Ausgabe 2013 N Feed ewsPap er ba Sag ck-Akt Ihre en Sie ion : 14 12 News und Meinununs gew g – Sie! innen Neues aus der Wissenschaft für Sie zusammengefasst In dieser Ausgabe: Die ersten 1.000 Tage 10 Epigenetik: „Feed the Future!“ Übergewicht beginnt im Mutterleib Mastfaktor Protein? Probiotika nach Sectio 8 GINI: Intervention fürs Leben? Schlanke Mädchen schmecken besser 6 4 2 0 0 (n=4.022) ≤2 (n=2.084) 3–5 (n=2.052) 6–12 (n=863) > 12 (n=121) Thema: Epigenetik und Ernährung Editorial Es besteht heute kein Zweifel mehr darüber, dass die frühkindliche Ernährung einen entscheidenden Anteil an der langfristigen Entwicklung des Kindes hat und die Gesundheit bzw. das Risiko zu späteren Erkrankungen maßgeblich beeinflusst. Zahlreiche Forschungen belegen inzwischen, dass diese Prägung bereits im Mutterleib beginnt, schon hier werden die Weichen gestellt. Dicke Mutter – dickes Kind? Ein hohes Geburtsgewicht erhöht offenbar tatsächlich deutlich die Wahrscheinlichkeit, später an einer der modernen Volkskrankheiten wie Über­ gewicht, Diabetes oder Erkrankungen der Herzkranzgefäße zu leiden. Wo stecken Möglichkeiten der Prävention? Lässt sich dieses Schicksal durch eine spezielle Ernährung im frühen Säuglingsalter verhindern, auch wenn nicht gestillt werden kann? Welche Chancen bietet ein niedrigerer Proteingehalt einer Formula – sogenannte Low-ProteinHypothese? Kann die Anreicherung mit Probiotika das langfristige Outcome verbessern? Welche Effekte schafft eine hypoallergene Säuglingsnahrung? Zu diesen Fragen finden Sie auf den folgenden Seiten kurze Zusammenfassungen aktueller Untersuchungen und Interviews mit den Studienleitern. Die ersten 1.000 Tage – und die langfristigen Folgen Die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit und das Wachstum im Säuglingsalter ist seit Langem bekannt. Neue Forschungserkenntnisse über den langfristigen Einfluss der Ernährung weit über das Säuglingsalter hinaus haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Säuglingsernährung wieder stärker in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist. Offenkundig spielt die Epigenetik eine große Rolle für die Gesundheit auch des Erwachsenen. Ernährung haben allerdings gerade in jüngster Zeit zu überraschenden Ergebnissen geführt. Zunehmend rückt deshalb die Versorgung in den ersten Lebenswochen, aber auch bereits im Mutterleib, in das Interesse der Forscher. Zeigt sich doch immer deutlicher ein enger Zusammenhang zwischen der Ernährung in dieser frühen Phase mit lebenslangen Aus­ wirkungen auf eine gesunde Entwicklung. Die Bedeutung der frühkindlichen Versorgung Anfang des vergangenen Jahrhunderts hatten Säuglinge, die nicht gestillt wurden, nur geringe Überlebenschancen. Kinderärzte und Wissenschaftler suchten nach Lösungsmöglichkeiten für die erschreckend hohe Sterblichkeitsrate. Mit der Entwicklung moderner Säuglingsmilchnahrungen wurden die diesbezüglichen Unterschiede zwischen gestillten und nicht gestillten Säuglingen in den modernen Industrieländern weitgehend ausgeglichen. Das führte dazu, dass das Interesse der Kinderärzte und der Wissenschaft an der Ernährung in den ersten Lebensmonaten abnahm. Populär geworden ist dieses entscheidende Zeitfenster der ersten 1.000 Tage für die Entwicklungschancen und Gesundheit im spä­ teren Leben durch die Initiative „Feed the Future“ von US-Präsident Barack Obama und seiner Regierung. Auf einem Event in New York am 21. September 2010 haben Hillary Clinton und der damalige irische Außenminister Micheál Martin die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Bedeutung der Ernährung – von der Empfängnis bis zum Alter von zwei Jahren – gelenkt. Langzeitstudien und ausführliche Untersuchungen zu einzelnen Aspekten der frühkindlichen Tatsächlich haben diese ersten 1.000 Tage im Leben eines Menschen einen entscheiden- Schwangerschaft Perinatal Ich wünsche Ihnen eine informative und anregende Lektüre Dr. med. Mike Poßner Medical Director Europe Nestlé Nutrition Institute NNI News 2013 3 den Einfluss auf die biologischen Chancen eines Menschen. In dieser Phase verfügt der kindliche Organismus noch über große Formbarkeit. Das bedeutet Chance und Gefahr zugleich. Denn einerseits ist der kindliche Organismus in diesem Zeitraum besonders empfindlich sowohl gegenüber einem Mangel an wichtigen Nährstoffen als auch einer exzessiven Zufuhr bestimmter Nährund Schadstoffe und kann dadurch dauerhaft geschädigt werden. Andererseits besteht aber die Möglichkeit, durch gezielte Intervention in dieser sensiblen Periode die funktionalen Fähigkeiten des Körpers zu verbessern und so auch Antworten zu schaffen auf neu entstandene gesundheitliche Herausforderungen. Hilfe gegen die neuen Volkskrankheiten Im Folgenden geht es deshalb nicht um eine durch Hunger verursachte Mangelernährung und deren Folgen, sondern vorrangig um die wachsenden Gesundheitsprobleme in den entwickelten Ländern mit hohem Lebensstandard und in den Schwellenländern. Neue „Volkskrankheiten“, die durch die frühe Ernährung beeinflusst oder mit bedingt werden, sind vor allem Adipositas und Adipositas-assoziierte Krankheiten sowie die Neurodermitis, mittlerweile die häufigste allergische Erkrankung im Säuglings- und Kleinkindalter. In Europa sind heute schon etwa 14 Millionen Kinder übergewichtig und etwa drei Millionen davon adipös (Kurth, 2007). Weltweit sind rund 43 Millionen Kinder übergewichtig (WHO, 2011). Übergewichtige und adipöse Kinder haben bekanntlich ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas im Erwachsenenalter (WHO, 2011). Adipositas ist häufig mit Diabetes mellitus Typ 2 assoziiert. Die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 verschlingt heute bereits acht Prozent der gesamten Gesundheitskosten in Europa. Im US-Gesundheitswesen wird zurzeit jeder sechste Dollar für die Folgen von Adipositas ausgegeben – Tendenz steigend! Nicht weniger dramatisch sehen die Zahlen bei den allergischen Erkrankungen aus, auch hier vor allem in den hochentwickelten Indus­triestaaten. Alleine in Deutschland erkranken etwa 1,7 Millionen Kinder (0–17 Jahre) an Neurodermitis. (KiGGS. Schlaud et al., 2007). In Europa sind etwa 9,5 bis 13 Millionen Kinder bis zur Einschulung zumindest zeitweilig von einer Neurodermitis betroffen (NetDoktor. Petra May). Will man auch diese Entwicklung unter finanziellen Aspekten betrachten, so fallen in Deutschland für die Gesellschaft jährlich Netto-Kosten von 1.365,– Euro pro Kind mit Neurodermitis an. Hier gilt es deshalb, Lösungen zu finden, um die teils gravierenden Belastungen für den einzelnen Betroffenen wie für die Gesellschaft reduzieren zu können. Ein Weg könnte in der frühkindlichen „Programmierung“ liegen. Frühe Programmierung – langfristiger Erfolg Für das biologische Konzept der Programmierung gibt es faszinierende Beispiele in der Tierwelt. Wohl das eindrucksvollste bietet die Bienenkönigin. Bienenlarven, die einen Honig-Pollen-Brei bekommen, werden sterile Arbeiterbienen, aus der mit Gelée royale ernährten Larve dagegen wird eine Königin. Warum das so ist, haben Wissenschaftler mittlerweile herausgefunden: Der Honig-Pollen-Brei sorgt dafür, dass Gene für die Bienenentwicklung außerordentlich methyliert und somit gleichsam „stumm­ geschaltet“ werden. Umgekehrt enthält das königliche Gelée bis zu fünf Prozent einer Fettsäure, die diese stummgeschalteten Gene epigenetisch wieder aktivieren kann. Menschen können durch die frühe Ernährung zwar nicht zu Königen oder Königinnen werden, doch die Folgen sind nicht weniger beeindruckend. Denn die Ernährung während des kritischen Zeitfensters der ersten 1.000 Erstes Lebensjahr Älter als 1 Jahr Thema: Epigenetik und Ernährung Tage, also von der Empfängnis bis zum Alter von etwa zwei Jahren, ist ein wichtiger Umweltfaktor, der entscheidende Bedeutung dafür hat, dass für die neue Generation die bestmöglichen Chancen für eine optimale Entwicklung und gute Gesundheit im späteren Leben bestehen. Ernährung und Neurodermitis Was bedeutet Epigenetik? Die Beobachtung, dass vor allem die Ernährung, aber auch andere Umwelteinflüsse während kritischer Zeitfenster die Genexpression und dadurch den Phänotyp verändern können, hat ein neues, spannendes Forschungsfeld aufgetan – die Epigenetik. Die Epigentik erklärt, wie die Genexpression ohne eine Veränderung der zugrunde liegenden DNA-Sequenz reguliert werden kann. Genetik Epigenetik Methylierung SNPMutationen Histone Veränderung Phänotypus Toxine Ernährung Medikamente Umwelt Im Gegensatz zu genetischen Mutationen, die durch genetische Variationen in der DNA-Sequenz (SNPs), d. h. in der Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül, entstehen, werden die Veränderungen des Phänotyps durch epigentische Modifikationen aufgrund von Umwelteinflüssen verursacht, z. B. durch Methylierung. Dies bedeutet die Übertragung von Methylgruppen durch Enzyme (DNA-Methyltransferasen) auf Nukleobasen an bestimmten Stellen innerhalb der DNA. Da der jeweilige Grundbaustein an der jeweiligen Stelle erhalten bleibt, ist die DNA-Methylierung keine genetische Mutation. Nährstoffe und bioaktive Bestandteile in der Nahrung können die Expression bestimmter Gene beeinflussen, aktivieren oder desaktivieren – und das, ohne die DNA-Sequenz zu verändern. Ein Beispiel mag das illustrieren: Werden gelbe, dicke, erbkranke Agoutimäuse- NNI News 2013 weibchen während der Schwangerschaft mit einem Cocktail von Vitamin B12, Folsäure, Betain