Funktionelle Genpolymorphismen von apoptose

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Diplomarbeit
Funktionelle Genpolymorphismen von apoptosebeteiligten Proteinen beim
Primären Offenwinkelglaukom
eingereicht von
Kilian Höfer
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Universitäts-Augenklinik
unter der Anleitung von
PD Dr. Georg Mossböck
Graz, am 16.Oktober 2014
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Graz, am 16. Oktober 2014
Kilian Höfer
Anmerkung
Um das Lesen der vorliegenden Arbeit zu erleichtern, wurde aus praktischen
Überlegungen das generische Maskulinum verwendet. Diese Schreibweise bezieht sich
sowohl auf männliche als auch auf weibliche Personen.
i
Danksagung
Danksagung
Ich möchte mich vor allem bei PD Dr. Georg Mossböck, der mich tatkräftig bei meiner
Arbeit unterstützte und immer bereit war meine Fragen mit viel Geduld zu beantworten,
bedanken.
Weiters möchte ich mich auch bei meinen Eltern, Werner und Elisabeth, bei meiner ganzen
Familie, sowie allen Freunden bedanken, ohne deren Unterstützung mein Studium nicht
möglich gewesen wäre.
ii
Zusammenfassung
Einleitung
Das Glaukom umfasst eine Anzahl ätiologisch unterschiedlicher Krankheiten, deren
gemeinsames Kennzeichen der apoptotische Untergang retinaler Ganglienzellen (RGZ) ist,
und ist weltweit die häufigste irreversibel Erblindungsursache. Die häufigste Form des
Glaukoms ist das Primäre Offenwinkelglaukom (POWG).
Familiäre Assoziationen, sowie die Tatsache, dass bestimmte ethnische Gruppen vermehrt
am Glaukom erkranken, weisen auf eine deutliche genetische Komponente hin. Mehrere
Polymorphismen, die in einer Assoziation mit dem Glaukom stehen, wurden bereits
beschrieben, jedoch kann damit nur ein geringer Teil der Glaukomerkrankungen erklärt
werden. Im Rahmen dieser Studie wurden funktionelle Polymorphismen apoptosebeteiligter Proteine beim POWG untersucht.
Methoden
Für diese Studie wurden Patienten im Zeitraum vom Jänner 1999 bis zum März 2011 an
der Universitäts-Augenklink Graz akquiriert. Die Gruppe der Patienten mit POWG sowie
die Kontrollgruppe wurden nach dem Alter (+/- 3 Jahre) und Geschlecht gematcht. Es
wurden insgesamt 668 Probanden eingeschlossen: je 334 in der Glaukomgruppe
beziehungsweise in der Kontrollgruppe. Alle Patienten gaben eine schriftliche
Einverständniserklärung für die Teilnahme an der Studie ab. Die Studie wurde von der
Ethikkommission bewilligt.
Es wurden funktionelle Polymorphismen folgender Gene untersucht: AKT1: rs1130233;
BAX: rs4645878; FAS: rs2234767; FASL: rs763110. Die Determinierung der
Polymorphismen erfolgte durch die High Resolution Melting Curve Methode im Labor der
Universitäts-Augenklinik Graz. Zur Analyse der Daten wurde der Chi2 Test herangezogen.
iii
Zusammenfassung
Ergebnisse
Es zeigte sich, dass in dieser Population keiner der Polymorphismen eine Assoziation mit
dem POWG hat. Lediglich für AKT1 wurde für den Gentyp A/A eine grenzwertige
Assoziation errechnet (p=0.031), welche nach Korrektur für multiples Testen nicht mehr
signifikant war.
Die vorliegende Studie ist die Erste, welche die Rolle der genannten Polymorphismen
beim primären Offenwinkelglaukom untersucht hat.
iv
Abstract
Background
Glaucoma is a neurodegenerative disease, characterized by a slow and progressive
degeneration of retinal ganglion cells and the leading cause of irreversible blindness
worldwide. The most common form of the glaucoma is the primary open angle glaucoma
(POAG).
