T ransfusionsmedizin - an der Universität Duisburg

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PRAKTIKUM
DER INFEKTIOLOGIE, IMMUNOLOGIE, TRANSFUSIONSMEDIZIN
Transfusionsmedizin
Univ.-Prof. Dr. med. N. Müller
Priv. Doz. Dr. med. R. Moog
Dr. rer. nat. K.-B. Henneberg-Quester
Institut für Transfusionsmedizin
Universität Essen
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TRANSFUSIONSMEDIZIN
Definition
Das Gebiet Transfusionsmedizin umfasst die diagnostischen Maßnahmen in der Immunhämatologie,
Hämostaseologie und Gewebetypisierung, die Erkennung der durch die Blutkomponenten und Plasmaderivate übertragenen Erkrankungen, die therapeutische Beratung und Behandlung mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten sowie speziellen Hämotherapieverfahren, die Herstellung, Prüfung
und Weiterentwicklung allogener und autologer zellulärer und plasmatischer Blutpräparate einschließlich der medizinischen Betreuung von Blutspendern.
IMMUNHÄMATOLOGIE
Blutgruppen
1.
Definition und Bedeutung
Zu den Blutgruppen gehören alle genetisch determinierten Merkmale an den Bestandteilen des Blutes. Neben den membrangebundenen Merkmalen (Erythrozytenantigene) gehören im weiteren Sinne
zu den Blutgruppen auch die zellulären Enzymgruppen (Enzympolymorphismen), die Serumgruppen
des Blutes (Plasmaproteinpolymorphismen), die leukozytären HLA-Merkmale und die spezifischen
Antigene der Granulozyten und Thrombozyten.
Blutgruppen werden repräsentativ an den Bestandteilen des Blutes nachgewiesen, sie sind jedoch an
einer Reihe anderer Körperzellen ebenfalls nachweisbar. Die Zahl der antigenen Determinanten
(Rezeptor pro Zelloberfläche) ist bemerkenswert hoch:
ABH 800.000 - 1.000.000,
D
9.900 - 33.000,
c
37.000 - 85.000,
e
13.000 - 24.000,
K
3.500 - 6.100,
Fy(a) 1.000 - 3.000.
Ihre wesentliche Bedeutung haben die Blutgruppen im Rahmen der Transfusionsmedizin und der
Transplantation. Daneben sind Blutgruppenantigene verantwortlich für die Bildung von Antikörpern
und hämolytischen Reaktionen (z.B. Morbus haemolyticus neonatorum).
Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten und der Tatsache, dass die Blutgruppen streng nach den
Mendelschen Regeln vererbt werden, besitzen sie auch eine herausragende Rolle in der Abstammungsbegutachtung.
2.
Serologische Methoden zur Bestimmung von Erythrozytenantigenen und -antikörpern
Blutgruppen der Erythrozytenmembran sind Antigene, die mit spezifischen Antikörpern nachgewiesen werden. Die für die Blutgruppenserologie wichtigen Antikörper gehören zur Immunglobulinklasse G und M, nur im geringen Umfang zur Immunglobulinklasse A. In Abhängigkeit ihrer
Immunglobulinklassenzugehörigkeit reagieren die Antikörper serologisch verschieden. Die wichtig-
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ste Methode zum Nachweis von erythrozytären Blutgruppenmerkmalen ist die Hämagglutination in
ihren verschiedenen Modifikationen.
3.
Hämagglutination
Die Hämagglutination ist die sichtbare Verklumpung von Erythrozyten durch Antikörper. Da
Erythrozyten an ihrer Oberfläche einen Überschuss an negativer Ladung (Zeta-Potential) tragen, stoßen sie sich untereinander ab. Um eine für das Auge sichtbare Verklumpung auszulösen, ist eine
Reaktion des individuellen Antikörpermoleküls mit zwei benachbarten Erythrozyten erforderlich.
Obwohl die Antikörpermoleküle aller Immunglobulinklassen mindestens bivalent sind und somit
theoretisch mit zwei benachbarten Erythrozyten reagieren können, sind fast ausnahmslos IgM-Moleküle aufgrund ihres größeren Moleküldurchmessers in der Lage, die Distanz benachbarter Erythrozyten zu überbrücken und somit ohne Zuhilfenahme zusätzlicher Reagenzien eine für das Auge sichtbare Hämagglutination zu bewirken (kompletter Antikörper).
Da der Antigennachweis mit kompletten Antikörpern in der Regel mit in physiologischer NaClLösung aufgeschwemmten Erythrozyten durchgeführt wird, spricht man von NaCl-wirksamen bzw.
salinen Antikörpern. Diese Antikörper besitzen ein Reaktionstemperaturoptimum in der Regel bei
Raumtemperatur oder darunter.
Im Gegensatz zu den kompletten Antikörpern reagieren inkomplette Antikörper zwar mit den individuellen Erythrozyten, führen aber ohne Zuhilfenahme besonderer Reagenzien, die den Abstand
benachbarter Erythrozyten reduzieren, nicht zu einer sichtbaren Hämagglutination. Solche Reagenzien sind hochprozentige Albuminlösungen, Dextrane, Supplemente, proteolytische Enzyme sowie
Lösungen niedriger Ionenstärke (LISS). Durch Zusatz von Supplementen bzw. durch die Behandlung
der zu untersuchenden Erythrozyten nähern sich die Erythrozyten einander an, und das individuelle
IgG-Molekül ist in der Lage, mit den Antigenstrukturen benachbarter Erythrozyten zu reagieren und
eine sichtbare Verklumpung auszulösen. Das Temperaturoptimum von inkompletten Antikörpern
liegt bei 37°C.
4.
Coombs-Test
Eine weitere Modifikation der Hämagglutination zum Nachweis inkompletter Antikörper stellt der
sogenannte Antihumanglobulintest bzw. Coombs-Test dar. Je nach Indikation wird der Coombs-Test
in zwei verschiedenen Modifikationen durchgeführt, und zwar als indirekter oder direkter CoombsTest.
5.
Indirekter Coombs-Test
Der indirekte Coombs-Test dient dem Nachweis von inkompletten Allo-Antikörpern und freien
Autoantikörpern bzw. der Identifizierung von Erythrozytenantigenen mit inkompletten Antikörpern.
Er wird als Mehrstufentest durchgeführt, bei dem nach einer in-vitro-Beladung der Erythrozyten der
reagierende Antigen-Antikörperkomplex am Erythrozyten durch Zugabe von Antihumanglobulinserum, welches von Tieren gewonnen wird, die zuvor mit menschlichem Immunglobulin und Kom-
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plement-Komponenten immunisiert wurden, zu einer sichtbaren Verklumpung führt. Negativ ausfallende Antiglobulintests sind bei Durchführung im Röhrchentest mit sensibilisierten Testerythrozyten
zu überprüfen.
6.
Direkter Coombs-Test
Der direkte Coombs-Test wird eingesetzt zum Nachweis einer in-vivo-Beladung von Erythrozyten
mit Immunglobulin bzw. Komplement-Komponenten. Beim direkten Coombs-Test entfallen die
Aufladungsphasen.
7.
ABH-System
Das am längsten bekannte Blutgruppensystem des Menschen ist das ABH-System. Es wurde in den
Jahren 1901/2 von Landsteiner und seinen Schülern Decastello und Sturli entdeckt.
Die ABH-Substanzen kommen nicht nur auf Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Gewebszellen, in Körperflüssigkeiten und Sekreten, sondern auch auf Pflanzen- und Tierzellen sowie auf Bakterien vor. Es handelt sich um in der Natur weit verbreitete (ubiquitäre) Antigene. Die frühe Darmbesiedlung mit Colibakterien, speziell mit E.coli 086, führt zur Ausbildung "natürlicher" ABH-Antikörper gegen die jeweils nicht tolerierten AB-Blutgruppen. Diese natürlichen Antikörper im ABHSystem werden Isoagglutinine genannt. Die Besonderheit des ABH-Systems liegt in der Tatsache,
dass im Serum aller Personen, mit Ausnahme von Neugeborenen und Personen mit Antikörper-Mangelsyndrom, Antikörper gegen das oder diejenige ABH-Antigene vorkommen, die sie selbst nicht
besitzen. Diese natürlichen Allo-Antikörper machen das ABH-System zum wichtigsten Blutgruppensystem. Das gesetzmäßige Auftreten der Isoagglutinine erlaubt die serologische Bestimmung der
ABH-Blutgruppen im Agglutinationstest durch Mischen der Probandenerythrozyten mit bekannten
Testseren einerseits und des Probandenserums mit bekannten Testerythrozyten andererseits
(Serumgegenprobe). Die Agglutinationsreaktion der Erythrozyteneigenschaften und der Serumgegenprobe müssen nach der "Landsteinerschen Regel" korrelieren.
Aufgrund der "natürlichen" Antikörper im ABH-System kann eine Blutkonservenverwechselung zu
schweren hämolytischen Reaktionszwischenfällen führen. Um eine Konservenverwechselung zu
vermeiden, muss zusätzlich zum vorher durchgeführten Kreuztest vor jeder Bluttransfusion am Krankenbett die ABO-Blutgruppenbestimmung des Empfängers wiederholt und das Ergebnis dokumentiert werden (sog. Bedside Test).
