abteil 20 Kälber. Eine Behandlung bliebe im Falle einer Pneumonie auf diese Zahl an Tieren beschränkt. Für größere Betriebe wäre es ein Kompromiss, wenn diese Einheit auf 40 Tiere pro Abteil vergrößert würde. In diesem Fall würden beiderseits des Futtertisches Kälberbuchten angeordnet (Abbildung 2). Die Baukosten pro Platz wären etwas geringer. Beim Bau zu beachten Wenn die Möglichkeit besteht, sollte die hohe Seite der Pultdachhalle nach Süden ausgerichtet werden, um möglichst viel Sonnenlicht in den Stall zu bekommen. Von dieser Seite wird auch entmistet. Ein Tränkeautomat hätte, falls gewünscht, ähnlich wie auf dem Bild 1 zu sehen ist, auf dem Futtertisch Platz. Der Tränkestand kann dabei zum Entmisten problemlos auf den Futtertisch geklappt werden (Bild 2). Die hintere Traufseite ist bis zu einer Höhe von 1,50 m geschlossen. Darüber befindet sich eine Ja- Abbildung 1: Skizze eines Holsteiner Kälberstalles als Pultdachlösung. Einzelne Abteile, die durch eine feste Wand voneinander getrennt sind, bestehen aus zwei 8 m tiefen und 4 m breiten Buchten mit zwei Entmistungsachsen und einem Futtertisch. 4,00 m 4,00 m 4,00 m Aufkantung (20 x 20 cm) Schwenktore 4,00 m 4,00 m Jalousie Bucht Futtertisch Bucht Kälbernester Futtertisch 4,00 m Kälbernester 4,00 m Bucht 4,00 m Bucht Entmistungsachsen Jalousie Lochblech Tier 35 ■ BAUERNBLATT | 23. April 2016 Abbildung 2: Skizze eines Holsteiner Kälberstalles als Pultdachlösung mit 40 Kälbern pro Abteil. Ein Abteil besteht aus jeweils zwei Buchten beiderseits des Futtertisches 4,00 m 4,00 m Entmistungsachsen 4,00 m 4,00 m 4,00 m Kälbernester Bucht 4 4,00 m Futtertisch Bucht 3 4,00 m Kälbernester Schwenktore 4,00 m Kälbernester Aufkantung (20 x 20 cm) 4,00 m Kälbernester Bucht 2 Futtertisch 4,00 m Kälbernester 4,00 m Bucht 1 4,00 m Entmistungsachsen Entmistungsachsen Bild 1: Auf dem 4 m breiten Futtertisch lässt sich problemlos ein Tränkeauto- Bild 2: Die Abrufstationen lassen sich auf den Futtertisch klappen, damit sie mat installieren. Fotos: Dr. Hans-Jürgen Kunz beim Entmisten kein Hindernis darstellen. lousie. Die vordere Seite ist im obe- derseits jeweils zwei Buchten geren Bereich mit einem Lochblech, nutzt werden. Das erspart zwar darunter mit einer Jalousie ver- Baukosten, erhöht aber im Falle schlossen. Sinnvoll ist es, im Bereich einer Infektion den Behandlungsder Futtertische jeweils ein Rolltor aufwand. mit einer Tür einzubauen. Beachtet Ebenfalls bietet es sich an, in werden muss, dass Jalousien auch eine solche Pultdachhalle die Einim geschlossenen Zustand an den zelboxen oder Einzeliglus mit hinanliegenden Bauteilen, wie an der einzunehmen. Für sie könnten, in hinteren Wand, in der Regel nicht Abhängigkeit von der Größe, zwei winddicht abschließen. Um in die- oder drei Fächer als Abteil genutzt sen Bereichen keine Zugluft entste- werden. Hier wäre das Aufstellen hen zu lassen, ist es wichtig, dass von Iglus oder Einzelboxen mögjeweils ein Bürstensaum eingebaut wird, der die Öffnungen zwischen Wand und Jalousie im geschlossenen Zustand abdichtet (Bild 3). Möglich wäre, wie zuvor erwähnt, eine Erweiterung der seuchenhygienischen Einheit von 20 auf 40 Kälber, wenn an einem Bild 3: Die Jalousien müssen zu den anliegenden Baumittig angeordne- teilen durch Bürstensaumbänder abgedichtet werden, ten Futtertisch bei- um Zugluft im geschlossenen Zustand zu vermeiden. lich. Bei der Nutzung von Einzelbo- Reinigung und Desinfektion bexen kann im Vergleich zu Iglus Stall- rücksichtigt werden. platz gespart werden. Für die Planung des Stallplatzbedarfs für die Dr. Hans-Jürgen Kunz Einzelaufstallung sollten mindesLandwirtschaftskammer tens zwei, besser drei Wochen UnTel.: 0 43 81-90 09-48 terbringungszeit plus Zeit für die [email protected] FAZIT Atemwegserkrankungen können auch bei sehr guter Nährstoffversorgung und guten Haltungsbedingungen niemals ausgeschlossen werden. Da die Ansteckungsgefahr im Falle einer Pneumonie sehr hoch ist und diese innerhalb eines Luftraumes schnell auf den gesamten Bestand übergreift, ist es sinnvoll, die Zahl der Kälber für eine solche Einheit zu begrenzen. Auch das bisherige Konzept des Holsteiner Kälberstalles sah nur einen Luftraum vor. Um das Infektionsrisiko für Pneumonien zu verringern, aber die Vorteile dieses Systems, die zwei Entmistungsachsen pro Buchtenreihe und die Kälber- nester beizubehalten, wird in diesem Artikel eine Pultdachlösung für den Holsteiner Kälberstall vorgestellt, in dem beliebig viele Abteile durch geschlossene Seitenwände einzelne Gruppen von Kälbern voneinander trennen und so eine mögliche Übertragung einer Atemwegsinfektion von einem Abteil auf weitere Abteile verhindert. Ein solches Stallsystem kann für jede erdenkliche Bestandsgröße gebaut werden, das heißt sowohl für den Familienbetrieb mit 80 Kühen als auch für einen Betrieb mit 2.000 Kühen. Die Kälber stehen in beiden Betrieben in gleich großen Abteilen.