A known family association for POAG and the fact, that POAG is endemic in certain
ethnical groups, suggests a genetic origin of the disease.
Some genetic polymorphisms associated with POAG have been identified, yet these
account only for 5-6% of POAG. The goal of this work was to identify new genetic
polymorphisms associated with POAG. We decided to analyze functional polymorphisms
of apoptotic-related proteins.
Methods
668 patients were included, recruited from the department of ophthalmology at the Medical
University of Graz between January 1999 and March 2011. The participants were divided
into two groups: patients with POAG and a control group with no signs of elevated
intraocular pressure or glaucomatous damage. Both groups were age- (+/- 3 years) and sexmatched. The study was approved by the ethical review committee and all patients signed a
content form.
Following polymorphisms of apoptosis-related proteins were investigated: AKT1:
rs1130233; BAX: rs4645878; FAS: rs2234767; FASL: rs763110. A high resolution
melting curve method was used for the determination of the polymorphisms in the
laboratory of the department of ophthalmology. We used the Chi2 test for statistical
analysis.
v
Abstract
Conclusion
No association was observed between the investigated polymorphisms and the
development of a POAG. Genotype A/A in rs1130233 revealed a borderline association
with POAG (p= 0.031), which failed to be significant after correcting for multiple testing.
To our knowledge this is the first study investigating these polymorphisms in POAG.
vi
Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung .......................................................................................................... i
Danksagung ...................................................................................................................................ii
Zusammenfassung .................................................................................................................... iii
Abstract ........................................................................................................................................... v
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................... vii
Abkürzungsverzeichnis............................................................................................................. x
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... xii
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... xiii
1. Einleitung ............................................................................................................................... 1
2. Einführung ............................................................................................................................. 2
2.1
Das Auge – Anatomie und Physiologie ................................................................................ 2
2.1.1
Aufbau der Netzhaut.........................................................................................................................3
2.1.2
Papilla Nervi Optici............................................................................................................................3
2.1.3
Kammerwasser Zyklus ....................................................................................................................4
2.1.4
Regulation der Kammerwasserbildung ....................................................................................4
2.1.5
Kammerwasser Abfluss ...................................................................................................................5
2.1.6
Das Trabekelwerk ..............................................................................................................................5
2.1.7
Intraokulare Druck ............................................................................................................................6
2.2
Untersuchungsmethoden ........................................................................................................ 7
2.2.1
Tonometrie ...........................................................................................................................................7
2.2.2
Pachymetrie .........................................................................................................................................8
2.2.3
Perimetrie .............................................................................................................................................8
2.2.4
Papillenbeurteilung...........................................................................................................................9
2.3
Therapieformen ....................................................................................................................... 11
2.3.1
Medikamentös .................................................................................................................................. 11
2.3.2
Lasertherapie.................................................................................................................................... 11
2.3.3
Chirurgische Therapie .................................................................................................................. 11
2.4
Glaukom Formen ..................................................................................................................... 12
2.4.1
Das Sekundäre Glaukom .............................................................................................................. 12
vii
Inhaltsverzeichnis
2.4.2
Primäre Glaukome .......................................................................................................................... 13
2.4.2.1
Winkelblock Glaukom ............................................................................................................................. 13
2.4.2.2
Das Primäre Kongenitale Glaukom/ Infantiles Glaukom......................................................... 13
2.4.2.3
Okuläre Hypertension (OHT) ............................................................................................................... 13
2.4.2.4
Primäres Chronisches Offenwinkelglaukom ................................................................................. 14
2.5
Epidemiologie ........................................................................................................................... 15
2.6
Risikofaktoren für die Entstehung eines POWG........................................................... 16
2.7
Die Rolle der Apoptose .......................................................................................................... 18
