De musica - Verlag Karl Alber

Werbung
Wulf (48576) / p. 1 /13.8.2013
VERLAG KARL ALBER
A
Wulf (48576) / p. 2 /13.8.2013
Über das Buch:
In der Schrift »Über die Musik« ist die Einsicht dargelegt, daß gegensätzlich scheinende Aspekte der Erfahrungswirklichkeit, wie z. B. Klang
und Stille, Sinn und Sinnlichkeit, Ewigkeit und Zeit, nicht auf zwei
gegensätzlichen Prinzipien beruhen können, sondern vielmehr als sich
wechselseitig bedingende, distinkte Ausformungen einer Wirklichkeit
wahrgenommen werden müssen. In der Analyse der ästhetischen
Wahrnehmung des kreativen Menschen läßt sich erkennen, daß die
sich gegenseitig ausschließenden Aspekte der Wahrnehmung und ihrer
Gegenstände derart miteinander korrelieren, daß sie durch einander, in
korrelativer Wechselwirkung, eine strukturierte Einheit bilden und
dadurch mit sich identisch sind. Dieses Prinzip des Sich-selbst-imAnderen-gleich-Seins bildet die schöpferische Kraft des sich ästhetisch
produktiv wahrnehmenden Geistes. Sie garantiert dem Musiker die
Einbindung in den rhythmos der musikalischen Zeit bzw. das Finden
seiner selbst in der Musik.
Das avisierte Ziel von De musica ist das Hören des Klangs der
schönsten Wahrheit im Inneren dieser Musik. Die Wahrheit tönt im
Gesang der kreativ wirkenden Seele, deren Kunst und Können sich in
der musikalischen Kreation äußert und sich als Kreativität zugleich
wissenschaftlich reflektieren läßt. Denn in der musikalischen Selbstwahrnehmung des kreativ Schöpferischen zeigt sich nicht nur eine
sinnliche Realität, sondern zugleich der Sinn der Wirklichkeit.
Die Autorin:
Silke Wulf studierte in Köln Philosophie und Musikwissenschaft und
promovierte in Oldenburg mit vorliegender Arbeit zur Philosophie der
Musik. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Erkenntnistheorie,
Metaphysik und Ästhetik jener Geistestradition, welche bei Augustinus ihren Ausgang nahm. Forschungsperspektive ist ihr die Musikphilosophie.
Wulf (48576) / p. 3 /13.8.2013
Silke Wulf
Zeit der Musik
Wulf (48576) / p. 4 /13.8.2013
musik M
philosophie
Band 5
Herausgegeben von:
Oliver Fürbeth (Frankfurt am Main)
Lydia Goehr (Columbia, New York)
Frank Hentschel (Köln)
Stefan Lorenz Sorgner (Erfurt)
Wissenschaftlicher Beirat:
Andreas Dorschel (Graz)
Bärbel Frischmann (Erfurt)
Georg Mohr (Bremen)
Albrecht Riethmüller (Berlin)
Günter Zöller (München)
Wulf (48576) / p. 5 /13.8.2013
Silke Wulf
Zeit der Musik
Vom Hören der Wahrheit
in Augustinus’ De musica
Verlag Karl Alber Freiburg / München
Wulf (48576) / p. 6 /13.8.2013
Dissertation der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
im Fachbereich Human- und Gesellschaftswissenschaften
Originalausgabe
© VERLAG KARL ALBER
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg / München 2013
Alle Rechte vorbehalten
www.verlag-alber.de
Satz: SatzWeise, Föhren
Herstellung: AZ Druck und Datentechnik, Kempten
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier (säurefrei)
Printed on acid-free paper
Printed in Germany
ISBN 978-3-495-48576-7
Wulf (48576) / p. 7 /13.8.2013
Inhalt
. . . .
Ausgangspunkt . . . .
Methode . . . . . . .
Zur Forschungslage .
.
.
.
.
Inhalt und Struktur der vorliegenden Untersuchung .
1.
2.
.
.
.
.
.
10
Zeit der Musik – Augustins musica im Kontext der Zeit . . .
20
Einleitung
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
2.1 Individuelle und geschichtliche, philosophische Wende
der Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Zeit und die Analyse ihrer Erfahrung . . . . . . . .
2.1.2 Verortung der Zeitbetrachtung aus De musica im
philosophischen Werk des Augustinus . . . . . . .
2.2 Die Musik im Kanon der Disziplinen –
Definition und Einordnung . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 »musica est scientia bene modulandi« . . . .
2.2.2 Musikalische Dimensionierung des rhythmos
2.2.3 Kunst und Wissenschaft der disciplina musicae
.
.
.
.
9
12
17
20
22
30
.
