Foto: Holger Talinski, Berlin Ein hochkomplexes Thema Gabriele von Kardorff: „Lichtqualitäten stellen sich uns heute mit der Ohne beständiges Engagement und Fachwissen kann ein komplexes Thema wie Lichtplanung nicht gelingen. Kardorff Ingenieure wurden dafür im Mai zum Lichtplanungsbüro des Jahres im Deutschen Lichtdesign Preis gekürt. Ein Preis der neben der Freude über die Anerkennung auch Verpflichtung für die Zukunft bedeutet. neuen Technologie in einer ­enormen Bandbreite dar.“ Berlin ist immer eine Stadt im Werden, voller Lücken, unfertig und damit voller Überraschungen. Und das hat es in den letzten Jahren für uns auch so anregend gemacht, genau hier zu sein. Vor diesem Hintergrund ist die Infrastruktur Berlins für uns sehr spannend – ein Beispiel ist unsere Arbeit für die öffentliche Beleuchtung Berlins. Ihr Büro ist nicht nur in Berlin beheimatet, sie haben hier auch schon eine Vielzahl von Projekten lichtplanerisch begleitet. Kann man Sie als Berliner Lichtplanungsbüro bezeichnen? Gabriele von Kardorff: Wir fühlen uns als Berliner Büro, weil wir natürlich mit der Stadt sehr verbunden sind. Gleichwohl sind wir weit über die Grenzen Berlins hinaus tätig. Betrachtet man die Gesamtheit aller Projekte, so machen die Berliner 10-20 % aus. Volker von Kardorff: Wir sind mit dieser Stadt eng verbunden und haben zu vielen Themen eine Meinung – das identifiziert uns mit der Stadt. Kundenfläche Welche Projekte in Berlin würden Sie im Moment besonders reizen? V.v.K.: Vielleicht den Neubau des Flughafens, die Sanierung des ICC oder eine neue Landebeleuchtung für den Flughafen Tempelhof. Aber im Ernst: Foto: Graft Autostadt Welches Thema betrachten Sie heute und für die nahe ­Zukunft aus gestalterischer Sicht als bedeutsam? V.v.K.: Uns interessiert, wie sich das Verhältnis zum Material entwickelt oder gar verändert. Das Thema der Materialge­ rechtigkeit, das uns so vertraut ist – also wie Holz oder Stein aussieht, das scheint sich in der jüngeren Generation zu verändern. Ich finde es sehr interessant, dass Apple, ein Unternehmen, das als führend im Design gilt, mit weißem und transparentem Kunststoff identifiziert wurde. Das aktuelle iPhone hingegen besteht aber aus Glas und Metall; da verändert sich etwas. Ich glaube, dass die jüngere Generation offener mit Material umgeht und nicht in strengen Kategorien denkt. Diese Entwicklungen sind für uns, die wir Licht in Interaktion mit Material planen, sehr wichtig zu erkennen. 4 Wie intensiv tauschen Sie sich über den Stand der LEDTechnik aus? G.v.K.: Wir haben zur Zeit einen besonders großen Informationsbedarf über die neue Technik und ihre Anwendung. Es findet ein reger Austausch mit den Herstellern statt. Wir schauen uns die Lichtwirkungen genau an und wollen verstehen, wie die neuen Produkte beschaffen sind. Als professionelle Lichtplaner bekommen wir schon sehr früh neue Produkte zu sehen – was uns natürlich auch auf innovative Ideen bringt. Außerdem haben Bauherren und Architekten aktuell einen großen Informationsbedarf. LICHT+RAUM 04 | 2013 www.DBZ-lichtundraum.de Interview | Aktuell Bei neuen Technologien müssen wir uns zudem mit möglichen technischen Problemen und Risiken befassen. So lassen wir teilweise LED-Leuchten an der TU Berlin vermessen – die Ergebnisse sind dann Basis für die ­Gewährleistung. V.v.K.: Was man aber überhaupt nicht hoch genug einschätzen kann ist, jetzt Lichtplaner zu sein. Die Situation, dass die LED die 4. Art der Lichterzeugung ist, nach Feuer, Glühlampe und Entladung, ist schon Innovation genug. Was ebenso spektakulär ist, ist der Wandel der Bauherren. Durch das Thema LED haben wir es jetzt mit Bauherren zu tun, die eine gesteigerte Anforderung aber auch Wertschätzung dem Thema Licht gegenüber haben und mit Freude in diese Dinge investieren. Bauherren müssen nicht mehr von der Wichtigkeit des Lichts für die Identität ihres Gebäudes überzeugt werden. Was halten Sie von Retrofits? G.v.K.: Das ist eher kein Thema für Lichtplaner. V.v.K.: Ein Übergangsmodell. Vielleicht bei historischen Leuchten notwendig. Aber auch hier gibt es bei den Leuchten eine Entwicklung die LED weiter zu integrieren – also weg von den Retrofits. zu verschiedenen Zeiten ins Projekt eingebunden werden kann. Wir haben so viele Arbeits- und Beratungsmöglichkeiten, dass wir an verschiedenen Punkten ansetzen