2.7.1
2.7.1.1
Der Extrinsische Weg .............................................................................................................................. 19
2.7.1.2
Der Perforin/Granzym Weg.................................................................................................................. 19
2.7.1.3
Der Intrinsische Weg ............................................................................................................................... 19
2.7.1.4
Der Exekutive Weg.................................................................................................................................... 20
2.7.2
2.8
Aktivierung der Apoptose ........................................................................................................... 18
Aktivierung der Apoptose ........................................................................................................... 20
2.7.2.1
Versagen des Axonalen Transportes ................................................................................................ 20
2.7.2.2
Neurotrophe Faktoren ............................................................................................................................ 21
2.7.2.3
Mitochondriale Dysfunktion ................................................................................................................. 21
2.7.2.4
Oxidativer Stress ........................................................................................................................................ 21
2.7.2.5
Aktivierung des Intrinsischen Apoptotischen Weges ............................................................... 22
2.7.2.6
Aktivierung des Extrinsischen Apoptotischen Weges .............................................................. 22
2.7.2.7
Exzitotoxischer Schaden ........................................................................................................................ 22
Genetik des POWG ................................................................................................................... 23
2.8.1
Genetik Allgemein ........................................................................................................................... 23
2.8.2
Methoden der Genanalyse ........................................................................................................... 23
2.8.2.1
Linkage Analyse ......................................................................................................................................... 23
2.8.2.2
Candidate Gene Aproach ........................................................................................................................ 24
2.8.2.3
Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) .................................................................................... 24
2.8.3
POWG assoziierte Gene ................................................................................................................ 25
2.8.3.1
Myocilin (MYOC) ........................................................................................................................................ 25
2.8.3.2
Optineurin (OPTN) ................................................................................................................................... 26
2.8.3.3
WD40-repeat 36 Gen (WDR36) .......................................................................................................... 27
2.8.3.4
Cytochrome P450 family1, subtypeB, polypeptide1 (CYP1B1) ............................................ 28
2.8.3.5
Ankyrin repeats and suppressor of cytokine signalling box-containing protein 10
(ASB10) 28
2.8.4
Untersuchte Gen-Polymorphismen ......................................................................................... 29
2.8.4.1
Bcl-2-assoziiertes X Protein .................................................................................................................. 29
2.8.4.2
Fas Rezeptor und Fas Ligamente........................................................................................................ 30
2.8.4.3
V-AKT murine thymoma viral oncogene homolog 1 (Akt 1) ................................................. 31
viii
3. Methoden............................................................................................................................. 32
3.1
Patienten..................................................................................................................................... 32
3.2
Alter .............................................................................................................................................. 33
3.3
Geschlecht .................................................................................................................................. 34
3.4
Geräte, Materialien, Reagenzien ........................................................................................ 34
3.4.1
3.5
Genetische Analyse......................................................................................................................... 36
Statistik ....................................................................................................................................... 37
3.5.1
Statistische Analyse: Chi2 Test ................................................................................................... 37
3.5.2
Bonferroni Korrektur .................................................................................................................... 37
4. Ergebnisse ........................................................................................................................... 38
5. Diskussion ........................................................................................................................... 40
6. Literaturverzeichnis........................................................................................................ 42
ix
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AML
Akute Myeloische Leukämie
ASB10
Ankyrin
repeats
and
Suppressor
of
cytokine
signalling Box-containing protein 10
ASK1
Apoptosis Signal-regulating Kinase 1
ATP
Adenosintriphosphat
BAX
Bcl-2-assoziiertes X Protein
BDNF
Brain Derived Neurotrophic Factor
Ca2+
Kalzium ++ Ionen
C/D
Cup/Disc Ratio
CGA
Candidate Gene Aproach
CYP1B
CytochromeP450family1, subtypeB, Polypeptide1
DNA
Desoxyribonucleic Acid
FAS
Tumor Necrosis
Factor Receptor Superfamily,
Member 6
G2
Gesichtsfelduntersuchung, Programm G2 des Gerätes
„OCTOPUS“
GWAS
Genomwide Association Study
HRMC
High Resolution Melting Curve
IOD
Intraokularer Druck
MAPK
Mitogen-aktivierte Proteinkinase
x
Mill.
