4 Grundlagen des Immunsystems - mimi

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4 Grundlagen des Immunsystems
4.1
Allgemeines
Die Unversehrtheit des Organismus wird vor allem von außen durch Mikroorganismen und
Parasiten gefährdet. Gegen diese Gefahren hat der Körper verschiedene Strategien entwickelt, vor allem das Immunsystem. Zum Immunsystem gehören alle Gewebe, Zellen und
Moleküle, die zur Immunität beitragen, d. h. die Gesamtheit aller Abwehrmechanismen des
Organismus. Es stellt zusammen mit dem Nervensystem das komplexeste System im
menschlichen Körper dar.
Zunächst müssen wir einige wenige Grundbegriffe klären, die jedoch für das Verständnis des
Immunsystems wichtig sind.
ƒ
Immunantwort
Sie umfasst alle Reaktionen des Körpers – in der Regel also hauptsächlich des Immunsystems –, um einen Krankheitserreger abzuwehren.
ƒ
Antigene
Erreger bestehen aus Strukturen, insbesondere Eiweißen, die der Körper als fremd erkennen
und auf die er reagieren kann. An diese sogenannten Antigene können sich Antikörper binden. Dabei wird der Begriff unterschiedlich breit gebraucht. So kann man ein einzelnes Molekül genauso als Antigen bezeichnen wie den vollständigen Erreger.
ƒ
Epitop
Auf einem Antigen finden sich nun viele unterschiedliche Stellen, an die verschiedene Antikörper jeweils spezifisch (ähnlich einem Schlüssel, der nur in ein Schloss passt) binden können. Die Stelle des Antigens, die von einem bestimmten Antikörper tatsächlich erkannt wird,
bezeichnet man als Epitop (Abb. 15a).
Antigen
Epitop 1
Epitop 3
Schicht 1 – körperliche Barrieren
Epitop 4 Epitop 2
Schicht 2 – Angeborene Immunität
Epitop 5
Schicht 3 – Spezifische Immunität
a
b
c
Abb. 15: Aspekte des Immunsystems
a) Antigen und Epitope: Ein Antigen – hier ein Proteinmolekül – besitzt ein Oberflächenrelief. Ein Antikörper bindet nun an
die Stellen des Antigenmoleküls, zu denen er passt. Diese Stellen nennt man Epitope (hier sind exemplarisch 5 hervorgehoben). b) Das Dreischichtenmodell der Abwehr: Die physische Schicht – die intakte Haut und Schleimhaut – wehrt bereits die
meisten Erreger ab. Die angeborene Abwehr mit ihren Fresszellen und unter anderem dem Komplementsystem vernichtet
den größten Teil der Erreger, die diese Schicht noch zu durchdringen vermochten. Die erworbene oder auch adaptive bzw.
spezifische Immunität kann zudem – vor allem gegen Viren – erregeradaptierte Abwehrwaffen – Antikörper und Killerzellen –
bilden. c) Antikörper oder Immunglobulin. Rot markiert sind die identischen Antigenbindungsstellen. Mit ihnen bindet der
Antikörper an „sein“ Epitop. Es gibt 5 verschiedene Immunglobulin- oder Antikörperklassen, die sich in der Struktur am „Fu-
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ße“ des hier dargestellten, Y-förmigen Antikörpers unterscheiden.
Vereinfacht lässt sich die Abwehr in einem Drei-Schichten-Modell (Abb. 15b), bestehend aus
den physischen (körperlichen) Barrieren, dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem, darstellen. Bei der physischen Barriere spielen die intakte Haut und intakte Schleimhäute sowie die auf ihnen herrschenden lokalen Bedingungen (z. B. pH-Wert, Schleim etc.)
die zentrale Rolle, da sie für eine große Zahl von möglichen Erregern eine kaum überwindbare Hürde darstellen. Die Schicht der angeborenen Immunität wird vor allem gebildet von
professionellen Fresszellen, dem sogenannten Komplementsystem und zahlreichen Botenstoffen, wie den Interferonen. Sie bilden eine Abwehrschicht, die schnell und hocheffektiv,
aber unspezifisch und nicht anpassungsfähig gegen Eindringlinge vorgeht. Trifft der Organismus also erneut auf denselben Erreger, so reagiert der Körper in identischer Weise. Bei
rund 95 % aller Lebewesen beschränkt sich die Abwehr auf diese beiden Schichten.
4.2
Das spezifische Immunsystem
Das Besondere, vor allem bei Säugern, ist das spezifische Immunsystem: Diese auch als
erworbenes oder adaptives Immunsystem bezeichnete Schicht reagiert spezifisch auf einen
Erreger. Es bildet speziell auf diesen Eindringling angepasste Abwehrstoffe (Abb. 15c) und
Abwehrzellen.
