Der Mitt le re Weg - beim Buddhistischen Bund Hannover

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Der Mittlere Weg
majjhimâ-patipadâ
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.
Gemeinnütziger Verein . Zentrum: Drostestraße 8 . 30161 Hannover
Heftpreis 2,- €
41. Jahrgang
Januar - April 2009 / 2553
Nr. 1
P R O G R A M M und E I N L A D U N G
Buddhistischer Bund Hannover e.V. - Drostestraße 8 (Nähe Lister Meile)
Veranstaltungen von Januar - April 2009 / 2553
10.01.
15.00 Uhr
Samstag
Video und Gespräche
Tibetisch-Buddhistischer Gesprächskreis im Buddhistischen Bund Hannover,
11.01.
7.15 Uhr
Sonntag
NDR 4 - Info-Radio: Sendereihe »Religionsgemeinschaf ten«
Dialog unter der Leitung von Bernd Weber (Karma Gelek Samten)
Video: “Carola Roloff, deutsch-tibetische Nonne” - Gespräch: buddh. Verhaltensweise (5 Silas)
Beitrag der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg
Thema: “Die vier Ar ten des anziehenden Verhaltens eines Bodhisattva”
Vor trag von Dagmar Doko Waskönig
11.01.
Puja (Buddhistische Andacht)
So 9.30 Uhr Eine zeremonielle Ver tiefung buddhistischer Lehrinhalte unter Leitung von Bernd Rink
18.01.
9-18 Uhr Sonntag
Zen-Sonntag
25.01.
10-17 Uhr
Sonntag
Praxisstudium Lamrim
mit Zen-Meisterin Dagmar Dôkô Waskönig
Praxistag für Geübte und Ungeübte - Beitrag (inkl. Mittagessen) 25,- € - Anmeldung Tel. 864871
mit Geshe Nawang Thapkhe
Weitere Termine: 22.02. und 22.03.
Mittagessen im Kloster möglich (Kosten: 5€). - Teilnahme auf Dana-/Spenden-Basis
Veranstalter: Buddh. Gemeinschaft Chöling e.V. - Ort: Vietn. Buddh. Kloster Vien Giac,
Karlsruher Str. 6, 30519 Hannover - Informationen: Tel. 0511/8790210
Organisation: Jochen Dienemann (Tel: 0511-57 45 51)
25.-28.01. Neujahrsfest (Tet-Fest)
So 20 Uhr Ort: Vietnam. Kloster Vien Giac, Karlsruher Str. 6, 30519 Hannover, Informationen: Tel. 0511/879630
bis Dienstag und Tel. 0511/871809
31.01.
16.00 Uhr
Samstag
Tee-Nachmittag
Zu einem gemütlichen Teenachmittag wird herzlich eingeladen. Der Nachmittag dient sowohl
dem gegenseitigen Kennenlernen unserer alten und neuen Freunde und Interessenten als auch dem
Verständnis zwischen Älteren und Jüngeren. Wir wollen Er fahrungen austauschen und Lehrinhalte
ver tiefen (gleichzeitig Bücherausleihe bzw. -rückgabe).
08.02.
Puja (Buddhistische Andacht)
So 9.30 Uhr Eine zeremonielle Ver tiefung buddhistischer Lehrinhalte unter Leitung von Bernd Rink
9.-13.02.
Mo - Fr
2
Einführung in den Buddhismus
Bildungsurlaub bei der Volkshochschule Hannover (VHS) mit Dagmar Doko Waskönig
In Tagesseminaren von Montag bis Freitag gibt es ausreichend Zeit, um sich mit den Grundlehren des
Buddhismus auseinander zusetzen. Bei den Besuchen der vietnamesischen Pagode Vien Giac und des
Buddhistischen Zentrums Drostestraße wird zudem Gelegenheit sein, einige meditative Praktiken kennenzulernen.
majjhima patipada 1 - 2009
13.-14.02. Dharma im Alltag - Wochenendseminar mit Uschi Stehmann
Fr 19.30 Uhr Vor trag (Spende)
Sa 10-17 Uhr An diesem Übungstag werden wir er for schen, wie wir den Dharma ganz praktisch in unserem Alltag
anwenden können, z.B. in unseren Beziehungen, auch mit ‘sich selbst’, am Arbeitsplatz, in der Kinderer ziehung, bei Konflikten, etc.
Als Dipl. Pädagogin und Mentorin des internationalen Dharma Mentor Programms praktiziert und lehrt
Uschi Stehmann den Dharma seit über 20 Jahren. Die langjährige Schülerin von Christopher Titmuss
ist bekannt dafür, die Lehre Buddhas auf lebensnahe, bodenständige und kreative Art zu vermitteln.
Seminar-Beitrag : 40,- € (Ermäßigung möglich), bitte rechtzeitig anmelden
20.-22.02. Mit schwierigen Gefühlszuständen meditativ umgehen lernen.
Fr 18 Uhr - mit Dagmar Doko Waskönig beim Bildungsverein Hannover, Wedekindstr.14
So 13.15 Uhr An diesem Wochenende geht es um die bekannten leidhaf ten Gedanken und Gefühle wie Wut,
Ablehnung, Angst, Neid usw., die Unwohlsein oder mehr oder minder starkes Leiden bedeuten. Mit diesem Übungsprogramm wird ein Ansatz eingeübt, um solch störende innere Ver fassungen in ihrer Natur
zu durchschauen und schließlich zu über winden. An ihre Stelle treten dann Klarsicht, Ruhe und innere
Ausgewogenheit, und heilsame Qualitäten können entwickelt werden.
Anmeldung Tel. 344 144
21.02.
15.00 Uhr
Samstag
Video und Gespräche
Tibetisch-Buddhistischer Gesprächskreis im Buddhistischen Bund Hannover,
24.02.
19.00 Uhr
Dienstag
Meditative Klänge mit BHAVANA
Dialog unter der Leitung von Bernd Weber (Karma Gelek Samten)
Video: “Losar 2136 in Dharamsala - Tibetisches Neujahrsfest am 25.2.09” Gespräch: Was weiß ich über Buddhismus?
Die Musikgruppe im BBH gibt ein 1-stündiges Konzert.
Danach beginnt um 20 Uhr die Meditation und
anschließend der Gesprächskreis Buddha-Lehre
26.02.-1.03. Erkennen und Loslassen – Achtsamkeit als Alltagshilfe
Do 20 Uhr - mit Bhante Dr. Seelawansa Thero:
So 13 Uhr Erkennen bedeutet, dass Körper und Geist in Vereinigung stehen. Solche Vereinigung entsteht nicht
durch aktive Handlung sondern es geschieht nur. Wenn etwas ohne Anstrengung und ohne Aktivsein
geschieht, da ist Erkenntnis. Das Geschehen geschieht nur, wenn das Ich nicht im Geschehen ist. Das
Nichtvorhandensein des Ichs ist das Losgelöst-sein. In diesem Moment fließt der Geist mit der Welt und
wird vom Nicht-befriedigt-sein befreit.
Die Tage bestehen aus Unter weisungen, Meditation und praktizier ter Achtsamkeit. Retreat („Rückzug“)
bedeutet eine meditative innere Haltung während der gesamten Zeit, auch außerhalb der formalen Praxissitzungen. Ein Ausdruck der Achtsamkeit ist das edle Schweigen, ein weiterer die Teilnahme vom Anfang bis zum Ende.
Teilnahmegebühr: € 60,-(Mitglieder: € 45,-) + Essensgeld + Spende für den Lehrer
Veranstalter: Buddh. Gemeinschaft Chöling e.V. - Ort: Vietn. Buddh. Kloster Vien Giac,
Karlsruher Str. 6, 30519 Hannover - Informationen: Tel. 0511/8790210
Organisation:Ruth Obst (Tel.: 0511 – 862250), Rolf Teipel (Tel.: 05102 – 916795 oder 0172/1896112)
28.02.
Sa 16 Uhr
Teenachmittag (wie am 31.01.)
08.03.
Puja (Buddhistische Andacht)
So 9.30 Uhr Eine zeremonielle Ver tiefung buddhistischer Lehrinhalte unter Leitung von Bernd Rink
Fortsetzung auf Seite 39
majjhima patipada 1 - 2009
3
Inhalt
Seite
Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Axel Rodeck
Von Ursache und Wirkung - östliche und westliche Vorstellungen . . . . . . . 6
H.W. Schumann
Der Blindengar ten in Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Gerhard Hoyer
Das habe ich gehört ... – Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Axel Rodeck
Buddhistische Weihnachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Friedrich Fenzl
Buddha unterm Lichterbaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Santuttho (Monthy Kretschmar)
Was macht eine „Weih“-nacht aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Anagarika Kassapa
Weihnachten, buddhistische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Ajahn Chah
Weihnachten - in buddhistischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Gerhard Szczesny
Warum ich als Nichtchrist Weihnachten feiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Axel Rodeck
Schild(er)-Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Axel Rodeck
Für Sie gelesen – Lesenswer tes aus anderen Zeitschriften . . . . . . . . . . . . 35
Buchbesprechungen:
Helmuth Hecker: Buddha, Heidegger und die Wahrheit (W. Har tig) . . . . . 36
Buddhismus – Ein Lehrgang in Stufen für Kinder und Jugendliche
(Rajah Wirasekara) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Auch das noch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Programm (Fortsetzung von Seite 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Anreise zum BBH mit öf fentlichen Verkehrsmitteln:
Das Buddhistische Zentrum in der Drostestr. 8 ist gut mit öf fentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen: mit den Linien 3 und 7 ab Hbf (Tiefebene) bis zur
ersten Haltestelle »Sedanstr./Lister Meile«, dann zu Fuß die Lister Meile
hoch, rechts in die Drostestr. einbiegen; mit den Bus-Linien 121, 131, 132
bis Haltestelle »Lister Platz«, zu Fuß die Lister Meile hinunter.
4
Der Mittlere Weg
majjhimâ-patipadâ
Herausgeber:
Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover
Tel. + Fax 05 11 / 3 94 17 56
E-mail: [email protected]
Internet: www.buddha-hannover.de
Redaktionsteam:
Rother Baumert, Uwe Kickstein,
Axel Rodeck, Michael Schmidt
Satz u. Gestaltung:
Uwe Kickstein
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Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Postgirokonto: Postbank Hannover,
Kto.-Nr. 180 18 303
BLZ: 250 100 30
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BIC: PBNKDEFF
Abbildungen:
Titelfoto: Tempel in Myanmar
Titelfoto, S. 13, 28 von Samaneri
Agganyani
S. 15 von H.W. Schumann
S. 34 von Axel Rodeck
alle anderen lt. Quelle oder Archiv
»Der Mittlere Weg - majjhima patipada« er scheint nach Bedarf und
ist für Mitglieder kostenlos. Ein Anspruch auf Lieferung besteht nicht.
Namentlich gekennzeichnete Ar tikel
geben nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion wieder. Der Nachdruck ist nur mit Genehmigung
gestattet. Ein Belegexemplar wird
erbeten.
Für unaufgefordert eingesandte
Manuskripte und Fotos übernehmen wir keine Gewähr. Notwendige
Kür zungen versuchen wir vorher mit
den AutorInnen zu besprechen. Texte und Bilder, wenn möglich, bitte
auf Diskette/CD (Windows) zusenden oder per Email:
[email protected]
majjhima patipada 1 - 2009
Liebe Leserinnen und Leser!
Auch Ladenhüter erhalten manchmal noch eine
Chance: Da hatten wir in einer Schublade einen
Aufsatz von 2005 betreffend das Thema „Ursache und Wirkung“. Er wurde damals nicht veröffentlicht, weil er sehr historisch-wissenschaftlich auftritt und „buddhistische“ Aspekte zu
kurz zu kommen schienen. Nachdem jedoch unsere Ausführungen zum „Alles-ist-Karma“-Glauben in den letzten beiden Heften zu
teilweise hitziger Diskussion geführt haben,
scheint ein sachlicher Überblick über das Kausalitätsverständnis in verschiedenen Kulturen
nützlich zu sein – auch mancher Buddhist wird
gern einen Blick über den Tellerrand seiner eigenen Tradition werfen wollen.
Wer jedoch derartige Erörterungen als der spirituellen Entwicklung nicht förderlich ansieht,
möge die Kausalitäts-Thematik überschlagen
und sich insbesondere dem Aufsatz von Gerhard
Hoyer „Das habe ich gehört…“ (zweiter Teil)
widmen. Er enthält wiederum viele auch den
meisten Buddhisten nicht geläufige Pali-Ausdrücke. Wir danken daher Dr. Hellmuth Hecker,
dass er wieder ein Glossar gefertigt und die
Termini erklärt hat.
Bei Abfassung dieses Textes steht noch nicht
fest, ob vorliegendes Heft vor oder (wie üblich)
nach den Weihnachtstagen versandt wird. Wie
immer dem auch sei – Weihnachten ist ein unvermeidliches Ereignis nicht nur in westlichen
Gesellschaften. Seinen Konsequenzen, von Gelegenheit zu beschaulicher Besinnung bis zum
ruhelosen Konsumterror, kann man nur schwer
entfliehen. Wie sollen sich Buddhisten verhalten, die einerseits den christlichen Lehren abhold sind, andererseits aber ihre Zugehörigkeit
zum (christlich-)abendländischen Kulturkreis
nicht leugnen wollen? Hier ist der Hinweis angebracht, dass der Buddhismus es auf seinem
Weg in andere Kulturen immer verstanden hat,
majjhima patipada 2 - 2008
sich mit den Bräuchen der jeweiligen Länder zu
arrangieren.
Wir haben in diesem Heft einige Beiträge meist
buddhistischer Autoren zusammengefaßt, die
das Weihnachtsfest zum Thema haben. Wir
wünschen – auch noch nach den Feiertagen –
eine geruhsame Lektüre.
Von Weihnachten bis zum neuen Jahr ist nur ein
Katzensprung und überall stellt man sich die
Frage, was wohl die Zukunft bringen mag. Auch
wir sehen mit einer gewissen Sorge in das neue
Jahr. Den Grund haben wir schon häufig in verschiedenen Beiträgen genannt, es ist die Entwicklung oder besser die Stagnation unseres
Vereins. Die wenigen Aktivisten werden älter,
fallen krankheitsbedingt häufiger aus und sind
nicht mehr so belastbar. Nachwuchs ist nicht in
Sicht und auch Bemühungen um einen Zusammenschluß mit anderen Gruppen führten noch
nicht zum Erfolg. Pflege und Nutzung des Zentrums geben leider Anlaß für manche Auseinandersetzung. Die im nächsten Jahr wieder fällige
Vorstandswahl könnte zu neuem Elan führen –
wenn denn geeignete Kandidaten zur Verfügung
stünden. Doch gerade das ist das Problem.
Wenn wir schon Vereinsprobleme erörtern, soll
auch nicht der Hinweis auf finanzielle Anliegen
fehlen: Bitte überweisen Sie bald Ihre Mitgliedsbeiträge/Spenden für das Jahr 2009 – und
wenn Sie mit dem Scherflein für 2008 noch in
Verzug sind, sollte auch dies schnell nachgeholt
werden!
Und eine weitere Bitte: Wenn Sie den „Mittleren
Weg“ nicht mehr beziehen wollen, teilen Sie uns
dies im Kosteninteresse baldmöglichst mit!
Mit den besten Wünschen für das Jahr 2009
Ihre Redaktion
A.R.
5
Von Ursache und Wirkung
Östliche und westliche Vorstellungen
von Axel Rodeck
I. Kausalitätsvorstellungen im alten Indien
1) Weltgesetz und Götter
Schon aus praktischen Gründen begehren die
Menschen seit alten Zeiten zu wissen, wie sie
sich verhalten müssen, um ihr Leben und ihre
Zukunft – auch nachtodlich – möglichst positiv
zu gestalten. Denn offensichtlich richtet sich die
Welt nach gewissen Gesetzmäßigkeiten, die es
zu beachten gilt und gegen die man nicht folgenlos verstoßen kann. Dabei neigen die einen
dazu, einen persönlichen Weltherrn als Lenker
des Lebens anzuerkennen, während die anderen
ein impersonales Weltprinzip an die Spitze ihrer
Weltdeutung setzen. In Indien tritt die Vorstellung von einer die Welt beherrschenden kosmischen Harmonie, deren Störung negative Folgen
hat, bereits im Rigveda auf. Sie wird dort „rita“
genannt und erfuhr später in den Upanishaden
eine Weiterbildung, die als der „Dharma“ bezeichnet wurde, als ein über allem stehendes
Weltgesetz. Es gibt also etwas, was noch größer
als die Götter ist und sogar über sie gebietet.
Das Wort „Dharma“ beruht auf dem Wortstamm
„dhar“, was „halten“ oder „tragen“ bedeutet.
Der Dharma ist also das Weltgesetz, welches
den Gang der Welt aufrecht hält und für Gerechtigkeit sorgt. Er ist eine absolute, unumstößlich
gültige und nicht mehr hinterfragbare Instanz.
Er ist ein atheistisches Prinzip, dem Götter und
Menschen gleichermaßen unterworfen sind.
Dieser allgemeingültige Dharma hat nach altindischer Auffassung seine Entsprechung im individuellen Dharma (svadharma) der persönlichen Pflicht und Frömmigkeit, die das
Weltgesetz jedem Einzelnen abverlangt.
Damit ist der Dharma - was einen erheblichen
Unterschied zum Buddhismus bedeutet! - relativ: Beispielsweise gebietet er für den Asketen
Gewaltlosigkeit, für den Krieger dagegen das
Töten. Der Dharma setzt also die Grundlagen
für die Ethik fest, d.h. durch das metaphysische
Prinzip „Dharma“ wird die Ethik begründet.
Verstößt der Mensch gegen die Regeln der
6
Ethik, so verletzt er den Dharma, was Leiden
(dukkha) zur Folge hat. Die Erfüllung des Dharma führt dagegen zu Glück (sukha).
Freilich ist das nur Theorie. Wie in allen anderen Kulturen auch mussten die Inder feststellen,
dass in der Lebensrealität das Leiden oft gerade
die Anständigen und Gerechten trifft, die Kinder
und Unschuldigen, während die Bösen sich eines angenehmen Lebens erfreuen. Anscheinend
bestand ein Widerspruch zwischen der gerechten Weltordnung und dem Walten eines ungerechten Schicksals. Die Inder fanden Schuldige:
Es waren die Götter, die den Menschen ihr
Schicksal zufügten und dabei häufig – was recht
menschlich erscheint – willkürlich handelten
und gar gegen das Weltgesetz verstießen. Ungerechtes Schicksal ist also durch die Willkür der
Götter zu erklären. Ursprünglich nur durch freiwilliges Leiden (Askese), später durch strenge
Dharma-Gläubigkeit kann der Mensch aber sein
Schicksal überwinden und gegen den
Widerstand starrköpfiger Götter zum besseren
wenden.
Dann jedoch gingen die Inder einen bedeutsamen Schritt weiter und wandten das in der Umwelt beobachtete Gesetz von Ursache und Wirkung auch auf die Ethik an. Sie führen das
Schicksal jetzt nicht mehr allein auf die Launen
der Götter zurück, sondern definieren es als das
Zur-Reife-Kommen der Vergeltungskausalität
der sittlich bedeutsamen Handlungen einer
abgelaufenen Existenz. Damit „ist dem Schicksal das Stigma der unberechenbaren Willkür genommen worden und aus einer dunklen Macht
wurde ein zwingend wirkendes Rechtsprinzip.“
( v.Glasenapp) Der Schicksalsglaube wird abgelöst durch die Vorstellung vom Zwang zur Wiedergeburt in Abhängigkeit von den begangenen
Taten und der Tatvergeltung, also durch die Lehre von „Karma“ (= Tat, Handlung) und Geburtenkreislauf.
majjhima patipada 1 - 2009
2) Die Karmalehre
Ein Grundproblem aller Religionen ist die
Theodizee: Warum gibt es Leid, wenn es einen
gütigen, allmächtigen Gott gibt? Entweder ist er
nicht gütig oder nicht allmächtig. In Indien hatte
sich mit den Upanishaden und dem Aufblühen
philosophischen Denkens die Überzeugung
durchgesetzt, dass die Natur und die Wesen Gesetzen unterliegen, die mechanisch ablaufen
und keiner Regelung mehr durch einen Gott bedürfen. Dazu gehört, dass von den im irdischen
Leben begangenen Taten abhängt, wie und wo
die Individualseele im ewigen Kreislauf der
Wiedergeburten wieder inkarniert. Dieser Vorgang wurde dann ethisiert und verbunden mit
dem Wunsch nach Erlösung aus diesem Kreislauf. Die Karmalehre „ist also sowohl Theodizee, Erklärung des leidhaften und ungerechten
Diesseits als Folge früherer Taten, als auch
Eschatologie, eine Lehre von der Befreiung.“ (v.
