Psychologische Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung Andrea M. Beetz Dipl.-Psych., Dr. phil. Institut für sonderpädagogische Entwicklungsförderung und Rehabilitation Dept. für Verhaltensbiologie Andrea Beetz Übersicht • Positive Effekte von Tieren • Eine Theorie der Mensch-Tier-Beziehung Was können Tiere, was ein anderer Mensch nicht kann? • Die DACh-Studie: Stressreduktion durch Hund • Implikationen für Tiergestützte Pädagogik und Therapie • Green Chimneys • Tierquälerei und zwischenmenschliche Gewalt Andrea Beetz Psychologie der Mensch-TierBeziehung Beitrag zu „Tiergestützte Therapie/Tiergestützte Pädagogik“ Wien, TAT, Oktober 2011 Dr. Andrea Beetz Institut für sonderpädagogische Entwicklungsförderung und Rehabilitation, Universität Rostock Folien mir freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Erhard Olbrich 3 Andrea Beetz Teil I Warum und wie wirken Tiere? Keine Angst vor ein bisschen Theorie! 4 Andrea Beetz Tierkontakte heute Erhebung des Industrieverbandes Heimtierbedarf 2005 Erhebung des Industrieverbandes Heimtierbedarf 2008 • 5,3 (5,5) Mio Hunde • 7,6 (8,2)Mio Katzen • 6,2 (6,2) Mio Kleintiere • 3,9 (3,4) Mio Ziervögel • 1,9 (2,0) Mio Aquarien sowie 2,3 Gartenteichen mit „unzähligen“ Zierfischen • 0,4 Mio Terrarien 5 Andrea Beetz Und die Gründe (einfach erfragt) 30 Mio Menschen haben täglich Kontakte zu Tieren 40 % „Partnerersatz“ von Mitgliedern einer individualisierten Erfolgsgesellschaft 25 % symbolische Selbstergänzung zum Ausdruck des individuellen lifestyle 20 % Versorgen, Verantworten von Vertretern tradierter Werte 15 % „Spielgefährten“ im neuen Sozialstaat 6 Andrea Beetz Und die Gründe (ein paar der üblichen „Theorien“) vgl. L. Irvine (2008). Wenn Du mich zähmst. Bernau: animal learn Die „Unzulänglichkeitstheorie“ Beziehungen zu Tieren werden gesucht, um fehlende Beziehungen zu Menschen oder eine Beziehungsunfähigkeit auszugleichen Nach Studie von Podberscek und Gosling (2000) keine Unterschiede persönlicher Merkmale von Tierhaltern und Gruppe ohne Tiere (letztere legen mehr Wert auf Reinlichkeit, haben stärkere Abneigung gegen dauerhafte Bindungen). Erinnern: Tiere sind soziale Katalysatoren, Tiere kennen die „civil inattention (Goffman, 1963), die höfliche Nicht-Beachtung nicht! 7 Andrea Beetz Und die Gründe (noch eine der üblichen „Theorien“) Die „Überfluss-Theorie“: Tiere sind Luxus in einer Wohlstandsgesellschaft, sie kosten doch nur die Mittel, die besser bedürftigen Menschen zukommen sollten Und wie ist es mit Rettungshunden, Spürhunden, Partnerhunden für Menschen mit Behinderungen, Wach-, Schutz- und Hütehunden, etc.? Hundehaltung gibt in Österreich etwa 5000 Menschen einen Arbeitsplatz; Futtermittelindustrie, Tierärzte; Tiere reduzieren Gesundheitskosten; 8 Andrea Beetz Und die Gründe (was so alles als „Theorie“ angeboten wird!) Die „Dominanz-Theorie“: Tierhalter wollen ihre Macht über die Natur ausleben Das spricht nicht gegen Tiere, sondern gegen Menschen! Es gibt auch „generative Macht“! Tiere lehren doch Empathie! Nibert (1994): Menschen, die Tierrechte ablehnen, sind für leichteren Zugang zu Waffen, haben mehr rassistische Vorurteile, geben Menschen mit anderer sexueller Orientierung weniger Recht zur Meinungsäusserung, stehen zwischenmenschlicher Gewalt positiv gegenüber, geben auch den Opfern von Vergewaltigung eine Mitschuld, sind gegen Recht auf Abtreibung, 9 Andrea Beetz Aber: Menschen und Tiere sind „tiefer“ verbunden • Menschen sind in der Evolution für das Zusammenleben mit anderen Menschen, aber auch mit Tieren und mit Natur vorbereitet: • Mehr als 99 % der Menschheitsgeschichte haben wir doch mit Tieren, Pflanzen, Naturkräften gelebt • Menschen waren stets auf exaktes Wissen über ihre natürliche Umwelt angewiesen, um überleben zu können. • Unsere DNA ist zu über 98 % der von Schimpansen gleich, zu 70 % der von Mäusen, zu 30 % der von Schimmelpilzen (allerdings sind nicht alle Teile zur Produktion von Eiweiss, von Enzymen etc. gleichermassen „eingeschaltet“) • Menschen gleichen auf Tiefenschichten (Nerven- und Hormonsystem für grundlegende soziale Beziehungen) den Säugetieren 10 Andrea Beetz Andrea Beetz Geschichte der tiergestützten Therapie Tiergestützte Therapie (AAT Animal Assisted Therapy) Tiergestützte Aktivitäten (AAA Animal Assisted Activities) Tiergestützte Interventionen (AAI Animal Assisted Interventions) Einsatz von Tieren in Psychiatrie und Sanatorien • Bereits im 9. Jahrhundert wurden Tiere in der „therapie naturelle“ eingesetzt (Arkow, 1993) • York Retreat in England (1792) • Bethel in Deutschland (1867) eher unspezifischer Einsatz von Tieren (Umfeld) Andrea Beetz Geschichte der tiergestützten Therapie • Seit 1947 Green Chimneys in NY, USA; Internatsschule für emotional gestörte Kinder/Jugendliche, inzwischen eine der weltweit größten Einrichtungen mit tiergestützter Therapie • Anstoß zur Systematisierung und Untersuchung von AAT durch den Therapeuten Boris Levinson (1961) mit seinem Hund Jingles • In den USA ist die Delta-Society seit 1989 die Dachorganisation für tiergestützte Aktivitäten, tiergestützte Therapie und weitere Tätigkeiten im Bereich human-animal-interactions • Seit 1987 besteht der Verein „Tiere helfen Menschen e.V.“ in Deutschland Andrea Beetz Einsatzbereiche von Tieren für Menschen Es gibt 4 Bereiche, in denen Tiere für das Wohl von Menschen gezielt eingesetzt werden: 1. Assistenzhunde Für Menschen mit körperlichen Behinderungen, z. B. Blindheit, Gehörlosigkeit, Epilepsie, Diabetes, Lähmungen; inzwischen auch für Personen mit Schwierigkeiten im Sozialkontakt Andrea Beetz Einsatzbereiche von Tieren für Menschen • 2. Tiere in der Pädagogik • Tiere werden zum einen permanent in der Schule (Schulhund) eingesetzt oder kommen besuchsweise (Besuchshund) • Hund/Tiere im Klassenzimmer – Humane Education, mehr Empathie (Ascione, 1992) • Tiergestützte Heilpädagogik (Vanek-Gullner, 2003) • Besuchsprogramm: Keine Angst vorm großen Hund – in Kindergärten und Schulen Andrea Beetz Einsatzbereiche von Tieren für Menschen • 3. Tiergestützte Aktivitäten und Fördermaßnahmen (Animal Assisted Activities AAA) – Besuchsdienste (mit Hund, Kaninchen) in Alten- und Pflegeheimen, Kinderheimen, Psychiatrien – Anwesenheit von Tieren in Heimen und Stationen ohne gezielten Einsatz in der Therapie – eher therapeutisches Umfeld, weniger strukturiertes Angebot, keine Therapieziele und Dokumentation Andrea Beetz Einsatzbereiche von Tieren für Menschen • 4. Tiergestützte Therapie (animal assisted therapy AAT) – Gezielter Einsatz von Tieren innerhalb einer Therapie – Arbeit mit einem menschlichen Therapeuten, d.h. die Person hat eine grundlegende Ausbildung und evtl. eine Therapieausbildung in dem Gebiet auf dem sie Therapie betreibt – das Tier ist Assistent, nicht Therapeut!!! – Einsatz in der: • Ergotherapie • Physiotherapie (z. B. Hippotherapie) • Psychotherapie Andrea Beetz Einsatzbereiche von Tieren für Menschen 4. Tiergestützte Therapie (animal assisted therapy AAT) – Häufig Hunde, da vielseitig einsetzbar und unkompliziert – Pferde und Esel beim psychotherapeutischen/ heilpädagogischen Reiten und Voltigieren – Auch Hasen, Meerschweinchen, Schweine, Schafe, Lamas, Katzen, Enten, Hühner und Delphine sind in der AAT zu finden – Wichtig ist die gute Beziehung des Therapeuten zu seinem Therapietier Andrea Beetz Wahrnehmung des Therapeuten Schneider, M. und Harley, L. (2004). The influence of companion animals on how psychotherapists are perceived. Vortrag 10. Internat. conference on Human-Animal Interaction • 34 männliche und 51 weibliche StudentInnen sahen Videos von einem Therapeuten und einer Therapeutin mit bzw. ohne Hund. • Ratings auf der Counselor Rating Form zeigten: Generelle Zufriedenheit mit TherapeutIn höher, wenn Hund anwesend Spezifisch: TherapeutIn vertrauenswürdiger, wenn Hund anwesend. – Keine Unterschiede hinsichtlich Expertise und Attraktivität des/der TherapeutIn • Disclosure to Therapist Inventory: höhere Bereitschaft zur Selbstmitteilung, wenn Hund dabei Andrea Beetz Tiere in Therapie und Pädagogik • Emotional/sozial orientierte Heimtierhaltung • Erste Berichte über tiergestützte Therapie: Boris Levinson (1964/1969) • Tiere in der Pädagogik • Tiere in der Therapie: – Therapeutisches Reiten – Tiergestützte Interventionen und Therapie (AAI, AAT; AAA) • Forschung zur Mensch-Tier-Beziehung Andrea Beetz Tiere in der Therapie Tierbesuch und Tierhaltung im Krankenhaus (Claus 2000, Diss. München) • 600 Kliniken für Psychiatrie, Geriatrie, Pädiatrie und Psychosomatik in D, A, Ch angeschrieben • Frage nach Einsatz von Tieren mit erkennbar therapeutischem Hintergrund • 120 davon halten Tiere auf der Station/auf dem Gelände • 57 weitere haben Tierbesuche Andrea Beetz Tiere in der Therapie Tierbesuch und Tierhaltung im Krankenhaus (Claus 2000, Diss. München) Berichtete Effekte: Warme Berührung, Körperkontakt der nicht schmerzt, Linderung von Schmerzen Linderung von Angst und Stress Reduktion von Einsamkeit, Depression, Langeweile Fokus der Aufmerksamkeit „Urlaub“ von der Rolle des Versorgten Erleichterung Rehabilitation Brücke zum Mitpatienten und Besucher kommen häufiger Andrea Beetz Tiere in der Therapie Tierbesuch und Tierhaltung in Kinder-und Jugendpsychiatrien (Prothmann s. 2007) • Schriftliche Befragung von 170 teil-und vollstationären KJPsychiatrien (Antwort von 105) • Über 40% integrieren Tiere in die Therapie • Davon 88% AAT, 37% AAA, 37% Tierhaltung • Meist Pferde/therapeutisches Reiten als Physiotherapie • 29% diverse Tiere in Psychotherapie • 12% Ergotherapie • 2% Logopädie Andrea Beetz Andrea Beetz Effekte von Tieren: Gesundheit Raina et al. (1998; 1999): • 1000 betagte KanadierInnen über sozial-emotionale Kontakte (auch: zu Tieren) befragt • Ergebnisse mit Datensatz einer Krankenversicherung verbunden Tierhalter (TH): 30 Kontakte mit Gesundheitssystem (VG: 37) TH: 53.000 $ Kassenleistungen (VG: 69.400 $) TH: 8 Tage Krankenhaus (VG: 13 Tage) Problem der Interpretierbarkeit Andrea Beetz Effekte von Tieren: Gesundheit Friedmann et al (1983) • 92 PatientInnen (Herzinfarkt; Angina pectoris) • Nach 1 Jahr: 14 verstorben • 3 (von 53) hatten Heimtier gehabt, 11 (von 39) keines • „Überlebensrate“ TH: 95 %; VG: 72 % • Keine andere Variable erklärte gleichviel Varianz! • 1995: Mit 369 Patienten nach Herzinfarkt und lebensbedrohlichen Arhythmien wiederholt: Hundebesitzer überlebten häufiger (p = 0.02), während Katzenbesitzer häufiger verstarben (p = 0.03) Andrea Beetz Effekte von Tieren: Gesundheit Heady & Grabka 2007: • >10.000 Personen 1996 und 2001 befragt: BRD/China/Australien Vergleich der Arztbesuche in den letzten 3 Monaten 1996: 2001: TB: 2.8 TB: 2.7 VG: 3.0 VG: 3.2 (Differenz: 18.5 %) „Kontrolliert“ man Geschlecht, Alter, Partnerschaft und Einkommen: 7 % weniger Arztbesuche der Tierbesitzer in 2001 16% weniger Arztbesuche der langfristigen TB Andrea Beetz Soziale Effekte von Tieren Günstigere Wahrnehmung/mehr freundliche soziale Aufmerksamkeit durch andere in Begleitung eines freundlichen Hundes z. B. • Wells (2004): 1800 Fremde und ihre Reaktion auf Personen in Begleitung von echten Hunden (Labrador, Welpe, Rottweiler) vs. Stofftier vs. alleine Am meisten angelächelt und angesprochen mit Labrador/Welpe – deutlich weniger mit Rottweiler, noch weniger mit Stofftier o. alleine Andrea Beetz Soziale Effekte von Tieren Sozialer Katalysator-Effekt, Stimulation sozialer Interaktion • Mehr Sprachgebrauch in Anwesenheit eines Hundes bei Kindern mit