Holsteiner Kälberstall als Pultdachlösung

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Tier
BAUERNBLATT | 23. April 2016 ■
Erfolgreich füttern: Risiko für Atemwegserkrankungen minimieren
Holsteiner Kälberstall als Pultdachlösung
Einen Kälberstall, der jegliches
Auftreten von Atemwegserkrankungen verhindern kann, wird es
wohl niemals geben. Wichtig ist
es, das Risiko dafür zu minimieren. Der Stallbau bietet einige
Möglichkeiten, die Gesunderhaltung der Atemwege zu unterstützen. Dazu gehören beispielsweise
die Verhinderung von Zugluft im
Liegebereich der Kälber durch Kälbernester oder die Möglichkeit, einen Stall unkompliziert und schnell
entmisten zu können, um Ammoniakausdünstungen vorzubeugen.
Diese Voraussetzungen können
durch zwei Entmistungsachsen pro
Buchtenreihe geschaffen werden.
Beide Merkmale erfüllt der Holsteiner Kälberstall. Trotzdem kann es
zu Atemwegserkrankungen kommen, die sich über den gesamten
Bestand im Stall ausbreiten können. Woran liegt es?
Wir können davon ausgehen,
dass sich in jedem Stall auch Erreger befinden, die Atemwegserkrankungen hervorrufen können.
Ob es zu einer Infektion kommt,
hängt, wie jeder weiß, von einer
ganzen Reihe von Voraussetzungen ab. Die erste und wichtigste
Voraussetzung ist ein gut funktionierendes Immunsystem. Um das
Immunsystem ausreichend aktivieren zu können, müssen die Kälber optimal ernährt sein. Dieser
Fakt wird noch sehr häufig unterschätzt. Trotzdem reicht dies alleine nicht immer aus. Beim Vorhandensein von sehr aggressiven Erregern kann es zusätzlich notwendig sein, eine Schutzimpfung bei
den Muttertieren und/oder bei
den Kälbern selbst durchzuführen.
Zur Gruppe von Erregern, die ohne
eine Schutzimpfung eine nicht zu
unterschätzende Gefahr für Atemwegerkrankungen bei Kälbern darstellen, gehört zum Beispiel das Bovine respiratorische Synzitialvirus
(BRSV). In den meisten Fällen sind
es jedoch Erreger, die in der normalen Umgebung vorhanden sind,
deren Konzentration jedoch nicht
ausreicht, um bei einem intakten
Immunsystem Atemwegserkrankungen hervorzurufen.
Faktoren, die sich negativ auf
das eigene Immunsystem auswirken, wurden bereits genannt. Es
sind Ammoniak, Zugluft und kalter, schleusender Wind. Selbst
wenn all das in bester Ordnung
ist, kann es passieren, dass einige
Kälber trotz allem plötzlich zu husten beginnen, und es werden sehr
schnell mehr. Um ein solches Geschehen in Gang zu setzen, reicht
ein einziges Kalb aus, dessen Immunsystem, aus welchen Gründen
auch immer, nicht gut genug war.
Erreger von Atemwegserkrankungen (Bronchopneumonien) bekommen die Oberhand und vermehren
sich in der Lunge massiv mit rasender Geschwindigkeit. Da von diesem Kalb ein sehr hoher Erregerdruck ausgeht, wird es unweigerlich weitere Kälber anstecken.
In einem solchen Fall kann es
durchaus angezeigt sein, den gesamten Bestand dieses Stalles antibiotisch zu behandeln, um eine
weitere Ausbreitung zu verhindern. An dieser Stelle ist es von
großem Vorteil, wenn „physikalische Grenzen“ vorhanden sind, die
von den Pneumonieerregern nicht
überschritten werden können, und
dazu gehören zum Beispiel Wände,
durch die die Luft mit den Erregern
nicht von einem in das andere Abteil wandern kann. Natürlich kann
es auch ein anderer Stall sein.
