Ruhr-Universität Bochum PD Dr. med. Marc Wick Dienstort: Krankenhaus Eggenfelden Abteilung für Chirurgie Frühinfektion einer Duokopfprothese: Welches Vorgehen zeigt die besten klinischen Resultate? Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Igor Maul aus Abaj (Kasachstan) 2010 Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. med. M. Wick Koreferent: Prof. Dr. med. T. Kälicke Tag der mündlichen Prüfung: 17.01.2012 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung……………………………………….. 4 2. Material und Methoden ……………………….. 15 2.1. Patientenkollektiv………………………….. 15 2.2. Patientendaten……………………………... 16 2.3. Gruppeneinteilung…………………………. 17 2.4. Harris-Hip-Score…………………………… 18 2.5. Auswertung…………………………………. 20 Ergebnisse………………………………………. 20 3.1. Infektionsrate und perioperative Letalität… 20 3.2. Gruppenbezogene Ergebnisse……………. 20 3. 3.2.1. Gruppe I……………………………………. 21 3.2.2. Gruppe II…………………………………… 23 3.2.3. Gruppe III………………………………….. 26 3.2.4. Statistische Auswertung………………….. 29 4. Diskussion…………………………………….. …. 29 Literatur……………………………………………. 40 Danksagung Lebenslauf 1. Einleitung Die Oberschenkelhalsfraktur ist eine schwerwiegende Verletzung des Bewegungsapparates. Während sie im jungen Alter relativ selten vorkommt und meist Folge eines Hochrasanztraumas ist, stellt sie im hohen Alter eine der häufigsten Frakturen dar. Die Folgen dieser Verletzung im Alter sind weitreichend. Nur 5060% der Patienten erreichen nach Abschluss der Behandlung die gleiche Gehfähigkeit wie vor dem Unfall, was eine erhebliche Einschränkung der Selbstständigkeit bedeutet [9]. Viele Patienten kommen nach dem Trauma in ihrer häuslichen Umgebung allein nicht mehr zurecht und sind auf Pflegeeinrichtungen angewiesen. Das Invaliditätsrisiko beträgt bei zuvor nicht pflegebedürftigen Menschen 20-30% [34, 35]. Starke, frakturbedingte Schmerzen, Blutverlust sowie perioperative Immobilisation stellen für die oft multimorbiden Patienten eine erhebliche Belastung dar und sind häufig ursächlich für das Auftreten peri- und postoperativer Komplikationen. Die Mortalität nach einer Oberschenkelhalsfraktur beträgt unabhängig von der Versorgung im Alter 20-25% in den ersten sechs postoperativen Monaten [9], wobei gerade nach Komplikationen noch höhere Zahlen veröffentlicht wurden [41]. Als Hauptursache für vermehrte Anfälligkeit für Frakturen des proximalen Femurs im Alter wird Osteoporose genannt [2, 19, 24, 34, 45]. Bei 79% der Männer und 89% der Frauen mit Oberschenkelhalsfraktur liegt eine klinisch manifeste Osteoporose vor [19]. Diese Verletzung betrifft die Frauen im Alter über 65 Jahre 2,4-3 mal häufiger als Männer [9], was mit der höheren Prävalenz der Osteoporose bei Frauen (Männer:Frauen=1:4) zusammenhängt [19]. 4 Ein weiterer wichtiger Faktor für das Auftreten der Oberschenkelhalsfraktur bei älteren Menschen ist die erhöhte Sturzanfälligkeit. Diese ist in hohem Alter häufig durch z.B. Nebenwirkungen von Medikamenten (Neuroleptika, Schlafmittel), Schwindel und andere Störungen der Koordination bei neurologischen Erkrankungen sowie Synkopen bei kardiopulmonalen Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten bedingt [34]. Seltener kommt eine pathologische Fraktur als Folge der benignen oder malignen Veränderungen im Bereich des Schenkelhalses vor. Die Inzidenz der Oberschenkelhalsfraktur bei über 65-Jährigen beträgt in Deutschland ca. 110-130 Fälle pro 100000 Einwohner [2, 9, 34]. Wegen der demografischen Altersentwicklung wird mit jährlicher Steigerung der Inzidenz von 3-5% gerechnet [2]. Pro Patient werden in der Literatur durchschnittliche Behandlungskosten von ca. 20000 Euro erwähnt, was hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung die erhebliche jährliche Belastung des Gesundheitssystems in Deutschland von 2,7 Milliarden Euro ergibt, Tendenz steigend [34]. In Anbetracht gravierender Veränderungen im Leben eines alten Menschen nach Eintreten der Fraktur, steigender Inzidenz und folglich zunehmender jährlicher Belastung der Sozialversicherungssysteme wird die Rolle der Prävention immer wichtiger. Es existieren bereits mehrere Präventionsmaßnahmen, deren Wirksamkeit durch Studien belegt ist. Dazu zählen medikamentöse Behandlung der Osteoporose, Alltagsschulung, Anpassung des häuslichen Umfeldes (z.B. Beseitigung der „Stolperfallen“), Förderung der Koordination und der gezielten körperlichen Bewegung durch physiotherapeutische Maßnahmen, gute medikamentöse Einstellung der vorhandenen Erkrankungen sowie Anwendung 5 äußerer Hüftprotektoren. Mit diesen Maßnahmen kann ein Sturzrisiko laut Studien um ein Drittel reduziert werden [28, 34, 45]! Die am häufigsten verwendeten Klassifikationen zur Einteilung einer medialen Schenkelhalsfraktur sind die Klassifikationen nach Pauwels, Garden sowie AO-Klassifikation [1, 2, 33]. Die Klassifikation nach Pauwels berücksichtigt den Winkel zwischen der Frakturlinie und der Horizontalen (s. Abbildung 1): Abbildung 1. Einteilung der Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels Pauwels I: Frakturwinkel ist kleiner als 30°, Abduktionsfraktur in Valgusstellung, Abrutschgefahr gering Pauwels II: Frakturwinkel zwischen 30° und 50°, Adduktionsfraktur in Varusstellung, Abrutschgefahr groß Pauwels III: Frakturwinkel ist größer als 50°, instabile Abscherfraktur. Die Klassifikation nach Garden berücksichtigt den Dislokationsgrad der Fraktur [1, 2, 14], es werden 4 Kategorien definiert (s. auch Abbildung 2): 6 Garden I: eingestauchte, valgisierte Fraktur (ca. 12% der Fälle) Garden II: vollständige, nicht dislozierte Fraktur (ca. 20% der Fälle) Garden III: vollständige Fraktur mit teilweiser Dislokation (ca. 48% der Fälle) Garden IV: vollständige Fraktur mit vollständiger Verschiebung, kein Kontakt des Kopffragmentes mit dem Oberschenkelhals (ca. 20% der Fälle). Abbildung 2. Klassifikation nach Garden Im Gegensatz zu den oben aufgeführten Klassifikationen wird die AO-Klassifikation (s. Abbildung 3) seltener angewandt [1, 2]. Abbildung 3. AO-Klassifikation 7 Dabei ist die Fraktur des proximalen Femurs, die mit 3.1 regionspezifisch klassifiziert wird, in Abhängigkeit von Lokalisation und Dislokationsgrad in B1 bis B3 eingeteilt: 3.1-B1: subcapitale, impraktierte oder wenig dislozierte Fraktur 3.1-B2: transzervikale Fraktur 3.1-B3: subcapitale, nicht impraktierte, dislozierte Fraktur Die Therapie der Schenkelhalsfraktur kann je nach Art und Dislokationsgrad konservativ oder operativ erfolgen. Das operative Vorgehen wird in der Regel bevorzugt, gerade im Hinblick auf die notwendige Mobilisierbarkeit der Patienten: Oberste Priorität hat die schnellstmögliche Wiederherstellung der Mobilität des alten Menschen. Dadurch können immobilisationsbedingte Komplikationen (Thrombose, Embolie, Dekubitus, Pneumonie usw.) reduziert werden. Bei der operativen Versorgung muss Belastungsstabilität im Frakturbereich erreicht werden, da ältere Menschen meist nicht mit Teilbelastung oder gar Entlastung mobilisierbar sind. Ausnahmeindikation für die konservative Therapie ist die nicht dislozierte, eingestauchte mediale Schenkelhalsfraktur (Garden I). Etwa ein Drittel der konservativ behandelten Patienten muss letztendlich doch wegen sekundärer Dislokation (10-15%) oder Hüftkopfnekrose (bis zu 30%) operiert werden [3, 45]. Bei hüftkopferhaltenden Verfahren wird eine Osteosynthese innerhalb von sechs Stunden nach dem Unfall angestrebt. Die prothetische Versorgung wird als planbar eingestuft, sollte jedoch nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden durchgeführt werden [42]. Bei der operativen Therapie unterscheidet man hüftkopferhaltende und hüftkopfersetzende Verfahren. Bei der erstgenannten Behandlungsform handelt es sich meist um eine osteosynthetische Versorgung mittels Spongiosaschrauben, dynamischer Hüftschraube 8 (s. Abbildung 4) oder eines Marknagelsystems wie y-Nagel oder proximaler Femurnagel. Der Hüftkopfersatz wird durch Implantation einer Duokopfprothese (s. Abbildung 5) oder einer Totalendoprothese (TEP) realisiert. Abbildung 4. Osteosynthese mit der dynamischen Hüftschraube Die Duokopfprothese wird bei der Behandlung einer Schenkelhalsfraktur des älteren Menschen gegenüber einer Totalendoprothese bevorzugt. Gründe dafür sind kürzere Operationszeiten, ein geringerer perioperativer Blutverlust und somit ein niedrigeres Operationsrisiko, was sich wiederum in einer niedrigen perioperativen Mortalitätsrate widerspiegelt [39]. Die Indikationen für eine TEP- Implantation sind zum Beispiel eine zum OP-Zeitpunkt bestehende Coxarthrose sowie Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis [39]. 9 Abbildung 5. Duokopfprothese (zementiert) Die Verankerung des Prothesenschaftes kann sowohl zementiert als auch zementfrei erfolgen. Bisher gilt die Zementierung einer Duokopfprothese insbesondere bei älteren Patienten mit osteoporotischen Knochenverhältnissen als Standardverfahren. Ein Hauptargument für die Schaftzementierung ist die sofortige postoperative Belastungsfähigkeit. Das Einbringen des Zements ist jedoch gerade bei kardial vorbelasteten Patienten nicht frei von Komplikationen, die vom Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufstillstand mit letalem Ausgang führen können. Parivizi et al. untersuchten alle Todesfälle, die sich im Rahmen der Hüftendoprothetik intraoperativ ereigneten: Ausnahmslos alle Todesfälle ereigneten sich in der Patientengruppe, in der zementiert 10 wurde. In der Gruppe der Patienten, die zementfrei versorgt wurden, ereigneten sich intraoperativ keine Todesfälle [31]. Neuere Prothesenmodelle erlauben das zementfreie Vorgehen auch bei älteren Patienten: Wick et al. [49] stellten fest, dass die zementfreie Prothese auch bei älteren Patienten mit Osteoporose mit guten postoperativen Ergebnissen einsetzbar ist. Dabei war die sofortige schmerzorientierte Vollbelastung ohne negativen Effekt auf die Osteointegration des Schaftes möglich. Da die Behandlungskosten der zementfreien Prothesenimplantation im Vergleich zur zementierten etwas höher sind, was in DRG-regierten Zeiten nicht unwichtig ist, sollte das zementfreie Vorgehen zumindest bei kardial vorbelasteten Patienten angewendet werden. Zu den häufigsten Komplikationen einer prothetisch versorgten Fraktur des coxalen Femurendes zählen allgemeine postoperative Komplikationen (Thrombose, Lungenembolie, Pneumonie), Hämatome und Serome sowie die Prothesenluxation und -infektion [9, 45]. Die Protheseninfektion bedeutet eine gravierende psychische und physische Mehrbelastung für die älteren, meist polymorbiden Patienten. In allen Fällen ist mit deutlicher Verlängerung des stationären Aufenthaltes, mit mehreren Operationen sowie mit erheblicher Verschlechterung der Mobilität zu rechnen. Die Behandlungskosten verdoppeln sich im Durchschnitt und betragen ca. 50000 Euro pro Patient. Die Häufigkeit einer postoperativen periprothetischen Infektion wird mit 0,5-2,45% angegeben [9, 38], in Risikokollektiven (ältere und multimorbide Patienten) liegt sie mit bis zu 5,3% deutlich höher [16, 38]. Nach Implantation einer Duokopfprothese wird sogar über Zahlen bis zu 8% berichtet [5]. 11 Mögliche Infektionswege sind: Direkte Kolonisation des Implantats intraoperativ durch Kontamination an der Wunde oder über den Luftweg Infektion per continuitatem, wie z.B. durch den direkten Kontakt mit einer infizierten Stelle (infiziertes Hämatom, Wundinfektion) Hämatogene Besiedlung Dabei ist häufig eine geringe Keimzahl ausreichend, um die Infektion auszulösen. Charakteristisch ist ein atypisches Erregerspektrum, das im Wesentlichen aus niedrig virulenten Keimen der normalen Hautflora besteht [16]. Risikofaktoren für die Infektionsentwicklung sind Erkrankungen und Faktoren, die eine Schwächung der lokalen und allgemeinen Abwehr zur Folge haben. Gesicherten Einfluss auf die Infektionsentwicklung haben maligne Erkrankungen, vorausgegangene Hüftoperationen sowie postoperative Wundinfektionen ohne Implantatbeteiligung [4]. Weitere Faktoren wie rheumatoide Arthritis, Kortisontherapie, Diabetes mellitus, Mangelernährung sowie hohes Lebensalter gehen ebenfalls mit einer Schwächung der Immunabwehr einher. Deren Wirkung auf die Entwicklung einer Protheseninfektion konnte bisher durch die Studien nicht eindeutig belegt werden. Der Ablauf einer Kolonisation wird durch mehrere Phasen gekennzeichnet. Am Anfang adhärieren die Bakterien, die auf die Implantatoberfläche gelangt sind, mit Hilfe der spezifischen Rezeptoren an die auf dieser Oberfläche vorhandene Proteinmatrix (Abbildung 6). 