Software-Entwicklung Technologie-Kompass Inhalt 2Vorwort 3Kontext 4 Benutzeroberflächen 6Plattform 9Daten 10Integration 12Dokumente 14 Analytics 16Betrieb 2 Vorwort Die IT ist sehr schnelllebig und wird von vielen neuen Technologietrends bestimmt. Jedes Jahr veröffentlichen zahlreiche Trendforscher ihre Studien. Zurzeit heissen die prägenden IT-Trends Mobile Computing, IT-as-a-Service, Big Data, Open Source und Cloud. Diese Liste liesse sich beliebig verlängern. Eines haben aber alle Trends gemeinsam: Sie folgen dem Megatrend „immer schneller, günstiger und sicherer”. Als ein führendes schweizerisches IT-Dienstleistungsunternehmen fragen wir uns im Rahmen unseres Innovations-Managements regelmässig, wohin die Reise in unserem Markt gehen wird. Dazu verfassen wir jährlich unseren Technologie-Radar, in welchem wir für unsere Software-Entwickler und Systemspezialisten wichtige Technologien, Werkzeuge und Methoden auf ihre Einsatzfähigkeit bewerten, eine Auswahl treffen und uns gezielt auf diese konzentrieren. Davon profitieren die Applikationen unserer Kunden, indem wir proaktiv und frühzeitig auf sichtbare Veränderungen reagieren. Gleichzeitig halten wir das technische Know-how unserer Entwickler auf dem neusten Stand, ohne uns zu verzetteln. Auf vielseitigen Wunsch stellen wir mit dem Technologie-Kompass eine zusammengefasste Version des Technologie-Radars zur Verfügung. Darin gehen wir weniger auf einzelne Technologien und Werkzeuge ein, sondern beschreiben IT-Trends und Prinzipien für Entscheidungsträger in der öffentlichen Verwaltung, die wir als wichtig erachten. Der Bedag-Technologie-Kompass richtet sich an Entscheidungsträger in der öffentlichen Verwaltung. Er zeigt und erklärt jährlich aktuelle Entwicklungen und Trends in den wichtigsten Gebieten der IT. Er gibt einen Ausblick darauf, wie neue Applikationen aussehen werden und auf welche Aspekte bei der Beschaffung Wert gelegt werden sollte. Erstellt wird der Kompass von den Experten der Bedag auf Basis des internen Innovations-ManagementProzesses der Bedag, dem Technologie-Radar. Gerne diskutieren wir mit Ihnen unsere Einschätzung der technologischen Herausforderungen in Ihrem Kontext. Daniel Biemann Mario Siegenthaler Leiter Software-Entwicklung Mitglied der Geschäftsleitung CTO Software-Entwicklung Kontext Die Rahmenbedingungen für die IT in der öffentlichen Verwaltung werden wieder vermehrt vom Stichwort „Kosten sparen“ geprägt. Viele Kantone stehen unter hohem finanziellen Druck. Gleichzeitig wachsen die Ansprüche der Nutzer. Die „Consumerization“ hält immer mehr Einzug. Dies bedeutet, dass sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch Kunden der Verwaltung durch die private Benutzererfahrung von Internet, E-Commerce, Tablet und Smartphone beeinflusst werden und dieselben Ansprüche an die IT der Verwaltung stellen. Ein wichtiges Stichwort ist „Mobilität“. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten vermehrt nicht nur ausschliesslich im Büro von neun bis fünf, sondern rund um die Uhr auch unterwegs oder im Home Office. Gleichzeitig möchten Kunden ihre Geschäfte mit der Verwaltung ebenfalls von einem beliebigen Ort zu einer beliebigen Zeit abwickeln. Nach wie vor sind zahlreiche Prozesse in der Verwaltung papierbasiert. Die Digitalisierung wird ohne Zweifel rasant fortschreiten und ist ein wesentliches Mittel, um dem Kostendruck bei gleichzeitig höherem Arbeitsvolumen durch neue Regulierungen und wachsende Bevölkerung zu begegnen. Wie in der Privatwirtschaft werden Wertschöpfungsketten aufgebrochen und Arbeiten als „Self Service“ an die Kundschaft zurückgegeben. 3 Der Druck nach höherer Wirtschaftlichkeit, Digitalisierung, Mobilität und Agilität stellt Verwaltungen vor grosse organisatorische Herausforderungen und verlangt eine höhere Innovationskraft der Lösungsanbieter. Beschaffer sind heute die Fachabteilungen, während die zentrale IT eine GovernanceRolle übernimmt. Kantone und Gemeinden schliessen sich zusammen, um gemeinsame Beschaffungen durchzuführen. Wenige grosse Anbieter werden zahlreichen kleinen Anbietern vorgezogen. Man sucht vornehmlich Standardlösungen und weniger Individual-Software. Auch wenn Gesetze und Verordnungen aus Datenschutzgründen derzeit noch eine lokale Datenverarbeitung verlangen, so ist doch absehbar, dass zentrale und Cloud-basierte Lösungen „aus der Steckdose“ die selber betriebene Software ablösen werden. Die Anpassung der eingesetzten Lösungen an sich ändernde Gesetze, verbesserte Prozesse oder engere Zusammenarbeit mit Partnern muss schneller geschehen. Es kann nicht ein Jahr auf den nächsten Release der Software gewartet werden. Gefordert sind agilere Entwicklung, zügige Verifikation und eine laufende Auslieferung (Continuous Delivery). Benutzeroberflächen Im Bereich der Benutzeroberflächen wird sich der für die Anwender sichtbarste Wandel vollziehen: Die heute noch dominierenden Desktop-Applikationen (FatClient, RichClient) und die ihnen nachempfundenen Web-Applikationen der ersten Generation werden verschwinden und durch schlanke und moderne Web-Applikationen ersetzt. Dabei wird nicht nur die Technologie ausgetauscht, sondern auch die Bedienkonzepte: Die komplexen Masken mit dutzenden von Feldern, Abkürzungen und Tastaturkürzeln verschwinden. Moderne Applikationen interpretieren die Eingaben des Benutzers automatisch im Kontext und fragen nur die wirklich relevanten Informationen ab. Dadurch verkürzt sich insbesondere die Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter. Auch die Mobilität hat einen zentralen Stellenwert. Der Sachbearbeiter wird zwar seine tägliche Arbeit nach wie vor stationär an einem grossen Bildschirm mit Tastatur und Maus erledigen, dies wird aber ergänzt durch einen nahtlosen Übergang auf mobile Geräte. Zu einem Termin mit dem Bürger bringt die Mitarbeiterin ihr Tablet mit und kann damit auf alle Informationen zugreifen und