276_356_BIOsp_0309.qxd 22.04.2009 15:57 Uhr Seite 291 291 Chromobodies Forschung und Diagnostik mit fluoreszierenden Nanosonden KOUROSH ZOLGHADR 1, 2 , KATRIN SCHMIDTHALS 1, 2 , JONAS HELMA 1, 2 , TINA ROMER 1 , HEINRICH LEONHARDT 1 , ULRICH ROTHBAUER 1, 2 1 LMU-BIOZENTRUM, LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT, MARTINSRIED 2 CHROMOTEK GMBH, MARTINSRIED Chromobodies ermöglichen im Gegensatz zu herkömmlichen Antikörpern den Nachweis von endogenen Zielstrukturen in lebenden Zellen. Damit bieten sie neue Ansätze für High-Content-Analysen (HCA) in der biomedizinischen Forschung und pharmazeutischen Wirkstoffentwicklung. The detection of cellular components plays a central role in biomedical research. We are developing small fluorescent antigen-binding proteins, termed chromobodies, which are versatile tools for various applications ranging from protein purification to functional studies in living cells. ó Das Verständnis zellulärer Prozesse und deren Pathophysiologie erfordert umfangreiche Daten zur Abundanz, Modifikation und Interaktion zellulärer Komponenten. Insbesondere der intrazelluläre Nachweis der dynamischen Verteilung und Modifikation wichtiger Biomarker gewinnt bei der präklinischen Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen zunehmend an Bedeutung. In diesem Bereich werden zunehmend High-ContentAnalysen (HCA) eingesetzt, um gleichzeitig mehrere Biomarker in einer großen, statistisch signifikanten Anzahl von Zellen auszuwerten. Die technologische Plattform für HCA liefert die Hochdurchsatz-Mikroskopie. Durch automatisierte Bildaufnahme und Mustererkennung im Multiwell-Format lässt sich die Verteilung von Biomarkern in einer Vielzahl von Zellen analysieren und bestimmen. Mit diesen HCA sollen frühzeitig detaillierte Informationen über die zellulären Wirkmechanismen und mögliche Nebenwirkungen von pharmazeutischen Substanzen gewonnen werden. In lebenden Zellen werden zur Untersuchung der Lokalisation und Dynamik von Proteinen in erster Linie Fusionen mit fluoreszierenden Proteinen wie z. B. dem green fluorescent protein (GFP) verwendet. In kommerziellen Lebendzell-Assays werden GFPFusionskonstrukte unter anderem zum Nachweis von Zellproliferation, Apoptose und DNABIOspektrum | 03.09 | 15. Jahrgang Schäden eingesetzt. Bei der Verwendung von fluoreszierenden Fusionen ist aber zu beachten, dass nur künstlich in die Zelle eingebrachte Proteine visualisiert werden, die sich bezüglich ihres Expressionsniveaus und ihrer Lokalisation zum Teil deutlich von ihren endogenen Partnern unterscheiden können. Ein weiterer Nachteil ist, dass durch fluoreszierende Fusionen ausschließlich Proteinkomponenten in der Zelle nachgewiesen werden und keine Aussagen über andere zelluläre Bestandteile oder essenzielle posttranslationale Modifikationen getroffen werden können. Bei biochemischen Nachweisreaktionen und einer Vielzahl diagnostischer Verfahren sind Antikörper essenzielle Schlüsselreagenzien. Aufgrund ihres variablen Aufbaus können Antikörper gegen ein sehr breites Spektrum von Antigenen hergestellt werden. Antikörper werden natürlicherweise ausschließlich extrazellulär präsentiert. Die Anwendung in lebenden Zellen ist hingegen stark limitiert, da sich im reduzierenden Milieu des Zytoplasmas keine Disulfidbrücken ausbilden und die schweren und leichten Ketten sich nicht effizient zu