Blutgruppe
Agglutinable Eigenschaft
(Zelluläre Blutgruppen-Antigene)
Isohämagglutinin
Serum-Antikörper)
A
A (A)
Anti-B
B
AB
0
B (B)
A und B (AB)
keine (0)
Anti-A
keine
Anti-A u. Anti-B
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Die vier Blutgruppenmerkmale A, B, O und AB werden in verschiedenen ethnischen Gruppen in
unterschiedlicher Häufigkeit angetroffen. Für die deutsche Population gilt folgende Häufigkeitsverteilung
Blutgruppe
Blutgruppenhäufigkeit in (%)
A
43
B
13
O
38,5
AB
5,5
0 – (H)
00
AA/A0
A
H
HH
Hh
BB/B0
B
PS
AB
hh
AB
PS AA, AO, BB, B0, AB, 00
PS
Genetik der AB0-Blutgruppen. PS = Precursor-Substanz
(Bombay-Typ)
Die ABO-Blutgruppen gehen aus einer gemeinsamen Vorläufersubstanz - Precursor - hervor. Aus
dieser Precursor-Substanz entsteht gesteuert über das Gen H in homozygoter Form (HH) bzw.
heterozygoter Form (Hh) die Substanz H. Die A-und B-Blutgruppen werden durch Kopplung
bestimmter Zuckerreste durch spezifische Transferasen an die H-Grundsubstanz gebildet. Das
Gen für die H-Grundsubstanz liegt an einem vom ABO-Genort unabhängigen Locus; die Aund B-Gene sind somit Gene für spezifische Glucosyltransferasen. Das 0-Gen ist ein
"stummes Gen", da es keine Glucosyltransferase steuert.
Aus der H-Substanz entstehen somit unter Einwirken der Gene A, B und 0 die Blutgruppen A, B, 0
und AB. Das Gen 0 ist ähnlich wie das Gen h amorph. Individuen mit dem Phänotyp 0 besitzen somit
zwangsläufig den homozygoten Genotyp 00. Die Substanz H ist identisch mit dem Blutgruppenmerkmal 0. Beim Vorliegen des Gens A, in homo- oder heterozygoter Form (AA oder A0), wird an
die Substanz H ein N-Acetyl-Galaktosamin angehängt, liegt das Gen B vor, wird Galaktose als terminaler Zucker an die Substanz H angehängt. Die Blutgruppe AB ist das Produkt der dominanten
Gene A und B, ein Teil der H-Substanz, wird mit N-Acetyl-Galaktosamin, der andere Teil mit
Galaktose substituiert.
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Gal-Nac
Gal
Gluc-Nac
Gal
---------U--------c----------…-----------c
Precursor-Substanz
---------U--------c----------…-----------c
H-Substanz x 0
Fuc
---------U--------c----------…-----------c-----------U
Gal-Nac
---------U--------c----------…-----------c-----------c
Gal
A-Substanz x A
B-Substanz x B
Struktur der AB0-Antigene. Gal-Nac = N-azetyl-Galactosamin, Gal = Galaktose, Gluc-Nac =
N-azetyl-Glucosamin, Fuc = Fucose
Die Vererbung der Blutgruppen A und B erfolgt gegenüber 0 dominant, A und B selbst werden
kodominant vererbt, die Untergruppe A(1) wiederum dominant über A(2).
Liegt das äußerst seltene amorphe Gen h in homozygoter Form vor, d.h. es fehlt also das H-Gen, so
wird keine H-Substanz ausgebildet. Auch wenn diese Individuen die Gene A und B besitzen, werden
keine A- bzw. B-Eigenschaften ausgeprägt. Diese Personen besitzen also weder H-, noch A- oder BSubstanzen, aber natürliche Antikörper gegen H, A und B und vertragen somit kein Blut der Blutgruppe A, B oder 0. Man bezeichnet diesen Blutgruppentyp als Bombay-Typ, ihm darf nur Blut mit
der Bombay-Blutgruppe transfundiert werden.
Bestimmung der AB0-Blutgruppenmerkmale
Die AB0-Blutgruppenmerkmale sollen mit monoklonalen Testreagenzien Anti-A und Anti-B
bestimmt und durch die Bestimmung der Serumeigenschaften (Anti-A und/oder Anti-B) mit Testblutkörperchen A(1), A(2), B und 0 abgesichert werden. Die Untersuchung ist nur vollständig, wenn
sowohl die Erythrozytenmerkmale wie auch Serumeigenschaften untersucht worden sind. Werden die
Merkmale A(1) und A(2) bestimmt, so sind die Testreagenzien Anti-A(1) und Anti-H zu verwenden.
Wenn die Serumeigenschaften den Erythrozytenmerkmalen nicht entsprechen, so ist die Ursache zu
klären. Von der Regel abweichende Untersuchungsergebnisse bei Neugeborenen und Säuglingen
bedürfen einer späteren Bestätigung.
8.
Rh-System
Nach der Entdeckung des klassischen Rhesusfaktors D durch Immunisierungsversuche bei Kaninchen
mit Rhesus-Affen-Blut (Landsteiner und Wiener 1940) fand man nach Bluttransfusionen bzw.
Schwangerschaften weitere Antikörper und Antigene des Rhesus-(Rh)-Systems. Diese Antigene wer-
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den zusammen mit dem Rh-Faktor D vererbt entsprechend der amerikanischen Ein-Gen-Theorie von
Wiener bzw. der europäischen Drei-Gen-Theorie von Fischer und Race. Bei den für die klinische
Anwendung einfacheren Bezeichnungen von Fischer und Race tragen Gen und Genprodukt
(=Antigen) die gleichen Bezeichnungen: C, c, D, E, e. 1946 wurde durch einen Antikörper bei einem
Patienten ein drittes Alles am C-Locus gefunden und Cw genannt.
Jeder Mensch besitzt zwei Rhesus-Genkomplexe (=Haplotypen), einen von der Mutter und einen
vom Vater. Aus den 8 Genkomplexen (mögliche Kombinationen der Faktoren C, c, D, E, e) ergeben
sich somit 36 mögliche Genotypen (bzw. 78 unter Einbeziehung des Faktors Cw).
Die Rhesus-Antigene sind sehr früh im fetalen Leben nachweisbar, so gelang die Rh-Bestimmung
schon bei einem 6 Wochen alten Fetus.
Leukozyten und Thrombozyten tragen keine Rhesusantigene, im Speichel und im Fruchtwasser sind
keine Rh-Substanzen vorhanden.
Das Rhesus-System ist das wichtigste Blutgruppensystem auf Proteinbasis, d.h. es basiert auf einem
Polymorphismus von Proteinen, die Teil der Strukturproteine des Erythrozyten sind. Im Gegensatz zu
den Kohlenhydrat-Blutgruppensystemen stellen sie primäre Genprodukte dar.
Untersuchungen mit monoklonalen Antikörpern und gentechnologische Methoden führten zu der
Zwei-Gen-Theorie:
-
das RH(D)-Gen, welches das Rh-D-Protein kodiert,
das RH(CE)-Gen, das für die Bildung des CcEe-Proteins verantwortlich ist.
Darüber hinaus ergab die Testung zum Nachweis des Rhesus-Faktors D mittels monoklonaler Seren
neue Erkenntnisse über die molekulare Struktur des D-Antigens.
Die Rh-Moleküle sind transmembrane Proteine aus 417 Aminosäuren, die meanderförmig in der
Membran angeordnet sind und diese 12 mal durchqueren.
Das D-Protein unterscheidet sich vom CE-Protein durch ca. 35 Aminosäsurenaustausche, die
über die ganze Peptidkette verstreut sind.
Bei Rh-D negativen Individuen fehlt das D-Gen und folglich auch das D-Protein (Rh-(D)-Faktor).
Man geht heute davon aus, dass das D-Antigen aus 10 Teilantigenen (Epitopen) zusammengesetzt ist
und dann mindestens 36 verschiedene E-Epitope existieren. Die Formation von Epitopen im RhSystem ist abhängig von Konformation und sterischer Anordnung der einzelnen Proteinschleifen
(loops), die sich auf der Erythrozytenmembran ausbilden.
Heute lassen sich so 7 D-Kategorien oder Varianten je nach ihrer Reaktivität mit polyklonalen und
monoklonalen Anti-D-Seren ableiten. Die Beschaffenheit der vorhandenen Epitope bedingt die
Zuordnung zu den D-Varianten. Es wird zwischen einem D-weak (verminderte Rezeptorenzahl) und
einem D-parital bzw. D-Variante (fehlende Epitope) unterschieden.
