Generalisierte Angststörung Historisch handelt es sich bei der generalisierten Angststörung um die Restkategorie der ehemaligen Diagnose der Angstneurose, die sich nach der Abtrennung der Panikstörung ergibt. Ängste soll man nicht verdrängen. Man muß mit ihnen gedanklich so lange Schach spielen, bis man sie mattgesetzt hat. (Robert Pfützner) Historische Aspekte der generalisierten Angststörung Historisch handelt es sich bei der generalisierten Angststörung um die Restkategorie der ehemaligen Diagnose der Angstneurose, die sich nach der Abtrennung der Panikstörung ergibt. Die psychoanalytisch orientierte Konzeption der Angstneurose soll in der neueren Diagnostik durch eine theorienfreie Beschreibung ersetzt werden. Die generalisierte Angststörung soll durch die neuen Diagnoseschemata präziser definiert werden als die recht vage und umfassende Charakterisierung der Angstneurose, sodass eine bessere empirische Überprüfbarkeit und Verwertbarkeit gegeben ist. Es sind noch Studien nötig, um das Gesamtkonzept empirisch abzusichern. Die generalisierte Angststörung wurde im Vergleich zu anderen Angststörungen noch wenig untersucht. Symptomatik der generalisierten Angststörung Eine generalisierte Angststörung ist nach dem ICD-10 eine generalisierte und anhaltende Angst, die nicht auf bestimmte Situationen in der Umgebung beschränkt ist, sondern frei flottierend auftritt. „Generalisiert" drückt aus, dass diese Form der Angststörung durch übertriebene, unrealistische, andauernde Besorgnisse, Ängste und Befürchtungen in Bezug auf vielfältige Aspekte des Lebens charakterisiert ist. Das Hauptmerkmal der generalisierten Angststörung ist die unrealistische oder übertriebene Angst und Besorgnis bezüglich allgemeiner oder besonderer Lebensumstände über einen längeren Zeitraum (mindestens 6 Monate), ohne dass die Betroffenen ihre Ängste kontrollieren können, obwohl sie diese als unbegründet und belastend erkennen. Es besteht ein ständig erhöhtes Angstniveau, das in der Regel keine Panikattacken bewirkt, jedoch mit motorischer Anspannung und vegetativen Symptomen verbunden ist. Das amerikanische psychiatrische Diagnoseschema DSM-IV erstellt folgende diagnostische Kriterien für eine generalisierte Angststörung: A. Übermäßige Angst und Sorge (furchtsame Erwartung) bezüglich mehrerer Ereignisse oder Tätigkeiten (wie etwa Arbeit oder Schulleistungen), die während mindestens 6 Monaten an der Mehrzahl der Tage auftreten. B. Die Person hat Schwierigkeiten, die Sorgen zu kontrollieren. C. Die Angst und Sorge sind mit mindestens drei der folgenden 6 Symptome verbunden (wobei zumindest einige der Symptome in den vergangenen 6 Monaten an der Mehrzahl der Tage vorlagen): (1) Ruhelosigkeit oder ständiges „auf dem Sprung sein", (2) leichte Ermüdbarkeit, (3) Konzentrationsstörungen oder Leere im Kopf, (4) Reizbarkeit, (5) Muskelspannung, (6) Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder unruhiger, nicht erholsamer Schlaf)... E. Die Angst, Sorge oder körperlichen Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen Funktionsbereichen... Als Kern einer empirisch-beschreibend definierten generalisierten Angststörung wird im amerikanischen Diagnoseschema die exzessive Angst und Sorge über mehrere Lebensumstände (im Sinne einer furchtsamen Erwartung) angesehen, die nicht unter Kontrolle gebracht werden kann, sodass es zu einigen der sechs empirisch am häufigsten gefundenen körperlichen Begleitsymptome sowie zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität kommt. In Anlehnung an das internationale Diagnoseschema ICD-10 sind bei einer generalisierten Angststörung (F41.1) folgende Symptome typisch: 1. Befürchtungen: Sorge über zukünftiges Unglück und entsprechende Vorahnungen: Angehörige könnten demnächst erkranken oder verunglücken, unbegründete Geldsorgen, übertriebene Sorgen um die Leistungsfähigkeit in der Schule oder im Beruf, Nervosität: ständige geistige Übererregbarkeit, erhöhte Aufmerksamkeit und Gereiztheit angesichts der unkontrollierbaren Befürchtungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder Vergesslichkeit. 