12 Abbildung 6. Adhäsion der Bakterien an der Implantatoberfläche mit Hilfe der Adhäsivmoleküle wie Fibronektin, Fibrinogen, Vitronektin und anderen Im weiteren Verlauf kommt es zur Akkumulation der Bakterien mit Ausbildung eines mehrschichtigen bakteriellen Biofilms (s. Abbildung 7). Abbildung 7. Biofilmbildung, vermittelt durch Exopolymere Die durch die Bakterien produzierten Stoffe wie Polysaccharide haben einen antiphagozytären Effekt und beeinträchtigen damit körpereigene Abwehrmechanismen. Zusätzlich kommt es zur Ausbildung von atypischen bakteriellen Zellvarianten, die durch erhöhte 13 Antibiotikaresistenz gekennzeichnet sind und erheblich zur Persistenz der Infektion beitragen [16]. Aus diesen Gründen ist die Infektsanierung ohne vollständige Fremdkörperentfernung nach Abschluss der oben genannten Kolonisationsvorgänge in vielen Fällen nicht erfolgreich. Klinisch unterscheidet man eine Frühinfektion von einer Spätinfektion. Diese Aufteilung ist für die Wahl des therapeutischen Vorgehens sehr wichtig. Als Frühinfektion bezeichnet man eine drohende oder gesicherte Implantatinfektion zum Zeitpunkt vor der Ausbildung des bakteriellen Biofilms. Die Zeitgrenzen werden in der Literatur unterschiedlich angegeben, es wird ein Manifestationszeitpunkt innerhalb der ersten vier Wochen bis drei Monate nach der Implantation genannt. Es gibt jedoch Studien, die eine hohe Versagenrate der für die Sanierung einer Frühinfektion etablierten Therapiemethoden dokumentieren, die später als sechs Wochen nach Erstoperation zum Einsatz kamen [10, 17]. Als Gründe dafür werden die zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Kolonisationsvorgänge wie Biofilmbildung und Mutation der Erreger zu den Varianten genannt. Somit wird die zeitliche Grenze zwischen Früh- und Spätinfektion meist bei sechs Wochen nach Ersteingriff definiert. Um die Therapie der Protheseninfektion zu optimieren und Behandlungskosten so gering wie möglich zu halten ist ein richtiges Management von immenser Bedeutung. Nur mit einem strukturierten, auf den Patient und die Art der Infektion zugeschnittenen Diagnoseund Therapiekonzept lässt sich dieses für Arzt und Patient schwierige Problem optimal lösen. Die Behandlungsstrategie einer periprothetischen Infektion muss unter der Berücksichtigung der individuellen Situation jedes einzel- 14 nen Patienten gewählt werden. Wichtige Faktoren, die diese Entscheidung beeinflussen sind: Zeitpunkt der Infektmanifestation (Früh-/Spätinfektion) Allgemeinzustand des Patienten Art und Resistenzlage der nachgewiesenen Keime Befunde der bildgebenden Diagnostik (lockerer oder fester Prothesensitz) Intraoperativer Befund Gerade das Vorgehen beim Frühinfekt ist Gegenstand kontroverser Diskussionen, wurde jedoch in der Literatur bisher noch nicht ausreichend untersucht: während einer medline Recherche zeigte sich, dass es zwar über 1000 Arbeiten zum Vorgehen und der Behandlung einer Protheseninfektion gibt, sich jedoch keine Studie explizit mit dem Frühinfekt nach der Implantation einer Duokopfprothese beschäftigte. Daher war es das Ziel unserer retrospektiven Untersuchung, verschiedene Therapiekonzepte auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und einen geeigneten Algorithmus zu finden, der es erlaubt, diese schwerwiegende Komplikation möglichst rasch und effizient zu beherrschen. 2. Material und Methoden 2.1. Patientenkollektiv Wir ermittelten mit Hilfe der OP-Management-Software der Firma Cymed 988 Patienten, bei denen vom 01.01.1995 bis zum 31.12.2000 nach einer Schenkelhalsfraktur eine Duokopfprothese implantiert wurde. Aus diesem Gesamtkollektiv wurden 56 Patienten mit einer oder mehreren Revisionsoperationen selektiert, davon wa- 15 ren acht Patienten zuverlegt. Nach der Auswertung der Behandlungsakten mussten acht Patienten ausgeschlossen werden. Bei den verbliebenen 48 Patienten lag eine periprothetische Frühinfektion (innerhalb der vier Wochen nach Duokopfprothesenimplantation) vor. Als Implantat diente bei allen ein zementierter MüllerGeradschaft mit Keramik- oder Stahlkopf und einem Duokopf mit PE-Inlay. Zementfreie Schäfte wurden wegen Gruppenhomogenität nicht berücksichtigt. Im Einklang mit der Literatur [25, 38] definierten wir folgende Einschlusskriterien: Postoperativ dauerhaft erhöhter oder erneut ansteigender CRP-Wert Auftreten von allgemeinen Infektzeichen (Wundrötung, Schwellung und Schmerzen) Sekretion im Wundbereich. Ein fehlender Keimnachweis schließt eine Infektion nicht immer aus, da eine bakteriologische Untersuchung häufig durch mehrere Faktoren (z.B. falsche Abnahme, vorhandene Antibiose) erheblich beeinflussbar ist. 2.2. Patientendaten Nach Durchsicht der Behandlungsakten wurden Patientendaten in einer selbsterstellten Tabelle dokumentiert, die Erfassung wurde zunächst gruppenunabhängig durchgeführt. Erfasst wurden folgende Daten: Alter und Geschlecht Zeitspanne zwischen Unfall und Duokopfprothesenimplantation Art der Prothesenverankerung (zementiert/zementfrei) 16 OP-Dauer und -Zeit Komplikationen (Art und Zeitpunkt des Auftretens in Bezug auf die Erstoperation) Anzahl und Art der Revisionseingriffe Laborbefunde (CRP-Wert, Bakteriologie) Präoperativer Zustand (Vorerkrankungen, Gehfähigkeit) Stationäre Verweildauer, Entlassungsart (Verlegung, AHB, nach Hause, Tod). Außerdem wurde die postoperative Gehfähigkeit sowie Symptome und Befunde entsprechend dem unten genannten Harris-Hip-Score dokumentiert und daraus die patientenbezogene Punktzahl errechnet. 2.3. Gruppeneinteilung Die Patienten wurden retrospektiv entsprechend der für die Behandlung der Infektion angewandten Therapiemethode (laut der Operationsberichte) in drei Gruppen aufgeteilt: Gruppe 1: Patienten mit Revisionsoperation (Wunddebridement, Lavage) ohne Änderung am Implantat, Einbringen eines lokalen Antibiotikumträgers Gruppe 2: Patienten mit Wechsel des Polyethyleninlays sowie des Prothesenkopfes gegen Stahl, Einbringen eines lokalen Antibiotikumträgers Gruppe 3: Patienten mit Austausch des Keramikkopfes gegen einen Metallkopf und Implantation einer Hüftpfanne, Einbringen eines lokalen Antibiotikumträgers Die erste Gruppe bestand aus 18 Patienten mit durchschnittlichem Alter von 83,6 Jahren (min. 59, max. 101 Jahre). Es handelte sich um fünfzehn Frauen und drei Männer. 17 Sechzehn Patienten der zweiten Gruppe waren durchschnittlich 79,7 Jahre alt (min. 62, max. 92 Jahre). Die Gruppe bestand aus zwölf Frauen und vier Männer. Bei den 14 Patienten der 3. Gruppe handelte es sich um zehn Frauen und vier Männer mit einem Gesamtdurchschnittsalter von 71,1 Jahren (min. 53, max. 83 Jahre). Bei allen Patienten wurden vor der Revisionsoperation eine Sonographie, eine Gelenkpunktion sowie eine Gram-Färbung durchgeführt. Entsprechend dem Antibiogramm erfolgte postoperativ die Gabe eines Antibiotikums. Als Endpunkt der Untersuchung haben wir den sechsten Monat nach der letzten Operation festgesetzt. Grund dafür war die Tatsache, dass unabhängig von der Art der Therapie nach Implantation einer Duokopfprothese ca. 20% der Patienten innerhalb des ersten Jahres nach der Verletzung versterben und möglichst viele Patienten im Rahmen der Nachuntersuchung erfasst werden sollten [35]. 