D-weak:
es werden deutlich weniger D-Antigene auf den Zellen exprimiert (normal bis zu mehr
als 30.000 pro Zelle), dadurch reagieren die Testseren abgeschwächt (Phänotypfrequenz > 1 %. Da alle Epitope vorhanden sind, besteht keine Immunisierungsgefahr
8
gegenüber Erythrozyten mit normaler Ausprägung von D. Als Empfänger einer Dpositiven Transfusion können Personen dieses Rh-Typs kein Anti-D bilden. Monoklonale Anti-D-Testseren vom IgM- oder IgM+IgG-Typ erfassen wegen ihres höheren
Titers und ihrer besseren Avidität diese Blute als D-positiv.
D-partial (= D-variant, Kategorie-D): In den meisten dieser Fälle fehlen ein oder mehrere D-Epitope,
bzw. sie sind durch Crossing-over durch CE-Epitope ersetzt. Die Rezeptoren sind
jedoch in normaler Anzahl vorhanden.
Sie fallen erst auf, wenn ein Anti-D nachweisbar wird. Mit monoklonalen Anti-DTestseren IgM oder IgM/IgG reagieren sie meist positiv.
Bei Zellen der Kategorie VI fehlen mehrere Epitope und die Rezeptorenzahl ist vermindert. Diese
reagieren mit entsprechend eingestellten und von den Testserenherstellern so vertriebenen
monoklonalen Anti-D IgM-Seren negativ, mit monoklonalen Anti-D IgM/IgG-Seren bei Anwendung
des indirekten Coombstests jedoch positiv.
Vor allem Probanden der Kategorie VI werden als Dpartial (als Spender Rh positiv, als Empfänger Rh
negativ) bezeichnet und erhalten Rh-negatives Blut. Ihre Häufigkeit liegt bei 0,02 – 0,03 %.
In der Mutterschaftsvorsorge sollten Fälle von Rhesus-Kategorie VI analog D-negativ behandelt werden, insbesondere sollte bei diesen Müttern eine Anti-D-Prophylaxe vorgenommen werden, wenn
beim Vater D (oder Dweak) vorliegt.
Bei Fehlen sämtlicher Rh-Antigene spricht man vom sog. Rh-Null-Syndrom. Bei diesen Merkmalsträgern findet man gehäuft hämolytische Anämien.
Bestimmung des Rh-Merkmals D
Die Untersuchung des Rh-Merkmals D erfolgt mit mindestens zwei verschiedenen Testreagenzien.
Für die Untersuchung von Patientenblutproben wird die Anwendung zweier monoklonaler Antikörper
(IgM-Typ), die die Kategorie DVI nicht erfassen, empfohlen.
Bei negativem Ergebnis beider Testansätze gelten potentielle Empfänger von Blut und Neugeborene
als Rh-negativ (D-negativ). Bei übereinstimmend positivem Ergebnis der beiden Testansätze ist der
Proband Rh-positiv. Bei diskrepanten oder schwach positiven Ergebnissen der Testansätze ist eine
Klärung z.B. im indirekten Antiglobulintest mit geeigneten Testreagenzien notwendig. Fällt dieser
Test positiv aus, so ist der Proband Rh-positiv (weak D-positiv).
Bei Blutspendern muss jedes schwach oder nur partiell ausgeprägte Rh-Antigen D zuverlässig erfasst
werden. Bei negativem Testergebnis mit Anti-D-Serum muss die Bestimmung durch Einsatz
polyklonaler oder oligoklonaler Reagenzien gegen das Rh-D-Merkmal im indirekten
Antihumanglobulintest (Coombs-Test) überprüft werden. Blutspender, die ein schwach oder partiell
ausgeprägtes Rh-Antigen D besitzen, sind als Rh positiv (bzw. weak D-positiv) zu deklarieren.
9
Um Fehlbestimmungen zu vermeiden, sind regelmäßig positive und negative Kontrollen mit D-positiven und D-negativen Testerythrozyten sowie jeweils Eigenkontrollen (Prüfung auf Autoagglutination) mitzuführen.
10.
Weitere Antigen-Systeme
Neben den ABO- und Rh-Antigenen sind bis heute mehr als 300 weitere Antigensysteme an Erythrozyten bekannt. Aufgrund der Vielzahl der vorgegebenen Kombinationsmöglichkeiten ist es nicht
möglich, bei einer Transfusion alle diese Antigene im Sinne einer identischen Übertragung zu
berücksichtigen. Es werden vielmehr nur die Antigene beachtet, gegen die präformierte Antikörper
vorliegen, und das Antigen D, da es eine starke Immunogenität besitzt. Alle übrigen Antigene haben
eine schwächere Immunogenität, so dass eine Antikörperbildung nach Transfusion nur im geringeren
Prozentsatz beobachtet wird.
Außerhalb des Rh-Systems besitzt das Merkmal Kell (Häufigkeit 9 %) noch eine relativ starke
Immunogenität. Die übrigen Blutgruppensysteme (Duffy, MNS, P, Lewis, Kidd, Lutheran etc.)
werden nicht namentlich berücksichtigt, sondern über den Ausschluss irregulärer Antikörper mittels
des Antikörpersuchtests und nach Verträglichkeitstestung (Kreuzprobe) berücksichtigt.
Bei pos. Antikörpersuchtest bzw. pos. Kreuzprobe wird die Antikörperspezifität über eine Antikörperidentifizierung ermittelt und das korrespondierende Antigen bei notwendigen Transfusionen
beachtet.
11.
Antikörpersuchtest
Der Antikörpersuchtest dient der Auffindung irregulärer Antikörper, die nicht die Spezifität Anti-A
bzw. Anti-B besitzen und ist Bestandteil der Blutgruppenbestimmung. Der Antikörpersuchtest ist
anlässlich jeder Verträglichkeitsprobe zu wiederholen, sofern die Entnahme der Blutprobe, aus
welcher der letzte Antikörpersuchtest durchgeführt wurde, länger als drei Tage zurückliegt. Bei
Blutspendern ist der Antikörpersuchtest alle 2 Jahre sowie nach Schwangerschaften und Bluttransfusionen durchzuführen. Irreguläre Antikörper können zur IgM-Klasse gehören und somit komplett reagieren oder zur IgG-Klasse gehören und inkomplett reagieren.
Der Antikörpersuchtest muss so ausgelegt sein, dass er die verschiedenen serologischen Verhaltensweisen evtl. vorhandener Antikörper berücksichtigt. Deshalb muss er zumindest eine Kochsalz-Phase
und eine Anti-Humanglobulin-Phase (indirekter Coombs-Test) beinhalten. Die zum Antikörpersuchtest verwendeten Test-Erythrozyten müssen die klinisch wichtigsten Antigene aufweisen.
12.
Bluttransfusionen
Die Durchführung der Bluttransfusionen und die Blutgruppenbestimmungen der für die Bluttransfusion wichtigen serologischen Untersuchungen sind festgelegt durch die "Richtlinien zur Gewinnung
von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)" des Wiss.
Beirats der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Instituts auf der Grundlage des Transfusions(TFG) sowie des Arzneimittelgesetzes. Diese Richtlinien gehen davon aus, dass eine Bluttransfusion
10
die "Transplantation von Zellen" darstellt (Immun-Modulation, -Stimulation, - Suppression), es sich
um ein "Arzneimittel" handelt (Rezeptierpflicht, Herstellungsgenehmigung), die Bluttransfusion ein
"Eingriff" (Aufklärungspflicht) und eine "ärztliche Maßnahme" (persönliche Einleitung,
Überwachung, Identitätssicherung) ist.
13.
Serologische Verträglichkeitsprobe - Kreuzprobe
Die serologische Verträglichkeitsprobe ist die unerlässlich notwendige Sicherung der Verträglichkeit
vor jeder Transfusion von Erythrozytenpräparaten. Sie dient der Erkennung blutgruppenserologischer
Unverträglichkeiten zwischen Spender und Empfänger durch Überprüfung der Verträglichkeit
zwischen Empfängerserum und Spendererythrozyten (Majortest). Der indirekte AHG-Test ist
Bestandteil der serologischen Verträglichkeitsprobe.
Durch die serologische Verträglichkeitsprobe sollen auch Verwechselungen und Fehlbestimmungen
aufgedeckt werden. Aus jeder neu abgenommenen Patientenblutprobe ist eine Kontrolle der AB0Blutgruppenmerkmale durchzuführen.
Die Entnahme einer Blutprobe unter Eröffnung des Blutbeutels ist nicht zulässig.
Auf die Gefahr der Missdeutung („falsch negativ“) bei Hämolyse im Testansatz wird hingewiesen.
Um
transfusionsrelevante
Antikörper
durch
Booster-Effekte
nach
Transfusionen
und
Schwangerschaften innerhalb der letzten sechs Monate (auch bei einer fraglichen Transfusions- und
Schwangerschaftsanamnese) zu erfassen, ist die serologische Verträglichkeitsuntersuchung für
weitere Transfusionen nach spätestens drei Tagen mit einer frisch entnommenen Empfängerprobe
erneut
durchzuführen.
Dies
gilt
auch
für
vorher
bereits
verträglich
befundete
Erythrozytenkonzentrate.
Das Ergebnis der Verträglichkeitsprobe ist zu dokumentieren. Eine verwechslungsfreie Zuordnung
zum Präparat bis zur Transfusion ist sicherzustellen.