2. Motorische Spannung: körperliche Unruhe, Spannungskopfschmerz, Zittern: sichtbarer Ausdruck der Muskelanspannung, unwillkürliches Zucken, „wackelig auf den Beinen" sein, Unfähigkeit, sich zu entspannen: ständige muskuläre Anspannung, verbunden mit rascher Ermüdbarkeit und Erschöpfung. 3. Vegetative Übererregbarkeit: Schwindel oder Benommenheit, Atemnot, Erstickungsgefühle oder Atembeschleunigung, Herzrasen, Schwitzen, Hitzewallungen oder Frösteln, feucht-kalte Hände, Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall, häufiges Wasserlassen (Harndrang), Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden oder Gefühl, einen „Knödel im Hals" zu haben, Ein- oder Durchschlafstörungen. Die primären Symptome von Angst treten an den meisten Tagen auf, mindestens mehrere Wochen lang, meistens sogar mehrere Monate. Die Störung findet sich häufiger bei Frauen, oft in Zusammenhang mit langdauernden Belastungen durch äußere Umstände. Der Verlauf ist unterschiedlich, neigt aber zu Schwankungen und Chronifizierung. Bei Kindern stehen oft das Bedürfnis nach Beruhigung und wiederholte somatische Beschwerden im Vordergrund. Nach den Forschungskriterien des ICD-10 bestehen folgende Merkmale: A. Ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten mit vorherrschender Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme. B. Mindestens vier Symptome der unten angegebenen Liste, davon eins von den Symptomen 1. bis 4. müssen vorliegen: Vegetative Symptome: 1. Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz 2. Schweißausbrüche 3. fein- oder grobschlägiger Tremor 4. Mundtrockenheit (nicht infolge Medikation oder Exsikkose) Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen: 5. Atembeschwerden 6. Beklemmungsgefühl 7. Thoraxschmerzen oder -mißempfindungen 8. Nausea oder abdominelle Mißempfindungen (z.B. Unruhegefühl im Magen) Psychische Symptome: 9. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit 10. Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier" (Depersonalisation) 11. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen" 12. Angst zu sterben Allgemeine Symptome: 13. Hitzewallungen oder Kälteschauer 14. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle Symptome der Anspannung: 15. Muskelverspannung, akute und chronische Schmerzen 16. Ruhelosigkeit und Unfähigkeit zum Entspannen 17. Gefühle von Aufgedrehtsein, Nervosität und psychischer Anspannung 18. Kloßgefühl im Hals oder Schluckbeschwerden Andere unspezifische Symptome: 19. Übertriebene Reaktionen auf kleine Überraschungen oder Erschrecktwerden 20. Konzentrationsschwierigkeiten, Leeregefühle im Kopf wegen Sorgen oder Angst 21. Anhaltende Reizbarkeit 22. Einschlafstörung wegen der Besorgnis C. Die Störung erfüllt nicht die Kriterien für eine Panikstörung (F41.0), eine phobische Störung (F40), eine Zwangsstörung (F42) oder eine hypochondrische Störung (F45.2). D. Häufigstes Ausschlusskriterium: Die Störung ist nicht zurückzuführen auf eine organische Krankheit wie eine Hyperthyreose, eine organische psychische Störung (F0) oder auf eine durch psychotrope Substanzen bedingte Störung (F1), z.B. auf einen exzessiven Genuß von anphetaminähnlichen Substanzen oder auf einen Benzodiazepinentzug. Die Ängste werden meistens nicht durch bestimmte äußere Reize oder Situationen ausgelöst, weshalb das Vermeidungsverhalten keine so große Rolle spielt wie bei Phobien, auch nicht durch bestimmte Körperwahrnehmungen wie bei Panikattacken. Äußere Reize können jedoch die innere Bereitschaft zu Sorgen aktivieren. Latent vorhandene Ängste vor Erkrankungen in der Familie können durch Informationen über momentan gehäuft auftretende Fälle einer bestimmten Krankheit sofort manifest werden. Das Lesen von medizinischen Informationen (z.B. das Lesen der Nebenwirkungen von Medikamenten auf dem Beipackzettel oder die Lektüre der medizinischen Informationen in diesem Buch) kann ebenfalls Ängste auslösen („Es macht mir Angst, was ich noch alles bekommen kann, wenn ich das lese"). Das bewusste Nicht-Lesen krankheitsbezogener Literatur stellt ein Vermeidungsverhalten dar. Auf Dauer erleben die Betroffenen ihr ständiges Sorgen als sehr belastend, können es aber dennoch nicht kontrollieren, verglichen mit nichtängstlichen Personen, die sich (allerdings weniger lange) oft über dieselben Angelegenheiten sorgen. Man kann das ständige Sorgen als „Problemlöseprozess ohne Problemlösung" verstehen. Die Betroffenen spielen gedanklich alle möglichen Katastrophen durch, ohne jemals zu Lösungen zu gelangen, wie diese Katastrophen vermieden werden könnten. Die häufigsten Sorgen beziehen sich auf das Wohlbefinden der Familie, die Arbeit, die finanzielle Lage oder die Gesundheit. Das Grübeln stellt nicht nur ein Problem dar, sondern auch einen Lösungsversuch. Sich zu sorgen, scheint noch größeres Leid verhindern zu können („Ich muss mich ständig sorgen, sonst passiert noch etwas Schlimmes"). Wenn sich vorübergehend Erleichterung einstellt, weil man sich lange genug mit einer Befürchtung beschäftigt hat und nun gleichsam vor einer realen Gefahr bewahrt bleibt, wird das Grübeln letztlich verstärkt. Menschen mit generalisierter Angststörung und gesunde Personen unterscheiden sich nicht bezüglich der Inhalte, über die sie sich sorgen, wohl aber hinsichtlich der Zeit, die sie mit Sorgen zubringen. Während sich laut Untersuchungen die Patienten 60% des Tages sorgen, trifft dies bei gesunden Kontrollgruppen nur in 18% der Fälle zu. Lediglich um den täglichen Kleinkram sorgen sich Angstpatienten mehr als andere Menschen. Epidemiologie, Verlauf und Folgen der generalisierten Angststörung In der amerikanischen Bevölkerung kommt die generalisierte Angststörung lebenszeitbezogen bei 5,1%, innerhalb des letzten Jahres bei 3,1% und innerhalb des letzten Monats bei 1,6% vor (nach ICD10-Kriterien lebenszeitbezogen bei 8,9%). Die Störung zeigt sich lebenszeitbezogen bei 6,6% der Frauen und 3,6% der Männer, innerhalb des letzten Jahres bei 4,3% der Frauen und 2,0% der Männer, innerhalb des letzten Monats bei 2,1% der Frauen und 1,0% der Männer. Es besteht eine Lebenszeit-Komorbidität von 90,5%, d.h. die Betroffenen weisen zumeist auch noch mindestens eine andere psychische Störung auf. Aktuell (auf die letzten 30 Tage bezogen) zeigte sich bei beachtlichen 66,3% eine weitere psychische Störung, während nur ein Drittel eine reine generalisierte Angststörung aufwies. Von den Betroffenen fühlten sich 49% im Leben deutlich beeinträchtigt, suchten 66% irgendeine Form von Hilfestellung und nahmen 44% Medikamente. Nach verschiedenen Autoren weisen 85-91% der Betroffenen mindestens eine weitere Störung auf, mehrheitlich eine zusätzliche Angststörung. Am häufigsten finden sich gleichzeitig eine