"Europas Parteien der Mitte rücken enger zusammen" in Frankfurter Allgemeine Zeitung (25. April 1978) Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Zeitung für Deutschland. Hrsg. EICK, Jürgen; WELTER, Erich; FACK, Fritz Ullrich; DESCHAMPS, Bruno; FEST, Joachim; REIßMÜLLER, Johann Georg. 25.04.1978, n° 3. Frankfurt/Main: FAZ Verlag GmbH. "Europas Parteien der Mitte rücken enger zusammen", p. 3. Urheberrecht: (c) Frankfurter Allgemeine Zeitung All rights reserved. Provided by Frankfurter Allgemeine archiv. URL: http://www.cvce.eu/obj/europas_parteien_der_mitte_rucken_enger_zusammen_in_f rankfurter_allgemeine_zeitung_25_april_1978-de-dd326a1a-629f-4ed9-814255ad3e149984.html Publication date: 01/12/2016 1/2 Europas Parteien der Mitte rücken enger zusammen Die Europäische Demokratische Union gegründet / Kohl: Ein festlicher, zukunftsweisender Tag Ko. Salzburg, 24. April. Achtzehn Parteien aus fünfzehn europäischen Ländern, die zusammen 56 Millionen Wähler repräsentieren, haben am Montag im festlichen Rahmen des Salzburger Barockschlosses Klesheim die „Europäische Demokratische Union“ (EDU) gegründet. Sie wollen künftig in dieser „Arbeitsgemeinschaft christdemokratischer, konservativer Parteien“ eine intensive Zusammenarbeit pflegen, um die Kräfte der politischen Mitte Europas durch Meinungsabstimmung und Konzentration gewichtiger und aktiver als bisher einsetzen zu können. In diesem Zusammenhang denkt man vor allem an die im nächsten Jahr stattfindenden Direktwahlen zum Europa-Parlament. Auch der Gedanke an ein erhofftes Gegengewicht zur Sozialistischen Internationalen liegt nahe. In Salzburg wurde allerdings bekräftigt, daß die EDU nicht aus dem „politischen Feindbild“ der Sozialistischen Internationale, also nicht, wie gesagt wurde, aus einem gewissen negativen Effekt heraus entstanden sei. Die Gründung der EDU gehe auf die Interessen einer durch viele Gemeinsamkeiten in der Politik und den politischen Grundsätzen verbundenen Parteien zurück. Eine nicht unwesentliche Rolle für das Zustandekommen der Europäischen Demokratischen Union, dem mehrjährigen Vorbereitungsarbeiten vorausgingen, ist aber auch das Interesse einiger christdemokratischer Parteien des EG-Raums, insbesondere von CDU und CSU, nach der kürzlichen Gründung der Europäischen Volkspartei (EVP) eine europäische politische Gruppierung zu schaffen, die auch jene verwandten Parteien des christdemokratischen, konservativen und Zentrumslagers einbezieht, die aus ideologischen oder Integrationsgründen von der EVP ausgeschlossen sind. So gesehen könnte man die EDU in gewissem Sinne als Folgegründung der EVP beziehungsweise als deren Ergänzung in einem breiteren Rahmen ansehen. Aufgabe der EDU soll einerseits die Erarbeitung gemeinsamer Stellungnahmen zu den großen weltpolitischen und europäischen Problemen sein und zum anderen eine wechselseitige solidarische Unterstützung der in der EDU vereinten europäischen Parteien, wenn es um die Lösung besonderer Probleme einzelner Länder und Ländergruppen geht. Zum Ersten Vorsitzenden der EDU ist für die Dauer von zwei Jahren der Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei, Taus, gewählt worden. Von den achtzehn Parteien, die die EDU in Salzburg aus der Taufe gehoben haben, werden in der ersten Phase allerdings nur zehn dieser Arbeitsgemeinschaft als Vollmitglieder angehören, die anderen acht wollen zunächst nur als Beobachter mit Sitz und beratender Stimme mitarbeiten. Vollmitglieder sind CDU und CSU, die französischen Gaullisten, die britischen Konservativen, die Konservative Volkspartei Dänemarks, die Nationale Sammlungspartei Finnlands, die Österreichische Volkspartei, die norwegischen Konservativen, die Schwedische Gemäßigte Sammlungspartei sowie das Centro Democratico Social (CDS) aus Portugal. Beobachterstatus in der EDU haben die Südtiroler und die Trentiner Volkspartei, die Nea Demokratia aus Griechenland, die Republikanische Partei Frankreichs, die Schwedische Volkspartei in Finnland, die Union des Demokratischen Zentrums aus Spanien, die Nationalistische Partei Maltas sowie die Christliche Volkspartei der Schweiz. Trotz langer Anstrengungen ist es den in der EDU vereinten Parteien nicht gelungen, die bedeutenden christdemokratischen Parteien Italiens und der Beneluxländer zur Teilnahme zu bewegen. Diese stehen vielmehr bewußt abseits, wobei eine wesentliche Rolle spielt, daß ihnen die Zusammenarbeit mit Konservativen und Gaullisten aus grundsätzlichen politischen Überlegungen suspekt erscheint. Allerdings hofft man im EDU-Kreis, daß dieses Außenstehen von Italienern, Holländern, Belgiern und Luxemburgern kein endgültiges sein wird. Bundestagspräsident Carstens sieht in der Gründung der EDU ein bedeutungsvolles Ereignis, das für die weitere europäische Politik von großer Wichtigkeit sein könnte. Es schaffe die Möglichkeit einer langfristigen fruchtbaren politischen Zusammenarbeit der politischen Kräfte der Mitte. Der CDUVorsitzende Kohl sprach von einem „festlichen, zukunftsweisenden Tag“. 2/2