und Cholin gefüttert, bringen sie braune und schlanke, gesunde Junge zur Welt. Hier liegt also keine genetische, sondern eine epigenetische Veränderung vor. Ganz so einfach funktioniert es bei den Menschen wohl nicht. Aber es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass bestimmte Nährstoffe eine langfristig positive Wirkung haben. Ein gut dokumentiertes Beispiel ist die Verwendung von bestimmten hypoallergenen Säuglingsformula, wenn nicht gestillt werden kann. Die bekannte GINI-Studie, die weltweit größte Studie zum Vergleich verschiedener Formulae bei Kindern mit hereditärem Allergierisiko, hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, an einer Allergie zu erkranken, signifikant gesenkt werden kann. Ebenfalls hat sich in der GINI-Studie erwiesen, dass die ersten sechs Lebensmonate das kritische Zeitfenster für die Ernährungsprävention der Neurodermitis bei Kindern mit genetischer Neigung zu Allergien darstellt. Auch die neuesten Ergebnisse der Langzeituntersuchung haben ergeben, dass der Allergieschutz bis zum zehnten Lebensjahr(!) anhält. (Vgl. Seite 18). Adipositas und Proteinzufuhr im Säuglingsalter Kindliche Adipositas hat viele Ursachen. Zu den wichtigsten Einflüssen zählt offenbar die Nährstoffaufnahme vor und nach der Geburt. Die Proteinzufuhr im Säuglingsalter beeinflusst die spätere Gewichts­ zunahme, das bestätigten mehrere Studien. Je länger die Stilldauer ist, desto deutlicher ist die Reduzierung des Risikos, später übergewichtig zu werden, im Vergleich zu nicht gestillten Säuglingen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Metaanalyse der Daten aus neun Studien mit insgesamt mehr als 65.000 Kindern. Neben vielen anderen Vorzügen der Muttermilch bietet sie die Versorgung mit einem niedrigen, aber sehr hochwertigen Protein. Ziel muss deshalb sein, wenn nicht gestillt werden kann, eine Formula bereitzustellen, deren Proteingehalt eher dem der Muttermilch entspricht. Erste Beispiele und Untersuchungen gibt es dazu bereits. Fazit Der Phänotyp eines Menschen, also die typischen Merkmale seines Organismus, etwa seine Gestalt, seine Entwicklung, die biochemischen oder physiologischen Eigenschaften, das Verhalten usw. werden nicht allein durch das genetische Make-up bestimmt. In bestimmten sensiblen Perioden können Umwelteinflüsse den Stoffwechsel, das Immunsystem und Funktionen anderer Organsysteme programmieren. 5 Frühkindliche Prägung: „Es gibt enorme Präventionschancen!“ Interview mit Prof. Andreas Plagemann, Charité Berlin ? Übergewicht beginnt im Mutterleib heißt es zu Ihrer großen ­! Metaanalyse über den Zusammenhang von Geburtsgewicht und späterem Übergewicht bzw. Adipositas? Unsere Metaanalyse zeigt tatsächlich, dass zwischen erhöhtem Geburtsgewicht und späterem Übergewicht im Sinne des BMI ein positiver linearer Zusammenhang besteht. Dass der Body Mass Index ein mit Einschränkungen zu interpretierendes Maß für Übergewicht ist, steht außer Frage. Dennoch basieren wegweisende und allgemein akzeptierte Studien zur Übergewichtigkeit ganz maßgeblich auf dem BMI. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Studie auf die beiden Parameter – Geburtsgewicht und späterer BMI – zu reduzieren. Ein Punkt war für uns die Barker-Hypothese, die seit rund 20 Jahren den Ansatz der Prägung im frühen intrauterinen Leben sehr positiv befördert hat. Andererseits wurde bei ihr vieles außer Acht gelassen. ? !­ Wo stecken die Probleme der Barker-Hypothese? Ausmaß tatsächlich überraschend, dass eben nicht niedriges, sondern zu hohes Geburtsgewicht entscheidend ist. Dabei ist wichtig, dass alle nur denkbaren Confounder, wie Gestationsalter, familiäre Veranlagung, soziale Herkunft usw., berücksichtigt wurden. ? Stichwort Low Protein. Wie sieht es aus, wenn Säuglinge über- ­! Das Problem für die Prägung ist vor allem ein Zuviel an Insulin. Ein relatives oder absolutes Zuviel an Aminosäure führt in der frühen Entwicklung, wie Glukose, zu übermäßiger Stimulation der Insulinsekretion. Deshalb ist es für mich völlig plausibel, dass durch eine Reduktion des Proteingehalts, beim Feten oder beim Neugeborenen, eine Normalisierung erfolgt. Der Weg einer relativen Reduktion der Aminosäure in der Formula erscheint mir daher richtig. ? !­ Könnte eine Perspektive in der Ernährung der Schwangeren Das metabolische Syndrom ist ein Konglomerat aus Übergewicht, diabetogenem Risiko und daraus resultierendem Herz-KreislaufErkrankungen. Dabei spielt das Übergewicht, das Zuviel an Fett, die tragende Rolle, weil das die Insulinresistenz auslöst. Deswegen lautete der Ausgangspunkt der PLOS-Studie, ob wirklich ein Zusammenhang zwischen Geburtsgewicht und dem späteren Risiko für Übergewicht besteht. Und es bestätigte sich, in diesem Wenn irgend möglich, mit Normalgewicht in die Schwangerschaft gehen. Stressfaktoren möglichst vermeiden. Nicht für zwei essen! Dennoch auf keinen Fall Diäten während der Schwangerschaft. Diese können zu Unterversorgung an essenziellen Nährstoffen führen und Umwelttoxine aus dem Fettgewebe mobilisieren. Unbedingt den oralen Glukosetoleranztest nutzen (seit März 2012 eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Wenn möglich, vier bis sechs Monate Stillen. Da aber nicht ausschließlich gestillt wird: Vergleichende Forschung, um Formulae noch weiter zu optimieren. Die Metaanalyse bestätigte Studien, dass ein erhöhtes Geburtsgewicht entscheidend ist? fehlungen: Bildung und Aufklärung schon bei potenziellen Müttern im Teenageralter. und niedriges Geburtsgewicht ist ein Risiko für späteren Diabetes, Übergewicht und Herzkreislauferkrankungen bis zum Infarkt. Doch das Geburtsgewicht wird durch eine Unterernährung kaum beeinflusst, wie selbst große Studien etwa zum holländischen Hungerwinter zeigen. Das erscheint auch plausibel, weil die Evolution es so eingerichtet hat, dass während einer Schwangerschaft vor allem das Kind versorgt wird. Selbst zu Lasten der Mutter. Erst unter extremsten Bedingungen reduziert sich das fetale Wachstum. Vor allem: 90 Prozent der Studien im Sinne Barkers berücksichtigen beim Geburtsgewicht nicht das Gestationsalter. Das führt zu massiven Verzerrungen. ? !­ liegen? Das ist ganz sicher so und schon jetzt gibt es entsprechende Em­p - Die primäre Barker-Hypothese sagt: Unterernährung im Mutterleib gewichtiger Mütter eine proteinreduzierte Formula erhalten? Kann sich das positiv auswirken? ? !­ Das ist doch auch gesundheitspolitisch relevant. Frühe Prävention ist sicher günstiger als späte Therapie? Genau das ist unser Ansatz: Es geht um die Potenz, die in dieser frühen Prävention steckt – sowohl für das betroffene Individuum wie für die Gesellschaft. Es gibt mittlerweile eine so erdrückende Beweislast, dass in dieser frühen Phase insbesondere durch die Ernährung Prägung für das ganze Leben passiert. Daraus ergeben sich enorme Präventionschancen. Thema: Ernährung in der Schwangerschaft Übergewicht beginnt im Mutterleib Ein lebenslanges Risiko für Übergewicht wird wesentlich vom Lebensstil der werdenden Mutter beeinflusst. Der Verlauf der Schwangerschaft erweist sich als entscheidend für die Gesundheit des Kindes im späteren Leben. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass Übergewicht, Überernährung, Bewegungsmangel und daraus resultierende Stoffwechselerkrankungen während der Schwangerschaft zu hohem Geburtsgewicht führen können. Der Zusammenhang zwischen dem individuellen Gewicht bei der Geburt und dem Risiko einer späteren Übergewichtigkeit wurde anhand einer Metaanalyse von 66 Studien untersucht, die insgesamt die Daten von mehr als 640.000 Probandinnen und Probanden im Alter von bis zu 75 Jahren aus 26 Ländern und fünf Kontinenten einbezogen. Adipositas und Proteinzufuhr 1,5 Component + resedual for logor Eine internationale Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat nachgewiesen, dass die Veranlagung zu Übergewicht bereits vor der Geburt geprägt wird. Kinder mit einem Geburtsgewicht über 4.000 Gramm haben in ihrem späteren Leben ein doppelt so hohes Risiko, übergewichtig zu werden, wie normalgewichtige Neugeborene. 1,0 0,5 0 – 0,5 1.000 2.000 3.000 4.000 Geburtsgewicht (Gramm) ist Übergewicht einer der Hauptrisikofak­ toren für Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Erkrankungen des Bewegungsapparates und auch für psychische Probleme. Übergewicht und Fettleibigkeit verursacht zahlreiche medizinische, sozialpolitische und gesundheitsökonomische Belastungen. So 5.000 6.000 Schellong K, Schulz S, Harder T, Plagemann A: Birth Weight and Long-Term Overweight Risk: Systematic Review and a Meta-Analysis Including 643,902 Persons from 66 Studies and 26 Countries Globally. In: Plos One, Volume 7, Issue 10, October 2012. Doi:10.1371/journal. pone.0047776.t001 Gewichtszunahme in der Schwangerschaft Eine australische Studie zeigte jetzt, dass die meisten Frauen nicht wissen, wie viel Gewicht sie während der Schwangerschaft tatsächlich zunehmen sollten. ­ ach wie vor nehmen viele so viel zu, dass N sie ihre eigene Gesundheit und die ihres Babys gefährden, bei anderen ist die Gewichtszunahme deutlich zu gering. Laut der Untersuchung nahm ein Drittel der Schwangeren zu viel zu, während ein weiteres Drittel zu wenig zugenommen hatte oder sogar in NNI News 2013 der Zeit zwischen Empfängnis und Niederkunft abnahmen. Ein Risikofaktor für eine übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ist eine bereits vorhandene Adipositas. lung des Kindes. Dass sie jedoch auch einen großen Einfluss auf die spätere Gewichtsentwicklung von Mutter und Kind hat, sei den meisten Schwangeren nicht bewusst. Die Hälfte der Frauen, die vor der Schwangerschaft bereits stark übergewichtig waren, nahm während der Schwangerschaft auch entsprechend viel Gewicht zu. Bekanntlich spielt die mütterliche Gewichtszunahme eine große Rolle für die gesunde Entwick- De Jersey SJ, Nicholson JM, Callaway LK, Daniels LA: A prospective study of pregnancy weight gain in Australian women. Aust N Z J Obstet Gynaecol. 