spezifische Phobie (29-59%) oder eine soziale Phobie (1633%). Ein schweres depressives Syndrom (14%) sowie eine Dysthymie (6-33%) waren seltenere Zweitdiagnosen. Eine generalisierte Angststörung beginnt im Gegensatz zur Panikstörung meist langsam. Die Betroffenen werden wegen der zahlreichen anhaltenden körperlichen Symptome meist nur medikamentös behandelt, vor allem mit Medikamenten für Schlafstörungen und Nervosität. Die Grundkrankheit wird oft übersehen. Rund ein Drittel der Personen mit einer generalisierten Angststörung war laut eigenen Angaben bereits lange vor Beginn der Störung nervös und ängstlich. Eine generalisierte Angststörung beginnt in der Regel in jüngerem Alter als eine Panikstörung, und zwar meist vor dem 20. Lebensjahr. Ein zweiter Altersgipfel liegt zwischen dem 30. und dem 35. Lebensjahr. Unter den Patienten mit Angststörungen ist diese Patientengruppe nur mit 10% vertreten. Menschen mit generalisierter Angststörung sind in klinischen Stichproben im Vergleich zu ihrer Häufigkeit in der Bevölkerung zwar unterrepräsentiert, zeichnen sich dort allerdings durch einen sehr hartnäckigchronischen Verlauf über viele Jahre aus. Lebensverändernde Ereignisse (z.B. Heirat) können den Verlauf einer generalisierten Angststörung oft nicht beeinflussen. Mit der Fortdauer der Störung nehmen Anzahl und Ausprägungsgrad der Symptome zu. In Belastungssituationen tritt häufig eine Verschlechterung auf. Wenn die Störung länger als ein Jahr andauert, lassen sich oft auch andere Störungen feststellen, insbesondere soziale Phobie, Dysthymie (lang andauernde, leichte depressive Verstimmung), Medikamentenmissbrauch und Persönlichkeitsstörungen, vor allem eine ängstliche oder zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Unterscheidung zwischen generalisierter Angststörung und anderen Angststörungen Die Ängste bei einer generalisierten Angststörung weisen vielfältigste Inhalte auf und sind nicht auf bestimmte Thematiken begrenzt, wie dies bei anderen (Angst-)Störungen der Fall ist: Angst vor einer Panikattacke (Panikstörung), Angst vor fehlender Fluchtmöglichkeit (Agoraphobie), Angst vor Kritik (Sozialphobie), Angst vor Verunreinigung (Zwangsstörung), Angst vor dem Wiedererleben bestimmter traumatisierender Erfahrungen (posttraumatische Belastungsstörung), Angst vor einer ernsthaften Erkrankung (Hypochondrie), Angst vor vielfältigen Körpersymptomen (Somatisierungsstörung). Im Vergleich zu Panikpatienten stehen bei Menschen mit einer generalisierten Angststörung eher andere körperliche Beschwerden im Vordergrund: Übelkeit, Kopfschmerzen, Anspannung und Schlafstörungen. Gegenüber Sozialphobikern, die sich „nur" vor sozialen Situationen fürchten, in denen sie etwas leisten müssen und beurteilt werden könnten, sind die Ängste unabhängig von sozialen Situationen. Im Vergleich zu Depressiven klagen die Betroffenen weniger über Interessenverlust oder psychomotorische Verlangsamung und grübeln auch weniger über Selbstmord oder Schuldthematiken. Gegenüber dem Grübelzwang von Menschen mit einer Zwangsstörung lässt sich das ständige Sorgen von Personen mit generalisierter Angststörung klar abgrenzen. Das Sorgen ist realistischer, ich-näher und weniger aufdringlich als das Grübeln. Generalisierte Angststörung – Sorgen als kognitive Vermeidungsstrategie Ständiges Sich-Sorgen gilt als das zentrale Merkmal der generalisierten Angststörung. Die Sorgen können nicht kontrolliert werden und beanspruchen deshalb die Aufmerksamkeit in übermäßiger Weise. Je weniger die ständig wechselnden Sorgen bewältigt werden können, umso mehr erfolgt eine Aufmerksamkeitseinengung