ein star mit zukunft. ein star mit zukunft. - Klima

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KL
€ 1,–
& Gemeinde
NR. 4A/WINTER 2002
KLIMA & Bündnis
Margot Wallström:
„WIR MÜSSEN
HANDELN“.
Seite 4
Klimawandel:
„ES GEHT UM
UNSERE ZUKUNFT.“
Seite 8
Europa & Amazonien:
GEMEINSAM
FÜRS KLIMA.
Seite 21
Prämiert:
DIE CLIMATESTAR 2002
GEWINNER.
abS. 12
Climate Star 2002:
EIN STAR
MIT ZUKUNFT.
Erster europäischer Klima-Wettbewerb.
Auszeichnung für
19 Städte und Gemeinden.
© UDO REISINGER
Magazin für
Gemeinden, Schulen
und Umweltinteressierte
INHALT
■ DIE SIEGER-
Ein Stern für Sieger, S. 4.
Klimawandel – Thema
der Zukunft, Seite 8.
PROJEKTE DES
CLIMATE STAR
2002, ab Seite 12.
Klimabündnispartner in Südamerika – Seite 11.
KLIMA & Bündnis
THESSALONIKI (GR): Energiegewinnung aus Deponiegasen. ... 19
„WIR MÜSSEN HANDELN.“ Interview
mit EU-Umweltkommissarin Margot Wallström. .................. 4
■ SPAREN BRINGT ALLEN WAS.
EIN STAR MIT ZUKUNFT. Bilanz des Wettbewerbs. ................ 5
Siegerprojekte im Bereich Verkehr. ................................. 20
„WIR BAUEN AUF DAS KLIMABÜNDNIS“.
Ein Weg zu mehr Lebensqualität. ...................................... 6
GRAZ (A): Von der Pfanne in den Tank. ............................ 21
DAS KLIMABÜNDNIS IN NIEDERÖSTERREICH.
Bereits 200 Gemeinden beteiligt. ........................................ 6
„… DENN ES GEHT UM UNSERE ZUKUNFT.“
Klimawandel – Kernthema des Jahrhunderts. .................... 8
EINE VISION UMSPANNT DEN GLOBUS.
Lokal handeln, global verantworten. .............................. 11
SIEGER & Projekte
■ SAUBERE KRAFT FÜR DAS KLIMA.
Siegerprojekte im Bereich Energie. ................................ 12
DOGMA 2000 STÄDTE (DK): Gemeinsam etwas bewegen. .... 13
MODENA (I): Perpetuum Mobile für die Umwelt. ................ 14
LANGENEGG (A): Fifty für alle. .......................................... 21
LINKÖPING (S): Auf das Rad gekommen. .......................... 22
■ FASZINIEREND EINFACH. Siegerprojekte
im Bereich ökologisch Bauen. ....................................... 23
HANNOVER (D): Ökologisch Bauen als Großprojekt. ........... 24
OSTFILDERN (D): Eine Stadt der kurzen Wege. ................... 24
■ „DIE URLAUBSQUALITÄT DARF NICHT LEIDEN“.
Siegerprojekte im Bereich Tourismus. .............................. 25
WERFENWENG/BAD HOFGASTEIN (A): Auf die sanfte Tour. ..... 26
■ AUF FRUCHTBAREN BODEN.
Siegerprojekte im Bereich Umweltpädagogik. ................. 27
NORDERSTEDT (D): Solarpraxis erfahren. ........................... 27
HEIDELBERG (D): Großabnehmer für Ökostrom. ................. 14
HERRENBERG (D): Häusle mit Zukunft. ............................... 28
■ ENERGIE VON OBEN. Siegerprojekte
■ KLIMABEWUSSTSEIN AUF KNOPFDRUCK.
im Bereich Sonnenenergienutzung. ................................ 15
Siegerprojekte im Bereich Bewusstseinsbildung. .............. 29
BARCELONA (E): Auf dem Weg zur Sonne. ........................ 15
GREUSSENHEIM (D): Den Treibhauseffekt stoppen helfen. ..... 29
KIRCHBERG/PIELACH (A):
Sonnenkollektor aus wertvollem Abfall. ........................... 16
DIE RICHTIGE ADRESSE ZUM KLIMABÜNDNIS. ........................ 30
ZWISCHENWASSER (A): Bürger kaufen Sonnenkraftwerk. ...... 16
■ NACHSCHUB AUS FELD UND WALD. Siegerprojekte
im Bereich Biomasse/Biogas. ........................................ 17
GORNJI GRAD (SLO): Eine saubere Sache. ......................... 18
RYBNIK (PL): Wo die Kohle wächst. ................................. 18
2
KRISTIANSTAD (S): Alle sammeln mit. ................................ 19
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
EURPAWEITES ENGAGEMENT FÜR DEN KLIMASCHUTZ.
103 europäische Gemeinden bewarben sich. ................. 31
IMPRESSUM
HERAUSGEBER, VERLEGER & MEDIENINHABER: Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung RU3 – Umweltwirtschaft
& Raumordnungsförderung, A-3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, Haus 16A, Tel.: 02742/9005-15273.
REDAKTION: Riki Börner, Roland Goiser, Dr. Angelika Holler, DI Leonore Mader-Hirt,
Birgit Morbitzer. LAYOUT & ILLUSTRATION: Peter Fleischhacker. COVERFOTO: Udo Reisinger. FOTONACHWEIS: Archiv U&G, NÖ Landespressedienst, Climate Star-Siegergemeinden. AUFLAGE:
25.000 HERSTELLUNG: NÖ Pressehaus, St. Pölten. VERLAGS- & ERSCHEINUNGSORT: St. Pölten.
Vorwort
GUTES KLIMA FÜR
NIEDERÖSTERREICH.
Landeshauptmann
Dr. Erwin Pröll
1.000 STERNE
AM HORIZONT.
Städte und Gemeinden zeigen
Wege für den Klimaschutz.
Das Klimabündnis geht jeden Menschen etwas an, niemand
kann sich aus der Verantwortung für unsere Erde ausklinken. Das
Gute am Klimabündnis ist, tatsächlich kann auch jede/r in jedem Alter und jeder Lebenssituation etwas zum Klimaschutz beitragen, und das jeden Tag.
Wenn wir es nicht schaffen, den Klimawandel zu stoppen, werden wir uns dafür eines Tages vor unseren Kindern und Enkelkindern verantworten müssen.
Deshalb engagiert sich Niederösterreich so intensiv im Klimabündnis und fördert die mittlerweile mehr als 200 Klimabündnis-Gemeinden.
Für uns ist aber auch wesentlich, dass wir im Rahmen des Klimabündnisses international Verantwortung mittragen. Dadurch
schützen wir das größte zusammenhängende Biotop der Welt,
den Regenwald Amazoniens. Wir unterstützen dort die kleinteilige Bewirtschaftung des riesigen Urwaldes,
das nachhaltige Nutzen dieser Naturressourcen durch die angestammte Bevölkerung, den umweltbewussten Umgang mit
der reichen Flora und Fauna.
Diese Art der kleinräumigen Bewirtschaftung ist auch das Ziel für unser Land NieUmweltlandesrat
derösterreich. Wir wollen die WertschöpMag. Wolfgang
fung in den Regionen ermöglichen, die heiSobotka
mische Produktion unterstützen, wir wollen
die Versorgung der Bevölkerung ohne lange Wege sichern und
Impulse geben für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung und ein stabiles Sozialgefüge.
Klimaschutz funktioniert aber nur, wenn die Menschen in den Städten und Dörfern mit anpacken, wenn sie mit Engagement individuelle Wege für ihre Gemeinde suchen, die Umwelt zu entlasten,
wenn sie sich mutig für große Projekte engagieren und neue Ideen
entwickeln. Dieses Engagement zeigen viele unserer 200 Klimabündnis-Gemeinden in Niederösterreich und ihre Bewohner.
Dieses Engagement zeigen aber auch viele Gemeinden in den
Ländern der EU und in den Kandidaten-Ländern. Mit dem Climate Star Wettbewerb werden jene vor den Vorhang geholt, die Vorreiterrollen einnehmen. Ihnen wollen wir mit dem Climate Star gratulieren.
Die Hochwasserkatastrophen des letzten Sommers in Europa führen uns deutlich vor Augen:
Der Schutz des Weltklimas ist eine lebenswichtige Zukunftsinvestition!
Die verbindlichen Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls sind jedoch nur ein erster Schritt. Für eine deutliche Verringerung
der Treibhausgase, allen voran des CO2, sind dringend
verstärkte Anstrengungen notwendig.
Im Klimabündnis verfolgen die europäischen
Städte und Gemeinden
gemeinsam die lebenswichtigen Aufgaben: den Schutz des Klimas, die nachhaltige
Entwicklung und Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd. Wir setzen auf die Vielfalt von Lösungsansätzen auf lokaler Ebene und
behalten durch die Partnerschaft mit den Indianern des Amazonasgebietes gleichzeitig die globale Dimension des Problems
im Blick.
Wo steht die kommunale Klimaschutz-Politik nach zehn Jahren
Klimabündnis, wie stark ist sie in den über 1.000 beteiligten
Städten und Gemeinden verankert und wie effektiv trägt die lokale Ebene zur Verringerung der Treibhausgasemissionen bei?
Dies herauszufinden, ist eines der Ziele des CLIMATE STAR, der
ersten europaweiten Auszeichnung für lokale Klimaschutzaktivitäten, geschaffen vom Klimabündnis. 19 Projekte wurden von
der Fachjury mit einem CLIMATE STAR ausgezeichnet.
Angesichts der Dringlichkeit konzertierter Klimaschutz-Aktionen
und der zum Teil sehr angespannten Haushaltslage der Städte
und Gemeinden halten wir eine stärkere Unterstützung des kommunalen Klimaschutzes von Seiten der Regierungen für dringend
erforderlich. Ziel des CLIMATE STAR ist es daher auch, den weiteren Handlungsbedarf zu unterstreichen und zu einem gemeinsamen, abgestimmten Vorgehen auf lokaler, nationaler und
internationaler Ebene aufzurufen.
Mein besonderer Dank gilt Umweltlandesrat Mag. Wolfgang
Sobotka für seine vorbildhaften Klimaschutz-Initiativen und seinen Beitrag zur erfolgreichen Durchführung der ersten europäischen Klima-Bündnis Auszeichnung.
Landeshauptmann DR. ERWIN PRÖLL, Umweltlandesrat MAG. WOLFGANG SOBOTKA
JOACHIM LORENZ, Klimabündnis/Alianza del Clima e.V., Stv. Vorsitzender
Joachim Lorenz,
Klimabündnis/
Alianza del Clima
e.V., Stv. Vorsitzender
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
3
Interview
„WIR MÜSSEN HANDELN“.
Die Europäische Union hat eine besondere Verantwortung im Kampf
gegen den Klimawandel, sagt die Umwelt-Kommissarin der EU,
Margot Wallström (Schweden). Die Erweiterung der EU sieht sie
als große Chance für die Umwelt und das Klima.
U&G: Wie wichtig ist für die EU der Kampf
gegen den Klimawandel?
WALLSTRÖM: Der Klimawandel und seine
möglichen Folgen bergen große Risken,
die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen
vor allem die weniger entwickelten Länder zu tragen haben. Die Menschen dort
sind den klimatischen Veränderungen viel
schutzloser ausgeliefert als wir.
Künftige Generationen müssen einen hohen Preis dafür zahlen, wenn wir jetzt nicht
handeln. Die Überschwemmungskatastrophen des letzten Sommers zeigen, dass
der Klimawandel auch wirtschaftliche Risken birgt. Wenn wir jetzt nichts unternehmen, werden wir in Zukunft viel größere
und teurere Anstrengungen unternehmen
müssen, um gegen dieses Problem anzukämpfen.
Der EU kommt hier eine besondere Rolle
zu: Die ganze Welt beobachtet genau, ob
Europa bei der Umsetzung der Kyoto-Ziele seiner Vorreiterrolle im Umweltschutz
gerecht wird. Deshalb ist es sehr wichtig,
dass wir unsere Verpflichtungen während
der ersten Umsetzungsperiode des
Kyoto-Protokolls
und darüber hinaus
erfüllen.
U&G: Wie schwierig wird es für die
EU, diese Rolle auszufüllen?
WALLSTRÖM: Ich bin
davon überzeugt,
Margot Wallström,
dass wir die Kosten
Umwelt-Kommisfür die Umsetzung
sarin der Europäides
Kyoto-Protoschen Union
kolls niedrig halten
und den Klimawandel sogar zu einer Chance für die europäische Wirtschaft machen können. Im
ECCP, dem europäischen Programm für
den Klimawandel, hat sich die Europäische Kommission verpflichtet, rentable
Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgase zu finden. Unser Maßnahmenkatalog belegt, und das ist mir wichtig,
dass sich verschiedene Sektoren und
Haushalte die Belastungen teilen werden,
die durch die Umsetzung der Kyoto-Ziele
auf die Union zukommen.
U&G: Die EU wird 2004 zehn neue Mitglieder aufnehmen. Wie wird sich das auf
die EU-Umweltpolitik auswirken?
WALLSTRÖM: Der Weg war manchmal steinig, aber wir haben in den Verhandlungen über die Umweltkapitel viel erreicht.
Die Beitrittsländer müssen alle der rund
270 Umwelt-Gesetze der Europäischen
Union übernehmen. Die Umsetzung dieser Regelungen kann sehr kostspielig sein,
vor allem in den Ländern, in denen Umweltschutz in der Vergangenheit noch
nicht oberste Priorität war. Nach den
Schätzungen der Europäischen Kommission werden die zentral- und osteuropäischen Kandidatenländer zwischen 80 und
110 Milliarden Euro investieren müssen,
um den Umwelt-Anforderungen der europäischen Union zu entsprechen – dadurch ergeben sich aber auch große Chancen für alle: für die Kandidatenländer, die
Union und für die Umwelt. ■
EIN STERN FÜR SIEGER. Kristallglas, mundgeblasen und hochglanzpoliert –
so präsentiert sich die Sternen-Skulptur der Sieger des Climate Star Wettbewerbs 2002.
WARUM EIN STERN? Gastgeber Umwelt-Landesrat Wolfgang Sobotka sieht im Symbol des Sterns „das leuchtende Zeichen für Orientierung“. Hell und klar sei diese Glasskulptur, ein wunderbares Bild für den Schutz unserer kostbaren Umwelt. Im Zentrum des Glassterns ist die stilisierte Erdkugel zu sehen – das Klimabündnis-Logo.
Kurt Zalto von der Firma Glashütte Zalto aus Neu Nagelberg hat die Sterne aus Kristallglas hergestellt und mit Echtsilbermontagen
auf Marmorsockeln fixiert. Sein Ziel: „Der Stern soll modern, klar und transparent wirken.“ ■
4
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
& Bündnis
EIN STAR
MIT ZUKUNFT.
Gotelind Alber, Geschäftsführerin des Klimabündnis in Frankfurt am Main und „Mutter“ des Climate Star, zieht Bilanz über die erste Verleihung.
Größenkategorien: Es beteiligU&G: Für wen ist der Climate
ten sich 25 Gemeinden bis
Star gedacht?
10.000, 39 bis 100.000 und
ALBER: Der Climate Star als erste europaweite Auszeichnung
39 Städte mit über 100.000 Einfür lokale Klimaschutz-Aktivitäwohnern.
ten richtet sich an alle Städte,
U&G: Wo lag der thematische
Gemeinden und Kreise in EuSchwerpunkt der Einsendunropa. Entsprechend breit wurgen?
de der erste Aufruf zur TeilnahALBER: Die eingereichten Klimame ab März 2002 gestreut.
schutzprojekte umfassten die BeGotelind Alber, GeDas Klimabündnis erhielt dabei
reiche Energie, Verkehr, Landschäftsführerin des
Unterstützung von Kommunalnutzung und Nord-Süd-ZusamKlimabündnis in
verbänden und weiteren Städmenarbeit. BeFrankfurt am Main
tenetzwerken wie der Sustainsonders
stark
able Cities & Towns Camvertreten ist der
paign, Energie-Cités, EuroEnergiebereich
cities und Union of Baltic Cimit 65 Projekties. Ihnen möchten wir für ihren wichtigen
ten, davon können etwa 37 Projekte einBeitrag herzlich danken.
deutig dem Bereich Erneuerbare Energien
zugeordnet werden. Hier sehen offensichtU&G: Sind Sie zufrieden mit dem Ergeblich vor allem die kleineren Gemeinden
nis?
ihren Handlungsschwerpunkt: 15 der einALBER: Natürlich. 102 Städte, Gemeinden
gereichten Projekte in dieser Kategorie beund Kreise aus 13 Ländern übermittelten
fassten sich mit Projekten rund um die Enervollständige Unterlagen. Erfreulich war
gie aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasauch die Streuung der Teilnehmergemeinse. Das zweite wichtige kommunale Handden im Hinblick auf die vorgegebenen
DIE QUAL
DER WAHL.
Eine hochkarätige internationale
Expertenjury wählte die 19 beispielhaften Klimaschutz-Projekte für den
Climate Star aus.
