Unternehmensbewertung von Dialysepraxen Wie ermittelt man den Wert einer Dialyse? Kai W. Trompeter Nephro-Solutions AG Ballindamm 13 20095 Hamburg [email protected] www.nephro-solutions.de Viele Dialysen in Deutschland sind mittlerweile zu kleinen mittelständischen Unternehmen mit Umsatzvolumen, die in der Regel zwischen 2 bis 4 Mio EUR liegen, herangewachsen. Das resultiert daraus, dass die Dialyse zu den personal- und investitionsintensivsten Disziplinen im Gesundheitswesen zählt. Dadurch ist der Arzt gezwungen neben seiner ärztlichen Tätigkeit gleichzeitig umfangreiche kaufmännische Aufgaben zu übernehmen. Konnte der Arzt, der vor vielen Jahren seine Praxis gegründet hat, mit wachsender Dialyse auch in kaufmännische Belange „hineinwachsen“, so kommen heutige Ärzte in diese Unternehmensstrukturen meist ohne große Erfahrung und Ausbildung hinein. Am häufigsten werden Arztpraxen in Deutschland aus Altersgründen veräußert. Hier gilt es eine Nachfolgeregelung zu schaffen. Einige Nephrologen haben bereits vor Jahren damit begonnen, entsprechende Nachfolger aufzubauen und diesen sukzessive Verantwortung und damit auch Anteile an der Praxis zu übertragen. Andere sind noch auf der Suche nach geeigneten Kandidaten. Als Käufer kommen junge Ärzte oder sogenannte Provider in Betracht. Spätestens jetzt stellt sich für den Arzt, der seine Praxis veräußern möchte, die Frage nach dem fairen Veräußerungspreis. Nähert man sich dem Thema Verkauf einer Arztpraxis, dann stößt man unweigerlich auf Begriffe wie Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA), Praxisergebnis, Anlagevermögen und am Ende immer auch auf den Begriff Goodwill. Für die zuerst genannten Begriffe lassen sich in der Welt der Unternehmenstransaktionen klare Definitionen finden, aber wofür steht der Begriff Goodwill? In Deutschland werden die meisten Praxen aus Altersgründen veräußert. Hier gilt es geeignete Nachfolgeregelungen zu schaffen und einen für alle Seiten fairen Veräußerungspreis zu ermitteln. Er erschließt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass sich der Preis einer Praxis aus materiellen und immateriellen Bestandteilen zusammensetzt. Relativ leicht lässt sich der materielle Wert bestimmen. Hierzu werden technische Gerätschaften wie Dialysegeräte, Osmosen, Verbrauchsmaterial, Mobiliar, EDV-Anlagen sowie gegebenenfalls die Immobilie gezählt. Die BWA mit ihrem Anlagevermögen ist hier die Grundlage. Goodwill Mit Goodwill werden die immateriellen Werte einer Praxis quantifiziert. Grundsätzlich beschreibt der Goodwill den Wert der Einnahmen durch Patienten, die auch nach dem Wechsel des Praxisinhabers erhalten bleiben. Hier fließen verschiedene Faktoren ein; wie hoch ist die Bindung der Patienten an die Praxis, wie ist die Lage der Praxis, welche Qualifikation hat das Personal, welche Alternative hat der Patient in erreichbarem Umfeld und viele andere. 30 Spektrum der Dialyse & Apherese I 12/2014 Dies sind Faktoren, die in keiner BWA stehen und die man weder zählen noch wiegen kann. Um den Goodwill zu ermitteln, werden eine Reihe von Verfahren herangezogen. Im einfachsten Fall werden Faustformeln genutzt, die den Wert z. B. anhand der Patientenzahlen bemessen. Dies würde aber bedeuten, dass es gar keinen Unterschied macht, wie eine Praxis organisiert oder ausgestatteten ist bzw. wie sie geführt wird. Das ist sicher nicht einsichtig. Gleichzeitig muss man wohl akzeptieren, dass es den einen „richtigen“ Wert nicht gibt, sondern das jedes Bewertungsverfahren den Wert aus einem eigenen Blickwinkel bestimmt und zu einem eigenen Ergebnis kommt. Somit hat eine Praxis nicht einen Wert, sondern eine Reihe von Werten. Maßgeblich für Käufer und Verkäufer sollte hierbei sein, dass die Risiken und die Preisfindung bei der Veräußerung / Übernahme einer Praxis fair diskutiert und transparent gemacht werden. Das Thema der Preisbestimmung eines Unternehmens, und eine Dialysepraxis ist hier auch so zu sehen, ist glücklicherweise nichts Neues. Es gibt international anerkannte Standardverfahren, die täglich ihre Anwendung finden. Diese kann man in adaptierter Form sehr