2.4. Harris-Hip-Score Die Beurteilung der Behandlungsergebnisse wurde mit Hilfe des Harris-Hip-Score modifiziert nach Haddad durchgeführt (Tabelle 1). Bei diesem Hüftscore werden nach subjektiven Patientenangaben und nach klinischen Befunden die postoperative Schmerzsymptomatik, Funktionalität, Deformitäten und Bewegungsumfang beurteilt [18]. Es werden maximal 100 Punkte vergeben, man bewertet die Schmerzsymptomatik mit maximal 44 Punkten, die Funktionalität mit 47 Punkten. Die Deformität und Bewegungsumfang gehen mit insgesamt 9 Punkten in die Bewertung ein. Da wir keine Patientenbefragung durchführen konnten, werteten wir die Angaben in den Ent- 18 lassungsbriefen sowie Pflege- und Verlaufsberichten aus und vergaben dementsprechend die Score-Punkte. Tabelle 1. Harris-Hip-Score modifiziert nach Haddad I. Schmerz (44 Punkte möglich) Kein Gelegentlich Leicht Mäßig Stark 44 40 30 20 10 II. Funktion (47 Punkte möglich) A. Gang (33 Punkte möglich) B. Aktivitäten (14 Punkte möglich) Kein 11 4. Treppensteigen Normal 1. Hinken Leicht 8 mit Hilfe eines Geländers Mäßig 5 mit Hilfe einer anderen Methode Schwer 0 nicht möglich Keine 11 5. Anziehen von ohne Schwierigkeiten 2. Gehhilfe 1 Gehstock für Strümpfen und 7 mit Hilfsmitteln lange Gänge Schuhen 1 Gehstock 5 unmöglich dauernd 6. Sitzen 1 UA4 Normaler Stuhl, 1 Stunde Gehstütze 2 Gehstöcke 2 hoher Stuhl, 1/2 Stunde 2 UA0 1/2 Stunde Sitzen unmöglich Gehstützen 11 7. Benutzung Möglich 3. Gehstrecke Unbegrenzt öffentlicher 1/2 bis 1 Stun8 unmöglich Transportmittel de 10 Minuten bis 5 1/2 Stunde unter 2 Minuten/nur im 0 Hause III. Fehlen einer Deformität (4 Punkte möglich) keine fixierte Abduktion >10° keine fixierte Innenrotation >10° in Extension keine Beinlängedifferenz >3cm keine fixierte Beugekontraktur >30° 4 2 1 0 4 2 0 5 3 0 1 0 1 1 1 1 IV. Bewegungsumfang* (5 Punkte möglich) 210-300° 5 160-209° 4 100-159° 3 60-99° 2 30-59° 1 0-29° 0 *Umfang von Beugung + Abduktion + Adduktion + Außenrotation + Innenrotation im operierten Hüftgelenk 19 2.5. Auswertung Die Patientendaten wurden zuerst gruppenbezogen ausgewertet. Dabei wurde die Hauptpriorität auf die Beurteilung der Infektion und der durchgeführten Therapie gelegt. Anhand der Patientenakten der stationären und der ambulanten Behandlung wurden die klinischen Verläufe ausgewertet. Bei den Patienten der zweiten und dritten Gruppe lag ein tiefer Protheseninfekt vor. Da es sich um konkurrierende Verfahren handelt, haben wir die Therapieergebnisse in diesen beiden Gruppen miteinander verglichen. Die statistische Auswertung mit dem exakten Test nach Fisher erfolgte durch das Software Programm SPSS©. 3. Ergebnisse 3.1. Infektionsrate und perioperative Letalität Die Infektionsrate in dem untersuchten Patientenkollektiv war mit 4,9% zu verzeichnen (48 von insgesamt 988 Patienten). Die perioperative Letalität bezogen auf die 48 Patienten mit Duokopfprotheseninfektion betrug 22,9% (11 Fälle). Fünf Patienten verstarben an den direkten Folgen einer Infektion, bei den übrigen sechs Patienten kam es im Verlauf zu Dekompensation der bestehenden Vorerkrankungen. 3.2. Gruppenbezogene Ergebnisse Die Tabelle 2 zeigt die demografischen Daten der Patienten aller 3 Gruppen. 20 Tabelle 2. Demografische Patientendaten Anzahl der Patienten Durchschnittsalter Geschlecht m/w Gruppe 1 18 83,6 3/15 Gruppe 2 16 79,7 4/12 Gruppe 3 14 71,1 4/10 3.2.1. Gruppe I Bei 13 Patienten der Gruppe 1 wurde die Operation innerhalb von 24 Stunden nach Unfall durchgeführt, die weiteren 5 Patienten mussten wegen ihrer Vorerkrankungen länger als 24 Stunden vorbereitet werden. Vor dem Sturz waren in dieser Gruppe 15 Patienten gehfähig (in 3 Fällen mit Hilfsmitteln). 3 Patienten waren bettlägerig. Bei den 5 Patienten ermittelten wir nach Auswertung der Vorerkrankungen ASA 1-2, bei den übrigen 13 wurde ASA 3 festgestellt. Ein Malignom lag bei 1 Patienten vor. Die Revisionsoperation wurde durchschnittlich nach 13,8 postoperativen Tagen durchgeführt (s. Abbildung 8). 10 8 6 Patientenzahl 4 2 0 Tag 3-7 Tag 7-14 Tag >14 Abbildung 8. Zeitpunkt der Revisionsoperation in der Gruppe 1 21 Präoperativ bestanden bei allen Patienten lokale Infektzeichen, ein sicherer positiver Keimnachweis konnte in neun Fällen erbracht werden, CRP-Anstieg > 5mg/dl wurde bei 16 Patienten festgestellt. In 17 Fällen war nur eine Revision notwendig, in einem Fall wurde 3mal revidiert. Der Infekt konnte in 89% der Fälle beherrscht werden (s. Abbildung 9). 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Infektsanierung in % Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Abbildung 9. Infektsanierungsrate im Gruppenvergleich Bei 12 Patienten ergab sich intraoperativ ein Hämatom oder Serom epifaszial ohne Zeichen eines tiefen Infektes. In sechs Fällen reichte die Infektion bis zur Prothese. Der stationäre Aufenthalt dauerte durchschnittlich 31,2 Tage (s. Abbildung 12). Acht Patienten wurden in die AHB entlassen, weitere drei wurden verlegt. Drei Patienten wurden nach Hause entlassen. Die perioperative Letalität in dieser Gruppe betrug 16,6% (s. Abbildung 13). Zwei Patienten verstarben infektbedingt im Rahmen eines septischen Multiorganversagens, bei einer Patientin führte die kardiale Dekompensation zum Tode, eine Patientin verstarb im weiteren Verlauf im Rahmen eines Herzinfarktes fünf Monate postoperativ. Der Harris-Hip-Score betrug durchschnittlich 59 Punkte (s. Abbildung 14). Bei der Berechnung wurden die verstorbenen Patienten 22 nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse der Gruppe 1 sind in der Tabelle 3 zusammengefasst. Tabelle 3. Ergebnisse der Patienten aus Gruppe 1 (n=18), jeweils 6 Monate postoperativ. *=verstarb im weiteren Verlauf im Rahmen eines Herzinfarkts fünf Monate postoperativ Patient ASA präoperative Zeitpunkt der Gehfähigkeit Infektion Anzahl der Revisionen Keim CRP Intraoperativer Befund Therapieergebniss HHS 1 2 ja 14. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ Hämatom Infektsanierung 58 2 3 ja 3. p.o. Tag 1 steril ↑ Serom Infektsanierung 30 3 2 ja 9. p.o. Tag 1 steril ↑ Hämatom Infektsanierung* 4 2 ja 12. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ Hämatom Infektsanierung 5 3 mit Hilfsmittel 20.p.o. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt Tod bei septischem Multiorganversagen 6 3 ja 4. p.o. Tag 1 steril ↑ Hämatom 7 3 ja 31. p.o. Tag 1 steril ↑ Hämatom Tod im Rahmen kardialer Dekompensation Infektsanierung 72 8 2 ja 9. p.o. Tag 1 steril ↑ Hämatom Infektsanierung 70 9 3 ja 14. p.o. Tag 1 steril ↑ Serom Infektsanierung 49 10 3 CA ja 16. p.o. Tag 1 steril ↑ Hämatom Infektsanierung 65 11 3 nein 11. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ Hämatom Infektsanierung 50 12 2 mit Hilfsmittel 15. p.o. Tag 1 steril n Hämatom Infektsanierung 64 13 3 nein 11. p.o. Tag 3 S. aureus ↑ tiefer Infekt 38 14 3 ja 17. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektpersistenz, Pfannenimplantation 12 Wochen nach Primäreingriff, dann infektfrei Infektsanierung 15 3 ja 12. p.o. Tag 1 steril ↑ Hämatom Infektsanierung 86 16 3 nein 25. p.o. Tag 1 Ps. ↑ aeruginosa tiefer Infekt Tod bei septischem Multiorganversagen 17 3 ja 13. p.o. Tag 1 S. aureus n tiefer Infekt Infektsanierung 56 18 3 mit Hilfsmittel 13. p.o. Tag 1 E. coli ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 54 3.2.2. Gruppe II Bei zehn Patienten erfolgte die Prothesenimplantation innerhalb der 24 Stunden nach Sturz, sechs Patienten mussten wegen des schlechten Allgemeinzustandes länger auf die Operation vorbereitet werden. 