.
.
.
40
42
44
49
Das Hören der Zeit – numerikal strukturierte
Differenzierung des Hörvorgangs . . . . . . . . . . . . . .
56
3.1 Musikwahrnehmung in De musica VI . . . . . . . . . . .
3.1.1 Das numeri-Modell der Wahrnehmung . . . . . . .
56
59
3.
.
.
.
.
9
3.2 Der Wahrnehmungsvorgang und die besondere Rolle der
numeri iudiciales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Das musikalische Intervall als dimensionierte
Zeitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Ausdifferenzierung der höchsten numeri und ihr
letztgültiges Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
66
72
7
Wulf (48576) / p. 8 /13.8.2013
Inhalt
4.
Innehangen der Wahrheit – bewußtseins- und
erkenntnistheoretische Hintergründe . . . . . . . . . . . .
77
4.1 Tätiges Einsehen der musikwissenschaftlichen
Wahrnehmungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
4.2 Zeichen und Spur der Einheit . . . . . . . . . . . . . . .
92
. . . . . . . . . . . . . . . 105
4.3 Begriffsbildung des »Nichts«
Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
5.1 Das Zusammenspiel der Aufmerksamkeiten . . . . . . . .
5.1.1 attentio & intentio . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.2 distentio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
118
126
5.2 Strukturähnlichkeit und Wertungsdifferenz:
die distentio der Bekenntnisse & die dimensio der Musik .
130
5.
5.3 Phantasmata
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
. . . . . . 141
6.1 Kreative Wendung der Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . 141
6.
Ich will ein Lied singen – tam antiqua et tam nova
6.2 Klangwandlung – sinnliche Gestaltung des
kreativen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
6.3 Die Prästabilität der Zeit in der creatio ex nihilo . . . . . .
164
Nachklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
.
. . . . . . . .
Wörterbücher und Lexika .
Quellen . . . . . . . . . .
Literatur . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
177
Sachindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
7.
Zitierte Werke Augustins
Textcorpora
8
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
178
178
179
181
Wulf (48576) / p. 9 /13.8.2013
1. Einleitung
Ausgangspunkt
Vorliegende Arbeit wurde von der Carl von Ossietzky Universität
Oldenburg angenommen als Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades in Philosophie. Inhaltlich handelt es sich hierbei um den Versuch, Augustinus’ Konzept der ästhetischen Erfahrung, wie es in den
Büchern I und VI seiner Schrift De musica zu finden ist, zu verstehen
und dieses Verständnis darzulegen. Angestoßen durch das in der Fachwelt kontrovers diskutierte Ende des Zeittraktats der Confessiones XI
wurde es mein Interesse zu begreifen, warum Augustinus zunächst
sehr ausführlich auf das Phänomen zeitlich strukturierter musikalischer Wahrnehmung eingeht und am ›Singen eines bekannten Liedes‹
sein Modell zur Erklärung der ästhetisch fundierten Erfahrung von
Welt entwirft; dann aber diesen eigenen Entwurf in einem kurzen,
wortgewaltigen Abschnitt am Ende des XI. Buches einfach wegzuwischen scheint. Die zum musikalischen Aspekt dieses Problemfeldes befragten Erläuterungen bezüglich der Wahrnehmung und Erzeugung
von Musik, die Augustinus in seinem Lehrwerk »Über die Musik« dargelegt hat, entpuppten sich als eine in ihrer philosophischen Tiefe
kaum erschlossene Fundgrube. Denn die Musikschrift enthält eine
sachlich fundierte, in ihrer Ausführlichkeit und Komplexität unvergleichlich reiche Analyse der ästhetisch-kreativen Erfahrung. Demnach liegt im Wahrnehmen von Musik nicht nur die Möglichkeit, sich
seiner selbst als Interpret der eigenen Erfahrungswelt bewußt zu werden; der musische Mensch findet in der kreativen Betätigung sogar zur
Einsicht der höchsten Wahrheit selbst.
Vor dem Hintergrund dieser sehr positiv konnotierten ästhetischen Theorie, die Augustinus in De musica vorlegt – und die er bis
ins hohe Alter als einen legitimen und guten Weg zur Erkenntnis der
Wahrheit anerkennt – irritiert der scheinbare, unversöhnlich-negative
Ästhetizismus der »Bekenntnisse« noch mehr. Wie ist die Gegensätz9
Wulf (48576) / p. 10 /13.8.2013
Einleitung
lichkeit dieser beiden, dem ersten Anschein nach absolut konträren
Darstellungen der ästhetischen Wahrnehmung von Welt zu verstehen?