Autismus (Sams, Fortney & Willenbring 2006) • Bei Senioren mit und ohne psychiatrische Auffälligkeiten (Fick 1993, Haughie et al. 1992, Kramer et al. 2009, Marr et al. 2000, Villalta-Gil et al. 2009) Andrea Beetz Psychosoziale Effekte von Tieren Gesteigertes Vertrauen • Videos von zwei Psychotherapeuten, mit oder ohne Hund. Studenten schätzten die Therapeuten mit Hund als vertrauenswürdiger ein (Schneider & Harley 2006) • Weiblich Passanten werden von Mann mit/ohne nettem Hund nach ihrer Telefonnummer gefragt: Mehr Vertrauen in Begleitung des Hundes (Gueguen & Ciccotti 2008) Andrea Beetz Psychosoziale Effekte von Tieren Verbesserung der Stimmung, Reduktion von Depressivität • AAI mit Hunden, v.a. bei Senioren oder Pflegebedürftigen, aber auch bei Kindern mit psychischen Störungen • im Vergleich zu Vergleichsinterventionen (Spiel, etc.) wurde nur mit dem Hund auch positiver Affekt gezeigt (z. B. Kaminski, Pellino & Wish 2002; Souter & Miller 2011, Banks & Banks 2002, 2005, Colombo et al. 2006, Crowley-Robinson et al. 1996, Holcomb et al. 1997, Jessen et al. 1996, Nathans-Barel et al. 2005, Kaminski et al. 2002; Prothmann et al. 2006) Andrea Beetz Psychosoziale Effekte von Tieren Reduktion von Angst - Entspannung • Hundebesuch (12 min) vs. Besuch von Mensch und normale Pflege bei Patienten mit Herzinsuffizienz: deutlichste Reduktion der Angst durch den Hund (Cole, Gawlinksi, Steers & Kotlerman 2007) • Kinder haben weniger Schulangst, wenn ein Schulhund in der Klasse ist (Beetz 2012) Andrea Beetz Psychosoziale Effekte von Tieren Reduktion von Angst (mit Stressinduktion) Shiloh et al (2003): • Teilnehmern wurde Tarantel gezeigt, die sie später halten sollten • 5 Gruppen: Streicheln von echten Kaninchen, Schildkröte, SpielzeugKaninchen/Schildkröte, ruhig sitzen • Selbstauskunft auf Angstskala • nur das Streicheln eines lebendigen Tieres reduzierte die Angst Barker et al. (2003): • Warten auf Elektroschock-Therapie • Interaktion mit lebendigem Tier reduziert Angst zu 37% während Lesen die Angst nicht reduziert Andrea Beetz Psychophysiologische Effekte von Tieren Reduktion von Herzfrequenz und Blutdruck, z. B. • Cole et al. 2007, Kaminski et al. 2002: Kinder und Erwachsene im Krankenhaus profitieren von der Anwesenheit eines Hundes - Entspannung • Motooka et al 2006: Spazierengehen mit im Vergleich zu ohne Hund: höhere Herzratenvariabilität (Entspannung) Andrea Beetz Psychophysiologische Effekte von Tieren Reduktion von Stress: Hormone Barker et al. 2005: • Spiegel des Stresshormons Kortisol war bei Erwachsenen niedriger nach Interaktion mit einem Hund, als nach 20 min Ausruhen Viau et al 2010: • Ein Hund in der Familie reduziert denn Kortisolspiegel bei Kindern mit autistischen Störungen Andrea Beetz Psychophysiologische Effekte von Tieren Das Bindungshormon Oxytocin Der Spiegel des Hormons Oxytocin steigt nach der Interaktion mit einem Hund an, mehr beim - eigenen Hund direkten Körperkontakt Odendaal 2000 Odendaal & Meintjes 2003 Handlin et al. 2011 Miller et al. 2009 Nagasawa et al. 2009 Andrea Beetz Förderung von Motivation und Konzentration Studien von Gee et al. 2009, 2010, 2012) Kinder machen bei verschiedenen Aufgaben weniger Fehler, sind schneller wenn mit Hund gearbeitet wird Hediger, 2013 Kinder können in Anwesenheit eines Hundes sich länger konzentrieren Andrea Beetz Reduktion von Aggression Kotrschal & Ortbauer 2003 Schüler zeigen in Anwesenheit eines Schulhundes weniger aggressives Verhalten Andrea Beetz Integratives Model der Mensch-TierBeziehung Oxytocin als ein Schlüsselfaktor der positiven Effekte von Tieren Julius, Beetz, Kotrschal, Turner, Uvnäs-Moberg 2012 - hat ähnliche Effekte wie Kontakt mit Tieren - mehr Vertrauen, soziale Interaktion - weniger Aggression, Depression, bessere Stimmung - Reduktion von Stress und Angst Andrea Beetz Integratives Model der Mensch-TierBeziehung s. Beetz et al. 2011; Entwickelt von H. Julius, A. Beetz, K. UvnäsMoberg, K. Kotrschal Integration von Erkenntnissen der - Biologie (Verhalten, Evolution) - Psychologie, Bindungstheorie - Physiologie/ Endokrinologie, Implikationen für Sonderpädagogik und Therapie Andrea Beetz Evaluation von AAI • Obwohl viele praktische Projekte durchgeführt werden, gibt es vergleichsweise wenig Evaluation von AAI • Probleme, die sich daraus ergeben können: – – – – – – (Weiter-) Finanzierung von Projekten Sponsorensuche Nachweis der Wirksamkeit „schlechter Stand“ im Vergleich zu anderen Disziplinen wenig Qualitätsmanagement, Dokumentation Weniger gedankliche Weiterentwicklung – Ergebnisse sind oft Denkanstoß, Anlaß zu Veränderung, Verbesserung – Finden von Erklärungsansätzen, Theorien Andrea Beetz Was wirkt in der Mensch - Tier - Beziehung? Bisher einige Wirkfaktoren wurden identifiziert: • Authentizität • Aschenputtel-Effekt -- Uneingeschränkte Akzeptanz • Tiere als sozialer Katalysator • Soziale Unterstützung Andrea Beetz Biophilie (Wilson, 1984; Kellert 1997) Wieso interessieren sich Menschen für Kontakt mit Tieren? s. Alltagserfahrungen mit Kindern/Erwachsenen Biophilie: Interesse an Tieren und Natur • gemeinsame Entwicklungsgeschichte von Mensch und Tier • ein natürliches/angeborenes Interesse an Tieren war in der menschlichen Geschichte von Vorteil • zunehmende Technisierung: Natur- und Beziehungsverlust • keine optimale Anpassung an diese neue, künstliche Umwelt Andrea Beetz Biophilie • Gemeinsame Entwicklungsgeschichte von Mensch und Tier • Menschen lebten im Laufe der Evolution ständig mit Tieren in einer Umwelt zusammen und mussten sich mit ihnen auseinandersetzen • Ein natürliches/angeborenes Interesse an Tieren war in der menschlichen Geschichte über-lebensnotwendig – von ihnen ausgehende mögliche Bedrohung – ihre sensorischen oder motorischen Fähigkeiten nutzen – Nahrungsquelle – Signalwirkung?! (Gefühl der Sicherheit?) Andrea Beetz Biophilie • Biophilie-Hypothese Wilson (1984) und Kellert (1997) • Biophilie beschreibt die Affinität des Menschen zu Leben und lebensähnlichen Prozessen - unter anderem eben auch zu Tieren -, die möglicherweise sogar bei allen Menschen und Tieren biologisch fundiert und angeboren ist (Wilson, 1984). • Beziehung zum Tier und Natur ist nicht nur einfach ein Luxus, sondern wahrscheinlich eine Notwendigkeit für eine persönliche, geistig oder emotional gesunde Entwicklung – von Kindheit an Andrea Beetz Formen der Biophilie utilitaristisch: Tiere nützen uns: Arbeit, Nahrung, Sicherheit, besondere Fähigkeiten ästhetisch: Harmonie und Schönheit von Lebewesen sprechen uns mehr an als „Produkte“ (der unverbaubare Blick) moralistisch: Erleben von Gemeinsamkeit, Verantwortlichkeit, Ehrfurcht vor Leben 46 Andrea Beetz Formen der Biophilie (2) humanistisch: Tendenz zu Fürsorge, Bindung, Bereitschaft zu teilen negativistisch: Aufmerksamkeit für Schlangen, Schleimiges, Spinnen etc. • niedrige Wahrnehmungsschwellen • feste Reaktionsformn • eindeutige Erlebensqualität 47 Andrea Beetz Biophilie – Bedeutung heute • zunehmende Technisierung unserer direkten Lebensumwelt und Reglementierung (soziale Ziele): Natur- und Beziehungsverlust • in der kurzen Zeit der zivilisatorischen Entwicklung keine optimale Anpassung an diese neue Umwelt • Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten sind auf natürliche Umgebungen abgestimmt – wir brauchen Natur und gesunde soziale Beziehungen • Zunahme an psychischen / emotionalen Störungen bzw. Bindungsstörungen im Kindes- und Erwachsenenalter • Erhöhte Stressbelastung – v.a. sozialer Stress – dieser kann am effizientesten in guten Sozialbeziehungen abgebaut werden Andrea Beetz Biophilie – Menschen brauchen Tiere • Menschen sind auf Natur und gesunde soziale Beziehungen angewiesen • Suche nach Entspannung in der Natur und bei Tieren „Biophilie-Effekt“ Andrea Beetz Eine Theorie der Mensch-Tier Beziehung: Bindung und Pflegeverhalten Bindungstheorie (J. Bowlby 1940, 1969) • Beobachtungen von Verhalten (Ethologie) • Erforschung von Mutter-Kind-Bindungen an Rhesusaffen im Hinblick auf die Überlebensfunktion im Sinne der Evolutionstheorie (Harlow & Zimmermann, 1958) • Revolution des Erziehungsverhaltens in den 50ern; vor allem auch in Heimen und im Umgang mit Fremdversorgung von Kleinkindern • Beginn der Bindungsforschung, die bis heute immer mehr an Bedeutung gewonnen hat als eine der wichtigsten Grundlagen der Entwicklung Andrea Beetz Bindung • Bindungsverhaltensweisen sind nicht nur von dem Bedürfnis nach physischer Versorgung, Schutz und Wissenserwerb abhängig • Harlow-Experimente Andrea Beetz Bindung • Bindung erfüllt eine selbständige, natürliche Funktion – nicht nur Nähe zur Nahrungsquelle und Schutz • Komplementär zum Bindungssystem gibt es bei der Pflegeperson ein Pflegesystem • Bindung ist auch noch im Erwachsenenalter von Bedeutung (Bretherton, 1995) • Unabhängig vom Lebensalter ist die Fähigkeit, Bindungen zu anderen Personen aufzubauen, ein grundlegendes Merkmal einer effektiv funktionierenden Persönlichkeit und psychischer Gesundheit (Bowlby, 1995) Andrea Beetz Bindung Bindung und Caregiving als Verhaltenssysteme • Verhaltenssysteme sind angeboren, ihre Ausformung jedoch basiert auf Erfahrung • Primärstrategie: sichere Bindung bzw. flexibles Pflegeverhalten (Caregiving) • Sekundärstrategien: bei ungünstigen Umweltbedingungen (sozial, finanziell etc.): unsichere/desorganisierte Bindung bzw. nichtflexibles/desorganisiertes/dysreguliertes Caregiving Andrea Beetz Exkurs: Entwicklungspsychopathologie • Erklärungsmodelle für Entwicklungsprobleme bzw. Einflußfaktoren der Entwicklung • Protektive Faktoren und Risikofaktoren • Wirkung der Faktoren in verschiedenen Lebensphasen bedeutsam (z. B. Empathie-entwicklung im Vorschulalter) • Faktoren aus den Bereichen: – intraindividuelle, familiär, soziales Umfeld Andrea Beetz Entwicklungspsychopathologie Probabilistische Betrachtungsweise: • Entstehung und Entwicklung (Ätiologie) psychosozialer Probleme durch Zusammenspiel verschiedener personaler und sozialer Faktoren • Störung ist nicht unausweichliches Ergebnis; • die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Störung ist durch genetische, neurobiologische, psychologische und soziale Faktoren bedingt Andrea Beetz Entwicklungspsychopathologie Risikofaktor: Eine Variable, die, die statistische Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Störung erhöht - z. B. Lebensereignis, Persönlichkeitsmerkmal, Verhaltensstil, soziale Umwelt kumulative Effekte : erst die Häufung von Risiken erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Störung Identische Risikofaktoren können zu unterschiedlichen Störungen führen (Multifinalität) Verschiedenen Risikofaktoren können zur gleichen Störung führen (Äquifinalität) Andrea Beetz Entwicklungspsychopathologie Identifikation von protektiven Faktoren über eine Studie auf der Insel Kauai (Werner &Smith 1989, 1992, 2001). - Längsschnittstudie über mehrere Jahrzehnte - 30% der Kinder gehörten einer Hochrisikogruppe an - 30% von diesen zeigten jedoch keine Auffälligkeit - Psychische Resilienz (Widerstandsfähigkeit) durch personale/soziale Schutzfaktoren; z. B. eine sichere Bindung (z. B. Tante, Lehrkraft) Andrea Beetz Bindungstheorie Verteilung der Bindungsmuster Normalbevölkerung Sicher 60% vermeidend 20% ambivalent 8% desorganisiert 12% Kinder/Jugendliche mit emotionalen oder Verhaltensstörungen Sicher 3% vermeidend 17% ambivalent 3% desorganisiert 77% ambivalent 9% desorganisiert 65% Lernbehinderung Sicher 6% Andrea Beetz vermeidend 20% Bindung Entwicklung