diese auch ergänzen. Auch das Management greift jederzeit von unterwegs oder aus Sitzungen mit seinem Mobiltelefon auf das Dashboard mit den aktuellen Kennzahlen zu. 4 Das Entwickeln von nativen Apps für Smartphones und Tablets ist nicht bezahlbar, da die Mitarbeiter erwarten, den kompletten Funktionsumfang der Applikation auch unterwegs nutzen zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass Apps dann für mindestens zwei Plattformen (iOS und Android) verfügbar sein müssen. Daher sollen die Fachapplikationen selber komplett mobile-fähig sein; die technischen Stichwörter dazu sind „mobile first“ und „responsive Design“. Der Verhinderer von modernen Web-Applikationen bei Verwaltungen und Unternehmen ist vielfach die Ausstattung der Clients mit veralteten Browsern. Wir empfehlen aus Sicherheits- und Kostengründen dringend, allfällige noch vorhandene alte Internet Explorer auf Version 11 respektive Edge zu aktualisieren. Nicht portable Applikationen, die stark veraltete Browser voraussetzen, können via Citrix weiterhin angeboten werden. Die Portabilität zwischen den verschiedenen Browsern (Chrome, Firefox, Safari, Internet Explorer und Edge) ist mittlerweile sehr gut; eine starke Verbesserung zur Situation in den letzten fünf Jahren. 5 Beispiel: Suchen Die Suche in den Applikationen funktioniert neu genau wie eine Internetsuche in Google. Der Anwender gibt die ihm bekannten Informationen einfach alle in natürlicher Sprache in ein Textfeld ein und erhält bereits während der Eingabe die relevantesten Ergebnisse angezeigt. Warum soll es auch komplexer sein oder länger dauern, in seiner Fachanwendung nach Informationen zu suchen? Plattform Ende der Applikations-Server Grosse, teure, zentral verwaltete Applikations-Server, wie zum Beispiel Websphere, Weblogic oder auch JBoss, werden verschwinden. Stattdessen werden die Applikationen mit eingebundenen Web-Servern ausgestattet und in (Docker-) Container verpackt. Damit entfällt der mühsame und fehlerträchtige, oft manuelle Prozess der Installation der Fachapplikationen in die zentral bereitgestellten ApplikationsServer-Instanzen. Inkompatible Versionen, kleine Konfigurationsfehler und Unterschiede zwischen den Produkten der einzelnen Hersteller führen oft zu Verzögerungen von Tagen oder sogar Wochen, bis neue Applikationen endlich für die Anwender nutzbar sind. Auch die Update-Planung wird zum Albtraum was meistens dazu führt, dass veraltete Software auf veralteten Systemen betrieben wird. Die wiederum führt zu höheren Kosten und Sicherheitsproblemen. Die versprochenen Verfügbarkeits-, Skalierungs- und Spareffekte der zentralen Applikations-Server haben sich leider nie erfüllt. Der neue Ansatz ist, Applikationen entweder direkt als Software-as-a-Service anzubieten oder als Appliances zu betrachten, bei denen der Software-Hersteller einen fertig konfigurierten und bei ihm in genau dieser Konfiguration durchgetesteten Container an den Betreiber liefert. Der Betreiber führt diesen dann bloss noch aus, das Management erfolgt durch den Software-Hersteller. 6 Entwicklung – Open Source statt teure proprietäre Produkte Die Entwicklung von Fachapplikationen erfolgt heute weitgehend in und mit Open Source. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Applikationen auch Open Source sind. Aber praktisch der gesamte nicht-fachspezifische Code der Applikation besteht aus OpenSource-Bibliotheken. Typischerweise beträgt der Anteil dieser Bibliotheken am Umfang der Software mehr als 80 Prozent. Auch alle verwendeten Tools und die Programmiersprache selbst sind fast komplett Open Source. Die Vorteile für die Entwickler liegen auf der Hand: Geringere Kosten, direkter Zugang zum Code, um Probleme zu diagnostizieren, eine breitere Entwicklerbasis und ein oft besserer und schnellerer Support durch die Community als durch Hersteller. Behauptete Nachteile von Open Source Software, zum Beispiel fehlender professioneller Support, fehlendes Marketing und sehr technische Dokumentationen, sind für Entwickler nicht relevant. Im Gegenteil: Sie schätzen den direkten Zugang zu anderen Entwicklern. Für viele Produkte ist ausserdem durchaus sehr guter professioneller Support von Drittanbietern verfügbar. Microsoft ist durch diese Entwicklung unter Druck geraten und hat daher auch den Grossteil seiner Entwicklungsumgebung als Open Source verfügbar gemacht. Aus Sicht der Kunden führt diese Entwicklung zu qualitativ besseren Anwendungen und zu tieferen Kosten. Wir empfehlen, bei der Beschaffung die Verwendung von Open Source als Bestandteil der Applikationen zu fordern. 7 Continuous Delivery und Scrum statt zu viel Konfigurierbarkeit Gerade bei grossen Projekten im Rahmen von WTOAusschreibungen beobachten wir, dass vermehrt die Forderung nach Anpassbarkeit der Systeme durch die Anwender als Kriterien aufgeführt wird. Dies ist grundsätzlich eine sinnvolle Anforderung, denn eine qualitativ hochstehende Lösung zeichnet sich auch durch eine gewisse Flexibilität aus. Jede Konfigurierbarkeit ist aber unweigerlich mit einer Steigerung der Komplexität der Software verbunden – sie wird dadurch teurer in Entwicklung und Wartung sowie aufwändiger zu testen. Wenn Benutzeroberflächen oder komplexere Prozesse konfiguriert werden sollen, dann sind auch die Anforderungen an den Benutzer, der die Konfiguration durchführt, sehr hoch. Diese Konfiguration der Anwendung ist dann ähnlich komplex wie eine gängige Programmiersprache, nur dass sie schlechter dokumentiert und mit weniger Tooling unterstützt ist. Diese Komplexität können Anwender respektive Administratoren ohne massive Unterstützung durch den Lieferanten nicht mehr selbst bewältigen. Dies führt typischerweise dazu, dass Anpassungen entweder gar nicht mehr oder nur durch den Lieferanten, der sie günstiger direkt im Code der Applikation umsetzen könnte, vorgenommen werden. Die Hauptursachen für den Wunsch nach