gut für Dialysen anwenden. Eine der betrachteten Komponenten ist das Ergebnis der Vergangenheit. Sie kommt hier besonders als „Wahrscheinlichkeitskomponente“ in Betracht. Wie wahrscheinlich ist es, dass das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Vergangenheit auch in Zukunft erreicht werden bzw. als Basis für zukünftige Stabilität dienen kann. Die zukünftigen Ergebnisse sind in der Betrachtung allerdings mindestens genauso wichtig und haben natürlich auch entscheidenden Einfluss auf die finale Bewertung. Im Prozess der Preisbindung gibt es viele Aspekte die beachtet werden müssen und deren Anwendung logisch ist, wie z. B. das Ansetzen eines kalkulatorischen Unternehmerlohns für den selbstständigen Arzt, der ja regelmäßig kein Gehalt bezieht, sondern sich aus dem „Überschuss“ versorgt. In der Vergangenheits- sowie in der Zukunftsbetrachtung muss das Betriebsergebnis u. a. um diese Lohnkomponente korrigiert werden. In der Zukunftsbetrachtung ist aber ebenso zu berücksichtigen ob bzw. wann neue Investitionen für die Praxis notwendig sind oder ob eventuell mit einer Änderung der Honorarhöhen zu rechnen ist. Weiterhin von Bedeutung sind längerfristige (und damit möglicherweise teure) Verträge für Praxismaterial oder die Mietverträge für die jeweiligen Räumlichkeiten. Wo bestehen Optimierungsmöglichkeiten, wo gibt es Ineffizienzen? Sind all diese Variablen gefunden und offen diskutiert, ist der Rest im Rahmen der Anwendung entsprechend anerkannter Bewertungsverfahren praktisch nur noch einfache Mathematik. Sorgfältige Bewertung Wenn man sich vor Augen führt, dass es den einen richtigen Wert nicht gibt, ist es eine bewährte Praxis eine Kombination aus den drei genannten Betrachtungsweisen parallel anzuwenden. Hierbei kann jedes einzelne Ergebnis mit einem bestimmten Gewicht in das Endergebnis überführt werden, um ein möglichst umfassendes Gesamtwertbild zu erhalten. Im Rahmen unseres Dienstleistungsangebotes nehmen wir Bewertungen für Käufer und Verkäufer von Dialysepraxen vor. Auch wenn unsere Verfahren aufwendig erscheinen, so geben sie doch am Ende dem Käufer und auch dem Verkäufer eine genaueres und transparenteres Bild als die Anwendung von Faustformeln oder einfachen Berechnungsmodellen. Bei einem solch großen Investment sollte es selbstverständlich sein, besondere Sorgfalt walten zu lassen. Bewertungsmethoden Nephro-Solutions AG: 1. Vergangenheitsanteil (Gewinnmultipel): Um einen Eindruck zu gewinnen, wie erfolgreich eine Praxis in der Vergangenheit aufgestellt war, kann man die Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre und die BWAs des laufenden Jahres daraufhin auswerten, in welchem Verhältnis Kosten und Einnahmen zueinander lagen. Da möglicherweise nicht jedes Jahr gleich ist, wird der Durchschnitt der letzten drei Jahre herangezogen und geprüft, ob das laufende Jahr auch in diese Entwicklung passt. Im Anschluss wird dieser genormte Ergebniswert mit dem Gewinnmultipel multipliziert, den wir als allgemeinen Benchmark aus abgewickelten Transaktionen vergleichbarer Fälle ermitteln. 2. Zukunftsanteil (Discounted Cash Flow - DCF) Das DCF Verfahren berücksichtigt die nominalen Reinerlöse der Zukunft und diskontiert diese in der Regel um 2 Faktoren. Hier wird im ersten Schritt eine möglichst genaue Finanzplanung von mindestens 5 Jahren vorgenommen, in der sämtliche zu erwartenden Einnahmen und Kosten berücksichtigt werden. Es ist üblich die Planung anschließend auf insgesamt 10 Jahre über die Annahme konstanter Einnahmen / Kosten bzw. linearer Steigerungsraten auszuweiten. 31 Unternehmensbewertung von Dialysepraxen Die sogenannten Reinerlöse aus diesen 10 Jahren werden dann über einen Kapitalkostensatz abgezinst (Weighted Cost of Capital). Dabei ist dieser Zinssatz nicht zu verwechseln mit dem Kreditzins einer Bank. Dieser Zins richtet sich vielmehr nach dem Risiko, welches ein Käufer bei der Übernahme einer Praxis eingeht, und wie viel er erwirtschaften muss, um zukünftige Investitionen sicher leisten zu können. Damit ist der Fortbestand der Praxis abgesichert und diese kann erfolgreich weitergeführt werden. 