SAKK 41/10 Zusammenfassung des Studienprotokolls SAKK 41/10 Titel des Gesuchs: SAKK 41/10: Cetuximab als Monotherapie oder in Kombination mit Capecitabine als Erstlinienbehandlung älterer Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom, das keine aktivierende Mutation im KRAS- und BRAF-Gen aufweist Gesuchsteller/In: Weitere Mitarbeiter/Innen: Gesuchsversion/Datum: Version 1.0 / 05.04.2012 Hintergrund der Studie: Das kolorektale Karzinom ist einer der häufigsten Tumoren in Europa, wobei etwa 50% der Patienten bei Erstdiagnose bereits 70 Jahre oder älter sind (1,2). Die optimale Behandlung älterer Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom ist nicht gut definiert, da nur sehr wenige Studien gezielt für diese Population durchgeführt wurden. Dies trifft speziell für ältere Patienten mit (alterstypischen) medizinischen Einschränkungen zu, bei denen die Risiko-Nutzen Abwägung einer Therapie ein wesentliches Problem in der klinischen Praxis darstellt (3). Kombinationschemotherapien (Fluoropyrimidin plus Oxaliplatin oder plus Irinotecan), die häufig als optimale Erstlinienbehandlung für „fitte“ Patienten betrachtet werden, zeigten in randomisierten Studien keinen Überlebensvorteil gegenüber einem sequentiellen Vorgehen, bei dem primär eine Monotherapie mit einem Fluoropyrimidin alleine verwendet wurde (4,5). Durch einen sequentiellen Therapieansatz können kumulative Toxizitäten, die aus der Kombination zweier Chemotherapiemedikamente resultieren, vermieden werden. Dies ist speziell für vulnerable ältere Patienten wichtig, da diese ein höheres Risiko für therapieassoziierte Toxizitäten aufweisen und bei denen die Erhaltung der Lebensqualität und damit der Selbstständigkeit im Alltag ein entscheidendes Therapieziel darstellt. Cetuximab, ein monoklonaler Antikörper der gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR- epidermal growth factor receptor) gerichtet ist, hat beim kolorektalen Karzinom eine erwiesene Wirksamkeit sowohl in der Erstbehandlung zusammen mit Kombinationschemotherapien als auch als alleinige Therapie für Patienten, bei denen Chemotherapien nicht mehr wirksam sind. Durch Cetuximab wird nicht nur eine Verlängerung der Überlebenszeit, sondern vor allem auch eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht (6,7), was neben seiner Wirksamkeit auf die gute Therapieverträglichkeit zurückzuführen ist. Mittlerweile ist erwiesen, dass sich die Wirksamkeit von Cetuximab auf Patienten mit Tumoren beschränkt, die ein unmutiertes KRAS-Gen aufweisen (ca. 60% aller Patienten). Daneben stellen BRAF Mutationen einen validierten Biomarker dar (ca. 5-10% aller Patienten), der auf eine äusserst ungünstige Prognose unabhängig von der gewählten Therapieform hinweist (6). Mit Hilfe dieser Biomarker können Patienten selektiert werden, die einen möglichst hohen Nutzen von einer Cetuximab-basierten Therapie aufweisen, wie es in dieser Studie vorgesehen ist. Im Rahmen dieser Studie wird ein sequentielles Therapiekonzept evaluiert, bei dem die zielgerichtete anti-EGFR Therapie mit Cetuximab als Grundstein für die Behandlung einer älteren Patientenpopulation dient, die im Hinblick auf ein mögliches Therapieansprechen selektiert wurde. Protokollsynopsis 2/4 Ziel und Hypothese dieser Studie: Ziel der Studie ist es, den Nutzen einer Erstlinienbehandlung mit Cetuximab zu bestimmen, wenn diese als alleinige Therapie oder in Kombination mit einem Fluoropyrimidin (Capecitabine) in einer älteren Patientenpopulation mit metastasiertem Kolorektalkarzimon, das keine Mutation im KRAS- und BRAFGen aufweist, angewendet wird. Patienten mit alterstypischen medizinischen Einschränkungen werden explizit erfasst