Million
Mrd.
Milliarde
mRNA
Messenger Ribonucleic Acid
mV
Millivolt
MYOC
Myocillin
NGF
Nerve Growth Factor
OCT
Optische Kohärenztomographie
OHT
Okuläre Hypertension
OPTN
Optineurin
POAG
Primary Open Angle Glaucoma
POWG
Primäres Offenwinkelglaukom
RGZ
Retinale Ganglienzellen
SNP
Single Nucleotid Polymorphism
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
TNF-α
Tumornekrosefaktor α
TW
Trabekelwerk
WDR36
WD40-Repeat 36 Gen
ZNS
Zentrales Nervensystem
xi
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Menschliches Auge im sagittal Schnitt; Jakov T, colorized by.
Deutsch: Anatomie des Auges [Internet]. 2008 [zitiert 12. Dezember
2013].
Verfügbar
unter:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eye_scheme.svg................2
Abb.2:
zentaler Augenhintergrund: Makula lutea (1), Papilla Nervis Optici
mit austretenden Gefäßen (2); Netzhaut [Internet]. Wikipedia. 2014
[zitiert 14. August 2014]. Verfügbar unter:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Netzhaut&oldid=132856
332......................................................................................................3
Abb.3:
Gonioskopie des Augenwinkels, Gonioskopie des Augenwinkels: von
posterior nach anterior: Ziliarkörper (1), Skleralsporn (2),
pigmentiertes TW (3), nichtpigmentiertes TW (4), Schwalbesche
Linie (5); Fotoarchiv der Universitäts-Augenklinik Graz, 2014....... 5
Abb.4:
Applationstonometrie nach Goldmann, Blick durch den Tonometer
während der Messung. Das Fluoreszenzmittel leuchtet im Blaulicht
gelb.; Fotoarchiv der Universitäts-Augenklinik Graz, 2014............. 7
Abb.5:
Beispiel einer Perimetrie: parazentrale Ausfälle, im Zeitverlauf
zunehmend; Fotoarchiv der Universitäts-Augenklinik Graz, 2014...9
Abb. 6:
Beispiel
einer
Papille
mit
deutlichen
glaukomatösen
Veränderungen: vergrößerte zentrale Exkavation mit typischen
bajonettartigen Verlauf der Gefäße sowie temporale peripapilläre
Pigmentepithelatrophie; ; Fotoarchiv der Universitäts-Augenklinik
Graz, 2014....................................................................................... 10
xii
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
POWG
und
Kontrollgruppe
mit
Standartabweichung,
Minimum und Maximum des Alters .....................................33
Tabelle 2:
Verteilung der Geschlechter in den Gruppen: POWG und
Kontrollgruppe.....................................................................34
Tabelle 3:
Bezeichnung der Primer und ihre Nukleotidsequenz ..........35
Tabelle 4:
Ergebnisse des Chi2 Tests....................................................38
Tabelle 5:
Anzahl der Genotypen N (%), Genallelfrequenz..................39
xiii
1. Einleitung
Der Begriff Glaukom umfasst eine Anzahl ätiologisch unterschiedlicher Krankheiten,
deren gemeinsames Kennzeichen der apoptotische Untergang retinaler Ganglienzellen ist.
