"Reich mir mal den Rettich rüber" Auch die Dreißigjährigen halten Abstand von Idealen und Prinzipien. Privatglück ist ihnen allerdings wichtiger als Karriere. von Nina Pauer DIE ZEIT Nº 37/201422. September 2014 Draußen abhängen, statt drinnen schuften. Hauptsache: Man macht es sich schön. Lebensstil: Anpassung – Die 68er waren als Generation des Protests leicht zu definieren. Seither streiten Soziologen, wie die folgenden, politisch eher unauffälligen Alterskohorten zu definieren sind. Bloße Karrieristen oder Träumer auf der Suche nach einer neuen Innerlichkeit? Gibt es ein neues Biedermeier – oder nur mehr Opportunismus? Überall Einweckgläser. Aufgereiht, meist leer, man soll sie mit nach Hause nehmen. Gibt es plötzlich mehr Marmelade? Nein, nur Menschen, die gern Marmelade einkochen, Brotaufstriche, Chutneys, Pannacotta. Das Einweckglas ist das Accessoire einer neuen Häuslichkeit, die vor allem junge Paare befallen hat. 30-jährig, gesund und munter, zieht es sie hinaus in die Natur, auf den Biomarkt und ins Umland, das sie mit dem Fahrrad erkunden. Und natürlich zurück in die Stadt, in den Szenebezirk, bepackt mit Frischem, Einfachem und Gutem, das man schließlich nicht alles an einem Abend essen kann. Managerstudien, Sachbücher und Zeitungen sind sich einig: Sie attestieren jungen Erwachsenen inzwischen eine Lebenshaltung, die mit der Getriebenheit der beschleunigten Arbeitswelt bricht. Die sogenannte Generation Y strebe nicht mehr danach, Chef zu werden, sie wolle Glück statt Geld, Freizeit statt Karriere, Privatleben statt Macht. Zeit, die es zu füllen gilt. Räume, die es zu befüllen gilt. Einwecken, Brot backen, Kochkurse belegen, das gehört zu den beliebten Beschäftigungen, denen der Sänger Rainald Grebe in seinem Lied 30-jährige Pärchen ein Denkmal setzt. "Reich mir mal den Rettich rüber", so der Refrain des Songs, der einen Abend bei selbst gemachtem Sushi beschreibt, zu dem sich das besungene Paar mit einem anderen verabredet hat. "Wenke und ich sind froh, dass wir bei uns in der Straße immer einen Parkplatz finden." – "Ja, das ist optimal." Solche Dialoge kennzeichnen diese Abende, an denen es stets heißt , dass man sie "unbedingt wiederholen" müsse. Übers Wohnen wird geredet, über gemeinsam geplante Urlaube und die neueste Fernsehserie, nach der man jetzt so süchtig geworden sei. Der Staffelpass für Fernsehserien wie Borgen, Homeland, House of Cards ist kein Armutszeugnis für eine Beziehung, in der man sich nichts mehr zu sagen hat. Denn hier wird schon lange nicht mehr einfach nur ferngesehen, um vom Alltag zu fliehen. Jede geschaute Episode bedeutet ein Eintauchen in die Welt zu zweit, ins ritualisierte Zusammensein. Es hat nichts von stumpfem Nebeneinanderherleben, sondern ist eine bewusste gemeinsame Aktivität. Der Inhalt des gemeinsamen Glücks an sich, das, von dem man erzählt, von dem man Bilder auf Instagram und Facebook nach außen dringen lässt. Die Generation Rettich postet, was das Zeug hält. Erst die Vorführung des Glücklichseins macht das Glücklichsein zum Glücklichsein. Und das liegt in der Perfektion: Kaffeeschaum ist nicht nur Kaffeeschaum. Es ist der qualitativ beste, der ästhetisch