Konfigurierbarkeit sind: • Lange Release-Zyklen: Zwischen einem Änderungswunsch und der Auslieferung in der produktiven Software vergeht zu viel Zeit. Aufgrund der Erfahrung mit der bisherigen Software und deren langen Release-Zyklen (ein Jahr und mehr) soll in der neuen Software alles direkt am laufenden System verändert werden können. Dies ist typischerweise aber nur in der Anfangsphase möglich, schon bald wird – aufgrund der fatalen Auswirkungen von Fehlkonfigurationen – die Konfiguration der Applikation ebenfalls streng reglementiert und verzögert. Das organisatorische Problem langer ReleaseZyklen kann nicht mit technischen Mitteln gelöst werden, sondern muss mit einer Umstellung der gesamten Prozesse hin zu Agilität und Continuous Delivery angegangen werden. Ein wichtiges Element dabei sind komplett automatisierte Regressionstests, die unbedingt als Teil der Beschaffung betrachtet werden sollen. • Unklare Anforderungen: Die Anforderungen an die Anwendung sind zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht wirklich klar. Durch eine Forderung nach Konfigurierbarkeit soll die Anwendung dann an die später identifizierten Anforderungen angepasst werden. Wir empfehlen in diesem Fall, entweder die Anforderungen vor der Ausschreibung zu klären oder – was gerade Verwaltungen noch zu wenig nutzen – ein agiles Vorgehen zu wählen. Agile Methoden, wie zum Beispiel Scrum, sind für Szenarien optimiert, bei denen die Anforderungen vorher nicht abschliessend bekannt sind oder im Projektverlauf noch ändern können. Durch „agile Verträge“ können diese Methoden auch bei WTOAusschreibungen genutzt werden. Die dabei entstehende Software wird günstiger und besser zu bedienen sein als die hochkonfigurierbare Alternative. 8 Programmiersprachen Im Bereich der Sprachen gibt es im Moment zwei vorherrschende Trends: Polyglotte Programmierung: Funktionale Programmierung: Es wird nicht nur eine einzige Programmiersprache für Die herkömmlichen, imperativen Sprachen wie Java eine Applikation verwendet, sondern mehrere gleich- und C# werden zunehmend durch funktionale Sprachen zeitig. Dabei wir jede Sprache für jene Aufgaben einge- ergänzt. Diese erlauben einen einfacheren Umgang setzt, wozu sie am besten geeignet ist. So werden zum mit Mehrprozessorsystemen und vermindern das Ri- Beispiel komplexe Backends in einer typisierten Spra- siko unerwünschter Seiteneffekte. Beispiele für solche che wie Java geschrieben, statistische Analysefunktio- Sprachen sind Scala (für die Java-Plattform), F# (für die nen in R und die Benutzeroberfläche mit Javascript. .NET-Plattform) oder Haskell. Beide Entwicklungen fordern ein Umdenken von den Entwicklern. Es reicht nicht länger, nur eine einzige Sprache zu beherrschen. Aus Sicht der Beschaffer soll auf die Einschränkung des Lieferanten bezüglich Implementierungsdetails wie eingesetzte Programmiersprachen und verwen- deter Frameworks verzichtet werden. Die Anforderungen sollen stattdessen auf Ebene der gewünschten Zielplattform (zum Beispiel Linux, Windows, Datenbanken, Cloud) und der Schnittstellen/Interoperabilität (REST, SOAP-Web-Services, Messaging) definiert werden. Daten Flexibilität durch ereignisbasierte Systeme Die Entwicklung geht stark in die Richtung ereignisbasierter Systeme (Stichwort „unified log processing“). Im Fokus steht dabei, anstatt wie üblich die „statische“ Datenhaltung in der Applikation (zum Beispiel Attribute einer Person wie Name, Adresse oder die Daten zu einer Bestellung), die Sammlung der Ereignisse, die zu den betreffenden Daten geführt haben. In den Beispielen wären das Geburt, Umzug oder „Bestellung abschliessen“. Die unternehmens- respektive verwaltungsweit zusammengeführte Kette dieser Ereignisse bildet nun die Kerndaten der Unternehmung. Die klassische Entitäten-/Attributesicht, wie sie in relationalen Datenbanksystemen wie Microsoft SQL Server oder Oracle gespeichert wird, bildet nur noch eine von mehreren möglichen Sichten auf diese Ereignisse. Diese Architektur bietet klare Vorteile: • ganzheitliche Sicht auf das Geschäft • Echtzeit-Reports und Dashboards für das Management - ermöglicht kürzere Reaktionszeiten • weniger Schnittstellen zwischen den Systemen erhöht die Stabilität und senkt die Kosten • neue Systeme und Logiken sind auch auf die Vergangenheit anwendbar, aus den gespeicherten Ereignissen können neue Daten erzeugt werden Eingesetzt werden die ereignisbasierten Systeme bisher vor allem von grossen eCommerce-Firmen wie Amazon, die damit bessere Einsicht in das Verhalten der Kunden und deren Bedürfnisse bekommen. Zen- 9 tral ist die Fähigkeit, neue Analysen wie „was führt zu Bestellabbrüchen?“ jederzeit auch über bereits getätigte respektive abgebrochene Bestellungen zu generieren. Relationale Datenbanken als Commodity Im Bereich der relationalen Datenbanken zeichnet sich ein Wechsel weg von den teuren Produkten wie Oracle, Microsoft SQL Server oder DB2 hin zu OpenSource-Datenbanken wie PostgreSQL ab. Diese stehen den kommerziellen Produkten weder in Bezug auf Funktionalität noch auf Stabilität in Nichts nach, haben aber tiefere TCO (Total Cost of Ownership). Die relationale Datenbank ist komplett zur Commodity geworden. Die Produkte können sich nicht mehr durch Features positionieren, sondern sind komplett austauschbar. Für die modernen Fachapplikationen spielt es keine Rolle mehr, auf welchem Produkt ihre Datenbank betrieben wird. Die Ursache dieser Entwicklung liegt vor allem in den grossen Investitionen, die Firmen wie Facebook, Amazon und Yahoo in die Open-Source-Datenbanken PostgreSQL und MySQL getätigt haben. Für diese Grossfirmen mit ihren hunderttausenden von Servern war es wirtschaftlicher, in die freien Produkte zu investieren, als die teuren Lizenzen an Oracle abzuführen. Gerade in Bezug auf die Skalierbarkeit für ganz grosse Datenmengen und Zugriffszahlen haben die Open-Source-Produkte die kommerziellen Lösungen daher schon hinter sich gelassen. 