Forschung und Diagnostik mit fluoreszierenden

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Chromobodies
Forschung und Diagnostik mit
fluoreszierenden Nanosonden
KOUROSH ZOLGHADR 1, 2 , KATRIN SCHMIDTHALS 1, 2 , JONAS HELMA 1, 2 ,
TINA ROMER 1 , HEINRICH LEONHARDT 1 , ULRICH ROTHBAUER 1, 2
1 LMU-BIOZENTRUM, LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT, MARTINSRIED
2 CHROMOTEK GMBH, MARTINSRIED
Chromobodies ermöglichen im Gegensatz zu herkömmlichen Antikörpern
den Nachweis von endogenen Zielstrukturen in lebenden Zellen. Damit
bieten sie neue Ansätze für High-Content-Analysen (HCA) in der biomedizinischen Forschung und pharmazeutischen Wirkstoffentwicklung.
The detection of cellular components plays a central role in biomedical
research. We are developing small fluorescent antigen-binding proteins,
termed chromobodies, which are versatile tools for various applications
ranging from protein purification to functional studies in living cells.
ó Das Verständnis zellulärer Prozesse und
deren Pathophysiologie erfordert umfangreiche Daten zur Abundanz, Modifikation und
Interaktion zellulärer Komponenten. Insbesondere der intrazelluläre Nachweis der dynamischen Verteilung und Modifikation wichtiger Biomarker gewinnt bei der präklinischen
Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen zunehmend an Bedeutung. In diesem
Bereich werden zunehmend High-ContentAnalysen (HCA) eingesetzt, um gleichzeitig
mehrere Biomarker in einer großen, statistisch signifikanten Anzahl von Zellen auszuwerten. Die technologische Plattform für HCA
liefert die Hochdurchsatz-Mikroskopie. Durch
automatisierte Bildaufnahme und Mustererkennung im Multiwell-Format lässt sich die
Verteilung von Biomarkern in einer Vielzahl
von Zellen analysieren und bestimmen. Mit
diesen HCA sollen frühzeitig detaillierte Informationen über die zellulären Wirkmechanismen und mögliche Nebenwirkungen von
pharmazeutischen Substanzen gewonnen
werden.
In lebenden Zellen werden zur Untersuchung der Lokalisation und Dynamik von Proteinen in erster Linie Fusionen mit fluoreszierenden Proteinen wie z. B. dem green fluorescent protein (GFP) verwendet. In kommerziellen Lebendzell-Assays werden GFPFusionskonstrukte unter anderem zum Nachweis von Zellproliferation, Apoptose und DNABIOspektrum | 03.09 | 15. Jahrgang
Schäden eingesetzt. Bei der Verwendung von
fluoreszierenden Fusionen ist aber zu beachten, dass nur künstlich in die Zelle eingebrachte Proteine visualisiert werden, die sich
bezüglich ihres Expressionsniveaus und ihrer
Lokalisation zum Teil deutlich von ihren endogenen Partnern unterscheiden können. Ein
weiterer Nachteil ist, dass durch fluoreszierende Fusionen ausschließlich Proteinkomponenten in der Zelle nachgewiesen werden
und keine Aussagen über andere zelluläre
Bestandteile oder essenzielle posttranslationale Modifikationen getroffen werden können.
Bei biochemischen Nachweisreaktionen
und einer Vielzahl diagnostischer Verfahren
sind Antikörper essenzielle Schlüsselreagenzien. Aufgrund ihres variablen Aufbaus
können Antikörper gegen ein sehr breites
Spektrum von Antigenen hergestellt werden.
Antikörper werden natürlicherweise ausschließlich extrazellulär präsentiert. Die
Anwendung in lebenden Zellen ist hingegen
stark limitiert, da sich im reduzierenden
Milieu des Zytoplasmas keine Disulfidbrücken ausbilden und die schweren und leichten Ketten sich nicht effizient zu aktiven Epitop-Bindungsdomänen zusammenlagern. Ferner sind subzelluläre Kompartimente für diese großen und komplexen Antikörper in
lebenden Zellen nicht zugänglich. Daher lassen sich intrazelluläre Antigene bei gängigen
HCA nur in so genannten Endpoint-Assays
mittels Immunfluoreszenz in fixierten und
permeabilisierten, das heißt in toten Zellen,
nachweisen.