Brück)
Wie gesagt, ist die Karma-Theorie die Anwendung des Gesetzes von Ursache und Wirkung
auf die Ethik. Jede Tat bildet eine Ursache für
Lebensumstände, die ihrerseits zu neuen Taten
führen. Die Umstände des gegenwärtigen Lebens erklären sich aus den Taten der Vergangenheit, wir können sie nicht mehr ändern. Wohl
aber können wir mit unserem freien Willen unsere heutigen Taten so gestalten, dass sie das Leben in der Zukunft, auch nachtodlich, positiv
bestimmen. Der Karmatheorie zufolge veranlaßt der Mensch also über seine Taten sein
Schicksal selbst („Schaffsal“), gute Taten bewirken gute und schlechte Taten schlechte Wiedergeburt. Erlösung (moksha) bedeutet, aus dem
karmisch bedingten ständigen Kreis der Wiedergeburten auszuscheiden. Das aber, so lehren
die Brahmanen, ist nur in einer Geburt als Bramahne möglich, dem gemeinen Volk also ebenso wie den Göttern verschlossen.
Der Buddha Gautama bekämpfte die elitären
Ansichten der Bramahnen: Wenn gutes Karma
zu guter und schlechtes Karma zu schlechter
Wiedergeburt führt, so gelangt man zur
Erlösung, wenn gar kein Karma mehr angesam-
majjhima patipada 1 - 2009
melt wird. Hierzu zeigte der Buddha einen Weg,
der von jedem Menschen gegangen werden
kann, das Erlösungsmonopol der Brahmanen
war somit gebrochen. Gemäß Gautamas ursprünglicher Lehre hat jeder sein individuelles
Karma, während die Veden noch davon ausgingen, es gebe ein gemeinsames Karma der Mitglieder einer Familie oder eines Stammes. Anders als die Brahmanen ging der Buddha auch
davon aus, dass nicht die Tat als solche, sondern
die ihr zu Grunde liegende Tatabsicht für das
Karma maßgeblich ist. Auch dem Buddha zufolge handelt es sich jedoch um naturgesetzliche
Folgen, eines waltenden Gottes bedarf es nicht.
Wenn der Buddha auch die Kausalität des Tuns
eines Menschen für den Kreislauf der Wiedergeburten nicht in Zweifel zog, so war er doch nicht
bereit, über den Ur-Anfang des Kreislaufs und
über die erste Ursache zu spekulieren. Die Kette
der Vorexistenzen ist, wie er sagt, ohne erkennbaren Anfang: „Aus dem Anfanglosen,
Mönche, kommt die Wanderung (der Wesen im
Wiedergeburtenkreislauf). Kein Anfang lässt
sich absehen, von welchem an die Wesen, im
Nichtwissen (avijja) befangen, von der Gier
(tanha) gefesselt, (im Samsara) umherirren und
wandern.“
Und als ein Mönch namens Malunkyaputra den
Buddha bat, zu metaphysischen Fragestellungen wie nach dem Ende der Welt Stellung zu
nehmen, lehnte der Buddha dies im „Pfeilgleichnis“ entschieden ab: Dies sei so wenig
hilfreich wie die Fragen eines von einem
Giftpfeil Getroffenen, bevor er sich behandeln
lässt, nach Art und Beschaffenheit des Pfeils,
Namen und Familie des Schützen usw. – er würde über die Beantwortung seiner Fragen hinwegsterben. Nach buddhistischer Tradition ist
das Ziel allen Nachdenkens über die Welt, ihr zu
entgehen, nicht, ihren Ursprung zu klären. Für
die Erlösung sind also Spekulationen über die
Natur des Universums überflüssig – gleichwohl
finden sie das Interesse der Menschen, insbesondere des Abendlandes.
7
II. Kausalitätsvorstellungen im Abendland
1) Aristoteles und der „Erste
Beweger“
Auch in Griechenland war klugen Beobachtern
wie Parmenides und Aristoteles nicht entgangen, dass alles, was in der Welt geschieht,
von etwas anderem verursacht wird, wobei diese Ursache selber auf einer anderen Ursache beruht und sich so eine unendliche Kette von Ursachen ergibt. Natürlich tauchte dann die Frage
nach der allerersten Ursache auf, die also etwas
verursachte, ohne selber verursacht worden zu
sein. Diese unverursachte Ur-Ursache nannte
Aristoteles den „Ersten Beweger“ und es verwundert nicht, dass man später hierin Gott zu
erkennen glaubte.
Aristoteles: Die unverursachte Ur-Ursache
Wie beim indischen Karma handelt es sich auch
bei der abendländischen Konstruktion eines
„Ersten Bewegers“ um eine unbeweisbare
Grundannahme. Zu einer solchen fordert eine
lineare Weltsicht anders als ein zyklisches Weltbild, wie es im Osten vorherrscht, geradezu auf.
Genau so schlüssig wäre jedoch die Annahme,
dass alle Ursachen von physikalischen Gesetzen
bestimmt werden oder dass – wie es der
Buddhismus lehrt – jedes Geschehen auf einer
Vielzahl von Ursachen beruht, die ihrerseits
ebenfalls viele Ursachen haben, so dass sich
eine unendliche Zahl von Ursachen für jedes Ereignis ergibt.
Für die abendländische Kultur von Bedeutung
ist die Lehre des Aristoteles, dass die
Entstehung eines Gegenstandes in unserer
Wirklichkeit auf vier verschiedenen Ursachen
8
beruht, die gleichzeitig vorhanden sind und die
Betrachtung der Sache aus verschiedenen Gesichtspunkten ermöglichen:
Die 1. Ursache ist der Stoff (causa materialis),
also die chemische Zusammensetzung des
Körpers (z.B. das Glas eines Trinkgefäßes),
die 2. Ursache ist die Form (causa formalis),
also sein Aussehen (im Beispiel etwa eine
Kelchform),
die 3. Ursache ist ein Antrieb (causa efficiens),
der das Gebilde hervorgebracht hat (z.B. Wünsche und Arbeitsleistung des Glasbläsers),
die 4. Ursache ist ein Zweck (causa finalis),
dem das Geschaffene letztlich dient (z.B. dem
Trinken).
Die Neuzeit hat nun mit ihrer Suche nach der
„echten“ Ursache zu einer unheilvollen
Spaltung geführt. Die einen erkennen etwas nur
dann als Ursache an, wenn es außerhalb des
Gegenstandes liegt, weil die „Qualitäten“ einer
Sache nicht ihre „Ursachen“ sein könnten.
Dadurch fallen die ersten beiden aristotelischen
Ursachen weg und der „causa efficiens“ kommt
entscheidende Bedeutung zu. Insbesondere in
den Naturwissenschaften wandelte sich der Begriff der Ursache so, „dass das Kausalprinzip
geradezu mit dem Prinzip der vollständigen
Voraussagbarkeit der Naturerscheinungen identifiziert worden ist“ (Carl Friedrich von Weizsäcker).
Diesem energetischen Kausalmodell der Naturwissenschaften wird von den anderen das finale
Kausalverständnis der Geisteswissenschaften
gegenübergestellt. Es fragt nach dem Zweck
und verlegt damit die Ursache in die Zukunft,
während das naturwissenschaftliche Kausalitätsdenken die Ursachen in die Vergangenheit
verfolgt. Nach der einen (naturwissenschaftlichen) Auffassung erschöpft sich somit
die Ursache für das menschliche Dasein in der
materiellen Kausalkette der Vergangenheit,
während nach der anderen Auffassung zur
Kausalität noch eine aus der Zukunft her wirkende Absicht gehört, also ein dem Geistigen
zuzurechnender Aspekt. Freilich ist das Abendland dabei, insbesondere auf Grund der Erfahrungen in der Atomphysik, die bipolare Sicht
aufzugeben und anzuerkennen, dass „finales
majjhima patipada 1 - 2009
Ziel“ und „kausales Gesetz“ nur verschiedene
Arten sind, dasselbe Prinzip auszudrücken.
2) Kausalität, Allegorese und
Zahlenmystik
Schon Pythagoras, ein Zeitgenosse Buddhas,
hatte im Rahmen seiner Ordnungsvorstellungen
entdeckt, dass die Intervalle der Tonleiter durch
Zahlenverhältnisse ausgedrückt werden können, und kam zu der Überzeugung, alles im Universum sei durch ganze Zahlen messbar. Die
Astronomie weist Ende des 5. Jh. v. Chr. nach,
dass die Bahnen der Gestirne einem unabänderlichen, mathematisch formulierbaren Gesetz un-
Pythagoras experimentiert mit Glocken und entdeckt die Beziehungen zwischen Zahlenordnung
und Tonfrequenzen.
terworfen sind. Der Kosmos ist also sichtbar gewordene Mathematik. Zudem erkennt die
Biologie die wunderbare Anpassung der
menschlichen Organe an die Anforderungen der
Umwelt und all dies lässt den Schluß zu, dass
der Kosmos in Analogie zum menschlichen
Körper als zweckgerichteter, lebendiger Organismus zu begreifen ist. Uneins sind sich die
Philosophen jedoch, ob die Zweckgerichtetheit
der Welt einen Geist - einen Gott - erfordert, der
diesen Zweck will und verwirklicht.
Zur Zeit Karls des Großen war es hauptsächlich
dessen Ratgeber und einer der bedeutsamsten
Gelehrten jener Zeit, der Angelsachse Alkwin,
der eine neue Weltsicht vertrat. Er fragte nicht
mehr nach kausalen Zusammenhängen, sondern
versuchte, bei der Betrachtung der Natur gefundene Erkenntnisse auf mathematische Zeichen
majjhima patipada 1 - 2009
zurückzuführen. Er wollte nicht wissen, was
eine Situation begründet (kausale Methode),
sondern suchte zu erfahren, was sich miteinander vergleichen lässt (analoge Methode). Es war
die Zeit der „Allegorese“, der Vergleiche herstellenden Betrachtungsweise. Wenn der
Mensch Sonne, Mond und Gestirne betrachtet
und bewundert, so betrachtet und bewundert er
damit die Weisheit des Schöpfers. Lilien erinnern an die Reinheit der Bekenner, Rosen an das
Blut der Märtyrer.
Die Beobachtungen im Buch der Natur ließen
also Gesetzmäßigkeiten erkennen und begründeten den Glauben an eine mathematisch
geordnete Welt (harmonia mundi). Sie führten
im Abendland wie auch in anderen Kulturen zu
einer Zahlenmystik, wonach es darauf ankommt, eine Zahl und die dieser innewohnende
Kraft zu erkennen, um sich der mit ihr zusammengehörigen Macht zu bedienen. Zahlen sind
Realitäten, die ein Kraftfeld um sich haben und
wirken können. Besondere Bedeutung gewinnen die „vollkommenen“ Zahlen, deren Divisoren, zusammengezählt, die Zahl selbst ergeben (z.B. die 6 = 1+2+3).
Vollkommenste Zahl ist die „10“, denn sie ist
die Summe der ersten vier Zahlen
(1+2+3+4=10). Sie entspricht ferner der Zahl
der Finger und liegt dem Dezimalsystem zu
Grunde. Die Zahlen erhielten so metaphysische
Bedeutung und Zahlenspekulationen gelangten
in die Mystik des Mittelalters. Die Anwendung
der rechten Zahl wie auch der richtigen Anzahl
von Wiederholungen und Beschwörungen wird
als entscheidend für den Erfolg einer magischen
Handlung angesehen. Rituelle Handlungen werden tunlichst in ungeraden Zahlen vorgenommen (dreifache Wiederholung einer Formel!)
und selbst aufgeklärte Zeitgenossen schenken
heutzutage Blumen stets in einer ungeraden
Zahl – Aberglaube mutierte zur Etikette.
Mit einem kleinen Exkurs sei zur Abrundung
des Themas der tiefgehende, archetypische
Charakter der Zahlenmystik an der Zahl „vier“
aufgezeigt, hier erkennen wir quer durch die
Kulturen eine erstaunliche Ähnlichkeit. Wohl
ausgehend von vier Himmelsgegenden sahen
viele frühe Kulturen die Erde als ein Rechteck
an. Und so, wie die Welt viereckig war, wurde
auch deren Abbild, die Stadt, geformt, die Anlage von Städten in quadratischer Form ist uralt.
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Das gilt gleichermaßen für die Städte der Industalkultur wie auch der Maya, der Kelten und
Etrusker, und auch heute noch sprechen wir von
Stadt-„Vierteln“ und „Quartieren“. Die kreisförmige Ummauerung der quadratischen Stadt
zeichnet dann jene Urfigur, die C. G. Jung
„Mandala“ nennt und aus der sich die Swastika
wird man sagen können, dass die Welt letztlich
in ihren Grundlagen indeterministisch ist.
Eine vermutlich auf Pythagoras zurückgehende Formel, die den Sinn des Kosmos enthält, dargestellt in
einem magischen Kryptogramm.
Doch die Naturwissenschaft tut sich schwer mit
einer Antwort auf die Frage nach der ersten Ursache. Gemäß der Urknall-Theorie war der gesamte Kosmos in einem Punkt zusammengedrückt, in diesem waren Schwerkraft und
Materiedichte unendlich groß (sog. „Singularität“). Wegen der engen Verknüpfung von
Raum, Zeit und Materie musste hier allerdings
die Zeit verschwinden, denn es gibt keine Zeit
ohne Raum. Weil jedoch alle unsere physikalischen Gesetze in Form von Raum und Zeit formuliert sind, können sie nicht über den Punkt
hinaus gelten, an dem es weder Zeit noch Raum
gibt, sie versagen also bezüglich der Singularität.
(Hakenkreuz) der Inder entwickelte. Spätere
buddhistische Schulen kennen vier den Himmelsrichtungen zugeordnete Paradiese mit dazugehörigen Buddhas. Hinzuweisen ist auch auf
Götterfiguren mit vier den Weltgegenden zugewandten Köpfen, hierzu gehört der indische
Brahma genau so wie der altägyptische
Amun-Re.
3) Die naturwissenschaftliche
Antwort
Auch der Mensch der Neuzeit sucht, neben einem rein wissenschaftlichen Wissensdurst, aus
Opportunität nach Regeln für die Gestaltung
seines Lebens im Rahmen der die Welt
offensichtlich bestimmenden Gesetzmäßigkeiten. Denn er sieht, wie alle Ereignisse irgendwie
miteinander zusammen hängen, dass also kausale Strukturen bestehen, aus denen auf eine rationale Ordnung der Welt geschlossen werden
kann. Wenn aber alle Ereignisse zwingend
durch andere, frühere Ereignisse bestimmt sind,
ergibt sich die Frage, ob die Welt streng deterministisch ist oder auch Zufälle und freie Willensentscheidung möglich sind. Unter dem Gesichtspunkt der heute allgemein anerkannten
Quantenmechanik und ihrem Unschärfeprinzip
10
Unbeschadet dessen bleibt die Frage nach dem
Beginn der Ursachenkette, nach der allerersten
Ursache – sei sie nun Gott oder ein Naturgesetz.
Zu ihrer Beantwortung konzentriert sich die moderne Naturwissenschaft auf reine Kausalforschung unter Verzicht auf weitere Fragen nach
Wesen und Ziel der Dinge. Denn göttliche Absicht und Zweck der Schöpfung sind allein Sache göttlicher Freiheit und entziehen sich
menschlicher Nachforschung. Die methodische
Selbstbeschränkung auf kausale Beschreibung
von Zuständen und Prozessen innerhalb der materiellen Welt sowie das Vertrauen in die Vernunft machen naturwissenschaftliche Forschung zu einem rein säkularen Vorgang, der
mit Fragen des Glaubens und der Religion
nichts mehr zu tun hat.
Wenn aber die Gesetze der Physik an der Singularität scheitern, ist es nicht möglich, den Urknall einem davor liegenden Ereignis zuzuschreiben, d.h. der Grund muß außerhalb der
Physik liegen. Die Physiker sind daher gezwungen, das Weltall entweder für unendlich alt
anzusehen oder einen plötzlichen Anfang von
Raum und Zeit zu unterstellen, der wissenschaftlich nicht erklärbar ist.
Eine dritte Möglichkeit wäre die Gültigkeit der
Gesetze der Quantenmechanik auch für kosmische Dimensionen. Wenn das Universum als Ergebnis einer Quantenfluktuation aus dem Nichts
entstehen könnte, wäre kein physikalisches Gesetz verletzt. Wie der englische Physiker Stephen Hawking darlegt, hätte ein völlig in sich
selber abgeschlossenes Universum weder
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Anfang noch Ende, sondern würde einfach sein.
Es entfiele die Notwendigkeit, einen lückenbüßenden Gott als Urheber des Urknalls
anzusehen.
Wie wir sehen, führt die Frage, wo die Kette von
Ursache und Wirkung anfängt, wohl doch über
die Naturwissenschaft hinaus zur „Schöpfung“
als Ursprung des physikalischen Weltalls. Jedenfalls für Juden und Christen ist wesentlich,
dass (ein) Gott die Welt zu einem bestimmten
Augenblick der Vergangenheit erschuf und spätere Ereignisse eine zeitliche Reihenfolge hatten. Hier finden wir die Trennung des Schöpfers
von seiner Schöpfung, die willentliche Schöp-
fung durch ein schon existentes Wesen. Während der Schöpfer ewig ist, hat die erschaffene
Welt einen Anfang.
Die meisten alten Kulturen, insbesondere des
Ostens, gehen dagegen von einem zyklischen
Weltbild aus, wonach die Welt keinen Anfang
hatte, sondern sich endlos wiederholt. Und für
den Buddhismus kommt im Gegensatz zu allen
anderen religiösen und philosophischen Systemen eine erste Ursache der Welt schon
deswegen nicht in Betracht, weil alles nur in Abhängigkeit von anderem ins Dasein treten kann,
ein erster Anfang also ebenso unmöglich ist wie
ein definitives Ende.
III. Kausalität und Konditionismus im Buddhismus
1) Kamma und Wiedergeburt
Wie wir oben ( Ziff. I 2) ausführten, war (und ist!)
das Gesetz von Ursache und Wirkung (Skt: karman, Pali: kamma), das Naturgesetz der ethischen
Kausalität, fundamentaler Bestandteil buddhistischen Denkens. Für uns Unerlöste erscheint es
axiomatisch. Niemand verlangt von uns jedoch,
diesem Gesetz kritiklos zu glauben, sondern wir
können es – im Vergleich zu „Konkurrenzmodellen“ – für lediglich am plausibelsten halten. Auch
können wir Vertrauen (shraddha) zu Buddha
Gautamas Angaben haben, der es in der Nacht seiner Erleuchtung als zutreffend erkannt haben will:
„Mit dem himmlischen Auge, dem klaren, über
menschliche Grenzen hinausgehenden, sah ich,
wie die Wesen vergehen und (wieder) entstehen,
sah ich hohe und niedrige, glänzende und unscheinbare, wie ihnen je nach ihren Taten (kamma) günstige oder schlechte Wiederverkörperung
zuteil geworden war.“
Das Kamma-Gesetz, die Lehre von der rückvergeltenden Kausalwirkung der Taten, ist also eng
verbunden mit der Wiedergeburtsvorstellung: Jeder hat sich sein Dasein und sein Lebensmilieu
karmisch selber verdient. Denn jeder ist – wie
oben Ziff. I 2 bereits gesagt wurde - das Ergebnis
seiner eigenen in den Vorexistenzen begangenen
Taten, sein Körper ist „alte Tat“. Daran ist nachträglich nichts mehr zu ändern. Es liegt aber an
ihm, wie er seine (nachtodliche) Zukunft gestaltet:
Bessere Wiedergeburt wird durch gute (punna)
Taten, schlechtere durch schlechte (apunna) Taten
bewirkt, gute Tat ist heilsam (kusala), schlechte
unheilsam (akusala). Die Wiedergeburt kann dann
erfolgen (vorzugsweise) in der Menschenwelt,
majjhima patipada 1 - 2009
aber auch im Götterreich oder in der Hölle, im
Geisterreich oder Tierreich. Sie ist keine
Belohnung oder Strafe für frühere Taten, sondern
deren natürliche Kausalfolge, ohne jede ethische
Wertung. Denn das Kamma-Gesetz wirkt mechanisch, es bedarf daher auch keiner über die Taten
richtenden göttlichen Instanz.