14.
Bedside-Test
Da erfahrungsgemäß die Mehrzahl der Transfusionszwischenfälle auf Proben- bzw. Patientenverwechselung zurückzuführen ist, muss richtliniengemäß der Bedside-Test unmittelbar vor Transfusion
vom transfundierenden Arzt oder unter seiner direkten Aufsicht am Empfänger vorgenommen
werden.. Dabei wird mittels einer Testkarte unter Verwendung von Anti-A- und Anti-B-Testseren die
AB0-Blutgruppe des Patienten überprüft. Der Bedside-Test ist dokumentationspflichtig, das heißt es
besteht eine Aufzeichnungspflicht.
. . .
11
15.
Klinische Relevanz irregulärer Antikörper
Irreguläre Antikörper können für Transfusionsreaktionen und die Entstehung des Morbus haemolyticus neonatorum verantwortlich sein. Nicht jeder Antikörper ist gleichermaßen relevant, vielmehr
hängt die klinische Bedeutung von einer Vielzahl einzelner Komponenten, z.B. der Immunglobulinklasse, dem Reaktionsverhalten, der Wärmeamplitude, der Fähigkeit, Komplement zu aktivieren bzw.
Phagozytose zu induzieren und nicht zuletzt vom korrespondierenden Antigen ab. Wegen der Komplexität der Mechanismen ist das Reaktionsverhalten im Einzelnen schwer vorauszusagen. Vereinfachend gilt die Regel, Antikörper, die sich bei Raumtemperatur oder höher nachweisen lassen, sind
als klinisch relevant zu betrachten und sollten daher transfusionsmedizinisch berücksichtigt werden.
16.
Morbus haemolyticus neonatorum
Für den Morbus haemolyticus neonatorum (Mhn) sind nur solche Antikörper verantwortlich, die zur
IgG-Klasse gehören, da nur diese die Plazenta passieren können. Irreguläre Antikörper, die
typischerweise zur IgM-Klasse gehören, sind daher auch bei Wärmeamplituden oberhalb
Raumtemperatur für die Entstehung eines Mhn nicht relevant.
17.
AB0-Erythroblastose
Die AB0-bedingte Erythroblastose tritt nur bei der Konstellation von Mutter 0, Kind A oder B auf.
Das mütterliche IgG-Anti-A/B kann nach Bindung an die fetalen Erythrozyten und Aktivierung von
Fc zu einer Phagozytose führen. Durch unvollständige Komplementaktivierung wird die Phagozytose
verstärkt und es kommt zu einer intravasalen Hämolyse nach Stechapfel- und Kugelzellbildung.
Infolge unterschiedlicher Entwicklung der A-/B-Rezeptoren wird nur ein Teil der kindlichen
Erythrozyten zerstört: partielle Hämolyse.
18.
Rh-Erythroblastose
Rh-positive fetale Erythrozyten gelangen besonders unter der Geburt in den Kreislauf der Mutter und
führen durch Aktivierung entsprechender B-Lymphozyten zu einer Rh-Antikörperbildung. Meist erst
in der folgenden Schwangerschaft treten Rh-Antikörper auf das Kind über (plazentare Passage der
IgG-Antikörper) und führen zu einer intrazellulären Hämolyse mit Bilirubinbildung (indirekt) in den
fetalen Makrophagen.
Da die meisten fetalen Erythrozyten unter der Geburt in den Blutkreislauf der Mutter gelangen, kann
eine bis zu 72 Stunden nach der Geburt durchgeführte postpartale Anti-Rh-(D)-Gammaglobulinprophylaxe 90 % der Rh-Sensibilisierung verhindern. Auch vor der Geburt treten kleinere Mengen
fetaler Erythrozyten - zunehmend mit der Schwangerschaftsdauer - auf die Mutter über, die bei
bereits bestehender Sensibilisierung zu einer vermehrten Rh-Antikörperbildung (Boosterung) und seltener - zu einer Erstsensibilisierung mit Versagen der postpartalen Anti-D-Prophylaxe führen können. Aus diesem Grunde wird seit 1991 die präpartale Anti-D-Prophylaxe durchgeführt. Die Anti-DProphylaxe ist wirkungslos, wenn bereits Rh-Antikörper gebildet wurden.
12
Da die Rh-Rezeptoren an den fetalen Erythrozyten bereits in der Frühschwangerschaft voll
ausgebildet sind, können mütterliche Rh-Antikörper bei starker biologischer Wirksamkeit die
kindlichen Erythrozyten bis zum intrauterinen Fruchttod durch totale Hämolyse zerstören. Diese
schwerste Form der fetalen Schädigung durch Rh-Antikörper kann durch eine vorzeitige Entbindung,
oft zusammen mit pränatalen Transfusionen Rh-negativen Blutes unterbunden werden.
Hämotherapie
Mit Ausnahme von Katastrophenfällen und mit Einschränkung in der Eigenbluttransfusion ist die
Gabe von Vollblutkonserven heute obsolet.
Vollblutkonserven sind nur als Arzneimittelrohstoff Ausgangsmaterial zur Blutkomponentenpräparation transfusionsmedizinischer Standard.
Es dürfen außerdem nur noch ausschließlich Blutpräparate eingesetzt werden, deren Leukozytengehalt mittels eines geeigneten Herstellungsverfahren (z.B. Filtration) auf weniger als 1 x 106/E abgereichert worden sind.
Erythrozytenkonzentrate
Erythrozytenkonzentrate (EK) werden aus frisch abgenommenen Vollblutkonserven oder mittels
Zellseparation maschinell gewonnen. Bei der Vollblutspende werden 450 oder 500 ml Blut eines
geeigneten Blutspenders (Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion (Hämotherapie), aufgestellt vom Wiss. Beirat der Bundesärztekammer und vom Paul-Ehrlich-Institut mit 63 bzw.
70 ml Stabilisatorlösung in einem geschlossenen Mehrfachbeutelsystem entnommen. Nach Zentrifugation des Vollblutes werden das Plasma, der Buffy coat (Leukozyten, Thrombozyten) und die
Erythrozyten durch einfache physikalische Verfahren im geschlossenen System in die einzelnen
Beutel überführt.
Präparat
Volumen
HK
Gesamt-Hb
Gesamt-
Restplasma
Hämolyse
(ml)
(%)
(g)
Leukozyten
(ml)
(%)
< 25
< 0,8
/E
leukozytendepletiertes
EK
> 40
200 – 350
50 – 70
(> 24,8
mmol/L)
< 1 x 106
13
PHARMAKOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN
Erythrozyten sind die Träger des Hämoglobins, das für die Aufnahme, den Transport und die Abgabe
der Atemgase in der Lunge und im Gewebe verantwortlich ist. Als Folge der Lagerung von roten
Blutzellen außerhalb des Organismus kommt es auch unter optimalen Bedingungen zu komplexen
Veränderungen, die in ihrer Gesamtheit als „Lagerungsschaden“ bezeichnet werden. Diese Veränderungen geben sich unter anderem durch einen morphologischen Formwandel (z.B. Auftreten von
Kugelzellen und Stechapfelformen), funktionelle Beeinträchtigungen (z.B. Abnahme des 2,3Diphosphoglycerat (2,3-DPG)-Gehalts mit Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve, Verringerung der osmotischen Resistenz) und Freisetzung von Inhaltsstoffen (z.B. von Kalium, Laktatdehydrogenase, Hämoglobin) zu erkennen. Die lagerungsbedingten Veränderungen der Erythrozyten
sind in vivo innerhalb von 48 – 72 Stunden reversibel.
Bei einem normalgewichtigen Erwachsenen ohne gesteigerten Erythrozytenumsatz ist nach Übertragung eines EK mit einem Anstieg des Hämoglobinwertes um etwa 10 – 15 g/L (6,2 – 9,3 mmol/L)
bzw. des Hämatokritwertes um etwa 3 – 4 % zu rechnen. Die Überlebenszeit der Erythrozyten ist
relativ konstant und beträgt 110 bis 120 Tage. Dies bedeutet, dass die Eliminationsrate solcher Zellen
unter 1 % pro Tag liegt. Vermutlich enthalten EK-Erythrozyten alle Altersstufen, und dementsprechend liegt die mittlere Überlebenszeit transfundierter, kompatibler Erythrozyten bei 57,7 Tagen.
Rechnerisch werden bei einem gesunden Erwachsenen ca. 12 ml Erythrozyten pro Tag produziert,
um die Hämoglobinkonzentration konstant bei 10 g/dl (6,2 mmol/L) zu halten. Beim kompletten
Ausfall der Erythrozytenproduktion, wie bei einer ausgeprägten aplastischen Anämie, wird ca. 1 EK
(200 – 250 ml) pro Woche bzw. 2 x 12 ml pro Tag transfundiert, um eine konstante Hämoglobinkonzentration bei 10 g/dl (6,2 mmol/L) zu gewährleisten. Der Erythrozytenverbrauch wird bei Fieber,
Splenomegalie, Blutungsanämie und anderen Erkrankungen verstärkt.
