Behandlung des kolorektalen Karzinoms mit monoklonalen

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ÜBERSICHTSARBEIT
Behandlung des kolorektalen Karzinoms
mit monoklonalen Antikörpern
Bedeutung der KRAS-Mutationsanalyse und des EGFR-Status
Sebastian Stintzing, Volker Heinemann, Andreas Jung, Nicolas Moosmann,
Wolfgang Hiddemann, Thomas Kirchner
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Der epidermale Wachstumsfaktorrezeptor
(EGFR) ist ein wichtiges therapeutisches Ziel in der Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms. Die
Kombination von anti-EGFR-Antikörpern mit einer Chemotherapie hat zu einer Ansprechrate bestimmter Tumoren
und zu einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Intervalls geführt. In einer durch den EGFR regulierten Signaltransduktionskaskade ist das KRAS-Protein ein
wichtiger Mediator, der in etwa 30 bis 49 % aller kolorektalen Karzinome mutiert ist. Mutationen im KRAS-Gen können molekularpathologisch nachgewiesen werden und
sind von entscheidender Bedeutung in der Wahl EGFR-gezielter molekularbiologischer Therapieoptionen.
Methodik: Selektive Literaturrecherche.
Ergebnisse: Patienten profitieren von einer Behandlung mit
den EGFR-Antikörpern Cetuximab und Panitumumab nicht,
wenn das KRAS-Gen mutiert ist.
Schlussfolgerungen: Aktivierende Mutationen im KRASGen sind Biomarker einer Resistenz gegen Cetuximab oder
Panitumumab. Entsprechend ist in der Zulassung der
EGFR-gerichteten Therapien bei metastasierten kolorektalen Karzinomen eine Bestimmung des Mutationszustandes
des KRAS-Gens ein zwingender Schritt, weil eine Steigerung der Ansprechrate durch Kombination von Chemotherapie und EGFR-Antikörpern nur bei Vorliegen eines KRASWildtyps erwartet wird.
Dtsch Arztebl Int 2009; 106(12): 202–6
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0202
Schlüsselwörter: Kolorektalkarzinom, Cetuximab, molekulare Medizin, Genmutation, Krebstherapie
Medizinische Klinik und Poliklinik III, Klinikum der LMU München, Standort
Großhadern: Dr. med. Stintzing, Prof. Dr. med. Heinemann, Dr. med. Moosmann,
Prof. Dr. med. Hiddemann
Pathologisches Institut der LMU München: PD Dr. med. Jung, Prof. Dr. med.
Kirchner
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olekularbiologisch zielgerichtete Therapien des
metastasierten kolorektalen Karzinoms haben
durch die Entwicklung monoklonaler Antikörper gegen
den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR)
oder den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor
(VEGF) erheblich an Bedeutung gewonnen. So haben
die gegen den EGFR gerichteten Antikörper Cetuximab
und Panitumumab in zahlreichen Studien ihre klinische
Effektivität bewiesen. Die Kombination von Cetuximab
mit Irinotecan erbrachte erstmals in der BOND-Studie
bei Irinotecan-vorbehandelten Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom eine signifikante Steigerung von Ansprechrate und progressionsfreiem Überleben und induzierte eine nicht signifikant längere
Überlebenszeit (1). Dabei ist das progressionsfreie
Überleben (PFS) als die Überlebenszeit definiert, in der
es zu keiner Progression der Tumorerkrankung kommt.
Mehrere Studien, die überwiegend bei vorbehandelten Patienten durchgeführt wurden, zeigten, dass Mutationen des KRAS-Gens mit einer Resistenz des Tumors
gegen EGFR-Inhibitoren verbunden sind, weil KRASMutationen zu einer intrinsischen Aktivierung der
EGFR-abhängigen Signaltransduktionskaskade führen.
Diese Aktivierung ist unabhängig von der EGFRExpression und kann durch Medikamente, welche am
EGFR selbst wirken, nicht gehemmt werden.
Im Folgenden soll ein Überblick über den Einfluss
des KRAS(Kirsten-RAS)-Status auf die klinische Aktivität einer spezifisch gegen den EGFR gerichteten Tumortherapie gegeben werden.