23 54 91 Vor dem Unfall waren 14 Patienten gehfähig, wobei vier von ihnen auf ein Hilfsmittel wie Rollator oder Gehstock angewiesen waren. Zwei Patienten waren bettlägerig. Nach Auswertung der Vorerkrankungen wurden sechs Patienten der ASA II, die weiteren sechs der ASA III und die übrigen vier der ASA IV zugeordnet. Ein Malignom in der Anamnese fand sich bei sechs Patienten. Durchschnittliche Zeitspanne zwischen Prothesenimplantation und Revision betrug in dieser Gruppe 16,8 Tage (s. Abbildung 10). 8 7 6 5 4 Patientenzahl 3 2 1 0 Tag 3-7 Tag 7-14 Tag >14 Abbildung 10. Zeitpunkt der Revisionsoperation in der Gruppe 2 Präoperativ bestanden bei allen Patienten lokale Infektzeichen, ein sicherer positiver Keimnachweis konnte in 15 Fällen erbracht werden, CRP-Anstieg > 5,0 mg/dl wurde bei allen 16 Patienten festgestellt. Sechs Patienten wurden einmal revidiert, bei weiteren neun musste man zweimal und in einem Fall sogar dreimal revidieren. Die Protheseninfektion konnte in 37,5% nach primärer Revision saniert werden (s. Abbildung 9). Intraoperativ wurde bei allen Patienten ein tiefer, bis zu der Prothese reichender Infekt festgestellt. Im Durchschnitt waren die Patienten der 2. Gruppe 47,7 Tage stationär (s. Abbildung 12). Sieben Patienten wurden nach Hause und 24 vier Patienten in die Anschlussheilbehandlung entlassen, zwei Patienten wurden in andere Klinik verlegt. Die Letalität betrug in dieser Gruppe 18,7% (s. Abbildung 13). Drei Patienten verstarben infektbedingt im Rahmen eines septischen Multiorganversagens, eine Patientin verstarb infektunabhängig fünf Monate postoperativ. Die Bewertung nach dem Harris-Hip-Score ergab bei der Entlassung einen durchschnittlichen Wert von 51,4 Punkten (s. Abbildung 14). Die verstorbenen Patienten wurden bei der Bewertung nicht berücksichtigt. Die Zusammenfassung der Ergebnisse der Gruppe 2 ist in Tabelle 4 dargestellt. Tabelle 4. Ergebnisse der Patienten aus Gruppe 2 (n=16), jeweils 6 Monate postoperativ. *=verstarb im weiteren Verlauf fünf Monate postoperativ Patient ASA präoperative Gehfähigkeit 1 3 Ja Zeitpunkt der Infektion 10. p.o. Tag Anzahl der Bakteriologie Revisionen CRP Intraoperativer Therapieergebnis Befund 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt Tod bei septischem Multiorganversagen 2 2 Ja 8. p.o. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt Pfannenimplantation, dann Infektsanierung 3 4 CA Nein 22. p.o. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt Tod bei septischem Multiorganversagen 4 4 CA Ja 20. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 63 5 2 Ja 7. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 74 6 2 mit Hilfsmitteln 14. p.o. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt Pfannenimplantation, dann Infektsanierung 49 7 3 Ja 25. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung* 8 4 CA Nein 22. p.o. Tag 2 MRSA ↑ tiefer Infekt Girdlestone mit chronischer Fistel 38 9 3 CA mit Hilfsmitteln 17. p.o. Tag 1 S. epidermidis ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 49 10 3 mit Hilfsmitteln 13. p.o. Tag 1 steril ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 41 11 3 CA Ja 22. p.o. Tag 2 E. coli ↑ tiefer Infekt 55 12 4 CA mit Hilfsmitteln 20. p.o. Tag 2 Ps.Aeruginosa ↑ tiefer Infekt 2-zeitiger Prothesenwechsel, dann Infektsanierung Tod bei septischem Multiorganversagen 13 3 Ja 40. p.o. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 58 14 2 Ja 7. p.o. Tag 3 S. aureus ↑ tiefer Infekt Prothesenwechsel, anschließend Girdlestone 34 15 2 Ja 11. p.o. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt chronische Fistel 40 16 3 Ja 9. p.o. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 62 25 HHS 54 3.2.3. Gruppe III Bei 11 Patienten erfolgte die Implantation innerhalb der 24 Stunden nach Unfall, die anderen drei mussten eine längere OPVorbereitungszeit in Kauf nehmen. 11 Patienten waren vor dem Unfall voll gehfähig, bei drei Patienten waren Gehhilfsmittel notwendig. Die Patienten wurden entsprechend ihrem Allgemeinzustand und den Vorerkrankungen wie folgt eingestuft: ASA II in zwei Fällen, ASA III in 12 Fällen. Zwei Patienten hatten eine maligne Erkrankung in der Anamnese. Die erste Revisionsoperation wurde durchschnittlich nach 15,3 Tagen durchgeführt (s. Abbildung 11). 7 6 5 4 Patientenzahl 3 2 1 0 Tag 3-7 Tag 7-14 Tag >14 Abbildung 11. Zeitpunkt der Revisionsoperation in der Gruppe 3 Bei allen Patienten bestanden lokale Infektzeichen, Keimnachweis sowie CRP-Anstieg waren in allen Fällen zu verzeichnen. In dieser Gruppe wurde in 12 Fällen einmal und in zwei Fällen zweimal revidiert. Eine Infektsanierung konnte in 71,4% der Fälle erzielt werden (s. Abbildung 10). Bei allen Patienten lag intraoperativ eine tiefe periprothetische Infektion vor. In der mikrobiologischen Aufarbeitung der Knorpelproben fand sich in 85% der Fälle ein positiver Keim- 26 nachweis. Die Patienten waren durchschnittlich 34,3 Tage stationär (s. Abbildung 12). 50 40 30 Stationärer Aufenthalt in Tagen 20 10 0 Gruppe 1 Abbildung 12. Gruppe 2 Gruppe 3 Durchschnittliche Dauer des stationären Aufenthaltes im Gruppenvergleich Die Entlassung erfolgte in sieben Fällen nach Hause und in drei Fällen in die Anschlussheilbehandlung. Die Letalität betrug in dieser Gruppe 14,2% (s. Abbildung 13). 20 15 Gesamtletalität in % 10 Infektbedingte Letalität in % 5 0 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Abbildung 13. Letalität im Gruppenvergleich Eine Patientin verstarb an einer Lungenembolie, bei einem Patienten war eine kardiale Dekompensation für den Tod ursächlich. Ein Patient erlitt drei Monate postoperativ einen Herzinfarkt und verstarb dann an einer Pneumonie. Die Patienten erreichten durchschnittlich 27 56,8 Punkte nach Bewertung mit Harris-Hip-Score (s. Abbildung 14). Tabelle 5 fasst die Ergebnisse der Gruppe 3 zusammen. 60 58 56 54 HHS-Punkte 52 50 48 46 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Abbildung 14. Harris-Hip-Score im Gruppenvergleich Tabelle 5. Ergebnisse der Patienten aus Gruppe 3 (n=14), jeweils sechs Monate postoperativ. *=verstarb im weiteren Verlauf im Rahmen eines Herzinfarkts drei Monate postoperativ an einer Pneumonie Patient ASA präoperative Gehfähigkeit Zeitpunkt Anzahl der der Infek- Revisionen tion Keim CRP Intraoperativer Therapieergebnis HHS Befund 1 3 ja 30. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 2 ja 11. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung* 3 3 CA 3 ja 7. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 43 4 3 ja 8. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 64 5 2 ja 8. Tag 1 ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 82 6 3 ja 13. Tag 1 S. epidermidis S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 70 7 3 ja 19.Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 55 8 3 mit Hilfsmittel 17. Tag 1 E. coli ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 39 9 3 CA mit Hilfsmittel 15. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Tod nach kardialer Dekompensation 10 3 mit Hilfsmittel 20. Tag 1 Proteus mirabilis ↑ tiefer Infekt Tod nach Lungenembolie 11 2 ja 13. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 73 12 3 ja 21. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt 2-zeitiger Prothesenwechsel, dann Infektsanierung 50 13 3 ja 18. Tag 1 S. aureus ↑ tiefer Infekt Infektsanierung 53 14 3 ja 14. Tag 2 S. aureus ↑ tiefer Infekt Girdlestone 33 28 63 3.2.4. Statistische Auswertung Bei den Behandlungsmethoden in den Gruppen 2 und 3 handelt es sich um konkurrierende Verfahren bei tiefem Protheseninfekt. Die Ergebnisse in Bezug auf Infektsanierung wurden daher miteinander verglichen und unter Anwendung des exakten Tests nach Fisher analysiert. Es fand sich ein signifikant besseres klinisches Ergebnis in der Gruppe 3 (p=0,019). Die Patienten, die infektunabhängig im weiteren Verlauf bei normwertigen Entzündungszeichen verstorben sind (im Rahmen einer Lungenembolie oder kardialer Dekompensation), wurden bezüglich der Infektsanierung nicht berücksichtigt. 4. Diskussion Die Duokopfprotheseninfektion stellt eine seltene, jedoch schwerwiegende Komplikation dar. In der Literatur wird die Häufigkeit einer Infektion nach Gelenkersatz mit 1,4-3% angegeben [16, 17, 38]. Dabei handelt es sich meist um eine Infektion nach einer elektiven TEP-Implantation. Die Infektionsrate nach einer mit Duokopfprothese versorgten Schenkelhalsfraktur ist erheblich höher und beträgt durchschnittlich 5,3% [38]. Auch Zahlen bis 8% werden angegeben [5]. In unserem Patientenkollektiv trat die Protheseninfektion im Mittel in 4,9% der Fälle auf, was in etwa den Literaturangaben entspricht. Die deutlich höhere Infektionsrate bei der Duokopfprothese im Vergleich zur TEP wäre durch die Unterschiede des Patientenkollektivs sowie der Implantationssituation zu erklären. Während die Patienten mit TEP-Implantation wegen Coxarthrose oder Hüftgelenksdysplasie meist im guten Allgemeinzustand sind und die Operation nach sorgfältiger Planung und Vorbereitung elektiv erfolgt, 29 handelt es sich bei der Duokopfprothesenimplantation um einen Notfalleingriff nach vorausgegangenem Traumaereignis, der bei meist deutlich älteren, multimorbiden Patienten mit mehreren Risikofaktoren durchgeführt werden muss [49]. Auch traumatisch bedingte Weichteil- und Knochenschädigung sowie ein intra- und periartikuläres Hämatom können eine postoperative Infektion begünstigen. Zusätzlich leben viele ältere Menschen allein und liegen oft stundenbis tagelang in ihrer Wohnung, bevor sie exsikkiert in die Klinik gebracht werden können. So intensiv der Infekt nach Implantation einer Totalendoprothese untersucht wird, so wenig aussagekräftig ist die Literatur beim Frühinfekt einer Duokopfprothese: eine medline Recherche ergab 1878 Arbeiten beim Suchbegriff „infizierte Totalendoprothese der Hüfte“ und nur 64 Arbeiten beim Suchbegriff „infizierte Duokopfprothese der Hüfte“, wobei sich keine Arbeit mit dem Frühinfekt beschäftigte. Eine periprothetische Infektion wird in Abhängigkeit vom Manifestationszeitpunkt in eine Früh- und Spätinfektion unterteilt. Im Einklang mit Haaker et al. [17] definierten wir eine Frühinfektion als eine Infektion, die innerhalb der ersten 30 postoperativen Tagen auftrat. Die Wahl dieses Zeitintervalls ist durch die Besonderheiten der bakteriellen Kolonisation mit Ausbildung der schleimbildenden Subpopulationen mit hoher Antibiotikaresistenz am Ende dieses Zeitraumes bestimmt. Bei einer Spätinfektion, die definitionsgemäß nach mehr als 30 Tagen auftritt, ist die Ausbildung von diesen Subpopulationen meist abgeschlossen, es bildet sich ein Biofilm im Prothesenbereich, das Implantat gilt dann als chronisch besiedelt. Die Unterscheidung zwischen einer Früh- und Spätinfektion ist für die Wahl des therapeutischen Vorgehens relevant. 30 Die Behandlung einer frühen Duokopfprotheseninfektion unterscheidet sich von der Therapie einer TEP-Frühinfektion durch den Umstand, dass bei der Duokopfprothese die Gelenkpfanne den Gelenkknorpel enthält, in dem sich Keime festsetzen können. Wir konnten bei der mikrobiologischen Aufarbeitung der Knorpelproben der Patienten aus Gruppe 3 in 85% der Fälle eine Keimbesiedlung nachweisen. Ein vollständiges Debridement ohne Umstieg auf TEP ist praktisch unmöglich. Beim Belassen des infizierten Knorpels scheint ein Infektrezidiv wahrscheinlich. Nach unserer Erfahrung ist bei der Frühinfektion einer Duokopfprothese präoperativ nicht immer möglich, eine oberflächliche Wundinfektion von einer tiefen Wundinfektion mit Prothesenbeteiligung zu unterscheiden. Deswegen wird die Entscheidung über die notwendige Therapie in den meisten Fällen erst intraoperativ gefällt. In unserem Patientenkollektiv zeigte eine Wundrevision mit Debridement und Lavage ohne Änderung am Implantat (Gruppe 1) begleitet von perioperativer resistenzadaptierter Antibiose bei Patienten mit oberflächlicher Wundinfektion und festem Prothesensitz gute Resultate. Der Keimnachweis konnte in dieser Gruppe in neun Fällen nicht erbracht werden, so dass die Definition „Infekt“ hier schwierig ist. Die klinischen Infektparameter (CRP-Anstieg, Rötung und Überwärmung der Wunde, Sekretion, zunehmende Schmerzen) waren jedoch bei allen Patienten gegeben. Da der Keimnachweis nicht immer sicher durchzuführen ist, sollte bei klinischen Entzündungszeichen von einem Infekt ausgegangen werden [30, 38]. Insgesamt fand sich in der Gruppe 1 eine Infektsanierung von 89%, was den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen entspricht [10, 15, 17, 38, 46, 47, 50]. In diesen Studien wird die Rate der Infektsanierung durch alleiniges Wunddebridement im ersten Jahr mit 70-74% angegeben. 