Der Buddha wich jedoch in einem entscheidenden
Punkt von der herkömmlichen (upanisadischen)
Wiedergeburtslehre ab. Während diese nämlich
von einer Seele (atman) ausging - einer Monade,
die das Karma speichert, den Tod überdauert und
Wirkung ohne Ursache?
Für den Dalai Lama geriet der Besuch in
dem Physiklabor zur Offenbarung. Erst
führte ihm (der österreichische Physiker)
Anton Zeilinger ein paar seltsame Tricks
mit Photonen vor. Dann erzählte der Forscher auch noch, dass im Mikrokosmos
Teilchen einfach so aus dem Nichts entstehen. Für einen kurzen Moment war es da
mit der buddhistischen Gelassenheit vorbei. Das sei unmöglich, erklärte der Dalai
Lama irritiert, für jedes Ereignis gebe es
eine Ursache. Die Physiker müssten eben
einfach noch genauer hinschauen. „Hier
hatten wir eine klare Divergenz unserer
Anschauungen“, erinnert sich Zeilinger lächelnd. „Denn für mich steht zweifelsfrei
fest, dass in der Quantenwelt die Kausalität
tatsächlich verschwindet.“
Aus: DER SPIEGEL Nr. 11/ 2005
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sich immer wieder inkarniert - leugnete er die
Existenz einer solchen (ewigen) Seele. Die Wesen
sind vielmehr seelenlos (anatta = ohne Seele, Ich
oder Selbst), oder, wie er es später auch formulierte, leer (sunya). Wer oder was ist es aber dann, so
wurde gefragt, das wiedergeboren wird, wenn
nicht irgendetwas Substantielles?
Die Kontinuität der Wiedergeburtenkette, so
antwortete der Buddha, werde nicht durch ein Etwas, durch irgendeine Monade hergestellt, sondern liege im Konditionismus der Daseinsformen:
Jede Wiedergeburt ist die Bedingung für eine andere. Es gilt das von Buddha Gautama entdeckte
Prinzip des Entstehens in Abhängigkeit, der Lehrsatz vom Konditionalnexus (paticcasamuppada =
„etwas entsteht gestützt auf das Vorhergehende“).
Damit unternahm es der Buddha, seine in den
„Vier Edlen Wahrheiten“ verkündete Lehre mit
der überkommenen Karmalehre zu verbinden und
so, wie es der Indologe Klaus Mylius sagt, „zu ergründen, was die Welt im Innersten zusammenhält“.
2) Der Konditionalnexus
(paticcasamuppada)
Wir haben vorstehend zunächst die Bedeutung
der Kausalität dargelegt: Alles, was geschieht,
hat eine Ursache (lat. causa). Als „Causa“ ist
eine Ursache zu bezeichnen, die allein, also
ohne das Eingreifen weiterer Faktoren, eine
Wirkung hervorbringt. Wenn jedoch ein ganzes
Bündel von Voraussetzungen erforderlich ist,
um die Wirkung zu erzielen, ist es richtiger, statt
von Kausalität von einem „Konditionismus“
(auch „Konditionalismus“) zu sprechen. Denn
hier ist jedes Glied eine „Conditio“, d.h. eine
Bedingung neben mehreren weiteren dafür, dass
die anderen Glieder des Geschehens ins Dasein
treten. Fehlt nur eine Bedingung, kann der Erfolg nicht eintreten, denn er ist von allen Vorbedingungen abhängig.
Das Kausalitätskonzept der buddhistischen Philosophie geht in diesem Sinn nicht von einer
bloßen Kausalität aus, sondern von einem Konditionismus. Die Erkenntnis der Entstehung (der
Wesen der Welt) in Abhängigkeit, der sog.
„Konditionalnexus“ (paticcasamuppada) wird
als höchste Einsicht und philosophische Meisterleistung Buddha Gautamas angesehen. (Das
ist wissenschaftlich allerdings nicht unumstritten, der Lehrsatz wird auch als weiterentwickel-
12
te kanonisierte Version älterer, präkanonischer
Lehren verstanden.) Er erklärt nicht nur die Wiedergeburt ohne Seele, sondern beschreibt ein
universales Prinzip. Die Formel der bedingten
Entstehung ist „das Paradigma für die prozessuale Beschreibung der Wirklichkeit.“ (P. Gäng)
Die Formel vom Konditionalnexus gehört jedenfalls zum ältesten Bestand buddhistischer
Dogmatik und hat zwölf Glieder, von denen jedes eine Gruppe von Dharmas (s. u.) darstellt.
Zwar weist die heutige Textforschung nach, daß
es sich bei den zwölf Gliedern um eine spätere
scholastische Ergänzung der früher aus acht
Gliedern bestehenden Kette handelt, wir wollen
jedoch den Nexus in der anschaulichen Fülle
seiner zwölf Glieder betrachten. Die Glieder der
Kette sind so angelegt, daß jedes Glied in funktioneller Abhängigkeit von den vorhergehenden
Gliedern ins Dasein tritt. Der zwölfgliedrige
„Konditionalnexus“ soll die über die Einzelperson hinausgehende Geburtenfolge verdeutlichen und erstreckt sich über drei wiedergeburtliche Existenzen.
(1) Das erste Glied der Kette (und des Leidens!) ist die Unwissenheit (avijja), nämlich
von der Leidhaftigkeit des Daseins, was gleichbedeutend ist mit der Unkenntnis der Vier Edlen
Wahrheiten des Buddha. Sie bedingt das Entstehen von
(2) Kammabindung schaffenden Tatabsichten
(sankharas), welche gut, schlecht oder neutral
sind und – wiederum als unerlässliche (Vor-)Bedingungen! - ein entsprechendes
(3)
Bewusstsein hervorrufen. Dieses prägt
nach dem Tode eines Menschen
– hier Wiedergeburt! –
(4) die in einem Mutterschoß entstehende neue
empirische Person (namarupa), welche mit
ihren
(5)
Sechs Sinnen (Sehen, Hören, Riechen,
Schmecken, Tasten und Denken)
(6)
Berührungen mit weltlichen Dingen erfährt, was zu
(7)
Empfindungen führt. Daraus entwickelt
sich die
(8) Gier (tanha) nach den Genüssen des Lebens. Und dies wiederum ist der Grund, warum
wir im Tode nicht loslassen können, sondern
eine neue empirische Person
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Tempel in Sagain / Myanmar
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(9) ergreifen mit der Folge des
– hier Wiedergeburt! –
(10) Werdens eines neuen Wesens mit der unausweichlichen weiteren Folge von
(11) Geburt und
(12) Tod.
Nach diesem System geht also keine Seele in die
neue Existenz über, sondern die neue Existenz
wird konditional bedingt und geprägt durch die
kammischen Impulse, die der Sterbende hinterlässt. Das Bewusstsein der vorigen Existenz
bedingt das neue Bewusstsein, ohne mit ihm
identisch zu sein. Der Konditionalnexus ist kein
von irgendeiner Substanz gestütztes Phänomen,
sondern bildet allein durch das konditionale
Hintereinander seiner Faktoren die empirische
Person und deren Wiedergeburtenkette. Das
„Dasein“ ist kein Sein, sondern ein Prozeß.
3) Konditionismus – die Welt als
Strom von Dharmas
Wie wir oben (Ziff. I 1) sahen, ist der Dharma das
höchste, unpersönliche Prinzip des Universums, in
welchem unsere Begriffe von Naturgesetz und
sittlicher Weltordnung zusammenfallen. Er ist der
„Träger“ des Weltgeschehens und drückt sich aus
in einer unendlichen Vielheit von Kräften, die von
den Buddhisten ebenfalls als „Träger“ (dharmas)
bezeichnet werden. Diese „Dharmas“ sind also
nicht zufällig und grundlos da, sondern sie sind
Ausdrucksformen des Weltgesetzes. Auch die
Lehre von den Dharmas, den „Daseinsfaktoren“,
gehört zum Kern buddhistischer Dogmatik und es
ist anzunehmen, dass der Buddha selber mit dem
Lehrsatz vom Entstehen in Abhängigkeit (Konditionalnexus) dieses Fundament geschaffen hat.
Nach seinem Tode entwickelten eifrige Mönche
hieraus die Dharma-Theorie.
Der Buddha hatte erkannt, dass die Welt nicht ein
einheitliches Ganzes darstellt, sondern aus zahllosen Dharmas als Einzelbestandteilen besteht. Die
Vorstellung von Dharmas als nicht mehr reduzierbaren Realitäten geht weiter als unsere Vorstellung
von Atomen. Denn sie umfaßt nicht nur Faktoren,
die uns dann als materielle Erscheinungen entgegentreten, sondern einen großen Kreis von Erscheinungen, die wir ganz verschiedenen Denkka-
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tegorien
zuordnen
würden,
wie
z.B.
Sinnesfähigkeiten, Schlaf, Hunger, Ruhm,
Gesetzmäßigkeiten und andere Abstrakta. Zwischen objektiven (z.B. Tönen) und subjektiven
(z.B. Empfindungen) Dharmas besteht kein Unterschied.
Es handelt sich um insubstantielle abstrakte Qualitäten, die sich zu Konglomeraten zusammenschließen und dadurch die Welt bilden. Alle Lebewesen bis hinauf zu den Göttern sind
Kombinationen solcher Dharmas, d.h. das Leben
ist eine bloße zusammengesetzte Erscheinung.
Diese Komponenten sind aber nicht unvergängliche letzte Realitäten, die sich dann zu einer vergänglichen Erscheinung zusammenfügen, sondern selber nur Elemente von kürzester Dauer und
vorübergehender Existenz.
Über die Dauer dieser Existenz wurde viel
spekuliert und zunächst den körperbildenden
Dharmas eine längere Dauer gegeben als denen
des Bewußtseins. Später berechneten die Scholastiker die Dauer auf das Tausendstel eines
Augenzuckens, jedenfalls so kurz, dass wir den
Wechsel nicht bemerken. Der Begriff „Dharmas“
schließt logischerweise alle empirischen Dinge
aus, da diese ja nur die Kombinationen von Dharmas sind, also bloße Kunstprodukte.
Die Dharmas entstehen, nachdem sie vorher nicht
da waren, und vergehen wieder, wenn ihre Wirkung erschöpft ist. Dabei entstehen sie nicht durch
Zufall oder von selbst, sondern stets in funktioneller Abhängigkeit von anderen Dharmas,
entsprechend der Lehre von einem ursächlichen
Zusammenhang aller Dinge. Der Buddhismus
kennt also - im Gegensatz zu allen anderen Religionen, aber in Einklang mit der modernen Naturwissenschaft - keine ewigen materiellen oder geistigen Substanzen, aus denen alles besteht.
Stattdessen ist das ganze Universum und alles,
was in ihm ist, eine rein gesetzmäßige Folge von
dynamischen Prozessen, ein Kräftespiel von
Dharmas. Die Welt ist nicht, sondern sie geschieht, es gibt kein Sein, sondern nur ein Werden.
Jede Einzelerscheinung entsteht in funktioneller
Abhängigkeit, d.h. nur eine Vielheit von Faktoren
kann einen neuen Faktor hervorbringen. Nirgends
existieren isolierte Faktoren: Das Weltgesetz manifestiert sich als ein durchgehender und unverbrüchlicher Konditionismus.
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Der Blindengarten in Bonn
von Hans Wolfgang Schumann
Die meisten Besucher des Bonner Rheinauenparks gehen an dem Schild „Zum Lindengarten“
achtlos vorüber, aber wer der Einladung des
Wegweisers folgt, erlebt eine Überraschung. Er
kommt in einen Garten aus hüfthoch gemauerten Rondellen, deren Bewuchs die Blinden abtasten können, um den jeweiligen Busch oder
Strauch zu bestimmen: An Tafeln in
Brailleschrift können sie ihre Identifizierung überprüfen. Zentrum der
hübschen Anlage ist der Blindenbrunnen – „ein Gleichnis von der
Wahrheit“, wie ein Schild erläutert.
Auf drei erhöhten Sockeln steht ein
bronzener Elefant, der von fünf bronzenen Blinden abgetastet wird. Man
sieht ihren Gesichtern die Mühe an,
die es kostet, sich aus dem ertasteten
Eindruck eine Vorstellung des Ganzen zu machen. Eine Bronzetafel am
Eingang zum Blindengarten erzählt
das Gleichnis von den Blinden und
dem Elefanten in Kurzfassung und
gibt den Text auch in Blindenschrift
wieder - leider ohne zu erwähnen, daß
die Erzählung einem buddhistischen
Buch entnommen ist (nämlich dem Udana, Kapitel 6,4). Der Brunnen ist eine Stiftung von Dr.
Wolfgang Hesse, Bonn; die Skulptur schuf der
Wolfsburger Bildhauer Richard Engels.
Die Parabel von den Blinden ist Teil einer Rahmenerzählung. Der Erhabene (Buddha), so das
Udana, weilte einst in Savatthi, der Hauptstadt
des nordindischen Königreichs Kosala, wo sich
zur gleichen Zeit zahlreiche Asketen und Brahmanen aufhielten. Die debattierten über die
Welt, das Leben, das Jenseits und die Wahrheit
und vertraten lautstark höchst unterschiedliche,
ja kontroverse Ansichten. Die buddhistischen
Mönche, die zu ihrem täglichen Almosengang
in die Stadt Savatthi gekommen waren, hörten
das Gezänk. Vom Almosengang in ihren Klosterhain - den Jetavana, die Stiftung des reichen
Wohltäters Anathapindika - zurückgekehrt, berichteten sie dem Buddha, was sie beobachtet
und gehört hatten. Der Meister erzählte darauf
das Gleichnis vom Elefanten und den Blinden.
majjhima patipada 1 - 2009
In Savatthi, so der Buddha, lebte einst ein König, der eines Tages einem Mann befahl, alle
Blindgeborenen der Stadt an einem Ort zusammenzurufen. Als dies geschehen war, wurde ihnen ein Elefant vorgeführt. Der erste Blinde betastete den Kopf des Tieres, der zweite das Ohr,
der dritte den Stoßzahn, der vierte den Rüssel,
die weiteren den Rumpf, den Fuß, das Hinterteil, den Schwanz und die Schwanzborten. Als
dies geschehen war, fragte der König die Blinden, wie ein Elefant beschaffen sei. Ein Elefant
sei wie ein Kessel, erwiderte der erste; wie eine
Worfschaufel (zum Trennen der Spreu vom
Reis) meinte der zweite; wie eine Pflugschar
antwortete der dritte - und so ging es weiter: Wie
die Griffstange an einem Pflug, wie ein Kornspeicher, wie eine Säule, wie ein Mörser, wie
eine Keule, wie ein Pinsel sei der Elefant, so antworteten die andern. Unter dem Geschrei: „So
ist ein Elefant, nicht so wie du sagst“, gingen sie
mit den Fäusten aufeinander los.
Genau wie diese Blinden, so zog der Buddha das
Fazit, verhält es sich mit den Wanderasketen der
verschiedenen Lehrrichtungen. Blind und augenlos erkennen sie nicht, worauf es ankommt
und worauf nicht. In Unkenntnis der Wahrheit
schlagen und verletzen sie sich mit scharfen
Worten. Und der Erhabene (Buddha) tat den feierlichen Ausspruch (udana):
15
„Man glaubt es kaum, wie sich Brahmanen
(in Theorien) oft verrennen:
Sie zanken sich wie Leute, die
(vom Ganzen) nur ein Teil erkennen.“
Soweit das Gleichnis von den Blindgeborenen
und dem Elefanten nach dem Udana-Buch des
buddhistischen Kanons.
Selbstverständlich hatte das Brunnendenkmal in
der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn - un-
weit vom einstigen Plenarsaal - auch eine politische Bedeutung. Es verwies (und verweist) auf
die Schwierigkeit, die Wahrheit zu finden: Aus
Teilerkenntnissen ist eine gerechte Entscheidung nicht abzuleiten.
Vielleicht gibt es einmal einen Stifter, der ein
Denkmal mit einer ebenso wichtigen symbolischen Botschaft in Berlin aufstellt!
Das habe ich gehört .... (Teil 2)
von Gerhard Hoyer
IV. Samadhi und Meditation
Bei der Meditation kommt im samadhi(1) immer
das hervor, was vorher im Denken schon vorgearbeitet worden ist. Darum ist die Meditation bei
jedem Menschen ganz verschieden, je nach seinen früheren Gedanken und Vorstellungen. Aus
diesem Grunde kann man auch schwer konkrete
Ratschläge geben. Jeder muß die für ihn geeignete Weise eben selber herausbekommen, indem er seine Stärken dabei pflegt. Stets ist aber
eine erhabene und feierliche Stimmung das
Wichtigste.
Dieselben Vertiefungen führen den Buddhisten
bis zum Nirvana und die Anhänger anderer Religionen zu deren Ziel, nur mit dem Unterschied,
dass die buddhistische Vertiefung stets mit
Weisheit und Klarsicht gepaart ist. So bestehen
diese beiden wesentlichen Unterschiede zwischen buddhistischem und nichtbuddhistischem samadhi: erstens ist ersterer auf das
Nirvana bezogen, auf das unermessliche und
unergründliche; zweitens ist er nie Selbstzweck,
sondern wird stets zum Gegenstand weiser Betrachtung gemacht, d.h. der Kontrolle der
panna(2) unterworfen. Das bedeutet: man sieht
bei allen Vertiefungsstufen die drei Merkmale
anicca, dukkha, anatta.(3) Von den Indern wird
z.B. das Prana(4) als höchstes Gut gepriesen,
während der Buddhist auch darüber noch hinausgeht. Ebenso wie die panna den samadhi
kontrolliert, wird aber auch durch samadhi die
panna gefördert. Jede aus samadhi gewonnene
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Erkenntnis unterscheidet sich ganz deutlich von
einer Erkenntnis ohne samadhi.
Die wichtigste Unterscheidung ist die, ob ein samadhi weltlich (lokiya) oder überweltlich (lokuttara) ist. Im lokuttara-citta(5) sind keine uns
Menschen verständlichen Dinge. Um solchen
Anblick zu erreichen, bedarf es der Belehrung
durch das Wissen des Erwachten. Sonst kann
man weltlichen und überweltlichen samadhi im
konkreten Fall überhaupt nicht unterscheiden.
Zum weltlichen samadhi gehören auch noch die
Strahlungen, z.B das mahaggatta-citta, das
hochstrebende Herz im M 10 (in M 127 sagt
Karl Eugen Neumann „großartig“).
Störung: Samadhi wird verhindert oder gestört
durch uneingestandene oder durch unerkannte
eigene Fehler. Dann schwingt die Wahrheit
nicht. Dann hat man sein Unterbewusstsein
ganz gegen sich. Dagegen hindern erkannte,
aber noch nicht überwundene Fehler den samadhi weniger: sie brauchen nämlich dann kein
Hindernis zu sein, wenn das Vertrauen in ihre
Überwindung, das Selbstvertrauen, groß genug
ist. Von den drei Fehlerarten sind am
schlimmsten die uneingestandenen, schlimm
die unerkannten, überwindbar die erkannten
(Fehler).