Da es das Zeugnis des Autors selbst verbietet, in diesem Fall von einem
Umbruch in seinem Denken auszugehen, in welchem eine ältere, antik-philosophische Theorie schlicht durch eine neuere, christliche, ersetzt worden wäre, gilt es wohl genauer hinzuhören, ob es sich bei
diesem scheinbaren Mißklang nicht um eine funktionale Spannung
handeln könnte, die durch fundierteres musikphilosophisches Wissen
eine Auflösung erfährt in ein moduliertes Verständnis vom Wirken
eines seiner selbst bewußten, musisch-kreativen Geistes; ein SelbstVerständnis von einem schöpferisch tätigen Geist, der in einem anderen als dem in den Confessiones dargestellten ›Erschrecken machenden‹ Sinne um die Relation zwischen dem Geist und der durch ihn
gestalteten Welt weiß.
Methode
Im Hinblick auf diese Arbeitshypothese soll das musiktheoretische
Fachwissen, welches Augustinus in De musica vermittelt, nun auf seine philosophisch relevanten Aspekte hin befragt werden, welche in der
Ästhetik und Epistemologie, aber auch in den Bereichen von Metaphysik, Ontologie, Anthropologie und – für den Kirchenvater selbstverständlich – ebenso in der Theologie zu verorten sind. Die Ergebnisse
der Untersuchung sollen dargestellt und abschließend zur Interpretation des Musikbeispiels der Confessiones XI herangezogen werden. Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, daß die Schrift über die
Musik methodisch keine philosophisch-theologische Abhandlung darstellt, sondern in Gestalt einer epistemischen Untersuchung des Musik
wahrnehmenden menschlichen Geistes durchgeführt wird. Die Konstitution eines sich seiner selbst bewußt werdenden Geistes findet dort
ausschließlich in der konkreten Anwendung der ästhetischen Urteilskraft, in der Zeitigung des erklingenden musikalischen Rhythmus ihre
Grundlegung. Sie wird dementsprechend auch hier in dieser Art und
Weise, also in der sehr technisch anmutenden Analyse der Logizität der
auditiven Apperzeption, zur Darstellung kommen.
Meine Erschließung der Augustin’schen Auffassung von Musik
lehnt sich eng an dessen eigenes Vorgehen an und ist phänomenologisch angelegt. Die Untersuchung hat ihren Schwerpunkt in der aus10
Wulf (48576) / p. 11 /13.8.2013
Methode
führlichen Darstellung der Struktur der sinnlichen Hörwahrnehmung,
der kognitiven Verarbeitung und Repräsentation des Klangs. Methodisch wird hierbei viel Wert auf die möglichst differenzierte Erläuterung der von Augustinus verwendeten Fachtermini gelegt, die teilweise von ihm aus anderen Kontexten entliehen und speziell für
diesen sachlichen Zusammenhang modifiziert wurden. Der ausgebildete Rhetor kreiert (nicht nur) in der Musikschrift ein eigenes Begriffsinstrumentarium, durch welches er sowohl in werkinternen als auch in
geistesgeschichtlich traditionsbezogenen Verweisen neue erkenntniserschließende Zusammenhänge schafft, die er nur in einigen Fällen
weiter ausführt und deren Interpretation er dem gebildeten Leser getrost selbst überläßt. Dieser Eigenart der Arbeitsweise Augustins entsprechend scheint mir ein hermeneutisches Herangehen an dieses
Zeugnis antiker Gelehrsamkeit geboten. Denn nur so können möglichst viele jener begrifflichen Hinweise und terminologischen Informationsquellen für das tiefere Verständnis des Lehrwerks nutzbar gemacht werden.
Aus diesem Anspruch heraus erklärt sich auch die hier verwendete
Zitationspraxis und Übersetzungsweise. In den vorhandenen deutschen Übersetzungen von De musica von J. Perl und F. Hentschel sind,
aus nachvollziehbaren stilistischen und interpretatorischen Gründen,
keine eindeutigen Übertragungen der Augustin’schen Fachbegriffe
vorgenommen worden. Dies führt zwar zu einem gut lesbaren und elegant formulierten Text, zentrale Termini wie numeri, rhythmus, intervallum temporis und dimensio sind in diesen deutschen Übertragungen von De musica jedoch nicht mehr zu unterscheiden, sondern
entziehen sich in der Pluralität sich überschneidender (!) Begriffsfelder
der differenzierten Verständnismöglichkeit. (Beispiele für die mannigfaltigen Übersetzungsvarianzen finden sich bei Behandlung der jeweiligen Begriffe in den Fußnoten.) Um die terminologische Stringenz des
Originaltextes sichtbar zu erhalten, ohne dabei auf die zum Verständnis ebenso notwendige Übersetzungsfreiheit einer interpretierenden
Arbeit am Text verzichten zu müssen, wird bei den Übertragungen
der Augustin’schen Textpassagen im Fließtext entweder auf begriffliche Eindeutigkeit Wert gelegt oder der freieren Interpretation wird
der lateinische Terminus in Klammern hinzugefügt.