tauglichste, das ultimative Symbol für einen bewusst erlebten Moment. Babys und Babyspinat, selbst gepflückte Blumen, der alte, rustikale Bauerntisch – all das wird fürs Publikum, für Freunde und Follower aufbereitet. In der neuen Pärchenästhetik ist der Status quo zum Ideal geworden, den man immer weiter verfeinert. Essen, parken, wohnen. Es sind Verben einer ewigen, zirkulären Dynamik, eines romantischen Kreisverkehrs, der sich selbst genügt. Kein Transzendenzstreben steckt in dieser Autopoiesis der Zweisamkeit, keine Mission. Ein selbst gebackenes Dinkelbrot kann schließlich Projekt genug sein. Das Einweckprinzip des guten Lebens besteht in der stetigen Reduktion. Im immer Natürlicheren, Puristischen, das signalisiert, weniger statt mehr zu benötigen. Ein schönes Konzept der Lebenskunst jenseits des Konsums – wenn es nur nicht im aufwendigen, teuren Kunstwerk erstarrte. Man braucht nur Erdbeeren zum Glücklichsein? Aber bitte in der feinen Schale aus Japan, auf der schwedischen Landhaustischdecke, wo schon die Ray-BanBrille und das iPad hindrapiert liegen. Ein pseudo-buddhistischer Hypermaterialismus, der signalisiert, dass man ganz und gar nicht materialistisch sei. Man möchte diesen Paaren ihren Frieden und ihre fortwährenden Glückspräsentationen nicht gönnen. Ihrer Fixierung auf die Idylle könnte man einen Rückzug in den geistigen Vorruhestand unterstellen. Doch es liegt auch etwas Rührendes in der Gegenwelt, die sie entwerfen: ein Zuhause im altmodischen Sinne, eine Zone der Wärme und der neuen Verlässlichkeit inmitten der kühlen Risikogesellschaft mit ihren Scheidungsstatistiken und befristeten Verträgen. Und ist die Naturverbundenheit, die das Paar inszeniert, nicht tatsächlich das Glück, nach dem sich alle sehnen? Kann man ihnen wirklich böse sein, dafür, dass sie ihren Frieden so unbekümmert ins Schaufenster stellen? Eskapismus, Privatismus, Gartenzwergismus? Sie wollen es sich doch nur schön machen. 204 1 DIE KuNS T DES ESSENS Selbstgemachtes Brot als eine Essthetik des Widerstands . der groß10 · dustriel· Unter der computerautomatisierten Produktionsweise ·chllch 1 B.. k · h · . ser Arbeits·· en ac erei sc eint der Verfall des Brotmach en- K"onnens unauswei Sennett kommt zu dem folgenden Schluss: »Als Resultat ~e tl'ch geba· 1 · wissen · die Bäcker allerdings nicht meh r, wie · Brot eigen weise . Vollkorn· cken wird. Automatisiertes Brot ist kein Wunder an technis.cher "ber die menheit; die Maschinen geben regelmäßig falsche Infonnatio.~en ud rauf· Lai'be im · Ofen, beispielsweise messen sie nicht genau die Stärke . er kön· gehenden Hefe oder den wirklichen Zustand des Brotes. Die Arbeitdie' Ma· · . am Bildschirm ausgleichen, . · k"nnen e ba· 0 ne~ dies~ Fehler teilweise sie Hand schinen Jedoch nicht einstellen, oder, wichtiger noch, Brot von 14 1 Sennett, Der flexible Mensch, 88 UNSER TAGLICH' S -~~~~~~E_X_T_RA_B_E_IL_A_G~E~:~G~E~BT~U~N~S~~~~··~~~MI YMBOLBROTI 1 . M h. --~ cken, wenn die asc inen - wie so oft _ ausf; 1 . kr··r. b . . a len Als pro ge Arbeits aite esitzen sie kein praktisch w· . grammabhängiissen.