102 Gemeinden und Regionen aus 13 europäischen Ländern bewarben sich um die Climate Star Auszeichnung in einer der drei Kategorien:
■ KATEGORIE 1: bis 10.000 Einwohner
(25 Einsendungen)
■ KATEGORIE 2: bis 100.000 Einwohner
(39 Einsendungen)
■ KATEGORIE 3: über 100.000 Einwohner
(39 Einsendungen)
KRITERIEN. Die Projekte wurden von der Jury
nach ihrer Wirksamkeit im Verhältnis zum Aufwand, nach ihrem Innovationsgrad, nach der
Breitenwirkung, der Übertragbarkeit und Vorbildwirkung für andere Gemeinden und nach
dem Beitrag zum CO2-Reduktionsziel beurteilt.
DIE JURY-MITGLIEDER: Wim Kersten (Niederlande),
Friends of the Earth, Policy Advisor im Europaparlament
Dr. Kora Kristof (Deutschland), Leiterin der Energieabteilung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie
Prof. Dr. Stefan P. Schleicher (Österreich), Institut für
Volkswirtschaftslehre, Karl-Franzens-Universität Graz
Mag. cand. Henrike Wegener (Deutschland), Europäische Koordinatorin der Klimawette „The Bet – European
Youth fighting Climate Change“
Ph. D. Andrzej Wiszniewski (Polen), Projektkoordinator,
Ecofund, Warschau
Mag. Silvia Zamboni (Italien), Journalistin und frühere
Umwelt-Bürgermeisterin von Bologna. ■
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
5
KLIMA & Bündnis
lungsfeld – Mobilität, Stadtentwicklung und
Landnutzung – ist mit insgesamt 25 Projekten vertreten. Es zeigte sich, dass Städte und
Gemeinden ihre Planungskompetenz im
Verkehrsbereich aktiv für Klimaschutz und
nachhaltige Stadtplanung nutzen. Aus der
Gesamtschau der eingereichten Unterlagen
im Bereich Mobilität lässt sich eine Tendenz
zu einer Vielzahl von kleinteiligen, erst in
der Gesamtbilanz wirksamen Einzelmaßnahmen der Kommunen ablesen.
U&G: Wie sehen die Perspektiven für die
Zukunft aus?
ALBER: Klimawandel und Klimaschutz werden in diesem Jahrhundert dominierende
Themen sein. Wenn das Kyoto-Protokoll zur
Klimarahmenkonvention in Kraft getreten
ist, wird Klimaschutz zur Pflichtaufgabe
werden, und dies wird alle Ebenen der Politik betreffen. Viele Städte und Gemeinden
haben im Klimaschutz eine wichtige Vorreiterrolle gespielt. In Zukunft müssen wir
noch einen Schritt weiter gehen. Im Sinne
von „Klimaschutz-Mainstreaming“ müssen
in allen planerischen und investiven Entscheidungen Klimaschutzkriterien berücksichtigt und die Bemühungen verstärkt werden, die Vielfalt der Erfahrungen und Lösungen in kommunale Routineprozeduren
zu übersetzen und in das alltägliche Verwaltungshandeln zu integrieren – der Climate Star als Preis mit Zukunft ist eines unserer Werkzeuge dafür. ■
MAG. WOLFGANG MEHL,
Geschäftsführer & Bundeskoordinator des Klimabündnis Österreich:
„Für die Klimabündnis-Arbeit in unserem
Wolfgang Mehl
Land und das starke
Engagement der Regionen und Gemeinden ist die Verleihung des
Climate Star in St. Pölten eine große
Anerkennung auf internationaler Ebene. Der Climate Star ist die größte
Auszeichnung seiner Art und damit
eine echte Chance für den Klimaschutz.“ ■
6
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
„WIR BAUEN AUF
DAS KLIMABÜNDNIS“.
Das Klimabündnis geht jeden etwas an,
und jeder kann etwas für den Schutz des Klimas
tun. Davon ist Niederösterreichs Umweltlandesrat Wolfgang Sobotka überzeugt.
Für Niederösterreich ist das Klimabündnis
das „Dach der Umweltpolitik“. Und das mit
Erfolg. Während in Österreich die CO2Emissionen noch immer steigen, kann Niederösterreich die erste Positiv-Meldung in
Richtung Treibhausgas-Senkung verkünden.
Sobotka berichtete beim Klima-Gipfel im
südafrikanischen Johannesburg im September des Jahres: „Trotz Wirtschaftswachstum
und steigendem Verkehrsaufkommen konnten wir den CO2-Ausstoß bisher um
500.000 Tonnen
pro Jahr senken.
Das liegt an den
vielen niederösterreichischen Gemeinden, die Mitglieder
beim Klimabündnis sind und exzellente Arbeit leisten.“
Für Sobotka ist das Klimabündnis „ein
Werkzeug zu mehr Lebensqualität. Es unterstützt und fördert die kleinräumige Bewirtschaftung des Landes. Durch nachwachsende Rohstoffe aus den Wäldern und
von den Feldern bleiben Arbeitsplätze in
den Regionen erhalten und es werden sogar neue geschaffen.“ So könne die Absiedlungstendenz
aus
wirtschaftlich
schwächeren Regionen gebremst werden.
Um die Klimabündnis-Ziele zu erreichen,
setzt Sobotka im Bereich Verkehr auf einen
breiten Maßnahmen-Mix – von der Verkehrsspar-Gemeinde bis hin zum Sprit sparenden Fahren, vom Doppelstockwagen
der Bahn für Pendler bis zum besser fließenden Autoverkehr durch Kreisverkehre statt
Kreuzungen. Sobotka: „Das ist wirklich ei-
ne sehr bunte Palette
kleiner Maßnahmen,
und es dauert, bis
sich dadurch beim
Klimaschutz spürbar
Umweltlandesrat
was bewegt. Richtig
Mag. Wolfgang
erfolgreich werden
Sobotka
wir erst sein, wenn
sich alternative Energien im Wohnbau und
im Verkehr durchgesetzt haben.“
Mit allen Maßnahmen von der optimierten
Wohnbauförderung bis zum Umweltmanagement für die Industrie
will Sobotka die KlimabündnisZiele erreichen: „20 Prozent der
nötigen Schritte sind umgesetzt, 40 Prozent
auf Schiene. 40 Prozent harren allerdings
noch der Umsetzung.“ ■
DAS KLIMABÜNDNIS IN NIEDERÖSTERREICH.
Das Land Niederösterreich ist seit 1993
Mitglied des Klimabündnis. In Niederösterreich sind bereits über 200 Gemeinden dabei, 50 Prozent der Bevölkerung leben mittlerweile in Klimabündnis-Gemeinden. 1998 waren es noch 36 Gemeinden,
rund 20 Prozent der Bevölkerung waren
involviert. Seit 2000 bündelt das Land seine Förderungen schwerpunktmäßig für
zwei Jahre in speziellen „Klimabündnis-Re-
gionen“. Die erste dieser Regionen war
Bruck-Hainburg-Schwechat im Osten des
Landes. Der Stadt Bruck ist es dabei gelungen, ihren CO2-Ausstoß auf die Hälfte
zu reduzieren. Nun startet der Klimabündnis-Schwerpunkt Bucklige Welt im Süden
des Bundeslandes.
Klimabündnis-Österreich-Geschäftsführer
Wolfgang Mehl lobt das Land und die
Gemeinden: „Niederösterreich ist tatsächlich überdurchschnittlich engagiert, in jeder Hinsicht.“
KLIMABÜNDNISGEMEINDEN IN NIEDERÖSTERREICH
Litschau
Drosendorf
Raabs/Thaya
Waidhofen/Thaya
Schwarzenau
VERKEHR: Gerade im ländlichen Raum
bleibt das Auto Fortbewegungsmittel
Nummer eins. Umwelt-Landesrat Wolfgang Sobotka will deshalb „eine Verhaltensänderung und damit eine Werteänderung herbeiführen: Verkehrssparen
muss ein Schlagwort werden wie Mülltrennen oder Energiesparen“.
In der landesweiten Initiative „Ich fahre
spritsparend“ sollen die Menschen zu einer ökologischen Fahrweise motiviert werden. Das Einsparungsziel liegt bei 20 Prozent des Treibstoffbedarfs. Bei entsprechender Beteiligung macht das 20 Millionen Liter Treibstoff und somit 50.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Das ist Sparsamkeit,
die allen etwas bringt, erklärt Sobotka:
„Ökonomisches Fahren ist ein Gewinn für
die Umwelt, für die Sicherheit und nicht
zuletzt auch für die Geldbörse jedes einzelnen Fahrers.“
Weitersfeld
Retz
Pernegg
Echsenbach
Allentsteig
Retzbach
Horn
Zwettl (S)
Mistelbach (S)
Hollabrunn
Ziersdorf
Grafenschlag
Albrechtsberg
Oberndorf
Yspertal (S)
Ma. Taferl
Pöchlarn
Krems
Katzelsdorf
Sitzendorf/Schmida
Maissau
Gföhl
Ottenschlag
Poysdorf (S)
Gaubitsch
Gars/Kamp
Rastenfeld
Staatz
Fallbach
Eggenburg
St. Leonhard/W.
Bad Großpertholz
SeefeldKadolz
Sigmundsherberg
St. Bernhard
Großschönau
Kreuzstetten
Senftenberg
Stetteldorf/W.
Rohrendorf
Nussdorf
Zwentendorf
Leitzersdorf
Hausleitern
Tulln
Dunkelsteinerwald
Herzogenburg
Kapelln
Mauerbach
Ma. Anzbach
Pressbaum
Spillern
Korneuburg
Langenzersdorf
Klosterneuburg
Prottes
Wolkersdorf (S)
Angern/March
Großebersdorf
Bisamberg
Gänserndorf
Hagenbrunn
Strasshof
Deutsch Wagram
Gerasdorf
Enzersfeld
Asperhofen (S)
Gablitz
Neulengbach
Purkersdorf (S)
Großenzersdorf
Kirchstetten
Tullnerbach
Hainburg
Böheimkirchen
EichLaab/Walde
Schwechat
Wolfsgr.
Fischamend
St. Georgen/Ybbs
Ober-Grafendorf
graben
Breitenfurt
Wieselburg
Perchtoldsdorf
Strengberg
Zeillern
Kasten
Berg
Vösendorf Himberg
Bischofstetten
Kaltenleutgeben
Haslau-Ma. Ellend
Mank
Ma. Lanzendorf
Amstetten Blindenmarkt
Haidershofen
Ma. EnzersBrunn/Gebirge
Aschbach Mkt.
Enzersdorf/Fischa
Hofdtetten-Grünau
Oberndorf/Melk
Gießhübl Mödling
Euratsfeld
dorf
Höflein Prellenkirchen
Rabenstein/Pielach
Schwadorf
Texing
Biedermannsdorf
Neuhofen/Ybbs
St. Peter/Au
Purgstall/E.
Wr. Neudorf
Göttlesbrunn
Rauchenwarth
Eschenau
Gumpoldskirchen
Kematen
Pfaffstätten
Bruck/Leitha
Biberbach
Baden
Traiskirchen
Kirchberg/Pielach
Trautmannsdorf/L.
Ramsau
Randegg
Behamberg
Scheibbs
Loosdorf (S)
Allhartsberg
Blumau/Neurißhof
Kleinzell
Loich
Mannerdorf/L.
Frankenfels
TattenErtl
Ebreichsdorf
Pottenstein
dorf
Waidhofen/Ybbs (S)
Hof/Leithaberge
Schwarzenbach/Pielach
Schönau
Au/Leithaberge
Gaming (S)
Muggendorf
Leobersdorf
Matzendorf
Felixdorf
Mkt. Piesting
Miesenbach
Langau
Bad Fischau
Wiener Neustadt (S)
Katzelsdorf (S)
Wimpassing/
Schwarzau/Steinf.
Lanzenkirchen
Schwarzatal
Neunkirchen
Erlach
Reichenau
Ternitz
Klimabündnisgemeinde
Pitten
Payerbach
Prigglitz
Klimabündnisgemeinde +
Bromberg
Gloggnitz
”KKIK – Klüge Köpfe im Klimabündnis”
Raach
Warth (S)
Semmering
Wiesmath
Grimmenstein
beigetretene Schule (S)
Lichtenegg
Hollenthon
”KKIK – Klüge Köpfe im Klimabündnis”
Edlitz
Aspangbergbeigetretene Schule (S)
Mkt. Aspang
St.Peter
Krumbach
Zöbern
Kirchschlag
Bad Schönau
Hochneukirchen
Hofamt Priel
WIRTSCHAFT: In Niederösterreich unterstützt das Land Betriebe, die innerbetriebliche Abläufe von der Beschaffung bis
zur Müllentsorgung auf Umwelt-Effekte hin
durchleuchten lassen. Diese Umweltmanagement-Systeme bringen oft kräftige
Einsparungs- und Verbesserungsideen für
die Betriebe. Umwelt-Landesrat Wolfgang
Sobotka und Wirtschafts-Landesrat Ernest
Gabmann wollen mit ihrem seit 1998 laufenden Programm der betrieblichen Umweltförderung „einen landesweiten kontinuierlichen Verbesserungsprozess in
Gang bringen.“ Auch Schulen und die öffentliche Verwaltung können sich in dieses vielstufige System einklinken.
Langau
Vitis
Gmünd
St. Valentin
Ardagger
Erlauf
Melk
St. Pölten
Gerersdorf
Markersdorf
WOHNBAU: Das Land Niederösterreich hat
seine Wohnbauförderung in Richtung Ökologie novelliert. Kernstück ist der Energieausweis, der „wie der Zulassungsschein
für das Auto“ (Landeshauptmann-Vize Liese Prokop) die exakten Energiezahlen des
Hauses enthält. Die Förderungen des Landes bekommen nur Bauvorhaben, die sehr
gut gedämmt sind und eine EKZ von max.
60 kWh/m2.a erreichen. Für exzellentes
Energiemanagement, etwa durch eine gesteuerte Wohnraumlüftung oder Warmwasserbereitung per Sonnenkollektoren
gibt es Extra-Förderungen. Neu ist auch die
starke Förderung thermischer Wohnhaussanierungen.
WIEN
LANDWIRTSCHAFT: In Niederösterreich
gibt es bereits 3.100 Bio-Betriebe, neun
Prozent der Agrarflächen werden biologisch bebaut. Damit ist Niederösterreich
führend in der EU. Um die Klimafreundlichkeit auch in den Gärten durchzusetzen, startete das Land die Aktion „Natur
im Garten“ mit einem umfassenden Programm für naturnahes, gesundes Gärtnern.
Umweltlandesrat Wolfgang Sobotka: „Wir
haben bei Untersuchungen feststellen müssen, dass viele Gärten deutlich überdüngt
und mit Pestiziden überlastet sind. Die Naturgartenidee greift in unserem Bundesland sehr gut und wird mit großem Interesse angenommen.“ ■
Für Umweltlandesrat Sobotka ist das Klimabündnis ein Weg zu mehr Lebensqualität.
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
7
KLIMA & Bündnis
„... DENN ES GEHT
UM UNSERE ZUKUNFT“.
Der Klimawandel könnte zum Kernthema dieses Jahrhunderts werden.
tastrophen in Mitteleuropa, geDIE ZUKUNFT DES KLIMAgen veränderte Monsun-Regen in
SCHUTZES STEHT AUF DEM
Asien und gegen im Pazifik verSPIEL. Die Zukunft des Klimasinkende Inseln? Bremst es das
schutzes liegt in den Händen
beängstigende Schrumpfen der
Russlands. Nur wenn der RieGletscher und Schmelzen der Polsenstaat mitzieht, wird aus
kappen, hilft es gegen extreme
dem Kyoto-Protokoll ein verStürme und Unwetter, bewahrt es
pflichtendes Instrument zur Reuns künftig vor verheerenden Hitduktion des Treibhauseffekts.
zeperioden und Dürre überall auf
Derzeit bemühen sich die KonUniv.-Prof. Stefan
der Welt? Kurz: Sichert das Ratitrahenten Europa und USA
Schleicher: „Erst
fizieren dieser Vereinbarung
darum, Russland für die eigewenn Russland
über das Senken des CO2-Ausne Politik zu gewinnen, und
beim Kyoto-Protonoch steht nicht endgültig fest,
stoßes,
dass der Treibhauseffekt
koll dabei ist, wird
wer schlussendlich die besseeingedämmt
wird?
es endlich ernst mit
ren Karten haben wird.
dem Klimaschutz.“
Stefan P. Schleicher, VorsitES WIRD WÄRMER. Denn der Klizender des Österreichischen Klimabeirats,
mawandel, lange als überzogenes Horbringt die Bedeutung dieses Tauziehens auf
rorszenario genussfeindlicher Umweltapoden Punkt: „Erst wenn Russland beim Kyostel hingestellt, ist nun unübersehbare Reato-Protokoll dabei ist, wird es endlich wirklität geworden. Das zeigen die katastrolich ernst mit dem Klimaschutz.“
phalen Wetterereignisse des vergangenen
Ist das Kyoto-Protokoll, dieses internatioSommers in Europa und das belegen auch
nale Abkommen zur Reduzierung der Treibdie Zahlen der Wissenschafter auf der
hausgase, tatsächlich ein Rezept gegen
ganzen Welt. Helga Kromp-Kolb, Profesden Klimawandel, gegen Hochwasserkasorin für Meteorologie an der Universität
für Bodenkultur in Wien, nennt für Österreich dramatische Werte: „Aus den Daten
der Zentralanstalt für Meteorologie lässt
sich ein ziemlich gleichmäßig verlaufender
Temperaturanstieg von 1,8° C in den letzten 150 Jahren ablesen, und zwar steigen
die Temperaturen in höheren Lagen rascher
als im Flachland. Weltweit ist die Temperatur in diesem Zeitraum aber nur um 0,6°
gestiegen, in Europa um 0,8°.“
Es sind verschiedene Gründe für das rasche Ansteigen der Temperatur in Österreich. Kromp-Kolb nennt z.B. die Lage des
Landes: „In den Küstengebieten geht die
Erwärmung langsamer vor sich, weil sich
die Ozeane langsamer erwärmen als das
Land.“ Auch der Wind spiele eine große
Rolle, sowie die Lage Österreichs an der
Schnittstelle dreier Klimazonen.