Eine Alternative zu konventionellen Antikörpern sind die einzelkettigen Antikörper
der Kameliden (Kamelartige). Diese erkennen und binden ihr Antigen über eine singuläre, variable Domäne, genannt VHH (variable heavy chain of a heavy chain antibody)
oder Nanobody[1] (Abb. 1). Mit ca. 13 kDa
repräsentiert ein Nanobody das kleinste
natürlich vorkommende Antigen-bindende
Fragment. Im Vergleich zu anderen Antikörperfragmenten wie Fab oder single chain variable fragments (scFv) besitzen Nanobodies
eine Reihe von Vorteilen: Es muss nur eine
einzelne Domäne kloniert und exprimiert
werden, um einen in vivo maturierten Nanobody zu generieren; spezifische Nanobodies
lassen sich einfach mittels der Phage-DisplayTechnologie selektieren, und Nanobodies sind
aufgrund ihrer Struktur äußerst stabil und
˚ Abb. 1: Schematische Darstellung von Chromobodies und Nanotrap. VHH: variable heavy chain
of heavy chain antibodies, CH: konstante Region der schweren Antikörperkette.
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MET H ODE N & AN WE N DU NGEN
˚ Abb. 2: Fluoreszenz-2-Hybrid(F2H)-Assay. A, schematische Darstellung des F2H-Assays. Das
fluoreszierende Antigen wird über eine Ankerdomäne an eine definierte Struktur in der Zelle
gebunden und visualisiert. Gleichzeitig wird ein unterschiedlich fluoreszierender Chromobody
(VHH-RFP) von der Zelle gebildet. Erkennt dieser das Antigen kommt es zur Kolokalisation der fluoreszierenden Signale an der definierten Struktur. GFP: grün fluoreszierendes Protein; RFP: rot fluoreszierendes Protein. B, positiver Nachweis des immobilisierten GFP-markierten Antigens mit
einem rot fluoreszierenden Chromobody in lebenden Zellen (obere Reihe). Der Chromobody bindet nicht an das immobilisierte Antigen (untere Reihe). Balken: 5 μM.
löslich und können sehr effizient in heterologen Expressionssystemen hergestellt werden. Die Antigenbindungsaffinitäten von
Nanobodies liegen im nanomolaren Bereich
und sind damit mit denen von scFvs vergleichbar.
Im Gegensatz zu konventionellen Antikörpern sind Nanobodies auch in lebenden Zellen aktiv und ermöglichen damit eine Vielzahl neuartiger Anwendungen, die wir in den
letzten Jahren mit der Chromobody-Technologie realisieren konnten. Dazu wird aus einer
Nanobody-Bibliothek eines immunisierten
Alpaka (Lamos pacos) durch genetische
Fusion mit einem fluoreszierenden Protein
eine rekombinante Chromobody-Bibliothek
erstellt. Alternativ werden Nanobodies direkt
an einen chemischen Farbstoff gekoppelt
(Abb. 1). Zur Applikation in lebenden Zellen
werden Chromobodies mit einem Expres-
sionsvektor in die Zellen eingebracht. Die
intrazellulär gebildeten Chromobodies erkennen und detektieren ihr Antigen in verschiedenen subzellulären Kompartimenten (Zytoplasma, Zellkern). So konnten wir mit Chromobodies unter anderem dynamische Veränderungen einer Chromatin-Komponente
während der Zellteilung in Echtzeit beobachten[2].
Intrazellulär funktionelle Chromobodies
können direkt in lebenden Zellen im Hochdurchsatz mit einem Fluoreszenz-2-Hybrid(F2H)-Assay[3] identifiziert werden. Dabei
wird das Antigen als fluoreszierendes
Fusionsprotein in lebenden Zellen an einer
distinkten zellulären Struktur, z. B. einem
stabil in das Genom integrierten Lac-Operator-Array, immobilisiert. Diese Zellen werden
im Hochdurchsatz mit Expressionsvektoren
aus einer Chromobody-Bibliothek transfiziert.