« . d . . es (Ebd 8 . . ·· 7) Viele Kritiker der Ess kultunn ustne stimmen da .. b . . . . ru er em, dass d. R . . ie ationahsierung und Stan d ar d isierung mit einem Verzi ht fh . c au andwe kl. h erkauft wird, wodurch der Geschmack der Produkt . ~ lC e Qualität voneinander unterscheidet. Doch klingt in die Kl e sic~ immer weniger ser age em un „ ti gischer Ton durch, welcher der traditionellen Welt des al no g nostalHandwerks nachtrauert. Auch der Kulturkritike S . thergebrachten r ennett ist sich dur h c aus der Gefahr eines Konservativismus bewusst der d. V . . ' ie ergangenheit e· beschwerlichen Arbeitswelt mythologisiert. Selbstiron· h .. . mer . . isc raumt er diesen nahe hegenden . Einwand . aus: »Man . muß diesen Verlust des mens eh.hehen Handwerks Jedoch . nicht unbedingt romantisieren-• als lei·dens ehaftl.icher ~mateurkoch fand ich die ~ualität des. Brotes, das den Herstellungsprozeß uberstand, hervorragend, eine anscheinend von vielen Bostonern eteilte Meinung, denn die Bäckerei ist beliebt und profitabel.« (Ebd.) g Gleichwohl weiß Sennett - zumal als leidenschaftlicher Amateurkoch - , dass ein anderes Brotmachen und ein besserer Brotgeschmack möglich ist Das selbstgemachte Brot als beispielhafte Frucht einer kulinarischen Lebenskunst gehört zum bekannten Arsenal der revolutionären Praktiken einer politischen Gegenküche. 1 5 Warren Belasco hebt hervor, dass das Ideal des eigenen Kochens und Brotbackens, das der maschinell produzierten Weißbrot-Fertigware und mithin jedem industriellen Fertigessen entgegengehalten wird, einen »Kult der Kreativität« und eine »Liebe zu den Dingen« zum Ausdruck bringt, die freilich unter den Kritikern der »Counter Cuisine« Bewegung als Anachronismus belächelt würden. Zweifelsohne trifft für deren historische Anfänge zu, dass »Brotbacken eine Form des therapeutischen Werkelns und der Meditation war: ein Weg, die Aufmerksamkeit zu bündeln, eine Chance, langsamer zu machen und für einige Stunden im sinnlichen Kontakt mit Texturen und Aromen und dem Gefühl zu verbringen, etwas aus dem Nichts erschaffen zu haben.« (Ebd„ 2 78) Das Tassajara Bread Book, das der Zen-Meister Edward Esp~ Brown · h ·· . h · b wurde als die >Bibel des zur g1eic en Zeit wie Lappes Oko-Diät sc ne · eh 16 Brotbackens< bezeichnet. Doch würde man das Id~~l de~ ~elbstg~:aku~ ten Brotes mit einer falschen Romanisierung und Spintuahsierun~ . . . 1 di 1·eh eine Begeisterung 1manschen Eigenarbeit belasten wenn damit e g 1 . ·t für liebevolles Backkunsthandw~rk und die Wiederbelebung emed unkriz~b1·~ .. . d ·· - wovor er . thischgemaße mystische Welt des Dorfbäckers verbun en ware h · echt warnt. 0 ie e sc e Brotkulturtheoretiker Sennett, wie gesagt, zur "'be dem ästhetische Gegenmacht des kulinarisch Selbstgemachten gegenu r 15 1 Belasco, Appetite for Change M · ters Brown · p rt •t des Zen- eis 16 1 Brown, The Tassajara Bread Book: em 0 rai k your Life . rfiilm How to coo (b eim Brotbacken) zeigt Doris Dörries Dokumenta (2007) 206 1 DIE KUNST DES ESSENS . ll F rtigprodukt besagt nicht, dass das >tägliche B . l' d . rot~. da 1'ndustne. He rrn< der Lebensmitte 1n ustrie geben, in Zuku ft s llns heute die > e .. ·d b n UUr enes sein musste. Bei er e enso profanen Wie uk noch selber geb ack . z unft . nach einem fnschen und wohlschmeckenden h' swe1. senden Frage . ' > 11hnilisch urn kein Entweder-Oder zwischen symbolbrotkap't . . en Brot< ge ht . 