Beide Varianten der Verdeutlichung haben Nachteile: Die lateinisch-deutsche Eineindeutigkeit ist stilistisch oft unelegant – z. B.
wenn möglichst alle lateinischen Termini, die mit dem Verb facere ver11
Wulf (48576) / p. 12 /13.8.2013
Einleitung
wandt sind, mit dem deutschen ›machen‹ übersetzt werden – oder es
muß aus Gründen der Unverwechselbarkeit der vielen ähnlichen Begriffe auf lateinische Lehnworte zurückgegriffen werden, die im Deutschen z. T. bereits fächerspezifische Konnotationen besitzen, welche bei
Augustinus nicht intendiert sind – hier sind z. B. musiktheoretisch aufgeladene Begriffe zu nennen wie die Modulation, die gegen die Modifikation abgegrenzt werden sollte, oder der Affekt, der als Bewegtheit
des Geistes von der Bewegung der Seele differenziert wird und nicht
mit der musikalischen Affektenlehre des Barock zusammengebracht
werden sollte. Die ausschließliche Verwendung der lateinischen Originalbegriffe hingegen würde ein recht großes Augustinus-spezifisches
Vokabular bereits als bekannt voraussetzen, während dieses erst innerhalb dieser Untersuchung sachlich erschlossen wird. Ich bitte also den
Leser darum, die stilistischen Unebenheiten, welche der Eindeutigkeit
der Übersetzungen geschuldet sind, zu entschuldigen und darauf zu
achten, wann die modernen Implikationen ausgewählter Termini für
die Interpretation des Augustin’schen Textes in den Fußnoten expressis
verbis ausgeschlossen werden. Die lateinischen Termini, die innerhalb
des Fließtextes in Klammern auftauchen, sind als Hinweis darauf zu
werten, auf welchen Sachzusammenhang erläuternd Bezug genommen
wird.
Zur Forschungslage
Sowohl in De musica als auch in den Confessiones geht das Verstehen
von Musik mit der Analyse dessen einher, was unter dem Begriff von
Zeit zu verstehen ist. Musikwahrnehmung und Zeiterfahrung sind in
der Konzeption der ästhetischen Erfahrung bei Augustinus nicht zu
trennen und werden auch in dieser Untersuchung in ihrer inneren Verbundenheit dargestellt. Wegen der unterschiedlichen Forschungslage
zu diesen beiden Themengebieten ist hier jedoch eine unterschiedliche
Herangehensweise geboten. Während der Zeittraktat der Confessiones
eine der meistkommentierten Schriften der philosophischen Forschung
der letzten hundert Jahre zu sein scheint und die vorhandene Literatur
hier nahezu undurchdringlich ist, fällt besonders die philosophisch relevante Sekundärliteratur zu De musica eher spärlich aus. Eine umfassende und detailliert diskutierte Bibliographie zu dieser De musica betreffenden Forschung im allgemeinen hat A. Keller in »Aurelius
12
Wulf (48576) / p. 13 /13.8.2013
Zur Forschungslage
Augustinus und die Musik« vorgelegt (Stand 1992). Durch die Aktualisierung der bibliographischen Recherche konnten nur wenige Titel
aufgefunden werden, die in den dazwischenliegenden 19 Jahren erschienen sind. Zu diesem – sehr unwahrscheinlich anmutenden – Ergebnis kommen z. B. auch A. Nowak (1999) in seinem für das MGG
(Musik in Geschichte und Gegenwart) verfaßten Artikel zu Augustinus’ Musikanschauung; Ph. Jeserich (2008), in seiner sehr umfangreichen Dissertation »Musica naturalis«; selbst im (2013 erschienenen)
Artikel des AL (Augustinus Lexikon) zum Thema »musica« sind nur
wenige neuere, in meine Arbeit bereits eingeflossene Beiträge aufgeführt.
Leider gibt es in dieser ohnedies schon recht begrenzten Literatur
– älteren und neueren Datums – zudem verhältnismäßig viele Interpretationen, welche sich in allzu oberflächlichen Darstellungen der
Musikschrift ergehen oder aber das Lehrwerk über die Musik ausschließlich als historisches Zeugnis der spätantiken, bereits christlich
beeinflußten Lehre vom regelkonformen Skandieren nach Versmaß
und Metrum lesen. Diese Texte blenden das, was den Gegenstand der
vorliegenden Untersuchung bildet, vollständig aus, sind hier dementsprechend nicht von Interesse und reduzieren so den thematisch relevanten Literaturbestand weiterhin.