Bindet ein spezifischer Chromobody an das
Antigen, wird dies durch Kolokalisation der
unterschiedlichen Fluoreszenz von Chromobody und Antigen an der definierten zellulären Struktur sichtbar (Abb. 2). Diese Kolokalisation wird mittels Hochdurchsatz-Mikroskopie und automatischer Strukturerkennung
(In-Cell Analyzer, GE-Healthcare) ausgewertet und so Chromobodies identifiziert, die in
lebenden Zellen aktiv sind und spezifisch
eine Zielstruktur erkennen.
Mit dem F2H-Assay konnten wir im letzten Jahr einen spezifischen Chromobody
gegen das endogene Lamin-Protein – eine
Komponente der Zellkernhülle – identifizieren. In Lebendzell-Assays lässt sich mit diesem Chromobody die Dynamik der Kernhülle in Säugerzellen in Echtzeit verfolgen. Interessanterweise zeigte der Lamin-Chromobody
auch nach 72 Stunden keine Zelltoxizität,
wohingegen das vergleichbare GFP-Konstrukt
(GFP-LaminB1) bereits 30 Stunden nach
Expression zum Zelltod führte. Basierend auf
einer stabilen Lamin-Chromobody-Zelllinie
haben wir vor kurzem einen Apoptose-Assay
in lebenden Zellen etabliert (Abb. 3A). Dabei
dient das endogene Lamin B1 der Kernhülle
als Biomarker. Nach Zugabe von Apoptose
induzierenden Reagenzien (z. B. Staurosporin) kann die für die Apoptose charakteristische Fragmentierung der Kernhülle sichtbar
gemacht und in Echtzeit verfolgt werden.
Mittels automatisierter Mikroskopie lässt sich
dieser Prozess in einer statistisch aussagekräftigen Zellzahl bestimmen und evaluieren
(Abb. 3B).
Im Rahmen der 3-jährigen GO-Bio-Förderung durch das BMBF entwickeln wir Chromobodies gegen eine Reihe von endogenen
Biomarkern. Im Vordergrund steht dabei der
Nachweis von dynamischen posttranslationalen Modifikationen aus den Bereichen der
epigenetischen Regulation, DNA-Reparatur
und Signaltransduktion. In Zusammenarbeit
mit verschiedenen Technologieanbietern im
Bereich Hochdurchsatz-Mikroskopie sollen
Chromobodies als neue Nachweisreagenzien
für Lebendzell-Assays und High-Content-Analysen etabliert werden. Die Anwendungsmöglichkeiten von Chromobodies reichen
dabei von molekularen Markern zur schnellen und detaillierten Wirkstoffcharakterisierung in lebenden Zellen in Echtzeit bis hin
zu Targetscreening und -validierung, das
heißt zur Identifikation von Zielstrukturen
für die medizinische Wirkstoffentwicklung.
Neben dem Einsatz für Lebendzell-Assays
entwickeln wir auch Chromobodies für die
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˚ Abb. 4: Reinigung von GFP-PCNA (Proliferating Cell Nuclear Antigen) und interagierenden Komponenten aus Zellextrakten mit
der GFP-Trap im Vergleich zu konventionellen Antikörpern (mc: monoklonal; pc: polyklonal). Input- (I), und Bound-Fraktion (B)
nach SDS-PAGE und Coomassie-Färbung
(hc: heavy chain; lc: light chain).
