Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung Pharmazeuten

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URL: http://www.uni-jena.de/Mitteilungen/PM140527_Werz.pdf
Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung
Pharmazeuten entwickeln drei neue Wirkstoff-Kandidaten gegen
Entzündungen
Es ist so etwas wie die Schutzpolizei unseres Körpers: das Immunsystem. Eindringende
Krankheitserreger werden von ihm unschädlich gemacht, verletztes Gewebe abgebaut und die
Wundheilung gefördert. Bei dieser Form der "Selbstverteidigung" spielen Entzündungsreaktionen
eine entscheidende Rolle. Doch manchmal läuft die Verteidigungsstrategie des Immunsystems aus
dem Ruder und Zellen oder Gewebe des eigenen Körpers geraten ins Visier: "Dann kann es zu
überschießenden Entzündungsreaktionen kommen und Krankheiten entstehen", weiß Prof. Dr.
Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und nennt Asthma, Rheuma,
Arteriosklerose oder Krebs als Beispiele. Und: "Für viele dieser Erkrankungen gibt es bisher nur
wenige wirksame Therapien ohne massive Nebenwirkungen."
Doch das Forscherteam um den Jenaer Pharmazeuten hat jetzt gleich drei neue Wirkstoffe
entwickelt, mit denen sich Entzündungserkrankungen künftig vielleicht besser behandeln lassen. In
renommierten Fachzeitschriften stellen die Forscher die potenziellen Therapeutika vor, die ein
Schlüsselenzym der körpereigenen Entzündungskaskade drosseln.
"Das Enzym mit dem Namen 5-LOX spielt eine zentrale Rolle in der Synthese von sogenannten
Leukotrienen, die an zahlreichen immunologischen und entzündlichen Prozessen beteiligt sind",
erläutert Prof. Werz. Schon lange stehe daher der Versuch, die Leukotrien-Synthese zu
verhindern, im Fokus der internationalen Forschung zur Entzündungstherapie. "Tausende
Publikationen sind dazu in den vergangenen Jahren entstanden", weiß Werz. Doch bis auf eine
Ausnahme, habe es bisher keiner dieser Ansätze bis zur Medikamentenentwicklung geschafft.
Entweder sei die Wirksamkeit der Substanzen zu gering oder von unerwünschten Nebeneffekten
begleitet.
Wo das Schlüsselenzym 5-LOX verwundbar ist
Ursache für diesen unbefriedigenden Forschungsstand sieht der Jenaer Pharmazeut in dem bisher
unzureichenden Verständnis der zellulären Regulation der Leukotrien-Biosynthese und der
fehlenden Kenntnis der molekularen Mechanismen der Interaktion von Wirkstoff und Zielmolekül.
"Statt eine Vielzahl von Substanzen zu testen um zu sehen, ob eine davon vielleicht eine Wirkung
zeigt, haben wir uns 5-LOX genau angeschaut und gefragt, an welchen Stellen dieses Enzym
überhaupt angreifbar ist und wie Wirkstoffe aussehen müssten, die mit unserem Zielmolekül
wechselwirken können", beschreibt Werz den grundlagenorientierten Ansatz. Auf diese Weise
konnten die Wissenschaftler der Uni Jena gemeinsam mit Partnern aus Österreich, Italien, der
Türkei und Griechenland drei geeignete Wirkstoffkandidaten identifizieren.
Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung
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So erweist sich ein sogenanntes Benzochinon als wirksamer Hemmer der 5-LOX. Dabei handelt es
sich um eine Substanz, die von dem Naturstoff Embelin aus dem "Falschen schwarzen Pfeffer"
(Embelia ribes) abgeleitet ist. Die Pharmazeuten konnten zeigen, dass sich diese Substanz
passgenau in das aktive Zentrum des Enzyms einfügt und so dessen Funktion blockiert. "Das
geschieht sehr spezifisch nur bei 5-LOX", sagt Werz und betont, das Benzochinon deshalb
praktisch kaum Nebenwirkungen zeigen dürfte.
Ähnlich vielversprechend hat sich eine Substanzverwandte des rotvioletten Farbstoffs Indirubins,
namens 6-BIO, gezeigt. Auch für diese Substanz haben die Jenaer Forscher den
Wirkmechanismus aufgeklärt: das 6-BIO hemmt das Enzym 5-LOX, in dem es für seine Funktion
notwendige Andockstellen für andere Moleküle blockiert. "Zusätzlich greift 6-BIO auch in die
Synthese von Entzündungsfaktoren - den Zytokinen - ein, so dass es zusätzliche Synergieeffekte
gibt." Dies mache 6-BIO etwa für die Therapie der Alzheimer-Krankheit interessant, bei der
Zytokine ebenfalls eine Rolle spielen.
Der dritte Wirkstoffkandidat aus dem Jenaer Uni-Labor hemmt die 5-LOX nicht selbst, sondern
schaltet ein Helfer-Eiweiß aus, das das Enzym für seine Wirkung in der Zelle braucht. Diesen
Wirkstoff, ein Benzimidazol mit der Kurzbezeichnung BRP-7, haben die Forscher durch ein
virtuelles Screening in einer fast drei Millionen Substanzen umfassenden Bibliothek identifiziert.
"Alle drei Kandidaten sind aus unserer Sicht für eine weitere Medikamentenentwicklung sehr gut
geeignet", fasst Prof. Werz zusammen. Allerdings sei dafür nun die Unterstützung der
Pharmaindustrie gefragt.
Original-Publikationen:
Schaible AM et al. Elucidation of the molecular mechanism and the efficacy in vivo of a novel
1,4-benzoquinone that inhibits 5-lipoxygenase. British Journal of Pharmacology 2014
(DOI:10.1111/bph.12592)
Pergola C et al. Indirubin core structure of glycogen synthase kinase-3 inhibitors as novel
chemotype for intervention with 5-lipoxygenase. Journal of Medical Chemistry 2014
(DOI:10.1021/jm401740w)
Pergola C et al. The novel benzimidazole derivative BRP-7 inhibits leukotriene biosynthesis in vitro
and in vivo by targeting 5-lipoxygenase-activating protein (FLAP). British Journal of Pharmacology
2014 (DOI:10.1111/bph.12625)
Kontakt:
Prof. Dr. Oliver Werz
Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Philosophenweg 14, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949801
E-Mail: [email protected]
Meldung vom: 27.05.2014 09:10 Uhr
Pharmazeuten entwickeln drei neue Wirkstoff-Kandidaten gegenEntzündungen
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