darauf, während gleichzeitig die anfallenden Aufgaben des Alltags immer stärker vernachlässigt werden. Dies führt zum Eindruck, das Leben nicht bewältigen zu können, was das Gefühl des Kontrollverlusts verstärkt, sodass im Sinne eines Teufelskreises eine weitere Einengung auf die Sorgen und die eigene Unfähigkeit erfolgt. Das Grübeln wird weiterhin als Problemlösungsmittel angesehen, während die Offenheit für nicht-angstbezogene Gegebenheiten völlig verloren geht. Nach dem kognitiven Modell von Borkovec sind die anhaltenden Sorgen und Grübeleien eine kognitive Vermeidungsreaktion angesichts von unerwünschten emotionalen Zuständen (emotionale Bedrohung und psychovegetative Erregtheit), analog zur offenen motorischen Vermeidung bei der Agoraphobie. Sie lenken ab von Gegebenheiten, die noch mehr Angst und emotionale Betroffenheit bewirken. Das Sorgen dämpft die emotionale Verarbeitung und verhindern damit körperliche Symptome. Das unaufhörliche Sich-Sorgen wird als „negative Verstärkung" angesehen. Sorgen stellen insofern negative Verstärker dar, als sie die körperlichen und psychischen Komponenten bei negativen emotionalen Erfahrungen reduzieren. Trotz des Leidens unter den ständigen Sorgen halten die Betroffenen das Sorgen nicht für sinnlos, sondern für ähnlich wirksam wie magische, abergläubische Praktiken. Wenn man sich nur ausreichend über die gefürchteten Ereignisse sorgt, werden sie schon nicht eintreten. Die Sorgen bei einer generalisierten Angststörung sind ständig wechselnd, oft diffus und wenig bildhaft. Bildhafte Vorstellungen konkreter, negativer Inhalte lösen psychovegetative Symptome aus, die es zu vermeiden gilt. Obwohl die ständigen Sorgen über alles und jedes als recht belastend erlebt werden, verhindern sie doch noch unangenehmere Zustände. Gedanken und Sätze mit unangenehmem Inhalt sind emotional weniger belastend als konkrete bildhafte Vorstellungen. Dies kann durch ein Zu-Ende-Denken einer ganz bestimmten Sorge auf plastisch-bildhafter Ebene leicht überprüft werden. Wenn bei der Besorgtheit abstrakt-gedankliche Prozesse dominieren und bildhafte Vorstellungen vermieden werden, werden körperliche Symptome unterdrückt oder nur vermindert wahrgenommen. Menschen mit generalisierter Angststörung grübeln den ganzen Tag vor sich hin, mehrheitlich über Kleinigkeiten des Alltags nachdenkend, ohne je zu einem konkreten Ergebnis zu gelangen. Die Entscheidung zu einer bestimmten Bewältigung eines Problems löst sofort Angst aus, sodass wiederum der Weg zurück in die Unentschiedenheit des Grübelns gewählt wird, ohne dass eine vollständige kognitive und emotionale Bearbeitung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Bedrohung erfolgt. Auf diese Weise wird der Mechanismus der generalisierten Angststörung aufrechterhalten. Ein derartiges Verständnis der generalisierten Angststörung legt eine bestimmte therapeutische Vorgangsweise nahe, nämlich eine massierte mentale Konfrontation mit einer ganz bestimmten Sorge im Sinne eines bildhaften Zu-Ende-Denkens des Problems (Konfrontation in sensu). Dadurch werden die Ängste intensiv und konkret emotional erlebbar. Die Effizienz der verhaltenstherapeutischen Konfrontationstherapie wird nicht nur bei der Agoraphobie, sondern auch bei der generalisierten Angststörung deutlich. Ängste können nur überwunden werden, indem sie sowohl kognitiv als auch emotional ohne Vermeidung bewältigt werden. Die emotionale Bewältigung von Sorgen im Rahmen einer Konfrontationsbehandlung ist mit einer starken, recht unangenehmen psychovegetativen Aktivierung verbunden. Autor: Dr.Hans Morschitzky