Gefahr: Wenn jemand sich ohne geistige Vorbereitung, d.h. ohne Gewinnung von saddha(6)
zum Buddha, einfach entspannt und vertieft,
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dann fällt er in das kollektiv Unbewusste, d.h. in
seine eigene Triebhaftigkeit der Tiefe. Das kann
bestenfalls zu einer Affinität zur devaloka(7)
führen, schlimmstenfalls zu Höllenwelten.
Wenn man bei der Übung Fratzen sieht, so ist
das ein Zeichen für niedere Bereiche, für böse
Geister, dann solle man aufhören. Beim
Buddhaweg sind alle solche okkulten Gefahren
durch die Weisheit gebannt. Daher ist der
buddhistische Yoga weitaus der höchste. Die
Lotoszentren (cakkra) sind zwar unbedingt vorhanden und entwickeln sich auch bei erfolgreicher Meditation, aber sie extra auszubilden, gehört nicht zum buddhistischen Yoga, da dies
dem Heilsziel nicht näher bringt.
Güte (metta): Die Übung in meditativer Güte ist
immer fruchtbar, auch auf der untersten Stufe.
Man kann damit ganz einfach wie folgt anfangen: man sage sich, wie ungerecht es doch sei,
nur bestimmte Menschen zu lieben. Dann weitet
man seine Liebe aus auf gleichgültige und zuletzt auch auf unliebe. Wenn man Güte entfaltet,
dann kann man als Folge dieses samadhi nur
noch tolerant sein, und man kann nicht mehr
sehr nach außen wirken. Man erfährt, dass Metta-Meditation der Welt am meisten hilft: dadurch hilft man dem ganzen Land, man bestätigt
alle im Guten, ja sogar die Höllenwesen. Wenn
man stattdessen vordergründig in fremde
Schicksale eingreift, richtet man meist mehr
Schaden als Nutzen an. Man beginnt am
falschen Ende und macht sich schuldig. Man
muß geschehen lassen.
Dreiwelt: In allen Bereichen der kama-loka,(8)
auch bei deren höchsten Göttern, sind überall
die 5 Sinne. Bei den Tieren überwiegt aber Tasten-Riechen-Schmecken. Überall in der
kama-loka sind auch die 3 sankhara.
In der rupa-loka (Brahma-Welt) ist nur noch Sehen, Hören, Erkennen. Die 4 Elemente sind dort
in unvorstellbar feiner Schwingung, als Lichtgestaltungen.
In der arupa-loka fehlen die 5 Sinne und es gibt
kein reflektierendes Denken. Es gibt auch keinen kaya-sankharo.(9) Dort ist nur die geläuterte
nama-Gruppe(10). Die Sphären der Raum- und
Bewusstseinsunendlichkeit mit ihrem körperfreien Glück lösen ein leichtes Ichgefühl aus,
das darum so schwer zu greifen ist, weil es nicht
mehr körperlich lokalisiert ist. Der Unterschied
zwischen dem Reich der Vorstellungslosigkeit
majjhima patipada 1 - 2009
und dem Nirvana besteht darin, dass letzteres
immer erst nach Durchgang durch die Aktivität
der panna erreicht wird als endgültiger Zustand.
Denken und Ich: Im samadhi erfährt man erst,
was es heißt, vom Willen zu lassen und selbstlos
zu sein. Im tieferen samadhi ist kein Bewusstsein von Ich und Mein, wird auch nicht erwogen. Es gibt auch nicht mehr den Unterschied
von Ich und Du. Man kann sich daher mit allem
identifizieren und man kann allen Wesen helfen.
Dem Ichdünkel, der bei der Rückkehr aus dem
samadhi auftaucht, kann man allein durch panna wehren, d.h. durch erkenntnismäßige Impulse, durch richtiges Denken.
Jhan’anga(11): Die 5 Hemmungen werden im samadhi der 1. Schauung ersetzt durch die 5
jhan’anga, und zwar allmählich:
vitakka-vicara ohne Sinnlichkeit tritt an die
Stelle der Weltgläubigkeit von Wunscheswille
und Haß (1. und 2. Hemmung),
piti niramisa tritt an die Stelle der falschen Bewegtheit
von
uddhacca-kukkucca
(4.
Hemmung),
Sukha (mit passaddhi) tritt als rechte Ruhe an
die Stelle von matter Müde (3. Hemmung),
Upekha als ekaggata tritt an die Stelle von
Zweifel (5. Hemmung).
Schauungsgleichnisse:
1. Jhana (12): Bild vom Seifenball = Atem (Seife) und Bewusstsein (Wasser) werden locker
vereinigt im Schaumball.
2. Jhana: Bild vom quellenden Teich = die
Quelle ist piti (13), davon wird der Atemkörper
durchströmt.
3. Jhana: Lotos im Wasser = Lotos ist Symbol
für bodhi (14), für Herzlotos. Er ist ganz im Wasser, d.h. ganz isoliert in Einsamkeit und Glück,
im Atemkörper.
4. Jhana: Weißes Gewand ist upekha(15), ohne
jede Individualität. Der Leib könnte auch ein
Heuhaufen sein, ist nur Gerüst.
Die vier jhana: Das vitakka(16) des 1. jhana ist
eine Bindung des Geistes (nicht des Herzens) an
gute und klare Vorstellungen. Es gleicht dem
Anschlagen einer Glocke, gefolgt von deren
Nachklingen, die vicara(17) ist, indem die gefasste Vorstellung zwanglos einen ganz ausfüllt.
Im richtigen Samadhi denkt „es“, denkt ein Gedanke sich allein weiter. Ist das vitakka des 1.
17
jhana erst einmal angefangen, dann kommen
die weiteren Glieder allmählich von selber aus
dem Unterbewusstsein empor: darum ist dieses
vitakka so entscheidend! Die 1. Schauung ist angrenzender samadhi, hier wird weiter im Sinn
der satipatthana(18) gedacht.
Volle Sammlung besteht erst ab der 2. Schauung. Erst hier ist Einswerden mit dem Objekt
(ekodi), während Einheit (ekaggata) auch schon
in der 1. Schauung ist, indem dort das Bewußtsein des physischen Körpers schwindet. Piti, das
schon im 1. jhana ist, wird im 2. gewaltiger und
beherrschender. Auch hier gibt es noch, wie in
allen weiteren Stufen, ein Unterscheiden und
Entschlussfähigkeit, aber kein übliches Denken
mehr, kein vitakka-vicara.
Die 3. Schauung erfährt man, wenn man gleichmütig gegen piti wird. Dann tritt ein sukham(19)
im geistigen Körper auf.
Die 4. Schauung besteht darin, dass das Bewusstsein aus dem physischen Körper heraus
ist, es ist exterritorisiert. Der Fleischleib wird
gefühllos. Die 4. Schauung wird nur erreicht,
wenn bestimmte tiefere Trübungen fort sind,
und das ist sehr schwer.
V. Panna und Durchschauung
1. Über den Tod.
Der Moment und die Art des Todes sind karma-bestimmt. Der Buddha nennt den ganzen
Körper „Taten der Vergangenheit“. Beim Sterben entscheidet sich im Bruchteil einer
Sekunde, wohin man kommt. Da ist man schon
in der anderen Welt. Der Mensch sieht dann sein
früheres und sein künftiges Dasein, aber wer
keine Meditation ausgebildet hat, dem versinkt
das gleich wieder im Unterbewusstsein. Die
Materialisten fallen im Tode alle um, indem sie
sehen, was sie nicht glaubten. Außerdem kommen sie, wie die meisten Menschen, in eine öde
Gespensterwelt, wo man hungert und friert und
alles grau ist. Die Folgen schwerwiegender Taten kommen zuerst, dann das am häufigsten Geübte. Erlerntes wird im Tode dagegen verloren.
Unsere gesamten Taten, Worte und Gedanken
formen ein Bild: das ist die Zukunft nach dem
Tode.
Erst ab dem Stromeintritt wird die neue Daseinsform bewusst angestrebt, weil er allein so
tief in die dhatus(20) hineinreicht. Das gilt auch,
wenn Stromeintritt und Tod zusammenfallen.
Der Todesmoment ist ein Sendemoment für alle
Möglichkeiten. Man kann die Wiedergeburt vergleichen mit den Wellen des Fernsehens, die anderswo wieder dasselbe Bild zustandebringen.
2. Über den Samsaro (21)
Der Samsaro ist so unendlich, dass jeder wohl
schon an allen Orten geweilt hat und wohl mit
allen Menschen seiner Bekanntschaft schon zu-
18
sammen war. Das Individuum dauert auch über
Weltzeitalter hinaus, so langsam ändern sich
manche Züge. Die Personen, die einem begegnen, sind prinzipiell immer die gleichen Typen,
wie im Theater die Chargen.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Leben bestehen nur darin, dass das Bewusstsein
einmal die Taten von der einen, das andere Mal
von der anderen Seite zeitlich widerspiegelt.
Heute ist das kommende Leben Morgen; Morgen aber ist das jetzige Leben Gestern. Der ganze Samsaro ist nur eine Bewegung des Universalbewusstseins: Solange Wind ist, folgen sich
die Wellen mit Tälern; erlischt der Wind, dann
verschwindet auch jede Unterschiedlichkeit.
Das Unterbewusstsein der meisten Menschen ist
sehr fest eingelaufen. Überhaupt ist es so, dass
der Karma-Strom entsetzlich fest ist und in denselben Gleisen verläuft. Die normalen Menschen haben höchstens 3% Freiheit.
Bei den Unterwelten ist alles noch mehr determiniert, bis zu 100%. Darum ist es so entscheidend wichtig, den vaci-sankhara(22) zu
kontrollieren, weil hier das Karma hauptsächlich gebildet wird.
Ein Heraustreten aus dem Samsaro ist nur möglich durch die erlösende Erkenntnis, dass kein
Ich da ist, welches durch den Samsaro wandert.
Man muß sehen, dass man nicht ist, was man zu
sein scheint, dieses kleine abgesonderte Wesen,
das sich lange gleich zu bleiben scheint. Die erlösende Erkenntnis kommt aus dem Prinzip der
Indetermination und zeigt die Determination
majjhima patipada 1 - 2009
auf. Wie entsetzlich der Samsaro ist, sieht richtig erst der, der herauszusteigen beginnt.
Es gibt nur zwei Mächte in der Welt, zwei riesige, nämlich auf der einen Seite Durst, auf der
anderen Seite Erkenntnis. Aus jeder geht ein
entsprechender Wille hervor. Die stärkste
Ausprägung des Durstes ist der Geschlechtstrieb; die größte Gefahr der Weisheit ist der Intellektualismus. Die Stärke des Herauswollens
richtet sich nun immer nur nach der Tiefe der Erkenntnis. Das Geborgensein im überweltlichen
Bewusstsein, oder jedenfalls eine Ahnung davon, ist die einzige Geborgenheit im Meer des
Samsaro, das innere Licht die einzige Zuflucht.
Auch alle Schuld wird nur hier getilgt. Alle Untugend beruht auf Unwissen und auch aller
Durst. Der Grund für den gesamten Samsaro ist
Unwissen und als eine unmittelbare Folge der
Ich-Glaube. Das Pendant zum Ichglauben ist es,
wenn man die Materie so wichtig nimmt. Wer
das tut, wird späterhin viel Mühsal von ihr haben.
3. Samsaro-Überwindung
Die Buddhalehre ist die klarste und umfassendste Darstellung der Verwirklichung des höchsten
Prinzips im Menschen, das in anderen Religionen nur bruchstückhaft angedeutet ist. Um den
Unterschied zwischen der Lehre und anderen
Auffassungen herauszuarbeiten, vergleiche man
einmal folgende drei Gesichtspunkte:
1. Was bringt der Besitz eines Weibes? Bestenfalls Glück für ein einziges kurzes Leben in
der kama-loka.
2. Was bringt die Nachfolge Christi? Bestenfalls, für den Mystiker, Glück für ein
Weltzeitalter in der brahma-loka (23).
3. Was bringt der Stromeintritt dem Nachfolger Buddhas? Schlechtestenfalls nach 7
Leben das Glück des Nirvana für immer und
ewig.
Innerhalb eines Lebens kommt nur der beim
Tode in das Nirvana, der nur noch in der Meditation weilt und nie mehr aus ihr herausfällt, auch
nicht im alltäglichen Geschehen.
Schlimm dran sind die Nihilisten, die da glauben, dass das Nirvana das Nichts sei. Sie
kommen fast stets nach dem Tod in untere Welt.
Von den beiden Übeln, die es bei falscher
Anschauung gibt, nämlich Ewigkeitsglaube und
majjhima patipada 1 - 2009
Nihilismus, ist ersteres durchaus das kleinere.
Die Ewigkeitsansicht führt den Nachfolger zum
Himmel, wenngleich natürlich nicht zum Nirvana; der Nihilismus aber führt in die dem Himmel
entgegengesetzte Richtung, ins Finstere. Entsprechend führt sinnlicher Genuß allein nur zum
Aufzehren des Verdienstes, Verdrängung aber
zur Finsternis unmittelbar. Die Wesen der Finsternis in höllischer Welt kennen nicht Güte und
Mitleid und glauben auch nicht an Güte und
Mitleid. Trotzdem kommen auch sie wieder
hoch, weil auch sie in der langen Vergangenheit
Verdienste hatten.
4. Die Sankhara
Die drei Sankhara bedeuten:
1. Kaya-sankharo = Funktion des rupa, die Taten. Alle vegetativen Funktionen gehören
dazu, wurzelnd im Atem(Prana-)körper, der
auch Ätherleib genannt wird. Die sog. Aura
ist eine Ausströmung dieses Atemkörpers,
ist ein Teil des elektrischen Odfeldes. Jeder
Gedanke besitzt eine Affinität zu einer ganz
bestimmten Prana-Schwingung, d.h. zum
kaya-sankharo.
2. Vaci-sankharo = diejenige nama(24)-Funktion, die das diskursive Denken ausmacht.
Das Erwägen und Überlegen bereitet die Taten vor, beschließt sie. Damit wird das normale Karma gemacht. Während man Wahrnehmung und Gefühl nicht ändern kann,
liegt im vaci-sankharo die Möglichkeit des
Eingreifens. Der Mensch wird, was er denkt
und ist, was er gedacht hat. Der vaci-sankharo ist entscheidend wichtig, er ist zunächst gut auszubilden, aber dann zu überwinden, damit er nicht zum nackten
Intellekt wird. Das Bewusstsein kann sonst
in die Form des Intellekts gezwängt werden
und gar nicht wieder heraus in unserer Zeit
der Wissbegierde.
3. Citta-sankharo = diejenige nama-Funktion,
die Instinkt, Empfinden, Fühlen ausmacht
und die auch bei den höchsten sprachlosen
Göttern noch ist.
Sankhara ist immer zusammen mit vinnanam(25), keines besteht für sich allein. So ist es
vom Atom bis zum Planeten. Dabei ist:
1. Sankhara zeugend, männlich, aktiv, yang:
Neigung schaffend.
19
2. Vinnanam spiegelnd, weiblich, aufnehmend, yin: neigend.
Wie verhalten sich sankhara und Wille? Es gibt
viele Arten von Willen:
1. Cetana = Absicht, das bewusste Anstreben
heilsamer oder unheilsamer Dinge im
Reden, Handeln, Denken. Cetana ist sankhara.
2. Chando = der Wille der Tiefe, unterbewusster Wille.
3. Tanha = Triebwille, Naturwille, Artwille,
der in Erscheinung tritt.
4. Viriyam = die gegen tanha gerichtete Überwindungskraft.
Der Eigenwille (chando) wird zum göttlichen
Willen, wenn man ihn aufgibt. Wille kennzeichnet das ganze Weltall, worin es nichts Unbelebtes gibt. Überall ist sankharo und vinnanam –
und das ist Leben. Der Körper selbst ist nur organisierte Materie, aber er ist belebt durch den
Körperwillen. Am Körper und an der Welt kann
man die Aufgaben ablesen, die man hat: das Gesetz und die Erscheinung des Gesetzes sind dasselbe. Wissen ohne Tugend macht intellektuell
und hochmütig; Tugend ohne Weisheit macht
arm.
5. Das vinnanam
Das leibliche Auge und die Form bilden das
Seh-Bewußtsein im Unterbewusstsein. Auch
die Berührung (phasso) ist ein unterbewusster
Vorgang. Alle Sinnesempfindungen (Gefühle)
kommen also bereits gefärbt herauf. Deshalb
empfindet der eine Wohl und der andere Wehe
bei demselben Ding. Durch Absicht wird dann
wieder das vinnanam modifiziert und karmisch
differenziert. So bedingen sich wechselseitig
vinnanam und nama und wiederum nama und
vinnanam. Nama ist alles, was aus phasso
kommt.
Alles, was es gibt, ist nur e i n vinnanam: Materie (rupa) wie Geist, Ich wie Welt. Es gibt nicht
so etwas wie zwei „Bewußtseine“. Darum ist
Asozialität das Unsachgemäßeste, was es gibt.
Es ist Unsinn, sich als Einzelwesen gegenüber
anderen zu fühlen und innerhalb des Wahrnehmens Unterschiede zu machen. Der Wahn, ein
abgetrenntes, eigenmächtiges Wesen zu sein, ist
die Ursache für das Karma und die Gebundenheit. Das, was sich abtrennt und selbständig
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macht, eben das selbstherrliche Prinzip, das ist
das eigentlich Böse, aus dem alles andere sekundäre Böse folgt.
Das vinnanam hat viele Schichten (Bewusstseinsstätten), sogar dasjenige vinnanam, welches das Nirvana erfährt, hat acht Schichten,
nämlich die vier Paare der Ariyas(26), die Deutlichkeitsgrade des Nirvana-Bewußtseins darstellen. Der Begriff: alaya-vinnanam (Speicherbewußtsein) ist ein Ausdruck für die Tatsache dieser vielen Schichten. Es ist die
Grundlage des Samsaro mit seinen eisernen
Kausalitätsgesetzen. Es birgt in sich alle 3 Welten, alles, was irgend kennbar ist. Das Verständnis der abgründigen Tiefe dieses Speicherbewusstseins führt zum Verständnis der Befreiung. Das Dasein ist überhaupt ein tiefes Mysterium. Man stellt die Frage: Wieso kommt ein
leidenschaftsloses Universalbewusstsein zur
Bildung einer Welt? Auf diese Weise ist das aber
fragend nicht zu ergründen. Das Gestalten –
auch das Fragen ist ein solches – hat keinen
Anfang. Die wahre Ursache aller Aktivität ist
Unwissen. Und Unwissen ist immer mit Durst
zusammen. Trotzdem ist die höchste Freiheit
möglich, als heiliges Recht und Besitztum des
Menschen. Der Weg über Tugend, Vertiefung,
Weisheit bringt Befreiung von den Gesetzen, die
immer wieder Entstehen und Vergehen verursachen.
Alles Bewusstsein, auch das höchste, auch die
Nicht-Etwasheit, ist gebildet auf Grund von Begriffen im Denken. Ohne zureichenden Grund
entsteht kein Bewusstsein – und dieser Grund ist
das Denken und Wirken. Die Begriffe sind aber
alle nicht absolut richtig, denn das Absolute
(Nirvana) ist jenseits der Begriffe. So sind die
Begriffe das Unwissen, welches Bewußtsein
schafft.
Auch Worte sind immer nur ein relatives Verständigungsmittel zwischen dem Denkbewußtsein von Leuten, die etwa auf gleicher Welle schwingen. Das muß man wissen, wenn man
sich verstehen will. Und so war es auch mit dem
Buddha und seiner Belehrung: wer damals auf
gleicher Welle schwingen konnte, dem gewährten seine Worte unmittelbare Einsicht. Für die
meisten von uns sind aber die Lehrreden wie ein
durcheinander gewürfelter Lehrplan für sämtliche Schulklassen oder für sämtliche Fakultäten.
