16 / 1845 - Landtag Baden Württemberg

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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 16 / 1845
16. Wahlperiode
27. 03. 2017
Antrag
der Abg. Thomas Palka u. a. AfD
und
Stellungnahme
des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration
Linksextreme Internetseiten
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. welche linksextremen Internetseiten ihr bekannt sind;
2. welche Erkenntnisse sie zu den Betreibern der Internetseiten hat;
3. ob und ggf. welche Strafverfolgungsmaßnahmen in Baden-Württemberg bis
heute gegen diese Internetseiten unternommen wurden;
4. welche Gefahr ihrer Meinung nach von „Indymedia“ und anderen linksextremen Internetseiten für Wähler, Mitglieder und Politiker von Parteien, die von
diesen Seiten als populistisch, faschistisch, nazistisch oder vergleichbar bezeichnet werden, ausgeht;
5. welche Gefahr ihrer Meinung nach für Personen ausgeht, deren persönliche
Daten auf linksextremen Internetseiten veröffentlicht wurden;
6. welche Gefahr ihrer Meinung nach von linksextremen Internetseiten für Einsätze der Polizei ausgeht;
7. welche Gefahr ihrer Meinung nach von linksextremen Internetseiten für Demokratie, Verfassung und Rechtsstaat ausgeht;
8. welche Gefahr ihrer Meinung nach für Gastwirte ausgeht, gegen deren Betriebe
auf linksextremen Internetseiten zu Boykott oder Schlimmerem aufgerufen
wird, beispielsweise weil sie in ihren Lokalitäten, wissend oder unwissend,
Gäste von Parteien hatten, die das sogenannten „linken Spektrum“ bekämpft;
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Eingegangen: 27. 03. 2017 / Ausgegeben: 29. 05. 2017
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 16 / 1845
9. welche politischen Parteien nach ihrer Ansicht primäres Ziel der Nutzer der
linksextremen Internetseiten sind;
10. ob und ggf. welche weiteren Pläne der Landesregierung im Umgang mit linksextremistischen Internetseiten existieren.
16. 03. 2017
Palka, Dr. Podeswa, Wolle, Baron, Stauch AfD
Begründung
Auf Projekten wie „Indymedia“ rühmen sich Linksextremisten und selbsternannte
„militante Social Media-Teams der Autonomen Gruppen“ damit, politisch Andersdenkende, aber auch die Staatsgewalt anzugreifen. Polizisten werden beispielsweise als Teil der Unterdrückung und Gewalt gegen Menschen beschrieben,
wenn sich die Linksextremisten damit rühmen, wieder Polizeifahrzeuge mit Steinen oder auch Brandsätzen anzugreifen. 2010 wurde auf der Seite gar die Broschüre „prisma“ („prima radikales info sammelsurium militanter aktionen“) verbreitet. Neben Anleitungen zu Sabotageakten auf Bahnstrecken finden sich in
dem 80-seitigen Heft detaillierte Beschreibungen zum Bau verschiedener Brandund Sprengsätze. 2016 wurde zur Ermordung von Berlins Innensenator (CDU)
aufgerufen.
Selbst das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg beschreibt daher die wichtige Rolle des Internetportals „Indymedia“, das bereits 1999 gegründet wurde und seit 2001 im deutschsprachigen Raum aktiv ist, für die linksextremistische Szene. Auch die Landesämter für Verfassungsschutz in anderen Bundesländern kamen zu dieser Einschätzung, ebenso wie das österreichische Innenministerium und das FBI, welches laut einer Veröffentlichung der Los Angeles
Times im März 2006 „Indymedia“ auf einer Terrorismus-Beobachtungsliste führt.
Dementsprechend stellt sich die Frage, wieso gegen dieses Portal bis heute nichts
Effektives unternommen wurde. Von positiven Auszeichnungen für das Portal,
wie durch die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung der Partei „Die Linke“ und
die Nominierung des Grimme-Instituts, an dem u. a. WDR, ZDF und das Land
Nordrhein-Westfalen beteiligt sind, abgesehen. Der Staat kann verfassungsfeindliche Portale, auf denen zu Straftaten bis hin zum Mord aufgerufen wird, nicht
akzeptieren. Und Fälle aus dem nicht-linken Spektrum zeigen, dass der Staat
durchaus effektiv gegen Internetseiten vorgehen kann.
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Stellungnahme
Mit Schreiben vom 24. April 2017 Nr. 4-1082.1/166 nimmt das Ministerium für
Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium
der Justiz und für Europa zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. welche linksextremen Internetseiten ihr bekannt sind;
Zu 1.:
Der Polizei werden Internetseiten, auf denen linksextremistische Inhalte veröffentlicht werden, im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung mit Blick
auf die konkrete Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bekannt. Es handelt es sich
um organisations- oder ortsgebundene Internetseiten und um solche, die im Zuge
einer bestimmten Veranstaltung entstanden sind. Die Internetseiten unterliegen
hinsichtlich der Inhalte und Erreichbarkeit einem ständigen Wandel, sodass eine
abschließende Aufzählung nicht möglich ist.
Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beobachtet im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags eine Reihe extremistischer, auch linksextremistischer Internetseiten.
Die systematische Auswertung von Internetseiten der Beobachtungsobjekte im
Bereich des gewaltorientierten und dogmatischen Linksextremismus ist somit
Bestandteil der Informationsbeschaffung und -verarbeitung durch das LfV. Hierbei nimmt die Internetseite „linksunten.indymedia“ eine zentrale Rolle ein. Die
öffentliche Auflistung aller dem LfV bekannten und von ihm beobachteten linksextremistischen Internetseiten würde dessen künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährden und ist auch nach sorgfältiger Abwägung mit dem Aufklärungs- und Informationsanspruch des Landtages und seiner Abgeordneten
nicht möglich.
2. welche Erkenntnisse sie zu den Betreibern der Internetseiten hat;
Zu 2.:
Domains von linksextremistischen Internetseiten sind in der Regel auf privaten
oder ausländischen Internetservern abgelegt. Teilweise werden auch Internetserver selbst von Linksextremisten betrieben. Erkenntnisse über die verantwortlichen Betreiber liegen den Sicherheitsbehörden daher häufig nicht vor. Zudem erschwert der ständige Wandel des linksextremistischen Internetangebotes durch
das Abschalten bzw. Neuaufschalten von Homepages die Informationsgewinnung
über Domaininhaber bzw. Betreiber.
Bei „linksunten.indymedia“ handelt es sich um das inzwischen wichtigste Medium im Bereich des gewaltorientierten Linksextremismus in Deutschland.
„linksunten.indymedia“ bietet ein Forum für anonyme Berichte über vorrangig
von Linksextremisten verübte Straftaten. So sind z. B. Selbstbezichtigungsschreiben aus Sicht der Betreiber von „linksunten.indymedia“ ausdrücklich erwünscht.
Zudem werden seit Jahren auf „linksunten.indymedia“ immer wieder wirkliche
oder vermeintliche Rechtsextremisten geoutet. Die Outing-Aktionen werden teils
mit dem Aufruf verbunden, den geouteten Personen einen „Besuch abzustatten“.
In der Regel gibt es auf „linksunten.indymedia“ keine erkennbaren Vorbehalte
gegenüber den Aktivitäten gewaltorientierter Linksextremisten. Vielmehr propagiert das Portal seit Jahren regelmäßig linksextremistische Gewalt, z. T. verbunden mit der Aufforderung, Rechtsextremisten direkt körperlich anzugehen, jüngst
(vor allem im Zusammenhang mit dem geplanten G20-Gipfel) auch Anleitungen
zum Bau von Sprengkörpern, Hakenkrallen, Krähenfüßen etc.
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3. ob und ggf. welche Strafverfolgungsmaßnahmen in Baden-Württemberg bis
heute gegen diese Internetseiten unternommen wurden;
Zu 3.:
Sofern im Zusammenhang mit linksextremistischen Internetseiten strafrechtlich
relevante Inhalte bekannt werden, ist ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Eine
gesonderte statistische Erfassung von Ermittlungsverfahren, die von baden-württembergischen Staatsanwaltschaften im Zusammenhang mit linksextremistischen
Internetseiten geführt wurden bzw. werden, erfolgt in den staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregistern nicht.
Die Strafverfolgungsmaßnahmen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls und umfassen regelmäßig die beweiskräftige Sicherung der strafrechtlich
relevanten Inhalte sowie Ermittlungen zu den Betreibern der Internetseiten und
den Verfassern der Beiträge. Diese Ermittlungen werden allerdings unter anderem
dadurch erschwert, dass sich die Datenserver der betreffenden Internetseiten meist
im Ausland befinden (vgl. Antwort zu Frage 2.).
Im Zusammenhang mit der linksextremistischen Internetseite „linksunten.indymedia.org“, die unter anderem zur Veröffentlichung strafrechtlich relevanter Inhalte genutzt wird, wurden in Baden-Württemberg in den Jahren 2009 bis 2016
insgesamt 26 Strafverfahren eingeleitet. Die Strafverfolgungsmaßnahmen richteten sich dabei gegen Personen, die Beiträge mit strafrechtlicher Relevanz veröffentlicht haben. Einen konkreten Tatverdacht gegen die Betreiber der Internetseite
ergab sich in diesen Strafverfahren nicht.
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von persönlichen Daten von Teilnehmern des AfD-Bundesprogrammparteitags am 30. April/1. Mai 2016 in Stuttgart ist derzeit bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren anhängig.
4. welche Gefahr ihrer Meinung nach von „Indymedia“ und anderen linksextremen Internetseiten für Wähler, Mitglieder und Politiker von Parteien, die von
diesen Seiten als populistisch, faschistisch, nazistisch oder vergleichbar bezeichnet werden, ausgeht;
5. welche Gefahr ihrer Meinung nach für Personen ausgeht, deren persönliche
Daten auf linksextremen Internetseiten veröffentlicht wurden;
Zu 4. und 5.:
Die Fragen 4. und 5. werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Eine potenzielle Gefährdung kann im Zusammenhang mit linksextremistischen
Internetseiten insbesondere von sogenannten „Outings“ ausgehen, im Rahmen
derer personenbezogene Daten der betreffenden Personen im Internet veröffentlicht oder im persönlichen Umfeld verbreitet werden, um diese zu stigmatisieren.