Wie bei einem Anzug dauert eine Maßanfertigung wesentlich länger als ein Modell „von der
Stange“. Das Ergebnis passt allerdings hinterher auch wesentlich besser.
Für diese „Maßanfertigung“ muss ihm das angeborene Immunsystem die notwendige Zeit
verschaffen. Zudem „informiert“ es das spezifische Immunsystem über den Eindringling.
Zwei Zellarten spielen beim adaptiven Immunsystem eine zentrale Rolle: die B-Lymphozyten
und die T-Lymphozyten. Sie haben bestimmte Erkennungsmoleküle an ihrer Oberfläche, mit
denen sie jeweils ein bestimmtes Epitop „erkennen“ können. Diese Erkennungsmoleküle
werden nach einem durchdachten Plan „zufällig“ im Körper gebaut, so dass die Summe aller
Immunzellen im Prinzip in der Lage ist, jedes Molekül zu erkennen (Abb. 16a).
TH4
B
naive Lymphozyten
fremdes Antigen
aktivierter Lymphozyt
klonale Selektion
Klassenwechsel
klonale Expansion
a
B-Gedächtniszelle
Plasmazelle
IgG
Plasmazelle
IgM
b
Abb. 16: Immunzellauswahl und Antikörperbildung
a) Im Knochenmark werden unzählige verschiedene Lymphozyten gebildet. Alle potentiell mit körpereigenen Strukturen
reagierenden Lymphozyten werden eliminiert. Die verbliebenen warten auf einen Kontakt mit „ihrem“ Antigen. Dieser Kontakt
führt zur Auswahl, Aktivierung und anschließender Vermehrung. b) Bei den B-Lymphozyten führt diese Selektion in der
Folge zur Gedächtniszellbildung und Antikörpersynthese durch die Plasmazellen. Die Prozesse bei der Bildung der T-Killer-
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zellen folgt ähnlichen Gesetzmäßigkeiten.
Nach Kontakt mit einem Antigen werden die passenden Immunzellen ausgewählt. Sie vermehren sich stark und bilden nun entweder Gedächtniszellen, so dass bei erneutem Kontakt
wesentlich schneller reagiert werden kann (um im Bild zu bleiben: Das „Maßnehmen“ und die
„Schnittmustererstellung“ entfallen also zukünftig), oder Plasmazellen, die aktiv Antikörper
produzieren (Abb. 15c; Abb. 16b). Setzen sich die Erreger im Zellinneren fest – wie dies vor
allem bei Viren der Fall ist –, so werden zusätzlich typischerweise auch sogenannte T-Killerzellen gebildet, die die befallenen Zellen erkennen und gezielt abtöten. Auch von diesen Zellen werden Gedächtniszellen gebildet.
Weitergehende Informationen zu diesen Themen finden Sie hier:
¾ Eine leicht verständliche Einführung in das Immunsystem finden Sie hier: Sompayrac L., How
the immune system works (2009), Blackwell Publishing; 3. Auflage
¾ Vom selben Autor gibt es auch eine ähnlich gute Einführung in die Welt der Viren:
Sompayrac L., How pathogenic viruses work (2002), Jones and Bartlett Publishers; 1. Auflage
5 Grundlagen des Impfens und Impfstoffe
5.1
Allgemeines
Impfen wirkt natürlich – Das Immunsystem des Körpers reagiert auf die Erreger(bestandteile) der Impfstoffe im Prinzip genauso wie auf „normale“ Krankheitserreger.
Impfen (oder aktive Immunisierung) stimuliert die natürlicherweise bei einem Erregerkontakt
ablaufenden Prozesse, die zu einem Schutz führen, vermeidet dabei jedoch die Erkrankung.
Impfstoffe werden auf verschiedene Weise in den Körper gebracht: Die meisten Impfstoffe
werden mittels einer Spritze injiziert. Einige wenige, wie die Rotavirusimpfstoffe, werden als
Schluckimpfstoff verabreicht (Abb. 17).
Bei Impfstoffen unterscheidet man, wie bereits zuvor kurz erwähnt, zwei prinzipiell unterschiedliche Impfstofftypen: Totimpfstoffe und Lebendimpfstoffe.
b
a
c
Abb. 17: Verabreichung von Impfstoffen
Impfstoffe können auf unterschiedliche Weise verabreicht werden. Die meisten Impfstoffe werden durch eine Spritze entweder a) in den Muskel (intramuskulär) oder in das Unterhautfettgewebe (subkutan), b) in die Haut (intradermal) verabreicht.
Einige wenige, wie die Rotavirusimpfstoffe, werden als c) Schluckimpfung verabreicht.
5.2
Totimpfstoffe
Totimpfstoffe, auch „inaktivierte Impfstoffe“ genannt, enthalten abgetötete Bakterien oder
Viren beziehungsweise Bestandteile derselben (siehe auch Tab. 2).
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