Den Wald sieht man vor lauter Bäumen nicht.
majjhima patipada 1 - 2009
Dabei geht alles um die Erfassung des Bewusstseins, des vinnanam. Darin liegen alle Rätsel
und Geheimnisse des Daseins. Alle anderen der
fünf khandha(27) sind von daher verständlich.
Man kann khandha als Phänomen bezeichnen,
wobei gerade die Tatsache, dass das Phänomen
nichts als Phänomen ist, das Unbekannteste ist,
das, was man nicht weiß, obwohl man dauernd
mit den Dingen umgeht. Daher ist eine
Läuterung des Unterbewusstseins schon für das
Verständnis notwendig.
(12) Jhanas: Schauungen, weltlose Entrückungen, Versenkungen durch Überwindung der Sinnenwelt
(13) piti: Jubel, Hochgefühl, Entzücken
(14) bodhi: Erwachung, höchste Form von Erleuchtung
(15) upekha: Gleichmut, Gelassenheit
(16) vitakkha: Ewägen, Denken, Überlegen;
Gedanken
(17) vicara: Sinnen, Nachsinnen
(18) satipatthana: Vier Pfeiler der Achtsamkeit,
an die der Geist sich bindet
Anmerkungen (Zusammengestellt von H. Hecker):
(1) samadhi: Herzensfrieden, Seelenruhe, Einigung, ohne Subjekt-Objekt-Spaltung
(2) panna: Weisheit, höchste Vernunft, tiefe Einsicht
(3) anicca – duhkkha –anatta: unbeständig/vergänglich – leidig – nicht Ich
(4) prana: Atem, insb. Ausatmung. Im Hinduismus = Ursubstanz, Weltatem
(19) sukham: Jedes Wohlgefühl: körperliches,
seelisches, geistiges und sogar das Wohl des
Nirvana, das auch jenseits von Gefühlen ist
(20) dhatus: Artungen, Elemente, natürliche Gegebenheiten
(21) samsaro: Der Leidenskreislauf der Wiedergeburten
(22) vaci-sankhara: Die sprachlichen Gestaltungen
(5) lokuttara-citta: überweltliche Herzensart
(23) brahma-loka: Die zweite Welt jenseits der
Sinnenwelt. Die Brahma-Welt ist die Welt der
reinen Form, die Lichtwelt
(6) saddha (Pali; Skt. Shradda): Heilsvertrauen
in den Buddha, die Lehre und Nachfolgergemeinde
(24) nama: Die Benennungen der Eindrücke als:
Gefühle, Wahrnehmungen, Gestaltungen. Siehe
die Fünfheit der nama-Elemente
(7) devaloka: Götterwelt, Himmelswelt
(25) vinnanam: Wörtlich „das Auseinander(vi-)wissen“, die Erkenntnisfähigkeit, die
erst alle Inhalte (Formen und Namen) ermöglicht. Meist mit „Bewusstsein“ übersetzt, aber
auch Unbewußtes einbegreifend.
(8) kamaloka: Sinnenwelt
(9) kaya-sankharo: “Körper-Gestaltung”, die
Fähigkeit zum Einsatz des atmenden Körpers
(Lebenskraft) zum Handeln und Reden
(10) nama-Gruppe: Gefühl, Wahrnehmung und
Gestaltungen (Absicht und Aufmerksamkeit).
Alles ist Folge von Berührung des Herzens
(11) Jhan’anga: Die fünf Glieder der ersten
Schauung (Entrückung)
(26) ariyas: „Edle“, d.h. die vier Sicherheitsgrade der Nachfolger: Stromeingetretene, Einmalwiederkehrer, Nichtwiederkehrer, Heilige
(27) 5 khanda: Die Daseinsfaktoren, die Bausteine der Existenz, die die Gesamtheit des
Daseinskreislaufs (samsara) ausmachen.
Das Heft 3/2008 mit Teil 1 dieses Aufsatzes senden wir Ihnen auf Wunsch gern zu!
majjhima patipada 1 - 2009
21
Buddhistische Weihnachten
Oh du fröhliche…
Die Weihnachtszeit ist für die meisten Menschen hier wohl meist weder „fröhlich“ noch
„selig“ oder „gnadenbringend“. Wie die regelmäßig erfolgenden Umfragen zeigen, weiß ein
erheblicher Teil der Bevölkerung gar nicht, was
es denn für eine Bewandtnis mit diesem Termin
hat – von Geschäftslärm und Konsumwahn mal
abgesehen. Doch richten wir unser Augenmerk
einmal auf diejenigen, denen es zwar nicht an
Kenntnis fehlt, die aber einer anderen Religion
angehören, sei es traditionell durch Geburt oder
durch bewusste Entscheidung. Auch sie haben
weitgehend die Bräuche der „(eingeschränkt)
christlichen“ Mehrheitsgesellschaft übernommen, und sei es nur, dass sie deren gesetzliche
Feiertage in Anspruch nehmen.
Wie steht es dabei eigentlich mit der Gefühlslage von Buddhisten?
Wir haben auf den folgenden Seiten einige (uns
mehr oder weniger zufällig vorliegende) Beiträge zusammengefasst, die sich auf „Weihnachten“ aus insbesondere buddhistischer Sicht beziehen. Wir meinen, dass die Autoren uns
irgendwie aus der (deutschen) Seele sprechen.
Doch lassen Sie uns zunächst noch einmal auf
die Tatsache hinweisen, dass die allgemein und
insbesondere im Theravada vorkommenden
„buddhistischen“ Feiertage recht rar sind. Eigentlich ist es nur das Vesak-Fest, welches im
Westen von Bedeutung ist, zumal es in außerordentlich effizienter Weise gleich die Ereignisse
Geburt, Erleuchtung und Eingehen des Buddha
ins Parinirvana auf einen Termin zusammenlegt.
Der (frühe) Buddhismus hat Ritualen und damit
zusammenhängenden Feiern nur wenig Bedeutung beigemessen und wir müssten das aus heutiger westlicher Sicht geradezu als arbeitnehmerfeindlich bezeichnen. Schauen wir uns
folgend daher einmal an, wie die grundsätzliche
Einstellung des Buddha zu religiösen
Veranstaltungen war (s. DMW 1/2007)
22
Ritualfeindlichkeit im frühen Buddhismus
Die Einstellung des frühen Buddhismus zum Ritualismus war grundsätzlich negativ, da er sich
ja gerade gegen den brahmanischen Opferritualismus richtete. Aus theravadischer Sicht ist
jedenfalls festzustellen, dass dem Buddhismus
die Betonung des Rituellen fremd ist, der
Buddha hatte das Hängen an Regeln und Riten
als eine Fessel an das samsarische Dasein
bezeichnet. Auch ist der Sangha weder Kultgemeinschaft noch sakraler Bund, sondern „ein
Zusammenschluß von Einzelgängern, die mit
der gleichen Methode dasselbe Heilsziel
anstreben“ (H.W. Schumann). Es kann daher
konsequenterweise auch nicht die Aufgabe der
Mönche sein, für die Laienschaft religiöse Zeremonien zu vollziehen.
Die Wendepunkte im Leben eines Buddhisten –
Geburt, Pubertät, Hochzeit – werden daher im
Theravada, so der Indologe R. Gombrich,
„meist entweder als weltliche Ereignisse behandelt oder von Spezialisten der religiösen Systeme, die örtlich neben dem Buddhismus bestehen, feierlich begangen.“ Eine wichtige
Ausnahme von dieser allgemeinen Regel ist jedoch der Tod: Buddhistische Mönche halten
überall Bestattungszeremonien ab. Das geschieht, so Gombrich, „zweifellos deshalb, weil
der Tod so zentrale Bedeutung für das buddhistische Denken hat, dass Bestattungsfeiern die
ideale Gelegenheit für die Predigt sind.“ Der
Mönch ist also „nicht Priester, sondern Prediger
und Tröster“, er ist somit für die Angehörigen
da.
Leiden die (westlichen) Buddhisten daher an
Feiertagsdefiziten? Kein Problem: Schließt
euch, liebe Buddhisten, doch den Feiern der
Umwelt an und feiert „Weihnachten“ unter dem
Tannenbaum - gleich, ob dieses der Geburt
Christi oder der Wintersonnenwende gewidmet
sein soll. Ein Schlückchen aufs Jesuskind in Ehren wird auch der Buddha niemandem verwehren.
Axel Rodeck
majjhima patipada 1 - 2009
Buddha unterm „Lichterbaum“
Eine Betrachtung zu einem jahreszeitlich aktuellen Anlaß
von Friedrich Fenzl
Vorwort
In diesen Tagen nähern wir uns wieder einem
Fest, das in der abendländisch-christlichen Welt
das höchste im Jahreskreislauf ist (ein wenig anders ist die Situation im östlichen orthodoxen
Christentum: Dort ist das Osterfest der Höhepunkt des kirchlichen Jahreszyklus). Viele westliche Buddhisten betrachten das Weihnachtsfest
mit einigermaßen gemischten Gefühlen:
Einerseits sind sie in den hektischen, oft infarktiösen Trubel der vorweihnachtlichen Festvorbereitungen eingespannt, besonders wenn
sie im Berufs- und Geschäftsleben stehen, denn
das Weihnachtsfest artet in unserer säkularisierten und materialistischen Konsumgesellschaft
immer zu einem „Konsumrausch“ aus, der gar
nicht dem Geist des Buddhismus entspricht.
Andererseits wissen sie nicht, wie sie dieser religiösen, wenn auch christlich geprägten Periode
des Jahres eine festliche Note geben sollen. Dies
trifft besonders auf Familien mit Kindern zu.
Die Kinder werden von dem „Festtrubel“ angesteckt, sie begegnen ihm in Schule und Kindergarten, im Kreise ihrer andersreligiöser Altersgenossen. Man erwartet sich Geschenke, man
möchte feiern, man möchte einen „Lichterbaum“ haben. Wie kaum ein anderer Gegenstand symbolisiert der lichtergeschmückte Tannen- oder Fichtenbaum diesen Abschnitt des
Jahreskreislaufs. Während Adventskranz oder
Weihnachtskrippe in mehr christlich betonte Familien Eingang finden, hat der Lichterbaum
weiteste Verbreitung gefunden und sich seinen
Platz selbst in nichtchristlichen und materialistischen Ländern erobert.
Wir Menschen sind weitgehend durch den Kulturkreis geprägt und erzogen worden, in dem
wir aufgewachsen sind und in dem unsere geistige Prägung als Kinder, Jugendliche und Erwachsene erfolgte. Wir bleiben dieser kulturellen Punzierung auch dann treu, wenn wir aus
freien Stücken eine Religion angenommen haben, die nicht in diesem Kulturkreis entstanden
und dort beheimatet ist und daher kein für diesen Kulturkreis charakteristisches Brauchtum
majjhima patipada 1 - 2009
entwickelt hat. Nicht umsonst spricht die Psychologie von einem „Kulturschock“ (culture
shock) den jemand erleidet, der in einen ihm
fremden Kulturkreis versetzt wird, selbst wenn
er aus rationalen Gründen eine in jenem Kulturkreis beheimatete Religion angenommen oder
durch Familientradition übernommen hat.
Ich möchte Ihnen das durch ein Erlebnis aus
meinem eigenen Leben illustrieren:
Als ich im Jahr 1968 zu buddhistischen Studien
in Japan weilte, war das mein erstes Weihnachtsfest fern der Heimat, fern der Familie und
fern der kulturellen Umwelt, in der ich aufgewachsen bin. Ein großes Gefühl der Einsamkeit
und Verlassenheit befiel mich. In dem Studentenwohnheim, in dem ich lebte, hatten wir als
Englisch-Instruktorin eine junge Nisei (Japano-Amerikanerin der zweiten Generation). Obwohl aus einer alten buddhistischen Familie
stammend, ehemalige Dharmaschullehrerin ihres Tempels und praktizierende Buddhistin, war
sie, die in einer kleinen Stadt in Kalifornien aufgewachsen war, vom westlichen Kulturerbe geprägt. Sie erzählte mir, dass sie sich nach einem
Lichterbaum sehne, weil er für sie Heimat und
Familie symbolisiere.
Meine japanischen Kommilitonen hatten dafür
wenig Verständnis. Sie meinten, dass nur geschäftstüchtige Kaufhäuser, und ähnliche Einrichtungen Lichterbäume im Dezember aufstellten, um den Umsatz anzukurbeln. Frau M. und
ich waren aber der Meinung, dass der Baum
auch ein buddhistisches Symbol sein könnte
(Bodhibaum?!) und dass er auch ein Ausdruck
der Verbundenheit mit unseren Familien sei. In
Kalifornien, so erzählte sie mir, stellten selbst
die meisten buddhistischen Geistlichen Lichterbäume in ihren Wohnungen auf, besonders
wenn sie Kinder hätten. Nur ein einziger weigere sich, dies seinen Kindern zuliebe zu tun und
„the Kids are very poor“, weil sie sich im Kreise
ihrer Schul- und Spielgefährten ausgeschlossen
und benachteiligt fühlten. Frau M. beschloß, einen Tannenbaum in ihrer Wohnung aufzustellen, und sie lud mich zu einer kleinen Feier ein.
23
Ich muß gestehen, dass diese buddhistische
„Weihnachtsfeier“ in einem buddhistischen
Land eine der eindrucksvollsten meines Lebens
war.
Die „Heilige Nacht“ war im Dezember
Als das herausragendste Ereignis der buddhistischen Heilsgeschichte erscheint uns die „Nacht
der Erleuchtung“ Shakyamunis, in der der Tathagata den Weg, der zur Überwindung des Leidensprozesses (samsara) führt, klar erkannte
und allen Verführungskünsten und Kniffen Maras widerstand. Wir wissen nicht genau, wann
diese Nacht war, und es dürfte selbst für akademisch geschulte Indologen und Buddhologen
schwierig sein, ein Datum festzulegen. Aber
während man in der Welt des südlichen
Buddhismus dieses Ereignis im Monat Mai (Vesak) feiert, wird der „Nacht der Erleuchtung“ im
nördlichen Buddhisnus Japans, Chinas und Koreas am 8. Dezember gedacht. Das ist religionspsychologisch nur zu verständlich. In der Winterkälte
und
Dunkelheit
nördlicher
Breitengrade, in der alle Wachstumsprozesse
zum Stillstand gekommen sind, erscheint das alles durchstrahlende Licht der Erleuchtung, das
letztlich auch den Sieg über die Finsternis des
Geistes und die Materie symbolisiert, im Dezember zu feiern angebrachter als in südlichen
Gefilden, wo üppiges Wachstum das ganze Jahr
über das Auge erfreut.
In vielen Tempeln Japans versammeln sich am
Abend des 8. Dezember die Gemeindemitglieder zur „Bodhitagsfeier“ und es ist ungemein
eindrucksvoll, wenn dutzende oder gar hunderte
Menschen, jeder eine brennende Kerze tragend,
in die kalte Winternacht hinausschreiten. Man
gedenkt auch der Armen und Mittellosen und
bereitet ihnen eine kleine Bodhitagsfreude mit
Gaben und Geschenken. Ich hatte Gelegenheit,
einer solchen Bodhitagsfeier am 8. Dezember
1968 im Yamatoji-Tempel in Kyoto beizuwohnen. Sie wird mir immer unvergessen bleiben.
Der elfte Monat – der Monat des
„Buddhas des unermesslichen Lichts“
„Eine geliebte Persönlichkeit verbreitet goldenen Glanz über das Winterdunkel des elften
Monats“, so beginnen Juliet Bredon und Igor
Mitrophanow in ihren Standartwerk über chinesische Kultur „DAS MONDJAHR“ und sie fah-
24
ren fort: „das ist der Buddha Amitabha, der
volkstümlichste Buddha in China. Er thront in
den Tempeln zwischen zwei dienenden Bodhisattvas. Diese, kaum weniger glorreich als er,
sind Ta Shih Chih, der „Mächtigste“, und Avalokiteshvara, die chinesische Kuan Yin (japanisch: Kannon) und diese beiden sind Führer
und Schützer der Menschheit, die über den gefährlichen Ozean des Lebens und des Todes
reist. Amida, „der Geliebte“, war einst ein reicher und mächtiger König, der seine Mitmenschen so liebte, dass er seinem Thron entsagte
und ein Asket wurde, wodurch er vor den Augen
Gautamas die Buddhanatur erlangte. Bei dieser
Gelegenheit tat er eine ganze Reihe von Gelübden, „wodurch er es auf sich nahm, ein himmlisches Reich von vollendeter Seligkeit zu errichten, in dem alle lebenden Geschöpfe ein
unendlich langes Dasein in einem Zustand
höchster Glückseligkeit, höchster Sündenlosigkeit und höchster Weisheit genießen können.“
Der elfte Monat des chinesisch-ostasiatischen
Mondkalenders ist der zwölfte Monat (Dezember) unseres abendländischen Kalenders. Er ist
der Monat Amida-Buddhas, des „Buddhas des
unendlichen Lichtes.“
Das Baumsymbol
In vielen Kulturen der Welt nimmt der Baum innerhalb der religiösen Denk- und Vorstellungswelt einen dominierenden Platz ein: Von
den „Schamanenbäumen“ nordeuroasiatischer
Völkerschaften und den „Totempfählen“ nordwestamerikanischer Indianer über die Esche
Yggdrasil der nordgermanischen Saga bis zum
„Kreuzesbaum“ Christi. Der Baum symbolisiert
Aufstieg und Entfaltung, er ist ein Bindeglied
zwischen der säkular-humanen und der sakralen
Welt. Es ist daher sicher kein Zufall, dass auch
in der ältesten Weltreligion, dem Buddhismus,
ein Baum einen zentralen Standpunkt hat: Es ist
der Bodhi-Baum, der „Baum der Erleuchtung“,
unter dem Shakyamuni, der Weise aus dem Sakya-Geschlecht, in der „Heiligen Nacht“ des
Buddhismus die Erleuchtung (bodhi) fand. Botanisch betrachtet handelt es sich bei dem Bodhi-Baum um ein Gewächs der subtropischen
Pflanzenwelt Indiens – der indische Feigenbaum (lat.: ficus religiosa).
Der Bodhibaum ist also ein Kind südlicher subtropischer Vegetation. Er würde in unserem raumajjhima patipada 1 - 2009
en, nördlichen Klima gar nicht gedeihen, es sei
denn in Gewächshäusern. Er bietet sich also
nicht als „Lichterbaum“ in den Heimen europäischer und nordamerikanischer Buddhisten an.
Im Gegensatz zu oft verbreiteten Meinungen ist
der Weihnachts- oder Lichterbaum kein genuin
christliches
Symbol.
Kulturgeschichtlich
betrachtet soll der Brauch, beleuchtete Tannenbäume aufzustellen, im Elsaß (Alsace), einer alten Kulturlandschaft an der deutsch-französischen Grenze, entstanden sein. Das war im 18.
Jahrhundert. Um 1820 tauchten die ersten
„Lichterbäume“ am Wiener Kaiserhof und in
den Häusern der Aristokratie auf, von wo dieser
Brauch bald in die Bürgerhäuser übernommen
wurde. In England war es Prinz Albert von
Sachsen-Coburg, der deutsche Gemahl Königin
Viktorias (1837 – 1901), der diesen Brauch aus
seiner deutschen Heimat am britischen Königshof einführte. Noch vor wenigen Jahrzehnten
wurde in einigen Ländern des südlichen römischen Katholizismus der Brauch, zu Weihnach-
ten geschmückte Tannen- oder Fichtenbäume
aufzustellen, als „heidnisch“ verdammt, ein Beweis mehr, dass es sich bei diesem Brauch um
keingenuin christliches Brauchtum handelt.