3. Liquidationswert = Materieller Wert In die Praxisbewertung fließen neben messbaren auch nicht-messbare Faktoren ein, die durch geeignete Verfahren ermittelt und gewichtet werden. Im Ergebnis liefern sie die Basis für eine transparente und faire Vertragsgestaltung bei einer Praxisveräußerung. Der Liquidationswert ist der Erlös bei Verkauf aller Vermögensgegenstände eines Unternehmens abzüglich der Zahlung aller Schulden. Dieser Wert ist in der Regel sehr viel geringer als ein Wert gemäß Gewinnmultipel oder DCF. Daher sollte er auch nur eine geringe Gewichtung im Bewertungsmix haben. Seine Rechtfertigung hat er aber dennoch, da er z. B. neuwertige Geräte, also gerade erst getätigte Investitionen, entsprechend positiv in die Bewertung einbezieht. Alle o. g. Verfahren ziehen auf der einen Seite Faktoren heran, welche diskutierbar sind (Gewinnmultipel, Diskontsatz, Risikozuschlag, Gewichtung der verschiedenen Verfahren). Hierfür lassen sich jedoch in der Regel Vergleichswerte (Benchmarks) finden, die man als Grundlage der Bewertung heranziehen kann. Damit lässt sich die Diskussion um die nicht-messbaren Komponenten weitestgehend versachlichen. Abb. 1: Scorecard Beteilungsanalyse Wert je Patient Eine der gebräuchlichsten Faustformeln ist immer noch der Wert pro Patient. Neben der ethisch schwierigen kaufmännischen Betrachtung eines Patienten ist auch die inhaltliche Betrachtung problematisch. So errechnet sich aus der Anzahl der Patienten nicht 1:1 die Anzahl an durchgeführten Dialysebehandlungen. In der Praxis liegt das Verhältnis eher bei 80 - 85 %. Es kann also bei der Bewertung nicht um den einzelnen Patienten, sondern lediglich um ein abrechnungstechnisches Äquivalent gehen. Scorecard Für uns ist es wichtiger zu erkennen und zu beschreiben wie gut die Patienten in der Vergangenheit in der Praxis betreut und behandelt wurden. Deshalb liegt unser Hauptaugenmerk auf den entsprechenden Faktoren der Scorecard. Nur wenn der Patient die im Rahmen der Vergütung optimale Behandlung erfährt, hat sich die Praxis entsprechend gut aufgestellt. Eine Unternehmensübernahme bzw. Veräußerung ist aber auch immer eine Sache der Verhandlung und wird sich damit innerhalb einer MinimalMaximalspanne bewegen. Dabei ist es ebenso wichtig ein Verfahren zu nutzen, welches verfizierbare und quantifizierbare Faktoren berücksichtigt. Wir nutzen zu diesem Zweck eine Scorecard in der wir versuchen den o. a. Goodwill zu analysieren und Scorecard Beteiligungsanalyse Situation OPT IST 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Patienten 32 Spektrum der Dialyse & Apherese I 12/2014 Kosten Qualität Wettbewerb Standort letztlich auch zu quantifizieren. Wir betrachten hier unter anderem die Patientenstruktur einer Praxis (Durchschnittsalter der Patienten, Auslastung der Ärzte etc.), die Kostenstruktur und vergleichen Sie mit anderen Dialysepraxen. Wir erheben Daten zur Qualitätsmessung, analysieren die Wettbewerbs- Vergangenheitsanteil (Gewinnmultipel) situation, den Standort und einige Punkte mehr (Abb. 1). All diese Faktoren zeigen uns an, wie weit eine Praxis vom Optimum abweicht. Sie bieten somit einen korrigierenden Faktor der uns dabei unterstützt, eine Preisspanne (Abb. 2) zu bilden. Zukunftsanteil (Discounted Cash Flow DCF) Liquidationswert (Materieller Wert) Abb. 2: Einflussfaktoren zur Bildung einer Preisspanne Goodwill (Immaterieller Wert) Scorecard (Korrekturfaktor) Preisspanne Fazit Die Bewertung von Arztpraxen stellt immer noch einen Sonderfall der Unternehmensbewertung dar. Auf Basis verifizierbarer und quantifizierbarer Daten sowie unterstützt durch Benchmarks und Scorecards kann sie trotzdem nachvollziehbare und realistische Ergebnisse liefern. Unsere Bewertungssystematik gewichtet die angesprochenen Verfahren so, dass Annahmen, Wertansätze oder Bewertungskriterien sowohl für den Verkäufer als auch für den späteren Erwerber zu einer transparenten und klar formulierten Vertragsgestaltung führen. Falls Sie Fragen zu dem Verfahren oder wir Ihr Interesse daran geweckt haben, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. Artikel Online 33