1 a1lStisch dung einerseits und altbackener Selbstversorgung d . er Bevormun . . . un Eigen b "tlerei andererseits. Vielmehr macht die 1dealtyp1sche Gegenüberst 11 · ro F m'gkost versus Selbstkochen am Beispiel des Brotes deutl' he dung von e . . . ic , ass die esskulturelle En~cklu~~ der 1:ens~hhe1t all~~n~ dur~h die individuelle Untätigkeit und Unwissenheit im Kulinanschen ermoglicht wird, wogegen von der täglichen Selbsttätigkeit einer kulinarischen Lebenspraxis eine gastrosophische Asthetik des Widerstandes ausgehen kann, die nicht zuletzt auch von gutem Geschmack zeugt. Welche Richtung die zukünftige Entwicklung der globalen Ernährungsverhältnisse einschlägt, hängt daher vielleicht von technologischen Wundern oder spirituellen Erweckungen ab; sie hängt aber ganz sicher vom tagtäglichen Tun und Lassen der Individuen ab. Eine besonders wirkungsmächtige Aktivität, die kumulativ und unaufhaltsam die riskierte Welt des Essens zum Wohle aller verändern könnte, ist die ku· linarische Praxis. Zweifelsohne klingt dies lächerlich, wenn nicht abstrus. Doch es sollte deutlich geworden sein, welche gesellschaftliche Bedeutung das Kochen und Essen haben, wenn darin einmal mehr gesehen wird als bloß eine alltägliche Nebensache und Notwendigkeit. Daher schließe ich mi~~ den Worten des Gastrosophen Tudge, Autor des Buches Future Food. Polttics, Philosophy and Recipes for the 21st Century, an: »Ich bin naiv genu~, z~ g~auben, dass die mit Abstand wichtigste Sache, die die Menschheit richtig mach d' en muss, 1e Essensproduktion ist.« Li - A B B B B 2 . 2 . [SSENMACHEN ZWISCHEN HAUSFRAUENPFLICHT UND LEBENSKUNST - - 1 33 Substitution des täglichen Selbstkochens durch bequeme Fertigkost Folgen dieser ökonomisierung der Esskultur sind etwa der >Ersatz< des einst rituellen Mittagsessens der Familie durch individuelle Imbisse sowie durch die Verschiebung der Hauptmahlzeit auf den Abend, bei der bequeme Fertigkost (Convenience Food) im Nu, ohne viel zeitlichen und arbeitsmäßigen Aufwand, zubereitet auf den Tisch kommt. Kultursoziologische Studien stellen immer öfter fest: »Essen zu Hause bedeutet zunehmend kalte Küche oder aber schnell zubereitete Fertiggerichte.«38 Die zeitliche Arbeit für die tägliche Essenszubereitung liegt heute durchschnittlich insgesamt unter vierzig Minuten. Nur noch in einem Drittel der Haushalte wird überhaupt noch täglich gekocht. Die Realität des Küchenalltags tendiert unter diesen Bedingungen zur völligen Abschaffung der kulinarischen Selbsttätigkeit. »Im Extremfall bedeutet ein Versorgen der Familie nur noch ein Verteilen und Aufwärmen von fertigen Gerichten. [„.] Kinder holen sich z.B . mittags Pizza vom Imbiss etc.