Holst, Elke: Die Stille Reserve am Arbeitsmarkt

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Holst, Elke: Die Stille Reserve am Arbeitsmarkt
edition sigma, Berlin 2000, 319 S., € 19,90
Aus personalpolitischer Sicht könnte die Stille Reserve in der derzeitigen Verfassung
des Arbeitsmarktes als Datum von untergeordneter Bedeutung erscheinen. Antizipiert
man
jedoch künftige Probleme der Personalstruktur von Belegschaften, dann sind Erkenntnisse
über Größe und Zusammensetzung der Stillen Reserve schon allein als empirisches
Faktum
und zu berücksichtigende Randbedingung für die Personalwirtschaft von großem
Interesse.
Die Arbeit von Elke Holst empfiehlt sich aber nicht nur, weil sie die vorliegenden
Befunde
zusammenträgt und auf sekundäranalytischer Basis des Sozio-oekononischem Panels um
detaillreichere
Schätzungen ergänzt. Die Dissertationsschrift, entstanden am DIW und der TUBerlin
unter der Gutachterschaft von Jürgen Kromphardt, ist auch aus theoretischer Sicht
interessant.
Elke Holst entwickelt ihren theoretischen Bezugsrahmen – Anschluss an eine historisch
rückblickende Einleitung zum Forschungsfeld – auf strikt mikroökonomischer Basis.
Ausgangspunkt ihrer Diskussion sind das allgemeine Gleichgewichtsmodell und seine
Grenzen.
In der Folge erläutert die Autorin mit der Suchtheorie, der Humankapitaltheorie und der
Neuen Haushaltsökonomie zentrale Weiterentwicklungen der neoklassischen
Arbeitsmarkttheorie.
Die Neue Haushaltsökonomie und die kritische Auseinandersetzung mit den Thesen
Gary S. Beckers ist von Bedeutung, weil die Autorin Fragen des geschlechtsspezifischen
Verhaltens am Arbeitsmarkt besondere Aufmerksamkeit widmet. Sie diskutiert daher
nicht
nur geschlechtsspezifische Implikationen der neoklassischen Theoriebildung, sondern
auch
machttheoretische Argumente über die Verhandlungen in Haushalten zur
Weiterentwicklung
der Neuen Haushaltsökonomie. Die hier vorgestellten Argumente sind in verschiedener
Hinsicht
von Interesse, nicht zuletzt für eine feministisch orientierte Wirtschaftswissenschaft.
Mit Blick auf die allgemeinere Theoriebildung sind die Ausführungen zur neoklassischen
Grundannahme der Stabilität von Präferenzen besonders wichtig. Im Kontext von
Entscheidungen,
die wie Entscheidungen über die eigene Berufskarriere innerhalb der Verweildauer
in der Stillen Reserve Prozesscharakter annehmen, sind auch für Volkswirte Präferenzen
und ihre Änderungen diskutierbar und zu diskutieren: Dies konzediert mittlerweile auch
Gary
S. Becker. Elke Holst basiert ihre weiterführenden Überlegungen zu einer Theorie der
Präferenzänderungen auf den Annahmen Jon Elsters zur adaptiven Präferenzbildung. In
dieser
Perspektive ist der familiale Sozialvertrag eine institutionell verankerte Rahmenbedingung
für das Erwerbsverhaltungen von Frauen und Männern.
In den empirischen Teilen der Arbeit informiert die Autorin zunächst über MakroAnsätze zur Schätzung der Stillen Reserve, die hier zu Lande insbesondere vom IAB
durchgeführt
werden. Bevor Elke Holst ihren eigenen Mikro-Ansatz vorstellt, informiert sie in ihrer
Arbeit über alternative Ansätze zur direkten Ermittlung der Arbeitmarktreserve. Die
eigenen
Schätzungen basieren, wie einleitend erwähnt, auf der Datenbasis des
Soziooekononischen
Panels. Die Autorin nutzt das Potenzial dieses Datensatzes, indem sie nicht
nur Querschnittsanalysen zu verschiedenen Messzeitpunkten in Phasen der Eintrübung
und
der Entspannung des Arbeitsmarktes präsentiert, sondern darüber hinaus Veränderungen
im
Längsschnitt, beginnend im Jahr 1988, empirisch nachzeichnet. Überraschend ist dabei
der
Befund, dass die These, vorwiegend Frauen bilden die Reservearmee auf dem
Arbeitsmarkt,
im Acht-Jahre-Längsschnittvergleich (1988-1996) nicht bestätigt werden kann.
Ein sowohl hinsichtlich der empirischen Befunde als auch bezüglich der theoretischen
Herleitung spannender Text, der sich auf Grund der klaren Sprache nicht nur
wissenschaftlich
Interessierten, sondern auch in der Personalarbeit großer Organisationen praktisch tätigen
Wirtschaftswissenschaftlern empfiehlt.
Flensburg, 25.3.2003 Wenzel Matiaske*
Fink, Gerhard / Meierewert, Sylvia (Hg.):
Interkulturelles Management. Österreichische Perspektiven
Springer, Wien, New York 2001, 346 S., € 55,-
In diesem Band werden Forschungsergebnisse des Forschungsinstituts für Europafragen
der Wirtschaftsuniversität Wien zusammengetragen. Es kommen darin die Erfahrungen
von 400 österreichischen und 150 ausländischen Managern zum Ausdruck. Im ersten Teil
werden in elf Beiträgen Ergebnisse aus verschiedenen Projekten, Diplomarbeiten und
Dissertationen
zu managementrelevanten Kulturstandards vorgestellt. Den zweiten Teil bilden
fünf Beiträge zur interkulturellen Forschung, die bereits bei verschiedenen internationalen
Kongressen vorgestellt wurden. Daneben gibt es je einen Beitrag zur Einführung und zum
Ausklang.
Nach der Einführung in die Kulturstandardmethode und das Buch werden englische,
französische, slowenische und tschechische Kulturstandards aus österreichischer Sicht
sowie
österreichische Kulturstandards aus belgischer Sicht vorgestellt, und es findet eine
Gegenüberstellung
von österreichischen und italienischen bzw. österreichischen und ungarischen
Kulturstandards statt. Ein Vergleich deutscher, österreichischer und schweizerischer
Kulturstandards
deckt Unterschiede auf, die aufgrund der Hofstede-Untersuchung nicht erwartet
werden. Interessante Ergebnisse liefern auch die Vergleiche von deutschen,
österreichischen
und tschechischen bzw. spanischen Kulturstandards. Den Abschluss dieses Teils bildet ein
Vergleich zwischen Österreichern und Chinesen, der – nicht unerwartet – große
Kulturunterschiede
aufdeckt.
Im zweiten Teil werden zunächst die Bedeutung interkultureller Kompetenz in
Management
und Forschung sowie Schwierigkeiten der Interview-Methode herausgestellt. Darauf
folgen Überlegungen zu der Integration von Kultur und ressourcenorientiertem
Management
zu einem Wissensmanagement aus interkultureller Perspektive. Eine Untersuchung zu
(Miss-)Erfolgsfaktoren kultureller Integration bei Mergers & Acquisitions schließt diesen
Teil ab. „Zum Ausklang“ wird die Bedeutung interkultureller Kompetenz für das
internationale
Management nochmals betont.
Das Buch wendet sich an die üblichen Adressaten, d.h. Manager, Studierende und
Wissenschaftler. Nachdem die Österreicher den Deutschen doch nicht so ähnlich zu sein
scheinen, wie es die Forschung mithilfe der seit Hofstede allseits bekannten
Kulturdimensi* Prof.
Dr. Wenzel Matiaske, Professur für ABWL, insb. Personal und Organisation am
Internationalen
Institut für Management der Universität Flensburg, Auf dem Campus 1, D – 24943
[email protected].
Flensburg und „Werkstatt für Organisations- und Personalforschung“ e. V., Berlin. E-Mail:
onen Glauben machen will, kann es nicht schaden, wenn österreichische Manager den
einen
oder anderen Beitrag des ersten Teils lesen. Studierende jedoch müssen in der Form nicht
mit der – sicherlich interessanten – Kulturstandardmethode vertraut gemacht werden. Wer
selbst in dieser Richtung forscht, findet im ersten Teil Hinweise auf und Anregungen für
Untersuchungen. Der zweite Teil des Bandes hat wenig bis gar nichts mit dem ersten zu
tun,
und man würde sein Fehlen nicht vermissen. Vor diesem Hintergrund kann zur selektiven
Lektüre geraten, von einem Kauf aber nur abgeraten werden.