10 Integration Microservices – agilere IT Das Trendwort im Bereich der Plattformen ist Microservices. Anstatt als grosse, voll integrierte Applikationsmonolithen werden die Lösungen aus kleinen, in sich kompletten Diensten aufgebaut. Jeder Dienst ist dabei für genau eine klar abgegrenzte Geschäftsfunktion zuständig und hat seinen eigenen Lebenszyklus. Etwas vereinfacht gesagt, entspricht ein Microservice einer App auf einem Smartphone, nur eben auf Server-Seite. Jede solche „App“ erfüllt genau einen Zweck (zum Beispiel WhatsApp, um Sofortnachrichten auszutauschen, oder Expensify, um Spesen zu erfassen). Microservices erinnern an die mittlerweile etablierte Service-orientierte Architektur (SOA), wobei der Begriff SOA mittlerweile vor allem durch Tool-Hersteller so aufgeweicht worden ist, dass eine klare Einordnung schwer fällt. Die relevantesten Abgrenzungen zwischen Microservices und SOA sind aber folgende: • Schlaue Endpunkte statt Enterprise Service Bus (ESB): In einer klassischen SOA wird oft versucht, die Komplexität in einem zentralen ESB zu verstecken. Auf Microservice basierte Architekturen verzichten bewusst darauf und setzen auf Informationsaustausch auf der Basis einfacher Protokolle (meist REST) über simple Übertragungswege (dump pipes). Aus organisatorischer Sicht vermindern Microservices die „Diseconomies of scale“ bei der SoftwareEntwicklung. In der Software-Entwicklung gilt der Grundsatz, dass, je grösser die entwickelte Applikation, desto weniger effizient wird die Entwicklung erfolgen. Die notwendige Kommunikation und Koordination zwischen den Entwicklern und die negativen Auswirkungen von Fehlern in der Architektur oder bei den Anforderungen führen dazu, dass jeder zusätzliche Entwickler immer weniger Ergebnisse produziert. Die optimale Grösse einer Applikation ist, wenn sie von ungefähr sieben Entwicklern erstellt werden kann. • Mit dem Microservice-Ansatz wird die vormals grosse Applikation in voneinander weitgehend unabhängige Dienste aufgeteilt, für die jeweils ein kleines, hochproduktives Team zuständig ist. Dezentrale Verwaltung: Jeder Microservice wird von einem eigenständigen Team mit einem eigenen Release-Prozess gepflegt. Damit wird der Koordinationsaufwand massiv verringert. Auch die Release-Zyklen werden so auf Tage bis wenige Wochen verringert. Allerdings muss stattdessen mehr Aufwand in den Test und in die Rückwärtskompatibilität der Dienste investiert werden. • Dezentrale Daten: Die Daten werden pro Microservice isoliert gehalten, das heisst es ist kein direkter Datenzugriff über die Service-Grenzen möglich. Jeder Dienst hat seine eigene Datenbank. • Kleinere Granularität: Microservices haben typischerweise einen kleineren (Funktions-)Umfang als ein Service im Sinne von SOA. Getrieben werden die Microservice-Architekturen von der Notwendigkeit, von den langen, trägen Release- 11 Prozessen mit ein bis zwei Releases pro Jahr und einem Vorlauf für neue Funktionen von bis zu einem Jahr wegzukommen. Weder Unternehmen noch Verwaltungen können es sich heute leisten, derart lange auf neue, wichtige Geschäftsfunktionen zu warten. Aus Sicht einer Verwaltung soll darauf geachtet werden, dass nicht grosse, monolithische Systeme erstellt beziehungsweise beschafft werden, sondern auf eine modulare Architektur gesetzt wird. API – eGovernment effizienter und günstiger Das Problem der meisten existierenden eGovernment-Lösungen ist, dass sie entweder für den einzelnen Bürger oder aber für grössere Unternehmen ausgelegt sind. Angebote für den Bürger haben eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche, sind aber für die Erfassung grösserer Datenmengen nicht geeignet. Ein Beispiel hierfür sind die Web-Lösungen der Strassenverkehrsämter: Für grosse Transportunternehmen sind diese unpraktisch, da sie sich nicht in ihre Systeme integrieren lassen. Dem gegenüber stehen Lösungen, die explizit für Unternehmen konzipiert wurden. Diese lassen sich sehr gut integrieren und bieten zusätzliche Funktionen, allerdings zum Preis von komplizierten Schnittstellen und komplexen Einrichtungsprozessen. Oft muss zuerst Software zertifiziert und es müssen Vereinbarungen geschlossen werden, bevor die Dienste genutzt werden können. Als Lösungskonzept zur Überbrückung dieses Gaps eignen sich öffentliche API (Application Programming Interface): Die Verwaltungssysteme veröffentlichen all ihre Geschäftsfunktionen als vom Internet her zugängliche technische Dienste („Web Services“) und zwar unabhängig von konkreten Verwendungsszenarien. Der Zugriff wird selbstverständlich geschützt, so dass jeder Bürger und jedes Unternehmen nur auf seine Daten zugreifen kann. Alle Dienste werden dokumentiert und mit Beispielen versehen. Optimalerweise werden genau dieselben Dienste auch intern – also vom Amt selbst oder von anderen Ämtern – ebenfalls verwendet. Technologisch handelt es sich typischerweise um REST-Services (siehe unten). Das API-Konzept ermöglicht nun die folgenden beispielhaften Verwendungen: • Ein innovativer Softwarehersteller entwickelt eine iPhone App mit der ein Bürger seine Autos verwaltet und diese auch gleich zur Prüfung anmelden kann. • Ein grosses Transportunternehmen erweitert sein ERP-System so, dass die Daten direkt mit denen des Strassenverkehrsamts abgeglichen und Prüfungstermine vollautomatisch vereinbart werden. • Eine kleine Garage mit technischem Flair erweitert ihre Fahrzeugverwaltung um ein kleines Modul, das das Anmelden von Autos direkt aus der Applikation heraus ermöglicht. • Ein Software-as-a-Service-Angebot für Fahrschulen ermöglicht Fahrlehrern und Fahrschülern, direkt Prüfungstermine zu vereinbaren. All diese Angebote verwenden die identischen Schnittstellen des Amts, ohne das ein zusätzlicher Verwaltungs- oder Implementierungsaufwand für den Staat entsteht. sedex mit eCH-Standards Für den privaten