Nachwort
Ich sehe heute keinen ernsthaften Grund, warum
nicht auch westliche Buddhisten im Monat
Dezember Tannen- oder Fichtenbäumchen aufstellen, sie schmücken und beleuchten und als
ein Symbol der Erleuchtung ihres Religionsstifters Shakyamuni Buddha betrachten sollen, der
in einer Winternacht des Monats Dezember das
„Licht der Erkenntnis“ zu den Menschen, die
guten Willens sind, diesem Licht zu folgen, gebracht hat. Der Monat Dezember ist überdies
der Monat, der von dem „Buddha des Mitleids
und des Erbarmens“ regiert wird und uns daher
moralisch verpflichtet, unseren weniger glücklichen, weniger wohlsituierten Mitmenschen
Wohltaten zu erweisen.
Auch in der atomaren Welt gilt immer noch das Prinzip der
Kausalität, nach dem jede Wirkung eine ihr zeitlich vorausgehende Ursache haben muß, aber diese Beziehung besteht nicht
mehr in dem Sinne, daß eine bestimmte Ursache eine ganz bestimmte Wirkung zur Folge hat, wie dies die klassische Physik
beschreibt. Die Welt ist also nicht mehr ein großes mechanisches Uhrwerk, das unbeinflußbar und in allen Details festgelegt, nach strengen Naturgesetzen abläuft – eine Vorstellung,
wie sie sich den Physikern des 19. Jahrhunderts als natürliche
Folge der klassischen Kausalität aufdrängte und sie dazu verleitete, jegliche Transzendenz als subjektive Täuschung zu betrachten.
Hans-Peter Dürr (Langjähriger Direktor des
Max-Planck-Instituts für Physik)
majjhima patipada 1 - 2009
25
Was macht eine „Weih“-nacht aus?
von Santhutto
Liebe Leser, wir möchten besser nicht fragen,
wie viele so genannte Weihnachtsfeiern Sie besuchen durften oder gar mussten. Besser, wir
fragen auch nicht, wie lange Sie benötigten, um
so genannte Weihnachtsgeschenke zu beschaffen. Aber was wir fragen wollen ist folgendes:
„Was verstehen Sie unter Weihnachten?“
Um die Frage etwas zu präzisieren: „Was bedeutet Ihnen Weihnacht“? Besser noch: „Was verstehen Sie unter einer Weihnacht?“
In unserem Kulturkreis ist es üblich, unter dem
Begriff „Weihnachten“ das Fest der Geburt des
Jesus Christus zu verstehen. Bitte nehmen Sie
diesen jetzt folgenden Versuch einer Interpretation nicht übel auf. Wir versuchen hier einmal
ein wenig nüchtern, pragmatisch, religionsfrei,
also Glaubens-frei diesen Begriff zu beleuchten.
Weih-Nacht. Hm. Was eine Nacht ist, das wissen wir wohl alle. Dazu bedarf es wohl kaum einer Erklärung. Eine Zeile eines Verses aus dem
Dhammapada sei hier jedoch erlaubt: „Lang ist
dem Wartenden die Nacht.“
Oh ja. Warten an sich ist schon meist unangenehm, aber in der Nacht...
etwas durch gottesdienstliche Handlungen segnen, feierlich in kirchlichen Gebrauch nehmen;
jemandem etwas widmen, stiften; sich einer Sache verschreiben; sich für etwas opfern; sein Leben, sein Werk jemandem weihen usw.
Wenn wir nun über diese bloßen Worte ein wenig nachdenken, und uns dann ansehen, was in
unserer Gesellschaft nun tatsächlich geschieht,
hm, dann gewinnt der Eindruck stark an Tiefe,
Kraft und Nachhaltigkeit, dass da etwas gewaltig schief geht. WAS da wohl schief geht, das
mögen Sie für sich selber entscheiden. Wir
möchten hier nur ein wenig Denkanstoß bis hin
zu alternativen Möglichkeiten anbieten.
Viele von uns wissen, dass das ursprüngliche
Weihnachten am 6. Januar statt fand, aber im 4.
Jahrhundert auf den 25. Dezember verlegt wurde. Wie man so etwas macht, fragen Sie bitte
nicht mich. Merkwürdig ist es allerdings, wenn
gewisse Termine nachträglich angepasst werden. Eine solche Vorgehensweise lässt Vertrauen eher schwinden als wachsen. Es macht eine
Sache fragwürdig, angreifbar.
Segen, Einsegnung, gottesdienstliche Handlung, mit der eine Person oder Sache für den
Kult bestimmt wird, wobei ersterer bestimmte
Rechte übertragen werden; Heiligung; Einweihung, feierliches In-Gebrauch-nehmen; Feierlichkeit, feierliche Stimmung
Es gibt aber ein Datum, eine wahrhaft denkwürdige Nacht, die die gesamte Menschheit zutiefst
bewegen sollte. Man streitet sich zwar auch in
diesem Fall um das exakte Datum, aber nicht um
den genauen Tag (Nacht). Es handelt sich um
die Vollmondnacht im Mai vor über 2600 Jahren. Da wurde zwar kein Heilskünder geboren,
sondern da fand etwas statt, da passierte etwas,
was wahrlich nicht alle Tage vorkommt: Ein
Mensch entdeckte einen Ausweg aus dem
Kreislauf von Geburt, Altern, Krankheit und
Tod. Allgemeinhin wird dies als Erleuchtung
bezeichnet. Erwachen wäre ein etwas treffenderer Ausdruck dafür. Erwachen wovon? Ein Erwachen aus dem Traum, dass es etwas gäbe, was
beständig, unveränderlich ist, dass es etwas
gäbe, was vollkommen ist, leidfrei, und, dass es
etwas gäbe wie einen Kern, ein Selbst, ein Ich,
eine Seele. Was in dieser Nacht vorging, das
wird uns folgendermaßen überliefert: (Zitat aus
M85, 32 bis 42, gerafft)
Das Verb „weihen“ ergibt eine treffendere Ausbeute:
„Als mein Geist nach dem Erreichen der vier
Versenkungen derart geläutert, makellos und
Die Nacht wird umschrieben und assoziiert mit
Finsternis und Kälte. Das Nachtleben lieben die
lichtscheuen Elemente. Nachts geschehen so
manche schlimme Sachen. Nun, wir wollen
nicht bestreiten, dass in manchen Beziehungen
des nachts auch Dinge geschehen, die als äußerst angenehm empfunden werden. Diese
möchten wir heute mal (ausnahmsweise?) beiseite lassen.
Was ist aber unter „Weihe“ zu verstehen?
Im Wörterbuch finden wir folgende Erklärung:
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majjhima patipada 1 - 2009
klar war, richtete ich ihn auf das Wissen von der
Erinnerung an frühere Existenzen. Dies war das
erste wahre Wissen, welches ich erlangte. Dann
richtete ich meinen klaren Geist auf das Wissen
vom Ableben und Wiedererscheinen der Wesen.
Ich verstand, wie die Wesen ihren Handlungen
gemäß weiterwandern. Dies war das zweite
wahre Wissen, welches ich in dieser Nacht erlangte. Dann richtete ich meinen derart konzentrierten Geist auf das Wissen vom Auslöschen
der Triebe. Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend ‘Dies ist das Leiden’,
‘Dies ist der Ursprung des Leidens’, ‘Dies ist
das Aufhören des Leidens’ und ‘Dies ist der
Weg, der zum Aufhören des Leidens führt’.
‘Dies sind die Triebe, die Ursache der Triebe,
das Aufhören der Triebe und der Weg, der zum
Aufhören der Triebe führt.’ Als ich dies erkannte wurde mein Geist von den Trieben frei. Als er
befreit war, kam das Wissen ‘Er ist befreit’. Ich
erkannte unmittelbar ‘Geburt ist zuende gebracht, das heilige Leben ist gelebt, es ist getan,
was getan werden musste, darüber hinaus gibt es
nichts mehr.’ Dies war das dritte wahre Wissen,
das ich in dieser Nacht erlangte.“
Da ist nicht ein neuer, anderer Heilsbringer oder
-verkünder geboren, sondern da ist tatsächlich
etwas passiert, etwas Bahn brechendes geschehen. Was kann schon ein neu geborenes Wesen
so besonderes sein? Wie empfindlich, wie verletzlich ist ein gerade geborenes Wesen. Nein,
nicht die Geburt eines Wesens ist das entscheidende, entscheidend ist, was dieses Wesen bewirkt! Und bei seiner Geburt ist wahrscheinlich
noch nicht allzuviel bemerkenswertes bewirkt,
außer eben dass dieses Wesen als Mensch geboren wurde. Was sich da so in diversen Religionen an Geschichten um Geburten ranken, sei
hier nicht das Thema. Wir möchten das Hauptaugenmerk auf ein nächtliches Geschehen lenken, welches, wie bereits gesagt, tatsächlich und
unwiderruflich statt gefunden hat.
Doch zurück zu Geburt. Alle Religionsstifter
sind geboren. Falls bekannt, werden wohl auch
all deren Geburtstage feierlich begangen. Um es
nicht ausufern zu lassen, bleiben wir mal hier
bei den beiden uns am nächsten liegenden Religionen: das Christentum und der Buddhismus.
Beides gab es zu Lebzeiten der Gründer nicht.
Zumindest nicht in der Form, wie wir es jetzt
kennen. Weder hat der Jesus ein -tum gelehrt,
noch der Buddha einen -ismus. Dass beide
majjhima patipada 1 - 2009
sterbliche Menschen waren, wurde und wird immer wieder versucht zu mystifizieren. Lassen
wir es dabei. Es gibt ausreichend harte Tatsachen, die belegen, dass der Buddha eine historisch tatsächlich gelebt habende Person war.
Beim Christus sieht es nicht ganz so deutlich
aus, aber das mag heute ebenfalls nicht das Thema sein.
Die Geburt also ist, um es zu wiederholen, nicht
das eigentlich weihevolle. Was als Wunder der
Natur gepriesen wird, ist ganz einfach das
Ins-Dasein-treten eines Wesens. Verursacht
durch gewisse Bedingungen. Daran ist nichts
mystisches zu finden. Warum also derart aufschäumen? Wie sehr ist dieses Weihnachten in
unserem Kulturkreis zur bloßen Kaufrausch-Farce entartet?
Aber auch auf buddhistischer Seite machen sich
solche Zeichen sichtbar. An dem Ort von
Siddhârtha Gautamas Geburt werden viele -zig
Meter lange Schnüre mit bunten Fähnchen aufgehangen, ganze Tuchbahnen verhüllen den Anblick einer Sandsteinsäule, die einige Jahre nach
dem Tod des Buddha ein Herrscher hat aufstellen lassen, nachdem er diesen Platz besuchte.
Räucherwerk wird an diesem Ort verbrannt,
Kerzen und Öllampen blaken. Menschenmassen
reisen hin, umrunden den Tempel, rezitieren
Verse und so weiter. Und wozu das alles? Um
ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Auch
habe ich mich nicht getraut diese Menschen direkt danach zu fragen.
Dass der Buddha selber gesagt hat, dass es vier
Stätten gibt, die man in Gedenken an ihn besuchen möge, das ist uns überliefert. Aber dass er
gelehrt haben soll, es sei gut, bunte Fähnchen
aufzuhängen, dort Rezitationen abzuhalten,
Kerzen und Räucherwerk anzuzünden, das ist
nicht nachvollziehbar. Zugegeben, es ist auf
eine gewisse Art schon inspirierend, an den Orten zu weilen, an denen der Buddha höchstselbst
gewesen ist. Aber was weitaus wichtiger ist, jedenfalls meiner unmaßgeblichen Meinung nach,
ist, dass man das praktiziert, was uns als Lehre
überliefert geblieben ist.
Zugegeben: irgendwie ist da schon Glauben mit
im Spiel. Aber wer von uns war da schon mit dabei? Wer war Zeuge? Können wir uns auf die
Überlieferungen verlassen? Die Lehrreden wurden erst nach dem Tod des Buddha aufgeschrieben. Was dann weg gelassen oder hinzu gefügt
27
Tempel in Myanmar
28
majjhima patipada 1 - 2009
wurde, das ist ziemlich schwer festzustellen.
Aber wie auch immer man es dreht und wendet,
eines bleibt sicher: durch die Praxis eben jener
Lehre ist es möglich, die so genannte Befreiung,
Erleuchtung oder eben das Erwachen selber zu
realisieren. Da ist nun kein Platz mehr für Glauben oder Spekulationen. Auch steht es jedem
frei zu praktizieren oder eben nicht.
Kehren wir aber zum nächtlichen Erleben zurück.
Die Essenz noch einmal zur Erinnerung: im ersten Teil der Nacht also Praxis der vier Vertiefungen mit dem Ergebnis der Rückerinnerung an eigene frühere Existenzen; im zweiten Teil der
Nacht dann das Überschauen der Existenzen aller Wesen, also in Abhängigkeit vom jeweiligen
Karma; und im dritten Teil der Nacht dann das
Erkennen der Vier Edlen Wahrheiten (Dukkha,
Entstehung von Dukkha, Aufhören von Dukkha
und der Weg der zum Aufhören von Dukkha
führt).
Äußerst bemerkenswert auch die sich jeweils
wiederholenden Worte: „Unwissenheit war vertrieben und wahres Wissen erschien; Dunkelheit
war vertrieben und Licht erschien, wie es einem
geschieht, der umsichtig, eifrig und entschlossen lebt“.
Es liegt nahe, hier die Ursache zu suchen, woher
der Begriff „Erleuchtung“ stammt. Wichtig aber
auch, dass nicht da steht, „Ich habe gefunden“
oder ähnliches, sondern unpersönliche Aussagen bis hin zum Hinweis „...wie es einem geschieht, der umsichtig, eifrig und entschlossen
lebt“. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch
andere Menschen, eben jene, die sich entsprechend bemühen, jene Erfahrung machen können! Das ist ganz wichtig! Der Buddha erhebt in
keinster Weise einen Alleinanspruch auf
was-auch-immer! Kein Wort davon, dass man
ihm nachfolgen soll oder an ihn glauben. Nein,
ganz pragmatisch, eigentlich recht nüchtern die
Aussage, dass es einem geschieht. Also kein Ort
an den man hin gelangen könne, kein Zustand,
den man erreicht, kein Ding, keine Wesensveränderung, nichts Mystisches, Verklärtes, Geheimnisvolles – einfach „nur“ ein Geschehen.
Nicht soll hier der Anschein geweckt werden,
dass der Buddha ein ausgesprochener Nachtmensch war, nein, aber er lehnte übermäßigen
Schlaf genau so ab wie übermäßiges Essen. Im
Dhammapada-Vers Nr. 157 empfiehlt er ein
majjhima patipada 1 - 2009
Drittel der Nacht wach und klar bewusst zu verbringen. Wir müssen also nicht nächtelang wach
bleiben, um Fortschritte in unserer Praxis zu erlangen, wie es in einer gewissen Spielart der
Tradition gepflegt wird. Der Buddha lehrte
deutlich den Mittleren Weg. Meiner Meinung
nach ist Verzicht auf Schlaf nicht gerade dem
Mittleren Weg zuzurechnen.
Kommen wir nun zu einer zweiten bedeutungsvollen Nacht: (gerafft aus Mahâvagga 1)
Der Erhabene weilte am Fuß des Bodhi-Baumes
gerade eben vollkommen erwacht. Am Beginn
des ersten Nachtabschnittes durchdachte der Erhabene im Geiste vorwärts und rückwärts die
Kette des bedingten Entstehens (Es entsteht in
Abhängigkeit von ... Durch die restlose Auflösung und Vernichtung der Unwissenheit lösen
sich auf ... Als der Erhabene diesen Sachverhalt
erkannt hatte, sprach er diesen Satz: „Wenn bei
einem Eifrigen, Meditierenden, Edlen, wirklich
die Wahrheit entsteht, dann schwinden ihm die
Zweifel alle, denn er erkennt die Ursächlichkeit
der Dinge.“
Dann im mittleren Abschnitt der Nacht durchdachte der Erhabene im Geiste vorwärts und
rückwärts die Kette des bedingten Entstehens
noch einmal. Als nun der Erhabene diesen Sachverhalt erkannt hatte, sprach er diesen Satz:
„Wenn bei einem Eifrigen, Meditierenden, Edlen, wirklich die Wahrheit entsteht, dann
schwinden ihm die Zweifel alle, denn er wird
vertraut mit der Bedingtheit der Vergänglichkeit.“
Dann im letzten Abschnitt der Nacht durchdachte der Erhabene im Geiste vorwärts und rückwärts noch einmal die Kette des bedingten Entstehens. Dann sprach der Erhabene diesen Satz:
„Wenn bei einem Eifrigen, Meditierenden, Edlen, wirklich die Wahrheit entsteht, dann steht er
da, die Heere des Todes vernichtend, wie die
Sonne den Himmel erleuchtend.“
Was fällt uns im Unterschied zur Nacht der Erleuchtung auf?
Drei Mal wird die Kette des bedingt abhängigen
Entstehens durchdacht. Aber drei verschiedene
Verse werden dann gesprochen. Hier ein wichtiger Hinweis an alle, die gerne auf Details achten: Diese drei Verse sind die ersten Worte, die
der nunmehrige Buddha aussprach. Bitte reflek-
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tieren Sie bei Gelegenheit mal ein wenig darüber.
Wenn Sie sich nun vergleichsweise bei und /
oder in anderen Religionen und Weltanschauungen umsehen, dann dürfte es schwer fallen, derart tief schürfende Erkenntnisse, die auch noch
nachvollziehbar sind, zu finden.
DAS ist es, was unserer Meinung nach tatsächlich eine Weihe-Nacht ausmacht. Nicht die salbungsvollen Sprüche und / oder anrührenden
Gesänge, die man derzeit zu hören bekommt.
Ein Fest der Freude? Die Melodien der meisten
Weihnachtslieder lassen eher Weh- und Schwermut aufkommen. Die Selbstmordrate ist um
Weihnachten herum seltsamerweise am höchsten. Aus Freude hat sich wohl kaum jemand das
Leben genommen. Aber schauen wir nicht auf
andere, betrachten wir zuerst mal uns selber. Damit ist schon viel gewonnen. Suchen wir Ursachen nicht länger außen, sondern in uns selber.
Versuchen wir zu verstehen, zu erkennen, was
unser Dasein ist: nämlich bedingt entstanden,
unzulänglich und ohne Substanz. Hier nun haken die Pessimisten ein, die nicht verstanden haben, dass es einen Ausweg gibt. Einen nachvollziehbaren Weg. Eben jene Lehre, die uns
überliefert ist.
Der Buddha hat sich dieser Sache „geweiht“, hat
45 Jahre lang eben jene entdeckte Gesetzmäßigkeit gelehrt. Viele Menschen, früher und eben
auch heute noch, sind dieser Lehre gefolgt, folgen ihr, haben ihre Lebenszeit dieser Lehre geweiht. Dazu bedarf es keines öffentlichen Gelöbnisses, keiner Amtshandlung, keiner Kirche.
Nein. Man kann hier und jetzt sich dazu entschließen, das, was uns der Buddha aufzeigte zu
praktizieren. Hier und jetzt ist es eben möglich,
bei rechter Gesinnung, rechtem Denken, rechter
Rede, rechtem Handeln, rechtem Lebenserwerb,
rechter Anstrengung, rechter Achtsamkeit und
rechter Konzentration das zu realisieren, was
der Buddha erreichte: endgültige Leidfreiheit.
Endlich Schluss mit allem Unzulänglichem.
Schauen wir noch auf den Spruch „Stille Nacht heilige Nacht“
Gerade für Buddhisten wahrhaft bedeutungsvoll. Warum wohl? Weil hier ein Bezug zur Praxis hergestellt werden kann. Weihnachten ist für
die meisten von uns verbunden mit viel Freizeit,
Gelegenheit zur intensiveren Praxis. Nutzen wir
dies! Ist nun während unserer Meditation endlich Stille im Geist geworden, so können wir tatsächlich von einer stillen Nacht sprechen. Sollte
es uns aber gelingen, mittels dieser Geistesruhe
in dieser stillen Nacht den Durchbruch zu den
existenziellen Erkenntnissen zu schaffen, so haben wir aus der stillen Nacht eine wahrhaft heilige Nacht gemacht. Nicht die Geburt eines Wesens macht demnach eine Nacht heilig, sondern
was in der Nacht bewirkt wird. Zum eigenen
Wohl, zu anderer Wohl, zu beiderseitigem Wohl.