M
Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor
Der EGFR ist ein Transmembranprotein, das zu der
Familie der Tyrosinkinase-Wachstumsfaktor-Rezeptoren
gehört. Die EGFR-abhängige Signaltransduktion in Richtung Zellkern reguliert Prozesse wie Proliferation, Migration, Invasion, Angiogenese und Apoptose (Grafik).
Beim metastasierten kolorektalen Karzinom kann eine
EGFR-Expression bei etwa 70 % der Tumoren nachgewiesen werden und ist mit einer schlechteren Prognose
verbunden (2, 3). Der Grad der immunhistochemisch
nachgewiesenen EGFR-Expression korreliert nicht mit
der Effektivität der anti-EGFR-Therapie (1, 4). Ein immunhistochemischer Nachweis von EGFR auf den Tu⏐ Jg. 106⏐
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GRAFIK
Epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor-Funktionen und therapeutische Angriffspunkte
morzellen ist vor Beginn einer anti-EGFR-Therapie daher
nicht notwendig. Gründe hierfür können methodisch bedingt sein.
Der EGFR stellt die Verbindung zwischen dem extrazellulären Raum und der intrazellulären Signaltransduktion dar. Er besteht aus dem extrazellulären Rezeptor,
einer lipophilen Transmembran-Domäne, sowie einer intrazellulären Domäne mit den Eigenschaften einer Tyrosinkinase. Die Aktivierung des EGFR erfolgt extrazellulär
durch Liganden wie EGF (epidermaler Wachstumsfaktor)
oder TGF-α (transformierender Wachstumsfaktor-α) und
führt zu einer Homodimerisierung des WachstumsfaktorRezeptors. Die daraus resultierende Autophosphorylierung der Rezeptor-Tyrosinkinase setzt in der Folge verschiedene Signalkaskaden in Gang, in denen auch das
KRAS-Protein eine wichtige Rolle spielt.
Aufgrund dieser Funktionen des EGFR wurden mehrere therapeutische Angriffspunkte definiert und spezifische Medikamente für eine gezielte Therapie entwickelt.
In Deutschland sind gegenwärtig zwei monoklonale Antikörper, welche gegen den EGFR gerichtet sind, zugelassen. Cetuximab ist ein monoklonaler chimärer
Maus/Mensch-Antikörper, der gegen die extrazelluläre
Domäne des EGFR gerichtet ist und zu einer Hemmung
der Ligandenbindung führt. Durch zellkulturelle invitro-Experimente konnte nachgewiesen werden, dass
dies wiederum die Rezeptor-Tyrosinkinase und die davon
abhängige Signaltransduktion inhibiert und es auf diese
Weise zu einer Hemmung von Proliferation und Migration sowie zu einer Steigerung der Apoptose von Tumorzellen kommt (5). Cetuximab besitzt als IgG1-Antikörper die Fähigkeit, eine antikörperabhängige zellulär
vermittelte Zelltoxizität zu induzieren, therapeutisch
scheint dieser Effekt aber von untergeordneter Bedeu⏐ Jg. 106⏐
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tung zu sein. Die wichtigste Nebenwirkung von Cetuximab ist ein bei etwa 70 % der behandelten Patienten auftretendes akneiformes Exanthem, welches mit der Effektivität der anti-EGFR-Therapie korreliert. Dieses Exanthem ist mithilfe topischer Maßnahmen zum Beispiel
durch den Einsatz von cortison- oder antibiotikahaltigen
Cremes meist gut behandelbar. Bei stärkerer Ausprägung
ist eine orale systemische Antibiotikatherapie mit einem
Tetracyclin (zum Beispiel Monocyclin) hilfreich. Seltenere Nebenwirkungen, welche bei etwa 1 bis 10 % der
Patienten auftreten, sind allergische Infusionsreaktionen, Fatigue, Nausea, Fieber, Diarrhö und Mukositis. Panitumumab ist der zweite in Deutschland zugelassene,
gegen den EGFR gerichtete Antikörper und besitzt im
Gegensatz zu Cetuximab als rein humaner IgG2-Antikörper keine antikörperabhängige Zelltoxizität. Er verursacht bei Erstinfusion nur bei etwa 1 % der Patienten
eine allergische Akutreaktion. Einzelne Todesfälle durch
anaphylaktische Reaktionen sind bis jetzt nur bei der Infusion von Cetuximab beschrieben worden.