Für die nächsten hundert Jahre prognostiziert Kromp-Kolb in Österreich einen Temperaturanstieg von drei bis vier Grad. Die
internationalen Daten, etwa vom im Auftrag der UNO arbeitenden Expertengremium Intergovernmental Panel of Climate
Change (IPCC), belegen ähnlich Düsteres:
In den nächsten hundert Jahren sei mit einem Ansteigen der globalen Durchschnittstemperatur um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius
zu rechnen.
Ernst Ulrich von Weizsäcker, langjähriger
Direktor am UNO-Zentrum für Wissenschaft und Technik in New York und Präsident des 1991 gegründeten Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie in
Deutschland, spricht unmissverständlich
von einem „Pfad, von dem es kein Zurück
gibt“, von einem irreversiblen Prozess.
Hochwasser, Dürrekatastrophen, Waldbrände – lange als Wetterkapriolen abgetan, zeigen sich immer deutlicher als Auswirkungen des Klimawandels.
8
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
einsatz der Schneekanonen signalisieren bereits die alarmierende Entwicklung, die sich in
der kommenden Generation
massiv auszuweiten droht. Klassische Schiregionen wie etwa
der Arlberg und Schladming
seien akut gefährdet, meint
Schleicher.
Jahres in Neu Dehli, Indien, präsentierte
der frühere deutsche Umweltminister Klaus
Angaben in kg CO2/kWh (Endenergie)
Töpfer eine UNO-Studie mit dramatischen
0,37
Zahlen aus der Versicherungswirtschaft:
0,30
Die Schäden durch Naturkatastrophen
0,30
0,27
würden im kommenden Jahrzehnt weltweit
0,20
jährlich 153 Milliarden Euro kosten – das
0,20
ist fast das Dreifache des österreichischen
0,16
0,10
Bundesbudgets. Schon die weltweiten Folgen der Katastrophen in diesem Jahr ver0,00
0,00
schlängen unglaubliche 71,5 Milliarden
TEURER KLIMAWANDEL. AuffälEuro. Töpfer, Direktor des Umlig ist schon jetzt, dass
weltprogramms der Vereinten
in den vergangenen
Nationen (UNEP), betont: „Der
Jahren die Schadensausmaße
Was derartige Wärme-Zuwächse in der
Klimawandel, der mit von MenPraxis bedeuten können, hat der am Instidurch Unwetter in den Alpen raschen verursachten Emissionen
tut für Volkswirtschaft der Universität Graz
pide angestiegen sind. Vermuverbunden ist, ist schon unterlehrende Klimaexperte Stefan P. Schleicher
rungen sowie Lawinendramen
wegs. Es werden die ärmeren
errechnet: „Die Winter werden extremer
wie in Galtür stimmen höchst
Teile der Welt sein, die ärmewerden“, erklärt er, mit gefährlich starken
nachdenklich. „Obwohl eine
ren Menschen, die am meisten
Niederschlägen und Stürmen, aber auch
Verbindung zum Klimawandel
leiden werden, denn sie haben
einem deutlich spürbaren Temperaturannicht mit Sicherheit herstellbar
weder das Geld noch andere
stieg. Die Schneefallgrenze werde sich in
ist, passen die Ereignisse doch
Dr. Ernst Ulrich von
Ressourcen, um damit fertig zu
höhere Lagen zurückziehen, mit massiven
gut ins Bild“, meint Schleicher.
Weizsäcker: „Die
werden.“
Auswirkungen auf den WinterfremdenverDas belegt auch das massive InLeidtragenden sind
Dass sich der Klimawandel bekehr und Konsequenzen für die gesamte
teresse der großen Versichehauptsächlich die
sonders spürbar in den so geösterreichische Wirtschaft.
rungsgesellschaften am Thema
Entwicklungsländer
nannten Entwicklungs- und
Vor allem über so genannten Mittellagen
Klimawandel. Die versicherten
und Staaten auf
Schwellenländern bemerkbar
bis zu 1.200 Meter Seehöhe, den klassiSchäden nach Winterstürmen
Meereshöhe ...“
machen wird, betont auch EUschen Schiregionen, schwebe das Damowaren beispielsweise 1999 minUmweltkommissarin Margot Wallström
klesschwert einer immer unsichereren
destens doppelt so hoch wie die bis dahin
(siehe Seite 5). Umwelt-Visionär WeizSchneedecke. Der boomende Event-Tourisheftigsten Schäden im Winter 1990.
säcker hebt deutlich hervor: „Die Leidtramus rund um die Schipisten und der DauerBeim Klima-Gipfel Ende Oktober dieses
CO2 EMMISSIONEN VERSCHIEDENER ENERGIETRÄGER
GLOSSAR:
TREIBHAUSEFFEKT: Der Treibhauseffekt ist Hauptursache für die
bereits merkbare Klimaveränderung. Er wird durch die Anreicherung von Spurenelementen in der Atmosphäre, allen voran Kohlendioxid, verstärkt.
Hauptverantwortlich dafür sind
zwei Faktoren:
■ Die Verbrennung enormer
Mengen fossiler Brennstoffe zur
Energiegewinnung und für den
motorisierten Verkehr.
BIOMASSE
FERNWÄRME WIEN
ERDGAS
ELEKTRISCHER STROM
HEIZÖL EXTRA LEICHT
KOKS
QUELLE: STADT WIEN MA 22
0,40
■ Die fortschreitende Zerstörung der tropischen Regenwälder.
TREIBHAUSGASE: Treibhausgase
sind Gase in der Atmosphäre,
die verhindern, dass die langwellige Infrarotstrahlung auf direktem Weg von der Erdoberfläche ins Weltall gelangt. Sie
heizen die Atmosphäre auf und
verhalten sich wie die Glasscheiben eines Treibhauses. Es
handelt sich dabei um CO2
(Kohlendioxid), CH4 (Methan),
N2O (Lachgas/Distickstoffoxid), FKW (Vollfluorierte Kohlen-
wasserstoffe), HFKW (Teilfluorierte Kohlen-Wasserstoffe) und
SF6 (Schwefelhexafluorid).
CO2-AUSSTOSS: Der CO2-Ausstoß
wird berechnet, und zwar in
Österreich anhand jener Daten,
die das Umweltbundesamt über
den Verkauf von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas sammelt.
KYOTO-PROTOKOLL: Das KyotoProtokoll gilt als erster Meilenstein der politischen Aktivitäten
für den Klimaschutz. Es wurde
im Dezember 1997 beim
großen Gipfel im japanischen
Kyoto ausverhandelt. Der Inhalt: Die reichsten Industrieländer verpflichten sich zu einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen von 5,2 Prozent gegenüber den Werten von 1990.
Zielperiode: 2008 – 2012. Die
Zielwerte der einzelnen Länder
sind im Vertragstext angeführt.
Die Staaten können selbst entscheiden, ob sie die Vertragsziele im Inland oder durch Emissionshandel mit dem Ausland
erfüllen. Noch tritt das KyotoProtokoll nicht verbindlich in
Kraft, denn dafür müssen es
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
9
KLIMA & Bündnis
lungspolitik: „Ich denke da zum Beispiel an
das Königreich Bhutan, das zwischen Indien und China liegt. Dort sorgen kleine
Photovoltaik-Paneele auf den Häusern für
die Stromversorgung. Dieses System kommt
in Summe viel billiger als etwa die Energieversorgung durch Dieselmotoren.“
Entwicklungshilfe durch High-Tech, durch
exzellente Produkte aus den Labors der besten Wissenschafter? „Genau“, sagt Schleicher, „denn nur mit der Technologie von
morgen können sich diese Länder unabhängig von Kohle und Öl entwickeln. Dazu gibt es keine Alternative, wenn wir konfliktfreie Strategien wollen. Denn es geht ja
schließlich um unser aller Zukunft.“
genden sind hauptsächlich die Entwicklungsländer und Staaten auf Meereshöhe,
während die Verursacher im Norden vergleichsweise unbeschadet davonkommen.
Die Folge ist ein erhebliches Maß an
Empörung, das gemeinsam mit den klimatischen Veränderungen weiter zunehmen
wird.“ Stefan P. Schleicher, der für den
Österreichischen Klimabeirat bei der Klimakonferenz in Neu Dehli war, spricht über
die beängstigende Sprengkraft dieser Erkenntnisse: „Die ärmeren Länder wissen
das und wehren sich nach allen Richtungen. In der Pazifik-Region beispielsweise
bereiten die Verantwortlichen bereits die
Absiedlung für hunderttausende Menschen
innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte vor.“
HIGHTECH FÜR DIE NACHDRÄNGENDEN
STAATEN. Die größten Gefährdungen für
das Weltklima könnten aber noch vor uns
liegen. Schleicher rechnet vor: „Wenn China den gleichen Ölverbrauch pro Kopf entwickeln würde, wie er in den USA Alltag
ist, müsste die heutige Erdölproduktion
mehr als verdoppelt werden – und das geht
niemals, so viel Erdöl finden wir nie.“
Was hilft dagegen? Was schafft Gerechtigkeit? Volkswirtschafts-Professor Schleicher glaubt: „Wir brauchen für die große
Mehrheit der Weltbevölkerung eine ande-
nicht nur 55 Staaten ratifizieren. Die Unterzeichner müssen
gemeinsam auch für 55 Prozent
des Treibhausgas-Ausstoßes
verantwortlich sein. Nach dem
Ausscheren der USA aus dem
Kyoto-Protokoll setzt Europa
nun auf die Teilnahme Russlands.
EU-KLIMAPOLITIK: Die EU-Staaten
haben sich im Rahmen des Kyoto-Protokolls auf eine Reduktion
der Treibhausgase um acht Prozent festgelegt. Innerhalb der
EU ist der Handlungsbedarf
sehr unterschiedlich verteilt und
10
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
Der Meeresspiegel steigt, weil sich durch
den Temperaturanstieg in den Alpen die
Schneedecke zurückzieht, Gletscher und
Polkappen schmelzen.
re Wirtschaftspolitik.“ Nur High-Tech könne verhindern, dass sich die ärmeren Länder den angestrebten Wohlstand mit extremer Umweltschädigung, die uns alle belastet, erkaufen. Er spricht von einem nötigen Paradigmenwechsel in der Entwick-
hängt auch vom jeweiligen industriellen Entwicklungsstand
und dem derzeitigen CO2-Ausstoß pro Kopf ab. Während beispielsweise Dänemark seine
Treibhausgas-Ausstoß um 21
Prozent senken muss, darf Portugal seinen Ausstoß noch um
27 Prozent steigern. Österreich
muss seine Werte bis zur Zielperiode um 13 Prozent senken.
Nach derzeitigem Stand steigt
der Ausstoß in Österreich noch
immer (1990 bis 1999 um 2,8
Prozent), die Kurve ist aber mittlerweile deutlich abgeflacht.
IM ALLTAG ANSETZEN. Es gilt, überall auf
der Welt klimafreundliche Lösungen zu suchen. Unzählige Ansatzpunkte sind möglich, in allen Lebensbereichen lässt sich etwas bewegen. Ideen dafür liefern die Siegerprojekte des Climate Star 2002-Wettbewerbs. Man muss nur anfangen, etwas
zu tun.
Deshalb wirbt auch die EU so massiv um
Russland: Mit der Unterschrift des riesigen
Staates kann das Kyoto-Protokoll in Kraft
treten. Und dann wird es – trotz aller Abstriche und Gegengeschäfte, Rechenkunststücke und Ausweichmanöver – Ernst mit
dem Klimaschutz. ■
AGENDA 21: Die Agenda 21 ist
der Beschluss der 2. Umweltkonferenz der Vereinten Nationen 1992 beim Umweltgipfel in
Rio. Es ist das „Handlungsprogramm für das 21. Jahrhundert
für eine nachhaltige Entwicklung“. Neu an der Agenda 21
ist die Verknüpfung ökologischer, ökonomischer und sozialer Fragen in einem Ansatz
einer globalen Partnerschaft.
Die „Lokale Agenda 21“ beschreibt die Verantwortung der
Kommunen für die nachhaltige
Entwicklung.
ÖSTERREICHISCHER KLIMABEIRAT
(ACCC, Austrian Council on
Climate Change): Seit 1991
beschäftigte sich die Österreichische CO2-Kommission mit
den Herausforderungen des Klimawandels für Österreich, seit
1996 hat der Österreichische
Klimabeirat den Auftrag übernommen, die Politik in Sachen
Klima zu beraten und zu unterstützen. Elf Universitäts-Professoren aus unterschiedlichen Disziplinen gestalten die internationalen Forschungsprogramme zum Klimawandel mit. ■
EINE VISION UMSPANNT DEN GLOBUS.
„Lokal handeln, global verantworten.“
Nach diesem Motto unterstützen die Klimabündnis-Gemeinden in Europa ihre
südamerikanischen Projektpartner beim
Schutz des Regenwaldes im Amazonasbecken. Das Klimabündnis
wurde 1989 gegründet und
ist heute bereits in 13 europäischen und acht südamerikanischen Staaten aktiv.
KLIMASCHUTZ KENNT KEINE GRENZEN. Beim Klimaschutz kommt es auf
den Beitrag jedes Einzelnen an.
„Das Klima hört schließlich nicht vor
der eigenen Haustür auf“, betont Mag.
Wolfgang Mehl, Geschäftsführer und Bundeskoordinator von Klimabündnis Österreich. „Aber um gegen den Treibhauseffekt
und die globale Erwärmung wirklich etwas
ausrichten zu können, muss Klimaschutz
weltweit in Angriff genommen werden.“
Mittlerweile haben sich mehr als 1.000
europäische Städte und Gemeinden im Klimabündnis mit den indigenen Völkern am
Amazonas zusammengeschlossen.
Die Entscheidungen im Kimabündnis fallen
basisdemokratisch. In den Vollversammlungen werden die politische Linie, wichtige
Projekte, aber auch die finanziellen Beiträge und die Auflagen für die Mitgliedschaft
beschlossen. Mag. Wolfgang Mehl ist besonders stolz, dass sich in Österreich nicht
nur die großen Städte, sondern auch die
kleineren Gemeinden intensiv engagieren.
460 österr. Städte und Gemeinden sowie alle neun Bundesländer
gehören dem Klimabündnis
an. Das Europäische Büro
des Klimabündnisses befindet sich in Frankfurt/Main
(s. Serviceteil S. 31).
DIE KLIMABÜNDNISZIELE.
■ Halbierung der CO2 Emissionen bis
2010 und Reduktion aller klimarelevanten Gase
■ Unterstützung der Bündnispartner beim
Erhalt der tropischen Regenwälder
■ Verzicht auf den Einsatz von H-FCKW
und FCKW sowie auf die Verwendung von
Tropenholz.
SCHUTZ DER GRÜNEN LUNGE. Mit 7,6 Mio
Quadratkilometern ist der amazonische
Regenwald das größte noch zusammenhängende Regenwaldgebiet und flächenmäßig mit Europa vergleichbar. Er beheimatet die Mehrzahl der auf der Erde vorkommenden Tier- und Pflanzenarten.
Durch seine Zerstörung werden auch die
Amazonasregion – Lebensraum der indigenen Bündnispartner/innen.
Existenzgrundlagen und Kulturen der über
400 indigenen Völker, die im Amazonasbecken leben, vernichtet. Zahlreiche
indianische Organisationen haben sich
gebildet, für die das Fortbestehen indigener Lebensweisen und das Überleben des
Regenwaldes untrennbar miteinander
verbunden sind.
Durch die Klimabündnispartnerschaft werden konkrete Projekte für den Erhalt des
Regenwalds sowie für die Verbesserung
der Lebensbedingungen in Amazonien unterstützt und mitfinanziert; zum Beispiel
der Kauf von Booten und der Aufbau eines Sprechfunknetzes zur Verbesserung
der Kommunikation und zur Vermarktung
der erzeugten Produkte oder zur Hilfe bei
der Sicherung der Landrechte. ■
INFO
DAS KLIMABÜNDNIS IN AMAZONIEN.
In diesen Ländern ist die COICA (der
Dachverband der nationalen Indianerorganisationen aus der gesamten
Amazonasregion und damit Kooperationspartner der europäischen Klimabündnis-Kommunen) aktiv:
BOLIVIEN (Fläche: 1.100 km2,
Einwohner: 8,4 Mio.)
BRASILIEN (FL: 8.510.000 km2,
E: 176 Mio)
ECUADOR (FL: 285.000 km2,
E: 13,4 Mio)
FRANZ. GUYANA (FL: 91.000 km2,
E: 182.000)
GUYANA (FL: 215.000 km2,
E: 700.000)
KOLUMBIEN (FL: 1.140.000 km2,
E: 41 Mio)
PERU (FL: 1.290.000 km2,
E: 28 Mio)
SURINAM (FL: 165.000 km2,
E: 440.000)
VENEZUELA (FL: 910.000 km2,
E: 24,3 Mio)
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
11
SIEGER& Projekte
SAUBERE KRAFT FÜR DAS KLIMA.