2012 Dec;52(6):545–51. doi: 10.1111/ajo.12013. Epub 2012 Nov 1. 7 Stress und Prägung Der Ursprung vieler komplexer Krankheitsbilder kann auf eine intrauterine Prägung zurückgeführt werden. Zahlreiche Studien haben sich dabei auf die kritische Rolle der mütter­lichen Ernährung vor und während der Schwangerschaft konzentriert. Zusätzlich zu der Beziehung zwischen mütter­licher Fehlernährung und den Folgen für die kindliche Entwicklung könnte der Einfluss von intrauterinem Stress und der Stressbiologie eine Rolle spielen. Dafür sprechen folgende Gründe: Aus evolutionärer Perspektive ist die Verfügbarkeit von Energie, also die Ernährung, durch alle Zeiten die wichtigste Umweltbedingung. Es ist deshalb wahrscheinlich und plausibel, dass Stress einen wichtigen Aspekt des intrauterinen Umfelds darstellt. So ist zu erwarten, dass er viele, wenn nicht alle Entwicklungsergebnisse beeinflusst. Stressbezogene biologische Faktoren könnten direkte Effekte auf die fetale Programmierung der Körperentwicklung und der metabolischen Funktionen ausüben. Viele Auswirkungen der Ernährungsauffälligkeiten – sowohl Über- wie Mangelernährung – könnten durch die üblichen stressbezogenen Wege unter Einbeziehung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse vermittelt werden. Stressbiologie könnte deshalb ein zugrunde liegender Mechanismus sein. Stress und Stressbiologie sind dafür bekannt, dass sie die Nahrung auf verschiedenen Ebenen verändern, etwa in der kalorischen Aufnahme, der Auswahl der Nährstoffe und die metabolische Umsetzung der Energie. Umgekehrt ist bekannt, dass der Ernährungsstatus den Stress in vielfacher Weise verändert, vom Gehirn bis zur Peripherie. So ist es wahrscheinlich, dass sich diese beiden Faktoren gegenseitig beeinflussen. Dieser Punkt ist besonders bedeutsam, da Stress und Ernährungsprobleme in einem Großteil der Welt zusammen auftreten. Die Autorinnen gehen deshalb davon aus, dass die maternalfetale endokrine und immune/entzündliche Stressbiologie einen Mechanismus darstellt, der den Langzeiteffekten vieler negativer intrauteriner Entwicklungen zugrundeliegt, mit dem Risiko für Übergewicht und metabolische Fehlfunktionen im Kindheits- und Erwachsenenalter. Entringer S, Wadhwa PD: Developmental Programming of Obesity and Metabolic Dysfunction: Role of Prenatal Stress and Stress Biology. In: Bhutta Z, Bhatia J, Kalhan S (ed.): Maternal and Child Nutrition The First 1000 Days. Setting the Future. NNI Workshop Series Vol. 74, 2012 Fetale Programmierung durch Fischöl? Bisher ging man davon aus, dass die Aufnahme „schlechter“ Fette in der Schwangerschaft die Bildung kindlicher Fett­ zellen erhöht, dass „gute“ Omega-3-Fettsäuren hingegen vor Übergewicht schützen. Eine Interventionsstudie an der Technischen Universität München konnte eine solche fetale Programmierung aber nicht bestätigen: Werdende Mütter nahmen während Schwangerschaft und Stillzeit mit Fischölkapseln und Fischmahlzeiten gezielt mehr Omega3-Fettsäuren zu sich. Im Alter von zwölf Monaten war kein Effekt auf das Fettgewebe festzustellen. Die INFAT-Studie untersucht im Rahmen des Kompetenznetzes Adipositas, wie sich die Zusammensetzung der Fettsäuren in der mütterlichen Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit auf die kindliche Entwicklung auswirkt. Ein erhöhter Anteil an Omega-3-Fettsäuren in der mütter­ lichen Ernährung gilt als viel­ versprechend für die Vorbeugung von Adipositas. Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass die Arachidonsäure – eine Omega-6-Fettsäure – zum verstärkten Wachstum von Fettzellen führt, Omega-3-Fettsäuren dagegen die Fettgewebsentwicklung eher bremsen. 208 Schwangere wurden kontinuierlich begleitet und untersucht. Eine Gruppe nahm durch die Einnahme von Fischölkapseln und den Verzehr von mehr Fisch- und weniger Fleischmahlzeiten gezielt mehr Omega-3-Fettsäuren zu sich. Die Kontrollgruppe hingegen behielt ihre üblichen Ernährungsgewohnheiten bei und verzichtete auf die Fischölkapseln. Durch die regelmäßige Messung von Hautfalten wurde das Fettgewebe der Kleinkinder bis zum zwölften Lebensmonat erfasst. Auch per Ultraschall wurde die Dicke der Fettschicht am oberen Bauch der Kleinkinder bestimmt, zum ersten Mal bei so jungen Kindern. Es ließ sich bei den Gruppen kein Unterschied in der Fettgewebsentwicklung feststellen. Hauner H et al.: Effect of reducing the n-6/n-3 long-chain poly­ unsaturated fatty acid (LCPUFA) ratio during pregnancy and lactation on infant adipose tissue growth within the first year of life (INFAT-study): an open-label, randomized, controlled trial. The American Journal of Clinical Nutrition, DOI: 10.3945/?ajcn.111.022590, online publiziert am 28. 12. 2011 Thema: Ernährung in der Schwangerschaft Folsäure und Autismus? Glück aus dem Darm? Zusätzliche Folsäuregaben in der Schwangerschaft werden vor allem gegen das Risiko neuro­logischer Entwicklungsstörungen empfohlen. Es gibt immer mehr Hinweise, dass die Darmflora nicht nur die allgemeine Gesundheit, sondern auch die Psyche beeinflussen kann. ­ ine mögliche Auswirkung auf ein niedriE geres Autismus-Risiko der Kinder folgern nun Forscher des Norwegian Institute of Public Health in Oslo aus einer Studie mit mehr als 85.000 Frauen und ihren Kindern (geboren 2002 bis 2008). 61.000 der Frauen hatten Folsäure eingenommen. Bei 0,1 Prozent (= 64) der Kinder dieser Mütter wurde später Autismus diagnostiziert, bei den rund 24.000 Müttern ohne zusätzliche Folsäuregabe betrug der Anteil dagegen 0,21 Prozent (= 50). Zwar lasse sich kein ursächlicher Zusammenhang ableiten, doch bestätigt die Studie die Aussage, daß Folsäure-Präparate, die vier Wochen vor und in den ersten acht Wochen der Schwangerschaft genommen werden, das Autismus-Risiko der Kinder senken können. Eine spätere Gabe zeigte dagegen aber keinen schützenden Effekt. Surén P, Roth C, Bresnahan M, et al. Association between maternal use of folic acid supplements and risk of autism in children. JAMA 2013, 309 (6): 570–577 ­ issenschaftler des AlimenW tary Pharmabiotic des Centre University College Cork berichten über die Ergebnisse ihrer Studie mit keimfreien Mäusen. Sie konnten zeigen, dass sich das Fehlen von Darmbakterien während des frühen Lebens signifikant auf die Konzentration des „Glücks-Hormons“ Serotonin im Gehirn im Erwachsenenalter auswirkt. Hervorgehoben wurde dabei, dass die Wirkung vom Geschlecht abhängt. Die Konzentration von Tryptophan, dem Ausgangspunkt von Serotonin, hatte im Plasma der männlichen Mäuse zugenommen, was eine humorale Verbindung vermuten lässt, über die die Darmflora die Neurotransmission des Serotonins im Zentralnervensystem (ZNS) beeinflussen kann. Interessanterweise ist die Kolonisation der keimfreien Tiere nach der Stillphase unzureichend, um im Erwachsenenalter die neurochemischen Folgen im ZNS einer fehlenden Darmflora im Säuglingsalter umzukehren. Dies ist unabhängig von einer späteren peripheren Verfügbarkeit, mit der ein Basiswert des Tryptophan erreicht wird. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Neurotransmission des ZNS durch das Fehlen einer normalen Darmflora nachhaltig gestört werden kann. Dieses abnormale neurochemisch und verhaltensbedingte Profil bleibt erhalten, unabhängig von einer normalen Darmflora im späteren Leben. Clarke G et al.: The microbiome-gut-brain axis during early life regulates the hippocampal serotonergic system in a sex-dependent manner. Mol Psychiatry, June 12, 2012 DOI: 10.1038/mp.2012.77 Jod in der Schwangerschaft Jod ist ein lebenswichtiges Spurenelement, das für die Bildung der Schilddrüsenhormone notwendig ist. Diese Hormone regulieren wichtige Stoffwechselabläufe im Körper. Schwangere sollten wegen ihres erhöhten Bedarfs 230 µg Jod täglich aufnehmen. Dank der Verwendung von Jodsalz ist Deutschland zwar kein Jodmangelgebiet mehr, dennoch liegt die durchschnittliche Aufnahme bei NNI News 2013 rund 110 bis 120 µg Jod am Tag (Empfehlung für Erwachsene: 180 bis 200 µg). Etwa die Hälfte aller Schwangeren ist unzureichend mit Jod versorgt. Selbst in geringer Ausprägung kann dieser Mangel die kindliche Entwicklung und Intelligenz des Kindes beeinträchtigen und in starker Ausprägung zu einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten oder Fehlbildungen führen. Denn Jod ist an der Steuerung des Wachs- tums, der Knochenbildung und der Gehirnentwicklung des Embryos im Mutterleib beteiligt. Zur Vorbeugung wird deshalb die Einnahme eines Jodpräparats empfohlen sowie eine jodreiche Ernährung, wie sie Meeresfisch, Milch und Milchprodukte bieten. Weitere Informationen: Netzwerk Gesund ins Leben, www.gesundinsleben.de 9 Der Präeklampsie-Ursache auf der Spur? Präeklampsie tritt bei etwa jeder 20. Schwangerschaft auf. In Europa und den USA ist sie eine der häufigsten Todes­ ursachen für Mutter und Kind. Präeklampsie ist der Grund für bis zu 20.000 Frühgeburten jährlich. Warum