14 editorial CHRONISCHE POLYARTHRITIS Größere prognostische Aussagekraft Die serologische Diagnostik der Rheumatoiden Arthritis (RA) ist in jüngerer Zeit weiter fortgeschritten. Vor allem der Nachweis von AntiCCP- und Anti-MCV-Antikörpern hat hohe Relevanz für den frühen Nachweis bei oft noch uncharakteristischer Symptomatik. Hoch spezifisch: Anti-CCP-Antikörper Anti-CCP-Antikörper sind wertvolle Marker bei RFnegativen Patienten sowie bei Patienten mit einer frühen Krankheitsmanifestation, denn innerhalb der ersten zwei Krankheitsjahre kann man diese Antikörper bei 41 bis 82 Prozent der Patienten nachweisen. CCP-Antikör- 4_2009 per besitzen eine dem RF vergleichbare Sensitivität. Die Spezifität von > 90 Prozent ist der des RF allerdings klar überlegen. Deshalb wurde CCP in die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zur Diagnostik der RA aufgenommen. CCP-Antikörper besitzen eine prognostische Bedeutung mit guter Korrelation zu radiologischen Veränderungen. Sie eignen sich nicht als Verlaufsparameter, da sie die Krankheitsaktivität nicht eindeutig widerspiegeln. Überragende Sensitivität: Anti-MCV-Antikörper Der Nachweis von Antikörpern gegen das mutierte citrullinierte Vimentin (MCV) bietet eine vergleichbare diagnostische Sensitivität und Spezifität wie Anti-CCP-Antikörper. Erste Untersuchungen lassen eine signifikante Korrelation zwischen Anti-MCV-Antikörpertiter und Schweregrad der RA sowie auch der Krankheitsaktivität vermuten. Die mutierten und citrulinierten Antigene konnten im Synovialgewebe von RA-Patienen nachgewiesen werden, weshalb ihre Bedeutung im Rahmen der Pathogenese einer RA noch Fotos: Luger/Fotolia, Kaulitzki/Fotolia Der Nachweis spezifischer Autoantikörper und genetischer Marker bei RA-Patienten erlaubt eine frühzeitige Diagnose und Risikostratifizierung. Für die Diagnostik der RA ist der Nachweis des IgM-RF (Rheumafaktor) international standardisiert und am weitesten verbreitet. Neben diesem traditionellen Nachweis gibt es zahlreiche neuere Antikörper, die beispielsweise gegen cyclisch citrullinierte Antigene (z.B. anti-CCP, anti-MCV) oder aber gegen das A2-Protein des nukleären Ribonukleoproteinkomplexes HNRNP-A2 (RA33-AK) gerichtet sind. Auch der IgA-RF gewinnt aufgrund seiner hohen Sensitivität bei Frühmanifestationen der RA und der Korrelation mit einem erosiven Verlauf (also der Krankheitsaktivität) zunehmend an Bedeutung. 15 weiterer intensiver Forschung bedarf. Sowohl der Nachweis von RF als auch von Anti-CCP kann der Erstmanifestation einer RA um viele Jahre vorausgehen. 45 Prozent der RF-negativen Patienten mit einer gesicherten RA sind Anti-CCP positiv, während lediglich acht Prozent der RF-positiven RA-Patienten negativ für Anti-CCP sind. 67 Prozent der RA-Patienten sind für beide Marker positiv. 15 Prozent der RA-Patienten sind für beide Marker negativ, also „doppelt seronegativ“. Neuer Wegweiser: das „Shared Epitope“ Das Auftreten von RA33-Antikörpern (hohe diagnostische Spezifität, relativ geringe diagnostische Sensitivität) ist nicht mit dem RF assoziiert und kommt bei 45 Prozent seronegativer RA vor, häufig auch bei einer frühen RA. Möglicherweise existiert hier ein zusätzlicher Parameter bei früher oder seronegativer RA. Viele Studien konnten eine genetische Disposition für die RA durch HLA-DRB1-Allele der HLA-DR-Region auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 zeigen. In nahezu allen untersuchten Bevölkerungsgruppen ist die RA mit den HLA-DR4-Subtypen DRB1*04 und DRB1*01 assoziiert. Alle RA-assoziierten HLA-DRB1-Allele kodieren für spezifische Aminosäuresequenzen, die als „shared epitope“ bezeichnet werden. Darunter versteht man das Vorhandensein spezifischer Aminosäuresequenzmotive im HLA-DR1 und HLA-DR4 Protein, die bei zirka 90 Prozent der RA-Patienten zu finden ist. Der Nachweis des „shared epitope“ weist auf ein erhöhtes, relatives Erkrankungsrisiko für RA hin und dient zusätzlich als prognostischer Marker für den Verlauf und die Schwere der Erkrankung. Die HLA-DRB1*04 „shared epitope“Allele sind prädiktiv für die progressive und destruktive Verlaufsform der RA mit zusätzlichen Organmanifestationen, besonders dann, wenn anti-CCP ebenfalls nachgewiesen werden kann. Therapieoptimierung durch „Shared Epitope“ Auch der Erfolg einer medikamentösen Therapie ist vom Vorhandensein verschiedener „Shared Epitope“-Allele abhängig: RA-Patienten mit den „Shared Epitope“-Allelen DRB1*04 und DRB1*01 sprechen besser auf eine Kombinationstherapie mit Methotrexat-HydroxychloroquinSulfonamiden an (94 Prozent) als auf eine MethotrexatMonotherapie (32 Prozent). Die Methotrexat-Therapie scheint dagegen bei Patienten ohne „Shared Epitope“ viel besser (83 Prozent) anzusprechen als bei Patienten mit „Shared Epitope“ (25 bis 36 Prozent). Der Nutzen dieser neuen diagnostischen Möglichkeiten wird beim kombinierten Einsatz von DMARD (disease modifying anti-rheumatic drugs) und Biologicals noch deutlicher: Patienten mit homozygoten „shared epitope“Allelen profitieren besonders von Etanercept im Vergleich zu Methotrexat (76 Prozent versus 48 Prozent). Bei heterozygoten Allelen ist der Behandlungserfolg von Etanercept und Methotrexat mit 41 Prozent vergleichbar. Fazit für die Praxis • Neben dem Nachweis von IgM- und IgA-Rheumafaktoren hat sich nach Einführung des Anti-CCP Nachweises die labordiagnostischen Möglichkeiten zur Früherkennung und Prognoseabschätzung der RA ein weiteres Mal erweitert. Die Bestimmung von MCV-Antikörpern ist vielversprechend, muss aber in weiteren Studien noch genauer untersucht werden. Ein weiterer Fortschritt wird mit der Einführung der „shared epitopes“ erreicht. • Eine moderne Behandlungsstrategie fordert heute den frühzeitigen Therapiebeginn mit Basistherapeutika (DMARD) und/oder in Kombination mit Biologicals unmittelbar nach Diagnosestellung. Durch eine kontinuierliche Therapienachführung, angepasst an die Krankheitsaktivität, kann eine deutliche Verzögerung des erosiven Prozesses und gelegentlich sogar eine nahezu vollständige Remission erreicht werden. KONTAKT Dr. med. Dipl. Biol. Norbert Ade synlab Heidelberg Telefon: 0 62 21 – 79 30 E-Mail: [email protected] 4_2009