Hagen, 24.07.2003 Ewald Scherm_
Lengnick-Hall, Mark L. / Lengnick-Hall, Cynthia A.: Human Resource
Management
in the Knowledge Economy: New Challenges – New Roles – New Capabilities
Berrett-Koehler Publisher, San Francisco 2002, 204 S., € 33,-
Bereits der erste Absatz im Vorwort macht deutlich, dass dieses Buch Ende des Jahres
2002 in Texas geschrieben wurde. In der gleichen Art und Weise, wie das US-Militär in
den
letzten Jahren eine neue und außergewöhnliche technologische Überlegenheit schuf, um
dem weltweiten Terror zu begegnen, müsse nach Ansicht der beiden Verfasser auch das
Human Resource Management eine neue Qualität erlangen. Gesucht ist ein
Quantensprung;
das alte konventionelle Arsenal genügt nicht mehr den neuen Herausforderungen. Dieser
Einstieg – entweder politische Überzeugung oder zumindest für die U.S.A. eine
zweifelsohne
publikumswirksame Verbeugung vor der neu erstarkten Militärmacht und dem wieder
entdeckten Patriotismus – dürfte im deutschsprachigen Bereich polarisieren: Freunde der
Politik von George W. Bush werden den Text begeistert weiter lesen, die Gegner seiner
politischen
Grundauffassung ein etwas skeptisches Gefühl entwickeln.
Aber unabhängig von diesem sicherlich unterschiedlich zu bewertenden Start: Das
Buch ist lesenswert!
Warum ist das Buch lesenswert? Es beschreibt treffend die aktuellen Entwicklungen
im HRM, und zwar vor allem in der Wissensgesellschaft, da dort die höchsten
Anforderungen
an die Personalarbeit gestellt werden. Kapitel 1 A New Imperative for Human Resource
Management bringt hierzu als Einleitung zwei wichtige Gedanken: die Notwendigkeit für
das HRM, zum einen im eigenen Überlebensinteresse seine Grenzen auszuweiten, zum
anderen
über seine eigenen Rollen nachzudenken. Diese oberste Direktive wird flankiert durch
die in Kapitel 2 beschriebenen Anforderungen aus der Umwelt (Human Resource
Management
in the Knowledge Economy). Zentraler Punkt hier: Der zunehmende Wettbewerb, der
gerade in wissensintensiven Branchen und Unternehmen eingetreten ist und relativ
unabhängig
von der konjunkturellen Lage nur die Organisationen überleben lässt, die sich hier
ihre Chancen erarbeiten und diese radikal nutzen. Dies alles setzt – und dieser
Gedankengang
ist spätestens an dieser Stelle für den Leser vollkommen nachvollziehbar – nicht nur
ein generelles Nachdenken über „Rollen“ voraus, sondern auch eine Palette ganz spezifi_ Univ.-Prof. Dr. Ewald Scherm, Lehrstuhl für BWL, insb. Organisation und Planung,
FernUniversität
in Hagen. Veröffentlichungen: u. a. Internationales Personalmanagement, 2. A., München,
Wien 1999; Internationales Management, München 2001
scher Rollen. Sie sind Gegenstand der nachfolgenden Kapitel: Als „Human Capital
Steward“
ist man vertrauensvoller Verwalter der Humanressourcen, als „Knowledge Facilitator“
wird man zum Wissensmanager, als „Relationship Builder“ knüpft man
Beziehungsnetzwerke,
und schließlich – Texas lässt noch einmal grüßen – organisiert man als „Rapid
Deployment Specialist“ schnelle Eingreiftruppen. Diese sechs Kapitel überzeugen, weil
hier
sehr markant beschrieben wird, in welche Richtung sich die Personalarbeit bewegen
muss,
will sie tatsächlich den erwarteten Beitrag zu Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens
leisten.
Gut an diesen Kapiteln ist auch die breite Verankerung in der HRM-Literatur der USA:
Hier führen die Autoren tatsächlich ein breites Spektrum an Wissen zusammen und
schildern
diese Rollen gut fundiert.
Sicherlich wirkt viel des Geschriebenen auf den ersten Blick vertraut: War nicht die
Personalabteilung
immer schon ein „Verwalter“ und wollte sie nicht sogar weg davon? Und das
Knüpfen von Beziehungsnetzwerken? Skeptiker sagen schon immer, dass Vertreter der
Personalabteilung
als geborene „Softies“ allenfalls gut für das Betriebsklima seien. Doch gerade
hier lohnt sich die Auseinandersetzung mit den Details: So bedeutet eben „Verwalter“ im
Sinne
von „Steward“ das sorgsame und verantwortungsvolle Umgehen mit Kapital, das einem
mit
allen Rechten und Pflichten anvertraut wurde. Und auch die Beziehungen sind nicht etwa
ein
pauschales „Ich bin okay – Du bist okay“, sondern der viel tiefer gehende Ansatz einer
substanziellen
Auseinandersetzung mit individuellen Austauschverhältnissen.
Was den Rezensenten etwas enttäuscht hat, ist das Abschlusskapitel New Roles, New
Solutions: Denn der Leser kennt jetzt die unterschiedlichen Rollen und fragt sich
allenfalls,
wie man diese Rollen angesichts knapper Ressourcen und kurzer Reaktionszeiten im
Unternehmen
vereinbaren kann. Darauf kommt jedoch keine Antwort. Statt dessen wird ein
Argumentationsfaden
aufgegriffen, der implizit schon in anderen Kapiteln gesponnen wurde,
nämlich die Fundierung der gesamten Konzeption im Resource-Based View of the Firm.
Dieser Exkurs bringt wenig und beantwortet nicht die zentrale Frage nach der
Entscheidungslogik
zwischen den Rollen, wobei es im Rahmen dieser Rezension offen bleiben muss,
wie eine solche Logik aussehen könnte. Aber angesichts der Qualität der übrigen Kapitel
ist
dieser Schlussabschnitt ein verschmerzbares Defizit. Denn insgesamt wird hier der
gesamte
State-of-the-future der US-amerikanischen HRM-Szene fundiert und verständlich
präsentiert.
Interessant auch, was nicht (!) im Buch steht: Die gesamte mikroökonomische
Argumentationsreihe
aus der „Personalökonomie“, also der Versuch, Modelle zum Beispiel aus
der Principal-Agent-Konzeption auf die Personalarbeit zu übertragen, spiegelt sich hier
nicht
wider. Wie in den meisten anderen amerikanischen HRM-Arbeiten existiert er
schlichtweg
nicht. Statt dessen gibt es ein konsequentes Ausrichten auf die wirtschaftliche Situation
des
Unternehmens, auf Managementnotwendigkeiten und auf das ultimative Ziel, durch
Personalmanagement
die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern.
Wer sollte dieses Buch lesen? Das Buch entspricht von der Diktion her nicht einem
Lehrbuch, wenngleich es sich gut als Basis für ein Fortgeschrittenenseminar eignet.
Leider
kann dieses Buch auch nur begrenzt Praktikern empfohlen werden, da einige von ihnen zu
schnell zur Losung „machen wir eigentlich alles schon“ kommen könnten: Hier hätten die
Autoren etwas deutlicher neues Denken von konventionellem Arbeiten abgrenzen
müssen.
Pflicht ist dieser Text aber für alle, die sich mit der Weiterentwicklung der
Personalwirtschaftslehre
beschäftigen. Sie werden um dieses Buch nicht herumkommen, und sie werden
sich gerne mit ihm auseinandersetzen: Denn es liest sich trotz seiner Substanz so flüssig
wie
ein etwas umfangreicherer Essay.
Insgesamt also Gratulation, und vielleicht doch über den ersten Absatz im Vorwort
nachdenken!
28.5.2003 Christian Scholz*
Schmidt, Angelika: Familie und Organisation: Systeme als Widerpart?
Eine funktionale Analyse
Europäische Hochschulschriften, Reihe V, Volks- und Betriebswirtschaft
Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main u.a. 2001, 270 S., € 46,-
Familie und Beruf sind zwei zentrale Lebensbereiche des Menschen. Die Sichtweise,
dass diese klar von einander zu trennen wären und spannungsfrei kombiniert werden
können,
entspringt eher einem rationalistisch orientierten Wunschdenken als realen Erfahrungen.
Die Autorin geht in ihren Ausführungen von Wechselwirkungen und Widersprüchen
dieser beiden Systeme aus und zeigt alternative Betrachtungs- und Erklärungsmuster, die
sich nicht in einer engen, instrumentellen Rationalität erschöpfen.