von Bindung • Im Lauf des ersten Lebensjahres entsteht eine Bindung zu einer Bezugsperson (meist der Mutter, aber auch andere Pflegepersonen) • Bindungsperson reagiert im Idealfall auf die kindlichen Bindungssignale mit angemessenem Pflegeverhalten • Bindungsverhalten: alle Verhaltensweisen des Kindes, die darauf abzielen, Nähe zur Pflegeperson herzustellen oder aufrecht zu erhalten ( Bsp. : weinen, schreien, festhalten, hingehen, Blickkontakt suchen) • Pflegeverhalten: alle Verhaltensweisen der Pflegeperson, die darauf abzielen, Nähe zum Kind herzustellen oder aufrecht zu erhalten, und Stress im Kind zu regulieren (Schutz, Versorgung) (Bsp. füttern, trösten, hochnehmen, rufen) Andrea Beetz Funktion von Bindung • Schutz des Kindes, gute Entwicklung, Regulation von Stress • Bezugsperson dient als – sichere Basis (für Exploration) – sicherer Hafen (haven of safety – bei Gefahr/Stress) – externale Emotionsregulation/Stressregulation (negative Emotionen z.B. bei Trennung durch Nähe und Zuwendung lindern) – Gefühl der Sicherheit (felt security) – Trennungsschmerz/Wunsch nach Kontakt Andrea Beetz Funktion von Bindung • Erfolgreiche Deaktivierung des Bindungssystems geht mit positivem Gefühl/Emotion bei Mutter und Kind einher (Oxytozin-ausschüttung, Reduktion von Stress (Kortisol, autonomes Nervensystem, Sympathikus) • Bindungs- und Pflegeverhalten wird manchmal auch in Abwesenheit von Stress/Gefahr gezeigt (wohl zur Stabilisierung der Beziehung) • Nach den ersten sechs Monaten differenziert ein Kind bereits zwischen der Bezugsperson und anderen Personen (Spangler, 1995) • aufgrund von Erfahrung ein internales Arbeitsmodell von Bindung/caregiving – System von Regeln und Erwartungen, wie sich andere verhalten, verknüpft mit Emotionen • z. B. Fremde-Situations-Test (Ainsworth u. a., 1978) Andrea Beetz Bindungsmuster Sichere und unsichere Bindung Sicher: Vertrauen in die Verfügbarkeit der Bindungsperson, Balance zwischen Exploration und Bindung, Offenheit für Eindrücke von außen und eigene Emotionen – Integration in ein stimmiges Bild vier verschiedene Bindungsmuster beim Kind • sicher • unsicher-vermeidend (vermeidet Kontakt bei Bindungsstress, Exploration erhöht) • unsicher-ambivalent (klammert ohne sich zu beruhigen durch Kontakt) • desorganisiert (kontrollierendes Verhalten, fürsorglich/strafend; Dissoziation Andrea Beetz Bindungstheorie: Pflegeverhalten Pflegeverhaltenssystem der Bezugsperson: komplementär zum Bindungssystem • Pflegeverhalten: Nähe herstellen, schützen, trösten • also Stressregulation über soziale Unterstützung (emotionale/Körperkontakt) • Auch hier günstige (primäre) und ungünstige Strategien • Pflegeverhalten spielt eine große Rolle in der Mensch-Tier-Interaktion (füttern, kümmern, etc. – adäquate Pflege des Tieres ist oft auch einfacher als beim Menschen) – ähnlich positive Auswirkungen wie Bindung (über OT-System) Andrea Beetz Bindung und Caregiving • Bindung und Caregiving • sicher: kontingent/zuverlässig, fürsorglich, unterstützend, • vermeidend: “stell Dich nicht an”, “ist nicht schlimm”, “berherrsch Dich”, wenig unterstützend, abweisend, distant care • ambivalent: Umkehrung der Rollen, mal überfürsorglich/mal zurückweisend, unberechenbar, vages caregiving • desorganisiert: evtl. Missbrauch, unberechenbar, angstauslösend, desorientiert, Entzug von Caregiving, z. B. eigenes unverarbeitetes Trauma Andrea Beetz Bindung – internales Arbeitsmodell Internale Arbeitsmodelle organisieren und ermöglichen: – den Zugang zu den eigenen Gefühlen – Bewertungen – bindungsrelevanten Erinnerungen – reguliert die emotionale Kommunikation innerhalb der Person – reguliert Kommunikation mit anderen Personen Andrea Beetz Transmission von Bindung Unsicher/desorganisiert gebundene Kinder re-etablieren ihr unsicheres Muster in neuen Beziehungen zu Menschen: Transmission des internalen Arbeitsmodells von Bindung • Lehrer-Schüler Beziehung, die kongruent zur Eltern-Kind Beziehung ist (Achatz 2007) • Therapeut-Klient-Beziehung (z. B. Zilcha-Mano et al. 2011) • Auch Übertragung von Caregiving-Mustern der Lehrkraft auf Kind (>50% unsicher/dysreguliert) (Testung von Lehrern/Erziehern, STEEP-Beratern) Andrea Beetz Bindung – Übertragung des IWM Problem: alte Muster (unsicher/desorganisiert) werden gefestigt – Therapie sollte aber sichere Bindungsmuster fördern Die therapeutische Beziehung sollte Kriterien einer sicheren Bindung aufweisen (Stressreduktion, Vertrauen) – damit sich der Patient öffnen kann, explorieren kann (Inneres/Äußeres), lernen kann (s. auch pädagogische Kontext, Spitzer/Hüther/Roth) Andrea Beetz Bindung zwischen Mensch und Tier Übertragung der Bindungstheorie auf Mensch-Tier Beziehung – direkte Übertragung (Mutter-Kind Modell) nicht sinnvoll – Beziehung zu Tieren in den ersten Lebenstagen ist nicht notwendig zum Überleben – eher wie bei Bindung bei Erwachsenen (romantic attachment): • Rollenwechsel (Bindung/Caregiving) je nach Situation Andrea Beetz Bindung zu Tieren • Tiere werden als Gefährten/Familienmitglieder wahrgenommen • Tiere können bedeutende Beziehungspartner, ein sicherer Bezugspunkt sein • Tiere spenden Trost und geben Sicherheit und Zuwendung • auch die Trauerreaktion bei Tod/Verlust des Tieres deutet auf Bindung hin, genauso der kurzfristigere Trennungsschmerz • Kontakt mit Tieren fühlt sich gut an/Körperkontakt als Zeichen sicherer Bindung Andrea Beetz Bindung zwischen Mensch und Tier Übertragung der Bindungstheorie auf Mensch-Tier Beziehung Keine Transmission unsicherer/desorganisierter Bindung auf Beziehung zum Tier (meistens jedenfalls) Gründe: Tiere sind anders (die kognitiven Schemata werden nicht aufs Tier übertragen Tiere sind nicht so fordernd und vergeben Fehler in Beziehungen eher Tiere sind im Verhalten leichter einzuschätzen, konstanter (v.a. Therapietier) Komponente des Körperkontakts (Körperkontakt ist Bestandteil sicherer Beziehung, entsprechende Ausschüttung von Oxytozin) Andrea Beetz Interaktion mit Tieren…. Openness to securely attach (auch wenn noch keine Bindung besteht; Kurzzeitinterventionen, Julius et al 2011) Entsprechende hormonelle/physiologische Situation im Patienten (Stress reduziert, Oxytozin erhöht) Daher: Offenheit eine sichere Beziehung zum Tier einzugehen 2. Schritt in der Therapie: Übertragung der sicheren Beziehung vom Tier auf den Therapeuten (s. bindungsgeleitete Interventionen) – dann auf andere Personen außerhalb der therapeutischen Beziehung Andrea Beetz Pflegeverhalten gegenüber Tieren • Tiere können das Pflegeverhaltenssystem beim Menschen aktivieren • Auch schon bei Kindern (wobei Pflegeverhalten nicht stabil, da in starker Konkurrenz mit anderen Verhaltenssystemen, z. B. Exploration, Affiliation) • Viele Interaktionen sind Pflegeinteraktionen (füttern, bürsten, versorgen) • … gehen mit den gleichen positiven Gefühlen (und wahrscheinlich Hormonreaktionen/physiologischen Reaktionen) wie Bindung einer • Caregiving in der Mensch-Tier-Beziehung ein besonderer Faktor! Andrea Beetz Bindung von Tieren an den Menschen • Tiere (Hunde) zeigen Bindungsverhalten an den Menschen (Fremde Situation) • Möglicherweise zeigen Tiere auch Pflegeverhalten gegenüber Menschen (Lecken, trösten) • Für Bindung/Caregiving sind domestizierte Spezies am besten geeignet (nicht gezähmte Wildtiere), da genetisch selektiert auch für Offenheit für menschlichen Kontakt (wenn richtig geprägt) Andrea Beetz Unsichere Bindung zu Tieren Auch wenn unwahrscheinlicher, ist eine unsichere Bindung/nicht-flexibles Caregiving gegenüber Tieren denkbar: • Tierquälerei, Vernachlässigung (desorganisiertes Pflegesystem) • Rein funktionelle Beziehung, Abwertung emotionaler Bedeutung (vermeidende Bindung, distanzierte Pflege) • Überinvolvierter, ängstlicher Besitzer (ambivalent/vages caregiving) • Desorganisation: z. B. starke unbegründete Verlustangst, oder Unfähigkeit trotz Tierleid, das Tier einzuschläfern; animal hoarding; angstauslösendes Verhalten gegenüber Tier Andrea Beetz Bindung und emotionale Intelligenz • Sicher gebundene Kinder – entwickeln mehr soziale Kompetenz – sind freundlicher, kooperativer, zugewandter – empathischer als unsicher gebundene Kinder (Fremmer-Bombik & Grossmann, 1991; Spangler & Grossmann, 1995) – Weniger psychosomatische Beschwerden, Psychopathologie allgemein mehr soziale Kompetenz und bessere Emotionsregulation Andrea Beetz Menschen sind für Beziehungen mit Tieren vorbereitet In Situationen der Mensch-Tier-Beziehung laufen neurologische und hormonelle Prozesse ab - ohne dass wir ihrer bewusst werden (Buss, 2005) Neurologisch haben wir die gleichen „social tools“ wie Wirbeltiere (Kotrschal, 2009), die in sozialen, sexuellen, in Situationen der Versorgung des Nachwuchses, im Bindungsverhalten und beim Umgehen mit Stress unser Verhalten beeinflussen 76 Andrea Beetz Andrea Beetz Das Bindungshormon Oxytozin Kerstin Uvnäs-Moberg: The Oxytozin Factor Oxytozin = Bindungshormon Ausbildung eines sozialen Gedächtnisses und fester Bindungen (Gabe von Oxytozin verändert Paarbindung bei Ratten) wird ausgeschüttet bei der Geburt (durch die Wehen bei der Mutter; aber auch beim Vater), beim Orgasmus, Verliebtheit, bei positiver Interaktion/Zuwendung/ Körperkontakt Andrea Beetz Das Bindungshormon Oxytozin Komplex von Effekten: Stärkt das Vertrauen zu anderen Menschen, vermindert Angst Vermindert Schmerzen Erhöht Empathie (Erkennen von Emotionen) Stärkt Ruhe und gute Stimmung Senkt Stress und puffert ihn ab (HPA-Achse, Autonomes Nervensystem); senkt Blutdruck, Puls, erhöht Immunglobuline, senkt Kortisol) Andrea Beetz Das Bindungshormon Oxytozin Grundlagen der Wirksamkeit sozialen Kontakts über Dopamin/Oxytozin werden bereits im frühen Kindesalter angelegt Adoptionsstudie (Fries und Pollack 2005): nur von Anfang an von den Eltern betreute 4-Jährige im Gegensatz zu Kindern, die mit einem Jahr adoptiert wurden, haben nach Interaktion und Körperkontakt mit den Eltern erhöhte Oxytozin-Level (Fries und Pollack 2005) Eine sichere Bindung (Brutpflege bei Tier und Mensch) im frühen Kindesalter hat eine Auswirkung auf die Stressregulation – Andrea Beetz Das Bindungshormon Oxytozin Odendaal (2000) 18 Hunde-Besitzer-Dyaden Messung von Oxytozin, Prolaktin, Dopamin, Cortisol Positive Interaktion mit eigenem Hund vs. fremdem Hund vs. BuchLesen Oxytozin, Prolaktin und Dopamin stiegen signifikant bei Hund und Mensch; Oxytozin stieg signifikant mehr bei Interaktion mit eigenem Hund Cortisol sank signifikant nur beim Menschen Oxytozin ist Indikator für Inter-Spezies-Bindung Andrea Beetz Das Bindungshormon Oxytozin Handlin et al 2011 Hunde-Besitzer-Dyaden (Frauen) Messung von Oxytozin, Cortisol Positive Interaktion mit eigenem Hund führt zur Ausschüttung von Oxytozin, und Reduktion von Kortisol Ähnliche Effekte wie bei der Interaktion zwischen Mutter und Neugeborenem Andrea Beetz Fazit für die Mensch-Tier-Forschung Bindungstheorie und Vermittlung über Oxytozin als Bindungshormon tragen zum Verständnis bei: Blutdrucksenkung durch Interaktion mit Tieren (Friedmann-Studien) Gesundheitseffekte durch Heimtiere Entspannung in Stresssituationen durch Tiere Effekte der tiergestützten Therapie und Pädagogik im Bereich sozioemotionaler Kompetenzen Entwicklung sozioemotionaler Kompetenzen durch Interaktion mit Tieren in der Kindheit Andrea Beetz Andrea Beetz Erklärungen aus der Persönlichkeitspsychologie Schultheiss, O. (2001) An information processing account of implicit motive arousal. In: M.L. Maehr & P. Pintrich (eds). Advances in motivation and achievement. Greenwich, CT: JAI Press, 1-41. Unterscheidung zwischen Erfahrungssystem und VerbalSymbolischem System Epstein, S. (1994). Integrating the cognitive and the psychodynamic unconscious. American Psychologist 49, 709-724. Unterscheidung zwischen implizit-erfahrungsgeleiteten und explizitkognitiven Funktionen 85 Andrea Beetz Epstein: cognitive-experiential self-theory Implizit-erfahrungsgeleitet aufgrund von Erfahrungen verfügbar, die wir nicht bewusst abzurufen brauchen Mit Gefühlen und motivationalen Prozessen verbunden Metaphern Evolutionär uralt Explizit-kognitiv verbal begriffliche „Realität“, „digitale Verbundenheit“, bewusst, analytisch-rationales ZweckMittel-Denken, Auf das deklarative Gedächtnis gestützt Formeln Evolutionär jung 86 Andrea Beetz Zum Menschen: Zwei Systeme für Informationsverarbeitung Schultheiss, O. (2001) An information processing account of implicit motive arousal. In: M.L. Maehr & P. Pintrich (eds). Advances in motivation and achievement. Greenwich, CT: JAI Press, 1-41. Erfahrungssystem Nimmt die Realität der physischen (und biologischen) Welt auf und verarbeitet sie: direkt, ungebrochen Geräusche Bilder Gerüche Berührungen Alle Sinnesempfindungen Ich erfahre: Ein Pferd tritt mir auf den Fuß (Sensorik und Motorik, Kognition und Emotion sind angesprochen) Verbal-symbolisches System Nimmt die Realität der verbalsymbolisch vermittelten Welt auf und verarbeitet sie: transformiert in o Worte o Symbole (stat aliquid pro aliquo) Ich lerne in einem besorgten Vortrag, was ein Pferd auf meinem Fuß anrichtet. 