LAGERUNG UND VERWENDBARKEIT
EK müssen bei + 2 °C bis + 6 °C in geeigneten Kühlschränken oder –räumen mit fortlaufender Temperaturregistrierung gelagert werden. Die Kühlkette soll auch während des Transports nicht unterbrochen werden, sofern das EK nicht unmittelbar danach verwendet wird.
14
Indikationen
Allgemeine Grundsätze
Bei jedem Patienten mit einer akuten oder chronischen Anämie muss der Versuch unternommen werden, die Ursache der Anämie zu klären und , falls möglich, eine kausale Therapie einzuleiten. Die
Gabe von EK ist nur angezeigt, wenn solche Patienten ohne Transfusion einen gesundheitlichen
Schaden erleiden würden und eine andere, gleichwertige Therapie nicht möglich ist.
Prospektive Studien zur Festlegung von Indikationen und/oder zur Ermittlung einer optimalen EKDosierung existieren nicht. Alle Angaben beruhen ausschließlich auf Jahrzehnte langer klinischer
Erfahrung und bedürfen der kritischen Reflexion im Einzelfall.
Für die Indikation zur Erythrozytentransfusion lassen sich keine absoluten und allgemeingültigen
kritischen Grenzwerte für Hämoglobin oder Hämatokrit festlegen.
Bei einer Entscheidung für eine Transfusion müssen außer Laborwerten stets
-
die Dauer, die Schwere und die Ursache der Anämie,
-
der klinische Zustand,
-
das Alter und das Geschlecht des Patienten
berücksichtigt werden.
Akuter Blutverlust: Aufrechterhaltung des Kreislaufvolumens 1. Priorität, ein Abfall des Hämoglobinwertes auf 50 - 45 g/L (31 – 27,9 mmol/L) gilt allgemein als kritisch.
Chronische Anämien: Indikation zur Transfusion aus der Beurteilung des klinischen Gesamtbildes,
weniger aufgrund von Laborwerten, falls keine kausale Therapie möglich, eine Transfusion so lange
nicht indiziert, wie keine auf die Anämie zurückzuführenden Symptome bestehen. Grundsätzlich nur
so wenig wie möglich transfundieren: Anämie infolge primärer oder sekundärer Knochenmarkinsuffizienz mit möglicher späterer Knochenmarktransplantation und nicht-immunologisch bedingte
hämolytische Anämien sowie Anämien infolge Bildungsstörung.
Autoimmunhämolytische Anämien (AIHA) vom Wärmetyp: Bei lebensbedrohlichen, hämolytischen
Krisen bei oft auffälliger Kreuzprobe infolge freier erythrozytärer Antikörper und serologischer
Inkompatibilität kann die Gabe von EK unter medikamentöser Therapie lebensrettend sein.
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Bestrahlte Erythrozytenkonzentrate: Vermeidung einer Graft-versus-Host-Reaktion infolge Übertragung vermehrungsfähiger, immunkompetenter Lymphozyten durch Bestrahlung mit 30 Gy. Bei Patienten mit Knochenmarktransplantation, schwerem Immundefektsyndrom, Hochdosis-Chemotherapie
mit oder ohne Ganzkörperbestrahlung bei Leukämien, malignem Lymphom und soliden Tumoren,
intrauteriner Transfusion, Frühgeborene, gerichtete Blutspenden aus der eigenen Familie.
Austauschblut: Mutter-Kind-Inkompatibilität, Austauschblut mit der AB0-Blutgruppe von Mutter
und Kind kompatibel. Patienten mit Hämolyse durch Isoagglutinine nach AB0-inkompatibler
Knochenmarktransplantation: EK der Blutgruppe 0.
„So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Nach Übertragung eines EK ist mit einem Anstieg des
Hämoglobinwertes um etwa 10 - 15 g/l bzw. des Hämatokritwertes um etwa 3 - 4 % zu rechnen.
Technik der Bluttransfusion: In der Regel über einen eigenen venösen Zugang mittels Transfusionsgerät mit Standardfilter, (DIN 58360, Porengröße 170 - 230 µm). Transfusionsgeschwindigkeit: bei
Herz- und/oder Niereninsuffizienz ohne Blutung 70 - 120 ml/Std. Kreislaufstabile Patienten mit
hochgradiger Anämie: 4 EK = 1.000 ml in 3 - 4 Stunden. Erwärmung max. + 37 °C: bei Massivtransfusion mit Zufuhr von mehr als 50 ml/Min., chronische Kälteagglutininkrankheit mit hochtitrigen Kälteantikörpern.
Aufgaben des transfundierenden Arztes: Die Einleitung der Transfusion von Blutkomponenten
erfolgt nach Aufklärung und Einwilligungserklärung des Patienten durch den zuständigen Arzt.
Nach Beendigung der Transfusion ist das Behältnis mit dem Restblut und dem Transfusionsgerät
steril abzuklemmen und 24 Stunden bei + 4 °C + 2 °C aufzubewahren (Patienten- und produktbezogene Dokumentation für mindestens 15 Jahre (TFG).
Kontraindikation: Absolute Kontraindikationen nicht bekannt. Bei potentiellen Empfängern eines
Knochenmarktransplantats ist die Gabe von Erythrozytenkonzentraten des Transplantatspenders und
seiner Blutsverwandten unbedingt zu vermeiden.
Akute unerwünschte Wirkungen: Febrile, nicht hämolytische Transfusionsreaktionen, urtikarielle
Hautreaktionen, Hypervolämie, hämolytische Transfusionsreaktionen, posttransfusionelle Purpura,
transfusionsinduzierte akute Lungeninsuffizienz, Graft-versus-Host-Reaktionen, anaphylaktische
Reaktionen, Zitratintoxikationen (bei Früh- und Neugeborenen, Patienten mit Leberfunktionsstörung,
16
Massivtransfusionen: ab 5. Konserve 10 ml 10 %-iges Kalziumglukonat/1.000 ml Transfusionsblut),
transfusionsbedingte Hyperkaliämie, Hypothermie.
Chronisch unerwünschte Wirkungen: Sekundäre Hämosiderose erst nach Gabe von mehr als 100 EK,
Therapie mit Chelatbildnern; Infektionen: HBV-, HCV-, CMV-, HIV-Viren, Mikroorganismen (z.B.
Yersinien, Treponemen).
Therapeutische Maßnahmen: Je nach Schwere und Art der Symptome Transfusion unterbrechen bzw.
abbrechen, venösen Zugang offen halten, kontrollierte Überwachung, ggf. sofortige Einleitung von
notfalltherapeutischen Maßnahmen, Restblut und Behältnis aufbewahren, frische Blutprobenentnahme für Untersuchungen, Dokumentation.
Neuentwicklungen: Blutersatzlösungen zur Überbrückung und zum Sauerstofftransport begrenzt einsetzbar: a) Fluorocarbon-Emulsionslösungen (physikalisch gelöster Sauerstoff); b) HämoglobinLösungen (chemisch gebundener Sauerstoff) menschlichen/tierischen Ursprungs / rekombinant, gentechnisch.
Thrombozytenkonzentrat
Thrombozytenkonzentrate (TK) werden entweder aus Vollblutspenden oder durch Thrombozytapherese von gesunden Blutspendern gewonnen. Bei der Gewinnung von TK aus Vollblut werden nach
Trennung in zelluläre Bestandteile und Plasma durch Zentrifugation des leukozyten- und thrombozytenhaltigen buffy coats die Thrombozyten angereichert: etwa 1 / 4 bis 1 / 6 der therapeutischen
Dosis für einen Erwachsenen. Deshalb werden Pool-TK in der Regel durch das Zusammenführen von
4 bis 6 Einzelspender-TK durch ein spezielles Verfahren aus 4 bis 6 blutgruppengleichen buffy coats
hergestellt.
Bei der Thrombozytapherese werden durch Verwendung von maschinellen Zellseparatoren Thrombozyten von einem Spender in einer Menge gewonnen, die etwa einer Erwachsenendosis entspricht.
Das Pool-TK enthält in Abhängigkeit von der Anzahl gepoolter Einheiten das entsprechend Mehrfache von 60 – 80 x 109, in der Regel 240 bis 360 x 109 Thrombozyten. Diese sind in 200 bis 350 ml
Plasma oder einer Plasmaersatz-Lösung suspendiert.
Das Apherese-Thrombozytenkonzentrat enthält 200 bis 400 x 109 Thrombozyten eines Einzelspenders in etwa 200 bis 300 ml Plasma. Bei der Anwendung moderner Verfahren liegt der Leukozytengehalt unterhalb von 1 x 106.
17
PHARMAKOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN
Thrombozyten sind die zellulären Elemente des Hämostasesystems. Durch Adhäsion an subendotheliale Strukturen und durch Aggregation der dadurch aktivierten Thrombozyten deckt der Thrombozytenpfropf unter Einbeziehung des plasmatischen Gerinnungssystems Endotheldefekte ab und führt
so zur Blutstillung.