Energie ist beim Klimaschutz ein zentrales Thema.
Nach wie vor sind es vor allem die fossilen Energieträger, die das Räderwerk der
westlichen Welt antreiben. Diese nur begrenzt vorhandenen Brennstoffe sind es allerdings auch, die die CO2-Emissionen
verursachen. Viele Climate Star-Siegerprojekte zeigen, welche Alternativen es zu
den fossilen Brennstoffen gibt und wie man
klimafreundlicher leben kann, ohne auf
Komfort zu verzichten.
CHANCEN FÜR KLIMAFREUNDLICHE ENERGIE. An der dänischen Küste bei Kopenhagen rotieren Windräder für saube-
ren Strom. In den österreichischen Wäldern wächst der Brennstoff Holz üppiger
nach, als er entnommen wird. Und im spanischen Barcelona brennt die Sonne auf
Kollektoranlagen statt auf blanke Dachziegel und liefert unermüdlich sauberes
Warmwasser.
Jede Region hat ihre Chancen, klimafreundlich Energie zu gewinnen. Ob
Sonne oder Wind, Wald oder Felder, überall gibt es Möglichkeiten, sich aus der Abhängigkeit von Kohle, Erdgas und Erdöl
zu lösen, ohne sich von Atomenergie abhängig zu machen.
Viele Climate Star-Projekte zeigen Alternativen zu fossilen Brennstoffen , z.B. Windkraft.
12
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
Das Problem ist, dass der Umstieg auf die
neuen Technologien, an denen überall intensiv geforscht wird, nicht immer ohne Risiko ist. Meist gehört auch heute noch eine gehörige Portion Pioniergeist dazu, und
es kann dauern, bis sich die Investitionen
rechnen. Ohne staatliche Förderung und
ohne Initialzündung durch die Kommunen
und Länder gelingen trotz aller fantastischen Fortschritte im technischen Bereich
nur selten wirklich große Würfe.
VERNETZT DENKEN. „Außerdem“, sagt Susanne Schidler von Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Akademie der Wissenschaften in Wien, „reicht es nicht aus,
nur in einem einzigen Bereich in Richtung
Klimaschutz zu gehen. Das ist so wie bei
einem Getriebe: Nehme ich ein Rädchen
heraus, optimiere es und setze es wieder
ein, kann es sein, dass das ganze Getriebe nachher schlechter funktioniert als
vorher.“
Wirklich nachhaltige Politik setze vernetztes Denken voraus. Die Einbeziehung
der betroffenen Bevölkerung und umfassende Lösungen sind daher gefragt.
KLEINE SCHRITTE FÜHREN ZUM ERFOLG.
Das belegt etwa das große dänische Siegerprojekt „Dogma 2000-Cities“, das von
Albertslund ausgehend fünf Städte, inklusive der Hauptstadt Kopenhagen, zu beachtlichen CO2-Einsparungen verpflichtet. Die beteiligten Kommunen setzen auf
einen umfassenden Mix an Maßnahmen
– von Sonnenenergie bis Fernwärme, von
Radfahr-Initiativen bis zu Niedrigenergiehäusern.
Oft sind es Initialzündungen, die ganze
Wellen positiver Folgeentwicklungen nach
sich ziehen. So hat der Gemeinderat von
Heidelberg beschlossen, ein Viertel des
Strombedarfs aus zertifizierter Öko-Quelle zu beziehen. Durch einen speziellen
Vertrag wird der Aufpreis für den Ökostrom in alternative Projekte, wie Photovoltaik-Anlagen, investiert. In Modena
konnte durch sparsamere neue Ölbrenner
Energie und damit Geld gespart werden,
das ebenfalls in weitere Energiesparmaßnahmen fließt.
tungssystems in öffentlichen Gebäuden,
Erdgasversorgung und Fernwärme.
ENERGIESPAREN RECHNET SICH. Dieses
Prinzip gilt auch für die Wirtschaft: In Niederösterreich unterstützt das Land Betriebe, die interne Abläufe von der Beschaffung bis zur Müllentsorgung durchleuchten
lassen. Diese Umweltmanagement-Systeme bringen oft kräftige Einsparungs- und
Verbesserungsideen.
Dieses Sparen durch Umweltschutz belegt,
was der deutsche Wissenschafter Ernst Ulrich von Weizsäcker in seiner „Faktor 4“Theorie vorrechnet. Durch eine „Effizienzrevolution“ könnten Naturgüter „mindestens vier mal besser genutzt werden
als bisher. Umweltschutz würde damit für
die Wirtschaft vom Kostenfaktor zum Nutzfaktor.“ ■
In HERNING werden Gas, Elektrizität und
Wärme in einer Müllverbrennungsanlage,
einer Deponiegasanlage und in Biogasanlagen erzeugt. Fernwärmesysteme verwenden alternative Energiequellen, wie
Holz-Pellets und Hackschnitzel, Biogas,
Deponiegas und Stroh. Das Projekt „Sicheres Radfahren“ soll den Verkehr vom
Auto auf das Fahrrad verlagern.
GEMEINSAM
ETWAS BEWEGEN.
In Dänemark haben sich fünf
Städte zusammengeschlossen,
um sich gemeinsam effektiv für
die Umwelt einzusetzen.
Diese „Dogma 2000“-Städte
sind Albertslund, Ballerup,
Fredericia, Herning und die
Landeshauptstadt Kopenhagen.
Umweltmanagement für eine nachhaltige
Stadt: Albertslund ist Initiator des Gemeinschaftsprojekts „Dogma 2000“, das
eine enge und verbindliche Kooperation
zwischen Städten für eine nachhaltige Entwicklung anstrebt. Die Kosten sind in die
Budgets der Städte integriert.
FREDERICIA hat sich eine 20%ige CO2Reduktion von 1997 bis 2005 vorgenommen.
Die Fernwärme macht rund 80% der gesamten städtischen Wärmeversorgung
aus.
Naturgüter besser nutzen macht Umweltschutz vom Kosten- zum Nutzfaktor.
ALBERTSLUND hat sich eine 50%ige CO2Reduktion von 1986 bis 2010 zum Ziel
gesetzt.
Der Energiespar-Plan schreibt die Anbindung ans Fernwärmenetz für Wohnhäuser und Industrie vor. Seitdem wurden
zahlreiche Umweltprojekte realisiert. Albertslund ist immer wieder Vorreiter in Sachen Energie (1983 hatte Albertslund das
größte solare System in Europa), ließ das
Fernwärmeheizwerk EMAS-zertifizieren
und kümmert sich intensiv um Öffentlichkeitsarbeit für den Umweltschutz.
BALLERUP hat sich eine 20%ige CO2-Reduktion von 1988 bis 2005 zum Ziel gesetzt.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzt Ballerup auf verschiedene Bereiche: Ökologisches und energiesparendes Bauen, Gebäudesanierung, Niedrigenergie-Gebäude, Sonnenkollektoren (in der Größe von
4 bis 75 m2 pro Haus) für Warmwasserversorgung, Erneuerung des Beleuch-
KOPENHAGEN hat sich eine 35%ige CO2Reduktion von 1990 bis 2010 vorgenommen.
96% der Wärmeversorgung stammt aus
Fernwärme-Heizwerken. Die Müllverbrennung deckt 26% des Wärmeverbrauchs. 20 Windräder, die mittlerweile
ein Wahrzeichen Kopenhagens als Umwelthauptstadt geworden sind, tragen 3%
zur Stromversorgung bei. Jährliche Einsparungen von 850.000 Tonnen CO2 wurden durch den Umstieg auf Fernwärme,
Erdgas und Anbieten von Energieberatung erzielt. ■
„DOGMA 2000
FÜR STÄDTE & UMWELT“.
Die Dogma-Städte in Dänemark: ALBERTSLUND (29.000 Einwohner/innen), BALLERUP (46.000 EW), FREDERICIA (48.000 EW), HERNING (58.000
EW), KOPENHAGEN (500.000 EW).
■ Ausgezeichnet mit dem CLIMATE
STAR IN DER KATEGORIE 3. ■
KONTAKT: Stadtverwaltung Albertslund, Umweltabteilung,
Susanne Kremmer, Tel.: +45 4368 6820,
e-mail: [email protected]
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
13
SIEGER& Projekte
PERPETUUM
MOBILE FÜR
DIE UMWELT.
Modena reduziert die Heizkosten
in öffentlichen Gebäuden durch
bessere Brennwertkessel.
DAS EINGESPARTE GELD WIRD IN WEITERE
ENERGIESPARMASSNAHMEN INVESTIERT.
So finanziert sich Umweltschutz von selbst.
Aus einem Testlauf der Abteilung für Energiemanagement der Stadt Modena vor sieben Jahren entstand ein Programm zur
Heizanlagenmodernisierung in öffentlichen Gebäuden. Dabei wurden bisher 28
überaltete Wärmeerzeuger, vor allem Erdgaskessel, durch Brennwertkessel ersetzt.
Die Bilanz nach sechs Jahren fällt besser
aus als erhofft: Die Ersparnisse durch die
besseren Brenner liegen bei € 175.000 ,–
pro Jahr, 26% der Brennstoffe konnten eingespart werden.
MODERNE BRENNWERTKESSEL IN ÖFFENTLICHEN
GEBÄUDEN.
■ MODENA
(178.000 Einwohner), Italien
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 3
■ MODERNISIERUNG DER HEIZUNGSANLAGEN IN ÖFFENTLICHEN GEBÄUDEN: Durch
Austausch von 28 überalteten Brennern konnten 26% Prozent an Erdgas
eingespart werden. Die Stadtverwaltung hat eine Gratis-Beratung zur Energieeffizienz im Gebäudebereich
und eine Energieeffizienz-Website eingerichtet, dazu einen E-Mail-Service:
www.comune.modena.it ■
KONTAKT: Ing. Sandro Picchiolutto, Energiemanager der
Stadt Modena, e-mail: [email protected]
14
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
Werden diese neuen Kessel großflächig
für die städtischen Beheizung eingesetzt,
könnte der Erdgasverbrauch in Modena
bis 2005 um 1.500.000 m3 gesenkt werden. Dadurch würde der CO2-Ausstoß
für Gebäudeheizungen um zwei Prozent
sinken. ■
GROSSABNEHMER
FÜR ÖKOSTROM.
Überzeugende Idee:
Im deutschen Heidelberg
hat sich der Gemeinderat entschlossen, ein Viertel des Strombedarfs aus Ökostrom zu decken.
DAS INTELLIGENTE PROJEKT RECHNET
SICH – FÜR DIE UMWELT UND FÜR DIE
STADT. Der Heidelberger Gemeinderat beschloss im Frühjahr 2001, ein Viertel des
gesamten Strombedarfs aller städtischen
Einrichtungen mit Strom aus erneuerbaren
Energiequellen abzudecken. Im Jahr sind
das rund sieben Millionen Kilowattstunden
Ökostrom, die Stadt vermeidet 4400 Tonnen Kohlendioxid. Heidelberg ist somit
wahrscheinlich der größte Ökostromkunde in Deutschland.
Der Aufpreis von 325.000 Euro, den die
Stadt Heidelberg jährlich für den Bezug
von Öko-Strom zu zahlen hat, wird von
der Stadtwerke Heidelberg AG zweckgebunden in die Förderung oder Errichtung neuer Ökostrom-Anlagen investiert.
Davon profitieren vor allem Schulen oder
städtische Sportanlagen. Sie bekommen
Photovoltaikanlagen, diese Projekte werden in den Unterricht einbezogen. Im Heidelberger Zoo entsteht ein Biogas-Blockheizkraftwerk, das Tierexkremente, Futterreste sowie Fruchtreste aus der Saftherstellung zur Energieversorgung nutzt.
Dieses Projekt wird in die Zoopädagogik
eingebunden.
Außerdem stellt Heidelberg städtische
Dachflächen für private Gemeinschaftsanlagen zur Verfügung. ■
"ZERTIFIZIERTER ÖKOSTROM FÜR STÄDTISCHE
LIEGENSCHAFTEN".
■ HEIDELBERG
(139.000 Einwohner), Deutschland
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 3
PROJEKT: Ein Viertel des Strombedarfs
der Stadt, rund sieben Millionen Kilowattstunden, wird mit zertifiziertem
Ökostrom gedeckt. Der ÖkostromAufpreis wird in neue Ökostrom-Anlagen investiert. Der Ökostrombezug
im Bündelvertrag bringt günstigere
Lieferkonditionen. So kann die Stadt
die Mehrkosten von 325.000 Euro
nicht nur kompensieren, sondern in
der Summe sogar 100.000 Euro einsparen. ■
KONTAKT: Amt f. Umweltschutz u. Gesundheitsförderung,
Klaus Bermich, D-69117 Heidelberg,
e-mail: [email protected]
Im Heidelberger Zoo entsteht ein Biogaswerk. Der Ökostromaufpreis wird z.B. in Solarenergie investiert.
ENERGIE VON OBEN.
Gratis, abgasfrei und besonders im Süden
immer verfügbar. Die Sonne ist die größte
Energiequelle, die wir kennen – man muss
diese Kraft nur richtig nutzen.
Die Sonne wird richtig modern. Gute Architekten planen ganz selbstverständlich
so, dass die Sonne ihre Vorzüge für ein
Haus entfalten kann: Licht und Wärme fallen im Winter ausreichend in die Räume,
im Sommer werden die Fensterfronten vor
der prallen Hitze abgeschirmt. Allein die
Ausrichtung der Bauten nach Süden spart
Heiz- und Kühlkosten.
SONNENGEWÄRMTES WASSER. Doppelt effizient wird die Sonne dann, wenn man
sie zur Warmwasseraufbereitung nutzt.
„Auf der ganzen Welt ist diese Form der
Sonnenkraft-Nutzung sinnvoll, man spart
dadurch enorm viel an fossiler Energie
ein,“ sagt Serdar Sariciftci, Physiker am Institut für Chemie der Universität Linz. Durch
Förderungen müsse sichergestellt werden,
dass der Anreiz zum Umsteigen auch für
Einfamilienhaus-Besitzer groß genug ist.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Climate
Star-Siegerprojekt Barcelona, wo man die
solare Warmwasseraufbereitung für Neubauten und Generalsanierungen zum Gesetz macht und gleichzeitig finanziell fördert. Eine Zukunftsperspektive bietet das
Siegerprojekt aus Kirchberg in Niederösterreich, wo Absorberelemente für Solaranlagen aus Industrie-Abfallprodukten
gewonnen werden.
STROM AUS DER SONNE. Ein „wahrhaft gewaltiges Potenzial für die Zukunft“ sieht
Sariciftci in der noch wenig genutzten Photovoltaik, der Stromerzeugung aus Sonnenkraft. Die dafür notwendigen Anlagen
basieren auf Siliziumzellen aus der Welt-
raumforschung und sind derzeit noch sehr
teuer. Sariciftci sucht Wege, durch Kunststoff-Elemente die kostengünstige Massenproduktion zu ermöglichen.
Dass es sich bei der Photovoltaik um eine
Zukunftshoffnung handelt, sehe man am
starken Interesse internationaler Erdölkonzerne, meint der Physiker. Strom aus
Sonnenkraft kann sich trotzdem heute
schon rechnen, wie man am Beispiel des
Siegerprojekts Zwischenwasser (Österreich) sieht. ■
AUF DEM WEG
ZUR SONNE.
Die Stadt Barcelona verordnet
den Einsatz jener Energie, die im
sonnigen Spanien fast das ganze
Jahr im Überfluss und noch dazu
gratis zur Verfügung steht.
EINE IDEE WIRD ZUM GESETZ. Ohne die
Sonne geht in Barcelona künftig nichts
mehr: Wer ein Haus bauen oder generalsanieren will, ist verpflichtet, Sonnenkraft zu nutzen und damit 60 Prozent des
Warmwasserbedarfs abzudecken. Denn
der Stadtrat von Barcelona schreibt die
Nutzung der Solar-Energie vor – und fördert sie. Das rechtliche Werkzeug dafür
ist die "Ordenanza Solar Térmica", der
"Energieverbesserungsplan" (PMEB).
Das Konsortium "Barcelona Energie Agen-
tur" wickelt den Energieverbesserungsplan in Barcelona ab, fördert und überwacht seine Einhaltung. Eine kontinuierlich aktualisierte Diagnose der Energiesituation der Stadt wird erstellt, und außerdem wurden mittlerweile 54 Projekte im
Rahmen des PMEB durchgeführt. Einige
privat-öffentliche Initiativen im Rahmen
Barcelona setzt auf die Kraft der Sonne.
dieser Partnerschaft verbuchen bereits Erfolge, ebenso das Projekt für Sportzentren
und Schulen, "Go Solar".
Barcelona hat große Ziele: Die Partnerschaft für erneuerbare Energie, "Barcelona Renovable 2004" strebt bis zum Anfang des Jahres 2004 an: Photovoltaik-Systeme mit einer Gesamtleistung von 1,35
MWp, 10.000 m2 Solarkollektoren, Biomasse für Fernwärme und Kühl-Systeme,
Anwendung von bio-klimatischer Architektur in städtischen Planungen und Gebäudedesign. Barcelonas Energiebedarf
soll zu 100% aus erneuerbarer Energie
gedeckt werden. ■
BARCELONA AUF DEM
WEG ZUR SONNE.
■ STADT BARCELONA,
1,460.000 Einwohner, Spanien.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 3.