Neben der Blockade der extrazellulären EGFR-Domäne ist auch die Hemmung der Tyrosinkinaseaktivität
durch Tyrosinkinaseinhibitoren wie Erlotinib möglich.
Allerdings wurde Erlotinib beim metastasierenden kolorektalen Karzinom bislang nur in frühen Studienphasen
getestet. Die Zulassung beschränkt sich daher aktuell auf
die Behandlung des metastasierten Pankreaskarzinoms
und des nicht kleinzelligen Bronchialkarzinoms.
RAS-Proto-Onkogene und KRAS-Mutation
Die ras(rat sarkoma)-Proto-Onkogen-Familie besteht
aus kleinen GTP-bindenden-Proteinen (G-Proteine) mit
einem molekularen Gewicht von 21 kDa. Drei verschiedene RAS-Proteine (HRAS [Harvey-RAS], KRAS [Kirsten-RAS] und NRAS [Neuroblastom-RAS]) sind heute
bekannt, ihre Expression ist gewebsspezifisch (6, 7). Das
für den EGFR wichtige KRAS-Protein ist an der inneren
Plasmamembran lokalisiert und besitzt GTPase- Aktivität
(8). Die Aktivierung des KRAS-Proteins ist der Phosphorylierung der EGFR-Tyrosinkinase nachgeordnet. Die
Signaltransduktion erfolgt im Weiteren über Raf („root
abundant factor“), MEK (MAP-Kinase-ERK-Kinase) und
ERK (extracellular regulated MAP-Kinase) und führt
letztendlich zur Transkription von Genen im Zellkern, die
zur malignen Progression der Tumoren führen.
Onkogene KRAS-Mutationen werden in etwa 40 %
der nicht familiär bedingten kolorektalen Karzinome
(90 % aller kolorektalen Karzinome) gefunden (6, 7, 9).
Untersuchungen an Familien mit HNPCC („hereditary
non polyposis colorectal carcinoma“) zeigten, dass Mutationen im KRAS-Gen unabhängig vom Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität sind (10) und dass die
Häufigkeit einer KRAS-Mutation beim hereditär bedingten Kolonkarzinom vergleichbar mit sporadisch
auftretenden Kolonkarzinomen war (11). Die onkogenen Punktmutationen des KRAS-Gens findet man zu
98,4 % in Codon 12 und 13, weit weniger häufig in den
Codon 61 und 63 (12) und sie führen zu einer dauerhaften Autoaktivierung des dem KRAS-Protein nachgeschalteten Signalweges (Grafik).
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TABELLE 1
Effekt der KRAS-Mutation auf die Ansprechrate bei vorbehandelten Patienten mit metastasiertem kolorektalem
Karzinom
Patienten
n
KRAS-Mutation
n (%)
KRASwt
ORR (%)
KRASmut
ORR (%)
Cetuximab ± CT
114
36 (32)
44
0
De Roock et al. 2008 (20)
Cetuximab ± CT
113
46 (41)
41
0
Cappuzzo et al. 2008 (21)
Cetuximab ± CT
80
42 (53)
26
10
Di Fiore et al. 2007 (22)
Cetuximab + CT
59
16 (27)
28
0
Khambata-Ford et al. 2007 (23)
Cetuximab
80
30 (38)
10
0
Karapetis 2008 (18)
BSC ± Cetuximab
394
164 (42)
13
1
Amado 2008 (13)
Panitumumab
208
84 (40)
17
0
Referenz
Behandlung
Lièvre et al. 2008 (19)
KRASmut, mutiertes KRAS-Gen; KRASwt, KRAS-Wildtyp;
ORR, Ansprechrate (definiert als Anteil der Patienten, welche keine Vergrößerung der Tumormasse unter Chemotherapie zeigten);
CT, Chemotherapie; BSC, beste supportive Behandlung
Für den molekularpathologischen Nachweis der
KRAS-Mutation wird im Regelfall asserviertes und archiviertes Gewebematerial eingesetzt. Da in den verschiedenen Studien Primärtumoren und die Codons 12
und 13 untersucht wurden, wird in den molekularpathologischen Routineuntersuchungen genauso verfahren.