Nach Transfusion verteilen sich die übertragenen vitalen Thrombozyten im Blut und in der Milz. Die
Wiederfindungsrate (engl.: recovery) im peripheren Blut liegt deshalb nur bei etwa 60 – 70 %. Die
recovery ist bei fehlender Milz entsprechend höher bzw. bei Hypersplenismus niedriger. Eine verringerte recovery findet man ebenfalls bei erhöhtem Thrombozytenverbrauch (z.B. bei Sepsis, dissiminierter intravasaler Gerinnung, Antikörperbildung gegen thrombozytäre Antigene).
Frische, nicht aktivierte Thrombozyten eines Blutspenders lassen sich etwa 7 – 10 Tage im peripheren Blut von gesunden Personen nachweisen. Diese mittlere Thrombozytenlebenszeit nimmt bei
Lagerung der Thrombozyten ab. Sie ist bei allen Patienten mit Thrombozytopenie und/oder gesteigertem Thrombozytenverbrauch, vor allem aber beim Vorliegen von thrombozytenreaktiven Antikörpern deutlich verkürzt.
LAGERUNG UND HALTBARKEIT
Thrombozytenkonzentrate werden in speziellen gasdurchlässigen, sterilen Kunststoffbeuteln bei 22 +
2 °C aufbewahrt. Werden bei der Herstellung geschlossene Abnahmesysteme verwendet, können TK
bei gleichförmiger Bewegung bis zu 5 Tage aufbewahrt werden.
Um ein optimales Transfusionsergebnis zu erzielen, ist eine möglichst kurze Lagerungsdauer anzustreben. Die Transfusion sollte möglichst schnell nach Eintreffen des TK eingeleitet werden,
Zwischenlagerungen bei Temperaturen < 18 °C sind unbedingt zu vermeiden. TK dürfen nicht
gekühlt, eröffnete Beutelsysteme dürfen nicht gelagert werden.
Transfusion von Thrombozytenkonzentraten
Die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten (TK) erfolgt unverzüglich nach Auslieferung.
Thrombozytenkonzentrate sind in der Regel AB0-kompatibel zu übertragen. Das Merkmal D soll
wegen der Möglichkeit einer Immunisierung berücksichtigt werden. Bei D negativen Frauen im
gebärfähigen Alter sollte, wenn die Gabe von D positiven Thrombozytenpräparaten unvermeidlich
ist, eine Prophylaxe mit Anti-D i.v. durchgeführt werden (Blutungsgefahr bei intramuskulärer Injektion). Eine serologische Verträglichkeitsprobe mit Spendererythrozyten ist wegen des geringen
Erythrozytengehaltes nicht erforderlich.
18
Die Auswahl kann durch eine Thrombozytenverträglichkeitsprobe unterstützt werden. Die Wirkung
von passiv übertragenen Alloantikörpern im Plasma ist in Einzelfällen zu bedenken.
Indikationen
TK werden zur Behandlung thrombozytopenischer Blutungen und zur Blutungsprophylaxe bei
thrombozytären Bildungs- oder Umsatzstörungen eingesetzt. Beide können mit einem Mangel
und/oder einer Beeinträchtigung der Funktion der Blutplättchen einhergehen. Vor der Behandlung
mit TK sollte die Ursache der Thrombozytopenie bzw. Thrombozytopathie geklärt werden.
Die häufigste Indikation zur Thrombozytengabe ist die Thrombozytopenie bei Patienten mit einer
primären oder sekundären Knochenmarkinsuffizienz. Bei einer Thrombozytenzahl unter 50/nl stellt
jede schwerwiegende Blutung (persistierende Blutverluste mit notwendiger Erythrozytensubstitution,
Einblutungen in innere Organe, intrakranielle, intraartikuläre, intramuskuläre und retinale Blutungen)
eine Indikation zur Thrombozytentransfusion dar.
. . .
Die Indikation zur prophylaktischen Gabe von TK bei thrombozytopenischen Patienten ohne akute
Blutung bedarf einer differenzierten Betrachtung.
Bei erworbenen Plättchenfunktionsstörungen (z.B. infolge einer Urämie oder durch thrombozytenbeeinträchtigende Medikamente) sind prophylaktische Thrombozytengaben in der Regel nicht angezeigt. Da die Transfusionsindikation aber nicht von der Thrombozytenzahl abgeleitet werden kann,
muss im Einzelfall bei schwerwiegenden Blutungen das klinische Bild berücksichtigt werden. Die
Gabe von Anti-Fibrinolytika oder DDAVP kann zweckmäßig sein. Gleichzeitig sind die Thrombozytenfunktion beeinflussende Medikamente wenn möglich abzusetzen.
Gefrorenes Frischplasma
Das gerinnungsaktive Endprodukt „Gefrorenes Frischplasma“ (GFP, häufig auch als FFP – Fresh
Frozen Plasma bezeichnet) kann sowohl aus dem Blutplasma eines einzelnen Spenders, wie auch aus
einem Pool von Plasmen einiger hundert Blutspender bestehen. In beiden Fällen ist die Gewinnung
des primären Plasmas aus einer Vollblutspende durch Zentrifugation und Abpressen in einen Transferbeutel (ca. 200 – 250 ml) oder durch die maschinelle Plasmapherese (ca. 600 ml im 3er-Pack à 200
ml) möglich.
19
Für die Gewährleistung einer größtmöglichen Sicherheit der Patienten vor einer Übertragung von
Infektionskrankheiten müssen die Blut- und Plasmaspender bei der Spende auf das Fehlen verschiedener Infektionsmarker untersucht werden. Die Freigabe erfolgt nach einer zur Zeit sechsmonatigen
Quarantänelagerung, wenn bei einer nachfolgenden Blutspende oder Blutprobe alle Infektionsmarker
weiterhin nicht nachweisbar sind (Quarantäne-Plasma). Poolplasma wird vor der Abfüllung in
Therapieeinheiten von ca. 200 ml einem Virusinaktivierungsschritt (Solvent-Detergent/SD-Verfahren) unterzogen.
Wirksame Bestandteile
Als gerinnungsaktiv wirksames Blutprodukt enthält das GFP bei sachgerechter Herstellung und Lagerung im Mittel pro Milliliter je ca. 1 Einheit (E) an allen Gerinnungsfaktoren und deren Inaktivatoren,
wobei in Abhängigkeit von den individuellen Ausgangswerten der Blut- und Plasmaspender von 60
bis 140 % (entsprechend 0,6 bis 1,4 E/ml) erhebliche Schwankungen vorkommen können. Bei
virusinaktivierten Poolplasmen ist zu berücksichtigen, dass durch die verschiedenen Verfahrensschritte ein genereller Abfall der Gerinnungsfaktoren auf bis zu 80 % und ein teils noch stärkerer
Abfall von verschiedenen Inaktivatoren des Gerinnungssystems in Kauf genommen werden muß.
Diese Abweichungen und das unterschiedliche Plasmavolumen der verwendeten Einheiten müssen
beim therapeutischen Einsatz von GFP beachtet werden: ein GFP-Beutel mit 200 – 250 ml Plasmainhalt kann maximal 200 – 250 E enthalten, aber auch einen geringeren Gehalt an Gerinnungsfaktoren und deren Inaktivatoren aufweisen.
Eine Besonderheit beim Poolplasma stellt der sehr niedrige Gehalt an hochmolekularen Multimeren
des Von-Willebrand-Faktors dar, was beim Plasmaaustausch von Patienten mit einer thrombotischthrombopenischen Purpura (Morbus Moschcowitz) sowie bei deren Erhaltungssubstitution von Vorteil sein kann.
Die Proteinkonzentration im GFP ist abhängig von der Serumeiweißkonzentration des Blutspenders,
deren Grenzwert für den Plasmapheresespender mit mindestens 60 g/L festgelegt ist. Bei der
Flüssigkeitsbilanzierung sollte dies entsprechend berücksichtigt werden.
LAGERUNG UND HALTBARKEIT
Die Inhaltsstoffe des GFP bleiben nur dann im physiologischen Konzentrationsverhältnis erhalten,
wenn während der Lagerungszeit eine Mindesttemperatur von – 30 °C gewährleistet ist (Kühlkette!).
Die jeweils empfohlene Lagerungstemperatur und Haltbarkeitsdauer ist auf den Behältnissen deklariert.
20
Plasmatransfusion
Frischplasmen für therapeutische Zwecke werden AB0-gleich transfundiert. In Ausnahmefällen können sie AB0-kompatibel transfundiert werden. Eine serologische Verträglichkeitsprobe entfällt.
AB0-kompatible Plasmatransfusion
Patient
Kompatibles Plasma
A
A oder AB
B
B oder AB
AB
AB
0
0, A, B oder AB
Aufgrund der allseits zunehmend geforderten Nutzen-Risiko-Abwägung (evidence-based medicine)
auch beim Einsatz von Hämotherapeutika, ist jeder Arzt dazu angehalten zu überprüfen, ob die über
Jahrzehnte allein auf persönlichen Erfahrungen beruhenden Therapiegewohnheiten trotz gegenteiliger
Studienergebnisse im Einzelfall den Einsatz von GFP rechtfertigen. Dies gilt auch für das autologe
GFP, welches im Rahmen einer präoperativen Eigenblutspende gewonnen wurde.
