INFO Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis Die „Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis“ ist eine schwerwiegende Autoimmunerkrankung, die eine Hirnentzündung (Enzephalitis) auslöst. Mögliche Symptome sind Wahnvorstellungen, epileptische Anfälle, Bewegungsstörungen und Demenz. Diese Form einer Enzephalitis ist zwar selten, Untersuchungen aus dem Jahr 2010 ergaben jedoch, dass sie die häufigste unter den Hirnentzündungen ist, die nicht durch Keime ausgelöst werden. In Deutschland gibt es schätzungsweise wenige hundert Neuerkrankungen pro Jahr. Betroffen sind Kinder und Erwachsene. Junge Frauen erkranken überdurchschnittlich häufig (mehr als die Hälfte aller Fälle). In Ausnahmefällen verläuft die Erkrankung tödlich. Wird sie rechtzeitig erkannt, lässt sie sich jedoch relativ gut behandeln: Die meisten Patienten erholen sich und leben weitgehend beschwerdefrei. Mechanismus Zum Arsenal, mit dem das Immunsystem Fremdstoffe und Keime bekämpft, gehören spezielle Abwehrmoleküle, sogenannte Antikörper. Bei einer Autoimmunerkrankung kommt es allerdings zu einer Fehlfunktion. Es werden Antikörper freigesetzt, die eigene Körperzellen attackieren: in diesem Fall Nervenzellen des Gehirns. Die Antikörper blockieren bestimmte Transportkanäle – die NMDA-Rezeptoren – in der Zellmembran und stören dadurch Signalwege innerhalb des Gehirns. Die Grundzüge dieses Mechanismus sind erst seit 2007 bekannt. Besonders betroffen ist der „Hippocampus“. Diese Hirnregion gilt als Schaltzentrale des Gedächtnisses und für das Lernen. Ursachen Warum es zu dieser fehlgeleiteten Immunreaktion kommt, ist erst ansatzweise verstanden. Bei zirka 60 Prozent der erwachsenen Patientinnen finden sich gutartige Wucherungen der Eierstöcke. Die Antikörper gegen diese Geschwülste können fälschlicherweise auch Zellen des Gehirns angreifen. Derlei Tumore erklären jedoch nur rund ein Drittel der Krankheitsfälle insgesamt. Möglicherweise tragen andere Vorerkrankungen sowie erbliche Veranlagungen ebenfalls zum Ausbruch der Enzephalitis bei. Diagnose Die typischen Antikörper lassen sich im Blut und in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) nachweisen. Bei einer gesicherten Hirnentzündung wird routinemäßig nach diesen Antikörpern gesucht – allerdings nicht bei Patienten mit einer Psychose oder einer Demenz unklarer Ursache. Deshalb kann es zu Fehldiagnosen kommen, ehe eine „Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis“ als tatsächlicher Auslöser der Symptome erkannt wird. Therapie Patientinnen mit einem gurtartigen Eierstocktumor werden diese Wucherungen für gewöhnlich operativ entfernt – wodurch sich ihr Zustand im Allgemeinen verbessert. Zu den Therapiemöglichkeiten zählt insbesondere eine Blutwäsche (Apherese), die die schädlichen Antikörper aus dem Organismus beseitigt. Darüber hinaus zielen gegenwärtige Behandlungsmethoden darauf, mittels Medikamenten einerseits die Symptome zu mildern und andererseits die Überreaktion des Immunsystems einzudämmen. Eine Therapie, die das Abwehrsystem schwächt, steigert jedoch auch das Risiko für Infektionen. Forschung Die „Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis“ ist der Prototyp für eine ganze Reihe von Hirnerkrankungen, die durch fehlgeleitete Immunreaktionen ausgelöst werden. Diese beschädigen das Nervensystem und können zum Absterben von Nervenzellen führen. Am Standort Berlin des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) werden in Kooperation mit der Charité die Ursachen und Mechanismen solcher Erkrankungen erforscht. Ziel ist, die aktuellen Möglichkeiten der Diagnose und Behandlung zu verbessern. DZNE Presse- und Öffentlichkeitsarbeit � [email protected] � Tel.: 0228 43302-271 Stand: August 2015