Zum einen finden sich in über 98,4 % der Fälle Mutationen in den beiden Codons 12 und 13, zum anderen weisen Metastasen kolorektaler Karzinome mit einer hohen
Konkordanz dieselben Mutationen auf wie ihre zugehörigen Primärtumore. Der Nachweis der KRASMutation erfolgt mithilfe verschiedener PCR-basierter
Methoden, wie Didesoxy-Sequenzierung, Pyro-Sequenzierung, ARMS(„amplification refractory mutation system“)-PCR, mutationsspezifische Hybridisierung, Schmelzpunktanalyse u.a.m. Bisher zeigte kein
Verfahren gegenüber einem anderen einen Vorteil (eigene Untersuchungen) sodass jedes Labor die Qualität seines molekularpathologischen KRAS-Mutationsnachweises testen und validieren lassen sollte. Dazu bieten
die Deutsche Gesellschaft für Pathologie zusammen mit
dem Bundesverband Deutscher Pathologen einen Ringversuch im Rahmen der Qualitätssicherungsmaßnahme
QuIP (Qualitätssicherungsinitiative Pathologie) an. Bislang wurden zwei QuIP Ringversuche durchgeführt,
aufgrund deren 49 Institutionen für Pathologie in
Deutschland die erfolgreiche und zuverlässige Durchführung des molekularpathologischen KRAS-Mutationstests bescheinigt werden konnte (www99.mh-hannover.de/
institute/pathologie/dgp/).
Prognostische Relevanz der KRAS-Mutation
Berichte über den Einfluss von KRAS-Mutationen auf
die Prognose des kolorektalen Karzinoms sind uneinheitlich. Einige Studien weisen auf die negative
prognostische Bedeutung der KRAS-Mutation für das
Gesamtüberleben hin (15). So konnte im Rahmen einer
Multivariatanalyse von über 2 400 Patienten, welche
Patientenalter, Dukes-Stadium und Codon 12-KRAS-
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Mutationen korrelierte, eine signifikant schlechtere Prognose bei KRAS-mutierten Patienten belegt werden. Eine signifikante Reduzierung des krankheitsfreien Intervalls und des Gesamtüberlebens wurde nur bei Dukes
C- und Dukes-D-Tumoren, nicht jedoch im Stadium
Dukes B gefunden (16). So war die Wahrscheinlichkeit,
innerhalb einer medianen Beobachtungszeit von 4,7
Jahren nach Operation zu versterben, im Dukes C-Stadium 2,8-mal und im Dukes D-Stadium 11,2-mal höher
bei Nachweis einer KRAS-Mutation im Vergleich zum
KRAS-Wildtyp. Andere Studien konnten diesen Effekt
nicht nachweisen (17).
Einfluss der KRAS-Mutation auf die Therapie
Studien, die bei vorbehandelten Patienten mit metastasierendem kolorektalem Karzinom durchgeführt
wurden, weisen darauf hin, dass eine Behandlung mit
Cetuximab oder Panitumumab bei Vorliegen einer
KRAS-Mutation ineffektiv ist (Tabelle 1) (13, 18–23).
Auf der letztjährigen Jahrestagung der Amerikanischen
Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) wurden
mehrere randomisierte Studien vorgestellt, welche die
Aktivität Cetuximab-basierter Kombinationstherapien
in der Erstlinientherapie in Abhängigkeit vom KRASStatus untersuchten. Die CRYSTAL-Studie verglich eine Chemotherapie mit 5-Fluorouracil und Irinotecan
(FOLFIRI) plus Cetuximab mit einer alleinigen Chemotherapie. Bei 540 der 1 198 Patienten konnte eine KRASAnalyse durchgeführt werden, die bei 36 % der untersuchten Patienten zu dem Befund einer KRAS-Mutation
führte. Während die Zugabe von Cetuximab zu FOLFIRI
bei KRAS-Wildtyp-Patienten eine signifikante Steigerung von Remissionsrate (59 % versus 43 %) und
progressionsfreiem Überleben (PFS; progression free
survival) (8,7 versus 9,9 Monate) induzierte, wurde bei
Patienten mit einer KRAS-Mutation keine Wirkung beobachtet (Tabelle 2). Vergleichbare Ergebnisse wurden
auch in der OPUS-Studie erzielt, die eine Oxaliplatinbasierte Chemotherapie (FOLFOX) plus Cetuximab mit
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TABELLE 2
Effekt der KRAS-Mutation auf die Ansprechrate in der Erstlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms
Rekrutierte
Patienten
Analyse der
KRASMutation
Nachweis
einer KRASMutation
TherapieRegime
KRASwt
ORR (%)
KRASmut
ORR (%)
KRASwt
PFS (Mo)
KRASmut
PFS (Mo)
CRYSTAL-Studie
1198
540
192
FOLFIRI
43
40
8,7
8,1
(Van Cutsem, E.