« 39 So trägt die vorhe~­ schende und zukunftsträchtige Fast Food Kultur entscheidend dazu ~ei, 40 dass »die Neigung, das Essen selbst zu kochen, schwindet« · Auch diese Vorliebe des westlichen Geschmacks globalisiert sich. In vielen Entwicklun?sländern wird infolge der zunehmenden Einkommen immer me~r Weizen gegessen. Einer der Gründe für diese Veränderung ist, dass Weizenprodukte wie Weißbrot oder Nudeln schneller gar sind. Die WeißbrotNudel-Diät ist die einzige Option, wenn sich für Frauen, die traditionell die 37 1 Hansen, The Cook, his wife, the madam, and their dinner, 86 38 1 Spiekermann, Eßkultur heute, 8 39 1 Erna"hrungstrend 2000+, 44 40 I Grimm, Aus Teufels Topf, 90 134 j 2 . Ü IE LEBENSKUNST, GUT ZU ESSEN Küchenarbeit leisten, »bessere Berufschancen und höhere Geh"l . Z . 4r I d . a ter biet zum Kochen bleibt dann wemger eit.« n em Maße, wie h en. weit die zahllosen Varianten einer industriellen Fertigküche das ~u~e Welt. Menschen bestimmen, erlahmen die kulinarische Fähigkeiten u eden der · kl ung spiege · 1t sic · h in · d er T atsache wider, dass n Koch · künste. Diese Entwic oft nichts kochen, wenn i'h re M"anner un d Ki n d er abwesend sind. 42 Frauen Die allmähliche Substitu~~o~ des täglichen. Se~bstkochens durch be. queme Fertigkost'. Fremdverkostigung und Imb~ss~itten charakterisiert die sich seit einundeinhalb Jahrhunderten perfekt10nierenden Industnai· . rung der Nahrungsproduktion: Immer schneller und Arbeit spare d isie. . . n er soll es gehen. Die Küchenausstattung wird sukzessive nach ergonomisch Gesichtspunkten optimiert. Die Hausar~eit an Kriterien wie Effizienz ~~ Rationalisierung gemessen. Neue und immer bessere Küchengeräte und Küchentechnologie sollen die tägliche Mühsal erleichtern: Der moderne Elektroherd versprach müheloses, sauberes Kochen; der Mixer, der den Fleischwolf ablöste, zerkleinerte nicht nur, sondern mischte auch neu. Der Mikrowellenherd ermöglichte einen weiteren Quantensprung in der Physik und Logistik einer schnellen Küche. Der Kühlschrank hielt Lebensmittel länger >frisch< und bereitete den Siegeszug der Tiefkühlkost vor. Vieles von dem, was in der herkömmlichen Küche geputzt, geschält, geschnitten, geknetet, gegart etc. werden musste, gibt es inzwischen in einer immer größer werdenden Auswahl industriell vorgefertigt oder verzehrfertig zu kaufen. Eine zwangsläufige Konsequenz der Bereitschaft, sich von der Küchenarbeit weitestgehend zu befreien, das heißt diese tägliche Arbeit an (oft schlecht) bezahlte Dienstleistungen unbekannter Anderer und fremder Vor-Münder (und deren ökonomischen Eigeninteressen) zu entäußern, ist jedoch eine gastrosophische Fremdbestimmung und eine reale Bevormun· dung des eigenen kulinarischen Wohls durch die kommerzielle Großküche, die industrielle Grande Cuisine. Die selbst verschuldete Entrnündi· gung und frei gewählte Entfremdung, die eigene Seele oder Essistenz an die Vor-Münder der Lebensmittelbranche im buchstäblichen wie im über· tragenen Sinne zu verkaufen stößt selbstverständlich auf unendliche Ge· , ~ genliebe. »Diese Tendenz kommt dem gemeinsamen Bestreben der Ern · · dustrie · und kommerziellen Gastronomie, na·mI·1Ch di e häusliche rungsin „ ~ Essenszubereitung komplett abzuschaffen, entgegen.