Meldungsaustausch zwischen Behörden wird sich sedex noch weiter etablieren. sedex bietet eine sichere und zuverlässige Plattform zum Austausch von Meldungen zwischen Organisationen. Trotz der technisch einfach ausgelegten Schnittstelle auf Dateisystemebene und der damit verbundenen etwas schwerfälligen Handhabung sowie des begrenzten Meldungsdurchsatzes, ist es der einfachste und zuverlässigste Weg. Als Format für die ausgetauschten Meldungen werden in fast allen Fällen Standards des Vereins eCH verwendet. sedex Pathfinders erweitert sedex zusätzlich um eine Möglichkeit zur synchronen Kommunikation mittels Web Services. Innerhalb einer Organisationseinheit – zum Beispiel eines Amts – sollte sedex nicht verwendet werden. Es empfiehlt sich ausserdem, sedex nicht direkt an die Applikationen anzubinden, sondern die Anbindung zentral via ein Messaging-System vorzunehmen, da sonst der Integrationsauswand mehrfach anfällt. Dokumente Dokumente – verborgene Daten Immer wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter routinemässig gleichartige Dokumente manuell verfassen, verschwinden dabei aus Sicht der Organisation Daten aus dem Nutzbereich. Mithilfe teurer und für die Anwender oft umständlicher Document Management Systeme (DMS) wird dann versucht, wenigstens einen Teil dieser Daten wieder nutzbar zu machen und eine Art Versionskontrolle sicherzustellen. Ebenfalls viel Geld kostet es, diese Dokumente immer wieder für neue Versionen von Microsoft Office lesbar zu machen. Viel einfacher und zielführender ist, die Informationen von Beginn weg in einer mindestens halbstrukturierten Form zu erfassen und damit maschinenlesbar, -suchbar und -auswertbar zu machen. Sinnvolle Ansätze dazu sind die Integration in eine Fachlösung oder die Nutzung spezialisierter Systeme, die den Benutzer bei der Erfassung der Daten unterstützen. Als Endprodukt kann dabei immer noch ein Blatt Papier entstehen. Allerdings ist dieses dann aus den Daten generiert und nicht der primäre Datenträger. Zusätzlich ist es so auch möglich, die Daten direkt elektronisch zu verarbeiten. Der Kunde könnte zum Beispiel seine Veranlagungsverfügung direkt wieder in seine Steuer-Software einlesen. Ablösen von internen Antragsformularen Ein sehr einfach erreichbare Verbesserung, eine sogenannte low-hanging fruit, ist, die internen Abläufe zwischen mehreren Stellen, wie zum Beispiel ein Personaleintritt oder das Beantragen von Berechtigungen, statt via E-Mail versandte Word-Dokumente in einem Vorgangsverfolgungssystem wie Atlassian JIRA abzubilden. Die Angaben werden strukturiert erfasst und können trotzdem noch mit speziellen Bemerkungen ergänzt werden. Auswertungen über die Bearbeitungszeit, Engpässe und Art der Anfragen können einfach direkt vom Manager selber erstellt werden. 12 Formulare – immer noch wie auf dem Papier? Elektronische Formulare werden vielfach stiefmütterlich behandelt. Ihre Möglichkeiten werden schlecht genutzt. Die folgenden Schwachstellen sind häufig: • Keine Anbindung an die Systeme: Nach der erfolgten Erfassung entsteht ein Medienbruch. Die Daten werden per E-Mail übermittelt oder sogar ausgedruckt und nicht direkt in das zuständige System (Ticketing, Fall-Management oder sonstige Fachapplikationen) überführt. • Schlechte Benutzerführung: Elektronische Formulare eignen sich optimal, um den Benutzer bei der Erfassung der Daten anzuleiten und zu führen. Im Kontext nicht benötigte Felder sollen ausgeblendet und die Erfassung auf mehrere Schritte aufgeteilt werden. Ausserdem sollen erklärende Texte vorhanden sein. • Verwendung von PDF-Formularen: Diese entsprechen in etwa einem Papierformular, das mit der Schreibmaschine ausgefüllt wird. Weder wird der Anwender durch die Erfassung geführt, noch sind die erfassten Daten automatisch verwertbar. Was ausserdem oft vergessen geht: Vielfach sind die Daten beim Anfrager, also beim Bürger oder beim Unternehmen, bereits in einem System vorhanden. Dadurch führt alleine das Ausfüllen des Formulars durch den Anfrager zu einem ersten Medienbruch und zu potenziellen Fehlern. Zu jedem Formular sollte immer auch ein entsprechender API-Service (vgl. unter „Integration“) existieren, damit die Daten auch maschinell eingeliefert werden können. Eng verbunden mit dem Thema Formulare sind elektronische Signaturen. Diese bestätigen die Integrität der Daten und identifizieren den Absender. Allerdings sind sie oft entweder umständlich in der Handhabung durch die Anwender (Beispiel SuisseID) oder sie genügen den Sicherheitsanforderungen nicht. Viel sinnvoller ist im Kontakt mit Bürgern die Verwendung eines Login-Verfahrens. Ein Login stellt – genau wie eine Signatur – die Identität des Absenders fest. Die 13 Integrität der ausgetauschten Daten wird durch das Verschlüsseln des Transportkanals (meistens mittels SSL/TLS) ebenfalls sichergestellt. Der Zusatznutzen einer Signatur liegt darin, zu einem späteren Zeitpunkt dem Absender zweifelsfrei belegen zu können, dass er diese Daten genauso übermittelt hatte und nicht das Amt diese verändert hat, was häufig nicht erforderlich ist. Digital Divide – nicht alle sind im Internet Gerade für Verwaltungen ist der Digital Divide eine grosse Herausforderung. Im Unterschied zu Unternehmen können sie nicht einfach aus Effizienzgründen jene Kunden ohne Zugang zum Internet von ihren Dienstleistungen ausschliessen. Sie haben die Pflicht, sämtliche Bürger zu bedienen. Das bedeutet, dass Papierprozesse weiterhin erhalten bleiben müssen. Die Effizienz soll aber trotzdem gesteigert werden. Ein erfolgversprechender Ansatz ist, die kompletten Prozesse zu digitalisieren, dabei aber darauf zu achten, dass saubere, maschinennutzbare Schnittstellen definiert werden (Vergleiche hierzu das Kapitel zu API unter Integration). Auf Basis dieser Schnittstellen kann an einer zentralen Stelle ein gezielter Übergang von/zu Papier oder auch mündlicher Kommunikation erfolgen. Dieser muss weiter gehen, als einfach nur die Papiere zu scannen, da dies alleine die Daten noch nicht verwertbar macht. Vielmehr werden die Daten von einem Datenerfassungsteam zu einem Aufruf der Standard-API aufbereitet. Allfällige Korrekturen und Nachfragen werden direkt von dort durchgeführt. 