■ OPTIMIERUNG DER SOLARENERGIE:
Von öffentlichen Initiativen zu gesetzlichen Instrumenten. ■
KONTAKT: Toni Pujol-Vidal, Barcelona Energy Agency,
E-08012 Barcelona, c/Torrent de l'Olla, 218-220,
Tel: +34 932914891, e-mail: [email protected]
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
15
SIEGER& Projekte
SONNENKOLLEKTOR AUS WERTVOLLEM ABFALL.
Ein klimabewusster Tüftler aus
Kirchberg an der Pielach in Niederösterreich entwickelte einen
Sonnenkollektor aus industriellen
Abfallprodukten.
SONNENKOLLEKTOR-PIONIER. Vor zwanzig Jahren baute der Kirchberger Zahnarzt
Josef Turon eine solare Warmwasseraufbereitungsanlage – und war damit ein Sonnenkollektor-Pionier. Turon hat für seine Sonnenkollektoren das Österreichische Patent.
Das Besondere an den Sonnenkollektoren
sind die Baumaterialien und die Verarbeitung: Für die Absorberfläche recycelt Turon
Aluminiumplatten, wie sie in der Industrie
SOLARENERGIE
AUS ABFALLPRODUKTEN.
■ KIRCHBERG AN DER PIELACH
(3.200 Einwohner/innen), Österreich.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 1.
PROJEKT: Aus Recycling-Material und
umweltfreundlichen Rohstoffen entstehen durch Verpressen, ohne Löten
und Schweißen, Sonnenkollektoren.
■ MARKTGEMEINDE KIRCHBERG: Klimabündnis-Vorreiter, intensives Engagement für Biomasse-Heizungen,
eine der ersten Fernwärme-Anlagen
in Niederösterreich, Energiekonzept.
■ CO2 EMISSIONEN: 5 t pro Einwohner/Jahr (österreichwert: 7,5 t pro
Jahr). ■
KONTAKT: Marktgemeinde Kirchberg an der Pielach,
GGR Josef Ebenberger, Bgm. LKR Anton Gonaus,
Tel.: 02722/7309, Fax-DW 20, www.kirchberg-pielach.at,
e-mail: [email protected]
16
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
als Abfall anfallen. Diese Platten werden
mit einem Kupferrohr zu einem einheitlichen Absorberelement verpresst. Halterung und Umrahmung für die Wärme erzeugenden Platten werden aus heimischen
Hölzern wie Fichte oder Lärche hergestellt.
Isoliert wird mit Schafwolle und Zellulosefasern.
UMWELTFREUNDLICHE PRODUKTION. Bei
diesem Produkt stimmt alles bis in die Details: Die Glasabdeckung ist dreigeteilt und
kann beispielsweise bei Hagelschäden
leicht und kostengünstig repariert werden.
Turon produziert seine Absorber ohne Löten und Schweißen. Denn durch die exakte Verpressung und Ummantelung der Kupferrohre entsteht eine einheitliche Aluminium-Kupferebene. Diese Produktionsart hat
er sich patentieren lassen. Sollte einer der
langlebigen Kollektoren doch entsorgt werden müssen, lässt sich das Material leicht
trennen und wiederverwerten.
Die Sonnenkollektoren aus Kirchberg können bei Ein- und Mehrfamilienhäusern, aber
auch großflächig eingesetzt werden. ■
BÜRGER
KAUFEN SONNENKRAFTWERK.
Ökostrom statt Atomstrom: In
der kleinen österreichischen Gemeinde Zwischenwasser werden
engagierte Bürger zu Stromproduzenten.
PHOTOVOLTAIK-GEMEINSCHAFTSANLAGE.
Die Bevölkerung von Zwischenwasser hat
wieder einmal die Nase vorn: Schon vor
fünf Jahren startete dort das erste Bürgerbeteiligungsmodell zur Errichtung einer 5,5
kWp Photovoltaikanlage als Gemeinschafts-Kraftwerk. 364 Bürger kauften sich
mit je 72 Euro ein. 16 Vorarlberger Gemeinden kopierten das Energie-Modell von
Innovativ: Sonnenkollektoren aus industriellen
Abfallprodukten in Kirchberg – PhotovoltaikGemeinschaftsanlage in Zwischenwasser.
Zwischenwasser, das Ökostrom-Projekt
wurde so zum Impulsgeber für die Region.
Heuer gelang der nächste Coup: Die Interessensgemeinschaft Erneuerbare Energien
Zwischenwasser gewann den Gemeinderat im April dafür, Dachflächen öffentlicher
Gebäude für eine große Photovoltaik-Anlage zur Verfügung zu stellen und die Vorfinanzierung, Verwaltung und Abrechnung
zu übernehmen. Auf zwei Dachflächen wurden Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung
von 30 kWp montiert. Alle Anteile waren
in kürzester Zeit um je 6800 Euro an investitionsfreudige Bürger verkauft, beide Anlagen sind seit Sommer in Betrieb. ■
"SONNENKRAFTWERK
DER BÜRGER".
■ ZWISCHENWASSER
(3.056 Einwohner), Österreich.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 1.
PROJEKT: Stromgewinnung aus der
Sonne als Ersatz für Atomstrom sorgt
für breite Bewusstseinsbildung. Die
Kosten von 205.000 Euro wurden
von 30 Bürgern finanziert. Die Verwaltung der Gemeinschafts-Photovoltaikanlage funktioniert über eine
Darlehenskonstruktion, das Darlehen
wird durch die Stromeinspeisung
zurückgezahlt. ■
KONTAKT: Bürgermeister Josef Mathis,
A-6832 Zwischenwasser, Hauptstraße 14,
e-mail: [email protected]
NACHSCHUB
AUS FELD UND WALD.
Ob ein Baum im Wald verrottet oder im
Pellets-Heizkessel verbrannt wird, macht
für das Klima keinen Unterschied.
Für den Menschen allerdings schon: Im
Heizkessel liefert das Holz saubere Wärme, die Technologien dafür werden laufend verbessert. Österreich könnte sich mit
diesem Know-how international eine Marktnische sichern, meinen Experten.
AUF DEM „HOLZWEG“. Im Landkreis Rybnik in Polen ist man aufs Holz gekommen.
Was in einer bewaldeten Gegend naheliegend erscheint, ist es vielerorts (noch)
nicht. Besonders in der alten Kohle-Region
Rybnik gleicht der Schritt zum nachwachsenden Rohstoff Holz einer kleinen Revolution. Dass es der richtige Schritt ist, bestätigen die Zahlen über die Treibhausgas-Einsparungen, und nun auch die Auszeichnung
des Projekts mit dem Climate Star.
Holz ist in vielen Regionen Europas reichlich vorhanden. In Österreich wachsen pro
Jahr 1,4 Millionen Festmeter nach. Nur ein
Drittel davon wird den Wäldern entnommen. Soll ein Wald gesund bleiben, braucht
er Bewirtschaftung. Was dabei an Holz anfällt, ist ein umweltfreundlicher Energie-Lieferant, sowohl für Wärme als auch für Strom.
Umweltminister Wilhelm Molterer rechnet
mit möglichen Einsparungen von zwei Millionen Tonnen CO2-Ausstoß durch intensivere Nutzung der Biomasse. „Das entspricht einem Fünftel jener Einsparungen
beim Ausstoß von Treibhausgasen, zu denen sich Österreich verpflichtet hat.“
Auch Wolfgang Streicher vom Institut für
Wärmetechnik der TU Graz glaubt, dass
Biomasse in Österreich künftig stark an Bedeutung gewinnen muss und wird: „Der
how zu exportieren.“ Wie Dänemark Weltmarktführer im Bereich Windkraft-Technologie ist, könnte Österreich zum führenden
Experten und Exporteur für Biomasse-Technologien werden.
GRÜNER STROM. „Das gilt auch für die
Stromerzeugung aus Biomasse“, sagt
Schleicher. Auch dort habe Österreich die
Nase vorn. Zur Stromerzeugung aus Holz
wird viel geforscht und entwickelt. Auch Niederösterreichs größter Energieversorger,
die EVN, engagiert sich hier massiv: Im Renet Austria, dem Forschungs- und Technologie-Cluster „Renewable Energy Network
Austria“, haben sich Firmen und Forschungsinstitute zusammengeschlossen und
führen Pilotprojekte durch.
derzeitige Einsatz ließe sich leicht verdoppeln.“ Der Techniker sieht die stärksten Positiv-Effekte für den Klimaschutz beim Umstellen möglichst vieler Einfamilienhäuser auf den umweltfreundlichen Brennstoff
Holz. „Ideal ist dabei die Pellets-Technik.“ Mit diesen
klein gepressten Holzstücken
befeuerte Brenner seien „so
einfach zu nutzen wie Ölkessel und haben noch dazu
Univ.-Prof.
einen geringeren WartungsWolfgang Streicher
aufwand.“
LANDWIRTE ALS ENERGIEWIRTE. Nahwärmenetze lassen sich mit Holz ebenso gut
betreiben wie Fernwärmeheizwerke. Wie
beim Siegerprojekt Gornij Grad deutlich
wird, bringen diese Netze nicht nur Entlastung für die Umwelt. Bauern gewinnen
durch die Arbeit als Energieversorger ein
zweites Standbein für die Sicherung ihrer
Existenz.
Diese zusätzlichen Jobs in den Regionen
sind der überzeugende sozialpolitische
Faktor bei den nachwachsenden Rohstoffen, beim Raps für Biodiesel, speziellen
Gräsern für die Biogas-Erzeugung, bei
Holz-Hackschnitzel und Nutzgetreide:
durch zusätzliche Arbeitsplätze in den Regionen bleibt auch das Geld dort.
Stefan P. Schleicher, Volkswirtschafts-Professor an der Uni Graz, nennt noch einen
weiteren Vorteil: „Im Bereich Biomasse sind
wir in Österreich so gut – da gibt es große
Chancen für die Wirtschaft, unser Know-
ENERGIE AUS KAFFEEFILTERN UND
SALAT? Nicht nur Holz, auch Nutzgetreide oder Pflanzen wie das in
Niederösterreich erfolgreich getestete hartfaserige Sudangras können zur Energieerzeugung verwendet werden. Besonders effizient gelingt das im Bereich Biogas,
der langsam modern zu werden
scheint.
Im Schwedischen Kristianstad ist aus dem
Biogas-Projekt eine Erfolgsgeschichte geworden: Dort sammeln die Bürger den
Biomüll für die städtische Biogas-Anlage in
Papiersäcken. Die Nahrungsmittelindustrie
liefert Reststoffe aus ihrer Produktion. Und
auch die Landwirte sind eingebunden und
liefern Jauche ab. Aus Biomüll & Co. entsteht durch Vergärung wertvolles Biogas.
Damit werden die städtischen Busse und
zunehmend auch Privatfahrzeuge betrieben. Ein erster Schritt in diese Richtung ist
auch das Siegerprojekt aus Thessaloniki.
LANDWIRTE FÜRS KLIMA. Auch die Landwirtschaft in Niederösterreich leistet einen
Beitrag zum Erreichen der KlimabündnisZiele. Bio-Landwirte sparen durch ihre nachhaltige Wirtschaftsweise ein Drittel des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. In Niederösterreich sind mittlerweile gut zehn Prozent
der Agrarfläche auf Bio umgestellt. ■
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
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SIEGER& Projekte
EINE
SAUBERE SACHE.
Vorreiter-Rolle fürs Klima:
Die Gemeinde Gornji Grad in den
slowenischen Alpen setzt auf Biomasse-Fernwärme – mit Erfolg.
Umwelt- und Klimaschutz sind wichtige Themen in Gornji Grad, da die malerisch gelegene Gemeinde auf sanften Tourismus
setzt. Deshalb baute die Gemeinde eine Abwasserkläranlage und führte 1994 die getrennte Müllsammlung ein. Seit Mai 2000
ist Gornji Grad als erste slowenische Kommune Mitglied beim Klimabündnis.
Forstwirtschaft und Holzverarbeitung zählen in Gornji Grad, dessen 90 Quadratkilometer großes Gemeindegebiet zu 65%
bewaldet ist, zu den wichtigsten traditionellen Erwerbszweigen. Nun werden die
BIOMASSE-FERNWÄME
IN GORNJI GRAD.
■ GORNJI GRAD
(2.700 Einwohner), Slowenien.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR DER KATEGORIE 1.
PROJEKT: Durch das mit modernsten Filteranlagen ausgestattete Heizkraftwerk konnte nicht nur die lokale Luftqualität erheblich verbessert werden,
es werden auch zwischen 30 und
40% CO2-Emissionen eingespart.
Finanziert wurden Heizkraftwerk und
Wärmeleitung (4,1 Millionen Euro) jeweils zu 25% vom slowenischen Wirtschaftsministerium und dem EU-Programm Phare. 15% kommen aus dem
Nationalen Umweltfonds aus Österreich. ■
KONTAKT: Toni Rifelj, Bürgermeister von Gornji Grad,
Attemsov trg 3, SLO-3342 Gornji Grad,
e-mail: [email protected]
18
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
Holzabfälle der örtlichen Holzverarbeitungsfirma für ein Heizkraftwerk genutzt: Im
Sommer 1998 wurde das in der Nachbargemeinde Vransko gelegene Heizkraftwerk mit seinen zwei Kesseln eingeweiht,
ein halbes Jahr später die ersten fünfzig
Haushalte aus Gornji Grad angeschlossen.
Dann folgten die großen kommunalen Wärmeverbraucher wie Grundschule, Kindergarten und Gesundheitszentrum.
Holzverarbeitung hat Tradition in Gornji Grad.
Acht Kilometer ist die Fernwärmeleitung inzwischen lang, 86 % aller Gebäude in der
Gemeinde wurden an das Fernwärmenetz
angeschlossen. ■
WO DIE
KOHLE WÄCHST.
Landschaftsschutz durch
„neuen“ Brennstoff im
Landbezirk Rybnik.
EINE TRADITIONELLE KOHLE-REGION IN
POLEN FÖRDERT HEIZSYSTEME FÜR ERNEUERBARE ENERGIETRÄGER. Der Kohlebergbau im Landbezirk Rybnik, einer der
industrialisiertesten Regionen Polens, bestimmte das gesellschaftliche Leben und finanzierte die soziale Infrastruktur.Veraltete Heizsysteme und Kohlefeuerungen verschmutzen die Luft hier und in den benachbarten Regionen Polens und der Tschechischen Republik.
Der Bezirk um die Stadt Lyski ist zu einem
Drittel bewaldet. In Lyski liegen neun öffentliche Gebäude direkt am Wald, sie
gehören dem Bezirk, der Kommune, der Kirche oder Firmen. Sechs Gebäude heizen
mit Kohle, drei mit Heizöl. Im Pilotprojekt
„Biomasse für Zentralheizungen“ werden
diese Heizungssysteme durch Biomassekessel ersetzt. Die Gesamtkosten der neuen Biomassekessel und der Installationen
betragen rund 50.000 Euro. Das ist mehr
als der Bezirk und die lokalen Behörden von
Lyski allein aufbringen können, lohnt sich
aber, weil die Einsparungen bei 8.500 Euro pro Jahr liegen. Die Heizkesselsysteme
werden von lokalen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen überwacht.
Landbezirke haben kein eigenes Einkommen und sehr kleine Budgets (3,75 Mio.
Euro betrug das Budget des Distrikts Rybnik 2002). Die Bezirke müssen die überregionalen Straßen überwachen, darunter
fällt auch das Schneiden der Bäume. Die
dabei anfallende Biomasse kann für ökologisches Heizen verwendet werden und
ist kostenlos. ■
HOLZ STATT KOHLE.
■ LANDBEZIRK RYBNIK
(74.600 Einwohner), Polen.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 2.
Das Pilotprojekt „Biomasse für Zentralheizungen“ basiert auf dem polnischen Umweltschutzgesetz und dem
Programm zur Rettung der Umwelt des
Landdistrikts Rybnik (in Vorbereitung).
In neun öffentlichen Gebäuden werden mit Kohle und Öl gefeuerte Zentralheizungen auf Biomassekessel umgestellt. Den Investitionskosten von
50.000 Euro stehen jährliche Einsparungen durch den Gratis-Brennstoff Holz von 8.500 Euro gegenüber.
„Biomasse für Zentralheizungen“ ist
ein beispielgebendes Projekt, das
zum Umdenken in Richtung Biomasse bei lokalen Behörden, Wirtschaft
und Privathaushalten führen kann. ■
KONTAKT: Landed District Rybnik, Piotr Maslowski,
ul. 3 maja 31, Rybnik 44-200, Polen,
e-mail: [email protected]
ALLE
SAMMELN MIT.
schafft. Und das aus einer Notsituation
heraus: Immer wieder gab es Beschwerden von Seiten der Bevölkerung über die
Abgase aus dem Müll.
Die Biogas-Anlage Kristianstad ist
die erste Schwedens, die städtischen, festen Abfall gemeinsam
mit Jauche und anderer Biomasse
zu Energie & Dünger verarbeitet.
VORZEIGEPROJEKT BIOGAS-ANLAGE. Stadtverwaltung, Bauern, Industrie und Konsumenten, alle ziehen in Kristianstad, Schweden, an einem Strang: Vor fünf Jahren gründete der städtische Müllverband Kristanstads Renhållnings AB (KRAB) die BiogasAnlage in Karpalund. Die Bürger/innen von
Kristianstad sammeln für den Betrieb der
Anlage ihren organischen Abfall. Die An-
BIOGAS-ANLAGE
KRISTIANSTAD.