87 Andrea Beetz Das Erfahrungssystem Erfahrungen: „die Ansicht eines freundlichen, lächelnden Gesichtes; der Anblick einer Schlange; der Klang einer ärgerlichen Stimme; der Geruch einer Person; die Empfindung eines auf der Haut kriechenden Insekts; der Geschmack einer Erdbeere, etc.“ Erfahrungen sind für all die Bedürfnisse relevant, die zum Überleben notwendig sind: zum Essen, Erkunden, für soziale Bindung, DominanzSubmission, Fortpflanzung, elterliche Fürsorge, Vermeiden von Gefahren etc., Erfahrungen sind direkter mit Emotionen und Motivationen (Neugierde, Wut, Freude, Zuwendung, Furcht etc.) gekoppelt, Haben eine originär-biologische Bedeutung. 88 Andrea Beetz Erweitert sich die Psychologie? „Die Verarmung unserer Erfahrung ist enorm. ... Weil wir keine sinnliche Erfahrung von uns selber mehr haben, weil wir sie abwerten, andauernd in einem Konflikt mit vielen der stillen, wortlosen Empfindungen sind, die uns beständig über die Vielfalt und die Ganzheit unseres Seins informieren, verstecken wir uns in Gedanken, in unseren Bildern und in unseren Konzepten von uns selbst. Paradoxerweise fürchten wir unsere Empfindungen als ob sie unser Sein bedrohten..“ (Rinzler, 1987, S. 102) - Nicht so Mensch-Tier-Beziehungen! 89 Andrea Beetz Zusammenfassung der Erklärungen Erfahrungsfunktionen verbinden Motivationen und Emotionen von Menschen mit Kognitionen und ihrem Handeln in Situationen der Beziehung mit anderen Lebewesen. Sie lassen - analog kommuniziert - ein Erleben der Empathie mit anderem Leben zu, das durch hormonelle und neurologische Prozesse „erklärt“ werden kann. Das alles ist evolutionär vorbereitet. Es kann zur theoretischen Begründung der sozial-psycho-somatischen Effekte von MenschTier-Beziehungen dienen. 90 Andrea Beetz Andrea Beetz Was kann ein Tier, was ein Mensch nicht kann? Anscheinend keine/kaum Übertragung von unsicherer oder desorganisierter Bindung auf Tiere (Kurdek 2008, 2009 a/b, Julius et al. 2010) ein Tier kann fast jedem Menschen effektiv Unterstützung geben und helfen, Stress zu regulieren unkomplizierte Möglichkeit zum Körperkontakt Andrea Beetz D.A.CH.-Studie Kooperationsprojekt der Universität Rostock, des IEMT Österreich/Universität Wien und des IEMT Schweiz H. Julius, A. Beetz, K. Kotrschal, D. Turner Sample • 47 Jungen im Alter von 7-11 Jahren (M=9.3) • Ausgewählt über SAT (Separation Anxiety Test) nach unsicher-vermeidender (51%) oder desorganisierter (49%) Bindung • Bindung zu Tieren über Fragebogen Andrea Beetz D.A.CH.-Studie Design • Trierer Sozialer Stress-Test (TSST) • 3 Gruppen • Hund • Stoffhund • Student (N=24) (N=13) (N=10) • Stress: gemessen über Kortisol im Speichel • Selbstauskunft Befinden: SAM • Verhaltensbeobachtung (Video) Andrea Beetz D.A.CH.-Studie Salivary cortisol – Trier Social Stress Test für Kinder • • • • • • • • • • • Entspannungsphase, Instruktionen (10 min) Salivette 1 (t1) Interaction mit dem sozialen Unterstützter (5 min) Salivette 2 (t2) TSST-C Einführung, Vorbereitung (10 min) TSST-C (10 min) Salivette 3 (t3) Entspannung (12 min) Salivette 4 (t4) Entspannung (12 min) Salivette 5 (t5) Andrea Beetz D.A.CH.-Studie Ergebnisse Kortisol • Signifikante Unterschiede zwischen den GRuppen (KruskalWallis H-Test) • t4: 2 =7.03 p=.030 • t5: 2=6.12 p=.047 • AUCi: 2= 6.17 p=.046 Andrea Beetz D.A.CH.-Studie Selbstberichtetes Befinden (SAM): • Keine Unterschiede bei Fröhlichkeit oder Aktivierung zwischen den Gruppen • Weniger Aktivierung (mehr Ruhe) nach dem TSST-C nur in der Hundegruppe (Z=-2.184, p=.029) Andrea Beetz D.A.CH.-Studie Verhaltensbeobachtung • 27% der Zeit im Körperkontakt mit dem Hund (<0% mit Mensch, ca. 11% Stoffhund) • Körperkontakt: Hund/Student: U=5.00, p=.001 • Je länger die Jungen den Hund vor dem TSST-C streichelten, desto größer war die Abnahme des Cortisol-Spiegels vom höchsten (t3 oder t4) zum niedrigsten Spiegel (t5) (rs=.488, p=.025). Stressreduktion beruht auf einer aktiven Kind-Hund Interaktion Andrea Beetz Andrea Beetz Stress, Lernen und Selbstreflektion Lernen (schulisch/in der Therapie/sozial) ist nur möglich : – in guten und vertrauensvollen Beziehungen – in Abwesenheit von Stress – Stress (schon leicht erhöhte Kortisolspiegel) beeinträchtigen die Exekutiven Funktionen • • • • • Arbeitsgedächtnis, Impulskontrolle logisches Denken Selbstmotivation Selbstreflektion Andrea Beetz Stress, Lernen und Selbstreflektion 1. Direkte Effekte des Tieres auf Angst, Stress, Entspannung – entspannte Atmosphäre (Biophilie-Effekt) 2. Der Hund/ein Tier kann helfen, eine gute therapeutische Beziehung herzustellen: sozialer Katalysator/Vertrauen 3. Modell für gute Beziehung: Therapeut-Therapietier Andrea Beetz Stress, Lernen und Selbstreflektion 1. direktes Erfahren von Nähe und Zuwendung über Körperkontakt !!! 2. Versorgen dürfen (Pflegeverhaltenssystem) 3. Tiere bringen Spaß – halten sich nicht an menschliche Normen!!! 4. Tiere motivieren auch therapiemüde Klienten!!! Andrea Beetz Einsatz von Hunden in der Pädagogik • Z.B. in der Leseförderung • Konzentrationstraining für Kinder mit ADS/ADHS • Soziales Kompetenztraining, Anti-Aggressionstraining (s. Oxytocin-Effekte) Tiergestützte Pädagogik kann Bildung und Erziehung unterstützen !!! Andrea Beetz Anwendung für die Praxis • Kontakt mit dem Hund erlauben und fördern, gerade bei angespannten Patienten/ Schülern • Hund/Tier (- kontakt) nicht rein als Verstärker/Belohnung einsetzen, obwohl der Hund auch als Motivator (Verstärker) wirken kann • Der Hund muss selbst ruhig und entspannt („stressfrei“) sein, um einen stressreduzierenden Effekt zu haben • Es muss eine gute Beziehung von Therapeut und Therapietier bestehen (Triade: Klient - Tier - Therapeut ) • Der Hund muss auch einfach Hund sein dürfen (Spaß) Andrea Beetz Fazit für die Mensch-Tier-Forschung Bindungstheorie und Vermittlung über Oxytozin als Bindungshormon tragen zum Verständnis bei: Blutdrucksenkung durch Interaktion mit Tieren (Friedmann-Studien) Gesundheitseffekte durch Heimtiere Entspannung in Stresssituationen durch Tiere Effekte der tiergestützten Therapie und Pädagogik im Bereich sozioemotionaler Kompetenzen Entwicklung sozioemotionaler Kompetenzen durch Interaktion mit Tieren in der Kindheit Andrea Beetz Fazit für AAI • (Körper-) Kontakt mit Tieren, vor allem dem eigenen Heimtier kann Stress puffern und senken, v.a. auch bei Menschen mit unsicherer/desorganisierter Bindung, die soziale Unterstützung anderer Menschen nicht so gut zur Stressregulation nutzen können • Ein Weg um Zugang zum Patienten zu bekommen, ihn „lernbereit/explorationsbereit“ zu machen, über Oxytozin, und Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung, erst zum Tier, dann zum Therapeuten – ähnlich auch im pädagogischen Setting anzuwenden • Wichtig: Verhalten des Therapeuten/Lehrers darf nicht komplementär zum unsicheren Bindungssystem des Klienten sein – daher Wissen über eigenes Bindungsmuster (Transfer eigener Caregiving-Muster) und Training in bindungsgeleiteter Intervention, sonst Risiko für den Klienten • Voraussetzung ist eine gute Therapeut – Therapietier-Beziehung (Verlässlichkeit, kein Stress – sonst Übertragung) Andrea Beetz Andrea Beetz Green Chimneys • Therapeutische Einrichtung für Kinder und Jugendliche in Brewster, NY, USA • Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Störungen vor allem aus NY City • Gründer Sam Ross Andrea Beetz Green Chimneys - Geschichte • Green Chimneys wurde bereits 1947 gegründet • in den USA führende Einrichtung für tiergestützte Interventionen bei Kindern mit emotionalen und Lern- und Verhaltensauffälligkeiten • Auch weltweit eine der ersten Einrichtungen die gezielt Tiere in der Therapie und Pädagogik einsetzten • Ziel von GC: – Kindern wieder Freude, Selbstvertrauen, Selbstwert und Hoffnung für die Zukunft zu geben – Unabhängige, selbständige und produktive Erwachsene heranziehen Andrea Beetz Green Chimneys - Geschichte • in den 90ern: – wurden das betreute Wohnen ausgebaut und drei Arbeits-Teams eingerichtet, die Gartenpflege übernahmen, eine Restaurant führten und Flaschen einsammelten (geistig behinderte Jugendliche). – Programm „Guter Freund“: Ehrenamtliche übernehmen Vorbildfunktion für Kinder alleinerziehender Eltern – 35 Kinder mit speziellen Bedürfnissen werden zusätzlich in der Ganztagsschule betreut – ein neues Schulgebäude für 12 Millionen USD wird gebaut – Verschiedene weitere Angebote werden gestartet (runaways, homeless) Andrea Beetz Green Chimneys - Geschichte • Entwicklungen in den 90ern: – Training von Assistenzhunden – Farm on the Moo-ve – Kooperation mit der Universität, Kurse in AAT, AAA – Vorschulprogramm für die Kinder aus der Umgebung – Versuch der Integration der umliegenden Bevölkerung Andrea Beetz Green Chimneys- aktuell • 35 Tagesschüler • 102 hauptsächlich männliche Kinder/Jugendliche (14 mit schwerer Psychopathologie) • Aufnahme in das Programm im Alter von 5-12 • einige bleiben bis zum Alter von 21 • Vernachlässigung, emotionaler, physischer und sexueller Missbrauch (Opfer und Täter), Alkohol, Drogen, psychische Störungen, Schul-und Lernprobleme Andrea Beetz Green Chimneys- aktuell • Tierische Therapeuten: – Farmtiere, Pferde, Lamas, Esel, Leguan, Wildgänse, Eulen, Falken, Adler, Rehe – 380 Tiere (Farm in Brewster) – viele von Tierschutzorganisationen vermittelt – Station für verletzte Wildtiere, Vögel – Pflege der vernachlässigten und verletzten Tiere • Menschliche Therapeuten: Team aus Psychologen, Pädagogen, Therapeuten, Lehrern, Tierpflegern, Tiermedizinern, Praktikanten, Ehrenamtlichen Andrea Beetz Tiergestützte Therapie Green Chimneys • Wildlife-Programm: – Station für viele verletzte Wildtiere – Touren für Gruppen und Öffentlichkeit – Kinder helfen bei der Pflege – Tiere werden wieder ausgewildert, bei Abschied eines Kindes Andrea Beetz Outcome Green Chimneys • Ergebnisse der Intervention – Aufenthaltsdauer 28 Monate (Durchschnitt) – 60% kehren