14 Analytics Entscheidungshilfen statt Reports An die Stelle fixer vorgefertigter Reports und unflexibler Kennzahlen tritt ein integriertes System, das die Entscheidungsträger direkt bei ihrer Arbeit unterstützt. Als Einstieg dient ein übersichtliches Dashboard mit den wichtigsten Key Performance Indicators. Weitere für die Entscheidungsfindung notwendige Daten lassen sich direkt von dort aus für das konkrete Szenario zusammenstellen und ad-hoc neu kombinieren. Die Resultate lassen sich einfach und optisch ansprechend visualisieren. Diese Arbeiten werden nicht von einem Spezialisten erledigt, sondern direkt vom Manager oder von der ControllingAbteilung. Die Bedienung ist nicht komplexer als bei Excel. In einzelnen Bereichen ist dies bereits Realität, allerdings ist es noch ein weiter Weg, bis sämtliche Daten der Verwaltung so auswertbar sind. Als nächster Schritt wird der Blick statt nur in die Vergangenheit – also der Analyse vergangener Ereignisse – vermehrt auch in die Zukunft gerichtet. Die Anwendung extrapoliert aus den Daten mithilfe von Modellen automatisch mögliche Zukunftsszenarien. Ein Beispiel für eine erste Anwendung solcher Technologien bildet Predictive Policing: Anstatt nur auszuwerten, wo wie viele Einbrüche passiert sind, errechnet das System selbständig, wo in nächster Zeit vermehrt mit Einbrüchen zu rechnen ist. Neue Möglichkeiten mit Big Data Ermöglicht wird dieser Blick in die Zukunft von Technologien, die gemeinhin unter dem Stichwort "Big Data" zusammengefasst werden. Big Data wird oft anhand der folgenden Charakteristika definiert: • • • • Grosse Datenmenge (Volume): Es werden alle verfügbaren Daten gesammelt, ohne diese zu filtern. Echtzeit Verarbeitung (Velocity): Alle Daten sind sofort verfügbar, sie werden laufend ins System eingespiesen. Vielfalt der Formate (Variety): Nicht nur strukturierte Daten werden verarbeitet, sondern auch Texte, Bilder, Videos, Pläne etc. Richtigkeit (Veracity): Sind die Daten korrekt und aussagekräftig? Können daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden? Aus diesen gesammelten Daten wird mittels Maschinenlernen und Modellen versucht, neue Schlussfolgerungen zu gewinnen. So werden Prognosen, Simulationen oder Risikobeurteilungen erstellt, um damit Entscheide mit Fakten zu unterstützen. Einsatzbeispiele für Big Data in der Verwaltung können sein: • Erkennung von Betrug, zum Beispiel bei der Abrechnung der Mehrwertsteuer. In Belgien wird dies mit grossem Erfolg bereits eingesetzt. • Unterstützung beim Prüfen der Steuererklärungen durch eine automatische Risiko- und Komplexitätseinstufung mit vollautomatischer Veranlagung für die Masse weniger komplexer Fälle. • Besserer Personaleinsatz durch die genauere Vorhersage über zu erwartende Gesuche und Anfragen. • Einbruchsvorhersage (Predictive Policing), wie bereits oben erwähnt. 15 Technologien für Big Data Die momentan am häufigsten verwendete Technologie ist Apache Hadoop. Sie bildet die Grundinfrastruktur für den Umgang mit sehr grossen Datenmengen (Petabytes): • HDFS (Hadoop File System): Erlaubt, die Daten persistent auf günstigem Speicher abzulegen. Die Daten werden mehrfach vorgehalten, so dass der Ausfall eines Servers nicht zu einem Datenverlust führt. Klassische Storage-Systeme (SAN) und Backups sind für diese Datenmengen zu teuer. Stattdessen werden Server mit vielen günstigen Harddisks verwendet. • YARN: Verwaltet die Ressourcen (Speicher- und Rechenleistung) im viele Server (hunderte bis tausende) umfassenden Cluster. • Map/Reduce: die Basis für die hochparallele Verarbeitung von grossen Datenmengen. Jeder Server analysiert „seine“ Daten, die Ergebnisse werden aggregiert. Basierend auf diesen drei Basisdiensten ist eine Vielzahl weiterer Lösungen entstanden, die zum Beispiel Abfragen mittels SQL-ähnlicher Sprache ermöglichen (Apache Hive), aber auch eine hochverfügbare Datenbank (Apache Cassandra), eine Lösung für Machine Learning (Apache Mahout) oder die Analyse von Datenströmen (Apache Spark). Während zu Beginn täglich oder ad-hoc ausgeführte Batch-Verarbeitungen im Vordergrund standen, fokussiert die Entwicklung mittlerweile vor allem auf die Realtime-Analyse von Daten. Nicht für alle oben aufgeführten Szenarien ergibt der Einsatz von Big-Data-Technologien Sinn. Die minimale Datenmenge für einen sinnvollen Einsatz liegt bei ca. 10 TB zusammen auszuwertender Daten. Für kleinere Datenbestände können die oben aufgeführten Anwendungsfälle mit einfacheren Analysewerkzeugen deutlich kostengünstiger auf einem einzelnen Server mit viel Arbeitsspeicher implementiert werden. Auch in diesem Umfeld entstehen viele Produkte, die den Big-Data-Technologien in nichts nachstehen, aber weniger komplex im Betrieb und deutlich schneller sind. Wir empfehlen daher, die mit Big Data aufkommenden Möglichkeiten zu nutzen, aber zurückhaltend zu bleiben mit dem Einsatz von Big-Data-Technologien. Erst wenn sich wirklich zeigt, dass die Datenmenge zu gross ist, lohnt es sich, die Mehrkosten und die Komplexität in Betrieb und Entwicklung in Kauf zu nehmen. 