und eingeschlossen. Wir nehmen an, dass diese spezifische Patientengruppe mit der vergleichsweise gut verträglichen Cetuximab-basierten Behandlung eine zufriedenstellende Tumorkontrolle (primärer Endpunkt) bei gut erhaltener Lebensqualität (sekundärer Endpunkt) erreicht. Hierbei könnte die alleinige Cetuximabbehandlung aufgrund der geringeren Toxizitäten und damit der besseren Adhärenz zur Therapie sogar einen vergleichbaren Behandlungsnutzen aufweisen wie die Kombinationsbehandlung mit Capecitabine. Primärer Endpunkt: Progressionsfreies Überleben nach 12 Wochen Freiheit von Tumorprogression korreliert beim metastasierten kolorektalen Karzinom mit dem Erhalt der Lebensqualität und dem Gesamtüberleben. Sekundäre Endpunkte: Lebensqualität (gemessen mit Hilfe des FCSI-Index, eines validierten Patientenfragebogens, (8)) Therapeutischer Gesamtnutzen (neu definierter Endpunkt, der neben der Therapiewirksamkeit auch die therapiebedingten Toxizitäten und die Lebensqualität berücksichtigt (in Anlehnung an (9)) Unerwünschte Ereignisse (gemäss den Definitionen von CTCAE v 4.0) Tumoransprechrate (gemäss den Definitionen von RECIST 1.1) Progressionsfreies Überleben (gesamt) Überleben Rate an Patienten, die eine nachfolgende Behandlung erhält sowie die Zeit bis zur nachfolgenden Behandlung Neben den primären und sekundären Endpunkten werden anhand von Blut- und Gewebsproben auch molekularbiologische Fragen untersucht (Untersuchung von Biomarkern in Serumproben und in Paraffinblöcken) mit dem Ziel, die Patientenselektion für anti-EGFR-Therapien weiter zu optimieren. Mit demselben Ziel finden explorative Analysen der primären und sekundären Endpunkte in prädefinierten geriatrischen und biologischen Patientensubgruppen statt. Studiendesign: Multizentrische randomisierte Phase II Studie. 78 Patienten werden 1:1 randomisiert zwischen einer Behandlung mit einer Cetuximab-Monotherapie (Arm A) und einer Kombinationsbehandlung mit Cetuximab und Capecitabine (Arm B). Die Randomisation wird stratifiziert anhand der möglichen funktionellen Lebensaktivitäten (IADL-Score, Instrumental Activities of Daily Life), der Komorbiditäten (CIRS-G Score, Cumulative Illness Rating Scale) und des Alters des Patienten. Die Behandlung erfolgt kontinuierlich bis zur Tumorprogression (primärer und sekundärer Endpunkt) oder bis zum Auftreten nicht akzeptabler Nebenwirkungen. Im letzteren Falle werden die studienspezifischen Untersuchungen bis zur Dokumentation einer Progression fortgeführt. 2 Protokollsynopsis 3/4 Arm A: Cetuximab 2 (500 mg/m i.v. zweiwöchentlich) bis zur Progression R Arm B: 2 Cetuximab (500 mg/m i.v. zweiwöchentlich) plus 2 Capecitabine (1000 mg/m p. o. zweimal täglich Tag 1-14 eines 21-tägigen Zyklus) oder nicht akzeptablen Nebenwirkungen Wichtige Auswahlkriterien (für vollständige Liste siehe Protokoll): Histologisch bestätigtes Kolorektalkarzinom (metastasiert oder inoperabel fortgeschritten), bei dem keine kurative Therapie durchgeführt werden kann Unmutiertes KRAS- und BRAF-Gen im Tumorgewebe Alter über 75 Jahre, oder: Alter 70-75 Jahre mit zumindest einem zusätzlichen Kriterium: o Mindestens eine Einschränkung in den funktionellen Lebensaktivitäten gemäss dem Instrumental Activities of Daily Life (IADL) Score o Signifikante Komorbidität gemäss dem Cumulative Illness Rating Scale for geriatric patients (CIRS-G) Ausreichende Nierenfunktion (berechnete Kreatinin-Clearance ≥ 30 mL/min) Studienablauf (wesentliche Untersuchungen studienspezifisch/-unspezifisch: für vollständige Liste siehe Protokoll) Nach Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien wird das schriftliche Einverständnis des Patienten eingeholt. In den 14 bis 