sie auftritt, ist bisher ungeklärt. Doch in einer Studie haben Wissenschaftler einer internationalen Studiengruppe jetzt ein Enzym gefunden – kurz CYP2J2 – das bei Frauen, die unter Prä­ eklampsie litten, in Zellen der Plazenta und der Gebärmutterschleimhaut (Dezidua) ungewöhnlich häufig auftrat. Dieses Enzym produziert Metaboliten, die unter anderem Entzündungsprozesse, Gefäßwachstum und den Blutdruck regulieren. CYP2J2 wird von den Trophoblasten erzeugt, die bestimmte Blutgefäße in der Dezidua so verändern, dass der Embryo ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird. Wachsen sie allerdings nicht ausreichend tief in die Gebärmutterschleimhaut ein, findet dieser Umbau nicht vollständig statt. Das kann zu mangelhafter Versorgung des Kindes führen – und zu Präeklampsie. Verantwortlich ist das Enzym CYP2J2, wenn es in großen Mengen vorhanden ist und dadurch auch Metaboliten (EETs – epoxyeico- satrienoic acids) vermehrt produziert werden. EET aktiviert einen Stoff, der die Trophoblasten am Einwachsen in die Gebärmutterschleimhaut hindert. Ursache ist dafür TNF-alpha, ein Boten­ stoff des Immunsystems, der in einer frühen Phase der Schwangerschaft ausgeschüttet wird, wenn die Plazenta zu wenig durchblutet ist und dadurch Sauerstoffmangel herrscht. Im Fall der Präeklampsie verschlechtert sich dadurch sowohl die Blutversorgung der Plazenta als auch die des Embryos. Dies führt zu weiter steigendem Bluthochdruck. Herse F et al.: Cytochrome P450 Subfamily 2J Polypeptide 2 Expression and Circulating Epoxyeicosatrienoic Metabolites in Preeclampsia. Circulation,10.1161/CIRCULATIONAHA.112.127340 Schwangerschaftsdiabetes durch Vitamin-D-Mangel? Ein Mangel an Calcidiol, der mit der Nahrung aufgenommenen Vorstufe von aktivem Vitamin D, könnte Schwangerschaftsdiabetes und Präeklampsie begünstigen. Dies ist das Ergebnis einer Metaanalyse der University of Calgary von 31 Studien aus den Jahren 1980 bis 2012 mit insgesamt mehr als 20.000 Frauen. Allerdings sei die Vergleichbar- keit der einzelnen Studien nur bedingt gegeben, was die Aussagekraft einschränke. Aus früheren Studien ist aber bekannt, dass Vitamin D die Funktion der Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse beeinflusst, ein entsprechender Mangel könnte also die Insulinempfindlichkeit herabsetzen. Da die körpereigene Produktion von Vitamin D abhängig vom Sonnenlicht ist, sollten Schwangere generell möglichst viel Zeit im Freien verbringen. Aghajafari F et al: Association between maternal serum 25-hydroxyvitamin D level and pregnancy and neonatal outcomes: systematic review and meta-analysis of observational studies. BMJ Thema: Ernährung und Frühgeburt Aktualisierte Empfehlungen zur Säuglings­ernährung und Ernährung der stillenden Mutter Das Netzwerk „Gesund ins Leben“ hat jetzt aktualisierte Handlungsempfehlungen zur Ernährung von Säuglingen und ihren Müttern herausgegeben. Erstmals erschienen die im Konsens mit Fachgesellschaften verabschiedeten Empfehlungen im Juli 2010, die Neuauflage wurde in der März-Ausgabe der Monatsschrift „Kinderheilkunde“ veröffentlicht und ist auch als Sonderdruck erhältlich. Vor dem Hintergrund einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung wurden die hygienischen Aspekte bei der Zubereitung von Säuglingsmilchnahrung noch stärker betont: Die zentralen Emp- fehlungen behandeln die Verwendung von frischem Trinkwasser, die frische Zubereitung der Säuglingsmilchnahrung vor jeder Mahlzeit, das Wegwerfen von Resten und die Reinigung von Flaschen und Saugern direkt nach der Mahlzeit. Neu aufgenommen wurde die Empfehlung, bei der Zubereitung der Säuglingsmilchnahrung auf eine Wasser­ temperatur von maximal 40 Grad Celsius beim Anschütteln der Nahrung zu achten, um Verbrühungen zu vermeiden. Weitere Informationen: „Säuglingsernährung und Ernährung der stillenden Mutter – Aktualisierte Handlungsempfehlungen“. 2. Auflage 2013. Gebildete Mütter = gesündere Kinder Soziale Unterschiede zeigen sich bereits bei der Gesundheit von Neugeborenen: Mütter mit höherer Bildung bringen seltener Frühgeburten und Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht zur Welt. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Grundlage von Daten des Soziooekonomischen Panels (SOEP). Zwischen der Bildung der Mutter und der Gesundheit von Neugeborenen sowie dem späteren gesundheitsbezogenen Verhalten Jugendlicher besteht offenbar ein Zusammenhang. Hat die Mutter Abitur, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt, auch späteres Übergewicht der Kinder wird durch die Ausbildung der Mutter beeinflusst. Leider gilt auch der Umkehrschluss: Eine soziale Schlechterstellung der Mutter wirkt sich offenbar auch langfristig aus: Jugendliche rauchen häufiger, treiben seltener Sport, sind öfter übergewichtig und schätzen NNI News 2013 ihre eigene Gesundheit schlechter ein, je niedriger der Bildungsabschluss ihrer Mutter ist. „Die Gesundheit von Kindern wird nicht nur durch die Genetik bestimmt“, erklären die Studienautoren Jan Marcus und Daniel Kemptner. „Eine maßgebliche Rolle spielt auch die elterliche Bildung, etwa indem sie das eigene Gesundheitsbewusstsein erhöht und sich dieses Verhalten auf die Kinder überträgt.“ Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) des DIW Berlin ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Mehr als 20.000 Menschen in rund 11.000 Haushalten werden dazu vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung unter anderem zu Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und Gesundheit befragt. Da stets dieselben Personen befragt werden, kann auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen gut analysiert werden. DIW Wochenbericht 5, 2013 11 Frühchenernährung in Klinik und Praxis – gibt es einen Standard? Frühgeborene haben im Vergleich zu Neugeborenen einen erhöhten Energieund Nährstoffbedarf. Dieser orientiert sich im Wesentlichen an der intrauterinen Energie- und Nährstoffzufuhr und muss um die zusätzlichen Anforderungen, die das extrauterine Leben mit sich bringt, ergänzt werden. Im Bezug auf den Kalorienbedarf eines Frühgeborenen müssen z. B. Ergänzungen für Zellsynthese, Speicherenergie und Ersatz von Ausscheidungen bereitgestellt werden. Dies steigert den Energiebedarf eines Frühgeborenen auf 90–120 kcal/kg/d im Vergleich zum reifen Neugeborenen mit „nur“ 40–60 kcal/ kg/d. Im Jahr 2005 wurden für die parenterale Ernährung und den enteralen Nahrungsaufbau Referenzwerte publiziert. Erstmals standen nun auch Standards für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1000g (ELBW-infants) zur Verfügung. Wesentliche Neuerungen im Bereich der parenteralen Ernährung stellten der Beginn mit Glukose, Eiweiß und Fett ab dem ersten Lebenstag dar. Die Standards für parente­ rale Eiweiß- und Fettzufuhr (beides 4 g/kg/d) lagen nun deutlich höher als bisher. Auch für die enterale Nährstoffzufuhr wurden die Empfehlungen speziell für Eiweiß (3,8–4,4 g/kg/d) und Fett (bis 8,4 g/kg/d) deutlich erhöht, 2010 wurden die Empfehlungen für die Eiweißzufuhr von ELBW-infants von der ESPGHAN nochmals auf 4–4,5 g/kg/d präzisiert. Für Neonatologen stellt sich das Problem, dass in der Praxis eine suffiziente enterale Nährstoffzufuhr speziell bei Muttermilchernährten Frühgeborenen mit den derzeit verfügbaren Supplementen kaum möglich ist. Frühgeborene haben im Bezug auf Ernährung und Nährstoffzufuhr nicht nur während ihres Klinikaufenthaltes, sondern auch nach der Entlassung in häusliche Pflege spezielle Bedürfnisse. Im Durchschnitt wird ein Frühgeborenes, das mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm und vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren wurde, heute im Alter von 70 Tagen entlassen – das entspricht im Mittel einem korrigierten Alter von 36 Gestationswochen. Optimales Gedeihen und Aufholwachstum bis zum Geburtstermin sind hierbei primäre Ziele und spielen auch für das weitere Wachstum nach der Entlassung eine wesentliche Rode, besonders auch im Hinblick auf die Gehirnentwicklung. Allerdings soll auch ein zu hohes Nährstoffangebot mit möglichen Langzeitkonsequenzen vermieden werden. Ein individuelles Vorgehen je nach Gedeihen während des Krankenhausaufenthalts ist daher notwendig. Sollte ein Frühgeborenes nicht entsprechend gedeihen, ist es sinnvoll, das Zeitfenster für Aufholwachstum nach der Geburt zu nutzen, das bis zur korrigierten 52. SSW angenommen wird. Sie sollten dann angereicherte Muttermilch bzw. eine spezielle Entlassungsnahrung erhalten. Die Ernährung mit angereicherter Muttermilch bzw. Stillen ist in jedem Fall gegenüber industriell gefertigter Formulanahrung zu bevorzugen. Entlassungsnahrungen für Frühgeborene decken den erhöhten Nährstoffbedarf besser ab als Anfangsnahrungen, sind aber im Vergleich zur Frühgeborenennahrung für den Klinikaufenthalt im Energie und Proteingehalt reduziert. Eine zusätzliche Versorgung mit Calcium und Phosphor ist dabei nur mehr im Einzelfall nötig. Darüber hinaus sollen alle Frühgeborenen zumindest im ersten halben Jahr zusätzlich Eisen und Vitaminsupplementation erhalten. Vortrag von Nadja Haiden, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abt. für Neonatalogie, pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie, Wien. Auf dem Drei-Länder-Symposium, München. 