31 So konnten Tsukayama et al. [47] mit einem radikalen Weichteildebridement und resistenzgerechter Antibiose 71% (25 von 35 Fällen) der behandelten Patienten erfolgreich therapieren. Auch in der Studie von Crocarrell et al. [10] wurden ähnliche Ergebnisse (72% im 1. Jahr) erreicht. Im weiteren Verlauf kam es jedoch zum Infektrezidiv, so dass nur 26% nach fünf Jahren infektfrei waren. Die Methode scheiterte insbesondere bei Patienten mit Spätinfektionen (>30 Tage). Zimmerli et al. [46, 50] berichten über eine Erfolgsrate von mehr als 70% bei Patienten mit stabilem Implantat und vorhandener Antibiotikaempfindlichkeit der nachgewiesenen Keime. Als besonders geeignet für diese Therapie halten sie die Patienten mit einem Frühinfekt (hier als Erstmanifestation innerhalb der ersten drei Monate nach Prothesenimplantation definiert), bei denen die Symptome nicht länger als drei Wochen dauern. Im Einklang mit diesen Arbeiten halten wir folgende Faktoren für den Erfolg einer Wundrevision für entscheidend: Das Vorliegen einer Frühinfektion (<30 Tage) Eine frühstmögliche Durchführung des Revisionseingriffes Nachweis von antibiotikasensiblen Keimen Leichte bis mäßige Gewebeschädigung, oberflächliche Infektion Deutlich schlechtere Ergebnisse bis hin zu septischem Multiorganversagen erbrachte dieses Vorgehen bei den Patienten aus der Gruppe 1 mit einem tiefen Infekt. Hier profitierten nur drei von sechs Patienten vom reinen Weichteileingriff, so dass folglich davon ausgegangen werden muss, dass der reine Weichteileingriff beim tiefen Infekt keine optimale Lösung bietet. In den letzten Jahren wird bei einem ausgedehnten Weichteildefekt zunehmend eine VakuSeal-Therapie angewandt. Dabei legt man die 32 Wunde mit den Schwämmen aus und verschließt sie luftdicht mit einer Naht oder mit Folie. Über eine Saugpumpe wird dann ein kontrolliertes Vakuum erzeugt [38]. Die Vakuumbehandlung kann auch mit Instillation einer antiseptischen Lösung kombiniert werden [23]. Die Ergebnisse sind erfolgversprechend, es fehlen jedoch bislang Untersuchungen mit großen Fallzahlen für die Behandlung einer Gelenkinfektion mit dieser Methode. Bei allen Patienten der Gruppe 2 lag intraoperativ eine tiefe periprothetische Infektion vor. Der Revisionseingriff wurde hier ausgeweitet und das PE-Inlay gewechselt sowie ein Stahlkopf eingebracht. Mit diesen Maßnahmen konnte der Infekt lediglich in 37,5% nach Primärrevision saniert werden. Somit waren die klinischen Ergebnisse im Vergleich zu den anderen Gruppen am schlechtesten, was sich in der längsten stationären Verweildauer, der höchsten Mortalitätsrate sowie im niedrigsten durchschnittlichen HHS-Wert zeigt. Die drei unmittelbaren Todesfälle waren durch das septische Multiorganversagen bei Infektpersistenz bedingt. Der Grund für das Scheitern dieses Verfahrens sehen wir in folgendem Umstand: Die Gelenkpfanne enthält bei der Duokopfprothese noch den Knorpel, in dem sich auch die Keime ansiedeln können. Ein vollständiges Debridement ohne Knorpelentfernung ist nicht möglich, was ein Infektrezidiv wahrscheinlich macht, unabhängig davon, ob Veränderungen am Implantat vorgenommen werden. Dies macht einen erheblichen Unterschied im Vergleich zum Frühinfekt bei der Totalendoprothese, wo bei ähnlichem intraoperativen Befund die alleinige Wund- und Gelenkrevision häufig zur Infektsanierung führt. Bei allen Patienten der Gruppe 3 lag intraoperativ ein tiefer Infekt vor. Die Revisionsoperation beinhaltete neben dem Weichteil- und 33 Gelenkdebridement auch eine Azetabulumentknorpelung und Implantation einer zementierten Gelenkpfanne in gleicher Sitzung. Dieses Vorgehen erbrachte im Vergleich zur Gruppe 2 statistisch signifikant bessere klinische Ergebnisse (p=0,019), so dass 71,4% der Patienten bei initial unterschiedlichem Keimspektrum infektfrei nach Hause oder in die Anschlussheilbehandlung entlassen werden konnten. Diese Behandlungsmethode erwies sich auch als kostengünstig, bedingt durch eine kürzere Verweildauer und geringere Anzahl an Revisionen. Interessanterweise konnte bei den 48 Patienten nur ein Fall einer MRSA-Besiedlung dokumentiert werden. Aktuelle Studien beschreiben jedoch einen erheblichen Anstieg der MRSA-Besiedlung, was allein durch die eingeschränkte Möglichkeit der Antibiose insgesamt zu einer Verschlechterung der klinischen Ergebnisse führen könnte [31]. Der Erfolg der unterschiedlichen Therapieregimes hängt entscheidend von einer Indikationsstellung ab. Es müssen mehrere Faktoren wie klinischer Zustand des Patienten, Resistenzlage des Erregers, Qualität und Durchblutung des Knochengewebes und der Weichteile berücksichtigt werden. Dafür ist eine umfassende präoperative Diagnostik notwendig. Sie sollte bei Infektpersistenz immer eine Gelenkpunktion oder einen Abstrich aus der Fistel noch vor der Antibiotikagabe beinhalten. Das Wissen über die Resistenzlage des Erregers ist für die weiteren Entscheidungen unerlässlich. Labordiagnostik in Bezug auf die Entzündungsparameter sowie bildgebende Diagnostik wie Röntgen, Sonografie, Szintigraphie und ggf. CT gehören ebenfalls dazu [25]. Mit Berücksichtigung der Befunde muss dann individuell über das weitere Vorgehen entschieden werden. 34 Eine Gelenkrevision und Pfannenimplantation als 2. Revisionseingriff führte bei drei Patienten aus den Gruppen 1 und 2 zur Infektfreiheit. Da dieses Verfahren eine deutlich geringere Belastung für die Patienten im Vergleich zum Prothesenwechsel darstellt, sollte es bei festem Schaftsitz und günstigen Weichteil- und Knochenverhältnissen bevorzugt angewandt werden. Bei bestehender Infektpersistenz und bei Verdacht auf Schaftlockerung muss das gesamte Prothesenmaterial entfernt werden. Es stehen folgende Therapieoptionen zur Verfügung: Zweizeitiger Prothesenwechsel Girdlestone-Resektionsarthroplastik Schaffen einer stabilen chronischen Fistel In unserem Patientenkollektiv wurde in zwei Fällen bei Infektpersistenz nach der ersten Revision ein zweizeitiger Prothesenwechsel durchgeführt. In beiden Fällen kam es zum Ausheilen der Infektion. Die Anwendbarkeit eines zweizeitigen Prothesenwechsels bei Patienten mit Duokopfprotheseninfektion ist im Vergleich zu den infizierten Hüft-TEP deutlich eingeschränkt. Gründe dafür sind: Fortgeschrittenes Alter Erhebliche Komorbidität Traumatisch bedingte, schwierige Weichteilverhältnisse Häufig schon vor dem Unfall eingeschränkte Mobilität Schlechte Knochenqualität bei Osteoporose Diese Therapieoption muss trotz der Einschränkungen in jedem Fall berücksichtigt und bei entsprechender Indikation auch angewandt werden, da damit im Vergleich zu den vorhandenen Alternativen die besten Langzeitergebnisse erzielt werden [15, 20, 21, 44]. Bei Persistenz eines Infektes trotz mehrerer Revisionsoperationen muss die Resektionsarthroplastik nach Girdlestone erwogen wer35 den. Diese Maßnahme kann sowohl vorübergehend mit dem Ziel einer späteren Prothesenimplantation nach Infektsanierung als auch definitiv angewandt werden. Insbesondere beim Nachweis von multiresistenten Keimen, schlechter Weichteil- und Knochenqualität im Gelenkbereich, schlechtem Allgemeinzustand des Patienten, eingeschränkter Mobilität sowie bei ablehnender Haltung des Patienten gegenüber den weiteren Eingriffen stellt diese Methode eine akzeptable Rückzugsmöglichkeit dar [37]. Eisenwein et al. [13] berichten über 27 Patienten, bei denen die Resektionsarthroplastik nach Girdlestone als definitive Versorgung bei einem Protheseninfekt durchgeführt wurde. Der mittlere Beobachtungszeitraum erstreckte sich über 7,1 Jahre. Die Eradikationsrate betrug in diesem Patientenkollektiv 81,5%. Alle Patienten waren beim Gehen auf ein oder mehrere Hilfsmittel angewiesen (11 mit Gehstock, 14 mit zwei Unterarmgehstützen, zwei mit Rollstuhl). Sechs Patienten waren schmerzfrei, 19 klagten über leichte bis starke Belastungsschmerzen, zwei hatten Ruheschmerzen. Die mittlere Beinverkürzung betrug 5,2 cm (Spannbreite von 3-15 cm). 