Die wissenschaftliche Innovation dieses Buches besteht zum einen in der
systemtheoretischen
Beschreibung des Systems Familie, welches in dieser Form bisher eher nur unter
dem spezifischen Fokus der systemischen Familientherapie analysiert wurde. Die
Betrachtung
der Wechselwirkungen und Interaktionen, also der strukturellen Kopplung zwischen
Familien und formal organisierten Wirtschaftsorganisationen stellt einen wesentlichen
Schritt zur Ergänzung systemtheoretischer Analysen dar, wo die Betrachtungsfelder
Familie
und größere soziale Systeme (z.B. Imber-Black 1992) oder aber Spezifika von
Familienunternehmen
(z.B. KetsDeVries 1996) im Mittelpunkt standen. Zum anderen besticht die verwendete
Analysemethode. Die vergleichende funktionale Analyse bezieht sich auf die
Unterschiede
und Gemeinsamkeiten der beiden Systemmerkmale und mündet in weiterführenden
Thesen zur Handhabung und Typologie des Umgangs von Führungskräften mit diesen
Fragestellungen. Die Anwendung der Systemtheorie und der Methode der vergleichenden
Funktionsanalyse erlaubt einen geschärften Blick auf die Kommunikationsmerkmale der
beiden Systeme und damit die Bearbeitung des Spannungsfeldes von Familie und Beruf
losgelöst
von individuellen Verhaltensweisen. Dieser theoretische Rahmen ermöglicht sowohl
die Betrachtung aus der Makroperspektive (Betrachtung von Familien als Teil des
Gesellschaftssystems
und Organisationen als Teil des Wirtschaftssystems) als auch aus der Mikroperspektive
(Familie/Organisation als Gruppe).
Zum Aufbau: Der theoretische Bezugsrahmen – Neuere Systemtheorie – wird in Kapitel
2 in Bezug auf die Merkmale der Systeme Familie und Organisation erarbeitet.
Im Kapitel 3 steht das Spannungsfeld der Systeme Familie und Organisation/Beruf im
Mittelpunkt. Dabei wird ein breiter Bogen gespannt: Eingebettet in das gesellschaftspoliti* Univ.-Prof.
Dr. Christian Scholz, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation,
Personal- und Informationsmanagement, Universität des Saarlandes, Saarbrücken, E-Mail:
[email protected].
sche Umfeld (Kapitel 3.1) von Wertewandel und Individualisierung, Zeitrhythmen und
Frauen- und Familienpolitik wird die Sichtweise von Familie und Organisation in
unterschiedlichen
Forschungszusammenhängen dargestellt und werden die jeweiligen Funktionen
der Systeme sowohl gesellschaftlicher wie auch emotionaler Natur kritisch
herausgearbeitet.
Die unterschiedlichen Anforderungen an die Familienmitglieder sowie an die
ManagerInnen
als AkteurInnen von Organisationen werden je nach Ausgestaltung der Systeme
(traditionell/
nicht traditionell – Kapitel 3.2) und theoretischem Zugang aufgezeigt. Die
Managementanforderungen
werden im Vergleich von institutionellem bzw. funktionellem Ansatz,
Handlungs- und aktivitätsorientiertem Ansatz und aus systemtheoretischer Sichtweise
analysiert
(Kapitel 3.3).
Die funktionale Analyse von Familie und Organisation – Herzstück der Arbeit und
wissenschaftliche Innovation (Kapitel 4) – vergleicht die unterschiedlichen
Systemmerkmale
(Kommunikationsmedium, Austauschbeziehungen, Mitgliedschaft, Austauschbarkeit von
Personen, Kommunikationsmuster, Formalisierungsgrad, Macht), erschließt funktionale
Äquivalente auf der Sachdimension, der Sozialdimension und der Zeitdimension für jedes
System und stellt diese dann jeweils gegenüber. Die Ergebnisse der theoretischen Analyse
werden in Form von weiterführenden Thesen fokussiert (Kapitel 5). Die Ausführungen im
Kapitel 4 zeichnen sich durch eine zwar knappe, aber klare Grundlegung der Methode der
vergleichenden Funktionsanalyse aus, die deren Ergebnisse gut nachvollziehbar macht.
Für
systemtheoretisch eher un(vor)belastete Leserinnen und Leser erfordert die Lektüre aber,
wie jede Auseinandersetzung mit einem differenzierten Theoriegebäude, einiges an
Konzentration,
die aber mit den Ergebnissen der Analyse belohnt wird.
Ein exemplarischer Blick auf die Ergebnisse: „Die Zuschreibung an Familien als
Ruhepol,
Ort der Kontinuität und Stabilität als Gegenpol zur Dynamik in Organisationen kann
nicht mehr aufrechterhalten werden“ (S. 246). Irritationen durch die Systemumwelt,
insbesondere
durch Wertverschiebungen und Zeitdynamiken führen zu alternativen Formen von
Familie, erhöhten Ansprüchen an die Mitglieder im System Familie und schließlich auch
zu
Fluktuation und Befristungen in diesem ehemals ausschließlich auf Langfristigkeit
angelegten
System (Stichwort Lebensabschnittspartnerschaften).
„Das Medium der Familie – die Liebe – und ein dominierendes Medium in
Organisationen
– Geld – geraten zunehmend in beiden Systemen in Konkurrenz“ (S. 235). Auf der einen
Seite zeigt sich eine zunehmende Versachlichung des Systems Familie. Nach Abebben
der heftigen Liebesbeziehung stehen die Funktion der Reproduktion des Nachwuchses
und
damit auch Fragen der ökonomischen Beitragsleistung im Mittelpunkt, die Familie
funktioniert
als „Dienstleistungssystem“: Kommunikation ist häufig auf das Management der
unterschiedlichen
Bedürfnisse der Familienmitglieder im Arbeitsalltag zentriert und nicht auf
Emotionen. Andererseits „lieben“ ManagerInnen ihre Arbeit, d.h., das berufliche Handeln
und das Erleben der eigenen Tätigkeit wird von Führungskräften zunehmend emotional
besetzt.
Für diese Beschäftigtengruppe ist die Erwerbstätigkeit der stabilisierende Teil der
Biographie und meist – egal ob männliche oder weibliche Führungskraft – auch die
dominierende
Lebensorientierung.
Das Spannungsverhältnis von Familie und beruflicher Tätigkeit ist und war Gegenstand
vieler mehr oder weniger fundierter theoretischer Auseinandersetzungen. Der Autorin
Angelika Schmidt gelingt es ausgezeichnet, die Fragestellungen der Wechselwirkungen
und
Widersprüche, basierend auf der Neueren Systemtheorie, auf einem anspruchsvollen
theoretischen Niveau zu diskutieren und sowohl aufschlussreiche als auch individuell anregende
Folgerungen zu ziehen. Für die Lektüre muss daher eine Warnung ausgesprochen werden:
Achtung, diese theoretisch gehaltvolle Arbeit kann zur Reflexion Ihres eigenen
Leitmediums
in Familie und Organisation – Liebe und Geld – anregen!
Literatur:
Imber-Black (1992): Familien und größere soziale Systeme, Heidelberg.
KetsDeVries (1996): Family business: human dilemmas in the family firm, London.
Wien, April 2003 Helene Mayerhofer*
Morick, Holger: Differentielle Personalwirtschaft.
Theoretisches Fundament und praktische Konsequenzen
Edition gfw, Neubiberg 2002, 330 S., gebunden, € 29,60
Belegschaften von Unternehmen sind nach demografischen, betrieblichen und
persönlichen
Merkmalen sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Personalabteilungen müssen dieser
Vielfalt, den Individualisierungstendenzen der Beschäftigten und den Rechtsnormen zum
Schutz spezieller Mitarbeitergruppen Rechnung tragen. Sonst drohen
Diskriminierungsvorwürfe,
Demotivation und Effizienzverluste. Eine generelle Personalpolitik, die sich an der
Kunstfigur eines Normalmitarbeiters orientiert, der im Rahmen eines
Normalarbeitsverhältnisses
eine Normalarbeitsleistung erbringt, kann diesen Anforderungen nicht gerecht werden.
Daraus lässt sich die Forderung nach einer zunehmenden Differenzierung oder gar
Individualisierung
der Personalpolitik ableiten.
In diesen thematischen Kontext ist die Dissertation von Holger Morick mit dem Titel
Differentielle Personalwirtschaft einzuordnen. Der Autor hat an der Universität der
Bundeswehr
München verschiedene Ideen von Marr, Schanz, Drumm u.a. aus den letzten 15
Jahren zu einem durchgängigen Bezugsrahmen weiterentwickelt. Ziel der Arbeit war es,
ein
ganzheitliches Modell zu konzipieren, mit dessen Hilfe aussagekräftige
Differenzierungskriterien
für Subgruppen von Beschäftigten gewonnen werden können. Damit soll deren
Leistungsverhalten
zutreffender als bisher prognostiziert und gegebenenfalls beeinflusst werden
können. Diese Aufgabenstellung ist ohne Zweifel sehr interessant und zu verschiedenen
aktuellen
Diskursen (Individualisierung, Folgen des demografischen Wandels, Diversity
Management)
hin anschlussfähig.
Das Buch besteht neben der Einleitung und dem Schluss aus drei großen Teilen, die
sich mit den Grundlagen, dem theoretischen Fundament sowie den praktischen
Konsequenzen
der Differentiellen Personalwirtschaft beschäftigen. In den Grundlagenkapiteln geht der
Autor zunächst auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die bisherigen
Überlegungen
zum Umgang mit Individualität in der Personalwirtschaft ein. Er skizziert verschiedene
theoretische Impulse von Heinen, Blake/Mouton, Ulich u.a. und stellt wichtige
Einzelbeiträge
von Fritsch, Peinelt-Jordan, Elbe, Nienhüser, Fliaster u.a. in kurzen Zusammenfassungen
vor. Anschließend wird das Erkenntnisinteresse der Differentiellen Personalwirtschaft
herausgearbeitet, die enge Bezüge zur Differentiellen Psychologie aufweist, auf ei* Dr.