8./9. November 2012 Thema: Frühe Ernährung und Protein Adipositasprävention – früher Einfluss von Protein, Fetten und Kohlenhydraten Nicht-metabolische und metabolische Faktoren während sensitiver, begrenzter Zeitfenster der prä- und postnatalen Entwicklung zeigen in epidemiologischen, experimentellen und klinischen Untersuchungen langfristige Wirkungen auf Struktur und Funktion des Organismus und auf Gesundheit und Krankheitsrisiken im späteren Lebensalter. Beim Menschen zeigten zahlreiche epidemiologische Beobachtungen und kontrollierte Interventionsstudien Hinweise auf anhaltende programmierende Effekte durch die frühe Ernährung. Die ersten 1.000 Tage des menschlichen Lebens – von der Konzeption bis zum Alter von etwa zwei Jahren – bieten besondere Chancen für die Prävention. Die Frühe-Protein-Hypothese Vor mehr als 30 Jahren wurde das Konzept einer dauerhaften gesundheitlichen Programmierung während einer sensiblen Phase der frühkindlichen Entwicklung postuliert. Seither haben zahlreiche Studien einen solchen Zusammenhang bestätigt, darunter viele, die einen Zusammenhang zwischen der frühkindlichen Ernährung und dem Risiko eines späteren Übergewichts zeigten. Säuglingsformula hat wesentlich höheren Eiweissgehalt als Muttermilch (155–180 Prozent des Muttermilchgehaltes). Im Tierversuch ist eine hohe Proteinzufuhr in Schwangerschaft und der Postnatalperiode mit erhöhtem späteren Adipositas­ risiko verbunden. Flaschenernährte Säuglinge zeigen weit höhere postprandiale Insulinwerte als gestillte Kinder. Hohe Insulin- und IGF-1-Werte können das Wachstum in den ersten zwei Lebensjahren verstärken und die Adipositasentwicklung fördern. Diese Beobachtungen, gestützt durch epidemiolo­ gische Studien, führten zur sogenannten „Frühe-Protein Hypothese“: Hohe Proteinaufnahme mit der Säuglings­ flaschennahrung könnte zu einem erhöhten Risiko für Über­ gewicht im späteren Leben führen. Koletzko B et al.: Can infant feeding choices modulate later obesity risk? Am J Clin Nutr. 2009 May;89(5):1502S–8. NNI News 2013 Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass eine mütterliche Adipositas zu Beginn der Schwangerschaft ebenso wie eine hohe mütterliche Gewichtszunahme sowie eine mütterliche diabetische Stoffwechsellage in der Schwangerschaft das kindliche Risiko für Adipositas und damit assoziierte Erkrankungen sehr deutlich erhöhen, offenbar aufgrund einer intrauterinen Überfütterung (”fetal overnutrition hypothesis“). In der Schwangerschaft ist der mütterliche Blutzucker nüchtern und postprandial mit dem neonatalen Körperfettgehalt assoziiert. Eine hohe glykämische Last der mütterlichen Ernährung ist mit erhöhtem Risiko für erhöhtes Geburtsgewicht und ein hypertrophes Neugeborenes (large for gestational age) verbunden. Die Bedeutung der Säuglingsernährung unterstreicht die in zahlreichen Studien und drei Metaanalysen gezeigte Verminderung des späteren Risikos für Übergewicht und Adipositas durch Stillen im Säuglingsalter um ca. 15–20 Prozent. Eine mögliche Ursache für den schützenden Effekt des Stillens ist die geringere Gewichtszunahme im Säuglingsalter als bei Flaschenernährung, offenbar bedingt durch den niedrigeren Eiweißgehalt der Muttermilch im Vergleich zu Säuglingsnahrungen (Frühe-Protein-Hypothese). Wir prüften diese Hypothese in der European Childhood Obesity Study, einer doppel-blind-randomisierten klinischen Studie mit Einschluss von 1.678 reifgeborenen Säuglingen in fünf Ländern. (Vgl. dazu nebenstehenden Beitrag). Die Ergebnisse zeigen, dass eine verminderte, dem Gehalt der Muttermilch stärker angenäherte Eiweißzufuhr mit der Säuglingsnahrung zu einer Normalisierung von Körpergewicht und Body-Mass-Index (BMI) mit zwei Jahren führt. Dagegen bewirkt eine hohe Eiweißzufuhr im ersten Lebensjahr eine signifikante Erhöhung von Gewicht und BMI. Die Nachuntersuchung dieser Kinder im frühen Schulalter zeigt eine Persistenz der Effekte. Auch führt eine höhere Eiweißzufuhr – im Vergleich zu einer eiweißärmeren Flaschennahrung oder zur Muttermilch – zu stärker veränderten biochemischen und endokrinen Parametern und zu einem patho­ logisch erhöhten Nierenwachstum. Unsere Langzeitstudie erlaubt auch die Untersuchung weiterer wichtiger Fragen, z. B. zur Praxis 13 Die CHOP-Studie Empfehlungen für die pädiatrische Praxis: Normalgewicht vor und in der Schwangerschaft, eine aus­ gewogene Ernährung der Schwangeren mit begrenzter glykämischer Last, regelmäßige Bewegung sowie die frühe Erkennung und Behandlung einer diabetischen Stoffwechsellage in der Schwangerschaft können das kindliche Risiko für Adipositas und assoziierte Erkrankungen vermindern. Für die Säuglingsernährung ist Stillen die beste Wahl und sollte aktiv gefördert, unterstützt und geschützt werden. Zum Schutz des Stillens sind die Grundsätze des WHO-Codex zur Vermarktung von Säuglingsnahrungen einzuhalten. Für gesunde Kinder sollte eine sehr rasche Gewichtszunahme in den ersten beiden Lebensjahren vermieden werden. Bei einem Kreuzen der Perzentilen sollte eine gezielte Beratung erfolgen. Für nicht oder nicht voll gestillte Säuglinge sollten bevorzugt Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen mit niedrigem Eiweißgehalt, aber guter Eiweißqualität ausgewählt werden. Trinkmilch (handelsübliche Kuhmilch), die einen sehr hohen Eiweißgehalt hat, sollte im ersten Lebensjahr nicht als Getränk gegeben werden. der Beikosteinführung und ihrer Auswirkungen und zu Zusammenhängen biologischer und psycho-sozialer Faktoren. Insgesamt zeigen die vorliegenden Ergebnisse ein sehr hohes präventives Potenzial der frühen Ernährung für die langfristige Gesundheitsförderung. Die Wirkungen der frühen Ernährung auf das spätere Adipositasrisiko ist auch der Schwerpunkt des im 7. Forschungs­ rahmenprogramm der Europäischen Kommission geförderten multi­ disziplinären Forschungskonsortium EarlyNutrition – Long term effects of early nutrition on later health, mit Partnern in Europa, den USA und Australien (www.early-nutrition.org). Vortrag von Berthold Koletzko, Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, München, auf dem Drei-LänderSymposium, München, 8./9. November 2012 Das European Childhood Obesity Project (CHOP) untersucht die Frage, ob die Höhe der frühkindlichen Eiweißzufuhr längerfristig die körperliche Entwicklung der Kinder und die spätere Tendenz zum Übergewicht beeinflusst. Denn mehrere epidemiologische Studien zeigten, dass das Risiko von späterem Übergewicht bei gestillten Kindern signifikant niedriger ist als bei mit Formelmilch ernährten Kindern. In herkömmlicher Flaschennahrung ist der Proteingehalt deutlich höher als in der Muttermilch. Von Oktober 2002 bis Juni 2004 wurden in fünf europäischen Ländern 1.678 Säuglinge innerhalb der ersten beiden Lebensmonate in die Studie aufgenommen. Die Kinder, die nach dem 2. Monat nicht mehr gestillt wurden, erhielten randomisiert entweder eine Nahrung mit niedrigem Eiweißgehalt (1,8 g/100 kcal bzw. als Folgemilch 2,2 g/100 kcal) oder eine Formelmilch mit höherem Eiweißgehalt (2,9 g/100 kcal bzw. 4.4 g/100 kcal) während des ersten Lebensjahres. Der Eiweißgehalt entsprach dabei den auf dem Markt zugelassenen Flaschenmilchnahrungen. In der ersten Studienphase wurden zu Beginn und im Alter von 3, 6, 12, 18 und 24 Monaten nach standardisierten Verfahren anthropometrische Messungen (Größe, Gewicht, Hautfalten etc.) vorgenommen und mit Hilfe von 3-Tages-Ernährungsprotokollen (zunächst monatlich, vierteljährlich im 2. Lebensjahr) die Nahrungsaufnahme der Kinder dokumentiert. 298 gestillte Kinder und 322 Kinder aus der Hochproteingruppe bzw. 313 Kinder aus der Niedrigproteingruppe konnten bis zum Alter von 2 Jahren nach­ untersucht werden. Die Energieaufnahme unterschied sich in den beiden Formelmilchgruppen nicht. Die Eiweißaufnahme war allerdings in den ersten Lebensmonaten in der Hochproteingruppe über 60 Prozent höher als in der Niedrigproteingruppe. Mit zunehmender Bedeutung der Beikost verringerte sich der Unterschied im Alter von einem Jahr auf 22 Prozent und im zweiten Jahr fanden sich erwartungsgemäß keine Unterschiede mehr. Im Verhältnis Gewicht/Länge und im BMI zeigten sich ab dem Alter von 6 Monaten statistisch signifikante Gruppenunterschiede, die sich bis in das Alter von 2 Jahren fortsetzten. Dabei verhielten sich die Kinder mit der niedrigeren Eiweißzufuhr ähnlich den gestillten Kindern, während hohe Eiweißzufuhr mit höheren Werten assoziiert war. Dies spricht für die Hypothese, dass hohe Eiweißaufnahme über höheres IGF-1 zu erhöhter Gewichtszunahme führt. Der in anderen Studien beobachtete Zusammenhang zwischen Gewicht im Alter von 2 Jahren und späterem Über­ gewicht legt nahe, dass die frühkindliche Eiweißzufuhr das spätere Adipositas-Risiko beeinflusst. www.metabolic-programming.org/obesity Thema: Frühe Ernährung und Protein Eiweißbedarf und Eiweißzufuhr Beim gestillten Kind stimmen Bedarf und Zufuhr gut überein (Abb. 1). Beim flaschen­ ernährten Säugling ist die Situation anders. Der Eiweißgehalt von Anfangsnahrungen liegt zwischen 1,85 und 2,10 g/100 kcal, damit er den hohen Bedarf im ersten Monat deckt. Doch bereits im zweiten Lebens­ monat ist die Eiweißzufuhr höher als nötig, die Diskrepanz wächst im Folgenden noch (Abb. 2). Bei Folgenahrungen ist der Eiweißgehalt, trotz geringerem Bedarf, sogar noch höher. Lange galt diese überhöhte Eiweißzufuhr als akzeptabel. Seit bekannt ist, dass flaschengefütterte Kinder später eher zu Adipositas neigen als gestillte, wird eine hohe Eiweißzufuhr zunehmend kritisch betrachtet. Epidemiologische Untersuchungen konnten eine