aktiven Epitop-Bindungsdomänen zusammenlagern. Ferner sind subzelluläre Kompartimente für diese großen und komplexen Antikörper in lebenden Zellen nicht zugänglich. Daher lassen sich intrazelluläre Antigene bei gängigen HCA nur in so genannten Endpoint-Assays mittels Immunfluoreszenz in fixierten und permeabilisierten, das heißt in toten Zellen, nachweisen. Eine Alternative zu konventionellen Antikörpern sind die einzelkettigen Antikörper der Kameliden (Kamelartige). Diese erkennen und binden ihr Antigen über eine singuläre, variable Domäne, genannt VHH (variable heavy chain of a heavy chain antibody) oder Nanobody[1] (Abb. 1). Mit ca. 13 kDa repräsentiert ein Nanobody das kleinste natürlich vorkommende Antigen-bindende Fragment. Im Vergleich zu anderen Antikörperfragmenten wie Fab oder single chain variable fragments (scFv) besitzen Nanobodies eine Reihe von Vorteilen: Es muss nur eine einzelne Domäne kloniert und exprimiert werden, um einen in vivo maturierten Nanobody zu generieren; spezifische Nanobodies lassen sich einfach mittels der Phage-DisplayTechnologie selektieren, und Nanobodies sind aufgrund ihrer Struktur äußerst stabil und ˚ Abb. 1: Schematische Darstellung von Chromobodies und Nanotrap. VHH: variable heavy chain of heavy chain antibodies, CH: konstante Region der schweren Antikörperkette. 276_356_BIOsp_0309.qxd 292 22.04.2009 15:57 Uhr Seite 292 MET H ODE N & AN WE N DU NGEN ˚ Abb. 2: Fluoreszenz-2-Hybrid(F2H)-Assay. A, schematische Darstellung des F2H-Assays. Das fluoreszierende Antigen wird über eine Ankerdomäne an eine definierte Struktur in der Zelle gebunden und visualisiert. Gleichzeitig wird ein unterschiedlich fluoreszierender Chromobody (VHH-RFP) von der Zelle gebildet. Erkennt dieser das Antigen kommt es zur Kolokalisation der fluoreszierenden Signale an der definierten Struktur. GFP: grün fluoreszierendes Protein; RFP: rot fluoreszierendes Protein. B, positiver Nachweis des immobilisierten GFP-markierten Antigens mit einem rot fluoreszierenden Chromobody in lebenden Zellen (obere Reihe). Der Chromobody bindet nicht an das immobilisierte Antigen (untere Reihe). Balken: 5 μM. löslich und können sehr effizient in heterologen Expressionssystemen hergestellt werden. Die Antigenbindungsaffinitäten von Nanobodies liegen im nanomolaren Bereich und sind damit mit denen von scFvs vergleichbar. Im Gegensatz zu konventionellen Antikörpern sind Nanobodies auch in lebenden Zellen aktiv und ermöglichen damit eine Vielzahl neuartiger Anwendungen, die wir in den letzten Jahren mit der Chromobody-Technologie realisieren konnten. Dazu wird aus einer Nanobody-Bibliothek eines immunisierten Alpaka (Lamos pacos) durch genetische Fusion mit einem fluoreszierenden Protein eine rekombinante Chromobody-Bibliothek erstellt. Alternativ werden Nanobodies direkt an einen chemischen Farbstoff gekoppelt (Abb. 1). Zur Applikation in lebenden Zellen werden Chromobodies mit einem Expres- sionsvektor in die Zellen eingebracht. Die intrazellulär gebildeten Chromobodies erkennen und detektieren ihr Antigen in verschiedenen subzellulären Kompartimenten (Zytoplasma, Zellkern). So konnten wir mit Chromobodies unter anderem dynamische Veränderungen einer Chromatin-Komponente während der Zellteilung in Echtzeit beobachten[2]. Intrazellulär funktionelle Chromobodies können direkt in lebenden Zellen im Hochdurchsatz mit