Helene Mayerhofer, Abteilung für Personalmanagement, Wirtschaftsuniversitaet Wien.
nem konfliktorientierten Handlungsrahmen aufbaut und sich einer vierstufigen
Wertschöpfungskette
der Personalarbeit (von der Mitarbeitergewinnung bis zur Mitarbeiterloslösung)
bedient. Als Determinanten menschlichen Verhaltens werden soziales Dürfen (Kultur),
persönliches
Wollen (Motivation), individuelles Können (Qualifikation) und situative Ermöglichung
(Struktur) eingeführt.
Im umfangreichen Theorieteil der Publikation stehen diese vier Determinanten im
Mittelpunkt
des Interesses. Der Autor stellt jene Theorien und Ansätze (inklusive empirischer
Befunde) vor, die in seinem Modell eine besondere Rolle spielen. Mehrere Abbildungen
verdeutlichen die hypothetischen Zusammenhänge zwischen den untersuchten
Differenzierungsaspekten
und illustrieren den ganzheitlichen Ansatz der Differentiellen Personalwirtschaft.
Das Modell entwickelt mit drei grundlegenden Dimensionen (Entscheidungsbereiche,
Untersuchungsbereiche des Konfliktgeschehens, differentielle Erklärungsperspektiven)
und 48 unterschiedlichen Fällen eine hohe Komplexität. Die Vielfalt der
Argumentationslinien
wird durch ein eingeschobenes Kapitel zu psychologischen Verträgen noch zusätzlich
erhöht. Diese Ausführungen wirken wie ein Fremdkörper in dem ansonsten sehr logisch
aufgebauten Theorieteil. Sie tragen wenig zur Analyse des Beschäftigtenverhaltens in dem
Modellrahmen bei und spielen in den nachfolgenden Kapiteln keine besondere Rolle
mehr.
Den praktischen Konsequenzen der Differentiellen Personalwirtschaft auf der operativen,
normativen und strategischen Ebene sowie den daraus resultierenden gesellschaftlichen
Herausforderungen ist der dritte Teil des Buches gewidmet. Der Autor weist zunächst auf
einige Defizite der Erfassung von Differenzierungskriterien hin und stellt den Job
Diagnostic
Survey als mögliches Instrument zur Messung des Motivationspotentials vor.
Anschließend
geht er auf den schwierigen Nachweis der Effizienzvorteile einer Differentiellen
Personalwirtschaft ein. Hier könnte allenfalls ein personal- oder gar
gesellschaftsbezogenes
Rechnungswesen weiterhelfen. In einem weiteren Kapitel beschäftigt sich der Autor auf
wenigen
Seiten mit der Gerechtigkeitsproblematik, die sich hinter jeder Form von personeller
Differenzierung verbirgt. Zu diesem zentralen Problem ließe sich ohne Zweifel noch
wesentlich
mehr ausführen. Der dritte Teil endet mit den Konsequenzen der Berücksichtigung
differentieller Aspekte für die Personalwirtschaft als Disziplin und mit der Diskussion
einiger
berechtigter Forderungen an die Wirtschaftspolitik.
Kritische Würdigung des Buches: Holger Morick hat sich im Rahmen seiner Dissertation
der aktuellen und ambitionierten Aufgabe gestellt, ein theoretisches Raster für eine
Differentielle
Personalwirtschaft zu entwickeln. Dies ist ihm in stringenter, weitgehend
nachvollziehbarer
Form auch gelungen. Die Einbeziehung von Ansätzen aus der Differentiellen
Psychologie erweitert den ökonomischen Blickwinkel um interessante Aspekte.
Herausgekommen
ist dabei ein komplexes Rahmenmodell, das zunächst plausibel erscheint und nun
getestet werden müsste. Letzteres war nicht Ziel der Arbeit und würde den Rahmen einer
Dissertation vermutlich auch sprengen.
Allerdings bleibt das Vorhaben damit auch auf halber Wegstrecke stehen. Es lässt sich
derzeit überhaupt nicht bewerten, ob das Modell jene Analysequalität halten kann, die es
zunächst
einmal verspricht. Fehlen nicht noch relevante Dimensionen und Kriterien, um das
Leistungsverhalten von Beschäftigten besser prognostizieren zu können? Ist das Modell
andererseits
nicht jetzt bereits viel zu komplex, um von Personalverantwortlichen noch effizient
eingesetzt werden zu können? Welche Gestaltungsempfehlungen lassen sich innerhalb
dieses Modellrahmens tatsächlich ableiten? Hier kommt das bisherige
„Theoriefundament“
an seine Grenzen. Es ist dem Autor übrigens nicht vorzuwerfen, dass er permanent zu viel
versprechen würde. Im Schlusskapitel geht er zum Beispiel noch einmal explizit auf die
Ziele
und Grenzen der Arbeit ein. Das Modell sollte seiner Meinung nach durch empirische
Untersuchungen
immer wieder auf den Prüfstand gestellt, verfeinert und ggf. falsifiziert werden.
Ein anderes Detail fällt dem Leser hingegen sofort negativ auf: die unklare Verwendung
der Personal-Begrifflichkeiten, während bei anderen Themen eine sehr exakte Wortwahl
gefordert wird. Folgende Formulierung aus dem Serviceteil „Definitionen“ spricht für
sich: „Wegen des allgemein recht unpräzisen Umgangs mit dem Begriff
Personalwirtschaft
sind Diskussionen hierüber nicht überzubewerten; in der Literatur in übergeordnetem Sinn
auftretende Begriffe wie Personalmanagement, Personalmarketing, Personalpolitik,
Personalwesen,
Personalwirtschaftslehre oder Personalwissenschaft werden in der Arbeit als Synonyme
betrachtet.“
Bei aller allgemeinen oder speziellen Kritik handelt es sich bei dem Buch um eine
empfehlenswerte Publikation für Personen, die sich für Weiterentwicklungen der
Personalwirtschaftslehre
und des Diversity Managements interessieren. Wer sich dafür begeistern
kann, dass in einem Buch ganze Entwicklungsstränge einer Idee nachvollzogen und
relevante
Publikationen kurz zusammengefasst werden, wird hier seine Freude haben. Die
Herausarbeitung
und Beantwortung klarer Fragestellungen, diverse zusammenfassende Abbildungen
und ein interessanter Anhang (mit Glossar) tragen zur besonderen Leserfreundlichkeit
der Publikation bei.
Trier, Mai 2003 Günther Vedder**
Goldberg, Christine / Rosenberger, Sieglinde K. (Hg.):
KarriereFrauenKonkurrenz
Studien Verlag, Innsbruck, Wien, München, Bozen 2002, 248 S., € 24,-
Der Titel des Herausgeberinnenbuches von Christine Goldberg und Sieglinde K.
Rosenberger
– KarriereFrauenKonkurrenz – lässt eine eindeutige Interpretation vorerst offen.
Alle drei Begriffe finden sich in vielfältigen Diskursen und erlauben viel Spielraum für
eine
mögliche Ausgestaltung. Durch die Herausgeberinnen und AutorInnen werden zu Beginn
Eingrenzungen vorgenommen, die eine tradierte Sichtweise darstellen. Es geht um
Karriere
im klassischen Sinne, um Erfolg in Form von der Besetzung höherer Positionen inklusive
Führungspositionen, um das Vordringen von Frauen in männlich dominierte Bereiche und
damit um Konkurrenz, Konkurrenz zwischen Frauen und Männern, als jeweilige
Genusgruppe
betrachtet, und um Konkurrenz zwischen Frauen. Das ist kein Nachteil, denn gerade
in der momentanen Vielfältigkeit wissenschaftlicher Beiträge über Karrieren,
insbesondere
neue Formen von Karrieren, und der Betrachtung von Geschlechtern in ihrer
Heterogenität,
geht der konkrete Blick auf „Frauen“, in diesem Fall hoch qualifizierte Frauen, und die für
* Dr.
Günther Vedder, Jg. 1965, wissenschaftlicher Assistent an der Universität Trier, Fachbereich
IV/BWL, Schwerpunkt Arbeit-Personal-Organisation, D – 54286 Trier, E-Mail:
[email protected].
Arbeitsschwerpunkte: Neue Organisationskonzepte, Personalbeschaffung.
sie immer noch (unverändert) bestehenden Barrieren am Arbeitsmarkt oftmals verloren.
Wie
die Herausgeberinnen selbst formulieren, geht es um neue Chancen von Frauen und eine
„Re-Vision“ von Frauensolidarität.