Für mein Forschungsinteresse sind hingegen erkenntnisbringend:
die älteren Arbeiten von G. Wille, H. I. Marrou und T. Georgiades aus
den 1930er bis 1960er Jahren, die sich zwar ebenfalls auf Versmaß und
Metrum konzentrieren, jedoch die Augustin’sche Musiktheorie und
-praxis unter einem gänzlich anderen Aspekt betrachten. Sie informieren mit fundiertem und breitem historischen Wissen über Augustins
Bezug zum antiken Verständnis von Musik, aber auch über die musikalische Praxis zu dessen Lebzeiten. In den oben genannten Arbeiten wird
eine Einbindung der musica sowohl in den alltäglichen musikpraktischen Vollzug als auch in den geistesgeschichtlichen Hintergrund und
die darin zum Ausdruck kommende Relevanz der Musik in allen Wissensbereichen antiker Bildung in einer Genauigkeit geleistet, die bis
heute als Stand der Forschung angesehen werden muß. Ergänzend dazu, welche Art der Musik und des skandierenden Gesangs wir in der
Patristik vorfinden, leistet H. Koller 1981 einen wertvollen Beitrag,
und A. Nowak hat 1999 u. a. dezidiert dargelegt, welche Aussagen von
Augustinus selbst in seinem gesamten Werk über die zeitgenössische
Musik in Kirche und Alltagswelt der Patristik erhalten sind.
13
Wulf (48576) / p. 14 /13.8.2013
Einleitung
Auf die in dieser Arbeit zentrale Analyse der klangverarbeitenden
auditiven Wahrnehmung, die sich in Augustins numeri-Modell findet,
gehen nur wenige Autoren ein. Diese Beiträge sind jedoch um so wertvoller, insofern sie zugleich die sich in De musica ausprägende Zahlenlehre, jeweils mit unterschiedlicher Gewichtung und sehr differenter
Perspektive, auf epistemologische, metaphysisch-ontologische oder
aber theologische Weise in einen größeren Zusammenhang einbinden.
Zu nennen wären auch hier die sehr detailreiche Darstellung in der
Dissertation A. Kellers von 1992 und die Arbeiten von F. Hentschel,
der 2002 eine Neuübersetzung von De musica vorlegte und in diesem
Zusammenhang einige Aufsätze zum Thema veröffentlichte.
Besonders hervorheben möchte ich zwei nur ihrem Seitenumfang
nach eher ›kleine‹ Beiträge zur Bedeutung der kognitiven Musikverarbeitung, welche die ideentheoretischen Hintergründe beleuchten
und das historische Gewicht, das Augustins Ästhetik zuerkannt werden
muß, ermessen lassen: A. Nowak präsentiert 1975 in seiner präzisen
Analyse »Die numeri judicales des Augustinus und ihre musiktheoretische Bedeutung« den sehr hellsichtigen Schluß, daß Augustins De
musica als ein »Wendepunkt auf dem Weg vom klassisch-griechischen
logos-Denken zu der auf dem »Cogitare« begründeten neuzeitlichen
Logik« (S. 207) betrachtet werden muß. Aus demselben Jahr liegt ein
Artikel unter dem Titel »Aequalitas numerosa« von W. Beierwaltes
vor, welcher das nüchterne numeri-Modell der Hörwahrnehmung in
einer unvergleichlich vielschichtigen Weise in den großen metaphysischen Zusammenhängen einer hauptsächlich im Neuplatonismus
gründenden, philosophischen Tiefenstruktur verortet. Beide Beiträge
sind als theoretische Grundlage meiner Arbeit zu sehen. Sie geben auf
höchstem Niveau eine Vorlage, die es zunächst nachzuvollziehen und
zu verstehen galt, gegen die ich mich aber auch im Laufe meiner eigenen Forschung abzugrenzen hatte, da meiner Ansicht nach einige Textpassagen aus De musica auch anders interpretiert werden können.