Beziehung zwischen hoher Eiweißzufuhr im Säuglingsalter und verstärkter Adipositas im Kindesalter feststellen. Diese Befunde erhielten ihre Bestätigung in dem European Obesity Project. Folgenahrungen mit vermindertem Eiweißgehalt sind noch nicht im Handel. In einer Untersuchung wurden Säuglinge von übergewichtigen Müttern ab dem Alter von 3 Monaten bis zum Alter von 12 Monaten mit Säuglingsnahrungen mit einem Eiweißgehalt von entweder 1,65 g/100 kcal oder 2,70 g/100 kcal ernährt. Der Protein- NNI News 2013 gehalt deckt also den Bedarf hin­reichend und bietet Kindern von adipösen Müttern einen gewissen Schutz gegen zu rasche Gewichtszunahme. Abb. 1: Proteinbedarf und -zufuhr beim gestillten Kind 2,50 Eiweiß (g/kg/d) Der Eiweißbedarf wird errechnet, indem man den mittleren Bedarf für das Wachstum abschätzt und die unvermeidlichen Verluste dazuaddiert (faktorielle Methode). Ähnlich dem Bedarf nimmt auch die Eiweißzufuhr des gestillten Kindes pro kg Körpergewicht ab, vor allem weil der Eiweißgehalt der Mutter­milch von etwa 14,0 g/l (1,85 g/ 100 kcal) im ersten Monat auf 8,6 g/l (1,35 g/ 100 kcal) im vierten Monat sinkt. gehalt von 2,7 g/100 kcal liegt im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen, 1,65 g/100 kcal liegt unterhalb des derzeit gesetzlich vorgeschriebenen minimalen Proteingehalts von Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen von Faktoriell 2,00 gestilltes Kind 1,50 1,00 0,50 0,00 0–1 1–2 2–3 3–4 Altersintervall (Monate) 4–5 5–6 Abb. 2: Zufuhr bei Formula-Ernährung Eiweiß (g/kg/d) Der Eiweißbedarf des Säuglings ist nicht konstant, sondern nimmt mit dem Alter ab, vor allem in den ersten Lebens­ monaten. 2,20 2,00 1,80 1,60 1,40 1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 Bedarf Anfangsnahrungen 0–1 1–2 2–3 3–4 4–5 5–6 6–9 Altersintervall (Monate) 1,8 g/100 kcal. Zwischen 3 und 6 Monaten war die durchschnittliche Gewichtszunahme (g/Tag) in der Niedrigproteingruppe mit der Gewichtszunahme der gestillten Säuglinge vergleichbar und signifikant geringer als in der Hochproteingruppe. Auch noch im Alter von 1 Jahr und sogar noch mit 2 Jahren, d. h. 1 Jahr nach Ende der Intervention, hatte die Niedrigproteingruppe signifikant niedrigere Gewichts-Z-Scores als die Hochproteingruppe. Eine Folgenahrung mit niedrigem Eiweiß­ 9 – 12 Vortrag von Ekhard E. Ziegler, Department of Pediatrics, University of lowa, lowa City. lowa, USA, auf dem Drei-Länder-Symposium, München, 8./9. November 2012 15 Frühkindliche Ernährung und das Risiko für Übergewicht Während sensibler Phasen der frühen Entwicklung können Umweltfaktoren das Risiko für spätere Erkrankungen erhöhen oder reduzieren. Einfluss von Stillen auf Übergewicht und Adipositas bei Schulanfängern Mehrere epidemiologische, experimentelle und klinische Studien zu dieser langfristigen Programmierung haben gezeigt, dass die Säuglingsernährung programmierende Effekte auf das spätere Adipositasrisiko hat. 14 Adipositas (BMI > 97. perc.) Die wegweisende klinische Studie zeigte erstmals 1999, dass ge­ stillte Säuglinge später seltener übergewichtig sind als nicht gestillte. Je länger die Stilldauer, umso geringer war das Risiko für Über­gewicht und Adipositas der untersuchten Schulanfänger (Abb.). Auch wurden keine signifikanten Unterschiede im Körpergewicht und im BMI gefunden. Dagegen zeigten Kinder, die im ersten Lebensjahr mit den Säuglingsnahrungen mit höherem Proteingehalt ernährt wurden, ein signifikant höheres Körpergewicht im Verhältnis zur Körper­ länge und einen signifikant höheren BMI als gestillte Säuglinge. Die Autoren empfehlen deshalb für Säuglingsanfangsnahrung einen Proteingehalt möglichst im unteren Bereich (1,8 g/100 kcal) des gesetzlich vorgeschriebenen Spektrums zu wählen, bei einer hohen Proteinqualität. Früh kindl iche 10 8 6 4 2 Ha t Ern die frü ä auf hrung hkindli für das sp einen che Übe E ä rge tere R influss is wic ht? iko Ernä hrun g 0 0 (n= 4.022) ≤2 (n=2.084) 3–5 (n=2.052) 6–12 (n= 863) > 12 (n=121) Stilldauer (Monate) l de r Stu die nte ilneh me r (% ) Die ei blei nen kö ben nnen sie schl ih ank, so viel sind rem Ap di es petit e ande sen allein wie nich folg ren schu t nu en. nehm sie w ld r st olle en euer . Heut Lange sofo n und ew glau Wäh n so rt zu bt re nder issen , wen könn nd se wir, e man n au nsibl , di en n ch ge dass er Ph Um verän die e Gene we steu asen Ge er t Erkra dern un ltfaktor der wer ne frühe nkun d da en da den. Konz ue gen n du ept erhö rch da rhaft die Entwick Kran de Gena lung kheit r langf hen od s Risik Met ristig kti er srisik Einfl o ab en Pr reduzie für sp vität uss sibler oliten o Er wa und von ogram ätere re n. un Adip St Se mier wurd Phasen d Ne chsene osita illen au urot ung it das r en der s be f auf und viele frühe ransm durch i Sc Überge kli itter Horm das epide n En hula beleg nisch w 14 wä twick one, nfän icht e m lung hrend gern Säug en. Meh Studien iologisc senlings rere durch he, ex bekann das perim t ist, 12 gefü späte ernährun Studien hrt Überg ente ha re Ad g „Nuc lle iposit program ben ge um die (BM ewich kel zeigt I > 90 t s zu mier asris Dich . pe 10 ende , dass Adipo iko Unte rc. ) schl hat. die Effe r (BM sitas ank“ Artik dieser kte I > 97. auf el Über perc. Stud im FO schr ) 8 CU ie ein ift m von es M S auf Kr eine achte erstm ies un ünchne wegw scho d Be n 19 r Fo 6 eis rsc selte als ze rthold 99 ende he igt ne klinis ein länge r über e, dass Kolet rteams zko che um gewi r ge die Rüdig für stillte aufm 4 chtig Stilld Üb sin Säug erksam er Schu ergewi auer, , die linge umso d als lanfän cht nicht und meh ge ger 2 gesti später re Adipo ringe (A dien, re M llte. sitas r war eta-A bb.). Je Inzwi der un das Ri gerin dass nalys ge sche ge tersu siko en 0 werd res Ri stillte chte Säug mit Be n be siko en als Säug linge obac stätig n ha ten (n= 0 lings Säuglin ben, htun ein 4.0 späte ≤ gs 22 ) milc ge, um (n= 2 die h er r üb 15 –2 stu 2.0 84 m nähr erge 5 % ) (n= 3– 5 t we it einer wi 2.0 52 herkö chtig 6– rden Stilld ) (n= 12 zu Abb. : . mm auer 86 3) Ein > 12 liche Üb (Mon (n= n > ergew fluss de ate 12 Antei Dazu kann ein detaillierter Sonderdruck des NNI angefordert werden. 12 Anteil der Studienteilnehmer (%) Als ursächlicher Faktor dafür wird eine geringere Gewichtszunahme im Säuglingsalter bedingt durch den niedrigeren Proteingehalt der Muttermilch im Vergleich zu Säuglingsnahrungen angesehen. Diese Hypothese wird in dem „European Childhood Obesity Project“ überprüft, einer doppelblinden, randomisierten, kontrollierten, klinischen Studie in fünf Ländern (Belgien, Deutschland, Italien, Polen und Spanien). Die mehr als 1.000 Säuglinge erhielten im ersten Lebensjahr entweder Säuglingsanfangs- und anschließend Folgenahrung mit jeweils hohem oder niedrigem Proteingehalt zugeteilt. Die Ergebnisse im Alter von zwei Jahren zeigen, dass das das Wachstum bei einer proteinreduzierten Säuglingsnahrung vergleichbar ist mit dem einer gestillten Referenzgruppe. Übergewicht (BMI > 90. perc.) icht r 1) 97. ) (BM Dauer liche Perze n Ge ntile) I > 90 von Sti lle unter . Pe bie rzenti n au ten f die in Ba 5– 6 le) Prä un yern Jahre (vo alten d Adipo valenz n Kri von es et Kinde sitas (BM rn al., 19 99 aus län I ) d- Abb.: Einfluss der Dauer von Stillen auf die Prävalenz von Übergewicht (BMI > 90. Perzentile) und Adipositas (BMI > 97. Perzentile) unter 5–6 Jahre alten Kindern aus ländlichen Gebieten in Bayern (von Kries et al., 1999) Thema: Wirkung von Probiotika ESPGHAN zur Supplementierung von Säuglingsnahrung mit Probiotika und Präbiotika Die European Society of Pediatric Gastro­ enterology, Hepatology, and Nutrition (ESPGHAN) hat in einer umfassenden Stellungnahme anerkannt, dass Bifidobacterium lactis (B. lactis) das Risiko unspezifischer Magen-Darm-Infektionen bei Kindern reduziert. die ESPGHAN alle evaluierten probiotischen und präbiotischen Säuglingsnahrungen für gesunde Säuglinge als sicher ein. Sie hebt aber hervor, dass die Sicherheit und klinischen Wirkungen von einem Produkt nicht auf andere Produkte übertragen werden können. bei Kindern im Alter ab 4 Monaten anerkannt. Basis dafür war das Ergebnis einer von der ESPGHAN durchgeführten Metaanalyse. Sie zeigt, dass mit B. lactis supplementierte Säuglingsmilch das Risiko unspezifischer Magen-Darm-Infektionen um 46 Prozent reduziert. Säuglingsnahrungen werden zunehmend mit Probiotika, Präbiotika oder beidem (Synbiotika) supplementiert. Doch besteht weitgehend Unsicherheit über ihre tatsächlichen Wirkungen. In ihrer Stellungnahme schätzt Für die meisten evaluierten Supplemente hielt die ESPGHAN die vorhandenen Daten für unzureichend, um eine klinische Wirkung nachzuweisen. Eine gewisse Evidenz wurde nur für B. lactis, einzeln oder in Kombination, ESPGHAN Committee on Nutrition Supplementation of Infant Formula With Probiotics and/or Prebiotics. A Systematic Review and Comment by the ESPGHAN Committee on Nutrition. JPGN 52 (2011) 238–250 Können bestimmte Probiotika den Schlafrhythmus normalisieren? Mütterlicher Stress und Ängste während der Schwangerschaft und nach der Geburt sind Risikofaktoren für kindliche Koliken und Schlafstörungen. L. reuteri DSM17938 (Lr) reduzieren die Schreidauer bei Säuglingen mit Koliken, während B. longum ATCC BAA-999 (Bl) im Tiermodell das Angstverhalten verringert. Ziel der Studie war es, im Tiermodell einen therapeutischen Effekt beider Probiotika bei PRS (prenatal restraint stress – bekannt als Verursacher