Der Band ist das Ergebnis der Frauenringvorlesung an der Universität Wien im
Sommersemester
2000. Die Beiträge sind sehr heterogen, die AutorInnen sind sowohl Lehrende
sowie wissenschaftlich Tätige aus verschiedenen Studienrichtungen als auch
PraktikerInnen
aus dem Personalbereich oder Gleichbehandlungsinstitutionen. Dementsprechend
unterschiedlich
ist der Anspruch im wissenschaftlichen Bereich und die Herangehensweise an die
Thematik. Als übergreifender Zusammenhalt zwischen den einzelnen Beiträgen wird nach
Angaben der Herausgeberinnen der „Dialog zwischen unterschiedlichen
wissenschaftlichen
Disziplinen, aber auch Wissenschaft und Praxis“ (S. 7) beschrieben. Positiv dabei ist zum
einen die theoretische Beschäftigung und Darstellung eines bestimmten frauenrelevanten
Karriereaspektes und zum anderen Beiträge aus PraktikerInnensicht, die vorangegangene
theoretische Problemstellungen auf einer ganz anderen Ebene illustrieren, bzw.
„Erlebnisberichte“,
die dieses Forschungsfeld anschaulich gestalten. Diese Heterogenität der Beiträge ist
allerdings auch als schwierig anzusehen, was sich in der Zusammenfassung der einzelnen
Themenbereiche zeigt.
Das Buch ist in 4 Themenbereiche gegliedert, in welchen sich 15 Beiträge finden: (1)
Arbeitsmarkt, Zeit- und Mobilitätskonkurrenz, (2) „Weibliche Führungsstile“ und
Personalpolitik,
(3) Solidarität und Konkurrenz sowie (4) Gleichbehandlung und Mentoring.
Im ersten Themenkomplex Arbeitsmarkt, Zeit- und Mobilitätskonkurrenz beschäftigen
sich die Autorinnen übergreifend mit der Frage nach Möglichkeiten oder Anzeichen der
Neutralisierung von Geschlechterdifferenzen durch Ausformungen und Ergebnisse von
Globalisierungsprozessen
in Bezug auf den Arbeitsmarkt und speziell Organisationen. Gemeinsam
ist diesen Beiträgen ein Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung innerhalb der
Genusgruppen
und die Herausarbeitung von Beharrungs- und Veränderungsmechanismen. Johanna
Hofbauer setzt sich in ihrem Beitrag mit Kontinuität und Wandel in betrieblichen
Geschlechterbeziehungen
an Beispielen der Mobilitäts- und Zeitkonkurrenz im Management
auseinander. Sie unternimmt den anspruchsvollen Versuch, eine Verbindung zwischen
den,
übergreifend gesehen, zwei Richtungen der Geschlechterforschung, die als pessimistisch
oder optimistische Betrachtung der Entdifferenzierung der Geschlechterverhältnisse
beschrieben
werden können, herzustellen, indem sie auf verschiedenen Ebene Prozesse der ReVergeschlechtlichung und Neutralisierung von Geschlechterverhältnissen konkretisiert.
Dabei
zeigt sich, dass die Einbindung von hoch qualifizierten Frauen in den Arbeitsmarkt zu
Modernisierungserfolgen führen kann und Gestaltungsmöglichkeiten für Frauenkarrieren
mit sich bringt. Auf der anderen Seite ist eine Entdifferenzierung von
Geschlechterverhältnissen
oftmals nur ein Scheinerfolg, der neue Barrieren und Grenzziehungen hervorruft.
Anhand zweier Beispiele erfolgt die Erläuterung für neue Integrationschancen und neue
Risiken.
Die theoretische Basis stellen die Konzepte des „doing gender“ und „undoing gender“
dar, wobei eine intensive Auseinandersetzung vor allem mit dem theoretischen Ansatz des
„undoing gender“ und dessen struktureller Wirkung erfolgt. Verbunden werden diese
Betrachtungen
mit der Konzeption des Stigma-Managements.
Das erste Beispiel, die Zunahme von Frauen bei Auslandsentsendungen, zeigt neue
Karrierechancen für Frauen. Hofbauer hinterfragt kritisch diesen Prozess des scheinbaren
Vordringens von Frauen in männerdominierte Bereiche, wobei sie die strukturelle
Wirkung
von vertikaler und horizontaler Segregation aufzeigt. Die Verbindung zwischen
Geschlechterforschung
und dem Gebiet der Auslandsentsendungen ist hierbei besonders hervorzuheben,
da sich in diesem Bereich ein Forschungsdefizit zeigt. Im zweiten Beispiel, der
informellen
Zeitkonkurrenz im Management, wird ein wesentlicher, nicht auf Leistung beruhender,
Ausschließungsmechanismus vor allem für Frauen beschrieben, der sich negativ auf den
Karriereverlauf auswirkt. Beide Beispiele zeigen, dass es zum einen
Neutralisierungserscheinungen,
zum anderen neue Grenzziehungen gibt. Es entstehen neue Differenzen zwischen
Frauen und Männern hinsichtlich derjenigen, die eine bestimmte Karriere verfolgen
und damit einen Verzicht in anderen Lebenswelten in Kauf nehmen und derjenigen, die
dazu
nicht mehr bereit sind – sowohl Männer als auch Frauen. Es ergeben sich innerhalb der
weiblichen Genusgruppe neue Chancen, aber auch neue Risiken.
Christine Goldberg analysiert in ihrem Beitrag Globalisierung, Karriere und Familien
– wo bleiben da die Frauen? die Globalisierungsfolgen vor allem für Frauenkarrieren.
Ausgangspunkt
der Betrachtung sind die Merkmale von Globalgesellschaften und ihre Bedeutung
für Beschäftigungsverhältnisse und Karrieren. Veränderungen in der Arbeitswelt
beeinflussen
auch die private Sphäre, konkret bei Familien mit Kindern. Die Zunahme der
Erwerbsarbeit
von Frauen und die Verfolgung individueller Karriereziele hat oftmals eine
Auslagerung von Frauenarbeit bzw. Familienarbeit zur Folge. Positiver Aspekt dabei ist
das
Sichtbarmachen und Bewerten von vormals unbezahlter Frauen-Familienarbeit. Auch ist
eine
zunehmende Einbindung von Männern in die Organisation von Familie und Erwerbsarbeit
zu verzeichnen. Es entstehen neue Barrieren für Frauen und Männer, konstruiert durch
Frauen und Männer, die diesen Spagat zwischen Familie und Erwerbsarbeit im Kontext
der
Globalisierung nicht vollziehen brauchen oder wollen. Es könnte somit eine differente
Betrachtung
der Geschlechter nach Familienstruktur erfolgen, die Karrieremöglichkeiten
bestimmen. Damit trifft eine Neutralisierung von Geschlechterdifferenzen nur auf einige
wenige Frauen zu.
Margarete Kreimer betrachtet Geschlechterverhältnisse aus einer volkswirtschaftlichen
Perspektive heraus. In ihrem Beitrag (Un-)Vollkommene Konkurrenz auf Arbeitsmärkten?
Zur Bedeutung der Arbeitsteilung für Frauen- und Männerkarrieren geht sie auf die
gesellschaftliche Arbeitsteilung ein. Dabei unterzieht sie den neoklassischen
Erklärungsansatz,
segmentationstheoretischen Ansätzen und neueren arbeitsmarktökonomischen Ansätzen
einer kritischen Analyse hinsichtlich der Erklärbarkeit des segregierten Arbeitsmarktes.
Segregationsabbau ist nach Kreimer nur durch zunehmende Konkurrenz am Arbeitsmarkt
und über Veränderung der Arbeitsteilung über Flexibilisierung und Abbau der
funktionalen
Hierarchie und Geschlechterhierarchie möglich. Flexibilisierung kann die Auflösung oder
Abschwächung von Barrieren zur Folge haben. Der Abbau von funktionaler und
Geschlechterhierarchie
bedeutet eine Neuregelung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und damit
Bewertung von Hausarbeit. Im Ergebnis sollte eine Neu- bzw. Reorganisation der Arbeit
stehen.
Ulrike Weish widmet sich dem Thema am konkreten Beispiel der Konkurrenz in
Kommunikationsberufen. Sie zeigt Entwicklungen in der Medienindustrie und deren
Auswirkungen
auf Kommunikationsberufe generell und analysiert dabei die Geschlechterverhältnisses
im Besonderen. Die Analyse erfolgt auf der Basis der theoretischen Annahmen
Pierre Bourdieus. Anhand von Konkurrenzspielen und sich daraus ergebender
Positionsverteilungen
werden die Chancen von Frauen aufgezeigt. Auch hier erfolgt ein Plädoyer für die
differenzierte Betrachtung von Genusgruppen. Frauen (und Männer) können danach
differenziert
werden, ob sie an diesen Spielen teilnehmen wollen oder nicht.