Insgesamt bilden das Werk von W. Beierwaltes und die Forschungen von J. Kreuzer eine Art Boden, auf dem sich die folgende Untersuchung bewegt. Bei ihnen sind die Voraussetzungen für meine Auseinandersetzung mit der Ästhetik Augustins, deren Grundlagen und
Wirkungsgeschichte zu lesen. Das Hören der Wahrheit, wie es hier
verstanden werden soll, hat eine große strukturelle Ähnlichkeit mit
der u. a. von diesen ausführlich dargestellten visio dei, mit dem erkenntnisspendenden Licht des lumen intelligibilis und mit dem Verste14
Wulf (48576) / p. 15 /13.8.2013
Zur Forschungslage
hen des verbum intimum. Ich greife hier auf die umfänglich vorhandene Forschungsliteratur zu diesen Bereichen zurück; eine systematische
Untersuchung der Ähnlichkeiten von Augustins Musikphilosophie mit
seiner Lichtmetaphysik, seiner Trinitätsspekulation und nicht zuletzt
mit seiner Sprachphilosophie bleibt als vielleicht zukünftig zu erschließendes Forschungsfeld offen.
Andererseits habe ich mir erlaubt, die Erkenntnisse zur memoriaTheorie, die J. Kreuzer u. a. in »Pulchritudo« dezidiert erarbeitet, präzise dargelegt und deren Relevanz für das gesamte Denken Augustins
er – besonders im Hinblick auf dessen ästhetisches Modell von Zeit und
Ewigkeit – sehr deutlich gemacht hat, als Grundlage für diese Untersuchung vorauszusetzen. Denn sachlich ist die Zeit der Musik ohne die
»memoria, die quasi das Leuchten der zeitlichen Ausdehnung ist«
(Mus. VI,8,21), nicht zu denken. Musik besteht als Zeitkunst ausschließlich in gestalteter zeitlicher Ausdehnung. Sie entsteht in der
Äußerung einer reflexiven Selbst-Bewegtheit des Geistes in Zeit bzw.
als Zeitgestalt, welche nur kraft der memoria als solche wahrgenommen werden kann.
Auch in bezug auf Augustins Zeitphilosophie liegen, wie oben
bereits erwähnt, unzählige Aufsätze, gedruckte Vorträge, Sammelbände, Monographien und zahlreiche, mit ausführlichen Erläuterungen
versehene Übersetzungen des ›Zeittraktats‹ vor. Schon eine kleine repräsentative Auswahl hier zu nennen und zu kommentieren würde den
Rahmen dieser Einleitung sprengen. Da es sich bei dieser Arbeit zudem
nicht um eine Abhandlung über die Frage nach der Zeit bei Augustinus
handelt, sondern um eine Untersuchung der Musikwahrnehmung in
ihrer untrennbaren Verbindung zur Zeiterfahrung, beschränke ich
mich darauf, zwei maßgebende Monographien zu erwähnen, von denen ausgehend die weitere Literatur erschlossen werden kann:
K. Flasch setzt sich in »Was ist Zeit?« ausführlich mit der Problematik
des Singens eines bekannten Liedes auseinander. Bei ihm liegt außerdem, ebenso wie in W. Meschs Studie »Reflektierte Gegenwart«, eine
historisch-systematische Einordnung von Augustins Zeittheorie vor.
Beide zeigen in methodisch sehr unterschiedlicher Weise sowohl die
Quellen als auch die Wirkungen der sich bei Augustinus manifestierenden ästhetischen Auffassung von Zeit und Ewigkeit sehr detailreich
und fundiert auf. Weitere Literatur zu Augustins Zeitphilosophie findet sich in angefügter Bibliographie, welche sich in ihrer Auswahl eng
an der inhaltlichen Ausrichtung dieser Arbeit orientiert. Zur Erhellung
15
Wulf (48576) / p. 16 /13.8.2013
Einleitung
der philosophischen Fundamente und der historisch-genuinen Herkunft des Denkens der Einheit bei Augustinus ist zudem H. J. Krämer
zu befragen. Sein Werk: »Der Ursprung der Geistmetaphysik« dient
dem Verständnis dessen, was sich m. E. in Augustins Denken von Kreativität ausbildet, als Referenz.