einem Fluoreszenz-2-Hybrid(F2H)-Assay[3] identifiziert werden. Dabei wird das Antigen als fluoreszierendes Fusionsprotein in lebenden Zellen an einer distinkten zellulären Struktur, z. B. einem stabil in das Genom integrierten Lac-Operator-Array, immobilisiert. Diese Zellen werden im Hochdurchsatz mit Expressionsvektoren aus einer Chromobody-Bibliothek transfiziert. Bindet ein spezifischer Chromobody an das Antigen, wird dies durch Kolokalisation der unterschiedlichen Fluoreszenz von Chromobody und Antigen an der definierten zellulären Struktur sichtbar (Abb. 2). Diese Kolokalisation wird mittels Hochdurchsatz-Mikroskopie und automatischer Strukturerkennung (In-Cell Analyzer, GE-Healthcare) ausgewertet und so Chromobodies identifiziert, die in lebenden Zellen aktiv sind und spezifisch eine Zielstruktur erkennen. Mit dem F2H-Assay konnten wir im letzten Jahr einen spezifischen Chromobody gegen das endogene Lamin-Protein – eine Komponente der Zellkernhülle – identifizieren. In Lebendzell-Assays lässt sich mit diesem Chromobody die Dynamik der Kernhülle in Säugerzellen in Echtzeit verfolgen. Interessanterweise zeigte der Lamin-Chromobody auch nach 72 Stunden keine Zelltoxizität, wohingegen das vergleichbare GFP-Konstrukt (GFP-LaminB1) bereits 30 Stunden nach Expression zum Zelltod führte. Basierend auf einer stabilen Lamin-Chromobody-Zelllinie haben wir vor kurzem einen Apoptose-Assay in lebenden Zellen etabliert (Abb. 3A). Dabei dient das endogene Lamin B1 der Kernhülle als Biomarker. Nach Zugabe von Apoptose induzierenden Reagenzien (z. B. Staurosporin) kann die für die Apoptose charakteristische Fragmentierung der Kernhülle sichtbar gemacht und in Echtzeit verfolgt werden. Mittels automatisierter Mikroskopie lässt sich dieser Prozess in einer statistisch aussagekräftigen Zellzahl bestimmen und evaluieren (Abb. 3B). Im Rahmen der 3-jährigen GO-Bio-Förderung durch das BMBF entwickeln wir Chromobodies gegen eine Reihe von endogenen Biomarkern. Im Vordergrund steht dabei der Nachweis von dynamischen posttranslationalen Modifikationen aus den Bereichen der epigenetischen Regulation, DNA-Reparatur und Signaltransduktion. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Technologieanbietern im Bereich Hochdurchsatz-Mikroskopie sollen Chromobodies als neue Nachweisreagenzien für Lebendzell-Assays und High-Content-Analysen etabliert werden. Die Anwendungsmöglichkeiten von Chromobodies reichen dabei von molekularen Markern zur schnellen und detaillierten Wirkstoffcharakterisierung in lebenden Zellen in Echtzeit bis hin zu Targetscreening und -validierung, das heißt zur Identifikation von Zielstrukturen für die medizinische Wirkstoffentwicklung. Neben dem Einsatz für Lebendzell-Assays entwickeln wir auch Chromobodies für die BIOspektrum | 03.09 | 15. Jahrgang 276_356_BIOsp_0309.qxd 22.04.2009 15:58 Uhr Seite 293 293 ˚ Abb. 4: Reinigung von GFP-PCNA (Proliferating Cell Nuclear Antigen) und interagierenden Komponenten aus Zellextrakten mit der GFP-Trap im Vergleich zu konventionellen Antikörpern (mc: monoklonal; pc: polyklonal). Input- (I), und Bound-Fraktion (B) nach SDS-PAGE und Coomassie-Färbung (hc: heavy chain; lc: light chain). der ChromoTek GmbH, einer Ausgründung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mittlerweile wird die GFP-Trap weltweit für Proteininteraktionsstudien, enzymatische