Atemwegserkrankungen
und Stallbau
Mit den wachsenden Beständen
sind kontinuierlich auch die Kälberställe immer größer geworden,
und damit ist das Risiko für die Tiere, an einer Pneumonie zu erkranken, gestiegen. Was hat das Ganze
nun mit dem Holsteiner Kälberstall
zu tun? Auch im Holsteiner Kälberstall befinden sich alle Kälber in
einem Luftraum. Das heißt, auch
wenn in diesem Stall eine Atemwegserkrankung ausbricht, sind
alle Kälber gefährdet. Im größten
Holsteiner Kälberstall, der bisher
gebaut worden ist, haben 400 Kälber Platz. Behandlungskosten bei
Ausbruch einer Pneumonie wären
hier enorm hoch.
Dieser Grund hat dazu geführt,
das Stallbaukonzept des Holsteiner Kälberstalles für große Betriebe neu zu überarbeiten. Anwendbar ist die Lösung trotzdem für
jede Betriebsgröße.
Die wichtigsten Komponenten
bleiben erhalten. Es sind die zwei
Entmistungsachsen in jeder Buchtenreihe und die Kälbernester. Die
Zahl der Kälber, die sich in einem
Luftraum befinden, wird jedoch reduziert.
Als Baukörper dient in diesem
Fall jedoch keine Satteldach-, sondern eine Pultdachhalle, die beliebig erweitert werden kann. Bei ei-
nem Binderabstand von 4 m lassen
sich in drei Fächern, die jeweils ein
Abteil bilden, zwei 8 m tiefe Buchten und ein 4 m breiter Futtertisch
im 90°-Winkel zur Stallachse unterbringen. Die Wand zum nächsten Abteil ist komplett geschlossen
(Abbildung 1). Erreger von Atemwegserkrankungen könnten in
diesem Fall nicht von einem in das
nächste Abteil gelangen. Das heißt,
erkrankten in einem Abteil Kälber,
bliebe die Infektion auf diese Tiere beschränkt. Pro Bucht ließen sich
maximal zehn Kälber unterbringen,
das heißt pro Abteil 20 Kälber. Eine
Behandlung bliebe im Falle einer
Pneumonie auf diese Zahl an Tieren beschränkt. Für größere Betriebe wäre es ein Kompromiss, wenn
diese Einheit auf 40 Tiere pro Abteil vergrößert würde. In diesem
Fall würden beiderseits des Futtertisches Kälberbuchten angeordnet
(Abbildung 2). Die Baukosten pro
Platz wären etwas geringer.
Beim Bau
zu beachten
Wenn die Möglichkeit besteht,
sollte die hohe Seite der Pultdachhalle nach Süden ausgerichtet werden, um möglichst viel Sonnenlicht
in den Stall zu bekommen. Von dieser Seite wird auch entmistet. Ein
Tränkeautomat hätte, falls gewünscht, ähnlich wie auf dem Bild
1 zu sehen ist, auf dem Futtertisch
Platz. Der Tränkestand kann dabei
zum Entmisten problemlos auf den
Futtertisch geklappt werden (Bild
2). Die hintere Traufseite ist bis zu
einer Höhe von 1,50 m geschlossen. Darüber befindet sich eine Ja-
Abbildung 1: Skizze eines Holsteiner Kälberstalles als Pultdachlösung. Einzelne Abteile, die durch eine feste Wand voneinander getrennt sind, bestehen aus zwei 8 m tiefen und 4 m breiten Buchten mit zwei Entmistungsachsen und einem Futtertisch.
4,00 m
4,00 m
4,00 m
Aufkantung (20 x 20 cm)
Schwenktore
4,00 m
4,00 m
Jalousie
Bucht
Futtertisch
Bucht
Kälbernester
Futtertisch
4,00 m
Kälbernester
4,00 m
Bucht
4,00 m
Bucht
Entmistungsachsen
Jalousie
Lochblech
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Abbildung 2: Skizze eines Holsteiner Kälberstalles als Pultdachlösung mit 40 Kälbern pro Abteil. Ein Abteil besteht aus jeweils
zwei Buchten beiderseits des Futtertisches
4,00 m
4,00 m
Entmistungsachsen
4,00 m
4,00 m
4,00 m
Kälbernester
Bucht 4
4,00 m
Futtertisch
Bucht 3
4,00 m
Kälbernester
Schwenktore
4,00 m
Kälbernester
Aufkantung (20 x 20 cm)
4,00 m
Kälbernester
Bucht 2
Futtertisch
4,00 m
Kälbernester
4,00 m
Bucht 1
4,00 m
Entmistungsachsen
Entmistungsachsen
Bild 1: Auf dem 4 m breiten Futtertisch lässt sich problemlos ein Tränkeauto- Bild 2: Die Abrufstationen lassen sich auf den Futtertisch klappen, damit sie
mat installieren.