in ihre Familie zurück – besseres allgemeines Funktionsniveau, Leseverständnis, Intelligenztest – viele soziale Fertigkeiten (keine Tests): Empathie, emotionale Intelligenz, soziale Kompetenz, Selbstmotivation – leider keine größere Evaluationsstudie veröffentlicht Andrea Beetz Basis der tiergestützten Interventionen Green Chimneys Theorien auf denen die Therapie aufbaut: • Biophilie • Nonverbale Kommunikation • Aschenputtel-Effekt • Expliziter vs. Impliziter Funktionsmodus • Bindung – Grundlage für Empathie – Emotionsregulation, soziale Kompetenz, Spiegelung www.greenchimneys.org Andrea Beetz Andrea Beetz Andrea Beetz Schulhunde Andrea Beetz Definitionen • Der Schulhund (Präsenzhund) verbringt regelmäßig eine gewisse Zeit im Klassenraum und im Unterricht. • Er wird von einer für den pädagogischen Hundeeinsatz ausgebildeten Lehrperson geführt. • Der Hund ist speziell auf seine Eignung getestet, entsprechend ausgebildet und wird regelmäßig im Einsatzort Schule überprüft. • Zu den wichtigsten pädagogischen Zielsetzungen des Einsatzes von Schulhunden zählt ihr Beitrag zur Verbesserung des sozialen Gefüges in der Klasse, der Schüler-Lehrer-Beziehung, des Klassenklimas und der individuellen sozialen Kompetenz der Schüler. Andrea Beetz Definitionen • (Schul-)Besuchshunde besuchen Schulklassen ein- oder mehrmals stundenweise. • Sie werden von einer für den pädagogischen Hundeeinsatz ausgebildeten, externen Begleitperson geführt. Die Tiere sind ebenfalls auf ihre Eignung getestet, entsprechend ausgebildet und werden regelmäßig überprüft. • Zu den Zielsetzungen gehört die altersgerechte Wissensvermittlung über Hunde (adäquate Haltung, Pflege, Kosten und Ausbildung, insbesondere die Ausdrucksformen wie Körpersprache, Lautäußerungen) sowie über Tierschutzanliegen (z.B. tiergerechte Erziehung, Tierquälerei, Qualzucht u.ä.). Andrea Beetz Anwendung für die Praxis • Kontakt mit dem Hund erlauben und fördern, gerade bei angespannten Patienten/ Schülern • Hund/Tier (- kontakt) nicht rein als Verstärker/Belohnung einsetzen, obwohl der Hund auch als Motivator (Verstärker) wirken kann • Der Hund muss selbst ruhig und entspannt („stressfrei“) sein, um einen stressreduzierenden Effekt zu haben • Es muss eine gute Beziehung von Therapeut und Therapietier bestehen (Triade: Klient - Tier - Therapeut ) Andrea Beetz Anwendung in der Praxis - direktes Erfahren von Nähe und Zuwendung über Körperkontakt !!! - Versorgen dürfen (Pflegeverhaltenssystem) - Tiere bringen Spaß – halten sich nicht an menschliche Normen!!! - Tiere motivieren Schüler mit negativer Schuleinstellung !!! Andrea Beetz Einsatz von Hunden in der Schule Tiergestützte Pädagogik kann Bildung und Erziehung unterstützen !!! • Studien zu Schulhunden • Rund um den Schulhund Andrea Beetz Effekte von Schulhunden Hergovich et al. 2002, Kotrschal & Ortbauer 2003: 1. Klasse Grundschule in Wien 3 Monate täglich einer von drei Hunden anwesend Ergebnisse: mehr Aufmerksamkeit gegenüber der Lehrkraft wenn Hund im Klassenzimmer weniger aggressives Verhalten mehr soziale Interaktion zufriedener mit der Schule und weniger Fehltage Klasse wurde einheitlicher im Verhalten sehr individuelle Beziehung zum Hund Andrea Beetz Effekte von Schulhunden Beetz (2012): 3. Klasse Grundschule Bamberg 1 Jahr einmal wöchentlich ein Hund anwesend Ergebnisse: mehr Lernfreude positivere Einstellung zur Schule und zum Lernen Rückgang ungünstiger Strategien zur Emotionsregulation Besseres Klassenklima Andrea Beetz Kurzzeiteffekte auf Konzentration und Leistung Gee et al. 2007, 2009, 2010a/b Kindergarten-Kindern und Vorschülern mit und ohne Entwicklungsverzögerungen und/oder Sprachprobleme in der Anwesenheit eines Therapiehundes (im Vergleich zu ohne Hund oder mit Mensch oder Stoffhund: erledigen motorische Aufgaben schneller, aber mit der gleichen Exaktheit benötigen weniger Nachfragen in Imitationsaufgaben benötigen weniger Hilfestellung bei einer Gedächtnisaufgabe weniger Fehler bei einer Sortieraufgabe mehr Motivation und Konzentration in Anwesenheit des Hundes Andrea Beetz Kurzzeiteffekte auf Konzentration und Leistung Hediger 2013 Kinder im Grundschulalter in der Anwesenheit eines Therapiehundes im Vergleich zu einem Roboterhund (AIBO) Konzentrationstests Messung der Stirntemperatur Konzentrationsleistung besser bei echtem Hund Leistungsabfall später Stirntemperatur (Stirnhirndurchblutung) länger hoch mehr Motivation und Konzentration in Anwesenheit des Hundes Andrea Beetz Rund um den Schulhund… • Praxis in D, Ö – – – – • • Hunde, Eignung Lehrer Ausbildung des Teams Tierschutz, Stresssignale Ausbildung an den PHs in Österreich Richtlinien zum Einsatz, BMUKK, Österreich Andrea Beetz Andrea Beetz Lesen mit Hund Unterschiedliche Ansätze Einzel vs. Kleingruppe Einzel: mit oder ohne Unterstützung durch Pädagogin durch Ehrenamtliche In der Schule vs. freiwillige Angebote (Büchereien etc.) Andrea Beetz Ansätze der Leseförderung … in Abhängigkeit der Lesekompetenz (Wortverständnis, Satzverständnis, Textverständnis) Lesen mit Hund (Anwesenheit) - ohne pädagogische Unterstützung Übung für disfluente Leser mit grundlegender Lesekompetenz - Motivation, Entspannung (physiologisch und aufgrund des Fehlens sozialer Bewertung) Ungeeignet für den Erwerb von Lesefähigkeit, Textverständnis Entspricht dem Viel-Lese-Ansatz, evtl. Lautlese-Verfahren Ziel: Leseflüssigkeit (Rosebrock/Nix 2008) Auch mit Schulhund: einzelne Kinder in der Lese-Ecke des Klassenzimmers Andrea Beetz Ansätze der Leseförderung Leseförderung mit Hund – mit Unterstützung einer pädagogischen Fachkraft, aktive Einbindung des Hundes in Übungen • im Einzelsetting (selten) • im Kleingruppensetting (2-4 Kinder) • Förderung von Textverständnis, Grammatik, Wortschatz und Rechtschreibung, u.a. auch mithilfe von Arbeitsblättern • Mehrebenen-Modell der Lesekompetenz (s. Rosebrock/Nix 2008): über diesen Ansatz können alle drei Ebenen der Lesekompetenz unterstützt werden: 1) Wort- und Satzidentifikation und Kohärenz 2) Wissen, Beteiligung, Motivation, Reflexion; Selbstkonzept als LeserIn 3) Anschluss-Kommunikation mit in Gruppe (Familie, Peers) Andrea Beetz Leseförderung mit Hund - Studien LeseMuT (Beetz, Bröcker & Kuntze, heilpädagogik, in press): 6. Klasse, Kleingruppe (4-6 Kinder, nach Geschlecht getrennt) Übungen und Kontakt mit Hund, Lesen eines Buchs mit Hundebezug, Leise- und Lautlesen, Arbeitsblätter zur Förderung von Satz- und Textverständnis, Lesestrategien, Leseselbstkonzept; Anschlusskommunikation 12 Termine, 1x wöchentlich (6 männliche Schüler, KG) Beide Gruppen zeigten Verbesserung des Wortverständnisses Hundegruppe steigerte den Zuwachs an Lesekompetenz über die Sommerferien, KG nicht Einfluss auf die Lesemotivation und das Leseselbstkonzept Andrea Beetz Leseförderung mit Hund - Studien Emmert & Gonzales (2012) Lesen mit Therapiehunden in der Nachmittagsbetreuung: Leseflüssigkeit IG: 15 min Lesen mit Hund, 10 Wochen (N=64) Kontrollgruppe: individualisierte Leseförderung ohne Hund (aber Interaktion mit Hund bei Begrüßung etc) (n=65) 1-minütiger Leseflüssigkeitstest jede Stunde Verbesserung: Andrea Beetz in IG: 31 Punkte in KG: 9 Punkte Leseförderung mit Hund - Studien Wohlfarth, Mutschler, Beetz et al. (eingereicht) Lesetestung, einmal mit und einmal ohne Hund Bessere Leseleistung mit Hund Weniger belastend mit Hund Andrea Beetz Leseförderung mit Schulhund Effekte und Praxis Andrea Beetz 1. 2. 3. Themen Grundlagen hundegestützter Leseförderung Effekte hundegestützter Leseförderung Praxisbeispiele Andrea Beetz Förderpraktisches Problem: Negativer Leistungsmotivationskreis Mögliche Gründe: * Erlebte Misserfolge * Negative Emotionen in vorherigen Lesesituationen * Vermeidungsverhalten * Negatives Leseselbstkonzept * Unzureichende Motivations- / Anstrengungsbereitschaft Andrea Beetz Effekte von Schulhunden in der Leseförderung -1 Kontrollierte Interventionsstudie Heyer / Beetz 2012 Stichprobe: o o o o N = 16 (8 Mädchen, 8 Jungen) Drittklässler aus 2 Grundschulen (Ø 9.2 Jahre) Interventions- und Kontrollgruppe (8 vs. 8) Randomisierung / Parallelisierung nach Alter, Geschlecht, Intelligenz (CFT 20-R; Weiß, 2008), Leseleistung (ELFE 1 -6; Lenhard & Schneider, 2006) o Förderung in 4 Kleingruppen Andrea Beetz Effekte von Schulhunden in der Leseförderung - 2 Design: • 14 Wochen Leseförderung (1 x wöchtl. 60 min) • Förderkonzeption: o Verbindung von prozessorientiertem Lesetraining (Lautlese-Verfahrungen, Wiederholendes Lesen, Lesestrategietraining) und Förderung der Subjekt/Sozialebene • Schulhund vs. Stoffhund: identisches Förderprogramm • Testung: Lesekompetenz (ELFE 1-6) + sozioemotionale Schulerfahrungen (FEESS 3-4) Andrea Beetz Effekte von Schulhunden in der Leseförderung -4 Ergebnisse Lesekompetenz -1 t2: • Steigerung der Lesekompetenz in IG + KG o keine sign. Gruppenunterschiede (Mann-Whitney U-Test: p > .05) o keine sign. Unterschiede bzgl. Leistungsveränderung von t1 zu t2 (ANOVA mit Messwiederholung: Greenhouse-Geisser: F = 1.31, df = 1.00, p = .723). t3: • IG sign. besseres Gesamtleseverständnis im Vergleich zur KG (Mann-Whitney U-Test) o Satzverständnis (p=.023), Textverständnis (p=.005, Gesamtleseverständnis (p=.046) o nicht für Wortverständnis (p=.226). • IG zeigt tendenziell stärker ausgeprägte Verbesserung (ANOVA mit Messwiederholung: Greenhouse-Geisser) o Des Wortverständnisses (F=3.726, df=1, p=.074, Satzverständnisses (F=6.188, df=1, p=.026), Textverständnisses (F=19.730, df=1, p=.001) o Beetz Der Gesamtlesekompetenz (F = 11.825, df = 1.00, p = .004) Andrea Effekte von Schulhunden in der Leseförderung - 4 Ergebnisse Lesekompetenz -2 o t4: IG im Vergleich zur KG sign. höhere Werte (Mann-Whitney UTest) o o o o Wortverständnis (p=.024) Satzverständnis (p=.002 Textverständnis (p=.001) Gesamtleseverständnis (p=.004) o t3 zu t4: IG sign. größere Verbesserung der Lesekompetenz o o o o Wort-/ (F=8.596, df=1, p=.011) Satz-/ (F=9.090, df=1, p=.009) Text-/ (F=6.623, df=1, p=.033) Gesamtleseverständnis (F = 10.652, df=1, p=.006) o t1 zu t4: IG im Vergleich zur KG sign. größerer Zuwachs an Lesekompetenz (Gesamtwert ELFE; F=39,541, df=1, p=.000). Andrea Beetz Effekte von Schulhunden in der Leseförderung - 5 t2: • Steigerung der Lesekompetenz in IG + KG Keine sign. Gruppenunterschiede • t3: • IG sign. besseres Gesamtleseverständnis im Vergleich zur KG • IG zeigt tendenziell stärker ausgeprägte Verbesserung t4: • IG im Vergleich zur KG sign. Höheres Gesamtleseverständnis t3 zu t4 • IG sign. größere Verbesserung der Lesekompetenz t1 zu t4: • IG im Vergleich zur KG sign. größerer Zuwachs an Lesekompetenz Andrea Beetz Effekte von Schulhunden in der Leseförderung - 6 Ergebnisse emotionale und soziale Schuleinstellung t1: IG sign. schlechtere Werte als KG bei o sozialer Integration (Mann-Whitney U-Test: p = .021) o Selbstkonzept der schulischen Fähigkeit (Mann-Whitney U-Test: p = .050). o IG in allen Skalen niedrigere Ausgangswerte. Unterschiede im Bereich Klassenklima, Schuleinstellung, Anstrengungsbereitschaft, Lernfreude und Gefühl des Angenommenseins nicht sign. t3: • keine sign. Unterschiede zwischen beiden Gruppen mehr feststellbar -> Verbesserung der IG im Vergleich zur KG • Für IG sign. Verbesserung bei: o o o o o sozialer Integration (Greenhouse-Geisser: F = 5.573, df = 1.00, p = .033) Klassenklima (Greenhouse-Geisser: F = 6.580, df = 1.00, p = .022) schulischem Selbstkonzept (Greenhouse-Geisser: F = 9.447, df = 1.00, p = .008), Lernfreude (Greenhouse-Geisser: F = 7.441, df = 1.00, p = .016) Gefühl des Angenommenseins (Greenhouse-Geisser: F = 4.994, df = 1.00, p 0 .042) Andrea Beetz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.hundegestützte-pädagogik.de info@hundegestützte-pädagogik.de Andrea Beetz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: [email protected] Die vorgestellte Forschung wurde unterstützt durch: Österreich Schweiz Andrea Beetz Literatur Andrea Beetz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!! Kontakt: [email protected] Andrea Beetz Andrea Beetz Tiergestützte Therapie mit Delfinen Andrea Beetz Gliederung • Ein Überblick 1. 