Assays, Chromatin-Immunpräzipitation (ChIP) und Hochdurchsatz-Proteomics mit SILAC[4, 5] verwendet. Weitere Produkte und Anwendungen sind in Vorbereitung. ó Literatur ˚ Abb. 3: Apoptose-Assay mit einer Lamin-Chromobody-Zelllinie. A, Zeitserie von unbehandelten (oben) und mit 0,01 μM Staurosporin behandelten Zellen (unten). Die endogene Kernhülle (Lamina) wird mit einem grün fluoreszierenden Chromobody visualisiert. Gezeigt sind Bildausschnitte des ersten und letzten Zeitpunkts (nach 360 min) einer Lebendzell-Serie. Balken: 10 μM. B, quantitative Auswertung der Lebendzell-Serie. Morphologische Veränderungen der Lamina (Fragmentierung, Vesikelbildung) als Biomarker für Apoptose wurden in Echtzeit (Intervalle von 15 min) aufgenommen und automatisch ausgewertet. Das Auftreten apoptotischer Zellen wurde nach Zugabe von steigenden Konzentrationen (0–1 μM) Staurosporin über einen Zeitraum von 360 min verfolgt. Die Anzahl (n) der jeweils ausgewerteten Zellen und der Anteil von Zellen mit apoptotischen Merkmalen sind angegeben. Bereiche der klassischen Diagnostik wie ELISA, Western Blot, Immunfluoreszenz oder Proteomics. Das neue Antikörperformat zeichnet sich durch eine besonders stabile Struktur sowie durch eine sehr hohe ionische, chemische und thermische Stabilität aus. Einmal identifizierte Nano- oder Chromobodies lassen sich mithilfe von entsprechenden Expressionsvektoren in beliebiger Menge in gleich bleibender Qualität produzieren und BIOspektrum | 03.09 | 15. Jahrgang verbessern so die Reproduzierbarkeit von Versuchen und Nachweisreaktionen. Im Jahr 2007 haben wir mit der GFP-Trap® ein System zur Reinigung von GFP-markierten Fusionsproteinen entwickelt[4]. Im Vergleich zu herkömmlichen Systemen lassen sich mit der GFP-Trap GFP-Fusionsproteine schnell und effizient aus komplexen biologischen Proben wie z. B. Zellextrakten reinigen (Abb. 4). Die GFP-Trap ist das erste Produkt [1] Hamers-Casterman, C., Atarhouch, T., Muyldermans, S.,Robinson, G., Hamers, C., Songa, E. B., Bendahman, N., Hamers, R. (1993): Naturally occurring antibodies devoid of light chains. Nature 363: 446–448. [2] Rothbauer, U., Zolghadr, K., Tillib, S., Nowak, D., Schermelleh, L., Gahl, A., Backmann, N., Conrath, K., Muyldermans, S., Cardoso, M. C., Leonhardt, H. (2006): Targeting and tracing antigens in live cells with fluorescent nanobodies. Nat. Methods 3: 887–889. [3] Zolghadr, K., Mortusewicz, O., Rothbauer, U., Kleinhans, R., Goehler, H., Wanker, E. E., Cardoso, M. C., Leonhardt, H. (2008): A fluorescent two-hybrid assay for direct visualization of protein interactions in living cells. Mol. Cell. Proteomics 7: 2279–2287. [4] Rothbauer, U., Zolghadr, K., Muyldermans, S., Schepers, A., Cardoso, M. C., Leonhardt, H. (2008): A versatile nanotrap for biochemical and functional studies with fluorescent fusion proteins. Mol. Cell. Proteomics 7: 282–289. [5] Trinkle-Mulcahy, L., Boulon, S., Lam, Y. W., Urcia, R., Boisvert, F. M., Vandermoere, F., Morrice, N. A., Swift, S., Rothbauer, U., Leonhardt, H., Lamond, A. (2008): Identifying specific protein interaction partners using quantitative mass spectrometry and bead proteomes. J. Cell. Biol. 183: 223–239. Korrespondenzadresse: Dr. Ulrich Rothbauer LMU-Biozentrum/ChromoTek GmbH Grosshaderner Straße2 D-82152 Martinsried Tel.: 089-2180 74287 Fax: 089-2180 74236 [email protected] www.chromotek.com