16 Betrieb Cloud-Technologien für schnellere Release-Zyklen Der Übergang in die Cloud ist ein zentrales Thema der IT geworden und beschäftigt wohl jeden CIO. Häufig fokussiert die Betrachtung vor allem auf mögliche Kostensenkungen im Betrieb. Damit werden aber die eigentlich wichtigeren Aspekte der Cloud-Ansätze nicht berücksichtigt. Cloud-Begriffe • Infrastructure-as-a-Service (IaaS): Der Kunde be- Die Cloud-Angebote lassen sich gemäss NIST nach Art zieht IT-Basiskomponenten wie CPU-Leistung, der Bereitstellung und Art der Dienstleistung einteilen. Speicher und Netzwerkbandbreite. Er verwaltet alles – von der Software bis zu den Betriebssyste- Dienstleistung: • men – selbst. Software-as-a-Service (SaaS): Der Kunde bezieht Bereitstellung: eine komplette Applikation als Dienstleistung. Die- • se beinhaltet als Gesamtpaket sowohl Software, Beispielsweise Amazon AWS oder Microsoft Azure. Lizenzen, Updates, Betreuung als auch den Betrieb • Public Cloud: Offen, für alle im Internet verfügbar. • Private Cloud: Exklusiv für eine Verwaltungseinheit und die Überwachung. oder ein Unternehmen verfügbare Cloud. Wird ent- Plattform-as-a-Service (PaaS): Der Kunde bezieht weder selbst oder vom Betriebspartner betrieben. eine Umgebung, in die er seine Applikationen ins- • Hybrid tallieren kann. Die Plattform stellt dabei Basiskom- Cloud: Kombination unterschiedlicher Cloud-Angebote; meist public und private. ponenten (zum Beispiel Datenbank, Applikations- • Community Cloud: Steht exklusiv einem Zusam- server oder Netzwerkspeicher), das Patching und menschluss von Organisationen zur Verfügung. Tools zur Überwachung zur Verfügung. Zum Beispiel eine Schweizer Verwaltungs-Cloud. Die klassische Cloud-Betrachtung bezieht sich auf das Beziehen von virtuellen Maschinen und Speicher aus einer öffentlichen Cloud, wie zum Beispiel Amazon oder Microsoft Azure - Infrastructure-as-a-service oder kurz IaaS. Binnen weniger Minuten können dort fast beliebig viele Maschinen gestartet werden. Bezahlt werden sie nur, solange sie auch verwendet werden. Der ökonomische Hintergrund dieses Geschäftsmodells sind Skaleneffekte durch die enorme Anzahl gleicher Systeme (pro Anbieter mehr als eine Million Server) und die sich ausgleichenden Bedarfsspitzen vieler Kunden. Der Kunde erzielt durch das Verwenden einer IaaSCloud im Wesentlichen zwei Vorteile: • Geringere Kosten bei stark schwankendem Ressourcenbedarf: Wenn der Verbrauch während des Jahres sehr stark schwankt, ist das Pay-PerUse-Modell sehr attraktiv. Die Server kosten nur dann Geld, wenn sie tatsächlich gebraucht werden. Es müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit diese dynamische Ressourcenanpassung überhaupt möglich ist: Die Applikation muss damit umgehen können (Cloud-ready sein) und der Spitzenverbrauch muss so hoch sein, dass mehrere Server zusätzlich benötigt werden. Ist die Applikation nicht oder nur mit grossem Aufwand fähig horizontal skaliert zu werden - also auf mehre Server verteilt zu werden - hilft es nichts, dass die Basis-Infrastruktur dies könnte. Ein erheblicher Teil der Applikationen ist heute noch nicht problemlos horizontal skalierbar. Heute weisen selbst die kleinsten Server-Einheiten 17 schon eine beträchtliche Leistung auf und können mehrere hundert Benutzer bedienen. Daher gibt es im Verwaltungsumfeld nur wenig Applikationen, bei denen die dynamische Anpassung an die aktuelle Last überhaupt Sinn macht. Neben den reinen Serverkosten müssen auch der Aufwand und das Risiko einer dynamischen Skalierung in die Nutzenabwägung miteinbezogen werden. • Schnellere Installation von Applikationen, direkt durch den Lieferanten: Die von einer Verwaltung verwendeten Softwareprodukte sind vielfältig und ihre Installation oft komplex. Mithilfe einer geeigneten Private-Cloud-Umgebung kann der Software-Lieferant diese selbstständig auf der Infrastruktur des Kunden beziehungsweise seines Betriebspartners installieren. Entweder adhoc oder aber als Virtual Appliance. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der betreffende Hersteller die notwendige Betriebskompetenz hat: Monitoring, Patching, Absichern des Servers und Backup müssen durch ihn sichergestellt werden. Das Verwenden einer Public Cloud für Anwendungen, die durchgehend einen stabilen Kapazitätsbedarf haben, lohnt sich bei exakter Kalkulation finanziell nur selten. Neben den Kosten für die eigentlichen Systeme fallen zusätzlich auch Kosten für Datentransfer, Speicher und weitere Ressourcen an. Bei einer Private oder Community Cloud steht vor allen der Vorteil der schnelleren Installation der Applikationen im Vordergrund. Für eine Kosteneinsparung durch Skaleneffekte oder sich ausgleichende Bedarfsspitzen sind die Umgebungen meist deutlich zu klein, diese fallen erst ab mehreren Hundert Servern ins Gewicht. Ein Plattform-as-a-Service Angebot (PaaS) zielt darauf, Applikationen möglichst effizient, schnell und fehlerfrei installieren (und entwickeln) zu können. Es werden die Basisdienste, wie zum Beispiel relationale Datenbank, Messaging-System oder Objekt-Speicher, standardisiert bereitgestellt, und die Applikationen werden in einem Standard-Format angeliefert. Neue Umgebungen können so auf Knopfdruck aufgebaut werden. Die PaaS-Angebote sind noch sehr vielfältig, erst mit den Technologien Docker und Kubernetes beginnt sich langsam ein Standard in diesem Bereich abzuzeichnen. Eine erfolgreich eingeführte PaaSPlattform ermöglicht, sowohl die Dauer als auch den Aufwand für den Aufbau und das Update von Systemen massiv zu reduzieren. Die Kostenersparnisse entstehen durch die Einheitlichkeit der betriebenen Applikationen. Der grössere Nutzen für das Geschäft entsteht aber häufig aus dem durch die Automatisierung ermöglichten schnelleren Release-Takt, bis hin zu einem Continuous Delivery. Um eine PaaS effizient zu betreiben, ist eine Mindestgrösse in der Grössenordnung von Hunderten von Servern erforderlich. Ansonsten übersteigen die Aufwände für Aufbau, Verstehen und Aktualisierung der PaaS die erzielten Skaleneffekte. Auf der Basis von Docker können viele nicht für PaaS entwickelte Applikationen durch den Betreiber nachträglich "PaaS-ready" gemacht werden und so die Vorteile genutzt werden. Im Rahmen von Software-as-a-Service (Saas) wird die komplette Applikation – inklusive Betrieb und allfälliger Lizenzen – als Dienstleistung vom Anbieter bereitgestellt. Bekannte Beispiele dazu sind Salesforce, Dropbox oder Gmail. Durch den Betrieb vieler Instanzen respektive Mandanten der Applikation durch einen Anbieter entstehen bedeutende Skaleneffekte. Der Anbieter ist häufig gleichzeitig auch der Software-Hersteller und kann dadurch kürzere Release-Zyklen und eine schnellere Reaktion bei Betriebs- oder Sicherheitsproblemen bieten. Aus Kundensicht muss aber darauf geachtet werden, dass der Betrieb professionell erfolgt. Gerade auf Basis der Public-Cloud-Angebote ist die Versuchung bei Software-Herstellern gross, selber ein SaaS-Angebot zu "basteln", ohne die dafür notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen im Betrieb zu haben. 