Im zweiten Themenkomplex „Weibliche Führungsstile“ und Personalpolitik geht
Gertraude
Krell dem Mythos der „Vorteile eines neuen, weiblichen Führungsstils“ – Kritik eines
aktuellen Diskurses nach. Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen sind Beschreibungen von
Frauen als Führungskräfte der Zukunft. Dem stellt sie wissenschaftliche Studien zu dieser
Thematik gegenüber und setzt sich mit den dabei zu findenden Hypothesen „Frauen
führen
schlechter“, „Frauen führen nicht anders“ und „Frauen führen anders“ auseinander. In
ihrem
Plädoyer spricht sie sich für einen „Verzicht auf weitere Forschungen zu
geschlechtstypischen
Führungsverhalten und -erfolg“ (S. 95) aus – aus zwei Gründen: Zum einen sind diese
wissenschaftstheoretisch betrachtet nur schwer haltbar. Die männliche und weibliche
Genusgruppen
in Bezug auf ihren Führungsstil zu vergleichen ist so gut wie unmöglich. Des
Weiteren schaden diese spezifischen Annahmen über weibliches Verhalten Frauen, in
dem
zu hohe Ansprüche an sie gestellt werden. Auch stellt sich die Frage, warum eine
Legitimierung
von Frauen in Führungspositionen über besondere Eigenschaften erfolgen soll. Die
Annahme von Frauen als bessere Führerinnen kann im Gegensatz zu der oft vertretenden
Meinung von neuen Chancen für Frauen eher dazu führen, dass Personalentscheidungen
aufgrund des Geschlechts und nicht aufgrund der Eignung vorgenommen werden.
Judy Wajcmans Beitrag The „Feminization“ of Management: A Study of Corporate
Culture ist angelehnt an ihr Buch „Managing like a man”, welches 1998 erschien. Ihr
Ausgangspunkt
ist die zunehmende Destabilisierung der alten Geschlechterordnung, bspw. finden
sich Frauen auch zunehmend im Management. Dabei stellt sie sich die Frage, ob es zu
einer Feminisierung im Management kommt und sich daraus neue Formen von
Maskulinität
in Bezug auf einen veränderten Führungsstil entwickeln. Wajcman stellt ihre
vergleichende
Studie zwischen Frauen und Männern im Management vor, in dessen Ergebnissen sie
keine
Feminisierung des Senior Managements feststellen konnte. Frauen müssen, um
Karriereerfolg
zu haben, sich wie „ein Mann“ verhalten, zusätzlich allerdings noch mehr arbeiten. Bei
Männern konnten keine femininen Elemente im Führungsstil festgestellt werden.
Regina-Maria Dackweiler stellt in ihrem Thema Karriere-Konkurrenz-Kollaps:
Wirklichkeitskonstruktionen
von personalverantwortlichen Männern zu Gleichstellungsinitiativen
vor. Basis der von ihr vorgestellten Studie ist die Ungleichverteilung von Frauen und
Männern
auf Führungspositionen, hier bezogen auf Österreich. Gleichstellungspolitik bedeutet
nicht nur Frauen und ihre Karrieren zu betrachten, sondern ebenso Männer, die im
gleichen
Ausmaß davon betroffen sind. Die Studie hatte dementsprechend zum Ziel,
Gleichstellungspolitik
und insbesondere Frauenförderung, hauptsächlich für hoch qualifizierte Frauen, in
Verbindung mit der Reaktion von Männern zu sehen. Die Ergebnisse zeigen die
Sichtweise
von personalverantwortlichen Männern auf Frauen als soziale Einheit. Oftmals erfolgt
eine
Vereinheitlichung von Frauen als Mütter (derzeit oder zukünftig), die damit aufgrund
ihrer
privaten Verpflichtungen nicht in der Lage sind, Führungspositionen auszuüben. Männer
sind in diesem Zusammenhang Wissende, zeigen aber keine Bereitschaft, Veränderungen
von Geschlechterverhältnissen mit zu tragen.
Interessant ist in dem Zusammenhang der darauf folgende Beitrag von Norbert Wetzel,
der sich mit „Frauenkarrieren im beginnenden 21. Jahrhundert“ auseinandersetzt. Dieser
Beitrag, der aus einer praxisbezogenen Sicht geschrieben wurde, zeigt eben diesen sehr
männlichen Blick. Probleme innerhalb der Karriere von Frauen, die in Verbindung mit
Familie stehen, werden vollständig auf Frauen projiziert. Ausgangspunkt der Betrachtungen
von Wetzel sind Veränderungen in der Erwerbstätigkeit von Frauen, aber auch
Veränderungen
in Organisationen. Qualifizierte Arbeitskräfte sind knapp, der Arbeits- und
Leistungsdruck
für Führungskräfte und Hochqualifizierte steigt, die Vereinbarung von Privat- und
Berufssphäre
wird für qualifizierte Kräfte immer schwieriger. Diese Veränderungen sind besonders
für Frauen relevant. Aus dem Blickwinkel von Wetzel als Personaldirektor müssen
Frauen ihre Karriere eindeutig planen. So wird bspw. analysiert, wann der günstigste
Zeitpunkt
u.a. für Kinder ist. Aufgrund der gestiegenen Anforderungen ist eine Vereinbarung
von Familie und Führungsposition nur schwer möglich. Trotzdem sollte aus
Unternehmenssicht
in Frauen als wertvolles Humankapital investiert werden. Wetzel zeigt dabei
unternehmerische
Möglichkeiten in Form von Personalentwicklungsmaßnahmen auf. Erkennbar
wird an diesem Beitrag das Bewusstsein der Problematik „Frauen und Karriere“ auf
Unternehmensebene
und der positiv wahrzunehmende Umgang damit. Allerdings wird auch deutlich,
dass mögliche Veränderungen männlicher Erwerbsmodelle völlig ausgeblendet werden.
Im dritten Themenkomplex, der unter der Thematik Solidarität und Konkurrenz
zusammengefasst
ist, geht zuerst Alice Pechriggl auf diese Thematik in ihrem Beitrag K.O. (in)
der Solidarität? Reflexionen zu einem kulturellen double bind zwischen Konkurrenz und
Solidarität
ein. Auf der Basis der Herleitung der Begriffe „Solidarität“ und „Konkurrenz“ aus
der griechische Antike und einer umfangreichen Erläuterungen der historischen
Dimensionen
sowie Auswirkungen auf das Begriffsverständnis heute geht sie abschließend auf das
Wesen von Frauensolidarität ein. Am Beispiel feministischer Wissenschaftlerinnen wird
das
Spannungsverhältnis zwischen Solidarität und Konkurrenz dargestellt. Mathilde Niehaus
nähert sich diesem Thema in ihrem Beitrag Genderspezifische Differenzierung von
Lebenslagen.
Sisterhood, Konkurrenz oder weder Küsse noch Karriere für Frauen mit Behinderung?
auf ganz andere Weise. Am Beispiel von behinderten Frauen wird auf die Heterogenität
der weiblichen Genusgruppe aufmerksam gemacht, auf unterschiedliche Zielstellungen
und Erwartungen innerhalb der Frauenbewegung und auf Konkurrenz unter Frauen.
Behinderte,
als das dritte Geschlecht, werden aus der Forschung weitgehend ausgeblendet. Niehaus
schildert die spezifischen Problemlagen von behinderten Frauen, u.a die Schwierigkeiten
einer Definition der „Gruppe von Behinderten“. Dabei geht es um den Diskurs Gleichheit
vs. Differenz in der Beziehung zwischen behinderten Frauen und zwischen Frauen mit
und ohne Behinderung. Einen völlig anderen Beitrag zu diesem Themenkomplex liefert
Gerlinde Mautnerin mit Frauenkarrieren an der Universität: Erfahrungen und
Beobachtungen.
Aus ihrer persönlichen Sichtweise heraus schildert sie ihre Karriere an der Universität,
was nicht nur angenehm zu lesen ist, sondern auf anschauliche Weise die Situation von
Frauen und ihren Karrierevorstellungen und -umsetzungen darstellt.
Im vierten Themenkomplex Gleichbehandlung und Mentoring werden in erster Linie
Erfahrungen mit diesen Themen dargestellt. Elisabeth Holzleithner beschäftigt sich mit
der
Gleichbehandlung an den Universitäten. Als Vorsitzende des Arbeitskreises für
Gleichbehandlungsfragen
der Universität Wien hat sie nicht nur einen ganz genauen Blick auf spezifische
Problemlagen von Frauen während ihrer Wissenschaftskarriere, sondern ebenso
ausreichend
Erfahrungen im Österreichischen Universitätssystem. Anhand der Beschreibung
des typischen Karriereverlaufs akademischer Karrieren an Österreichischen Universitäten
und dem Anteil von Frauen auf karriererelevanten Positionen zeigt sie Benachteiligungen
von Frauen an bestimmten Karriereeckpunkten, wie Vertragsverhältnis, Habilitation und
Übernahme des Beschäftigungsverhältnisses sowie Berufung für eine Professur, auf.