Über diese sehr eng an Augustinus und am bewußtseinsgeschichtlichen Kontext der Musikschrift orientierten Literatur dienten aber
nicht zuletzt auch philosophische Primärtexte als Referenz und Verständnishilfe zur Erarbeitung der in De musica dargelegten ästhetischen Wahrnehmung sowie der darin sich findenden Frage nach der
Konstitution des Selbst. Inspirationen für das Nachdenken über die
aufmerksame Seelentätigkeit bei der musikalischen Wahrnehmung
liegen zum Beispiel in der intellectus-agens-Theorie vor, wie sie bei
Aristoteles, aber auch bei Dietrich von Freiberg zu finden ist. Die in
der kreativen Tätigkeit des Musizierenden entstehende Relationalität,
die im Wechselspiel sich gegenseitig bedingender Relata kreativer und
kreatürlicher Instanzen rational kaum zu fassen ist, ist dem verwandt,
was Johannes Scotus Eriugena als maximum argumentum ausformuliert. Auch dessen Lichtmetaphysik oder aber die Theorie des Sehens
des Sehens und die Metapher des Spiegelsehens, wie sie zum Beispiel
von Nikolaus von Kues ausgearbeitet ist, weisen große strukturelle
Ähnlichkeit mit dem Hören der Wahrheit in der Reflexion auf die eigene kreative Tätigkeit des aktiv gestaltenden Hörens auf. In bezug
darauf ist auch die Differenzierung zwischen apperception und petite
perception von Leibnitz verständniserleichternd; des weiteren bietet
Kants ästhetische Theorie einen methodischen Ansatz, Augustins ästhetische Erfahrung auf die Validität ihrer zeitlichen Schematen zu
untersuchen. Die Reflexion eines sich in seinem Denken konstituierenden Selbst, wie sie z. B. von Fichte vorgeschlagen und von seinen Kritikern modifiziert wird, wie sie sich aber auch – und dort in ganz anderer
Weise – in der ästhetischen Dichtung, die das Selbst bei Kierkegaard
erfährt, ausprägt, ließen meine Gedanken zu De musica ebenso tanzen
wie Hegels Begriff des Rhythmus, in der Ausführung des Spekulativen
Satzes oder auch – um in die nähere Gegenwart zu springen – die musikalischen Inventionen Adornos.
Die Untersuchung der systematischen und philosophiehistorischen Verbindungen jeder einzelnen dieser hier zumeist nicht aktual
präsentierbaren Verständnishilfen, die subliminal in diese Arbeit eingeflossen sind, würde je ein eigenes, reiches und spannendes For16
Wulf (48576) / p. 17 /13.8.2013
Inhalt und Struktur der vorliegenden Untersuchung
schungsfeld darstellen. Mir bleibt für den Moment nur darauf hinzuweisen, daß das Ergebnis meiner Arbeit am Verständnis von Augustins Musikschrift zwar nun in Form einer Interpretation des philosophischen Gehalts von De musica I und VI vorliegt, dieser Entwurf aber
darauf harrt, als Grundlage für eine weitere systematische oder historische Beschäftigung mit der Musikästhetik dieser und ähnlicher Art
zu dienen.
Inhalt und Struktur der vorliegenden Untersuchung
Um die »Zeit der Musik« einsichtig zu machen, wird im nun folgenden
Kapitel 2 zunächst dargelegt werden, worin genau die Spannung zwischen der Musikbetrachtung des Zeittraktates aus den Confessiones XI
und der musikalischen Zeitanschauung des VI. Buches De musica besteht. Dabei werden inhaltliche Differenzen der beiden Schriften aufgezeigt (2.1.1), und es wird eine sachsystematische sowie entstehungsgeschichtliche Einordnung der Musikschrift in das philosophische
Werk des Augustinus unter besonderer Beachtung des Zeitproblems
vorgenommen (2.1.2). Anschließend wird der Ort der Musik in der
Konzeption der freien Disziplinen, welche Augustinus anhand der
Auslegung der Definition: »musica est scientia bene modulandi« vornimmt, einer genaueren Betrachtung unterzogen (2.2). Hier folge ich
zunächst den Erläuterungen der einzelnen Begrifflichkeiten der Definition, die in Buch I De musica gegeben werden (2.2.1), um dann
genauer auf den dort zur Erklärung herangezogenen Begriff der
dimensio, der rhythmischen Dimensionierung, einzugehen (2.2.2).
Abschließend werden die Erkenntnisse des Kapitels für die Begründung der Stellung der Musik zwischen den mathematischen und den
sprachlichen Künsten nutzbar gemacht und erläutert, warum gerade
die disciplina musicae niemals allein in geistig rationaler Analyse bestehen kann, sondern aus einer inneren Notwendigkeit heraus im
untrennbaren Ineinander von wissenschaftlichen und künstlerischen
Fähigkeiten bestehen muß (2.2.3).
Im 3. Kapitel kommt die Analyse der auditiven Musikwahrnehmung, die Augustinus anhand des numeri-Modells in De musica VI
ausgeführt hat, zur Darstellung. Nachdem die Differenzierung der verschiedenen numeri und die Struktur ihres Ineinandergreifens während
der Hörwahrnehmung erläutert wurden (3.1), steht die ästhetische Ur17
Wulf (48576) / p. 18 /13.8.2013
Einleitung
teilskraft der numeri iudiciales im Zentrum der Untersuchung (3.2).