18 Unsere Empfehlungen für Verwaltungen Bereitstellung/Dienstleistung Software-as-a-Service Platform-as-a-Service Infrastructure-as-a-Service Public Cloud Nutzen wo verfügbar Sicherheitsstandards, Zugriff fremde Staaten berücksichtigen nur für nicht besonders schützenswerte Daten nur für Applikationen mit stark schwankendem RessourcenBedarf und ohne schützenswerte Daten nur durch ausgebildete System Engineers Private/Community Cloud nutzen wo verfügbar (Community) nutzen erst ab min. 100 Servern wirtschaftlich betreibbar (private) nicht wirtschaftlich kann sinnvoll sein für Entwicklungsumgebungen Hybrid Cloud Kombination mit interner Software Komplexität überwiegt Kosteneinsparungen meistens nicht wirtschaftlich, zu komplex Open-Source-Technologien als Rückgrat Im Betrieb gibt es einen klaren Trend zur Verwendung von Open Source Software und Tools. Einerseits hängt dies damit zusammen, dass sie kostenlos verfügbar sind. Der wirkliche Treiber ist aber, dass diese Lösungen schlicht besser und moderner sind und die Anforderungen besser abdecken. Viele dieser Tools kommen aus dem Umfeld der grossen Internetfirmen wie Google, Twitter oder Netflix, die diese für den Gebrauch in ihren eigenen Rechenzentren entwickelt haben und sie öffentlich verfügbar machen. Das oben bereits erwähnte Kubernetes – die Grundlage eines PaaS – wurde zum Beispiel von Google als Weiterentwicklung der internen Cloud-Lösung Borg als Open Source entwickelt. Auch Red Hat beteiligt sich sehr aktiv an der Entwick lung und benutzt Kubernetes als Basis für ihr Open ShiftCloud-Produkt. Mittlerweile ist Kubernetes der DeFacto-Standard für Container-PaaS-Lösungen. Eine analoge Entwicklung hat im Bereich der IaaS-Lösungen bereits stattgefunden: Praktisch alle Angebote basieren auf der als Open Source verfügbaren OpenStack-Plattform. Auch für das Monitoring (Nagios, Graphite, InfluxDB und Prometheus), für das Konfigurations-Management (Puppet, Ansible) und für die Protokollierung (Logstash, Graylog und Elasticsearch) sind OpenSource-Lösungen die beliebtesten Tools. 19 Sicherheit ist zentral Gerade im Verwaltungsumfeld verarbeiten die Anwendungen oft heikle Personendaten, welche entsprechend gut geschützt sein müssen. Immer häufiger sollen diese Anwendungen aber auch direkt über das Internet zugänglich sein, damit die Verwaltung ihre Aufgaben effizienter erfüllen kann und die Bürger direkten Zugriff auf ihre Daten haben. Auf der Gegenseite stehen professionelle Angreifer, die nicht nur mit ausgezeichnetem technischem Know-how, sondern auch mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet sind. Je nach Fachgebiet muss sogar damit gerechnet werden, dass ein anderer Staat gezielt Angreifer auf gewisse Daten ansetzt. Klar, dass da auch der Schutz der Applikationen auf einem ausgezeichneten Niveau sein muss. Die Basis bildet ein sehr guter Grundschutz im Betrieb, der auch entsprechend zertifiziert ist (ISO-27001). Im Unterschied zu früher reicht es aber nicht länger aus, sich in der Sicherheitsfrage auf eine optimale Abschottung der Applikationen durch den Betreiber zu konzentrieren. Durch die Anforderung nach breiterer Verfügbarkeit der Anwendungen lassen sich diese nicht mehr abschotten. Mittels Social-EngineeringTechniken machen Angreifer auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen zu unfreiwilligen Komplizen und greifen so auch eigentlich gut abgeschottete Applikationen an. Die Software-Hersteller müssen diese Herausforderung aktiv annehmen und ihre Applikationen von sich aus auf Sicherheitslücken überprüfen und mit schneller Bereitstellung von Patches aktiv reagieren. Ein grosser Teil der Applikationen besteht wie erwähnt aus Code, der nicht vom Hersteller selber entwickelt wurde, sondern von extern bezogen wird, meist in Form von Open-Source-Bibliotheken. Oft sind innert weniger Tage fixfertige "Angriffs-Kits" im Internet erhältlich, mit denen solche Lücken auch von Nicht-Experten ausgenutzt werden können. Die Reaktionszeit ist hier zentral. Es kann in den meisten Fällen nicht ein Vierteljahr auf den nächsten Release gewartet werden. SaaS-Angebote haben hier klare Vorteile, da der Hersteller die entsprechenden Patches selber zentral für alle Kunden ausrollen kann. Über die Bedag Informatik AG Die Bedag ist mit einem Umsatz von über 100 Mio. Franken ein führendes schweizerisches IT-Dienstleistungsunternehmen. Mit ihren 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – wovon über 20 Lernende – verfügt sie über ein breites und fundiertes Informatik-Know-how. Ihr Kerngeschäft ist die Entwicklung, die Wartung und der Betrieb von geschäftskritischen Informatiklösungen. Damit ermöglicht sie ihren Kunden einen wirtschaftlichen und sorgenfreien Informa- tikeinsatz. Mit einem Netz von hochsicheren Rechenzentren sowie Standorten in Bern, Aarau, Delémont, Genf, Lausanne und Wettingen ist sie regional stark präsent. Ihre Kunden sind hauptsächlich öffentliche Verwaltungen und Betriebe, Unternehmen im Gesundheits- und Versicherungswesen sowie UN-Organisationen. Die Bedag wurde 1990 gegründet und befindet sich im Eigentum des Kantons Bern. www.bedag.ch Bedag Informatik AG Engehaldenstrasse 12 Postfach 3001 Bern Tel. 031 633 21 21 [email protected] www.bedag.ch 07/16