Indikationen
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP, syn. Morbus Moschcowitz), insbesondere beim
Plasmaaustausch und bei der Erhaltungssubstitution; hier scheint der Einsatz von Poolplasma Vorteile zu bieten.
Substitution bei Faktor V- oder Faktor XI-Mangel (bei letzterem kann auch der Einsatz von Desmopressin [DDAVP] eine Blutungsneigung günstig beeinflussen).
Austauschtransfusion (von mehr als dem errechneten Blutvolumen des Patienten).
In seltenen Fällen kann es erforderlich sein, dass bei der Indikationsstellung zur Gabe von PPSB oder
AT III trotz wesentlich geringerer Effektivität auf die Plasmatherapie ausgewichen werden muss.
Dies kann insbesondere dann notwendig werden, wenn beim Patienten eine Herapin-induzierte
Thrombozytopenie (HIT II) nachgewiesen wurde, da in den PPSB- und AT III-Präparationen Heparin
enthalten ist.
21
Die Gabe von GFP ist nicht angezeigt:
-
als „Ersatz“ von Gerinnungsfaktoren allein aufgrund erniedrigter Gerinnungsparameter im
Laboratorium ohne Zeichen einer klinisch manifesten Blutungsneigung oder akuter
Blutungen,
-
als Volumenersatztherapie,
-
zur Substitution von Albumin für das Anheben des kolloidosmotischen Drucks,
-
für die parenterale Ernährung,
-
zur Substitution von Immunglobulinen.
. . .
Dosierung
Die Dosierung soll sich in erster Linie nach dem klinischen Bild (objektivierbare Blutungsneigung)
richten. Die Ergebnisse gerinnungsphysiologischer Untersuchungen können zusätzlich für die
Berechnung der Substitutionsmenge herangezogen werden.
Als Faustregel zur Dosierung von GFP kann gelten:
1 ml GFP pro kg Körpergewicht erhöht den Faktoren- und Inaktivatoren-Gehalt im Patienten
um etwa 1 – 2 %, näherungsweise gilt dies auch für das Anheben des „Quick“-Werts in %.
-
Notfallbehandlung:
Initial 15 – 20 ml/kg Körpergewicht (cave: Volumenüberlastung); weitere GFP-Gaben nach
Maßgabe der klinischen Notwendigkeit unter Berücksichtigung wiederholter Kontrollen der
Gerinnungsparameter.
-
Verlust- und/oder Verdünnungskoagulopathie:
Insbesondere bei Massivtransfusion, d.h. bei Ersatz des Ein- bis Mehrfachen des Blutvolumens eines Patienten innerhalb weniger Stunden, kann die Gabe von GFP bei einer klinisch
manifesten Blutungsneigung im Einzelfall notwendig werden. Die Gabe von GFP sollte nicht
kontinuierlich, sondern bei Bedarf jeweils nach der Transfusion von (6-) 8 Erythrozytenkonzentraten in einer Dosierung von 3 (-4) Einheiten (600 – 800 ml) erfolgen.
-
Substitution bei Faktor V- und Faktor XI-Mangel:
Für die Therapie von spontanen Blutungen oder vor operativen Eingriffen sind Plasmaspiegel
von mindestens 15 – 20 % der Norm erforderlich. Entsprechend den jeweiligen biologischen
Halbwertzeiten muss beim Faktor V-Mangel die notwendige Substitution ca. alle 12 Stunden
22
und beim Faktor XI-Mangel ca. alle 24 – 48 Stunden wiederholt werden bis zum Sistieren der
Blutung resp. Abschluss der primären Wundheilung.
Eigenblutentnahme
Präoperative Entnahme und/oder perioperative Sammlung patienteneigenen Blutes für einen geplanten medizinischen Eingriff einschl. Retransfusion (autologe Hämotherapie).
. . .
Verfahren: Präoperative Eigenblutentnahme und -apherese, präoperative normovolämische Hämodilution, maschinelle Autotransfusion, postoperative Autotransfusion von Drainageblut.
Voraussetzungen: Transfusionswahrscheinlichkeit von mind. 10 % bei regelhaftem Operationsverlauf, Spendetauglichkeit, ausreichender Spendezeitraum.
Kontraindikationen: Akute Infektionen mit Möglichkeiten hämatogener Streuung, Verdacht auf
infektiöse Magen-Darm-Erkrankung, akute Erkrankungen ungeklärter Genese, frischer Herzinfarkt (3
Monate), instabile Angina pectoris, Hauptstammstenose der Koronararterien, klinisch wirksame
Aortenstenose, dekompensierte Herzinsuffizienz, Synkopen unklarer Genese, Blutarmut.
Eigenbluttransfusion: Bedarf wie jede andere Bluttransfusion der ärztlichen Indikation. Identitätssicherung sowie AB0-Identitätstest mit dem Blut des Empfängers, bei erythrozytenhaltigen Präparaten auch mit der autologen Konserve. Serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) kann entfallen.
Trotz Einsatz des autologen Hämotherapieverfahren kann die Notwendigkeit einer Fremdbluttransfusion nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Eigenblutkonserven mit positiven Infektionsmarkern: Eigenblutentnahmen sind nur in begründeten
Ausnahmefällen unter Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen: auffällige Kennzeichnung der Konserven als infektiös, keine Auftrennung in Blutkomponenten, separate Lagerung. Der
transfundierende Arzt ist über den infektiösen Status zu informieren und die Transfusion von diesem
persönlich vorzubereiten und durchzuführen.
Nicht verwendete Eigenblutkonserven: Aus Gründen der Sicherheit weder zur homologen Bluttransfusion noch als Ausgangsmaterial verwendbar, nicht verwendete infektiöse Eigenblutspenden sind
speziell zu entsorgen.
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Neuentwicklung: a) Einsatz von rekombinantem humanem Erythropoetin (r-HuEPO); 600 I.E./kg 2
mal wöchentlich für 3 Wochen vor Operationen. b) Maschinelle autologe Blutkomponentenspende
(Erythrozyten/Frischplasma) mittels Zellseparationsprogramm. c) Alternativ zum transfusionsmedizinischen Standard der Auftrennung der Vollblutspende in buffy coat-freie Erythrozytenkonzentrate
und Frischplasma, effiziente Leukozytenentfernung aus dem Vollblut mittels Blutentnahmesysteme
mit integriertem Vollblutfilter und Lagerung als Vollblut.
24
PRAKTIKUM
Arbeitsmaterialien: auf dem Labortisch vorbereitet
Metallständer mit Blutproben:
•
3 zentrifugierte Vollblutproben, eine davon mit der Platznummer beschriftet
•
4 Erythrozytenaufschwemmungen der Blutgruppen A(1), A(2), B, 0 für die Bestimmung der
Serumgegenprobe
•
1 Röhrchen mit gelbem Deckel, zentrifugiert, Pilotröhrchen der entsprechenden Blutkonserve zur
Durchführung der Kreuzprobe
Tropfflaschen mit Testseren/ Lösungen:
•
Anti-A (blau)
•
Anti-B (gelb)
•
Anti-AB (farblos)
•
Anti-D
•
Anti-CDE
•
LISS-Lösung
•
2 Tropfflaschen mit Testzellen für den Antikörpersuchtest, gekennzeichnet I und II
An den Zentrifugen stehen Tropfflaschen mit Antihumanserum und Coombskontrollzellen zur
Verfügung.
Weitere Arbeitsmittel:
-
Plastikröhrchen, Volumen 10 ml
-
Glasröhrchen, Volumen 5 ml
-
Tropfpipetten, Plastik
-
2 Tüpfelplatten, Plastik
-
Rührstäbchen, weiß, Plastik
Ergebnisblatt zum Antikörpersuchtest
Bedside-Karte in silberfarbener Folie
25
Gebräuchliche Techniken in der Blutgruppenserologie:
Ansatz auf der Tüpfelplatte:
2 Tropfen Testserum werden mit 1 Tropfen 3-5 % iger Erythrozytensuspension vermischt.
Die Mischung der Komponenten kann mit Hilfe eines Rührstäbchens erfolgen.
Nach entsprechender Inkubationszeit wird das Ergebnis unter leichtem Schwenken/Rotieren der
Tüpfelplatte abgelesen.
Agglutinate bedeuten, das Antiserum hat einen Reaktionspartner auf den Erythrozyten gefunden =
positiv, keine Agglutinate sichtbar = negativ.
(Durch die Form der Vertiefungen der Tüpfelplatte sinken die Erythrozyten an den tiefsten Punkt und
können so eine korrekte Ablesung verhindern. Eine zu lange Inkubation kann zu
Eintrocknungserscheinungen an den Rändern führen. Diese dürfen nicht mit Agglutinaten
verwechselt werden.)
Ansatz im Glasröhrchen:
2 Tropfen Testserum werden mit 1 Tropfen 3-5 % iger Erythrozytensuspension durch Schütteln des
Röhrchens vermischt.