So kann es möglicherweise zu Folge- und Resonanzstraftaten an Wohnobjekten
oder Fahrzeugen kommen. Neben Beleidigungen und Sachbeschädigungen sind
auch Bedrohungssituationen bis hin zu Körperverletzungen in Betracht zu ziehen.
Es ist somit zumindest von einer abstrakten Gefahr auszugehen. Das Vorliegen
einer konkreten Gefahr ist letztlich abhängig von den Umständen des Einzelfalls
und mithin auch bezogen auf den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.
6. welche Gefahr ihrer Meinung nach von linksextremen Internetseiten für Einsätze der Polizei ausgeht;
Zu 6.:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass anonyme Aufrufe zur Teilnahme an
linksextremistischen Aktionen sowie zur Begehung von Straftaten eine Mobilisierung der linksextremistischen Szene bewirken können und zudem dazu geeignet
sind, tatgeneigte Personen zur Begehung von Straftaten zu motivieren. Mit Blick
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Drucksache 16 / 1845
auf Selbstbezichtigungsschreiben, die auf linksextremistischen Internetseiten veröffentlicht werden, ist weiterhin nicht ausgeschlossen, dass sich Nachahmungstäter zur Begehung von Straftaten aufgefordert fühlen. Gleichwohl sind keine
konkreten Störungen oder Gefährdungen von Einsätzen der Polizei in BadenWürttemberg aufgrund von Veröffentlichungen auf linksextremistischen Internetseiten bekannt.
7. welche Gefahr ihrer Meinung nach von linksextremen Internetseiten für Demokratie, Verfassung und Rechtsstaat ausgeht;
Zu 7.:
Wie grundsätzlich alle extremistischen Internetseiten und Foren dienen auch solche aus dem linksextremistischen Spektrum dazu, neben der Bereitstellung von
Informationen für die eigenen Mitglieder, Aktivisten und Sympathisanten vor
allem solche Inhalte in die Öffentlichkeit zu transportieren, die geeignet sind, den
Staat, seine Verfassungsorgane und Andersdenkende, hier vor allem den „politischen Gegner“, zu verunglimpfen und zu bekämpfen.
Das Internet wird durch das Verbreiten linksextremistischer Inhalte, durch das
Einbinden einschlägiger Fotos, Videos und Audiodateien sowie durch die Veröffentlichung von Terminen eigener Informations- oder Mobilisierungsveranstaltungen zur Propaganda, zur Rekrutierung und zur Mobilisierung genutzt. Daraus
ergibt sich eine dauerhafte zumindest abstrakte Gefahr, zuvörderst für bestimmte
Parteien und Politiker sowie für Angehörige der Sicherheitsbehörden und deren
Einrichtungen.
8. welche Gefahr ihrer Meinung nach für Gastwirte ausgeht, gegen deren Betriebe auf linksextremen Internetseiten zu Boykott oder Schlimmerem aufgerufen
wird, beispielsweise weil sie in ihren Lokalitäten, wissend oder unwissend,
Gäste von Parteien hatten, die das sogenannten „linken Spektrum“ bekämpft;
Zu 8.:
In diesem Zusammenhang besteht die Gefahr sogenannter „Outings“ sowie der
Begehung von Sachbeschädigungen. Auf die Antworten zu Frage 4. bzw. 5. wird
wegen ihres Sachzusammenhangs verwiesen.
9. welche politischen Parteien nach ihrer Ansicht primäres Ziel der Nutzer der
linksextremen Internetseiten sind;
Zu 9.:
Bei den Nutzern linksextremistischer Internetseiten stehen als Angriffs- bzw. Agitationsziel jene politischen Parteien im Vordergrund, die von ihnen als rechtsextremistisch oder rechtspopulistisch bewertet werden. Dies betraf lange Zeit in
erster Linie die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD), betrifft inzwischen jedoch auch rechtsextremistische Kleinstparteien wie „Der Dritte Weg“
und „DIE RECHTE“. Die von Linksextremisten als zumindest rechtspopulistisch
angesehene „Alternative für Deutschland“ (AfD) steht vor allem seit ihrer Wahlerfolge bei den Landtagswahlen 2016 ebenfalls im Fokus linksextremistischer
Agitation.
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10. ob und ggf. welche weiteren Pläne der Landesregierung im Umgang mit linksextremistischen Internetseiten existieren.
Zu 10.:
Die Sicherheitsbehörden des Landes gehen im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages konsequent gegen relevante Sachverhalte vor, die im Zusammenhang mit erkannten inkriminierten Internetseiten jedweder Art stehen.
In Vertretung
Jäger
Staatssekretär
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