von Schlafstörungen) zu zeigen. Schwangere Sprague-Dawley-Ratten wurden dreimal täglich für 45 Minuten einem leichten Stress unter hellem Licht ausgesetzt. Ausgewachsene männliche Nachkommen mit PRS erhielten Elektroden eingepflanzt. Nach einer Erholungsphase von 15 Tagen erhielten sie 14 Tage lang eine tägliche Gabe von Lr, Bl oder einem Placebo (P), anschließend erfolgte 24 Stunden eine polygrafische Aufzeichnung. Eine Gruppe männlicher Ratten ohne PRS erhielt Placebo und diente als Kontrolle (C). NNI News 2013 Die Ergebnisse zeigten eine ähnliche Dauer des Wachzustands über 24 Stunden in allen Gruppen. Im Gegensatz dazu war die REM-Schlafdauer länger bei den Tieren in Gruppe P als in C, während die NREM-Schlafdauer kürzer war. Nach Gabe der Probiotika kam die Dauer der REM- und NREM-Phasen denen der Kontrollgruppe sehr nahe. Tiere der Gruppe P zeigten dagegen mehr Schlafunterbrechungen als die der Gruppe C, mit zunehmenden Wach-, REMund NREM-Phasen. Auch diese Parameter normalisierten sich bei den Gruppen, die Probiotika erhielten. L. reuteri DSM17938 and B. longum ATCC BAA-999 stellten also den normalen Schlafrhythmus wieder her und normalisierten die wechselnden Schlafphasen der Tiere, die pränatalem Stress ausgesetzt waren. Diese Probiotika könnten einen Vorteil in der Behandlung von Schlafstörungen bieten, insbe- sondere bei solchen, die im Zusammenhang mit Stress während der Geburt stehen. Mairesse J et al.: Lactobacillus reuteri DSM17938 und Bifidobacterium longum ATCC BAA-999 normalize Sleep Patterns in Prenatal Stress Rats. 52nd Annual Meeting of the European Society of Pediatric Research (2012) – Abstracts 17 Können Probiotika das Immunsystem nach Kaiserschnitt verbessern? Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Qualität der Darmflora des jungen Säuglings eine entscheidende Rolle für die Reifung und Entwicklung eines gesunden Immunsystems spielt. Besondere Bedeutung haben dabei Bifidusbakterien. Fast jedes dritte Kind in Deutschland wird heute per Sectio geboren. Bei einer Geburt durch Kaiserschnitt fehlt der natürliche Erstkontakt des Kindes mit mütterlichen Bakterien. Diese Kinder haben häufiger Infektionen, insbesondere Magen-Darm-Infektionen, allergische Erkrankungen inklusive Zöliakie und sogar häufiger einen Typ 1 Diabetes mit Beginn in der Kindheit. So zeigten etwa die Daten der GINI-Studie (German Infant Nutritional Intervention) die Assoziation zwischen Kaiserschnitt und späterem Risiko für Magen-Darm-Infektionen. Die durch Kaiserschnitt geborenen Kinder (147 von 865) hatten ein um 44% höheres Risiko, im ersten Lebensjahr an einer akuten MagenDarm-Infektion zu erkranken als die vaginal geborenen Kinder. Abb. 1: B. lactis erhöht fäkale IgA-Antikörper gegen Polioviren bei geimpften Kaiserschnitt-Babys 60 Eine aktuelle Studie hat bei Kaiserschnitt-Kindern die Wirkung des Verzehrs von B. lactis auf die Anti-Rotavirus- und Anti-Poliovirusspezifischen IgA Konzentrationen im Stuhl nach Impfung untersucht (Hannah et al. 2012). Die Ergebnisse zeigen, dass die Ernährung mit einer mit B. lactis supplementierten Säuglingsnahrung im Vergleich zur Ernährung mit einer ansonsten identischen Säuglingsnahrung ohne B. lactis bei Kaiserschnitt-Kindern zu einem signifikant größerem Anstieg der Anti-Poliovirus-spezifischen (Abb. 1) und zu einem tendenziell größeren Anstieg der Anti-Rotavirus-spezifischen Immunglobulin-A-Konzentration im Stuhl nach Impfung führt. Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass durch den Verzehr einer mit B. lactis angereicherten Säuglingsmilch negative Wirkungen einer Geburt durch Kaiserschnitt und von Nichtstillen auf das kindliche Immunsystem abgeschwächt werden können. Eine weitere Studie untersuchte den Einfluss der Supplementierung von Probiotika auf das Allergierisiko von Kaiserschnitt-Kindern mit familiärer Allergiebelastung (Kuitunen et al., 2009). Sie stützt die Hypothese, dass bestimmte Probiotika das Vorkommen von nützlichen Bifidusbakterien in der Darmflora fördern und dadurch das Allergierisiko reduzieren können (Abb. 2). Abb. 2: Probiotika fördern bei Kaiserschnitt-Babys die Darmbesiedlung mit Bifidusbakterien 40 30 100 20 10 75 0 Kontrolle B. lactis Kaiserschnitt-Babys Abb. 1: Anstieg der fäkalen Anti-Poliovirus-spezifischen IgA-AntikörperKonzentrationen bei geimpften Kaiserschnitt-Babys, die ab dem Alter von 6 Wochen 6 Wochen lang mit einer Säuglingsmilch mit B. lactis ernährt wurden, im Vergleich zu denen, die mit einer Säuglingsmilch ohne B. lactis ernährt wurden (Holscher et al., 2012) Vorkommen (%) ∂-Anti-Poliovirus-spezifische IgA-Antikörper (U7g) *p < 0,05, B. lactis vs. Kontrolle 50 50 Kaiserschnitt: Probiotika-Gruppe* Vaginal: Probiotika-Gruppe 25 Kaiserschnitt: Plazebo-Gruppe* Vaginal: Plazebo-Gruppe 0 0 Stillen ist die beste Ernährung für den Säugling, auch im Hinblick auf die Entwicklung einer gesunden, Bifidusbakterienreichen Darmflora. Ist der Säugling auf eine Ersatznahrung angewiesen, kann eine mit B. lactis angereicherte Säuglingsnahrung die Darmbesiedlung mit schützenden Bifidusbakterien fördern. Das bestätigen mehrere Studien mit Neugeborenen, älteren Säuglingen und Kleinkindern. 3 6 Alter/Monate 24 Kuitunen et al., 2009 Abb. 2: Vorkommen von Bifidusbakterien im Stuhl bei durch Kaiserschnitt (n = 22, 17, 19 und 20) und vaginal (n = 103, 81, 80 und 69) geborenen Kindern bei Geburt, mit 3, 6 und 24 Monaten. *Kaiserschnitt-Babys: Plazebo- vs. Probiotika-Gruppe, p=0,036. after early intervention with cow's milk protein hydrolysates: 10-year results from the German Infant Nutritional Intervention (GINI) study. J Allergy Clin Immunol. 2013. doi: 10.1016/j.jaci.2013.01.006 Studienziel Thema: Allergieprävention Untersuchung der präventiven Wirkung verschiedener Hydrolysatnahrungen auf allergische Manifestationen von Kindern im Schulalter mit positiver Familienanamnese für Allergien Methoden • Laufende Geburtskohortenstudie • Prospektives, randomisiertes,der doppelblindes Design Die 10-Jahres-Ergebnisse GINI-Studie • 2252 gesunde Neugeborene mit erhöhtem Allergierisiko (mindestens 1 Elternteil oder Geschwister mit einer allergischen Erkrankung in der Anamnese) Die 10-Jahres-Ergebnisse der GINIAbb. Zuordnung 1: Adjustiertes relatives (aRR) der Studie bestätigen erneut den • präventiRandomisierte zu einer vonRisiko 4 Ernährungsgruppen, allen Müttern wird kumulativen Inzidenz der atopischen Dermatitis ven Langzeiteffekt von partiell empfohlen, hydro­ wenn möglich mindestens 4 Monate ausschließlich zu stillen. lysiertem Molkenprotein gegen atopische aRR Dermatitis bei Kindern mit erhöhtem 1,2 Ernährungsgruppen Allergierisiko. 1,0 – 33 % n. s. Wirkung * – 42 % * * signifikant reduziert vs. Standard-Säuglingsmilch (SMN) p < 0,05 SMN Trotz zahlreicher wissenschaftlich plausibler 0,8 • Partielles Molkenhydrolysat, pHF-W (Beba H.A., Nestlé) pHF-M (Beba HA) Ansätze zur Vermeidung atopischer ErkraneHF-M 0,6 kungen haben sich bis heute• nur Extensives wenige Molkenhydrolysat, eHF-W (Hipp H.A., Hipp, bis 1999 auf dem deutschen eHF-C (Nutramigen) 0,4 Maßnahmen in kontrollierten Studien als damals identisch mit Nutrilon Pepti, Nutricia/Numico) Markt, 0,2 Allergie-präventiv behaupten können. Eine 0 • Prävention Extensives Caseinhydrolysat, eHF-C (Nutramigen, Mead Johnson) dieser Maßnahmen ist die primäre Abb. 1: Adjustiertes relatives Risiko (aRR) der kumulativen Inzidenz der atopischen Dermatitis durch Ernährung mit Hydrolysatnahrungen. • Standard-Säuglingsmilchnahrung (SMN, Nutrilon Premium, Nutricia/Numico) von Geburt bis zum Alter von 10 Jahren in den 3 Hydrolysatnahrungsgruppen im Vergleich zu Standard-Säuglingsmilch (Per-Protokoll-Analyse) Ärztl. festgestellte Ekzeme > (adj. %) Die weltweit größte Untersuchung zum ≥ 4 Monate • Stillen Einfluss frühkindlicher Ernährung mit unterschiedlichen Hydrolysatnahrungen auf die Während der strengen Interventionsperiode in den ersten 4 Lebensmonaten sollte nur spätere Entwicklung von allergischen ErkranAbb. 2: Diagnostizierte Ekzeme (adjustiert für alle Störgrößen) diebedingtem randomisiert zugeteilte Nahrung verwendet werden, wenn eine Flaschennahrung kungen bei Kindern mit familiär notwendig Allergierisiko ist GINI, die German Infant Nu-war. tritional Intervention Study. CMF Follow-up Untersuchungen I: eHF-W I: pHF-W GINI ist eine prospektive, randomisierte, I: eHF-C 1,2 Zusendung eines Fragebogens (modifizierter Fragebogen der ISAAC Studie) doppel-blinde lnterventionsstudie, mit einem Einladung ins Studienzentrum zu ärztlicher Untersuchung und Blutabnahme N=224 jetzt abgeschlossenem 10-Jahres-FollowN=211 up. Zwischen 1995 und 1998 wurden 2.252 Outcomes Neugeborene rekrutiert und bei Geburt einer 10 N=204 9 N=180 Kumulative ärztlichen Diagnose einer allergischen Erkrankung (nach Auskunft 8 von vier Studiennahrungen randomisiert zu- Inzidenz der 7 der Eltern), darunter atopische Dermatitis bis zum Alter von 10 Jahren und 6 geteilt (schwaches Molkenhydrolysat pHF0 Periodenprävalenz im Alter von 7-10 Jahren. W, starkes Molkenhydrolysat eHF-W, starkes 3 4 5 6 7 8 9 10 1 2 Alter (Jahre) Kaseinhydrolysat eHF-C, reguläre Kuhmilchformula CMF). Allen Müttern wurde empfohlen, wenn möglich mindestens vier Monate Wirkung der Hydrolysatnahrungen auf die Von Berg A, Filipiak-Pittroff B, Krämer U ausschließlich zu stillen. allergischen Manifestationen am Respiratiet al.: GINIplus study group.: Allergies in Die Ergebnisse aus den ersten 10 Jahren onstrakt ist nicht nachweisbar. Die Wachshigh-risk schoolchildren after early interhaben dazu beigetragen, einige noch offene tumsentwicklung bei den mit Hydrolysatnahvention with cow’s milk protein hydrolyFragen hinsichtlich der Ernährung mit Hydrorung ernährten Kindern unterscheidet sich sates: 10-year results from the German lysatnahrungen zu beantworten und ihre Wirbis zum 10. Lebensjahr weder gegenüber Infant Nutritional Intervention (GINI) kung differenzierter zu verstehen. der Ernährung mit Kuhmilchformula noch mit study. J Allergy Clin Immunol. 