Deren Axone bilden in ihrer Gesamtheit den Randsaum des Sehnervenkopfes (Papilla
nervi optici) und in weiterer Folge den Sehnerven. (1)
Pathognomonisch für alle Glaukomerkrankungen ist dementsprechend die kontinuierliche
Abnahme des Randsaumes bei gleichzeitiger Zunahme der zentralen Exkavation der
Papille. Durch den Ausfall der Nervenfasern kommt es zu charakteristischen
Gesichtsfelddefekten, wobei das Endstadium eine irreversible Erblindung sein kann. (1, 2)
Weltweit sind etwa 33 Millionen Menschen vom Glaukom betroffen. Es ist damit nach der
Katarakt die zweithäufigste Erblindungsursache, aber die häufigste irreversible
Erblindungsursache. (8)
Viele pathophysiologische Vorgänge, die zu dieser Krankheit führen, sind noch immer
ungeklärt. Es scheint so, als ob mehrere neurodegenerative Ursachen schlussendlich zur
glaukomatösen Schädigung führen. Eine familiäre Assoziation und die Tatsache, dass
bestimmte ethnische Gruppen vermehrt am Glaukom erkranken, weisen auf eine deutliche
genetische Komponente hin. Mehrere Polymorphismen, die in einer Assoziation mit dem
Glaukom stehen, wurden schon entdeckt, jedoch können damit nur rund 5% der Glaukome
erklärt werden. (58)
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konzentrierten wir uns auf Gene, die im
Zusammenhang mit der Apoptose stehen und deren Produkte experimentell mit dem
Glaukom in Verbindung gebracht wurden. Diese waren Akt-1, Fas, Fas-R und BAX.
Bekannte funktionelle Polymorphismen innerhalb dieser Gene wurden für unsere
Assoziationsstudie verwendet.
1
Einführung
2. Einführung
2.1 Das Auge – Anatomie und Physiologie
Die Lederhaut bildet gemeinsam mit der Hornhaut die straffe, äußere Schicht des Auges.
Licht tritt durch die klare, stark brechende Hornhaut (+43dpt) in die Vorderkammer des
Auge ein.
Die Vorderkammer reicht von der Hornhaut über die pigmentierte Iris bis zur Linse und ist
mit Kammerwasser gefüllt.
Die Linse ist über die Zonulafasern mit den Ziliarmuskeln verbunden. Durch die
Kontraktion dieser Muskeln kann die Linse ihre Brechkraft nach Bedarf verändern.
Rückseitig liegt die Linse dem Glasköper an.
Dieser hyaline Gelkörper füllt den Großteil des Auges. Durch ihn tritt das Licht bis an die
Netzhaut.
(1)
Abbildung 1: Menschliches Auge im sagittal Schnitt
2
2.1.1 Aufbau der Netzhaut
Die Netzhaut besteht aus etwa 127 Mill. Fotorezeptoren, welche in Zapfen und Stäbchen
unterschieden werden. Erstere sind für das Farbsehen zuständig und befinden sich
hauptsächlich in den zentralen Regionen der Netzhaut. Die Makula lutea, die sich genau im
Zentrum der Retina befindet, besteht nahezu ausschließlich aus Zapfen. Stäbchen sind
vermehrt in den peripheren Zonen der Netzhaut zu finden. Ihre Aufgabe ist das SchwarzWeiß Sehen. (1)
Werden diese Zellen (1. afferentes Neuron) durch Lichtimpulse angeregt, geben sie eine
Potentialänderung ihrer Membran über bipolare Zellen (2. afferentes Neuron) an die
retinalen Ganglienzellen (3. afferentes Neuron) weiter. Deren Axone vereinen sich an der
Papilla nervi optici zum Nervus opticus und treten durch die Lamina cribrosa aus dem
Auge aus. (1)
2.1.2 Papilla Nervi Optici
Da an dieser Stelle keine Fotorezeptoren vorkommen, wird sie auch als „Blinder Fleck“
bezeichnet. Ihr durchschnittlicher Durchmesser beträgt 1,8 mm. Eine Papille unter 1,5 mm
wird als Mikropapille und ab 2,2 mm als Makropapille bezeichnet. Sie besitzt in der Mitte
eine Exkavation, aus der die zentralen Blutgefäße austreten. Der neuroretinale Randsaum
ist eine wallartige Erhöhung um die Exkavation, die aus durchtretenden Axonen gebildet
wird. (1, 17, 18)
Abbildung 2: zentraler
1
2
Augenhintergrund: Makula lutea (1),
Papilla nervi optici mit austretenden
Gefäßen (2)
3
Einführung
2.1.3 Kammerwasser Zyklus
Die Vorder- und Hinterkammer des Auges verfügt über eine Zirkulation an Kammerwasser
um die Linse und Hornhaut, welchen eine eigene Blutversorgung fehlt, mit Nährstoffen zu
versorgen. Gebildet wird diese Flüssigkeit durch Ultrafiltration von den Ziliarkörpern an
der Rückseite der Iris. Es werden ungefähr 2μl pro Minute produziert. (1)
Der Na+/K+-Cl - Kotransporter und der Na+/K+ - Kotransporter führen zur Verschiebung
des elektrochemischen Gradienten auf mindestens – 1mV. Dadurch fließt Flüssigkeit
hauptsächlich transzellulär in die Augenkammer. (2, 30)
2.1.4 Regulation der Kammerwasserbildung
Es wird vermutet, dass die Kammerwasserbildung einer neuronalen Regulation unterliegt,
doch konnten bis jetzt keine Barorezeptoren im Auge gefunden werden. Es wird
angenommen, dass freie Nervenendigungen als Sensoren dienen.