ASCO 2008)
(100 %)
(45 %)
(36 %)
FOLFIRI +
Cetuximab
59
36
9,9
7,6
337
233
99
FOLFOX
37
49
7,2
8,6
(100 %)
(69 %)
(42 %)
FOLFOX+
Cetuximab
61
33
7,7
5,5
Studie
OPUS-Studie
(Bokemeyer, C.
ASCO 2008)
KRASmut, mutiertes KRAS-Gen; KRASwt, KRAS-Wildtyp;
ORR, Ansprechrate (definiert als Anteil der Patienten, welche keine Vergrößerung der Tumormasse unter Chemotherapie zeigten);
PFS, progressionsfreie Zeit; Mo, Monate (Daten aus Vorträgen vom ASCO Annunal Meeting 2008)
einer alleinigen FOLFOX-Behandlung verglich. Auch
diese Studie zeigte, dass die Kombination von Cetuximab mit einer Erstlinien-Chemotherapie nur bei KRASWildtyp zu einer Effektivitätssteigerung beiträgt. Dagegen wurde bei Patienten mit KRAS-mutierten Tumoren bei Zugabe von Cetuximab eine deutlich niedrigere
Remissionsrate (33 versus 49 %) und eine signifikant
niedrigere PFS (5,5 versus 8,6 Monate; p = 0,0192) gefunden als unter der alleinigen Chemotherapie (Tabelle 2). Eine aktuelle retrospektive Untersuchung (24)
konnte zeigen, dass auch Mutationen im B-RAF (v-raf
murine sarcoma viral oncogene homolog B1), einem
dem KRAS nachgeschalteten Protein (Grafik), zu einer
Einschränkung der EGFR-gerichteten Antikörpertherapie führen kann. Inwieweit diese Erkenntnis klinische
Relevanz bekommen wird, ist aktuell noch nicht einzuschätzen.
Im Gegensatz zu Cetuximab und Panitumumab zielt
die Behandlung mit Bevacizumab nicht auf den EGFR,
sondern auf VEGF ab, sodass Bevacizumab auch bei
KRAS-mutierten Patienten wirksam ist. Bei primär antiangiogenetisch wirksamen Therapieansätzen ist daher
eine Bestimmung des KRAS-Mutationsstatus nicht erforderlich (25).
Fazit
Bisher waren die therapeutischen Entscheidungen in der
Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms
abhängig vom Stadium, der Progressionskinetik oder
der Symptomatik der Erkrankung. Die aktuellen Therapiestudien führen zu einer neuen Entscheidungsebene
auf dem Boden der molekularbiologischen Charakteristika des Tumors. Da eine Wirksamkeit der anti-EGFRStrategie nur bei Tumoren mit einem KRAS-Wildtyp erwartet werden kann, ist die primäre Analyse des KRASMutationsstatus eine unabdingbare Voraussetzung für
eine adäquate Therapieentscheidung. Der Einsatz von
Cetuximab oder Panitumumab bei Vorliegen einer
KRAS-Mutation birgt das Risiko der Nebenwirkungen
und unnötiger Kosten ohne einen nachweisbaren Nutzen in Aussicht stellen zu können.
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Die Relevanz der Studiendaten wird allerdings dadurch
eingeschränkt, dass die KRAS-Analysen bisher nur in retrospektiven Untersuchungen durchgeführt wurden und
daher nur in Subpopulationen zur Verfügung stehen.