« 43 Doch ma~ · h nic · h t: Dieser · · der gro ß.m dustnellend sch e SlC mephistophelische Pakt mit >Teufelsküche <bedeutet für den modernen Menschen, für die Praue~ un. . wichtl· nicht minder auch für die Männer bis zu einem gewissen Grade eme . . , . ühsehgen ge En tl astung und ein Stück emanzipatorische Befreiung von m d Arbeitsprozessen, einen strategischen Zugewinn an freien Zeiten un 41 Pinstrup-Andersen, Future, 42 Brunner, Zukunftsfähig essen?, 21 7 Mennell et al., The Sociology of Food, Eating, Diet and Culture, 93 43 20 2 .2. ESSENMACHEN ZWISCHEN HAUSFRAU ENPFLICHT UND l EBENSKUNST l t35 Freiheiten für ande~e Di~g ~ s ben . Do h di all nt h id nd Gewichtung und Dialektik emer selbstbestimmt n xi nz bir b n b . W eh die entsprechenden Konsequenzen für da kulinari h au n. » uns zunehmend fehlt in ~nserer von Zeitbanditen (das sind wir übrig ns selber) bedrohten Welt, sind Muße und Wertschätzung für Einkauf und Hausarbeit. Nur deshalb können Convenience-Produkte so erfolgreich in 44 _ selbst im Biosektor.« Dass den vorherrschenden Ernährung gewohnheiten letztlich der freiwillige Verzicht auf Kochkun t und kulinari eh r Eigenarbeit zugrunde liegt, ist k~um zu ~ezweifeln. >Der Hauptgrund für das Fortbestehen des status quo ist, dass sICh Bequemlichkeit_ das tärk te Lockmittel der Nahrungsindustrie - weiterhin verkauft.«45 Angesicht dieser radikalen ökonomisierung der häuslichen Küchenarbeit stellt ich die esellschaftstheoretische Frage, »ob diese Hinausverlagerung bis zur völliBeseitigung der Eigenarbeit weitergehen kann und soll«4 6 . :en 44 Geier, überleben unsere Lebens-Mittel?, 147 45 Belasco, Appetite for Change, 285 46 1 Garz, Kritik der ökonomischen Vernunft, 219 1. Das wilde Tier in uns oder Die klassische Diätmoral Vorbemerkung Von Anfang an hat die westliche Philosophie die Menschen an eine Denkweise _ wöhnt, die das Essen als eine ethische Angelegenheit entwertet. Diese programmatis;~e Entwertung lässt sich anhand der platonischen und aristotelischen Philosophie des Essens studieren. Ihre Ernährungslehre ist von zwei Grundbewegungen gekennzeichnet. Einerseits degradiert sie das kulinarisch Gute und die gastrosophische Weisheit zu angeblich unwichtigen und unphilosophischen Dingen. Auf diese Weise verdrängt die klassische Philosophie das Essen aus dem Zentrum des Wissens und der Lebenspraxis. Andererseits aber vermag sie sich nicht des existenziellen Sachverhaltes zu entziehen dass man essen muss - dass Mensch zu sein auch wesentlich bedeutet, ein sich ernäh-' render Leib zu sein, der sich durch mehr oder weniger Gutes zu erfüllen hat und dieses Sein wohl oder übel verkörpert. Die herkömmliche Verachtung des Kulinarischen im Kanon des philosophischen 1 Denkens gilt, wie wir sehen werden, vor allem der moralischen Problematisierung einer unbeherrschten Esslust. Die verbreitete Lust eines ungezügelten Appetits wird mit einer philosophischen Verachtung des Essens bekämpft - mit dem Ziel einer tugendhaften Selbstbeherrschung gegenüber den sinnlichen Genüssen im Besonderen und dem kulinarischen Genussleben im Allgemeinen. Die von Platon und Aristoteles vorgetragene Kritik an den gesellschaftlich vorherrschenden Ernährungsverhältnissen richtet sich vor allem gegen eine Völlerei als dem falsch erfüllten Leben eines unersättlichen Konsums. Statt aber diese Kritik durch das gastrosophische Ideal eines ethisch guten Essens zu ergänzen, formuliert