Holzleithner analysiert die Möglichkeiten gesetzlicher Maßnahmen zur Gleichbehandlung,
deren
Umsetzung sowie Probleme dabei.
Mit einer ähnlichen Problematik beschäftigt sich Ingrid Nikolay-Leitner mit ihrem Beitrag
Gleichbehandlung. Erfahrungen mit dem gesetzlichen Instrumentarium. Als
Gleichbehandlungsanwältin
beschreibt sie Erfahrungen mit der Umsetzung des Gleichbehandlungsgesetzes
in der Privatwirtschaft. Ausgehend von der Darstellung gesetzlicher Grundlagen
analysiert sie deren Wirksamkeit sowie die Aktualität dieser Thematik. Sie stellt als
„moderne
Instrumente“ das „Gender Mainstreaming“ und „Equality Management“ vor, weist
allerdings
darauf hin, dass damit Gleichbehandlungsgesetze nicht abgelöst werden, sondern
dort ansetzen, wo die Freiwilligkeit aufhört. Weiterführend weist sie darauf hin, dass
Ungleichbehandlungen
nicht Einzelfälle darstellen sondern strukturell bedingt sind.
Den Abschluss bilden zwei Beiträge zum Thema Mentoring als Möglichkeit der
Umsetzung
von Chancengleichheit für Frauen, die damit die vorhergehenden Beiträge in gewisser
Weise inkludieren und abschließen. Sabine Strasser und Eva Schliesselberger
beschäftigen
sich mit Mentoring: ein widersprüchliches Konzept als Instrument der Frauenförderung
in der Wissenschaft. Basierend auf der Beschreibung des Begriffs Mentor, werden Frauen
als Mentorinnen betrachtet. Mentorinnen stellen eine Minderheit dar. Typisch für Frauen
ist
eher, dass sie „undokumentiertes“ Mentoring betreiben. Weiterhin gehen
Strasser/Schliesselberger
auf die Konstellationen des „Same-Gender-Mentoring“ und des „Cross-GenderMentoring“ ein. Sie beschreiben Vor- und Nachteile von Männern als Mentees bei
Mentorinnen
und Frauen als Mentees bei Mentoren. Als Unterschiede zeigen sich bei Männern als
Mentees, dass diese die Bedeutung des Einflusses sowie der Position der MentorInnen
hervorheben.
Mentorinnen werden hinsichtlich dieser Dimension in Zweifel gezogen. Bei Frauen
als Mentees ist die Ebene der Sexualität in Beziehungen zu Mentoren von nicht geringem
Einfluss. „Same-Gender-Mentoring“ stellt für Männer kein Problem dar, allerdings zeigen
sich Schwierigkeiten zwischen Mentorinnen und weiblichen Mentees – schon allein
aufgrund
des Seltenheitswertes. Strasser/Schliesselberger stellen sich weiterführend die Frage,
ob Mentoring für Frauen überhaupt Karriere unterstützend wirkt. Sylvia Bierbaumer und
Daniela Kersic beschreiben in ihrem Beitrag Mentoring – eine Strategie! die Umsetzung
dieses Konzeptes im öffentlichen Dienst. Mentoring wird als
Personalentwicklungsstrategie
gesehen. Anhand eines erfolgreich durchgeführten Projektes „Mentorinnen coachen
weiblichen
Führungskräftenachwuchs“ werden konkrete Anforderungen an Mentorinnen und
Erfahrungen
der Mentees dargestellt.
Das Buch von Goldberg/Rosenberger bietet einen guten Überblick über aktuelle Themen
sowie neue Ansätze der Frauenforschung und ist den an diesen Problemfeld Interessierten
zu empfehlen. In allen Beiträgen werden neue Chancen für Frauen aufgezeigt, ob dieses
allerdings zu einer „Re-Vision“ von Frauensolidarität führen ist fraglich.
Wien, 24.07.2003 Anett Hermann*
* Dipl.-Kffr.
Anett Hermann, TMR-Stipendiatin an der Interdisziplinären Abteilung für
Verhaltenswissenschaftlich
Orientiertes Management, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 51,
A -– 1090 Wien. Arbeitsschwerpunkte: Geschlechter- und Karriereforschung.
Bellmann, Lutz / Gerlach, Knut / Hübler, Olaf / Meyer, Wolfgang (Hg.):
Beschäftigungseffekte betrieblicher Arbeitszeitgestaltung
Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 251, Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung
der Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg 2001, 239 S., € 12,50
Es handelt sich um einen Tagungsband zum jährlich stattfindenden Forschungstreffen
der Projektgruppe „IAB-Betriebspanel“, in diesem Fall zum 6. Treffen am 5. und 6.
Oktober 2000 in Hersbruck, gemeinsam organisiert mit den Instituten für Quantitative
Wirtschaftsforschung und für Volkswirtschaftslehre der Universität Hannover. Der Band
umfasst acht wissenschaftliche Beiträge zu dem Themenkomplex „Arbeitszeit und
Beschäftigung“.
Daneben gibt es stets Kurzfassungen und zu sechs Beiträgen kritischkonstruktive
Korreferate.
Der erste Beitrag How Working Time Changes Affect Wages and Employment von
Robert Simmons ist die einzige theoretische Arbeit in dem Band. Es wird im Rahmen
von Verhandlungsmodellen insbesondere der empirisch vorfindbare Befund abgeleitet,
dass die tatsächliche Zahl an Arbeitsstunden positiv korreliert ist mit der tarifvertraglich
vereinbarten Arbeitszeit. Gewichtige Probleme bei bisherigen Modellierungen und
Schätzungen unter Verwendung der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion werden
aufgezeigt
und ausgeräumt, wobei zusammen mit dem Korreferenten Werner Smolny jedoch
gefragt werden kann, ob die Annahme von Cobb-Douglas-Funktionen nicht insgesamt
zu restriktiv ist und die zentralen Ergebnisse nicht auch auf weniger komplizierte Weise
erreicht werden könnten. Dieser Beitrag und das Korreferat hätten auch von einem
Lektorat
bzw. Korrekturlesen vor dem Druck profitiert.
Thorsten Schank zeigt in seinem Beitrag Auswirkungen von
Normalarbeitszeitverkürzungen
auf die Löhne: Ergebnisse vom IAB-Betriebspanel mit ausgefeilten
Schätzmethoden, dass in tarifgebundenen Betrieben ein vollständiger Lohnausgleich bei
Verkürzung der Normalarbeitszeit stattfindet. Interessanterweise gilt dies nicht nur bei
Branchen-, sondern auch Firmentarifverträgen, während in Betrieben ohne Tarifbindung
bei fallender Arbeitszeit der Lohnsatz ebenfalls steigt, aber nur zur Hälfte den
Einkommensrückgang
kompensiert. Damit bleibt in tarifgebundenen Betrieben kaum Spielraum
für die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Arbeitszeitverkürzung. Rainer Winkelmann
weist in seinem Korreferat auf Probleme bei der Messung der Normalarbeitszeit hin,
jedoch
auch auf die übereinstimmenden Ergebnisse bei Verwendung von Individual- (aus
dem Sozio-ökonomischen Panel – SOEP) statt Betriebsdaten.
Markus Pannenberg und Gerd Wagner verwenden für ihren Beitrag Umfang und
Kompensation von Überstunden – Eine vergleichende Analyse für Westdeutschland und
Großbritannien Daten des SOEP und der British Household Panel Study (BHPS). Sie
ermitteln, dass die Inzidenz von Überstunden in beiden Ländern vergleichbar ist, ihr
Umfang mit rund zehn Stunden pro Woche jedoch in Großbritannien doppelt so hoch
wie hierzulande ausfällt. Ein weiterer Unterschied ist, dass der Anteil der bezahlten an
allen Überstunden in Deutschland in den neunziger Jahren deutlich gefallen ist, während
er in Großbritannien auf hohem Niveau stabil blieb. Arbeitszeitverkürzungen hatten in
Deutschland kaum einen Einfluss auf die geleisteten Überstunden, während sie in
Großbritannien
zu einer deutlichen Erhöhung führten, so dass dort kaum positive Beschäftigungseffekte
zu erwarten sind. Eine vollständige Abschaffung bezahlter Überstunden
hätte schließlich in Deutschland negative Einkommenswirkungen für qualifizierte Beschäftigte, während in Großbritannien keine entsprechenden Verteilungswirkungen zu
beobachten wären. Das Korreferat von Renate Neubäumer war zu gut, um zum Abdruck
zu gelangen; die meisten Anregungen wurden von den Autoren bei der Überarbeitung
übernommen.