Überzeugend ist aber die hohe Konsistenz der Ergebnisse.
Die prädiktive Bedeutung des KRAS-Mutationsstatus
für die Effektivität einer anti-EGFR-Therapie konnte bisher durch andere Parameter der Tumorbiologie nicht erreicht werden. Als weiterer wichtiger prädiktiver/prognostischer Faktor bleibt jedoch die Hautreaktion unter der anti-EGFR-Therapie bestehen. So kann davon ausgegangen
werden, dass Patienten mit einem KRAS-Wildtyp, die
unter der Behandlung ein akneiformes Exanthem entwickeln, am meisten von der anti-EGFR-Therapie profitieren.
Die Bestimmung des KRAS-Mutationsstatus ist technisch aufwändig und hat zur Etablierung einer von den
beteiligten Pathologischen Instituten ausgehenden Qualitätssicherung geführt. Die Kosten, welche durch die Testung entstehen, werden durch die gezielte Vermeidung
eines ineffektiven Behandlungsansatzes und der damit
verbundenen Nebenwirkungen mehr als ausgeglichen.
Klinische Kernaussagen
> In der Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms gibt es durch die Entwicklung von Antikörpern
neue therapeutische Möglichkeiten.
> Die Behandlung mit Antikörpern ist wirksam.
> Die KRAS-Mutation im metastasierten kolorektalen Karzinom konnte als prognostischer Faktor etabliert werden.
> In retrospektiven Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine Therapie mit Cetuximab oder Panitumumab bei Patienten, deren Tumor eine KRAS-Mutation
aufwiesen, keine messbare Wirkung zeigte.
> Vor einer Behandlung mit EGFR-Antikörpern sollte immer eine KRAS-Mutation ausgeschlossen werden.
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Interessenkonflikt
Prof. Heinemann hat finanzielle Unterstützung für klinische Studien von Merck,
Roche, Grenzach sowie Honorare für wissenschaftliche Vorträge von Merck,
Roche und AMGEN erhalten.
Dr. Moosmann erhielt Vortragshonorare von Merck.
Prof. Kirchner gibt finanzielle Verbindungen zu AMGEN, Merck-Sorono und
Roche Diagnostics an.
PD Dr. Jung gibt finanzielle Verbindungen zu AMGEN und Merck-Sorono an.
Prof. Hiddemann und Dr. Stintzing erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne
der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 24. 7. 2008, revidierte Fassung angenommen: 19. 11. 2008
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Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Volker Heinemann
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Klinikum der LMU München
Großhadern
Marchioninistraße 15
81377 München
E-Mail: [email protected]
SUMMARY
Thhe Treatment of Colorectal Carcinoma With Monoclonal Antibodies—
The Importance of KRAS Mutation Analysis and EGFR Status
Background: The epidermal growth factor receptor (EGFR) is an important target in the treatment of metastatic colorectal carcinoma (mCRC).
The combination of anti-EGFR antibodies with chemotherapy has led to
a higher response rate of certain kinds of tumor as well as a significant
prolongation of the progression-free interval. The KRAS protein is an
important mediator in the signal transduction cascade regulated by the
EGFR. A KRAS mutation is present in 30 % to 49 % of all colorectal
carcinomas. Mutations in the KRAS gene can be demonstrated by the
methods of molecular pathology and are a very important factor in the
selection of molecular biological treatment options targeted against
EGFR.
Methods: Selective literature review.
Results: Patients bearing mutations of the KRAS gene do not benefit
from treatment with the EGFR antibodies cetuximab and panitumumab.
Conclusions: Activating mutations of the KRAS gene are biomarkers for
resistance to cetuximab or panitumumab. Thus, anti-EGFR therapies are
approved for the treatment of metastatic colorectal carcinoma only on
condition that the mutation state of the KRAS gene is determined first,
because the combination of chemotherapy with anti-EGFR is expected
to increase the response rate only in patients with the wild-type KRAS
gene.
Dtsch Arztebl Int 2009; 106(12): 202–6
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0202
Key words: colorectal carcinoma, cetuximab, molecular medicine, gene
mutation, cancer therapy
@
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
⏐ Jg. 106⏐
⏐ Heft 12⏐
⏐ 20. März 2009
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