Nach entsprechender Inkubationszeit wird das Röhrchen bei 1000 Umdrehungen 1 Minute
zentrifugiert.
(Die Zentrifuge muss gleichmäßig beladen werden, d.h. auf dem gegenüberliegenden Platz auf der
gedachten Linie durch die Zentrifugenachse muss als Gegengewicht ein ungefähr gleich gefülltes
Röhrchen stehen, da es sonst zu Unwuchterscheinungen kommt).
Durch den Zentrifugationsvorgang sedimentieren die Erythrozyten auf dem Röhrchenboden und
nähern sich an. Antikörper können besser die Abstoßungskräfte der gleich geladenen Zellen
überwinden und Agglutinationen bewirken.
Die sedimentierten Zellen auf dem Röhrchenboden müssen über einem hellen Untergrund
„aufgeschüttelt“ werden, d.h. das Sediment muss vollständig – vorsichtig – in dem überstehenden
Serum aufgenommen werden.
Lösen sich alle Zellen wieder voneinander, ist die Reaktion „negativ“, bleiben Agglutinate
unterschiedlicher Größe in der Flüssigkeit aufgeschwemmt, ist die Reaktion „positiv“. Die Größe der
Agglutinate ist ein Maß für die Reaktionsstärke. Ihre Beurteilung setzt Erfahrung voraus. (ein
einziges Agglutinat: 4+, mehrere große Agglutinate 3+ bis 2+, viele mit bloßem Auge sichtbare
Agglutinate +, weitere Abstufungen: (+), +/-, (+/-))
26
Vorbereitung der Blutproben:
Die drei zentrifugierten Vollblutproben müssen zuerst abgesert werden.
Dazu werden sie - ohne die Erythrozyten wieder aufzuwirbeln - eindeutig beschriftet.
Je Blutprobe werden 2 Plastikröhrchen ebenfalls mit der entsprechenden Nummer/Buchstaben
beschriftet (6 Plastikröhrchen).
In eins der Plastikröhrchen wird vorsichtig das Serum mit einer Tropfpipette gefüllt, in dem anderen
Röhrchen wird eine 3-5 %ige Erythrozytenaufschwemmung in NaCl-Lösung hergestellt. (Es genügt
„eine halbe Pipette voll“, die Aufschwemmung muss „himbeerfarben“ sein, siehe
Erythrozytenaufschwemmungen für die Bestimmung der Serumgegenprobe).
Mit diesen Serumproben und Erythrozytenaufschwemmungen werden nun die verschiedenen Teste
durchgeführt.
27
I.
AB0 – Blutgruppenbestimmung
1.
Testseren
Anti-A = blau, Anti-B = gelb, Anti-AB = farblos
2.
Testerythrozyten
3 – 5 % Erythrozyten- Aufschwemmung: A(1), A(2), B und 0
a) Erythrozytäre Antigenmerkmale
Anti-A
Anti-B
Anti-AB
2 Tropfen Testserum
+
1 Tropfen Ery-Aufschwemmung
Proband (R1)
ERGEBNIS
b)
Serumgegenprobe – Isoantikörper
A(1)-
A(2)-
B-
0- Ery
2 Tropfen Probandenserum (R2)
+
1 Tropfen Testerythrozyten
ERGEBNIS
Ablesen bei Raumtemperatur (RT) nach 10 Min. unter leichtem Schwenken der Tüpfelplatte
28
II.
Rh – Blutgruppenbestimmung
1. Testseren: a) Anti – D
b) Anti - CDE
2. Nativblut 3 - 5 % Erythrozytenaufschwemmung in NaCl (0,9%) (R1)
Durchführung:
Je Probe zwei kleine Glasröhrchen mit Platznummer und D bzw. CDE beschriften.
2 Tropfen Testserum
D bzw. CDE
+
1 Tropfen Ery- Aufschwemmung (R1)
D
CDE
1 Minute zentrifugieren, Ablesen unter leichtem Aufschütteln
Prob.- Nr.
Anti-D
Anti-CDE
ERGEBNIS
29
III. KREUZPROBE - MAJORTEST - DREISTUFENTEST
Ma: 1. Röhrchen mit Platznummer = Empfängerserum
2. Röhrchen Spendererythrozyten (werden mit 3 – 5 % NaCl-Lsg. aufgeschwemmt)
E:
Parallel zum Hauptansatz wird eine Eigenkontrolle zur Erfassung unspezifischer
Agglutinationsreaktionen bzw. zur Erfassung von Autoantikörpern mitgeführt
(Empfängerserum + Empfängererythrozyten).
Durchführung: 2 kleine Glasröhrchen (beschriftet: Majortest bzw. Eigenkontrolle)
E
1.
Ma
2 Tropfen Serum +
1 Tropfen Ery-Suspension, 5 Min./ RT
1 Min. zentrifugieren, ablesen
In dieser Phase der Kreuzprobe werden
hauptsächlich Unverträglichkeiten
innerhalb des AB0-Systems erfasst
(aber auch andere „saline“ Antikörper)
Agglutination im Majortest:
unverträglich, nicht transfundieren
Stufe
+ 2 Tropfen Liss-Lösung
10 Min./37°C Wasserbad
1 Min. zentrifugieren, ablesen
Erfasst werden Unverträglichkeiten durch
z.B. Rh-Antikörper
Agglutination im Majortest:
unverträglich, nicht transfundieren
2. Stufe
3 x waschen /0,9 % NaCl-Lsg.
+ 2 Tropfen Coombsserum, schütteln
1 Min. zentrifugieren, ablesen
Erfasst Antikörper, die aufgrund ihrer
Struktur oder schwachen Konzentration
nur mit Hilfe von Antihumanglobulin-serum zu finden sind
(z.B. Anti-Kell, Anti-Duffy u.a.)
Agglutination: gekreuztes Blut ist
serologisch unverträglich
keine Agglutination: gekreuztes Blut
ist serologisch verträglich
3. Stufe
Ergebnis:
Stufe
Eigenansatz
Majortest
Auswertung
1
2
3
Kontrolle
Kontrolle: Bei jedem negativ ausgefallenen Antihumanglobulintest 1 Tropfen Coombskontrolle (antikörperbeladene
Testerythrozyten) zugeben, zentrifugieren, ablesen!
30
IV.
Antikörpersuchtest
Die Durchführung ist analog zu der des Majortests der Kreuzprobe.
Anstelle von Spender- Erythrozyten werden Antikörpersuchzellen (I/II) eingesetzt.
Die kommerziell erhältlichen Zellen stammen von Spendern der Blutgruppe 0. Die Testzellen müssen mindestens die
Antigene C, c, Cw, D, E, e, K, k, Fy(a), Fy(b), Jk(a), Jk(b), Le(a), Le(b), M, N, S, s und P(1) aufweisen. Die
Antigenverteilung sollte zudem berücksichtigen, dass die Rh-, Duffy-, Kidd- und MNSs- Antikörper „Dosiseffekte“
zeigen und deshalb die entsprechenden Antigene möglichst homozygot vertreten sein.
Die Mitführung einer Eigenkontrolle zum Nachweis von Autoantikörpern und zur Abgrenzung von
Pseudoagglutinationen ist sinnvoll.
E
I
II
1 Tropfen Ery-Suspension
+
2 Tropfen Serum
5 Min./RT (20°C)
1 Min.zentrifugieren,
ablesen
1. Stufe
+ 2 Tropfen LISS-Lsg.
10 Min. /37° C Wasserbad
1 Min.zentrifugieren
ablesen
2. Stufe
3 x Waschen/ 0,9% NaCl
+ 2 Tropfen Coombsserum
1 Min. zentrifugieren
ablesen
3. Stufe
Ergebnis:
Stufe
Eigenansatz
Suchzelle
I
Suchzelle
II
Antikörperbefund
1
2
3
Kontrolle
Kontrolle: Bei jedem negativ ausgefallenen Antihumanglobulintest 1 Tropfen Coombskontrolle (antikörperbeladene
Testerythrozyten) zugeben, zentrifugieren, ablesen!
Eine negative 3. Stufe muss dann positiv werden.
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V.
Bedside – Test
Die AB0 – Identitätskontrolle dient der Bestätigung der zuvor bestimmten AB0- Blutgruppenmerkmale des Patienten und
sichert die Übereinstimmung der Blutgruppe des Patienten und der Konserve. Dadurch können möglicherweise
vorkommende Verwechslungen erkannt werden.
Testkarte mit aufgetragenen Anti-A- und Anti-B- Immunseren.
Je 1 Tropfen Empfängererythrozyten in die oberen Felder, je 1 Tropfen Konservenblut in die unteren Felder geben. Falls
erforderlich kann ein kleiner Tropfen isotone Kochsalzlösung oder Leitungswasser (!) dazugegeben werden.
Mit Rührstäbchen mischen bzw. Schwenken der Karte; Ablesen.
Bei AB0- Identität gleiche Reaktion der beiden Blute mit Anti-A (blau) und/oder Anti-B (gelb).
Das Ergebnis ist aufzeichnungs- und dokumentationspflichtig.
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