Fotos: Dr. Hans-Jürgen Kunz beim Entmisten kein Hindernis darstellen.
lousie. Die vordere Seite ist im obe- derseits jeweils zwei Buchten geren Bereich mit einem Lochblech, nutzt werden. Das erspart zwar
darunter mit einer Jalousie ver- Baukosten, erhöht aber im Falle
schlossen. Sinnvoll ist es, im Bereich einer Infektion den Behandlungsder Futtertische jeweils ein Rolltor aufwand.
mit einer Tür einzubauen. Beachtet
Ebenfalls bietet es sich an, in
werden muss, dass Jalousien auch eine solche Pultdachhalle die Einim geschlossenen Zustand an den zelboxen oder Einzeliglus mit hinanliegenden Bauteilen, wie an der einzunehmen. Für sie könnten, in
hinteren Wand, in der Regel nicht Abhängigkeit von der Größe, zwei
winddicht abschließen. Um in die- oder drei Fächer als Abteil genutzt
sen Bereichen keine Zugluft entste- werden. Hier wäre das Aufstellen
hen zu lassen, ist es wichtig, dass von Iglus oder Einzelboxen mögjeweils ein Bürstensaum eingebaut
wird, der die Öffnungen zwischen
Wand und Jalousie
im geschlossenen
Zustand abdichtet
(Bild 3).
Möglich wäre,
wie zuvor erwähnt,
eine Erweiterung
der seuchenhygienischen Einheit
von 20 auf 40 Kälber, wenn an einem Bild 3: Die Jalousien müssen zu den anliegenden Baumittig angeordne- teilen durch Bürstensaumbänder abgedichtet werden,
ten Futtertisch bei- um Zugluft im geschlossenen Zustand zu vermeiden.
lich. Bei der Nutzung von Einzelbo- Reinigung und Desinfektion bexen kann im Vergleich zu Iglus Stall- rücksichtigt werden.
platz gespart werden. Für die Planung des Stallplatzbedarfs für die
Dr. Hans-Jürgen Kunz
Einzelaufstallung sollten mindesLandwirtschaftskammer
tens zwei, besser drei Wochen UnTel.: 0 43 81-90 09-48
terbringungszeit plus Zeit für die
[email protected]
FAZIT
Atemwegserkrankungen können
auch bei sehr guter Nährstoffversorgung und guten Haltungsbedingungen niemals ausgeschlossen werden. Da die Ansteckungsgefahr im Falle einer Pneumonie
sehr hoch ist und diese innerhalb eines Luftraumes schnell
auf den gesamten Bestand übergreift, ist es sinnvoll, die Zahl der
Kälber für eine solche Einheit zu
begrenzen. Auch das bisherige
Konzept des Holsteiner Kälberstalles sah nur einen Luftraum
vor. Um das Infektionsrisiko für
Pneumonien zu verringern, aber
die Vorteile dieses Systems, die
zwei Entmistungsachsen pro
Buchtenreihe und die Kälber-
nester beizubehalten, wird in
diesem Artikel eine Pultdachlösung für den Holsteiner Kälberstall vorgestellt, in dem beliebig
viele Abteile durch geschlossene
Seitenwände einzelne Gruppen
von Kälbern voneinander trennen und so eine mögliche Übertragung einer Atemwegsinfektion von einem Abteil auf weitere Abteile verhindert. Ein solches Stallsystem kann für jede
erdenkliche Bestandsgröße gebaut werden, das heißt sowohl
für den Familienbetrieb mit 80
Kühen als auch für einen Betrieb
mit 2.000 Kühen. Die Kälber stehen in beiden Betrieben in gleich
großen Abteilen.
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