der ChromoTek GmbH, einer Ausgründung
der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mittlerweile wird die GFP-Trap weltweit für Proteininteraktionsstudien, enzymatische Assays, Chromatin-Immunpräzipitation (ChIP) und Hochdurchsatz-Proteomics
mit SILAC[4, 5] verwendet. Weitere Produkte
und Anwendungen sind in Vorbereitung. ó
Literatur
˚ Abb. 3: Apoptose-Assay mit einer Lamin-Chromobody-Zelllinie. A, Zeitserie von unbehandelten
(oben) und mit 0,01 μM Staurosporin behandelten Zellen (unten). Die endogene Kernhülle (Lamina) wird mit einem grün fluoreszierenden Chromobody visualisiert. Gezeigt sind Bildausschnitte
des ersten und letzten Zeitpunkts (nach 360 min) einer Lebendzell-Serie. Balken: 10 μM. B, quantitative Auswertung der Lebendzell-Serie. Morphologische Veränderungen der Lamina (Fragmentierung, Vesikelbildung) als Biomarker für Apoptose wurden in Echtzeit (Intervalle von 15 min) aufgenommen und automatisch ausgewertet. Das Auftreten apoptotischer Zellen wurde nach Zugabe
von steigenden Konzentrationen (0–1 μM) Staurosporin über einen Zeitraum von 360 min verfolgt.
Die Anzahl (n) der jeweils ausgewerteten Zellen und der Anteil von Zellen mit apoptotischen Merkmalen sind angegeben.
Bereiche der klassischen Diagnostik wie
ELISA, Western Blot, Immunfluoreszenz oder
Proteomics. Das neue Antikörperformat zeichnet sich durch eine besonders stabile Struktur sowie durch eine sehr hohe ionische, chemische und thermische Stabilität aus. Einmal identifizierte Nano- oder Chromobodies
lassen sich mithilfe von entsprechenden
Expressionsvektoren in beliebiger Menge in
gleich bleibender Qualität produzieren und
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verbessern so die Reproduzierbarkeit von Versuchen und Nachweisreaktionen.
Im Jahr 2007 haben wir mit der GFP-Trap®
ein System zur Reinigung von GFP-markierten Fusionsproteinen entwickelt[4]. Im Vergleich zu herkömmlichen Systemen lassen
sich mit der GFP-Trap GFP-Fusionsproteine
schnell und effizient aus komplexen biologischen Proben wie z. B. Zellextrakten reinigen
(Abb. 4). Die GFP-Trap ist das erste Produkt
[1] Hamers-Casterman, C., Atarhouch, T., Muyldermans,
S.,Robinson, G., Hamers, C., Songa, E. B., Bendahman, N.,
Hamers, R. (1993): Naturally occurring antibodies devoid of
light chains. Nature 363: 446–448.
[2] Rothbauer, U., Zolghadr, K., Tillib, S., Nowak, D.,
Schermelleh, L., Gahl, A., Backmann, N., Conrath, K.,
Muyldermans, S., Cardoso, M. C., Leonhardt, H. (2006):
Targeting and tracing antigens in live cells with fluorescent
nanobodies. Nat. Methods 3: 887–889.
[3] Zolghadr, K., Mortusewicz, O., Rothbauer, U., Kleinhans,
R., Goehler, H., Wanker, E. E., Cardoso, M. C., Leonhardt, H.
(2008): A fluorescent two-hybrid assay for direct visualization
of protein interactions in living cells. Mol. Cell. Proteomics 7:
2279–2287.
[4] Rothbauer, U., Zolghadr, K., Muyldermans, S., Schepers,
A., Cardoso, M. C., Leonhardt, H. (2008): A versatile nanotrap
for biochemical and functional studies with fluorescent fusion
proteins. Mol. Cell. Proteomics 7: 282–289.
[5] Trinkle-Mulcahy, L., Boulon, S., Lam, Y. W., Urcia, R.,
Boisvert, F. M., Vandermoere, F., Morrice, N. A., Swift, S.,
Rothbauer, U., Leonhardt, H., Lamond, A. (2008): Identifying
specific protein interaction partners using quantitative mass
spectrometry and bead proteomes. J. Cell. Biol. 183: 223–239.
Korrespondenzadresse:
Dr. Ulrich Rothbauer
LMU-Biozentrum/ChromoTek
GmbH
Grosshaderner Straße2
D-82152 Martinsried
Tel.: 089-2180 74287
Fax: 089-2180 74236
[email protected]
www.chromotek.com
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