Heilig sollte hier mit heilsam, mit geistiger Genesung verstanden werden. Und das ist wahrlich
nicht nur für einen selber gut.
Die Lehre ist wohl verkündet,
die einleuchtend ist,
zeitlos gültig,
die einlädt: ‘Komm und sieh selbst!’,
die zum Ziel führt
und den Weisen jedem für sich
verständlich ist.
Praktizieren Sie! Meditieren Sie! Machen Sie
etwas aus dieser Nacht!
Machen Sie diese Nacht heilig!
Ist denn die Nacht schon vorüber?
Wir haben doch eben erst die Augen
zu den Kirschblüten erhoben.
Willst du zerreißen, Lebensfaden, so zerreiße.
Matsuo Basho
Silke Rodeck
geb. 23.09.1944
30
gest. 14.11.2008
majjhima patipada 1 - 2009
Weihnachten, buddhistische
von Anagarika Kassapa
Des Jahres längste Nacht ist vorüber,
vorüber der kürzeste Tag.
In mir regt sich Freude, ich weißt nicht, warum,
ist’s, weil so wundersam diese Nacht?
Hab’ keinen Wein und keinen Braten,
dafür war mir zu hoch der Preis.
Ich sitze einsam, doch zufrieden
in meinem Büdchen, meinem Reich.
Drei Buddhas auf meinem Schreine,
sie lächeln erlöst und still;
ein Blätterzweig wirft seine Schatten
zur Wand, bei sanftem Kerzenlicht.
der Mond scheint hinter den Wolken,
die eilig an ihm vorüberzieh’n.
Komm, Freund, lasset uns lauschen
in die nächtliche Stille hinein!
Laßt uns bei des Windes Rauschen
das Todlose ahnen, im Schweigen vereint!
Wind und Wolken, Mond und Sterne,
Ihr Gebilde alle, fahret dahin!
will man keine Gestaltung mehr halten,
wird für Nibbana offen der Sinn.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
„Haus der Stille“ entnommen dem Band „Eine
besondere Kraft“ von Anagarika Kassapa, Roseburger Schriftenreihe.
Da draußen durch die alten Kiefern
singt der Wind sein eintönig Lied;
Weihnachten – in buddhistischer Sicht
von Ajahn Chah
Frage: Unterscheidet sich denn der Buddhismus sehr von anderen Religionen?
Antwort: Es ist die Aufgabe aller wahren Religionen, einschließlich der buddhistischen, den
Menschen zu dem Glück zu verhelfen, das
durch das klare und aufrichtige Erkennen aller
Phänomene entsteht. Jede Religion, Praxis oder
Denkrichtung, die dies vollbringt, kann man,
wenn du willst, Buddhismus nennen. Im Christentum beispielsweise, ist Weihnachten einer
der wichtigsten Feiertage. Eine Gruppe westlicher Mönche entschied sich letztes Jahr,
Weihnachten zu einem besonderen Tag zu machen, mit einer Zeremonie des Schenkens und
der guten Werke. Einige meiner Schüler stellten
dies in Frage und sagten: „Wie können sie Weihnachten feiern, wo sie doch zu buddhistischen
Mönchen ordiniert worden sind? Ist das nicht
ein christlicher Feiertag?“
In meinem Dharmavortrag erklärte ich daraufhin, daß alle Menschen auf der Welt grundsätzlich gleich sind. Bezeichnungen wie Europäer, Thai oder Amerikaner zeigen nur an, wo
ein Mensch geboren wurde oder welche Farbe
majjhima patipada 1 - 2009
sein Haar hat, doch alle haben grundsätzlich die
gleiche Art Körper und Geist; alle gehören zur
selben Menschenfamilie, wurden geboren, altern und sterben. Wenn also Weihnachten für
manche Menschen ein Anlaß ist, sich besonders
darum zu bemühen, für andere Gutes, Freundliches und Hilfreiches zu leisten, so ist das wichtig und wundervoll, egal, welches System man
benutzt, dies zu beschreiben.
Ich habe also den Dorfbewohnern erklärt: „Den
heutigen Tag nennen wir Buddha-Weihnachten.
Solange die Menschen richtig praktizieren,
praktizieren sie Christus-Buddhismus, und alles
ist in Ordnung.“ Ich lehre auf diese Weise, um
den Leuten zu helfen, von ihrem Festhalten an
verschiedenen Konzepten abzulassen und Geschehnisse auf eine geradlinige und natürliche
Art und Weise zu sehen. Was immer uns dazu inspiriert, das Wahre zu sehen und Gutes zu tun,
das ist richtige Praxis. Du magst es nennen, wie
du willst.
Entnommen mit freundlicher Genehmigung des
Theseus-Verlages dem Band „Ein stiller Waldteich“, Herausgeber J. Kornfield und P. Breiter
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Warum ich als Nichtchrist
Weihnachten feiere
von Gerhard Szczesny
Sie haben mir die Frage gestellt, ob und - wenn
ja - wie und warum ich als Nichtchrist das Weihnachtsfest feiere. Nun - ich und meine Familie,
wir feiern es. Und zwar so, wie dieses Fest
wahrscheinlich nicht sehr viel anders auch von
der überwiegenden Zahl der christlichen Familien begangen wird. Wir haben einen Weihnachtsbaum, wir singen Weihnachtslieder, wir
hören die Weihnachtsgeschichte, und die Geschenke für meinen Sohn und meine Tochter
brachte, als beide noch in dem entsprechenden
Alter waren, das Christkind. Die Kinder wurden
auch durchaus nicht daran gehindert, in die nahegelegene Kirche zu gehen, und sie wurden
weder bei dieser Gelegenheit noch überhaupt
„atheistisch unterwiesen“ und in aufklärerische
Skrupel gestürzt.
Nun haben Sie mich aber gewiß nicht deshalb
gebeten, auf die oben zitierte Frage zu antworten, weil Sie vermuten, daß ich am Abend
des 24. Dezember Aphorismen von Friedrich
Nietzsche zur Verlesung bringe oder den 25. Dezember als Tag des Sol Invictus feiere, sondern
weil Sie wissen wollen, was sich ein „Ungläubiger“, der keinen Anlaß sieht, seinen „Unglauben“ zu verbergen, dabei denkt, wenn er die Geschichte von dem Kind in der Krippe und den
Hirten auf dem Felde für sich in Anspruch
nimmt. Ist es womöglich gar nicht so weit her
mit seiner Forderung nach „Konsequenz“ und
„Redlichkeit“? Oder gehört er vielleicht zu jenen Ungläubigen, die es nur nicht wahrhaben
wollen, daß sie gläubig und auf den christlichen
Glauben angewiesen sind?
Damit wir uns also nicht von vornherein mißverstehen: Ich bedaure die am Ende unheilvolle
Inkonsequenz jener Zeitgenossen, die sich ihrer
Un- und Andersgläubigkeit wohlbewußt, dennoch zu träge sind, ihren Kirchenaustritt zu erklären. Aber, ich bin zugleich auch entschiedener Gegner eines Nonkonformismus, der mich
dazu zwingen will, mit der Kultur, in die ich hineingeboren und hineingewachsen bin, zu brechen, damit irgendeinem rigoristischen Prinzip
Genüge getan wird.
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Der Mensch bedarf, um menschlich unter Menschen zu leben, des Einbezogenseins in gemeinsam übernommene Vorstellungs- und Verhaltensweisen. Jeder Versuch, die Zukunft
vorwegzunehmen und eine radikale und totale
„Entscheidung“ herbeizuführen, zerstört das
vielädrige und empfindliche Gewebe der zwischenmenschlichen Beziehungen. Ein humaner
Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung ist
nur gewährleistet, wenn der Fortschritt nicht als
eine Folge von revolutionären Zerreißproben,
sondern als ein äußerst komplexer, progressive,
konservative und regressive Tendenzen zugleich enthaltender evolutionärer Prozeß
verstanden wird.
Die „Redlichkeit“ des Nichtchristen in einer
noch weithin von christlichen Konventionen zusammengehaltenen Welt besteht zunächst in der
Bemühung, sich über Art und Inhalt seiner von
der herrschenden Meinung abweichenden Anschauung Klarheit zu verschaffen. Sie besteht
sodann in der Verpflichtung, sich zu dieser Anschauung zu bekennen; und sie besteht schließlich in der Inanspruchnahme des Rechtes auf
Selbstbestimmung, das die Demokratie allen
Gesinnungsgruppen garantiert.
Gerade die pluralistische Gesellschaft muß nun
aber auch, um nicht auseinander zu fallen, durch
alle Lebensbereiche hindurch für den Bestand
einer optimalen Summe von allgemeinverbindlichen Prinzipien und Gewohnheiten sorgen. Es
versteht sich von selbst, daß eine Vielzahl dieser
Prinzipien und Gewohnheiten in unserer Hemisphäre christlichen Charakter tragen. Aber
auch bei diesen handelt es sich teilweise um vorchristliche Kulturelemente, die mit einem
christlichen Akzent versehen wurden, oder um
nach- und außerchristliche Anschauungen, die
in die Bilder und Begriffe der christlichen Heilslehre eindringen können, indem sie deren Inhalt
wenn nicht „entchristlichen“, so doch ent-dogmatisieren.
In all diesen Fällen besteht für den Nichtchristen
keinerlei Veranlassung, sich in eine antireligiöse
Position zu begeben (oder drängen zu lassen).
majjhima patipada 1 - 2009
Sittliche und soziale Konventionen, deren Inhalt
alle Gruppen anerkennen, müssen nicht deshalb
schon Notbehelf und fauler Kompromiß sein,
weil ihre geschichtlich bedingte Ausprägung
mit dem Namen nur einer Gruppe verbunden ist.
Auch der Sinn der Weihnachtsgeschichte liegt
(um auf den Knaben Horus, den Gott Mithra und
ähnliche Kronzeugen zu verzichten) diesseits
der Grenze, von der ab das Christentum für
Nichtchristen unannehmbar wird.
Die Erzählung von der Geburt des Christkindes
ist die Geschichte einer Verheißung, die der Geburt jedes Kindes innewohnt. Es ist die Geschichte des Staunens, das uns immer wieder ergreift, wenn wir den Menschen im Stande der
Unschuld sehen. Und es ist die Geschichte der
mit jedem „Menschensohn“ aufs neue erwachenden Hoffnung, daß er der Begnadete und
Erwählte ist, der alle Rätsel lösen und von allen
Leiden erlösen wird.
Jesus ist weder der erste noch der letzte Heiland
gewesen. Aber es ist seine Botschaft, die in den
Ländern des Westens seit nunmehr fast zweitausend Jahren verkündet wird. Vom Kaiser Augustus, von Maria und Josef und den himmlischen
Heerscharen wurde uns erzählt, bevor wir lesen
und schreiben konnten. Und da nicht nur die
Kinder Bilder und Gleichnisse nötig haben, um
gewisser Wahrheiten ansichtig zu werden: welchen Sinn soll es haben, gerade auf jene Bilder
und Gleichnisse zu verzichten, die uns am vertrautesten sind?
Was wir nicht annehmen können und nicht annehmen müssen (und was auch - soweit ich sehe
- in der Weihnachtsgläubigkeit eines großen
Teils der Christen keine Rolle spielt), ist das
Dogma von der buchstäblich zu verstehenden
Gottessohnschaft des Nazareners. Wenn dieser
Glaube wirklich die unabdingbare Voraussetzung des Weihnachtsverständnisses wäre, würde das Fest der Geburt Christi nicht das Weihnachtsfest, sondern ein kirchlicher Feiertag
unter anderen kirchlichen Feiertagen sein. Es
wäre nicht das Fest des Friedens und der Versöhnung, sondern eine Kundgebung der „Gläubigen“ gegen die „Ungläubigen“. Die
Weihnachtszeit hat ihren universalen Zauber
nur entfalten können, weil es den Theologen
nicht gelungen ist, daraus eine Prinzipienfrage
zu machen.
Ich weiß (und ich begreife), daß dies für den
rechtgläubigen Christen ein Ärgernis ist. Aber
ich möchte nun meinerseits mit einer Frage
schließen: Was wäre gewonnen, wenn Leben
und Zeugnis des Mannes aus Nazareth der Verehrung, dem Verständnis und der Zuneigung der
Nicht-Christen für immer entzogen werden
könnten?
Es wäre nicht nur nichts gewonnen, sondern viel
verloren.
Der Beitrag wurde im Dezember 1958 in der
Wochenzeitschrift „Die Zeit“· erstmalig
gedruckt.
Bei Kurzschluss
Am Heiligen Abend löste eine verirrte Maus
im Elektrizitätswerk einen Kurzschluss aus.
Lichter und Kerzen erloschen, Millionen Watt,
plötzlich alles dunkel und still in der Stadt.
Da auch die Radio- und Fernsehgeräte nicht gingen,
musste man “O du fröhliche” selber singen.
D. theol. Rösch musste, ähnlich den Propheten,
anstatt vom Blatt aus dem Herzen reden,
und irgendwo entzündete jemand ein Kerzenlicht
und sagte zu seinem Kind: “Fürchte dich nicht!”
Otto-Heinrich Kühner
majjhima patipada 1 - 2009
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Schild(er)-Bürger
Sicherlich haben auch Sie es schon oft bei der
Durchfahrt durch fremde Ortschaften mit
Erstaunen festgestellt: Am Ortseingang machten zwei Blechschilder, einträchtig auf einem
gemeinsamen Gerüst montiert, auf evangelischen Gottesdienst und katholische Heilige
Messe aufmerksam, unter Angabe der sonntäglichen Veranstaltungszeiten. Es sind wohl Zweifel erlaubt, ob so aus dem Verkehrsstrom einer
Bundesstraße gelegentlich der religiösen Einkehr bedürftige Seelen herausgefiltert und ins
jeweilige Gotteshaus geleitet werden können.
Ortsansässige benötigen solche Tafeln sowieso
nicht. Ob der brave Schilderproporz früher mal
einen Sinn hatte, sei dahingestellt – heute jedoch
im Zeitalter digitaler Informationsmöglichkeiten vergrößert er nur unnötig den Schilderwald.
Zeit also, an einen Abbau der religiösen Hinweisschilder zu denken? Keineswegs. Im Gegenteil: Mit deutscher Gründlichkeit geht das
„Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung“ daran, die Beschilderungen
politisch korrekt an die vermeintlichen Bedürfnisse unserer Multikulti-Gesellschaft anzupassen. Die bisherige amtliche Richtlinie, die sich
bei der Aufstellung von Hinweisschildern nur
auf Veranstaltungen der evangelischen und der
katholischen Kirche bezog, wird dahingehend
ergänzt, dass sie auch alle sonstigen Kirchen
und sonstigen Religionsgemeinschaften umfasst, „soweit diese nicht bekanntermaßen oder
erkennbar verfassungsfeindlich sind“. Damit, so
heißt es, werde den Grundrechten auf Gleichbehandlung und Glaubensfreiheit Rechnung getragen.
Statt den Schilderwald zu lichten, werden ihm
also weitere (eventuell juristisch schwer abzugrenzende) Elemente auch für andere Straßen
als Bundesstraßen zugefügt. Hierüber könnte
man kopfschüttelnd zur Tagesordnung überge„Zu viele Schilder lenken ab. Die Autofahrer
sind irritiert oder ärgern sich, vor allem,
wenn die Schilder nutzlose Informationen
enthalten. Ich will, dass es übersichtlicher
wird, damit die Fahrer sich mehr auf die Straße konzentrieren.“
Verkehrsminister Tiefensee
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hen, wenn nicht buddhistischer Aktivismus zu
weiterer Stellungnahme herausforderte. Denn
erfreut begrüßte die Deutsche Buddhistische
Union (DBU) die neue Regelung, da mit ihr
endlich auch für buddhistische Gemeinschaften
dem Grundrecht auf Gleichbehandlung und
Glaubensfreiheit Rechnung getragen werde.
Die Buddhisten verankern sich im abendländischen Wertesystem – wie schön.
Natürlich wird niemand den Buddhistenvertretern ein unbuddhistisches Habenwollen, gar
eine Gier auf Teilnahme an den Vergünstigungen bei der Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraums zu Werbezwecken, unterstellen wollen. Doch sei gefragt, ob sie nicht in ihrer
Eigenschaft als Bürger und Verkehrsteilnehmer
dem Schildbürgerstreich einer Ausweitung religiöser Beschilderungen hätten widersprechen
sollen. Nicht mehr, sondern gar keine Schilder
hätte die Lösung sein sollen, denn den Religionsgemeinschaften braucht keine Sonderstellung in unserem säkularen Staat eingeräumt zu
werden. Wenn keine Religionsgemeinschaft öffentlichen Straßenraum für Hinweiszwecke nutzen darf, ist auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.
Buddhistische Beschilderungen werden sich
wohl bundesweit in bescheidenem Rahmen halten. Dagegen wird eine bisher ausgeschlossene
monotheistische Religion von der neuen Freiheit sicherlich optimal Gebrauch machen, hat
sie doch inzwischen in fast allen Orten ihre Gemeinden und Moscheen.
Axel Rodeck
majjhima patipada 1 - 2009
Für Sie gelesen – Lesenswertes aus anderen Zeitschriften
Wie bei uns wurde auch in Hamburg das Thema
„Karma“ diskutiert, was zu mehreren diesbezüglichen, den Schwerpunkt von Heft 4/2008 der
„Buddhistischen Monatsblätter“ bildenden Beiträgen und Zitatstellen führte. Hervorzuheben ist
davon die Ausarbeitung von Marianne Wachs mit
der Feststellung, „dass es im gegenwärtigen Leben
der Menschen noch andere wirksame Kräfte gibt
außer dem Karma.“ Unangenehme Geschehnisse
können folglich auch, so führt M. Wachs aus, auf
dem Wirken etwa des Klimas und sogar auf dem
Zufall beruhen – eine erfreuliche Bestätigung der
auch in unseren Heften (2 und 3 2008) gemachten
Aussagen.
Interessant ist der Hinweis, dass Buddha Gautama
nie von „Volkskarma“ oder „Gruppenkarma“ geredet hat, da es immer die einzelne Person ist, um
deren unheilsames Verhalten es geht. Die Vorstellung von „Volkskarma“, so M. Wachs, kam erst
mit Madame Blavatsky und der Theosophie zur
Blüte. Jedenfalls ist die derartige leidvolle Situation der Tibeter nicht „karmisch“ bedingt.
———————————————
Offenbar besteht nach wie vor großes Interesse an
sind – und ob epileptische Anfälle religiöses Erleben auslösen können.
Religion(en), die Zeitschrift „GEO kompakt“ hat
daher ihr Heft Nr. 16 dem Thema „Glaube und ReEs bedarf dann jedoch eines Artikels aus dem
ligion“ gewidmet. Eine Fülle von Beiträgen gibt
Fachbereich eines furchtlosen Professors für Ishierzu sowie zu wissenschaftlichen Themen neutlamkunde, um eine wohl der „politischen Korrektrale, auch ohne Fachkenntnisse verständliche Beheit“ widersprechende Aussage zu machen: Der
richte, so dass dem interessierten Leser wohl stets
Prophet Mohammed hat (wie andere Propheten
ein gutes Grundlagenwissen verschafft wird. Von
auch?) an Epilepsie gelitten und während eines
dem auf 155 mit reichhaltigem Bildmaterial versesolchen Anfalls, so sein Biograph Ibn Ishaq, ist
henen Seiten gebotenen Lesestoff können nur eiihm der Erzengel Gabriel erschienen.
nige Aufsätze herausgegriffen werden:
Was der Glaube für den Einzelnen bedeutet, zeigen mehrere Interviews mit Atheisten, AgnostiEine anschauliche Einführung bietet die Schildekern und Gläubigen. Die höchst subjektiven Ausrung „Wie der Glaube in die Welt kam“, also wie
sagen „Warum ich glaube“ und „warum ich nicht
der Weg von primitiver Ahnenverehrung bis zum
glaube“ werden kommentarlos einander gegenGlauben an einen Schöpfergott verlief. Für wisüber gestellt.
senschaftlich Interessierte setzt sich dieses Thema
fort mit der Frage, ob es „eine Antenne zu Gott“
gibt: Forscher prüfen, ob Menschen spezielle
Hirnstrukturen für spirituelle Erfahrungen besitzen, wie die Zustände des Gehirns bei Meditation
Auf je einer Doppelseite ist die knappe Zusammenfassung sämtlicher großen Religionen vorhanden, so dass (ohne Tiefe) ein guter Überblick
über deren zentrale Lehren gegeben wird.