α1- und β-adrenerge Interaktionen scheinen die stärkste Regulation des intraokularen
Druckes (IOD) zu sein. Die Aktivierung von α-Rezeptoren an den Ziliarfortsätzen führt zu
einer verminderten Ultrafiltration von Plasma, wohingegen die Aktivierung der βadrenergen Rezeptoren die Produktion von Kammerwasser durch eine verstärkte Aktivität
des Na+/K+ - Cl - Kotransporters und des Na+/K+ -Kotransporters erhöht. (1, 30)
4
2.1.5 Kammerwasser Abfluss
Von dem Ziliarepithel aus umfließt das Kammerwasser die Linse und tritt durch die
Pupille in die Vorderkammer ein.
Ein kleiner Teil des Kammerwassers kann durch den Ziliarmuskel oder durch die
Iriswurzel abfließen. Dies nennt man den unkonventionellen Weg.
Konventionell fließt das Kammerwasser zu 80% bis 90% durch das Trabekelmaschenwerk
(TW) in den ringförmigen Schlemm’schen Kanal, welcher zwischen Iris und Hornhaut
liegt und fließt von dort über transsklerale Sammelkanälchen in das episklerale
Venensystem ab. (30)
2.1.6 Das Trabekelwerk
Das TW ist aus drei Schichten aufgebaut. Durch die beiden inneren Schichten (uveales und
korneosklerales Maschenwerk) kann das Kammerwasser aufgrund deren Porengröße leicht
hindurchtreten. Das juxtakanalikuläre Maschenwerk stellt aufgrund seiner verringerten
Porengröße und seiner Basalmembran den größten Teil des Abflusswiderstandes dar. (1,
30)
Abbildung 3: Gonioskopie des
Augenwinkels: von posterior nach
anterior: Zilliarkörper (1),
Skleralsporn (2), pigmentiertes TW
4 5
2
3
(3), nichtpigmentiertes TW (4),
Schwalb´sche Linie (5)
1
5
Einführung
2.1.7 Intraokulare Druck
Der intraokulare Druck (IOD) sorgt für eine stabile Kugelform des Auges, welche eine
Voraussetzung für deren Mobilität und der Ausrichtung der Fotorezeptoren ist. Er regelt
ebenso die Abstände zwischen Hornhaut, Linse und Netzhaut.
Bei der Geburt liegt der IOD bei 6 bis 8 mmHg, steigt im Laufe der ersten Lebensjahre
kontinuierlich an und umfasst beim Erwachsenen einen statistischen Normalbereich
zwischen 10 bis 21mmHg.
Eine Erhöhung des IOD erfolgt nicht durch eine Überproduktion des Kammerwassers,
sondern durch strukturelle Veränderungen im TW, die zur Behinderung des Abflusses aus
der Vorderkammer führen. (1,4)
6
2.2 Untersuchungsmethoden
Das
Glaukom
ist
im
Allgemeinen
eine
langsam
progrediente
Erkrankung.