■ KRISTIANSTAD (74.500 Einwohner/innen), Schweden
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 2
PROJEKT: In Kristianstad werden Biomüll und Biomasse zu Biogas verarbeitet. Seit 1999 wird die Biogas-Produktion bei der Kläranlage erweitert,
die Produktion in Karpalund wird auf
40.000 MWh verdoppelt. Das Gesamtpotenzial der Biogas-Produktion
beläuft sich auf 44.000 MWh im Jahr
2003.
KOSTEN: ca. 12 Millionen Euro.
„Biogas Kristianstad“ hat Multiplikator-Potenzial für ähnliche Projekte,
denn es umfasst alle Bereiche, von der
Produktion bis Marketing, sowie die
Wiederverwertung von Abfällen als
Dünger. ■
KONTAKT: Municipality of Kristiansta, Lennart Erfors,
S-29132 Kristianstad, Västra Boulevarden 13,
e-mail: [email protected]
Kristianstad: Biogas treibt Busse an.
lage in Karpalund nutzt aber auch Jauche
und organischen Abfall aus der Nahrungsmittelindustrie.
Das produzierte Biogas wird in der zentralen Fernwärmeanlage verbrannt und als
Treibstoff für Busse und andere Fahrzeuge
genutzt: Das öffentliche Verkehrsunternehmen Skånetrafiken hat Biogas im Stadtverkehr eingeführt. 22 Öko-Busse sind seit Oktober 2002 in Betrieb. Die Stadtverwaltung
stellt ihren Fuhrpark auf Biogas-Fahrzeuge
um, und auch private Unternehmen fahren
mit Biogas – obwohl die Fahrzeuge noch
verhältnismäßig teuer sind. Durch ein Marketing-Programm soll die Zahl der mit Biogas betriebenen Busse, Lastwägen und PKWs steigern. Die Aktion läuft in Kooperation mit der privaten Gesellschaft Sydgas und
mit lokalen Autohändlern. ■
ENERGIEGEWINNUNG AUS
DEPONIEGASEN.
Mehrfach-Nutzen:Thessaloniki
hilft der Umwelt und setzt Anrainer-Beschwerden über Mülldeponie ein Ende.
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen –
das hat die Millionenstadt Thessaloniki
gemeinschaftlich mit ihrem Umland ge-
DIE LÖSUNG: Das Klima schädigende Biogas aus deponiertem Abfall wird in Rohrleitungen gesammelt und vorbehandelt. In
einem Verbrennungsmotor entsteht daraus
Energie, die ins öffentliche Netz eingespeist wird.
Nachhaltigkeit soll aber auch im Denken
der nächsten Generation verankert werden: Um Kinder und Jugendliche für die
Bedürfnisse der Umwelt zu sensibilisieren,
kommen in Thessaloniki prominente Wissenschafter und Umweltschützer in die
Schulen. Das Bildungsprogramm, das seit
drei Jahren läuft, enthält die Phasen Sensibilisierung, Exkursionen in Naturräume,
Informationsverarbeitung in Gruppen und
Präsentation der Ergebnisse bei speziellen Anlässen. ■
„BIOGAS AUS
DEPONIEABFALL“.
■ THESSALONIKI und Umland
(2.000.000 Einwohner),
Griechenland.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 3.
ORGANISATOR: Vereinigung der Gemeinden des Gebietes um Thessaloniki (ALAT).
PROJEKT: Biogas aus Deponieabfall
wird gesammelt, der Motor verbrennt
164 m3 Gas pro Stunde mit einem
Methangehalt von 45 bis 50%.
Die Energie wird ins öffentliche Netz
eingespeist.
KOSTEN DER ANLAGE: 500.000 Euro,
inkl. USt. ■
KONTAKT: Konon Kaminos, City of Thessaloniki,
Association of local authorities of greater Thessaloniki,
B. Irakleiou 13, GR-546 24 Thessalonik,
e-mail: [email protected]
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
19
SIEGER& Projekte
„SPAREN BRINGT ALLEN WAS“.
Der Verkehr ist einer der drei Hauptverursacher des Treibhauseffekts.
Viel Fantasie und Mut sind nötig, um in diesem heiklen Bereich Erfolge
für das Raumschiff Erde einzufahren.
Die Ausgangssituation ist fast überall dieselbe: Das Verkehrsaufkommen nimmt
ständig zu. Auf Niederösterreichs Hauptverbindungsrouten sind heute um ein Viertel mehr PKWs und LKWs unterwegs als
vor zehn Jahren – Tendenz steigend.
DISTANZEN WERDEN GRÖSSER. Friedrich
Zibuschka, Univ.-Prof. für Verkehrswesen
und Verkehrsplaner des Landes Niederösterreich, sieht die Ursache für diese Zunahme nicht in menschlichen Verhaltensmustern. „Der Mensch geht durchschnittlich 2,5 Mal am Tag aus dem Haus, daran hat sich nirgends auf der Welt während
der letzten 100 Jahre etwas verändert. Ein
Hauptgrund für die Verkehrszunahme sind
die Distanzen, die wir zurücklegen. Arbeits- und Wohnstätten sowie die Orte, an
denen man seine Freizeit verbringt, liegen
heute viel weiter von einander entfernt als
vor 50 Jahren,“ erklärt Zibuschka.
Die Auswirkungen auf das Klima sind
enorm: Der Verkehr gilt weltweit als einer
der Hauptverursacher des Treibhausgases
Kohlendioxid und damit als Motor der globalen Erwärmung.
ÖFFENTLICHER VERKEHR – BEDÜRFNISORIENTIERT. Im öffentlichen Verkehr liegt
ein großes Potenzial zur Reduktion der Umweltbelastung. Um von den Menschen angenommen zu werden, muss er sich an ihren
Bedürfnissen orientieren. Öffentlicher Verkehr muss schnell, anschlusssicher und leistbar sein, damit er dem eigenen Auto samt
Parkplatzsuche, Parkgebühren und eventuellen Staus vorgezogen wird. Und er muss
da sein, wo ihn die Menschen brauchen.
KLIMABÜNDNISGEMEINDEN ALS VORREITER. Doppelten Vorteil für das Klima bringt
der öffentliche Verkehr, wenn die Verkehrsmittel mit erneuerbaren Energieträ-
160.000 Kilo Altspeiseöl pro Jahr dienen den Grazer Verkehrsbetrieben als Antrieb.
20
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
gern betrieben werden. Der Climate StarGewinner Graz zeigt mit der Verwendung
von Biodiesel aus Altspeiseöl in 56 seiner
Stadtbusse, wie zusätzlich 2.500 Tonnen
Kohlendioxid eingespart werden können.
Abfallprodukte nutzt man auch im schwedischen Siegerprojekt von Kristianstad: 22
Busse fahren mit Biogas, das in der städtischen Aufbereitungsanlage aus organischen Abfällen erzeugt wird.
Umdenken ist ebenso bei der Raumplanung gefragt. Stefan Schleicher, Climate
Star Jury-Mitglied und Professor für Volkswirtschaft in Graz fordert: „Wir brauchen
eine Siedlungsstruktur, die uns weniger zur
Mobilität zwingt. Das Siegerprojekt Ostfildern zeigt, wie das geht.“
Radfahrer und Fußgänger sind auf Kurzstrecken oft schneller unterwegs als motorisierte Verkehrsteilnehmer, günstiger und
klimafreundlicher ist diese Art der Fortbewegung auf jeden Fall. Vorzeigeprojekte
gibt es bereits: Im schwedischen Linköping,
ebenfalls mit dem Climate Star ausgezeichnet, ist es mit einer breit angelegten
Kampagne gelungen, ein Drittel aller Fahrten vom Auto auf das Rad zu verlagern.
LANGENEGG:
„FIFTY“ FÜR
ALLE.
NACHHALTIGKEIT FÖRDERN. Gerade im
ländlichen Raum bleibt aber das Auto Fortbewegungsmittel Nummer eins. Niederösterreichs Umwelt-Landesrat Wolfgang
Sobotka will deshalb „eine Verhaltensänderung und damit eine Werteänderung
herbeiführen: Verkehrssparen muss ein
Schlagwort werden wie Mülltrennen oder
Energiesparen“.
In der landesweiten Initiative „Ich fahre
spritsparend“ sollen die Menschen zu einer ökologischen Fahrweise motiviert werden. Das Einsparungsziel liegt bei 20 Prozent des Treibstoffbedarfs, bei entsprechender Beteiligung macht das 20 Millionen Liter Treibstoff und somit 50.000 Tonnen CO2 pro Jahr. ■
Leih-Netzkarte für den öffentlichen Verkehr und Leihauto –
so forciert die 1028-SeelenGemeinde nachhaltige Mobilität.
VON DER PFANNE
IN DEN TANK.
Die öffentlichen
Busse in Graz
fahren mit Biodiesel, der aus Altspeiseöl der Gastronomiebetriebe
gewonnen wird.
AUCH GENUSS KANN NACHHALTIG SEIN.
Problemstoffe entsorgt man am besten dadurch, dass man sie wieder in wertvolle
Rohstoffe verwandelt. Die steirische Landeshauptstadt zeigt vor, wie das geht: Seit
drei Jahren wird das Altspeiseöl von 250
Grazer Restaurants und Wirtshäusern kostenlos durch das städtische Umweltamt
gesammelt und mit regional entwickelter
Technologie (BDI-Biodiesel-International)
durch die Südsteirische Energie- und Eiweißgenossenschaft (SEEG) in den erneuerbaren Energieträger Biodiesel umgewandelt.
Emissionseinsparung durch Biodiesel in Graz.
160.000 Kilo Altspeiseöl kommen pro Jahr
als schadstoffarmer Treibstoff noch einmal
zum Einsatz. Bereits 56 der über 100 Busse der Grazer Verkehrsbetriebe fahren heute mit Biodiesel aus Altspeiseöl, bis zum
Ende des kommenden Jahres soll die gesamte Busflotte auf diese klimafreundliche
Variante umgestellt werden.
Die Vorteile liegen auf der Hand: neben
massiven Emissionseinsparungen wird sichergestellt, dass Altspeiseöl nicht wieder
in die Umwelt gelangt, das städtische Kanalsystem und die Kläranlage werden auch
entlastet. Das Schnitzel bleibt damit gut wie
immer und wird nachhaltig wie nie! ■
EINE UNGEWÖHNLICHE IDEE. Wie bekommt man Menschen in einer ländlichen
Region dazu, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen? Die Gemeinde Langenegg kaufte eine übertragbare Jahresnetzkarte für die Region Bregenzerwald, die
von allen Bürgern und Bürgerinnen um einen Euro pro Tag ausgeliehen werden
kann. Die Aktion ist so gut angelaufen,
dass bereits nach kurzer Zeit eine zweite
Karte angeschafft wurde.
Ein Biodiesel-Leihauto für die Bürger und
„VON DER PFANNE
IN DEN TANK“.
■ GRAZ, Österreich
(230.000 Einwohner).
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 3.
KOSTEN (seit dem Start 1999):
ca. € 60.000,–.
EMISSIONSEINSPARUNGEN PRO JAHR:
2500 t CO2, 2,9 t CO, 1,0 t Partikel,
2,7 t SO2, 3,0 t Kohlenwasserstoffe.
POSITIVE EFFEKTE: billigerer Treibstoff
Biodiesel für Grazer Verkehrsbetriebe, Schaffung neuer Arbeitsplätze
durch Sammlung und Verwertung,
Steigerung des Umweltbewusstseins
der Grazer Bevölkerung. ■
KONTAKT: DI Dr. Peter Gspaltl,
Grazer Umweltamt, A-8010 Graz, Kaiserfeldgasse 1,
Tel.: 0043(0)316 872-4303 (FAX -4309),
e-mail: [email protected]
Biodiesel-Leihauto für Bürger in Langenegg.
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
21
SIEGER& Projekte
Angestellten der Gemeinde wurde angeschafft und auf den Namen „Fifty“ getauft.
Kosten, Schadstoffe und Energieverbrauch können damit bei einer jährlichen
Auslastung von rund 15.000 km um 50
Prozent gesenkt werden.
ENERGIEBEWUSSTE BÜRGER VOR DEN VORHANG. Auf einer Schautafel wurden alle bestehenden Gebäude der Gemeinde eingezeichnet. Jedes Gebäude, das über eine
moderne Holzheizung, eine Solaranlage
oder eine Nahwärmeversorgung verfügt,
wurde auf der Tafel mit einer Leuchtdiode
ausgestattet. Ein Knopfdruck reicht, und jeder kann sich ein Bild machen, wo überall
in Langenegg Energie gespart wird. ■
ENERGIEPORTRÄT
LANGENEGG – JAHRESNETZKARTE – LEIHAUTO“.
■ LANGENEGG (1.028 Einwohner),
Österreich.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 1.
KOSTEN: Energieporträt € 1.100,–
Jahresnetzkarte € 610,– das Leihauto soll sich bei einer Auslastung von
15.000 km pro Jahr in sechs bis sieben Jahren amortisieren. ■
KONTAKT: Mario Nußbaumer, Gemeindeamt Langenegg,
A-6941 Langenegg, e-mail: [email protected]
AUF DAS RAD
GEKOMMEN.
Im schwedischen Linköping
strampelt man sich für das Klima
ab: Um die Kohlendioxidwerte zu
senken, gibt es eine Fülle an Klimaschutz-Initiativen.
TÄGLICH WERDEN 40.000 WEGE, DIE
KÜRZER ALS SECHS KILOMETER SIND, MIT
DEM AUTO ZURÜCKGELEGT. Dieses Ergebnis einer Verkehrserhebung gab in der
134.000-Einwohner-Stadt Linköping den
Anstoß zu einem herausragenden Verkehrsprojekt. Die Stadtpolitiker traten auf
den Plan, um diese kurzen Wege auf das
Fahrrad zu verlagern.
Nur drei Jahre später ist aus der Vision eine wahre Erfolgs-Story geworden: Linköping ist heuer Schwedens „Fahrradstadt
des Jahres“ und für Strecken unter sechs
Kilometern steigen die Bürger jetzt auf den
Drahtesel.
Die drei Eckpfeiler des Programms: eine
verbesserte Infrastruktur für Radfahrer,
Motivation zum Umsteigen und eine bessere rechtliche Stellung von Radfahrern.
Lokale Zeitungen, Radiosender und Vereine informierten die Menschen über Sicherheit auf den Straßen und die gesundheitlichen Vorteile des Radfahrens;
Fahrradfeste mit Wettbewerben und historischen Umzügen wurden veranstaltet.
350 Kilometer Radwegenetz und 60 biogasbetriebene Stadtbusse verbessern das Klima in Linköping.
22
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
Das Resultat der Aufklärungsarbeit: Die
Zahl der Radunfälle mit Personenschaden
hat trotz einem Drittel mehr Fahrten um 27
Prozent abgenommen.
Und auch für schwere Einkaufstaschen und
Regentage hat man eine klimafreundliche
Lösung gefunden: Alle 60 Stadtbusse und
25 Taxis werden mit Biogas betrieben, das
in einer eigenen Anlage hergestellt wird. Eine neue Biogas-Tankstelle erlaubt nun auch
privaten Kraftfahrern, ihr Auto mit dem erneuerbaren Energieträger zu betreiben. ■
GESUNDES RADFAHREN
UND BIOGAS-BUSSE.
■ LINKÖPING (134.000 Einwohner),
Schweden.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 3.
EFFEKTE: 31% der Wege werden mit
dem Rad zurückgelegt. Das Radwegnetz hat eine Länge von 350 km.
Biogasanlage (eröffnet 1998) produziert 3.300.000 m3 Biogas jährlich.
Mit der Ausweitung des Fernwärmenetzes konnten mehr als 1100 private Häuser, mehrere Schulen und Betriebe von Öl oder Strom auf Fernwärme umgestellt werden. ■
KONTAKT: Helena Kock Aström,
Kommunledningskontoret, S-58181 Linköping,
e -mail: [email protected]
„FASZINIEREND EINFACH“.
Wissenschafter orten im Wohnbereich das größte Potenzial
für rasch greifenden Klimaschutz.
90 Prozent sparen? So unglaubliche Werte kann man bei den Energiekosten im Vergleich zu den 70er Jahren erreichen, wenn
man Häuser richtig dämmt, isoliert und alternative Energie einsetzt.
PATENTREZEPT ÖKOLOGISCH BAUEN. Ob
Einfamilienhaus oder kommunaler Wohnbau, wie bei den beiden Climate Star-Siegerprojekten in Hannover und Ostfildern,
wer ökologisch baut, baut für die Zukunft.
Ein enormes Einsparungspotenzial im
Wohnbau sieht Uni-Professor Peter Streicher
vom Institut für Wärmetechnik an der TU
Graz: „Heute kann man Häuser zu den gleichen Kosten wie vor 30 Jahren bauen, die
nur ein Sechstel bis ein Zehntel der Energie
benötigen. Weder im Verkehr noch in der
Industrie, den beiden anderen klimarelevanten Bereichen, sind so dramatische Einsparungen möglich.“ Die verfügbaren Technologien seien faszinierend einfach: Das
Ausrichten der Häuser nach der Sonne ist
der wichtigste erste Schritt, Isolierungen aus
erneuerbaren Rohstoffen und Lüftungs- statt
Heizsystemen sind die tragenden konstruktiven Elemente. Wärmetauscher nutzen die
Erdwärme zum Vorwärmen der Frischluft
und regenerieren Wärme aus der Abluft
und aus dem Abwasser. Strom liefert die
Photovoltaik-Anlage. Vor allem bei der Renovierung sieht Streicher gewaltige Chancen: „Wenn man schon die Fassade etwa
einer Wohnhausanlage aus den 70-ern aufreißt, bringt es sehr viel, sie gut zu dämmen
und neue Fenster einzusetzen.“
Wer bei einem bestehenden Haus für eine
optimale Dämmung der oberen Geschoßdecke sorgt, spart damit pro Jahr bis zu einem Drittel an Energie ein, eine Dämmung
der Außenwände oder neue Fenster schlagen sich pro Quadratmeter renovierter
Fläche mit bis zu 10 Liter Heizöl-Ersparnis
pro Jahr zu Buche.