28 Tagen vor Randomisation werden folgende Untersuchungen und Erhebungen durchgeführt: Klinischer Status und Anamnese, studienspezifische Laboruntersuchungen einschliesslich Blutentnahme für Begleitforschung, bildgebendes Tumorassessment (CT), geriatrisches Basisassessment, Ausgangserhebung Lebensqualität. Danach erfolgt die Randomisation auf einen der Therapiearme. Während der Therapie sind, adaptiert an die Therapiephase, regelmässige Kontrollen des klinischen Status und der Laborwerte vorgesehen. Bildgebende Verlaufskontrollen sind alle 12 Wochen, Erhebungen der Lebensqualität alle 6 Wochen bis Woche 19 geplant. Die Rekrutierung soll im 2. Quartal 2012 beginnen und wird voraussichtlich bis ins 2. Quartal 2014 andauern. Nach Ende der Studienbehandlung werden alle Patienten bis zu 3 Jahre beobachtet (Follow-up). Studienmedikamente/Medical Device: Cetuximab ist zur Therapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms mit nicht-mutiertem K-Ras-Gen zugelassen in Kombination mit FOLFIRI oder FOLFOX, oder als Monotherapie, wenn eine Therapie auf Oxaliplatin- und Irinotecan-Basis versagt hat. Cetuximab ist in wöchentlicher Applikationsform zugelassen. In dieser Studie wurde ein zweiwöchentliches Intervall gewählt. Die Aequivalenz der Pharmakokinetik, des Nebenwirkungsprofils und der Wirksamkeit wurde in einer Phase I und in mehreren Phase II Studien belegt (10-12). Da die Verwendung von Cetuximab in dieser Studie außerhalb der Zulassung erfolgt, wird das Medikament gestellt. Capecitabine ist in vorliegender Indikation ein zugelassenes Standardpräparat. Statistisches Auswertungskonzept und Begründung der Patientenzahl: Es handelt sich um eine randomisierte Phase 2 Studie mit zwei parallelen Behandlungsarmen, die separat untersucht werden. Die Anzahl auswertbarer Patienten ist für das progressionsfreie Überleben nach 12 Wochen berechnet. Dabei wird ein Behandlungsarm als nicht vielversprechend eingestuft, 3 Protokollsynopsis 4/4 wenn die Rate progressionsfreier Patienten nach 12 Wochen 30% oder weniger beträgt, und als vielversprechend, wenn die Rate 50% oder mehr beträgt. Es wird das A’Hern und Fleming Single-stage Design verwendet. In jedem Arm werden 39 evaluierbare Patienten benötigt um ein Signifikanzniveau von 5% und eine statistische Power von 80% zu erreichen. Zusätzlich wird ein 2-seitiges 95%Konfidenzintervall für die Differenz der PFS-Raten zwischen den beiden Armen errechnet. Risiken/ Belastungen/Unannehmlichkeiten: Beide Medikamente sind zur Therapie des kolorektalen Karzinoms bereits zugelassen, die Risiken und Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente sind daher gut bekannt. Cetuximab gilt generell als gut verträgliches Medikament, sowohl wenn es als Monotherapie verabreicht wird, als auch als Bestandteil von Kombinationstherapien. Es gibt bislang keine Hinweise, dass Toxizitäten bei älteren Patienten vermehrt oder verstärkt auftreten. Im Vordergrund stehen Nebenwirkungen der Haut, die bei der Mehrzahl der Patienten leicht ausgeprägt sind. Häufig kommt es in den ersten Therapiewochen zu einem akne-ähnlichen Hautausschlag und im weiteren Verlauf zu einer Hauttrockenheit. Diese können durch angepasste supportive Maßnahmen gelindert werden (13) und klingen nach Absetzen von Cetuximab ab. Daneben kann es zu verminderten Magnesiumspiegeln kommen, die zumeist keine Beschwerden verursachen, sowie zu infusionsabhängigen Reaktionen. In Kombination mit der Kombinationschemotherapie FOLFIRI traten Durchfälle häufiger auf. Die Kombination Cetuximab plus Capecitabine wurde kürzlich in einer Phase II Studie untersucht (14), wobei unter voller CapecitabineDosierung (1250 mg/m2 zweimal täglich