2013. doi: Muttermilch. 10.1016/j.jaci.2013.01.006 Der Allergie-präventive Effekt entwickelt sich in den ersten Lebensmonaten. Er ist Anhand der unterschiedlich stark ausgemaßgeblich bestimmt durch die präventive Eine Zusammenfassung der wichtigsten pägten Wirkung der 3 Hydrolysatnahrungen Wirkung auf das atopische Ekzem. Der EfLangzeitergebnisse der GINI-Studie ist muß geschlossen werden, dass der Hydrolyfekt persistiert bis ins Schulalter, ohne dass als Sonderdruck unter nestlenutritionsierungsprozess mehr als der Hydrolysegrad es zu einem Rebound-Effekt kommt. institute.org abzurufen. und das Ausgangsprotein maßgeblich für die Wirkung des Produktes verantwortlich ist, Die Risikoreduktion der atopischen Dermatitis d. h, es sollten nur Präparate verwendet wermit Hydrolysatnahrungen bis zum 6. Lebensden, deren präventiver Effekt in kontrollierten jahr liegt zwischen 25 und 45 Prozent im klinischen Studien belegt ist. Vergleich zu regulärer Kuhmilchformula. Eine NNI News 2013 19 Iatrogene Faktoren und Allergierisiko In den vergangenen Jahren ist es vor allem in den Industrieländern kontinuierlich zu einer Zunahme von allergischen Erkrankungen gekommen. Ein Viertel aller schulpflichtigen Kinder in den USA und ein Drittel der Kinder in Großbritannien leiden unter allergischem Asthma bronchiale. Die Daten der ISAAC-Studie zeigen, dass es auch in anderen Ländern bis in die letzten Jahre unverändert ansteigende Prävalenzraten von allergischen Erkrankungen gibt. Asthma ist mit einer weltweiten Prävalenz von 10 Prozent eine der häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern zwischen 6 und 7 Jahren! Dies führte unter anderem zur Formulierung der „Hygiene-Hypothese“, die im Tierexperiment gut nachgewiesen ist. Dokumentiert wurde insbesondere die Bedeutung der Entwicklung der Darm-Mikrobiota in frühen Lebensabschnitten und die Veränderungen durch externe Einflüsse. Einer dieser externen Einflüsse ist die Gabe von Antibiotika pränatal oder in den ersten Monaten postnatal. Verschiedene Studien haben diesen Zusammenhang zwischen prä- und postnataler Anitibiotikagabe und der nachfolgenden Entwicklung von allergischen Erkrankungen untersucht. Zwar gibt es zahlreiche Probleme, um zu validen Aussagen zu kommen, doch zeigen systematische Reviews, dass eine frühe Antibiotikagabe, intrauterin als auch in den ersten Lebensmonaten, das Risiko für kindliches Asthma erhöht. Ähnlich hohe Zuwachsraten wie für Antibiotika finden sich seit mehreren Jahren in zahlreichen unterschiedlichen Studien für die Verwendung des Schmerz- und Fiebermittels Paracetamol (Acetaminophen). Interessanterweise findet sich seit mehreren Jahren in zahlreichen unterschiedlichen Studien ein epidemiologischer Zusammenhang zwischen der Verwendung von Paracetamol (Acetaminophen) und der Asthma-Prävalenz und zusätzlich der Schwere des Asthmas. Mehrere Faktoren lassen diesen Zusammenhang nicht nur als ein zufällig epidemiologisches Phänomen erscheinen. Bisher gibt es keine klinischen Konsequenzen im Hinblick auf eine geänderte Verordnungspraxis oder Empfehlungen von wissenschaftlichen Fachgruppen. Beide Beispiele zeigen die Vielschichtigkeit des Problems der Entwicklung von allergischen Erkrankungen einerseits, aber auch die ärztliche Verantwortung bei der Verordnung von Heilmitteln. Vortrag von Karl Zwiauer, Abt. für Kinder- und Jugendheilkunde Landesklinikum St. Pölten, St. Pölten, Österreich, auf dem Drei-LänderSymposium, München, 8./9. 11. 2012 Aktuelle Daten zur Zöliakie Die Zöliakie rückt zunehmend in das Interesse von Forschung und Klinik. Studien zeigten, dass das Vorkommen in Amerika, Europa und dem Mittleren Osten bei 0,5 – 1 Prozent der Bevölkerung liegt, entgegen früherer Annahmen, die von einer Häufigkeit zwischen 1:2000 bis 1:4000 ausgingen. Die Anzahl der Patienten mit klassischer Verlaufsform betrifft aber nur etwa 10 Prozent des Patientenkollektivs. Die Vielzahl der extraintestinalen Manifestationen hat dazu geführt, dass die ESPGHAN-Leitlinien (JPGN 2012) die Zöliakie als immunvermittelte Systemerkrankung definiert. Verbesserte serologische Nachweismethoden sowie die Berücksichtigung der HLA-Testung auf D02 und D08 tragen dazu bei, Patienten ein­deutig und möglichst frühzeitig zu identifizieren, um spätere Komplikationen zu vermeiden. In den aktuellen ESPGHAN-Leitlinien wurden dabei auch Konstellationen definiert, in denen auf eine Biopsie gegebenenfalls verzichtet werden kann. Eine eindeutige Diagnostik auf Zöliakie gewinnt besondere Wichtig­keit, um die unterschiedlichen Gluten-assoziierten Erkrankungen von­­einander abzugrenzen. Vor allem die Glutensensitivität könnte einen noch größeren Prozentsatz der Bevölkerung betreffen als die Zöliakie, man geht von einer Prävalenz bis zu 8 Prozent aus. Da hierfür noch keine spezifische Diagnostik existiert, kann man diese Erkrankung nur als Ausschlussdiagnose festhalten. Ursächlich wird eine Immunreaktion auf Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATls) im Getreide postuliert. Die hohen Prävalenzzahlen machen neben der sekundären auch eine primäre Prävention sinnvoll und wünschenswert. Die Bedingungen, unter denen Gluten in die Beikost von Säuglingen eingeführt wird (Zeitpunkt, Menge, Stilldauer) und die einen Einfluss auf die Entstehung einer Zöliakie haben, konnten mittlerweile in verschiedenen Studien eruiert werden. Die Multicenterstudie PreventCD kann hierzu in den kommenden Jahren weitere wichtige Informationen beitragen. Vortrag von Stephanie Baas, Deutsche Zöliakie-Gesellschaft DZG e.V., Stuttgart, auf dem Drei-LänderSymposium, München 8./9. November 2012 Thema: Perspektiven So kommen Kinder auf den Geschmack Auch gute Ernährung muss erst erlernt werden: Erst durch regelmäßiges Essen gesunder Lebensmittel entwickeln Kinder den Geschmack für Gemüse und Obst. Der frühkindliche Lernerfolg prägt nachhaltig die Ernährungsgewohnheiten im weiteren Leben. Doch während Süßes und Salziges angeborenen Vorlieben entsprechen, ist die Vor­ liebe für Gemüse und Obst deutlich geringer ausgeprägt. Für einen neuen Geschmacksimpuls brauchen Kleinkinder sieben bis acht Versuche, bis sie ihn wirklich als vertraut und wohlschmeckend akzeptieren, betont Prof. Dr. Berthold Koletzko von der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): „Wir essen nicht das, was uns schmeckt, sondern uns schmeckt das, was wir regelmäßig essen!“ Gesunde Kost sollte deshalb immer wieder freundlich angeboten werden. Auch gilt es, die Kleinen für die „Testbissen“ zu loben. die Vitamine D und Folat zu sich. Die Ernährungsexperten der DGKJ empfehlen deshalb qualitätsgesicherte Ernährungs-Standards für Krippen, Kindergärten und Schulen. Kinder und Jugendliche nehmen heute zu viel Zucker, gesättigte Fette und Salz und zu wenig essenzielle Fettsäuren, Eisen, Jod und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) – 7.3.2013 Schlanke Mädchen schmecken besser Kindliches Übergewicht beeinflusst offenbar die Geschmackswahrnehmung, so das Resultat einer Studie der Berliner Charité und der Universität Dresden. Insgesamt wurden 94 normalgewichtige und 99 übergewichtige Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren untersucht. Sie erhielten Teststreifen auf die Zunge, die mit den Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, bitter und umami in unterschiedli- chen Konzentrationen getränkt waren. Die Geschmackssensibilität wurde mit einem Punktesystem von 1 bis maximal 20 bewertet. Übergewichtige Kinder hatten größere Schwierigkeiten, die Geschmacksqualitäten zu unterscheiden, vor allem salzig, umami und bitter. Dagegen wurde die Konzentration von „süß“ von ihnen durchweg zu gering eingeschätzt. Bei den Normalgewichtigen nahm die Ge- Herausgeber: Deutschland 60523 Frankfurt E-mail: [email protected] · www.nestlenutrition-institute.org Redaktion: Dr. Mike Poßner, Herbert Lechner M. A. Realisation: Publicis Publishing, Implerstraße 11, 81371 München Abb.: Nestlé, istockphoto.com © Nestlé Nutrition Institute Deutschland schmackssensibilität mit dem Alter zu, bei den Übergewichtigen war dies nicht feststellbar. Generell hatten Mädchen ein besseres Geschmacksempfinden als Jungen. Overberg J et al. Differences in taste sensitivity between obese and nonobese children and adolescents. Arch Dis Child 2012;0:1-5. doi:10.1136/archdischild-2011-301189 Das Nestlé Nutrition Institute ist eine weltweite Plattform, die Ärzten und Fachpersonal den schnellen Zugriff zu neuesten Erkenntnissen aus der medizinischen und der Ernährungsforschung bietet, Termine von Tagungen und deren Inhalte veröffentlicht und auf internationalen Symposien vertreten ist. Es handelt sich um ein virtuelles, Wissen verbreitendes Netzwerk und ist damit Ausdruck des wissenschaftlichen Auf trags, dem sich Nestlé Nutrition seit jeher verpflichtet fühlt. Kostenlos registrieren: www.nestlenutrition-institute.org