Die Struktur der rhythmischen Dimensionierung, die bereits für die
Musikdefinition des ersten Buches eine tragende Rolle gespielt hatte,
wird nun in der Reflexivität der beurteilenden Wahrnehmung, in der
zweifach abmessenden Funktion der numeri iudiciales genauso wiedergefunden werden wie die Problematik der sich scheinbar jeglicher
beurteilenden Messung entziehenden Zeitlichkeit musikalisch-rhythmischer Intervalle (3.2.1). Die sich hier zeigenden Schwierigkeiten in
der Beurteilung von hörend wahrgenommener Musik verlangen eine
differenziertere Betrachtung der höchsten Urteilszahlen und eine
Rückführung dieses inneren Urteilsmaßstabs auf dessen letzten
Grund, welcher im Zusammenhang mit den numeri der ästhetischen
Urteilskraft mit der aequalitas numerosa benannt werden muß (3.2.2).
Doch weicht die hier vorgestellte Ausführung der aequalitas numerosa grundlegend ab von der gängigen Vorstellung einer transzendenten, ewigen, zahlhaften Gleichheit. Der Grund der ästhetischen Urteilskraft ist meines Erachtens eher derart zu verstehen, wie es das
Theorem vom ›Innehangen der Wahrheit‹ einleuchten läßt. Dies findet
seine Darstellung in Kapitel 4. Die Liebe der unveränderlichen Wahrheit wird in De musica als Grund der ästhetischen Urteilskraft und
zugleich als Ziel der ästhetischen Untersuchungen der Musiklehre bestimmt und in der kunstvoll tätigen Ausführung wissenschaftlich reflektierter Musikwahrnehmung gefunden (4.1). In der zeitlich-strukturierten Gestaltung von Musik verwirklicht sich der Gehalt der
ewigen Wahrheit. Es ist eine Interpretation der Erscheinung der Einheit in der Vielheit, wenn die musikalische Kreation als lebendige Spur
des kreativen Prinzips verstanden wird (4.2). Daß und wie das, was als
factum est sowohl der geschaffenen Welt als auch des geschaffenen
ästhetischen Produkts wahrgenommen wird, durch seine Gestalthaftigkeit auf den gestaltlosen kreativen Grund rückverweist und diesen
als nicht näher bestimmbare Kraft im kreativ tätigen Geist (wirksam)
werden läßt, ist zunächst nur als Interpretation vieler einzelner, diesen
Sachverhalt anzeigender Spuren zu formulieren (4.3).
Denn um diesen Sachverhalt vollständig auffassen zu können, bedarf es der Betrachtung der Prozessualität der ästhetischen Erfahrung,
wie sie im 5. Kapitel vorgenommen wird. Nachdem die Charakteristika
von intentio und attentio und ihr gegenseitiges Zusammenwirken eine
differenzierte Darstellung gefunden haben (5.1.1), wird die distentio
animi, welche die Form der Wirkung dieses Ineinanders von intentio18
Wulf (48576) / p. 19 /13.8.2013
Inhalt und Struktur der vorliegenden Untersuchung
naler und adtentionaler Aufmerksamkeit in Buch XI der Bekenntnisse
ist, erläutert (5.1.2). Anschließend wird jenes Konzept der distentio des
zeitauffassenden Geistes der Confessiones mit der Funktionsweise der
rhythmischen Dimensionierung (dimensio) der musikalischen Zeitwahrnehmung aus De musica verglichen, und die jeweiligen Folgen
für die Wertung der ästhetischen Wahrnehmung werden benannt
(5.2). Den Produkten, die aus dem Zusammenwirken der gespannten
Aufmerksamkeiten De musica zufolge entstehen, ist ein eigenes Unterkapitel gewidmet (5.3). Dort wird erläutert, was anhand der Invention
genuiner ästhetischer Kreationen über den Prozeß der Gestaltung eines
kreativen Geistes erkannt werden kann.
Abschließend wird im 6. Kapitel versucht, die gewonnenen Erkenntnisse zusammenzuführen und eine Rückbindung herzustellen
an die Ausgangsfrage nach der Möglichkeit einer Analogie zwischen
göttlichem und menschlichem kreativen Geist (6.1). Vor diesem Hintergrund sollte dann deutlich werden, welch immensen Stellenwert die
Kunst der Musik im Werk Augustins zugeschrieben werden müßte:
denn die Musik dient nicht nur als Instrument zum Erzeugen des
Klangs der höchsten Wahrheit. Nur in der Musik kommt die kreative
Wirksamkeit des ›idipsum iudiciale nescio quid‹ im erklingenden
rhythmos der Selbstwahrnehmung des musizierenden Geistes zu ihrer
Realität (6.2). Die Zeit der Kreation entsteht plötzlich – aus dem Nichts
– und ist als musikalische Verlautbarung des kreativen Selbst zu reflektieren (6.3).
19
Herunterladen