die platonische und aristotelische Ernährungsphilosophie das Diätprogramm einer Moral der mäßigen Küche: einer fundamentalen Reduktion der gastrosophischen Möglichkeit und Vernunftidee eines guten Essens auf eine ,richtige Diät'. Das asketische Ideal dieser Diätmoral spricht dem Nahrungsgeschehen jeden philosophischen Eigenwert und alltagskulturellen Selbstzweck ab. Die metaphysischen Prämissen der klassischen Ernährungslehre erklären die Sache des guten Geschmacks zur Nebensache einer bloß animalischen Bedürfnisbefriedigung. Das Essen wird in diesem Denken zum Inbegriff einer biologischen Notwendigkeit: einer UnfreiAls ,Kanon des philosophischen Denkens' bezeichne ich die vorherrschende Rezeptionsgeschichte des platonisch und aristotelisch geprägten Mainstreams der westlichen Philosophie. L 1-IAcITfc. 20 . h die die wabre geistige Bestimmung seines Vemunftw f; he1t de en .c en gei tmetaphysi chen oder rat10na . i·istiscben . . esens . Antbro 1 . in Fr· stellt. Au die er K" h po og1e ct11 „ J hervor die den Zusanunenhang on uc e und Vernunft w· geht e· 1ätmora , '. fi d d' issen tn macht In Platon und Aristote1es 1n et iese ga trosophis h Und Es verges en . · . . . . ,. r. d nk . . c e Ess vor . e er. . ens ergessenheit ihre vielleicht . emflussre1chsten . . . Wer . sich rrut der antik rungslehre be chäibgt, widmet sich daher mcht rrgendemem beliebi en_EllJäh. stand der kla sischen Philo ophje. Vielmehr beruht „die kritische Deta1Igegen. . h . i· h . e1t des D bei der Hinwendung zur p]atomsc -anstote isc en Diätmoral da · d' . enkens·· · · · F 1 nn, ie e1g chichte zu problemat1s1eren, um - w1e oucau t zu den Motiven sein A . ene Ge. zung mit der antiken Sexualmoral ausführt - „seine Sichtweise zu er .. usemanderset. Horizont des Bekannten zu modifizjeren und um nach Möglichk .tverandem, um den · " 2 o· · gewinnen. 1ese elb stkri t1·k der westlichen Philosophie ist ei etwas Ab stand zu herauszuarbeiten, ob und wie weit es mögUch wäre ' das Ess en an dzu „ f1 . ers unternehmen zu d nk ' um vemun t1ger zu leben. e en, um es Arbg~n 2 3 F ucault eb Pl at n , . rauch der Lü te 16 , . • rg1a 4 5 dam . 1t usammen a. Da PI aton üb wir sehen , da s ein b er da ssenm deswe werden) eine eth' ewunderter Freund achen überhaupt nachdenkt hängt vennutlicb der Na~en auf da - seine/s~he Bedeutung beim.und Lehrer Sokrates der kulinarischen Praxis (wie . eigenen Me1nung . PI aton 1m . ,Gorgias' das Gespräc h nur den so llirungszub · w·- erenung w . nachisst.. So lenlct . kcit geral1" III .t du Wohl' d e1d1Sokrates ausdru" k/e1gentl1ch abwegige und unbedeutende - Thema . %u se· ig . se1n?p mir . · 1 :' a eh uaufd a efa11 ·c tchdar . au fd„ rangt, dass darüber gesprochen wer1n scheint ·" ( Platon r ge rn · okrate . igsein .. fi so viel Wert legst mir auch in einer Klein1g, rgia 462d) · 0 rage mich doch, w~Jche Kunst die Koch.ktJilSt Quellen Text 1: Nina Pauer, DIE ZEIT Nº 37/201422. September 2014 Text 2: Harald Lemke, Die Kunst des Essens, S.204-206, Tanskript Verlag, 2005 Text 3: Harald Lemke, Die Kunst des Essens, S.133-135, Tanskript Verlag, 2005 Text 4: Harald Lemke, Ethik des Essens, S.19-20, Akademie Verlag, 2007