59,3% der Patienten waren mit funktionellen Ergebnissen zufrieden. Ruchholtz et al. berichten über 60-80% der Patienten, die nach Resektionsarthroplastik weitgehend schmerzarm und gehfähig waren [38]. Engelbrecht et al. führten bei 347 Patienten eine TEPReimplantation nach Hüftresektion durch. Trotz der schwierigen Ausgangsverhältnisse waren die Ergebnisse nur bei 9% schlecht, die meisten Patienten profitierten von dem Eingriff. Jedoch sehen viele andere Autoren die Indikation zur Reimplantation nur, wenn die Girdlestone-Situation nicht akzeptiert wird [12]. 36 In unserem Patientenkollektiv musste die Resektionsarthroplastik nach Girdlestone in drei Fällen durchgeführt werden. Die Indikation wurde wegen des schlechten Allgemeinzustandes und des manifesten Infektes gestellt. Obwohl bei zwei der drei Patienten mit einer Girdlestone-Hüfte nicht mehr die gleiche Mobilisation wie vor dem Unfall erzielt werden konnte, waren die Patienten mit dem Ergebnis unter Berücksichtigung der Infektsituation und der Schmerzsymptomatik zufrieden, was auch in den Untersuchungen von Sharma et al. beschrieben wurde [41]. Falls eine Prothesenexplantation bei bestehender Inoperabilität nicht in Frage kommt, sollte die Schaffung einer stabilen Fistel als symptomatische Maßnahme erwogen werden. Dabei wird eine Drainage intraartikulär angelegt und mehrere Wochen belassen. Nach Drainagenentfernung bleibt eine Fistel bestehen, die einen Sekretabfluss ermöglicht. Dadurch wird die Infektion lokal begrenzt, die Mobilität und Funktionalität des Gelenkes bleibt in gewissem Maße erhalten [38]. Wir mussten in zwei Fällen auf diese Therapieoption zurückgreifen (in einem Fall in Kombination mit Girdlestone-Hüfte). Bei den Patienten wurde ein zufriedenstellendes Ergebnis mit lokal begrenzter, systemisch nicht nachweisbarer Infektion sowie Mobilität der Patienten mit Gehstützen erreicht. Wie bereits oben mehrfach erwähnt, wird jede operative Maßnahme von einer systemischen Antibiotikatherapie begleitet. Eine adäquate antimikrobielle Therapie besitzt dabei gleich hohen Stellenwert wie die suffiziente operative Behandlung. Aus klinischen Erfahrungen bei der Behandlung von Knochen- und Gelenkinfektionen wurden Anforderungen formuliert, denen ein Antibiotikum entsprechen sollte [16]: 37 Bakterizide Wirkung Gute Knochen- und Gewebegängigkeit Hoher Quotient aus erzielbarem Gewebespiegel und minimaler Hemmkonzentration des Isolates Niedrige Rate spontaner Resistenzentwicklung und niedrige Mutations-Präventions-Rate Aktivität auch gegen Biofilmerreger Gute Langzeitverträglichkeit Möglichkeit zur oralen Sequenztherapie Möglichst niedrige Kosten Da keine Einzelsubstanz diesen Anforderungen ganz entspricht, müssen Antibiotika häufig in Kombination von zwei oder mehreren Substanzen verabreicht werden. Über die Dauer der Therapie muss individuell entschieden werden. Empfohlen wird eine Mindestdauer von 4-6 Wochen, wobei initial eine intravenöse Behandlung erfolgen sollte. In unserem Kollektiv erhielten die Patienten bis zum dritten postoperativen Tag Antibiotika intravenös gefolgt von oraler Gabe für durchschnittlich 47,3 Tage. Bei negativem Keimbefund wurde ein knochengängiges Cephalosporin verabreicht. Nach Auswertung der Ergebnisse lässt sich der in der Abbildung 15 dargestellte Behandlungsalgorithmus für die frühinfizierte Duokopfprothese aufstellen. Intraoperativ ist es nicht immer einfach, einen tiefen Infekt von einem oberflächlichen zu unterscheiden. In der Realität überwiegen die tiefen Infekte. Die Ergebnisse zeigten, dass ein alleiniger Weichteileingriff oder PE-Inlay- und Kopfwechsel beim Nachweis eines tiefen Infekts klinisch schlechtere Ergebnisse erbrachten als die zusätzliche Pfannenimplantation. Beim Verdacht auf einen tiefen Infekt sollte, um dem Patienten weitere Eingriffe zu 38 ersparen, in gleicher Sitzung eine Pfanne implantiert werden. Mit diesem Verfahren konnte eine Infektsanierung von über 70% erzielt werden. Frühinfekt Duokopfprothese Wundrevision, lokaler Antibiotikumträger, ggf. Wechsel auf Metallkopf und Pfannenimplantation Chronische Fistel Infektpersistenz Schlechter AZ, nicht mehr gehfähig Girdlestone Situation Erneuter zweizeitiger Wechsel Ausheilung, keine weitere Therapie Gehfähig, beherrschbares Keimspektrum, OP-fähig Infektpersistenz Zweizeitiger Wechsel Chronische Fistel Ausheilung, keine weitere Therapie Abbildung 15. Behandlungsalgorithmus beim Frühinfekt nach infizierter Duokopfprothese 39 Literatur [1] AWMF online-Leitlinie Schenkelhalsfraktur. http://www.uniduesseldorf.de/awmf/ll-na/012-001.htm [2] Beck, A., Rüter, A. (2000). Therapiekonzepte bei Schenkelhalsfrakturen. Teil 1. Chirurg 71, 240-248 [3] Beck, A., Rüter, A. (2000) Therapiekonzepte bei Schenkelhalsfrakturen. Teil 2. Chirurg 71, 347-354 [4] Berbari, E.F., Hanssen, A.D., Duffy, M.C., Steckelberg, J.M., Ilstrup, D.M., Harmsen, W.S., Osmon, D.R. (1998). 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Lebenslauf Persönliche Daten Name Igor Maul Geburtsdatum und -ort 04.11.1970 in Abaj/Kasachstan Familienstand verheiratet Kinder Tochter 19 Jahre, Sohn 15 Jahre Staatsangehörigkeit deutsch Schulausbildung 04/91 Abitur Hochschulausbildung 10/91-03/97 Medizinstudium an der RuhrUniversität Bochum 04/97-03/98 Praktisches Jahr im Allgemeinen Krankenhaus Hagen 05/98 Abschluss des Medizinstudiums Beruflicher Werdegang 06/98-11/99 Arzt im Praktikum in der chirurgischen Abteilung des Marienkrankenhauses Schwerte Chefärzte Dres. Med. W.Vosberg und H. Felcht 01/00-12/05 Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des Marienkrankenhauses Wickede-Wimbern Chefarzt Dr. med. W. Kamski 07/05 Abschluss der Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie 01/06-06/08 Funktionsoberarzt in der chirurgischen Abteilung des Marienkrankenhauses Wickede-Wimbern Chefarzt Dr. med. W. Kamski 07/08-aktuell Oberarzt in der chirurgischen Abteilung des Karolinen-Hospital Hüsten