Tim Barmby untersucht in Worker Absence, Sickpay and Contracted Hours mit
Personaldaten aus einem britischen Industriebetrieb den Einfluss der Entlohnung im
Krankheitsfall, die bei dieser Firma von der Anwesenheit in der Vergangenheit abhängt,
auf die Fehlzeiten. Wie theoretisch zu erwarten, gehen auch empirisch die Fehlzeiten
mit den individuellen Kosten des Fehlens zurück. Längere Arbeitszeiten erhöhen die
Wahrscheinlichkeit des Fehlens bislang Gesunder, nicht jedoch die Fehlzeitendauer von
Kranken. Lutz Bellmann weist in seiner Diskussion auf weitere empirische Evidenz und
zukünftig zu untersuchende Zusammenhänge hin, insbesondere wenn ein verknüpfter
Datensatz von Betrieben und ihren Beschäftigten zur Verfügung nutzbar sein wird, woran
das IAB arbeitet.
Arnd Kölling und Karen Lehmann analysieren in ihrem Beitrag Arbeitszeitregelungen
und Tarifbindung mit dem IAB-Betriebspanel, wie stark tarifgebundene Betriebe
hinsichtlich der Arbeitszeit restringiert werden. Sie stellen dar, für welche Betriebe und
auf welche Weise Tarifverträge gelten. Deskriptiv lässt sich ermitteln, dass in Betrieben
ohne Tarifbindung die wöchentliche Arbeitszeit nicht nur im Durchschnitt etwas höher
ist als in tarifgebundenen, sondern vor allem flexibler nach unten und oben angepasst
werden kann. Regressionsschätzungen zeigen, dass die Arbeitszeit nach einer Beendigung
der Tarifbindung unmittelbar angepasst bzw. erhöht wird, später kaum noch. Die
Autoren spekulieren, dass dies durch Betriebsvereinbarungen oder die stillschweigende
Hinnahme von Rechtsverstößen geschehen könnte. Allerdings ist die Variable
Tarifbindung
unklar in dieser Hinsicht, da z.B. nach einem Austritt aus dem Arbeitgeberverband
der Flächentarifvertrag fortwirkt, die Tarifbindung also eigentlich erst nach
dem Ende dieser Fortwirkung ganz beendet ist, dann jedoch auch Anpassungen der
Arbeitszeit
rechtlich unproblematisch sind. Sehr interessant ist noch der Befund, dass die
Tarifbindung insgesamt nicht einfach nur zurückgeht, sondern rund 10 % der Betriebe
pro Jahr ihre Tarifzugehörigkeit wechseln, einige mehrfach hin und her. Korreferentin
Susanne Koch hebt hervor, dass es sich um eine der ersten Arbeiten zum Zusammenhang
von Tarifbindung und Arbeitszeiten handelt, während sich sehr viele andere auf
Lohneffekte konzentrieren. Sie zeigt dann offene Forschungsfragen auf und vermutet,
dass die sofortige Arbeitszeitanpassung nach Ende der Tarifbindung kein Zufall ist,
sondern von den betreffenden Betrieben so beabsichtigt und auch zeitlich genau geplant
wurde, während andere Betriebe aus ganz anderen Gründen die Tarifbindung verlassen
und ihre Arbeitszeit nicht entsprechend variieren.
Knut Gerlach, Olaf Hübler und Wolfgang Meyer untersuchen in ihrem Beitrag
Betriebliche
Flexibilisierung und Beschäftigungsstabilität – Ein Widerspruch? mit dem
Hannoveraner Firmenpanel den Einfluss von Flexibilisierungsmaßnahmen in den
Bereichen
Arbeitszeit, Entlohnung, Organisation, Produktion und Weiterbildung auf die
Beschäftigungsstabilität.
Dabei lässt sich die Titelfrage verneinen; insbesondere Weiterbildung
und Erfolgsbeteiligung des Managements führen zu einer stabileren Beschäftigtenzahl.
Flexiblere Arbeitszeiten führen hingegen nicht zu mehr Beschäftigungsstabilität,
eher zum Gegenteil. Auf eine große Zahl von Maßnahmen kommt es nicht an, stattdessen auf eine genau abgestimmte Kombination. Schließlich sind die
Beschäftigungswirkungen
eher langfristiger, nicht kurzfristiger Natur. Joachim Möller weist in seinem
Korreferat auf die vielen Facetten des Flexibilisierungsbegriffs hin und plädiert für die
Betrachtung von Stromgrößen, nicht nur der Veränderung des Beschäftigungsniveaus,
sowie die genauere Unterscheidung von Anpassungsprozessen gegenüber veränderten
Gleichgewichtszuständen.
Arnd Kölling, Claus Schnabel und Joachim Wagner befassen sich mit dem Thema:
Bremst das Schwerbehindertengesetz die Arbeitsplatzdynamik in Kleinbetrieben? – Eine
empirische Untersuchung mit Daten des IAB-Betriebspanels. Bis September 2000 sah
das Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und
Gesellschaft
einen Schwellenwert von 16 Beschäftigten vor, ab dem eine Ausgleichabgabe
von 200 DM pro Monat zu entrichten war, wenn nicht mindestens ein Beschäftigter ein
Schwerbehinderter ist. Allgemein waren sechs Prozent der Arbeitsplätze mit
Schwerbehinderten
zu besetzen und für jeden nicht entsprechend besetzten Platz die Abgabe zu
entrichten, während nun eine Quote von fünf Prozent und damit ein Schwellenwert von
20 Beschäftigten gilt sowie die Ausgleichsabgabe je nach dem Grad ihrer Nichterfüllung
gestaffelt ist. Firmen haben einen ökonomischen Anreiz, ihre Beschäftigtenzahl möglichst
unter dem Schwellenwert zu halten. Dies ist den verantwortlichen Managern bzw.
Eigentümern auch bewusst, wie aus entsprechenden Unternehmensbefragungen
hervorgeht.
Die Größenverteilung aller deutschen Betriebe zeigt keine Auffälligkeit am Übergang
von 15 zu 16 Beschäftigten, die Anzahl der Betriebe sinkt auch sonst mit zunehmender
Beschäftigtenzahl. Eine empirische Untersuchung der Arbeitsplatzentwicklung
mit dem IAB-Betriebspanel zeigt jedoch, dass Betriebe mit 15 Beschäftigten signifikant
seltener wachsen als kleinere oder größere Betriebe. Bei komplexeren Modellschätzungen
werden die Ergebnisse vage, so dass die Autoren keine politisch brisanten
Schlussfolgerungen
ziehen wollen. Die Gesetzesänderung stellt ein „natürliches“ Experiment
dar, dessen Auswirkungen in einigen Jahren analysiert werden können. Helmut Hägele
gibt in seinem Korreferat zu bedenken, dass es noch eine Reihe anderer oder dann bei 20
Personen auch gleicher Schwellenwerte gibt (z.B. in Folge des
Betriebsverfassungsgesetzes),
so dass sich die Effekte schwer isolieren lassen. Außerdem wirken Schwellenwerte
nicht nur bei wachsenden, sondern vielleicht noch stärker bei schrumpfenden Betrieben,
was sich empirisch überprüfen ließe.
Knut Gerlach und Wolfgang Meyer geben im achten und letzten Beitrag Überstunden
und Beschäftigung – Ein Beitrag zu einer andauernden Debatte einen Literaturüberblick
über das Ausmaß (knapp 4 Prozent des gesamten Arbeitsvolumens) und die
Entwicklung (Abnahme zusammen mit der Jahresarbeitszeit) bezahlter Überstunden. Ein
großer Beschäftigungseffekt bei ihrem Abbau sei nicht zu erwarten, u.a. weil
verschiedenen
Gruppen von Arbeitnehmern bezahlte Mehrarbeit leisten bzw. ein hohes
Arbeitslosigkeitsrisiko
besitzen. Die Autoren diskutieren auch Gründe für das Ableisten unbezahlter
Überstunden und deren relative Zunahme. Sie rechnen schließlich mit einer zunehmenden
Lohnspreizung in Deutschland, die zugleich zu mehr Beschäftigung und
mehr Überstunden führen dürfte.
Insgesamt umfasst der Band nicht nur eine Vielzahl wissenschaftlich anspruchsvoller
Beiträge, sondern vereint diese tatsächlich (größtenteils) unter dem Titelthema. Die
„Beschäftigungseffekte betrieblicher Arbeitszeitgestaltung“ sprechen gegen das so ge-
nannte „Kinoplatzmodell des Arbeitsmarktes“, wonach einfach ein gegebenes
Arbeitsvolumen
anders verteilt werden muss, um Arbeitsplätze zu schaffen. Stattdessen können
mehr Überstunden oder flexiblere Arbeitszeiten Beschäftigung schaffen oder sichern.
Jedoch geschieht auch dies nicht automatisch. Es kommt auf die institutionellen Details
an, wobei es noch viel zu untersuchen gibt. Der Band ist auf diesem Weg ein wichtiger
Meilenstein mit einem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis
Greifswald, 14.7.2003 Alexander Dilger*
* PD
Dr. Alexander Dilger, Jahrgang 1968, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.
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