ZUKUNFTSMODELL. In Österreich ist es Sache der Länder und Gemeinden, klimafreundliches, Ressourcen sparendes Bauen und Renovieren zu forcieren. In Niederösterreich setzt die neue Wohnbauförderung des Landes auf Nachhaltigkeitskriterien. Die Latte liegt hoch: Wohnbauten
müssen einen Energieverbrauch von maximal 60 kWh pro Quadratmeter und Jahr
haben, um förderungswürdig zu sein; ab
2004 werden es gar nur mehr 50 kWh pro
Quadratmeter und Jahr sein. Auch Gemeinden haben Möglichkeiten, um ökologisches Bauen zu forcieren. Im Bebauungsplan kann zum Beispiel eine Ausrichtung der
Häuser nach Süden hin verankert werden.
Auch mit eigenen Förderungen können Gemeinden finanzielle Anreize schaffen; viele
Gemeinden vergeben Solarförderungen
oder finanzielle Unterstützung beim Kesseltausch.
MEHR LEBENSQUALITÄT. Der verdichtete
Flachbau gilt als das Zukunftsmodell in der
Raumordnung, weil er bei einem vergleichsweise geringen Bedarf an Straßenflächen und Kanalisation ein großes Maß
an Infrastruktur ermöglicht. Vorteile, die
man sich bei den mit dem Climate Star ausgezeichneten Projekten in Hannover und
Ostfildern zu Nutzen gemacht hat. Das Ergebnis sind zukunftsweisende ModellStadtteile mit weniger Umweltbelastung,
mit kurzen Wegen und guter Anbindung
an den öffentlichen Verkehr – und mit mehr
Wohngesundheit und Lebensqualität. ■
Ein Öko-Insel mitten in der Stadt: In Hannover Kronsberg entstehen 6.000 Wohneinheiten nach umweltfreundlichen Vorgaben.
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
23
SIEGER& Projekte
ÖKOLOGISCH
BAUEN ALS
GROSSPROJEKT.
Verantwortung für die Umwelt
bis ins kleinste Detail: Im deutschen Hannover wächst ein
Niedrigenergie-Stadtteil für
12.000 Menschen.
Eine Öko-Insel mitten in der Stadt: In
Hannover Kronsberg entstehen 6.000
Wohneinheiten nach umweltfreundlichen
Vorgaben. Die Ziele sind hoch gesteckt:
Durch ein vorbildliches Qualitätssicherungs- und Qualifizierungsprogramm sollen mit flächendeckender Niedrigenergiebauweise, Nahwärmeversorgung,
Nutzung erneuerbarer Energieträger und
Stromsparprogramm die CO2-Emissionen
„NACHHALTIGES BAUEN
FÜR DIE ZUKUNFT“.
■ HANNOVER (515.000 Einwohner/innen), Deutschland.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 3.
ZIELE DES PROJEKTES: 80% CO2-Minderung durch flächendeckende Niedrigenergiebauweise, Nahwärmeversorgung durch BHKW, Stromsparprogramm, Reduzierung der Abfallmengen, Trinkwassereinsparung, naturnahes Regenwassersystem, Reduzierung von LKW-Fahrten durch Vorortverwendung des Bodenaushubs.
KOSTEN: 8 bis 10% bauliche Mehrkosten für die gesamten ökologischen
Maßnahmen. ■
KONTAKT: Karin Rumming, Grünflächenamt, Bereich Umweltschutz, Prinzenstraße 4, D-30159 Hannover, e-mail :
[email protected]
24
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
um etwa 80% geringer ausfallen als bei
herkömmlichen Siedlungen. Die Abfallmengen sollen ebenfalls um 50% reduziert
werden.
Rund 3.000 Wohnungen, 2.000 Arbeitsplätze und die dazu gehörige Infrastruktur, wie Grundschule, Kindergärten und
Gesundheitszentrum, sind bereits geschaffen. Zusätzlich werden Anlagen für
Nahwärme, Sonnenenergie und Windkraft errichtet. Doch ökologisches Bauen
ist noch viel mehr: Das Regenwasser aller
Bau- und Verkehrsflächen wird an Ort und
Stelle zurückgehalten und wie bei einem
natürlichen, unbebauten Grundstück erst
verzögert wieder abgegeben. Innovativ
ist auch die Nutzung des anfallenden Bodenaushubs: Vor Ort diente er zur Errichtung zweier Aussichtshügel auf dem Gebiet der Siedlung, für Lärmschutzwälle zur
nahe gelegenen Autobahn und für
Trockenbiotope. Damit konnten rund
100.000 LKW-Fahrten durch besiedelte
Gebiete vermieden werden. ■
OSTFILDERN:
EINE STADT DER
KURZEN WEGE.
Eine besondere Chance für
Raumplanung wird vorbildlich
genützt: Mitten im heutigen
Stadtgebiet entsteht ein ModellStadtteil mit 3.500 Wohnungen.
Wo früher amerikanische Streitkräfte stationiert waren, entsteht heute ein neuer
Stadtteil, der in vielerlei Hinsicht Modellcharakter hat. Auf 150 ha Gesamtfläche mitten in der deutschen Stadt Ostfildern entstehen 3500 Wohnungen für
8.000 bis 10.000 Menschen. Der Scharnhauser Park soll ein dichter Stadtteil werden. So wird die Fläche nicht zersiedelt
und eine Stadt der kurzen Wege entsteht.
Denn die Haltestellen des schienenge-
Ostfildern: Modellstadtteil Scharnhauser Park.
bundenen Nahverkehrs sollen überall im
Scharnhauser Park innerhalb von 500 Metern Umkreis erreichbar sein. Ein weiterer
wichtiger Faktor ist eine Stadtbahnlinie,
die seit September 2000 den Ballungsraum Stuttgart über den Scharnhauser
Park direkt mit Ostfildern verbindet.
Auch zum Thema Energie hat man sich einiges überlegt. Ziel ist ein zur Sonne hin
orientierter Stadtteil in Südhang-Lage, in
dem Sonnenenergie optimal genutzt werden kann. Niedrigenergiehaus-Standard
und zahlreiche Kollektorenflächen sind
seit Beginn fester Bestandteil der Planung.
Ein Holzhackschnitzel-Heizwerk soll 80%
der Heizenergie der Fernwärme für den
Stadtteil bereitstellen und durch Kraft-Wärme-Kopplung bis zur Hälfte seines Strombedarfs decken. ■
MODELLSTADTTEIL
SCHARNHAUSER PARK.
■ OSTFILDERN (32.068 Einwohner/innen), Deutschland.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 2.
PROJEKT: Realisierung eines neuen
Stadtteils für 8.000 bis 10.000 Menschen auf dem fortgeschrittensten
Stand von Bautechnik und Ökologie,
unter gleichzeitiger Berücksichtigung
soziologischer und ästhetischer Anforderungen. ■
KONTAKT: Stadt Ostfildern, Herr D. Scharbau,
D-73760 Ostfildern, e-mail: [email protected]
„DIE URLAUBSQUALITÄT
DARF NICHT LEIDEN“.
mus. Klimaschutz bringt Lebensqualität,
und die ist das zentrale Kriterium für beide
– für die Einheimischen, die das ganze Jahr
über in einer Ortschaft wohnen und für den
Gast, der nur einige Tage kommt, um sich
zu erholen und zu entspannen.
U&G: Ist „Urlaub vom Auto“ ein Zukunftsmodell?
ZELLMANN: Jein. Urlauber halten sehr
viel von öffentlichen Verkehrsmitteln, vor allem, wenn alle anderen
sie benützen und sie selber dafür
mit ihrem Auto bis vor die Haustür
fahren können. Damit auch die Gäste klimafreundlich mobil werden,
müssen zwei Voraussetzungen geZellmann, Leiter des Ludwig
geben sein: Der öffentliche Verkehr
Boltzmann-Instituts für Freimuss sich wirklich an den Bedürfzeit- & Tourismusforschung
Peter Zellmann,
nissen der Tourist/innen orientieren
in Wien.
Leiter des Ludwig
und die Einheimischen müssen konU&G: Sind Tourismus und KliBoltzmann-Institusequent mit gutem Beispiel voranmaschutz ein Widerspruch?
tes für Freizeit- &
gehen. Wenn die Einheimischen mit
ZELLMANN: Nein, auf keinen
Tourismusforschung
dem Auto fahren, wird den Gästen
Fall. Urlauber haben ein hokaum einleuchten, warum sie mit dem Bus
hes Umweltbewusstsein, sie setzen saubefahren sollten.
re Luft und reines Wasser voraus. Das bedeutet aber, dass man eine intakte Umwelt
U&G: Was erwartet der Tourist denn heute?
nicht extra verkaufen kann, sie ist vielmehr
ZELLMANN: Es gibt zwei Trends: Zum einen
Voraussetzung für funktionierenden Tourismuss eine Region multifunktional sein und
Klimaschutz wird auch für Tourismus-Regionen
zum Thema, wie das mit dem Climate
Star ausgezeichnete Projekt in Bad Hofgastein und Werfenweng zeigt.
Das Siegerprojekt setzt auf autofreien Urlaub – das ist eine Möglichkeit fürs Klima
und gleichzeitig für Bewohner/innen und
Gäste etwas zu tun. Klimaschutz verbessert
die Lebensqualität. Auch den Verantwortlichen des Siegerprojekts Gornij Grad in Slowenien ist bewusst, dass nur eine gesunde
Umwelt Erholungswert besitzt.
KLIMASCHUTZ & TOURISMUS. Wie weit
sind sie tatsächlich vereinbar? Und worauf
muss man dabei achten? Antworten auf diese Fragen gibt Tourismus-Experte Peter
Bad Hofgastein/Werfenweng: Urlaub vom Auto ohne Einbuße an Mobilität. Den Gästen macht es sichtlich Spaß.
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
25
SIEGER& Projekte
damit einen hohen Erlebniswert bieten,
denn die klassischen Zielgruppen haben
sich aufgelöst und die Urlauber sind nicht
mehr so berechenbar wie früher. Auch
kleine Regionen müssen sich daher
von den All-Inclusive-Clubs einiges abschauen. Zum anderen gibt es ein neues
Verständnis für Qualität. Die Gäste haben
eine hohe Erwartungshaltung, die es zu
befriedigen gilt. Dem mit zahllosen Sternen und Hauben entgegenzutreten, wäre
aber nicht der richtige Weg, vielmehr liegt
es an den Mittelklasse-Betrieben, mit den
Freizeitanbietern in der Region zu kooperieren. ■
AUF DIE
SANFTE TOUR.
„Urlaub vom Auto“ kann man in
den Salzburger Tourismusgemeinden Werfenweng und Bad
Hofgastein genießen – und das
ohne Einbuße an Mobilität.
„ALTERNATIVE“ FORTBEWEGUNGSMITTEL. Umweltschonen macht anziehend:
„Sanfte“ Mobilität und autofreier Tourismus sind im Pongau der Schlüssel zum Er-
Bürgerbefragung in Bad Hofgastein/Werfenweng.
folg. Ein sattes Plus von 7,5 Prozent bei
den Nächtigungszahlen konnten jene Hotels und Pensionen aus Werfenweng und
aus Bad Hofgastein einfahren, die sich zu
der Gruppe „Urlaub vom Auto“ zusammengeschlossen haben.
Die Gäste der Sanft Mobil Beherbergungsbetriebe können auf umweltfreundliche Elektromobile, Elektro-Fahrräder und
Scooter umsteigen und kostenlos per Bus
vom und zum Bahnhof fahren. Außerdem
erhalten sie acht Gutscheine für verschiedene ermäßigte Eintritte, Freifahrten etc.
Das Prinzip der ökologischen Mobilität
funktioniert rund um die Uhr: In Werfenweng fährt man gratis mit dem Nachtmobil, in Hofgastein gibt es Postbusse und
Leihfahrräder. Eine Mobilitätszentrale bietet Gästen, die ohne Auto anreisen möchten, umfassenden Service in Sachen Buchung, Transfer und Fortbewegung im Ur-
laubsort. Das Angebot reicht von elektronischer Fahrplanauskunft über Reiseinformation und Fahrkartenbestellung bis hin
zu Mobilitätsberatung.
Der Erfolg gibt den beiden Gemeinden
recht: Die Nächtigungszahlen in den „Urlaub-vom-Auto“-Betrieben liegen weit über
dem Ortsdurchschnitt. Der Anteil der mit
der Bahn nach Werfenweng angereisten
Dauergäste stieg innerhalb von drei Jahren um fast das Dreifache, damit wurden
1,2 Millionen Pkw-Kilometer und 375 Tonnen an CO2-Emissionen eingespart. ■
„SANFTE MOBILITÄT –
AUTOFREIER TOURISMUS“.
■ WERFENWENG (800) und BAD HOFGASTEIN (6.700), Österreich.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 1.
ERFOLG: Beide Gemeinden können einen Zuwachs an Übernachtungen registrieren, der deutlich über dem österreichischen Durchschnitt liegt. In der
Saison 2000/01 reisten bereits 25%
der Dauergäste mit dem Zug nach
Werfenweng (21 beteiligte Betriebe)
an, 1997/98 waren es noch 9% gewesen. Bad Hofgastein (22 beteiligte Betriebe) hat eine Fußgängerzone
im Ortszentrum eingerichtet und
Schulprojekte initiiert.
UNTERSTÜTZUNG: Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, Verkehrsministerium, Wirtschaftsministerium, Land Salzburg, die Gemeinden Bad Hofgastein
und Werfenweng, Europäische Union.
Mit diesem Projekt hat der Pongau im
Rahmen des EU-Projekts „Alps Mobility“ auch Partner in fünf italienischen Alpenregionen gefunden. ■
KONTAKT: Harald Schareiter, Umweltamt der Marktgemeinde Bad Hofgastein, A-5630 Bad Hofgastein,
e-mail: [email protected],
Präsentation der neuen, umweltfreundlichen E-Mobile.
26
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
Gemeindeamt, Dr. Peter Brandauer, A-5453 Werfenweng,
e-mail: [email protected]
AUF FRUCHTBAREM BODEN.
Sparsamer Umgang mit Energie und erneuerbaren Ressourcen:
Schulen vermitteln Verantwortung für die Umwelt.
EIGENTLICH MAG LISA KEINE REGENWÜRMER. „Igitt!“ sagt das achtjährige
Mädchen und starrt doch gebannt auf die
rosa Tiere, die sich da im Abfall tummeln.
Die Lehrerin erklärt der Klasse, wie die
kleinen Würmer im Komposthaufen aus
Jausenbrotresten, verfaulten Äpfeln und
Küchenabfällen wertvolle Erde machen.
Nach der Stunde verstehen die Kinder,
wie wichtig es ist, die Kreisläufe in der
Natur zu schließen. „Mögen tu ich sie noch
immer nicht“, sagt Lisa schließlich, „aber
ich find’s toll, was sie machen“.
KLIMASCHUTZ HÄLT EINZUG IM UNTERRICHT. Aus gutem Grund – wie Niederösterreichs Umweltlandesrat Wolfgang Sobotka meint: „Kinder erfahren und erleben
die Natur mit allen Sinnen. Sie begreifen
die Zusammenhänge und werden als Erwachsene danach handeln. Bei Kindern
fällt das Wissen über die Zusammenhänge von Umweltschutz und Klimabündnis
auf fruchtbaren, nachhaltigen Boden.“ Kinder behalten ihr Wissen nicht lange für
sich. Sie sind stolz auf das Gelernte und
brennen darauf, es anzuwenden. Damit
werden schon die Jüngsten zu großartigen
Multiplikatoren innerhalb der Gesellschaft.
„Wenn Kinder von etwas wie Mülltrennung
oder dem Gärtnern mit Nützlingen überzeugt sind, achten sie nicht nur in ihrem
Alltag darauf. Auch Eltern, Großeltern und
andere nahestehende Menschen lernen
diese Dinge von den Kindern“, ist Sobotka, der selbst an einer höheren Schule unterrichtet hat, überzeugt.
LERNEN MIT ALLEN SINNEN. Klimaschutz
kann auf vielfältigste Weise vermittelt werden, zum Beispiel durch Fächer oder Klassen übergreifende Projekte, Exkursionen
zu Solaranlagen, zu Windparks oder Biobauern oder durch die kreative oder künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Müll.
Die Schüler/innen des Herrenberger
Schickhardt-Gymnasiums (D) haben mit der
Hilfe von Experten das Haus der Zukunft
entwickelt, in dem weder Ressourcen schonender Umgang mit Energie noch menschliche Bedürfnisse zu kurz kommen. Am Lessing-Gymnasium in Norderstedt (D) haben
Schüler/innen selbst eine funktionierende
Solaranlage entworfen und geplant.