können. Und außerdem dokumentiert ja auch die Tatsache, dass wir zum Teil noch sehr spät hinzugezogen werden, dass man dort noch eine Stellschraube entdeckt hat. Dann erleben wir eine Offenheit und große Neugierde, ob das jetzt noch funktioniert. Und gerade solche Projekte machen einen großen Spaß. G.v.K.: Unser Investitionsanteil an einem Gebäude ist gering. Aber die Wirkung im Vergleich zur Höhe der ­Investition relativ groß und offensichtlich. Braucht es viel Geld für eine gute Lichtplanung? V.v.K.: Ja. Aus zwei Gründen. Es ist eine intensive Planung, es müssen gut ausgebildete Leute zur Verfügung stehen, die nicht nur gestalterisch, sondern auch technisch up-to-date sind und diese Arbeit muss auch geschätzt werden. Eine hochwertige Lichtplanung ist aufwändiger und teurer als eine primitive. Bauherren wollen eine hochwertige Lichtlösung und akzeptieren, dass diese auch ihren Preis hat. Das Entscheidende ist, möchte der Bauherr das Geld gerne ausgeben oder nur widerwillig. Daran müssen wir arbeiten, dass es eine positive und wertvolle Geldausgabe ist für eine bessere Architektur. Die guten fertigen Beispiele sind der beste Hintergrund für eine solche Überzeugung. Das Geschäftshaus F40, Berlin erhielt eine Auszeichnung mit dem Deutschen Licht­ designpreis Wird die Welt durch das Leuchtmittel LED nicht irgendwie flacher? V.v.K.: Flach in zweierlei Wortbedeutung: Es gibt die Integration, die zu dünnen Lichtflächen führt – also zu einer Art Entmaterialisierung, zum Anderen gibt es den Trend zur Körperlichkeit, zum Objekthaften. Flach sind manchmal auch die Lösungen selbst: Eine neue Technologie wird nicht genauso virtuos, sensibel, hintergründig eingesetzt wie bei tradierten Technologien. Ich muss ja erst einmal verstehen, wie sie funk­ tioniert. Wenn man in dieser Situation ist, tendiert man ­entweder dazu etwas wie gewohnt zu handhaben, oder ungestüm der neuen Technologie und ihren Farbmöglichkeiten zu viel Raum einzuräumen. Haben Sie im Laufe ihrer Berufspraxis erlebt, dass sich die frühe Einbindung in ein Projekt durchgesetzt hat? G.v.K.: Es gibt die Tendenz, dass wir als Lichtplaner immer früher hinzugezogen werden. Dennoch können wir in späteren Phasen noch sehr viel beeinflussen, da die Installationen für die Beleuchtung im Bauablauf weit hinten liegen. Wir haben natürlich mehr Potential für den Lichtentwurf, wenn wir früh eingebunden sind. V.v.K.: Es ist auch eine Chance, dass man als Lichtplaner Studium des Bauingenieurwesens an der TU München und TU Braunschweig, Masterstudium MSc Environmental Design and ­Engineering an der Bartlett School of Architecture, University College London Ab 1988: Bürogemeinschaft mit Jan Cousin, Ökotekt, Hamburg Ab 1992: DS-Plan GmbH Stuttgart und Berlin, ­Geschäftsleitung Seit 2002: Kardorff Ingenieure Lichtplanung Aktuelle Projekte: Nationalmuseum Stockholm, ­Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Sanierung Bühnen Köln OLED-Pendelleuchte in einem Verwaltungsgebäude in Berlin Volker von Kardorff Fotos (3): Linus Lintner Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen den neuen Technologien und dem Lichtkomfort? G.v.K.: Lichtqualitäten stellen sich uns mit der neuen Technologie in einer ungeheuer großen Bandbreite dar. Mit der OLED z. B. haben wir erstmalig ein Leuchtmittel, in das ich praktisch blendfrei hineinschauen kann, das ein volles Spektrum hat und uns damit relativ nah ist. Es unterscheidet sich von allen bisherigen Leuchtmitteln und schafft eine andere Atmosphäre. Bei dem hochkonzentrierten Licht der LED hingegen müssen wir uns immer damit beschäftigen, wie wir entblenden, wie wir das Licht verteilen. Hier ist eine starke Auseinandersetzung mit dem Lichtkomfort nötig. Gabriele von Kardorff Museum für Architekturzeich- Studium der Architektur an der TU Braunschweig und der Universität Stuttgart; Course MSc Light and Lighting, The Bartlett School of Architecture, University College London Ab 1994 Bartenbach LichtLabor, Innsbruck Ab 1995: Büroleitung Bartenbach LichtLabor, Berlin 1997: Gründung des Büros Kardorff Ingenieure Lichtplanung Ab 2011: Honorarprofessur an der FH Potsdam, ­Fachgebiet Lightingdesign Aktuelle Projekte: Trianon Hochhaus Frankfurt, ­Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin, Lichtmasterplan für die Autostadt Wolfsburg www.kardorff.de nung, Berlin 5