2. 3. 4. • Geschichte Konzept – was versteht man unter „Delfintherapie“? Besonderheiten des Delfins Kritik Forschungsprojekt der Universität Würzburg 1. Projektbeschreibung 2. Theoretischer Hintergrund Andrea Beetz Geschichte • 1960er: Dr. Boris Levinson stellt fest, dass die Anwesenheit von Tieren sich positiv auf die therapeutische Situation auswirkt • 1970er: Dr. Betsy Smith testet erstmalig Delfine auf diese Wirksamkeit • Dr. David E. Nathanson gilt als eigentlicher Begründer der „Delfintherapie“. Er untersuchte 1978 die Auswirkungen von Delfinen auf gehirngeschädigte Kinder Andrea Beetz • Nathanson nennt sein Konzept „Dolphin Human Therapie“ (DHP). Das Kind wird bei erfolgreicher Bewältigung von Aufgaben durch den Kontakt zum Delfin belohnt • Ergebnisse seiner 1988 am Dolphin Research Center in Florida durchgeführten Studie bestätigen seine vorherigen Feststellungen: die Kinder zeigen ein höheres Maß an Konzentration und Entspannung • Seitdem wachsendes Interesse an der Delfingestützten Therapie • Nathanson ist heute Leiter des Therapiezentrums in Key Largo, Florida • Es gibt inzwischen über 100 Delfintherapiezentren (neben Florida und Eilat/Israel auch in Ägypten, Teneriffa, etc.) Andrea Beetz Konzept – was versteht man unter „Delfintherapie“? • Behandelt werden Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung (u.a. Down-Syndrom, Autismus) • Verbindet Tiergestützte, Aqua-, Bewegungs- und Familientherapie • Die meisten Therapiezentren verwenden das Konzept von Nathanson (DHT) oder bauen darauf auf • Kernidee: Ziel ist es, die Konzentrationsfähigkeit des Kindes zu erhöhen, um es für weitere Förderungsmaßnahmen zugänglicher zu machen. Die positiven Emotionen, die durch Delfin und Wasser geweckt werden, wirken motivierend • In der Praxis kann man unterscheiden zwischen verhaltenstherapeutischen Vorgehen und Interaktionssetting Andrea Beetz • Die Sitzungen werden betreut durch einen Therapeuten und einen Delfintrainer als „Übersetzer“ • Eine Sitzung dauert zwischen 20 und 40 Minuten • Der Behandlungszeitraum erstreckt sich in der Regel über bis zu 4 Wochen • Es können keine Wunder vollbracht, aber doch erhebliche Verbesserungen erzielt werden, vor allem durch die „Eisbrecherfunktion“ des Delfins (Aufbruch von Motivationsblockaden) • Tiergestützte Therapie mit Delfinen ist nicht als Einzelmaßnahme zu verstehen, sondern immer nur als Ergänzung zu anderen langfristigen Maßnahmen (z.B. Ergotherapie, Logopädie, Krankengymnastik) Andrea Beetz Besonderheiten des Delfins • • • • Gute visuelle und auditive Wahrnehmungsfähigkeit Hohe Lernfähigkeit Vielseitiger und interessanter Interaktionspartner In Therapiesituationen in hohem Maße kontrollierbar (zeigt selten unvorhersehbares Verhalten) • Auf das Medium Wasser beschränkt (Kind bestimmt die Distanz) • Breiter Mythos um den Delfin und dessen Charakteristika (Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, etc.) • Physisch: nach hinten gezogenes Maul und hohe Stirn Andrea Beetz Kritik • Position des Tierschutzes: Delfine können in Gefangenschaft nicht artgerecht gehalten werden • Ergebnisse einer Studie der FU Berlin zeigen, dass die Therapiestunde einen Delfin durchaus unter Stress setzen kann. (Anlass zur Sorge sowohl um das Wohl des Tieres als auch um das des Kindes) • Ansteckungsrisiken vor allem in Delphinarien • Immense Kosten (bis zu 5.000 Euro pro Woche) - kann die Qualität dieser Therapieform das rechtfertigen? • Bisher gibt es noch keine ausführliche wissenschaftliche Grundlage für die Wirksamkeit der Tiergestützten Therapie Andrea Beetz Das Forschungsprojekt der Universität Würzburg Andrea Beetz Projektbeschreibung • Projektleitung: Dr. Erwin Breitenbach, Psychologe am Institut für Sonderpädagogik der Universität Würzburg • Kooperation mit dem Delphinarium des Tiergarten Nürnbergs • Ziel: ausführliche Studie (einschließlich Kontrollgruppen) zu der Wirksamkeit der Delfintherapie ; Eltern könnten dann besser beurteilen, ob sich der hohe finanzielle Aufwand lohnt • Forschungsfragen: Sind die beobachteten Effekte tatsächlich auf die Anwesenheit des Delfins zurückzuführen? –Ist der Therapieerfolg ortsabhängig? –Erzeugen andere Tiere dieselbe Wirkung? Andrea Beetz • Therapie-Bausteine: 1. 2. 3. Urlaubs- und Freizeitatmosphäre (organisierte Betreuung der Kinder; Freizeitangebot) Sozialpädagogische Betreuung der Familie (Einbeziehung in den therapeutischen Prozess; Seminare zum Thema Behinderung; Austausch mit anderen Eltern; Reflexion der Sitzungen und Auswertung von Videomaterial) Therapeutische Interaktion mit dem Delfin (30minütige therapeutische Einheit am Tag; Interaktion in Teilschritten bezüglich der Distanz) Andrea Beetz Theoretischer Hintergrund • Kindliche Entwicklung von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, nicht nur durch therapeutische Behandlung • In Breitenbachs Ansatz werden (in Anlehnung an Befunde aus der Entwicklungspsychologie des frühen Kleinkindalters) erstmals die Eltern als möglicher Wirkfaktor diskutiert • Behinderungsunspezifische Effekte, die auf die Interaktion mit dem Delfin zurückgeführt werden, ähneln denen, die im Zusammenhang mit veränderter elterlicher Responsivität beobachtet werden (besseres Fokussieren der Aufmerksamkeit; gesteigertes Interesse an der Umwelt; verstärkte Bereitschaft zur Kontaktaufnahme; mehr Selbstständigkeit bei Aufgabenbewältigung; strategischerer Gebrauch des Bewegungsrepertoirs) Andrea Beetz • Erklärungsmodell zu der Wirkweise und den Effekten der Delfintherapie setzt daher an der Kommunikation und Interaktion zwischen Eltern und Kind an • Kinder mit Behinderung sind in der Fähigkeit eingeschränkt, Wahrnehmungen zu verarbeiten und eigene Bedürfnisse auszudrücken • Anders als bei einem gesunden Kind, haben die Eltern oft Schwierigkeiten, das Verhalten und die Signale ihres Kindes zu deuten; es kommt zu Störungen im Kommunikationsverhalten • Die Reaktion der Eltern ist oft eine (übertriebene) Zuvorkommendheit bei der Bewältigung von Aufgaben und dem Initiieren von Interaktion Andrea Beetz • Dies führt zu einer verstärkten Passivität und einem Rückzug des Kindes aus seiner Umwelt • Durch den Delfin wird das Kind zur Interaktion und zur Kontaktaufnahme motiviert • Der Therapeut hat die Aufgabe, die Handlungsinitiativen des Kindes zu unterstützen • Die Erfahrung, durch das eigene Verhalten durchaus Reaktionen in seiner Umgebung auslösen zu können, wirkt als zusätzliche Ermutigung und als Grundstein für zukünftiges Lernen • Häufig erkennen die Eltern, dass sie die Fähigkeiten ihres Kindes zum selbstständigen Handeln unterschätzt haben Andrea Beetz • Die therapeutische Hilfe bei der Interpretation des Beobachteten ermöglicht den Eltern einen „Blick von außen“ auf das Verhalten ihres Kindes • Auch der entlastende Effekt der (mit dem Therapieaufenthalt verbundenen) Urlaubsatmosphäre trägt zu einer veränderten Wahrnehmung bei • Nach der Behandlung haben Eltern oft größeres Vertrauen in die Bewältigungsmöglichkeiten ihres Kindes und können angemessener auf dessen Interaktionsversuche reagieren Andrea Beetz Literaturverzeichnis • Breitenbach, Erwin/Stumpf, Eva: Tiergestützte Therapie mit Delfinen • Hanke, Mila (2006): Doktor Flipper, in: Gehirn & Geist (2), S.90-96 • www.uni-wuerzburg.de/sopaed1/breitenbach/delfin/ [abgerufen am 22.5.2006] • www.delphintherapie.org [abgerufen am 22.5.2006] • www.magicaldolphin.com/de/delphintherapie.htm [abgerufen am 22.5.2006] Andrea Beetz Andrea Beetz Andrea Beetz Das Therapiepferd • einwandfreier Gesundheitszustand • Charakter • Größe • Gangveranlagung • Ausbildung Andrea Beetz Haltung • Grundsätzlich gilt: DAS WOHL DES PFERDES GEHT IMMER VOR • Offenstallhaltung, Weidegang • Körperlicher/ psychischer Ausgleich, Ruhepause Andrea Beetz Der Therapeut • Menschenverständnis, physisch /psychisch • Pferdeverständnis/ -kenntnis • Verantwortung für mind. zwei Andrea Beetz Wann? • körperlich • geistig Andrea Beetz Es muss nicht immer Reiten sein Andrea Beetz Art beobachten putzen satteln trensen füttern misten waschen frisieren Andrea Beetz Wirkung • • • • • • • • • Sozialverhalten Ängstlichkeit überwinden Respekt Konzentration Selbständiges Denken Motivationssteigerung Jemand passt auf mich auf (Wärme) Steigerung des Selbstwertgefühls Durchsetzungsvermögen Andrea Beetz • • • • • Soziales Tier Reiteigenschaft Haltung Geht auf den Menschen zu Vielfältig Andrea Beetz • • • • • Pferd reagiert auf Unbewusstes Nonverbale Kommunikation Gebundenheit an Gegenwart Harmonie, Freiheit Pferd mobilisiert unbewusste Wünsche und Phantasien, durch seine akuten Reaktionen verhindert es aber das Verlorengehen im Unbewussten Andrea Beetz Praxis • • • • Mit Sattel (Westernsattel) Ohne Sattel, mit Volti-Gurt Geführt, longiert, alleine reiten Einzeltherapie oder in Kleingruppen • Tod des Pferdes Andrea Beetz Andrea Beetz Tierschutzgesetz „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muß das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, daß ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, muß über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“ (TierSchG § 2) Andrea Beetz Geschichte des Tierschutzes • Emotionaler Tierschutz • Bedürfnisse und Befindlichkeiten des Menschen auf Tiere • Wissenschaftlicher Tierschutz • Physiologie, Anatomie und Ethologie der Tiere • Gesetzlicher Tierschutz • Rechtliche Grundlagen Andrea Beetz Geschichte des Tierschutzes 200 v.Chr.: „Codex Hammurabi“: Strafvorschrift mit dem Verbot, die Arbeitskraft von Tieren zu überfordern Römisches Reich: Tiere sind rechtlich Sachen gleichgestellt, Gleichgestellt mit Frauen, Kindern und Sklaven 1822: „Martin‘s Act“: Jede mutwillige und grausame Tiermisshandlung ist strafbar 1838-69: Einzelne Strafvorschriften gegen Tierquälerei 1871: Öffentliche oder Ärgernis erregende Tierquälerei unter Strafe Andrea Beetz Geschichte des Tierschutzes 1933: Jedes rohe Misshandeln oder absichtliches Quälen strafbar 24. November 1933: 1. Verwaltungsrechtliche Tierschutzvorschrift 24. Juli 1972: 1. Tierschutzgesetz der Bundesrepublik 12./18. August 1986: Novellierung des Tierschutzgesetzes 17. Februar 1993: Neufassung des Tierschutzgesetzes 25. Mai 1988: Novellierung des Tierschutzgesetzes Andrea Beetz Artgerechte Haltung, respektvoller Umgang, aufmerksame Beobachtung Vielfältige, interessante, lebendige Verhaltensweisen und Reaktionen des Tieres Interaktion, Kommunikation zwischen Mensch und Tier Mensch und Tier als gemeinsame Freunde und Weggefährten Andrea Beetz Hund Ausreichende Fachkunde Teilnahme an Fortbildungen Beziehung zwischen Hund und Besitzer Artgerechte Haltung Überprüfen der Gesundheit Andrea Beetz Katze Abwägen des Freigangs Artgerechte Innenhaltung Frühe Prägung auf Menschen Andrea Beetz Kaninchen Zwergkaninchen in Gruppenhaltung Enger Kontakt mit Menschen Unterschlupf als Fluchtmöglichkeit Fachkundige Betreuung Andrea Beetz