———————————————
Das Hausblatt der Buddhisten „Buddhismus aktuell“ widmet in Heft 4/2008 sein Titelthema dem
„Geheimnis buddhistischer Kunst“. Die einmalige
Präsentation der „Gandhara“-Kunst in der Bonner
Bundeskunsthalle gibt Anlaß, mit einer Fülle hervorragender Bilder „das buddhistische Erbe Pakistans“ und die Entwicklung einer erzählenden Reliefplastik wiederzugeben. Auch über die vor 1000
Jahren blühende buddhistische Metropole Bagan
in Burma informiert ein mit reichhaltigem Bildmaterial versehener kenntnisreicher Bericht.
Nach diesen insbesondere für Theravada-Buddhisten höchst ansprechenden Beiträgen
geht es weiter mit einem Bericht über einen deutschen (in Hannover geborenen!) Thangka-Maler,
der in Nepal und Indien ausgebildet wurde und in
seiner Malerei den Dharma erkennt.
Völlig anders dagegen die zeitgenössische moderne Kunst in Lhasa unter westlichem und chinesischem Einfluß mit dem Anspruch: „Wir Tibeter
haben das Recht, Kentucky Fried Chicken zu essen!“
Axel Rodeck
majjhima patipada 1 - 2009
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Helmuth Hecker: „Buddha, Heidegger
und die Wahrheit“
Buchrezension von Willfred Hartig
Der theravada-buddhistische Altmeister und Jubilar Hellmuth Hecker (85) legt mit seinem neuesten, knapp 150seitigen Handbuch eine erheblich erweiterte und wesentlich verbesserte
Fassung seiner Heidegger-Würdigung vor, die
im Rahmen von W. Hartigs Arbeit „Die Lehre
Buddhas und Heidegger“ Univ. Konstanz 1997,
Bd. 15 der Reihe „Buddhistischer Modernismus“ , erschien. - Nach kurzer Einleitung gliedert sich die Arbeit in vier Teile: I. Der Denkweg (S. 4-43), II. Die Holzwege (S. 44-55), III.
Der Feldweg: Religion, Gefühl,
Mystik (S. 56-110), IV. Dokumentarischer Anhang (i.-iii.),
Abkürzungen, Literaturhinweise
(S. 111-144):
Teil I. befasst sich v. a. mit der
denkwürdigen Suche nach Entsprechungen zwischen Heideggerschen und buddhistischen
Grundwörtern und Grundbegriffen. Dass bei diesem kühnen, zuvor noch nie gewagten Versuch
verständlicherweise gar manches in der Schwebe bleibt und
es bei Grundwörtern wie z. B.
Bewusstsein, Sein und Wahrheit
noch einer weiteren Vertiefung
bedürfte, darf bei dem schwierigen Terrain nicht verwundern.
Teil II. behandelt die verschiedenen Seitenwege
in Heideggers Denken: 1. den Irr- und Abweg
seines nur 10monatigen Engagements für den
totalitären National-Sozialismus (1933-34); 2.
den - allerdings notwendigen - Umweg über das
Denken Fr. Nietzsches und dessen Lehre von
der ewigen Wiederkunft eines in sich nihilistischen Willens zur Macht und von seiner beginnenden Herrschaft über unseren gesamten Planteten; 3. den denkerischen Ausweg aus einer
sprachlichen Sackgasse, den er im denkenden
Dichten Fr. Hölderlins fand, das ihm ein ganz
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neues Verhältnis zum Wesen der Sprache eröffnete.
Teil III. Er ist als der umfangreichste zugleich
auch der aufschlussreichste, ergiebigste und
stärkste Teil, gleichsam das Meisterstück. Denn
ähnlich wie in seinem Rilke-Buch von 2007 versucht Hecker hier, uns tiefgründige Einsichten
in das Wesen und die Zusammengehörigkeit von
Denken und Mystik, Religion und Seinssuche
zu vermitteln. Er nimmt damit den denkwürdigen Dialog zwischen östlichem und westlichem
Denken wieder auf und ruft die
Geistesverwandtschaft zwischen
griechisch-europäischer
und
indo-buddhistischer sowie daoistischer Denkwelt in unsere Erinnerung zurück.
Sodann befragt Hecker in einer
Abfolge von acht eindrucksvollen Kapiteln Heideggers Denken
zu den Punkten (1) Gott und Götter; (2) Geviert, (3) Fortexistenz,
(4) Mystische Erfahrung, (5) Frühes Verhältnis zur mittelalterlichen Mystik, (6) Meister Eckhart, (7) Besinnung und Loslassen (a-h), (8) Erwachen (Schlussbetrachtung): zusammen eine
ganz beachtliche Denkleistung!
Schließlich Teil IV., ein dokumentarischer Anhang, der aber weit mehr als einen Anhang darstellt, nämlich zwei Texte mit
authentischem Material über die persönliche
Zwiesprache Hecker : Heidegger sowie den Tetralog „Das Offene“ in vier Schritten, ganz im
Geiste Buddhas und Heideggers abgefasst. Ein
ausführliches Literaturverzeichnis (S. 135-144)
gibt dem Ganzen den letzten Schliff und die
letzte Abrundung.
Helmuth Hecker, „Buddha, Heidegger und die
Wahrheit“, Stammbach (Vlg. Beyerlein & Steinschulte), 2008.
majjhima patipada 1 - 2009
Buddhismus
Ein Lehrgang in Stufen für Kinder und Jugendliche,
Stufen eins bis vier
Buchbesprechung von Rajah Wirasekara
Kinder sind naturgemäß neugierig. Ihren Wissensdurst wollen sie gestillt haben und brauchen
Orientierung.
Das vom Theravadanetz der DBU herausgegebene Buddhismus - ein Lehrgang in Stufen
für Kinder und Jugendliche eignet sich ideal
zur Förderung der buddhistischen Ethik sowie
als wertvoller Leitfaden bei
der Einführung in die
buddhistische Lebenskultur,
insbesondere für die in
deutschsprachigem Raum
lebenden
buddhistischen
Familien mit heranwachsenden Kindern. Bei dem Buch
handelt es sich um eine
Übersetzung von Originalheften aus Sri Lanka mit den
ausdrucksvollen Originalbildern eines Künstlers
ebenfalls aus Sri Lanka.
Geschmückt mit einer Mischung aus lebhaften Geschichten, kleinen Versen
und alten Überlieferungen
stellt das Kinderbuch in
kleinen Schritten einen gut
gelungenen Wegweiser zu
den Grundzügen der buddhistischen Lehre dar.
Durch die farbigen auffallenden Bilder wird der
Text sinnvoll aufgelockert und das Interesse
zum Weiterlesen angeregt. Das alles liest sich
mal beratend, mal traurig und mal spannend…,
vor allem aber abwechslungsreich.
Angefangen mit den Pflichten der Kinder gegenüber den Eltern und der Gesellschaft über
majjhima patipada 1 - 2009
die Kindheit, Jugend bis hin zur Erleuchtung des
Buddha beschreibt das Buch in einfacher, kindergerechter Sprache die buddhistischen Wertvorstellungen.
Geschichten wie z. B. „Susis Geburtstag“ stellen hilfsreiche Szenarien dar, auch für erziehende Mütter und Väter toleranter, geduldiger und
liebevoller mit sich selbst,
der Familie und der Gesellschaft umzugehen. Das Buch
liefert insbesondere den Erziehern und Jugendlichen
eine alltägliche Orientierung
zur (selbstkritischen Betrachtung des eigenen Lebensweges)
Statuserkundungsübung des eigenen
Verhaltens, in dem die erhabenen Zustände wie Güte,
Mitgefühl, Mitfreude und
Gleichmut in den Geschichten wiederholt Betonung finden.
Es wäre sehr zu begrüßen,
wenn diese Reihe fortgesetzt
werden soll.
Nützlich wirkt auch die Auflistung der weiterführenden
Literatur im Vorwort für Interessenten, die sich
tiefer mit den Lehren des Buddha beschäftigen
möchten.
Theravadanetz der DBU 2008
Hardcover, durchgängig vierfarbig, 128 Seiten
ISBN 978-3-9804620-4-4
Das Buch kann auf Spendenbasis bezogen werden.
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Auch das noch
Nachrichten aus den Religionen und ihrem Umfeld
Mann muss sich von 82 Frauen trennen
Mohammadu Bello Abubakar (84), Oberhaupt
einer riesigen Familie in Nigeria, steht vor einer
schwierigen Entscheidung: Er muss sich von 82
seiner 86 Ehefrauen scheiden lassen. Ein islamisches Gericht hatte die Scheidungen angeordnet
und Abukabar mit der Todesstrafe gedroht, sollte er mehr als die im Islam erlaubten vier Ehefrauen behalten, berichtete der britische Rundfunksender BBC. Der Bundesstaat Niger, in
dem der 84-Jährige mit seiner Großfamilie lebt,
ist überwiegend muslimisch und hatte im Jahr
2000 wie andere nigerianische Bundesstaaten
das islamische Recht als geltendes Strafgesetz
eingeführt. Abukabar hat mit seinen Frauen
mindestens 170 Kinder.
HAZ 2.9.2008
168 Tote nach Panik in Hindu-Tempel
Bei einer Massenpanik in einem Hindu-Tempel
im Westen Indiens sind am Dienstag mindestens
168 Menschen getötet und 100 weitere verletzt
worden. In dem Tempel drängten sich nach Medienberichten etwa 20.000 Gläubige. Nach Augenzeugenberichten stolperte eine Gruppe von
Gläubigen auf einer steilen Rampe, die zum
Eingang des Chamunda-Tempels führt. Daraufhin brach eine Massenpanik aus. Dutzende Pilger wurden zu Tode getrampelt oder erstickten
in der Menge. Der Andrang vor dem Tempel
war besonders groß, weil die Pilger den Auftakt
der neuntägigen Navrati-Feierlichikeiten begehen wollten.
HAZ 1.10.2008
Bischöfe für Moscheen
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch,
hat die Gemeinsamkeiten von Christen und
Muslimen betont. In einer während der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Ful-
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da veröffentlichten Grußbotschaft an die „muslimischen
Freunde“
zum
Ende
des
Fastenmonats Ramadan versicherte Zollitsch,
die katholische Kirche trete für die Integration
der Muslime ein. Dazu gehörte auch der Bau
„würdiger, in den jeweiligen Städtebau gut eingepasster muslimischer Gotteshäuser“.
HAZ 26.09.2008
Aleviten demonstrieren
Zehntausende Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Aleviten haben am Sonntag in Ankara
für die Religionsfreiheit demonstriert. Nach Angaben der Organisatoren kamen 100 000 Menschen zusammen, in den Medien war von eher
50 000 Teilnehmern die Rede. Die Demonstranten forderten ein Ende des vorgeschriebenen
Religionsunterrichts, der ihrer Ansicht zu stark
sunnitisch geprägt ist. Außerdem verlangten sie
eine Anerkennung ihrer Gotteshäuser und eine
Abschaffung der Religionsbehörde
HAZ 10.11.2008
Yoga ist verboten
Die oberste muslimische Instanz in Malaysia hat
Yoga als unislamisch verboten. Yoga enthalte
Elemente des Hinduismus, die Muslime verderben könnten, erklärte der Fatwa-Rat. Yoga sei
„unpassend und kann den Glauben eines
Muslim zerstören”, sagte der Vorsitzende des
Rates, Abdul Shukor. Dabei gehe es nicht nur
um das Training des Körpers, sondern auch um
die spirituellen Elemente des Yoga, die aus dem
Hinduismus stammten. Ziel sei es, eins mit dem
Gott einer anderen Religion zu werden.
HAZ 26.11.2008
Die Redaktion dankt der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung” für die freundliche Erlaubnis zur Übernahme der Pressemitteilungen.
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08.03.09
10-16 Uhr
Mittwoch
Buddhistische Psychologie mit Oliver Peter sen
Heilsame Potentiale wie Achtsamkeit, Mitgefühl und Weisheit sowie die negativen Faktoren wie Gier,
Hass und Verblendung werden erläutert. In Diskussionen werden Brücken zur westlichen Psychologie
gebaut und es werden Meditationen angeleitet werden.
Veranstalter: Buddh. Gemeinschaft Chöling e.V. - Ort: Vietn. Buddh. Kloster Vien Giac,
Karlsruher Str. 6, 30519 Hannover - Teilnahme-Gebühr: 20,- € (Chöling-Vereinsmitglieder: 15,- €)
+ Spende für den Lehrer (Ermäßigung möglich) - Anmeldung er wünscht.
Organisation: Rolf Teipel (Tel.: 05102-916795 oder 0172-1896112)
13.-15.03. Zen im Kontext von Geschichte und Philosophie des Buddhismus
Fr 19 Uhr - Seminar-Sesshin (im Rahmen eines Studien-Programms)
So 17 Uhr Anmeldung: schriftlich bis 2 Wochen vorher, Info Tel. 0511/864871 - Email: [email protected]
Teilnahmegebühr 95,- €, alles inkl.
Programm
Samstag
Dagmar Doko Waskönig: Der Sterbeprozess und das Danach aus der Sicht buddhistischer Schulen
Dr. Georg Evers ( Raeren, Belgien; Missionswissenschaftler): Sterben, Tod und danach – aus
christlicher Sicht
Sonntag
Asvaghosa-Textstudium: Ver trauen und Übung. Vier Ar ten des Ver trauens, sechs Vollkommenheiten
Asvaghosa: Die beiden elementaren Meditationsmethoden – Die Praxis des Beendens und die Praxis
der reinen Beobachtung (samatha und vipasyana)
21.03.
15.00 Uhr
Samstag
Video und Gespräche
Tibetisch-Buddhistischer Gesprächskreis im Buddhistischen Bund Hannover,
28.03.
Sa 16 Uhr
Teenachmittag (wie am 31.01.)
29.03.
10 -16 Uhr
Sonntag
Buddhistischer Sonntag mit Wolfgang Krohn, Hamburg:
04.04.
15.00 Uhr
Samstag
Video und Gespräche
Tibetisch-Buddhistischer Gesprächskreis im Buddhistischen Bund Hannover,
Dialog unter der Leitung von Bernd Weber (Karma Gelek Samten)
Video: “Todesangst in Tibet” - Gespräch: Der tibetische Volksaufstand
Thema: »Lebensgenuss oder -bewältigung. Wie kann ich mein Leben möglichst glücklich gestalten?«
Vor trag, Gespräche, Bewegungs- und Meditationsübungen.
Bitte leichte, lockere Kleidung und etwas zum gemeinsamen Mittagessen mitbringen Tee wird gereicht. - Beitrag: 20,- € (Ermäßigung möglich) - bitte anmelden!
Dialog unter der Leitung von Bernd Weber (Karma Gelek Samten)
Video: “Dalai Lama Unter weisungen” - Gespräch: Der 8-fache Pfad Teile 1 und 2
05.04.
Puja (Buddhistische Andacht)
So 9.30 Uhr Eine zeremonielle Ver tiefung buddhistischer Lehrinhalte unter Leitung von Bernd Rink
25.04.
Sa 16 Uhr
Teenachmittag (wie am 31.01.)
Soweit nicht anders angegeben finden alle Veranstaltungen im Buddhistischen Zentrum, Drostestr. 8,
statt. Zur Kostendeckung wird um einen Spendenbeitrag gebeten. Gäste sind stets willkommen.
Außerdem wird dort auf andere Veranstaltungen hingewiesen, die unser Interesse verdienen.
Haf tungsausschluß: Der Verein übernimmt keine Haf tung für eventuell auf tretende psychische und/oder physische
Schädigungen, die bei der Teilnahme an den Veranstaltungen auf treten könnten.
Das Zentrum ist in der Regel nur während der Veranstaltungen besetzt.
Außerdem: Sprechzeit jeden Freitag von 17 - 18.30 Uhr !
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Weitere regelmäßige Veranstaltungstermine: (Drostestr. 8)
Gesprächskreis Buddha-Lehre
jeden Dienstag ab 19.15 h - ca. 22.00 h
Of fener Kreis, auch für Interessier te ohne Vorkenntnisse
Meditation (19.25 - 20.00 h), anschließend, ab 20.00 h: Lesung buddhistischer Texte; Gespräche
und Diskussion zur buddhistischen Praxis; Buddhismus in der Gegenwart; Einführung in die Meditation
nach vorheriger Absprache. Abschließend: Satipatthana-Meditation (Anapanasati – Atembetrachtung)
Zen Dôjô Shôbôgendô
Spirituelle Leitung: Zen-Meisterin Dagmar Dôkô Waskönig
Zazen Montag: 20.00 h
Mittwoch: 20.00 h – Jeden 1. Mittwoch im Monat, 19.00 h: Einführung für Neue
Freitag: 19.00 h (unregelmäßig nach Absprache)
Meditation und Lehre
mit Zen-Meisterin Dagmar Dôkô Waskönig
Jeden Montag, 10.00 h
Bitte beim 1. Mal 20 min eher, sonst 10 min eher kommen.
Dieser Termin ist für alle geeignet, die morgens Zeit haben, z.B. Mütter und Rentner.
Vipassana Meditation
regelmäßiger Meditationstermin, zur Zeit jeden Donnerstag 18.00 bis ca. 20.00 h.
Sitzen in Stille, Atembetrachtung, Gehmeditation, Er fahrungsaustausch.
Anfänger/innen sind willkommen, eine Einführung ist möglich.
In diesem Fall bitte vorher anmelden unter (0511) 348 07 76 (Franz Friczewski).
Meditation und Yoga
jeden Donnerstag 18.45 - ca. 21.15 h.
Hatha-Yoga; Asanas, Atmung, entspannte Sammlung, Stille und Haltung des Yoga, Bhajans, Mantra-Japa
als Vorbereitung für die Meditation.Bitte entsprechende Kleidung und Übungsdecke mitbringen.
(Einführung jeden 1. Do. des Monats nach Absprache - Tel. 131 62 24, Uwe Kickstein)
Tibetisch - Buddhistischer Gesprächskreis
jeden letzten Montag im Monat um 15.00 Uhr mit Bernd Weber
Puja
Buddhistische Andacht jeweils sonntags zwischen 6. und 12. jeden Monats, 9.30 h.
Eine zeremonielle Ver tiefung buddhistischer Lehrinhalte unter Leitung von Bernd Rink,
of fene Veranstaltung, ohne Vorkenntnisse - Tel.-Info: 05130/4569
Tee-Nachmittage mit Bücherausleihe und -rückgabe
jeden letzten Samstag im Monat, 16.00 h - Zusätzliche Tref fen nach Vereinbarung (bitte anfragen).
AnsprechpartnerInnen:
Axel Rodeck
Uwe Kickstein
Dagmar Dôkô Waskönig (Zen-Buddhismus)
Bernd Weber (Tibetisch-Buddhistische Tradition)
Michael Schmidt
Bernd Rink
Dieter Stöhr
Rother Baumert
40
Tel. 0511/67 37 48
Tel. 0511/131 62 24
Tel. 0511/86 48 71 / Email [email protected]
Tel. 0511/47 14 09 / Email [email protected]
Tel. 05722/8 17 25 / Email [email protected]
Tel. 05130/45 69 / Email [email protected]
Tel. 05532/1692 / Email [email protected]
Tel. 0511/40 66 88 / Email [email protected]
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