Lernen für das Leben können Schüler/innen auch im griechischen Thessaloniki:
Um Kinder und Jugendliche für die Bedürfnisse der Umwelt zu sensibilisieren,
kommen prominente Wissenschafter und
Umweltschützer in die Schulen. In Niederösterreich sollen bereits die Jüngsten
für den Klimaschutz gewonnen werden,
z.B. mit dem Spiel „Katzensprung“ das an
750 Volks- und Sonderschulen ausgeteilt
wurde. ■
SOLARPRAXIS
ERFAHREN.
Die Schüler/innen des LessingGymnasiums in Norderstedt,
Deutschland, haben selbst eine
Solaranlage geplant und gebaut.
UMWELTDIDAKTIK MUSS NICHT TROCKEN
SEIN: Mut, Ausdauer und Umweltwissen –
um diese Kompetenzen zu vermitteln, gibt
es im Lessing-Gymnasium in Norderstedt
ein besonderes Projekt: Die Schüler/innen
haben die Planung und den Bau einer Photovoltaik-Anlage von Anfang an in die
Hand genommen, um ein Umweltprojekt
ganz nah an der Realität kennen zu lernen.
Anfänglich war eine Klein-Solaranlage geplant, die Teile des Energiebedarfs der Cafeteria decken sollte. Im Projektunterricht
wurde aber bald klar, dass eine „kleine“
Norderstedt: Seit April 2001 liefert die Solaranlage aus Schülerhand der Stadt umweltfreundliche Energie.
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
27
SIEGER& Projekte
HERRENBERG:
HÄUSLE MIT
ZUKUNFT.
Norderstedt – Einbeziehung der Bevölkerung.
Solaranlage nicht wirtschaftlich betrieben
werden kann. So entwickelte sich die Idee,
etwas richtig Großes zu bauen.
Technische, finanzielle, wirtschaftliche
und rechtliche Fragen beschäftigten die
verschiedenen Arbeitsgruppen. Profis halfen bei der Erkundung von Fördermöglichkeiten und der Beschaffung von Zuwendungen und Spenden.
Die Anstrengungen haben sich gelohnt:
Seit April 2001 speist die Solaranlage
elektrische Energie in das Netz der Stadtwerke Norderstedt ein. In den ersten zwölf
Monaten hat sie fast 25.000 kWh eingespeist und lag damit 4,6% über der Ertragsprognose. ■
PHOTOVOLTAIKANLAGE
AUF DEM LESSINGGYMNASIUM.
■ NORDERSTEDT (73.300 Einwohner),
Deutschland.
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 2.
PROJEKT: Erzeugung von Sonnenstrom, (Umwelt-)Pädagogik, Eigenständige Planung und Umsetzung
durch Schüler/innen, Vorbildwirkung
für die ganze Stadt, Bewusstseinsbildung für die Solarenergienutzung,
Einbeziehung der Bevölkerung im
Sinne der Agenda 21.
KOSTEN: ca. € 250.000,– ■
KONTAKT: Klimaschutz-Koordination Norderstedt,
Birgit Farnsteiner, D-22846 Norderstedt,
e-mail: [email protected]
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UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
Am Schickhart-Gymnasium erfahren die Schüler ökologisches
Bauen im Praxisunterricht.
DIE GENERATION DER ZUKUNFT PLANT
IHR IDEALES HAUS. Wo soll es am besten
stehen? Aus welchen Materialien soll es
gebaut werden? Woher kommen Heizenergie und Wasser? Und wie sieht der Garten aus? Diese und viele andere Probleme, die jeden Häuslebauer früher oder
später beschäftigen, lernen die Schüler
des Schickhart-Gymnasiums im deutschen
Herrenberg ganz praktisch kennen. Gemeinsam mit Architekten, Baubiologen,
Städteplanern und anderen Experten planten und bauten sie virtuell das Haus der
Zukunft und konnten vor Ort Informationen recherchieren, diskutieren, abwägen
und über deren Zukunftsfähigkeit entscheiden lernen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die
Schüler eignen sich Fachwissen an und
üben mit Finanzmitteln umzugehen und
Kosten von nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Entscheidungen zu vergleichen.
SOLARSTROM REDUZIERT CO2-EMISSIONEN. Eine netzgekoppelte Photovoltaikanlage mit 30 KWp maximaler Leistung
wurde auf dem Dach des SchickhardtGymnasiums installiert und im Sommer in
Betrieb genommen. Die Anlage erzeugt
etwa 27.000 kWh Solarstrom im Jahr
und spart dabei etwa 16 t Kohlendioxidemissionen ein. Leistung, Ertrag und eingesparte Kohlendioxidemissionen werden auf Schautafeln angezeigt, die Anlagedaten können über einen Datenlogger
abgerufen werden.
Rund 70 Herrenberger Bürger finanzierten die Photovoltaikanlage durch den Kauf
von 100 W-Anteilen und vermieten ihre
Anteile für die nächsten 20 Jahre an die
Stadtwerke, die ihrerseits den Betrieb und
die Betriebskosten des Sonnenkraftwerks
übernehmen. Je nach Finanzierungsart
und Marktzins können die Anteilskäufer
den Rückfluss ihrer Investitionskosten
einschließlich einer kleineren Rendite erwarten.
SOLARENERGIENUTZUNG IM STÄDTISCHEN
FREIBAD. Klimafreundlich ist in Herrenberg auch die Erwärmung des Wassers
im städtischen Freibad: Auf dem benachbarten Stadiondach liegen 400 m2 Solarabsorbermatten. ■
Herrenberg – Schulprojekt „virtuelles Haus“.
„HÄUSLE MIT ZUKUNFT“.
■ HERRENBERG (30.500 Einwohner/
innen), Deutschland
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 2.
PROJEKT: Virtuelle Planung und Bau eines zukunftsfähigen Hauses unter
Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Bürgerbeteiligung, Erfahrung mit Solarenergienutzung,
Werbung für Solarenergie. Klimaschutz, CO2-Emissionsminderung, Energieeinsparung, Photovoltaikanlage
auf dem Schuldach, Solaranlage für
das Freibad auf dem Stadiondach:
Einsparungen/a: 150.000 kWh Erdgas, rund 40 Tonnen CO2. ■
KONTAKT: Dr. Konrad Herz, e-mail: [email protected],
Maya Wulz, e-mail: [email protected],
D-71083 Herrenberg,
KLIMABEWUSSTSEIN
AUF KNOPFDRUCK.
„Man muss den Menschen den Klimaschutz
praktisch begreifbar machen“, betont
Wolfgang Mehl, Geschäftsführer und Bundeskoordinator des Klimabündnis Österreich.
U&G: Wie können Gemeinden ihre Bürger/innen zum Klimaschutz bewegen?
MEHL: Menschen können nur mittragen, was
sie verstehen. Das zeigt sich beim Siegerprojekt Greußenheim und bei vielen anderen Projekten. Wir müssen den Menschen vor Augen führen, warum wir etwas
für das Klima tun müssen und was sie davon haben. Gemeindefunktionäre haben
starke Vorbildwirkung, besonders in kleineren Gemeinden. Wenn der Bürgermeister selbst auf das Fahrrad steigt oder zu
Fuß geht, sehen die Bürger, dass etwas
dran sein muss an diesem Gedanken.“
U&G: Wo müssen die Gemeinden ansetzen?
MEHL: Indem sie den Bürger/innen begreifbar machen, welche Vorteile kli-
mafreundliches Handeln bringt. Jeder
Häuslbauer muss sehen, wie viel Geld er
auf der Straße liegen lässt, wenn er nicht
die Kraft der Sonne nutzt und durch kurzsichtiges Sparen bei der Dämmung laufend
deutlich höhere Energiekosten bezahlen
muss. Jeder Pendler muss begreifen, dass
ihm durch öffentliche Verkehrsmittel Staus,
Parkplatzsuche und ständig steigende Benzinpreise erspart bleiben und dass er damit genau die Luft vor Verschmutzung bewahrt, die er selber atmet.
U&G: In welchem Rahmen vermittelt man
das am Besten?
MEHL: Dafür gibt es kein Patentrezept, aber
viele zukunftsweisende Projekte. Die Gemeindezeitung ist ein wichtiges Instrument,
Kein Patentrezept für Bewusstseinsbildung. Klimaprojekte sollen in den Schulen verankert werden.
aber man kann noch mehr tun. Klimaschutzprojekte sollen in den Schulen und
Vereinen der Gemeinde verankert werden;
viele Projekte, die sich um einen Climate
Star beworben haben, setzen schon ganz
gezielt auf diesen Aspekt. Wunderbar ist
auch die Idee des Preisträgers Langenegg,
wo auf einer Tafel alle Gebäude der Gemeinde, in denen alternative Energieträger
genützt werden, mit Leuchtdioden ausgestattet wurden. Das ist Bewusstseinsbildung
auf Knopfdruck. ■
DEN TREIBHAUSEFFEKT STOPPEN
HELFEN.
Alternative Energie soweit das
Auge reicht: Greußenheim in
Deutschland sagt mit einer Fülle
von Projekten dem Klimawandel
den Kampf an.
Die Bürger sind es in der 1.700-Seelen-Gemeinde Greußenheim, die beim Umweltschutz das Sagen haben. In Workshops,
Events, Bürgerforen und Publikationen entwickeln sie ihren ganz persönlichen Beitrag, um dem Treibhauseffekt entgegenzuwirken. Ausgangspunkt war die Agenda
21, ein Beschluss der Umweltkonferenz der
Vereinten Nationen 1992 in Rio: Kommunen übernehmen Verantwortung für die
nachhaltige Entwicklung. Herausgekommen ist eine Fülle an Projekten rund um Klimaschutz und Alternativenergien.
70 Hektar intensives Ackerland wurden in
eine Streuobstwiese umgewandelt; der
Nitratgehalt des Trinkwassers reduzierte
sich dabei fast um die Hälfte.
Im Neubaugebiet Eselsweg hat ein zentrales Heizwerk die vielen einzelnen Heizölbrenner abgelöst und versorgt die Haushalte nun mit Energie aus kalt gepresstem
Pflanzenöl. Dieses reine Pflanzenöl
(Rapsöl) findet auch als Treibstoff in PKW’s
bei privaten Abnehmern Verwendung und
Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
29
SIEGER& Projekte
DIE RICHTIGE ADRESSE
ZUM KLIMABÜNDNIS:
Prima Klima durch Biosprit und Sonnenkraft.
sichert so den Absatz der Landwirte in der
Region. Andere Familien nutzen die Photovoltaik zur Stromerzeugung.
Im gegenüber liegenden Ortsteil versorgt
eine Holzhackschnitzelheizanlage neun öffentliche Gebäude und mehrere Haushalte
mit Wärme und Warmwasser. So werden
pro Jahr 70.000 Liter Heizöl gespart. ■
„ENERGIEMIX 2002:
DEN TREIBHAUSEFFEKT
STOPPEN HELFEN“.
■ GREUSSENHEIM (1.700 Einwohner/innen), Deutschland
■ Ausgezeichnet mit dem
CLIMATE STAR IN DER KATEGORIE 1.
PROJEKTE: Heizkraftwerk (Pflanzenöl),
Holzhackschnitzelanlage, Solaranlagen, Photovoltaik, Erdwärmespeicher,
Niedrigenergiehaus, Pflanzenölmotoren im PKW, Wasserschutzgebiet mit
Lehrpfad als Streuobstwiese, Vernetzung von Biotopen, landschaftsgerechte Gestaltung im Dorf. ■
KONTAKT: Raimund Fischer, Agenda 21-Beauftragter der
Gemeinde Greußenheim, Sonnenstraße 9. D-97259
Greußenheim, e-mail:[email protected],
http//www.Greußenheim.de
30
UMWELT & Gemeinde / Herbst 2002
■ KLIMA-BÜNDNIS/
ALIANZA DEL CLIMA E.V.,
D-60486 Frankfurt
am Main, Galvanistr. 28,
Tel.: 0049-69/717139-0,
Fax: 0049-69/717139-93,
e-mail: [email protected],
Internet: www.klimabuendnis.org
e-mail: [email protected],
Internet: www.umweltberatung.at
■ KLIMABÜNDNIS ÖSTERREICH,
A-1060 Wien, Mariahilfer Str. 89/24,
Tel.: +43-1/5815881, Fax: 5815880,
e-mail: [email protected],
Internet: www.klimabuendnis.at
(Viele Links zu diversen Organisationen)
■ SÜDWIND NÖ-SÜD,
A-2700 Wiener Neustadt,
Bahngasse 46, Tel.: +43-2622/24832,
Internet: www.oneworld.at
■ KLIMABÜNDNIS NIEDERÖSTERREICH,
A-3100 St. Pölten, Wiener Straße 35,
Tel.: +43-2742/26967, Fax: DW-30,
e-mail: [email protected]
■ MAG. WOLFGANG SOBOTKA,
Niederösterreichs Landesrat
für Finanzen, Raumplanung & Umwelt,
A-3109 St. Pölten,
Neue Herrengasse 1,
Tel.: + 43-2742/9005-0
Das Land Niederösterreich
Internet: www.noel.gv.at
■ UMWELTBÜRO
NIEDERÖSTERREICH,
Tel.: +43-2742/22 633,
e-mail: [email protected],
Internet: www.umweltbuero.at
■ „DIE UMWELTBERATUNG“
VERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN
UMWELTBERATUNGSSTELLEN,
A-1140 Wien, Linzerstraße 16/3. Stock,
Tel.: +43-1/804 84 67, Fax: 803 32 32 32,
■ „DIE UMWELTBERATUNG“
NIEDERÖSTERREICH,
A-3100 St. Pölten,
Wiener Straße 54, Stiege A,
Tel.: +43-2742/71829, Fax: DW 120
■ EUROPÄISCHES PROGRAMM
FÜR DEN KLIMAWANDEL,
(European Climate Change Programme),
Internet: http://europa.eu.int/
comm/environment/climat/eccp.htm
■ ÖSTERREICHISCHER KLIMABEIRAT,
(ACCC, Austrian Council on Climate
Change), Internet: http://www.accc.gv.at –
Die Seite bietet tolle Links zu internationalen
Organisationen und Forschungsstellen.
■ PLATTFORM FÜR INNOVATIVE
ENERGIE-TECHNOLOGIE, Initiative des
Verkehrsministeriums mit Vernetzung aller
relevanten Uni-Institute, Forschungsstellen,
Agenturen und zahllosen Infos bis hin
zu den Anbietern,
Internet: www.energytech.at
■ ENERGIEVERWERTUNGSAGENTUR,
(Austrian Energy Agency),
Internet: www.eva.wsr.ac.at
■ ÖGUT, Österreichische Gesellschaft
für Umwelt und Technik,
Internet: www.oegut.at ■
EUROPAWEITES ENGAGEMENT
FÜR DEN KLIMASCHUTZ.
103 europäische Städte und Gemeinden bewarben
sich mit innovativen Projekten um den Climate Star.
■ KATEGORIE 1 –
(BIS 10.000 EW.):
Aspach (D)
Bad Hofgastein (A)
Bellusco (I)
Bruck/Leitha (A)
Cutigliano (I)
Ebensee (A)
Ebreichsdorf (A)
Eschenau (A)
Feldkirch (A)
Gaspoltshofen (A)
Geesthacht (D)
Gleisdorf (A)
Globasnitz (A)
Gornji Grad (SLO)
Greußenheim (D)
Griesheim(D)
Grimmenstein (A)
Gurk (A)
Herrenberg (D)
Hirschberg (D)
Illnau-Effretikon (CH)
Kirchberg/Pielach (A)
Kremsmünster (A)
Kristianstad (S)
Laatzen (D)
Landed District Rybnik (PL)
Langenegg (A)
Lecco (I)
Lembach (A)
Lienz (A)
Luxenburg (L)
Luzern (CH)
Mäder (A)
Mandelbachtal (D)
Markt-Hartmannsdorf (A)
Merzig (D)
Mörfelden – Walldorf (D)
Oederan (D)
Roeser (L)
Schamebeck (D)
Uhldingen-Mühlhofer (D)
UnterrabnitzSchwendgraber (A)
Weiz (A)
Werfenweng (A)
Winsko (PL)
Wolfurt (A)
Wolkersdorf (A)
Ziersdorf (A)
Zwischenwasser (A)
■ KATEGORIE 2 –
(10.000 – 100.000 EW.):
Altötting (D)
Amstetten (A)
Ansfelden (A)
Aquin, Jeremie (Haiti)
Baden (A)
Delmenhorst (D)
Dillingen – Saar (D)
Ditzingen (D)
Donauschingen (D)
Ebersbach Fils (D)
Einbeck (D)
Emden (D)
Engen (Hegau) (D)
Ettlingen (D)
Galway (IRL)
Garbsen (D)
Herdecke (D)
Hollabrunn (A)
Illich-Graffenstaden (F)
Norderstedt (D)
Nürtingen (D)
Ostfildern (D)
Portomaggiore Ferrara (I)
Rybnik (PL)
Rydultowy Municipality (PL)
Saalfelden (A)
Schenkenfelden (A)
Schwaz (A)
Somma Lombardo (I)
Springe/Deister (D)
St. Nikolai (A)
St. Pölten (A)
Tulln (A)
Tuttlingen (D)
Villach (A)
Waidhofen
an der Ybbs (A)
Wolfurt (A)
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■ KATEGORIE 3 –
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Herbst 2002 / UMWELT & Gemeinde
31
P.b.b., Erscheinungsort St. Pölten, Verlagspostamt 3100
Zulassungsnummer: 02Z032040M
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