Meerschweinchen Artgerechte Haltung in Gruppen mit ausreichend Auslauf Gewöhnung an Menschen wichtig Fachliche Betreuung Andrea Beetz Ziervögel Wellensittiche, Kanarienvögel, Prachtfinken Fachkundige Betreuung Artgerechte Haltung in großen Volieren Andrea Beetz Zierfische Gute Pflege und Betreuung des Aquariums Fachliche Betreuung Erkennen und Behandeln von Krankheiten Andrea Beetz Didaktischmethodische Vorschläge zur Umsetzung des Themas für Kinder im Schul- und Kindergartenalter Respektvolles und sensibles Verhalten gegenüber Tieren Erlangen spezifischer Fachkenntnisse Übernahme von Verantwortung und Pflichten Andrea Beetz Didaktischmethodische Vorschläge zur Umsetzung des Themas für Kinder im Schul- und Kindergartenalter Erleben von Primärerfahrungen Ganzheitlicher Lernansatz Emotionales und kognitives Begreifen Lernen mit allen Sinnen Andrea Beetz Didaktischmethodische Vorschläge zur Umsetzung des Themas für Kinder im Schul- und Kindergartenalter Das „Heimtierdiplom“ • Fächerübergreifendes Schulprojekt • Lernen des richtigen Umgangs mit Tieren durch spielerisches und spannendes Lernen • Kenntnisse über artgerechte Tierhaltung und Lernen eines sensiblen und respektvollen Umgangs Andrea Beetz Didaktischmethodische Vorschläge zur Umsetzung des Themas für Kinder im Schul- und Kindergartenalter „Kinder erleben Heimtiere“ • Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft • Lernbereiche: • • • • Aussehen und Verhalten Grundbedürfnisse Der Hund als Helfer des Menschen Richtiger Umgang mit Heimtieren Andrea Beetz Literatur: Große-Siestrup C., Fehrenberg C.: „Voraussetzungen für den tierschutzgerechten Einsatz von Tieren im Rahmen der tiergestützten Therapie“ Dr. Kleist D.: „Artgerechte Tierhaltung – ein Schlüssel zur Kommunikation zwischen Mensch und Tier“, Bremen Tierschutzgesetz, Ausfertigungsdatum: 24. Juli 1972, Stand: Neugefasst durch Bek. v. 25.05.1998 I 1105, 1818; zuletzt geändert durch Art. 7b G v. 21.06.2005 I 1666. http://www.mensch-heimtier.de (zuletzt besucht: 19.06.06) Andrea Beetz Andrea Beetz Tiere als Therapeuten – ein Hygieneproblem? Katrin Stroebel Tiere in der Heimtierhaltung: • Erhöhen die Lebensfreude wesentlich durch den Tierkontakt und die Tierpflege • Vermehrt die körperliche Aktivität durch gemeinsame Bewegung mit dem Tier • Vermehrt die Sozialkontakte durch das Tier Diese Einflüsse wirken sich günstig auf die Gesundheit aus. Therapeutische Wirkung entsteht auch durch eine wohltuende emotionale Beziehung zu dem Tier Allerdings werden, trotz der Erkenntnis der gesundheitsfördernden Wirkung, immer wieder Hygieneprobleme wie: • Infektionsgefahr und • Verletzungsgefahr angesprochen. Andrea Beetz Tiere als Therapeuten – ein Hygieneproblem? • Gesetze und Richtlinien für Heimtierhaltung: • IfSG = Infektionsschutzgesetz (Infektionsprävention) • Richtlinien für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention mit Hinweisen zur praktischen Umsetzung • Richtlinie der International Association of Human- Animal Interaction Organisations • • • • • • • • Anforderungen an Tiere: Guter gesundheitlicher Zustand Regelmäßige Entwurmung Guter Pflegezustand Keine Fixierung auf Einzelpersonen Gutmütigkeit Vollständige Impfung (Impfzeugnis) Ruhiges Wesen Andrea Beetz Risiken des Tierkontakts/der Tierhaltung Häufigste Bedenken: • • • • • • • Einschleppen von Schmutz, Haaren und Ausscheidungen Einschleppen von Krankheitserregern Verschmutzen der Kleidung Kratzen und/oder Beißen Unfälle ausgelöst durch Anspringen, Stolpern, Umreißen Auslösen oder Verschlimmerung von Allergien ‚Durcheinanderbringen‘ des funktionalen Tagesablaufes von Einrichtungen Infektionen bzw. Infektionskrankheiten durch Heimtiere: • Tier kann selbst an Infektionen (Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten) leiden, die beim Menschen Krankheiten auslösen können. • Heimtiere können Dauerausscheider von Erregern sein, die den Menschen krank machen. Auf den Menschen übertragbare Tierkrankheiten sind nach einer Definition der WHO so genannte Zoonosen. Andrea Beetz Wichtigste Zoonosen im Zusammenhang mit der Heimtierhaltung • • • • • • • • • • • • Tollwut: Für unmittelbare Gefährdung des Menschen v. a. Fuchs, Hund, Katze Vorbeugende Tollwutimpfung von Hunden und Katzen schützt auch den Menschen Bartonellose (Katzenkrankheit): Ausschließlich Katzen sind Reservoir für Erreger Erregerübertragung erfolgt primär über Biss- und Kratzwunden Beginnt beim Menschen wie grippaler Infekt, führt dann aber zu entzündlich-eitrigen Lymphknotenschwellungen Bislang in Deutschland unzureichend diagnostiziert Salmonellose: 10% menschlicher Salmonellen-Erkrankungen auf Grund direkten Kontaktes mit Salmonellen ausscheideneden Hunden, Katzen und Reptilien V. a. durch fehlende oder ungenügende Einhaltung von Hygienemaßnahmen (Händewaschen) Infektion von Hunden und Katzen v. a. durch Verfütterung roher Schlachtabfälle Andrea Beetz Wichtigste Zoonosen im Zusammenhang mit der Heimtierhaltung • Mikrosporie: • Hervorgerufen durch den Hautpilz Microsporum (M.) canis • An der behaarten Kopfhaut bilden sich kahle, runde bis ovale Flecken mit kurz abgebrochenen Haaren und grauweißlichen, mehligen Schuppen • Zunehmend auch an Händen, Unterarmen, Halsregion und Gesicht mit der Bildung vo flachen, z. T. nässenden runden bis ovalen Herden mit Krusten- und Schuppenbildung • Infektion durch direkten Kontakt (schmusen, streicheln) mit Katzen und Hunden Andrea Beetz Wichtigste Zoonosen im Zusammenhang mit der Heimtierhaltung • • • • • • • • Toxoplasmose: Bei einer Erstinfektion während der Schwangerschaft gehen die Einzeller auf das ungeborene Kind über und können zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer schweren Schädigung des Kindes führen. Schädigungen: Veränderung der Ader- und Netzhaut der Augen; verbunden mit Sehstörungen bis hin zur Erblindung (älterer) Katzenkot als Infektionsquelle der Toxoplasmose bei Menschen Alveoläre Echinokokkose: Durch Fuchsbandwurm ausgelöste Krankheit (in 95% der Erkrankungsfälle kommt es zu einer starken Lebervergrößerung) Infektionsgefahr durch Füchsen aber auch durch (streunende) Katzen und Hunde, als Träger und Ausscheider adulter, eiproduzierender Stadien des Fuchsbandwurms Infektionsquelle: durch Fuchslosung, Hunde- oder Katzenkot verschmutzte Waldbeeren, Pilze, Fallobst, Gemüse Andrea Beetz Wichtigste Zoonosen im Zusammenhang mit der Heimtierhaltung • Zystische Echinokokkose: • Durch Hundebandwurm • Infektion beim Menschen erfolgt über den Verdauungstrakt durch die Aufnahme von Bandwurmeiern • Übertragung erfolgt durch infizierte Endwirte wie Hunde und Katzen, die die Eier ausscheiden die dann im Fell haften können Kontamination der Hände bei intensivem Umgang mit dem Tier (streicheln) Allergische Reaktionen auf Tiere: • Auslösen oder Verschlimmern allergischer Reaktionen durch Einstreu, Futter, Tierhaare oder andere tiergebundene Antigene (z.B.: Speichelbestandteile, Hautschuppen) • Nagetiere schaffen häufiger Probleme als die Haltung von Katzen oder Hunden. Andrea Beetz Wichtigste Zoonosen im Zusammenhang mit der Heimtierhaltung Toxocariasis: • 5-21% der Hunde und 14-20% der Katzen in Deutschland sind mit Spulwürmern befallen. • Die Ausscheidung von Spulwurmeiern erfolgt in erster Linie durch junge Katzen und Hunde. • Erkrankung des Menschen kann gelegentlich auftreten. • Klinische Fälle (v. a. bei Kindern) äußern sich in Form von Fieber, Leibschmerzen, schlechter Körperentwicklung, Husten und asthmatischen Beschwerden. Andrea Beetz Prävention Verhütung von Infektionen: • • • Infektionsprävention durch Schulung und Verhalten des Menschen und durch die Gesundheitsfürsorge für das Tier. Zur Tierhygiene gehören: saubere und desinfizierte Käfige, Lagerplätze, Körbe, Decken, sowie hygienisch einwandfreie Futter- und Trinkgefäße und Spielzeuge. Gesundheitsfürsorge für das Tier umfasst: - vollständige Impfung - Zeitnahes Entfernen von Parasiten wie Flöhen, Zecken, Läusen, Milben - Tierarztbesuch bei Krankheitsanzeichen - Regelmäßige Entwurmung (alle 1-3 Monate) - Artgerechte Haltung mit ausreichend Auslauf und Frischluft - Regelmäßige Reinigung des Aufenthaltbereiches - Tägliche Reinigung von Futter- und Trinkgefäßen Andrea Beetz Prävention • • • • • • • • • • • • • • Verhütung von Allergien: Verringerung der Exposition zu möglichen Allergenen. Zu den sonstigen hygienischen Verhaltensmaßnahmen zählen folgende Punkte dazu: Das Tier sollte nicht im Bett schlafen und seinen Schlafplatz nicht im Schlafzimmer haben. Das Lager des Tieres, sowie Decken, Polstermöbel und Teppiche sollten regelmäßig abgesaugt werden. Beim Auftreten von Ekzemen, z.B. durch Hauterkrankungen wie Neurodermitis, sollte der Tierkontakt zeitweise minimiert werden. Der Einsatz von Tieren beim Auftreten von: Asthma (schwere Formen) Neurodermitis Immunsupprimierende Erkrankungen Akuterkrankungen wie z.B. Lungenentzündung Schwerer nicht eingestellter Diabetes erscheint nicht zweckmäßig. Andrea Beetz Tiere als Therapeuten – kein Hygieneproblem! Tiere in Therapie und in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern: Tiere in Heimen – erste Schritte: • Bewohner fragen • Personal schulen und motivieren • Besitzer einweisen (bei Besuchsdienst) • Tier- und Platzwahl (bei Haltung) • Rücksprache mit Hygienikern und Aufsichtsbehörden • BG informieren • Auflagen beachten • Hygieneplan für Praxis und Einrichtung • Personalhygiene • Daten zum Tier (Impfzeugnis, Entwurmungsprotokoll, Versicherungsnachweis) • Reinigungs- und Desinfektionsplan • Maßnahmen bei Störfällen Andrea Beetz Tiere als Therapeuten – kein Hygieneproblem! • • • • • • • • • • • Derzeit gibt es drei Formen von Tierkontakten in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes (EdG): Besuchsdienst: Die Tiere kommen mit ihren Haltern stundenweise zu Besuch in die EdG und bringen so Abwechslung in das Leben der Bewohner. Diese Art ist eine tiergeschützte Aktivität: AAA = Animal assisted activities Haltung in der EdG: Tier wird direkt in der EdG gehalten und von den Betreuern/dem Personal versorgt Variante dazu sind die Tierbegegnungshäuser, d.h. entsprechend ausgestattete Ställe auf dem Gelände der EdG, die die Patienten aufsuchen können. Therapieformen mit Tieren: AAT = Animal assisted therapy ist ein professionelles Therapiekonzept mit entsprechender Dokumentation Neben Heimtierbereich: Hippotherapie, Delphine, Rehabilitationshunde (Blindenführhunde, Signalhunde, Behindertenbegleithunde) Andrea Beetz Andrea Beetz Vom Tierquäler zum Straftäter gegen Menschen Andrea M. Beetz Dipl.-Psych., Dr. phil. Universität Rostock, Institut für sonderpädagogische Entwicklungsförderung und Rehabilitation Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Übersicht • Definition von Tierquälerei • Fallbeispiele • Arten und Motive der Tierquälerei • Studien • Tierquälerei als Symptom einer Verhaltensstörung, antisozialer Persönlichkeitsstörung und Psychopathie • Zusammenfassung Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Was ist Tierquälerei? Definition: Ascione (1993) Animal abuse is a socially unacceptable behavior that intentionally causes unnecessary pain, suffering, or distress to and/or death of an animal Weitere Überlegungen: - je nach Tierart (Wirbeltiere Wirbellose) - Häufigkeit (… wiederholtes Verhalten) - Intention Unwissen (trotzdem Tierquälerei) - sozial akzeptierte Tierquälerei (Tierversuch, Nahrungsmittelindustrie, Zucht, Jagd) - nötig unnötige Schmerzen oder Stress (Angst??) Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Fallbeispiel 1 • Davis, 21, and Crawford, 24, were charged with cruelty to animals and vandalism after killing a Yorkshire terrier. • Crawford is accused of "punting" the animal like a football. The 2-pound dog, named Gizmo, belonged to one of Crawford's neighbors. • The neighbour boy was devastated, he saw Crawford kick the dog, and only then realized it was his own dog. • Reason for the cruelty: just boredom www.pet-abuse.com Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Fallbeispiel 2 • Sharon Fowler, 35, was arrested in August 2003 for allegedly torturing a neighbor's dog in West Monroe, Louisiana. The dog, an 8-month-old Labrador retriever, had been playing with Fowler's child and others in a mobile home park when the dog reportedly scratched the child. • Fowler told police that when she later saw the dog, she went into a rage and tried to tie a rope to the dog's collar. Police reports say that the dog bit her and she proceeded to hit the dog with a hammer in front of children, then tied him to the rearview mirror of her vehicle and dragged him down the road, running over his head. www.pet-abuse.com Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Fallbeispiel 3 • A severely injured cat was brought in by her owner. The cat showed signs of strangling: her face was swollen, her mouth bleeding and her throat was nearly swollen shut. In addition, the base of her tail was broken. The veterinarian called the Humane Society to report the animal abuse and to report domestic violence after the victim's owner stated, "That's what he does to me." Following an investigation, the cat owner's former boyfriend, Danh Huynh, 35, was initially charged with nine criminal charges. At his preliminary hearing he plead guilty to felony animal cruelty, dissuading a witness and domestic violence. Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Fallbeispiel 4 • Three boys who set a hedgehog alight with deodorant, kicked it to death, and filmed the attack on a mobile phone have been quizzed by police. A parent of a pupil at Hounsdown School in Totton, Southampton, alerted teachers after the 14 to 16-year-olds showed the film to classmates. Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Opfer von Tierquälerei • oft Heimtiere: Hunde, Katzen, • wohl auch kleinere Tiere wie Kaninchen und Meerschweinchen (evtl. leichter zu verstecken, da im häuslichen Bereich) • Pferde oder Farmtiere (meist auf Weide) • Wildtiere z. B. Igel, Vögel, Frösche etc. • häufig in USA: aus Tierheimen entwendet oder Streuner Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Täter • Geschlecht: Frauen und Männer, letztere aber erheblich häufiger, zumindest bei aktivem Quälen, Frauen oft eher Vernachlässigung und Animal Hoarding • Kinder; Fälle mit Tätern im Alter von 6 Jahren sind ebenso gelistet wie alle Altersstufen darüber - Mädchen und Jungen, letztere erheblich öfters vertreten • Gruppen: oft 2 oder mehr Täter, meist Jugendliche, auch Mädchengruppen (neueres Phänomen: Filmen der Tat mit dem Handy und Herumzeigen bei Gleichaltrigen) Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Arten von Tierquälerei • Wie bei Gewalt gegen Menschen wird zwischen folgenden Kategorien unterschieden: – Physischer Missbrauch – Sexueller Missbrauch – Psychischer Missbrauch • Nach Munro (2004) sind bei Tieren fast alle Verletzungsmuster, die es auch in Fällen von Kindesmisshandlung gibt, zu finden Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Arten von Tierquälerei – – – – – – – „Stocking-Burn“ Zigaretten-Verbrennungen Fesselung Haltung in zu kleinen Käfigen/Schrank Verdursten und Verhungern Vernachlässigung physischer oder sexueller Missbrauch und/oder Mord Bsp. Pferderipper, Zoosadismus – shaken baby syndrome – Münchhausen-Syndrome by Proxy (Munro 2004) Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Arten von Tierquälerei Grundlegende Formen des Tiermissbrauchs: • Schlagen treten anzünden verbrühen Feuerwerkskörper stechen würgen hängen vergiften enthaupten mit Steinen bewerfen Drogen erschießen erschlagen Kämpfe Einführen von Objekten Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Motive für Tierquälerei • Kontrolle (Einschüchtern, Bestrafen, Schockieren z.B. häusliche Gewalt): – über das Tier – über den Besitzer des Tieres • Rache/Wut – gegenüber dem Tier wegen Ungehorsam, ins Haus pinkeln, bellen, knurren etc. – gegenüber dem Tier-Besitzer • Aggression über das Tier ausdrücken: – scharfen Hund auf andere Personen oder deren Tiere hetzen) Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Motive für Tierquälerei • Unspezifischer Sadismus “Freude am Quälen” - Auch sexueller Sadismus, Hinweis auf Psychopathie • Neugier (Kinder) – Ameisen grillen, Schmetterlinge fangen, Tier falsch händeln, v.a. im Alter unter 4-5 Jahren (ab 3 Jahren entwickelt sich die Fähigkeit zur kognitiven Empathie); • Druck von Gleichaltrigen (Jugendbanden; Filmen, Mutproben, Mobbing) • Weg um andere psychisch zu quälen Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Motive für Tierquälerei Vor allem im Rahmen häuslicher Gewalt: • Attachment zum Tier (Schutz vor Schlimmerem): • Posttraumatisches Spiel • Weitergabe eines Missbrauchserlebnisses (Kindheit) In den USA wird bei einem Fall von Tierquälerei bei feststehendem Täter/Umfeld, auch das Jugendamt benachrichtigt, falls Kinder im Haushalt leben ( und umgekehrt; case teams) Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Aufmerksamkeit gegenüber Tierquälerei ist wichtig, nicht nur wegen des Wohl des Tieres • Sie gibt wichtige Hinweise auf eine grundlegende Störung des Täters (Forderung nach psychiatrischer Begutachtung) • oder das Umfeld s. häusliche Gewalt • Studien zeigen, dass Gewalttäter oft auch gegenüber Tieren gewalttätig geworden sind – Beispiel Serienkiller (USA) – haben häufig in der Kindheit und Jugend schon Tiere gequält Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Veralteter Ansatz: “Mörder”-Triade Enuresis, Brandstiftung, Tierquälerei • Graduations-Hypothese – Zuerst Tierquälerei , dann Gewalt gegen Personen – Nicht belegt! General Deviance Hypothesis - zeitgleich wahrscheinlicher, - “ungefährlicher” ein Tier zu quälen, besser zu verheimlichen Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Sexualmörder (Ressler et al. 1988): – N=36 – Tiermissbrauch in Kindheit – Tiermissbrauch in Jugend – Tiermissbrauch als Erwachsener 36% 46% 36% • Zum Vergleich: In Normalstichproben haben 3-15% Tiere gequält Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Studie Kellert and Felthous (1985) – N=152 Straftäter, 51 Nicht-Straftäter – Interviews zur Tat und zur Tierquälerei – 60% aller Straftäter haben irgendwann einmal ein Tier verletzt (eingeschlossen Flügelausreissen 1/3) – 25% der aggressiven Straftäter haben Tiere in mehr als 5 Fällen gequält – 6% der nichtaggressiver Straftäter haben Tiere in mehr als 5 Fällen gequält Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt Tingle et al. (1986) Sexualstraftäter – 48% der Vergewaltiger haben Tiere gequält (N=21) – 28% der Täter, die Kinder sexuell missbraucht haben, haben Tiere gequält (N=43) – 57% der Vergewaltiger vs. 23% der Täter, die Kinder missbraucht hatten, haben wenigstens einmal jemanden schwer körperlich verletzt – kaum Unterschiede bei Diebstahl (74-76%) Tierquälerei ist bei der Gruppe mit höherer Gewaltbereitschaft gegenüber Menschen höher Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt Ascione et al (2003): Tierquälerei im Kindesalter (6-12) – Gruppe 1: 481 sexuell missbrauchte Kinder – Gruppe 2: 540 nicht sexuell missbrauchte Kinder – Gruppe 3: 412 psychiatrisch auffällige Kinder (nicht sexuell missbraucht) Bericht der Mütter über CBCL ad CSBI; Tierquälerei: – Sexuell missbrauchte Kinder 18% – Psychiatrische Störung 16% – Normale Gruppe 3% Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt Tierquälerei und zwischenmenschliche Gewalt (Korrelationen) – Cruel to animals/cruel to others: r=0.42** – Cruel to animals/touches animal‘s sex parts: r=.012** – Cruel to others/touches animal‘s sex parts: r=.012** Signifikanzen wie oben in der Normalgruppe und sexuell missbrauchten Gruppe Die Korrelationen zu „touches animal‘s sex parts“ in der PsychiatrieGruppe war nicht signifikant. Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Animal Abuse and Interpersonal Violence Beyer and Beasley (2003), USA Tierequälerei bei Pädosexuellen Tätern 25% der “hands on“ Täter 5,8% der “hand off” Täter Typische Situationen der Tierquälerei (Hensley & Tallichet 2005) • • • • • • 62% affect 38% entertainment 22% control 41% negative association 15% impression management 14% sex Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Beetz (2002) Jugendliche Sexualstraftäter (N=27) – 45% hatten Tiermissbrauch beobachtet – 37% hatten Tiere missbraucht (Gewalt, Drogen) – 60% hatten auch sehr enge Beziehungen zum eigenen Tier - Ansatz für tiergestützte Therapie, Förderung von Empathie, evtl. leichter gegenüber Tieren Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Tiermissbrauch in Rahmen häuslicher Gewalt (Ascione 1999) – Um Kinder und Frau zu erpressen – Frauen bleiben oft länger wegen des Heimtieres, da Frauenhäuser Haustiere meist nicht aufnehmen safe havens for pets program in USA – Warnzeichen – Kinder ahmen das Gesehene nach Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Störung des Sozialverhaltens im Jugendalter – DSM-Definition: • Langanhaltenes Verhalten, das die Rechte anderer und soziale Normen verletzt • Aggression • Quälen anderer Personen und Tiere • Zerstörung von Eigentum anderer • Feuerlegen • Kümmert sich nicht um Gefühle, Wünsche und Gesundheit anderer Lebewesen Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Missbrauch von Tieren und interpersonale Gewalt • Verhaltensstörungen entwickeln sich oft weiter zu einer antisozialen Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter: – Durchdringendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer Personen: • • • • • • • Nichtbeachtung von Normen + Lügen und Betrügen Impulsivität, fehlende Fähigkeit vorauszuplanen Wiederholte Verwicklung in Schlägereien oder Angriffe + Missachtung der eigenen Sicherheit und der anderer Verantwortungslosigkeit + Fehlen von Reue Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Zusammenfassung • Große Bandbreite von Tierquälerei – involvierte Tiere – Arten der Tatausführung – Art der Verletzungen • Aktiver Missbrauch vs. Vernachlässigung • Unterschiedlichste Täter, aber häufiger männlich • Verschiedenste „Gründe“ für Tierquälerei Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Zusammenfassung • Tierquälerei ist prozentual häufiger bei Menschen zu finden, die auch gewalttätig gegen Menschen geworden sind • Keine eindeutigen Belege der „Graduations-Hypothese“ • Tierquälerei ist ein eindeutiges Warnzeichen für eine Störung des Sozialverhaltens /der Impulskontrolle • Oft ist schon in der Kindheit bei später überführten Tätern Tierquälerei zu finden Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Zusammenfassung Tierquälerei ist ein wichtiges, früh zu findendes Warnzeichen für eine Verhaltensstörung Tierschutz ist nicht nur im Sinne des Tieres, sondern auch im Sinne der Gesellschaft Vernetzung der Stellen, die sich mit Tiermissbrauch, häuslicher Gewalt bzw. psychiatrischer Begutachtung beschäftigen Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: [email protected] Andrea Beetz - Tierquälerei – Zürich 9.2.2010