über 14 Tage) gehäuft entzündliche Nagelveränderungen beobachtet wurden. In der reduzierten Capecitabine-Dosis (1000 mg/m2 zweimal täglich über 14 Tage), die auch in vorliegender Studie verwendet wird, wurde die Kombination gut toleriert. Kontrollen von klinischem Status und Labor sind in vorliegender Studie so bemessen, dass therapiebedingte Probleme gegebenenfalls frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Zur Erfassung der Lebensqualität ist vor Therapie und höchstens drei weitere Male im Verlauf das Ausfüllen von zwei Fragebögen, die einfache Fragen enthalten, erforderlich (ein Fragebogen durch den Patienten, ein Fragenbogen durch den Arzt, Aufwand ca. 5 Minuten). Referenzen: 1. Ferlay, J., D.M. Parkin, and E. Steliarova-Foucher, Estimates of cancer incidence and mortality in Europe in 2008. Eur J Cancer, 2010. 46(4): p. 765-81. 2. Saltz, L.B., et al., Irinotecan plus fluorouracil and leucovorin for metastatic colorectal cancer. Irinotecan Study Group. N Engl J Med, 2000. 343(13): p. 905-14. 3. Papamichael, D., et al., Treatment of the elderly colorectal cancer patient: SIOG expert recommendations. Ann Oncol, 2009. 20(1): p. 5-16. 4. Koopman, M., et al., Sequential versus combination chemotherapy with capecitabine, irinotecan, and oxaliplatin in advanced colorectal cancer (CAIRO): a phase III randomised controlled trial. Lancet, 2007. 370(9582): p. 135-42. 5. Seymour, M.T., et al., Different strategies of sequential and combination chemotherapy for patients with poor prognosis advanced colorectal cancer (MRC FOCUS): a randomised controlled trial. Lancet, 2007. 370(9582): p. 143-52. 6. Van Cutsem, E., et al., Cetuximab plus irinotecan, fluorouracil, and leucovorin as first-line treatment for metastatic colorectal cancer: updated analysis of overall survival according to tumor KRAS and BRAF mutation status. J Clin Oncol, 2011. 29(15): p. 2011-9. 7. Au, H.J., et al., Health-related quality of life in patients with advanced colorectal cancer treated with cetuximab: overall and KRAS-specific results of the NCIC CTG and AGITG CO.17 Trial. J Clin Oncol, 2009. 27(11): p. 1822-8. 8. Colwell, H.H., et al., Psychometric evaluation of the FACT Colorectal Cancer Symptom Index (FCSI-9): reliability, validity, responsiveness, and clinical meaningfulness. Oncologist. 15(3): p. 308-16. 9. Seymour, M.T., et al., Chemotherapy options in elderly and frail patients with metastatic colorectal cancer (MRC FOCUS2): an open-label, randomised factorial trial. Lancet, 2011. 377(9779): p. 1749-59. 10. Tabernero, J., et al., Pharmacogenomic and pharmacoproteomic studies of cetuximab in metastatic colorectal cancer: biomarker analysis of a phase I dose-escalation study. J Clin Oncol, 2010. 28(7): p. 1181-9. 11. Martin-Martorell, P., et al., Biweekly cetuximab and irinotecan in advanced colorectal cancer patients progressing after at least one previous line of chemotherapy: results of a phase II single institution trial. Br J Cancer, 2008. 99(3): p. 455-8. 12. Pfeiffer, P., et al., Biweekly cetuximab and irinotecan as third-line therapy in patients with advanced colorectal cancer after failure to irinotecan, oxaliplatin and 5-fluorouracil. Ann Oncol, 2008. 19(6): p. 1141-5. 13. Potthoff, K., et al., Interdisciplinary management of EGFR-inhibitor-induced skin reactions: a German expert opinion. Ann Oncol, 2011. 22(3): p. 524-35. 14. Rivera, F., Cetuximab plus capecitabine as first-line treatment for elderly patients (pts) with advanced colorectal cancer. Final analysis of activity and survival according to kras status- the TTD-06-01 Spanish Cooperative Group trial. , in European Journal of cancer supplements2009. p. 215. 4