Gesichtsfeldausfälle treten meist erst spät auf und können lange Zeit vom Patienten
unbemerkt bleiben. Daher ist eine genau Inspektion und Untersuchung vom behandelnden
Augenarzt nötig, um eine passende Therapie anbieten zu können.
2.2.1 Tonometrie
Als Referenzstandard gilt die Applationstonometrie nach Goldmann. Diese Methode
verwendet einen Messkopf mit einer definierten Oberfläche von 7.35 mm2, der mit einem
variablen Druck gegen die Hornhaut gepresst wird. Die Hornhaut flacht sich dadurch ab
und der Druck des Messgerätes gleicht sich dem des IOD an.
Diese Methode ist nur bedingt von den Eigenschaften der Skleren und der Hornhaut
beeinflusst. Sie hat eine Messgenauigkeit von ± 1mmHg. (1, 19)
Abbildung
4:
Applationstonometrie
nach
Goldmann, Blick durch den
Tonometer
während
der
Messung. Das Fluoreszenzmittel
leuchtet im Blaulicht gelb.
7
Einführung
2.2.2 Pachymetrie
Die Messung der Hornhautdicke erfolgt normalerweise mit einem Handultraschallgerät.
Ein kleiner Kopf wird dabei auf die betäubte Hornhaut aufgesetzt. Zentral hat sie eine
durchschnittliche Dicke von 520 µm, peripher bis zu 700 µm. (1)
2.2.3 Perimetrie
Das
Gesichtsfeld
ist
der
Bereich,
den
das
fixierte
Auge
wahrnimmt.
Die
Gesichtsfelduntersuchung ist eine Untersuchung mit subjektivem Ergebnis, da die
Mitarbeit und völlige Konzentration des Patienten gefragt ist. Ebenso ist sie von der
Sehkraft des Untersuchten abhängig.
Der Patient fixiert einen Punkt in der Mitte einer Halbkugel. Nun werden Lichtpunkte in
diese Kugel projiziert und der Patient gibt an, ob er diese sieht. Unterschiedliche
Lichtintensitäten der Punkte geben nun ein Bild der Lichtunterschiedsempfindlichkeit an
unterschiedlichen retinalen Orten.
Durch diese Untersuchung lassen sich Ausfälle feststellen, die im Alltag durch die
Bewegungen des Auges sowie die Binokularität kompensiert werden können.
Am häufigsten wird heutzutage die computergesteuerte statistische Perimetrie verwendet,
die das Gesichtsfeld des Patienten als Zahlenwerte oder in Graustufen darstellt.
Durch die Gesichtsfelduntersuchung kann erhoben werden, wie stark das Glaukom die
Netzhaut bereits geschädigt hat. Sie ist sowohl für die momentane Lebensqualität als auch
für den Zeitverlauf der Krankheit wichtig. (1, 4)
8
Abbildung 5: Beispiel einer Perimetrie: parazentrale Ausfälle, im Zeitverlauf zunehmend
2.2.4 Papillenbeurteilung
Sowohl die Größe der Papilla nervi optici als auch die Größe der zentralen Exkavation,
respektive die Breite des neuroretinalen Randsaumes variieren physiologisch in der
Bevölkerung.
Die Papillen können mittels einer direkten oder indirekten Ophtalmoskopie untersucht
werden. Dabei kann die Papille in ihrer Größe, Farbe und Form beurteilt werden. Weiters
kann hierbei die Beurteilung des neuroretinalen Randsaumes erfolgen. Anzeichen für eine
9
Einführung
Ausdünnung des neuroretinalen Randsaumes kann ein bajonettartiger Verlauf der
Blutgefäße sein. (4)
Das
HRT
(Heidelberger
Retinale
Tomographie)
und
das
OCT
(Optische
Kohärenztomographie) haben sich dabei als wichtige Untersuchungsmethoden der Papillen
etabliert. Das OCT stellt eine Schichtaufnahme mittels Laser her. Das HRT erzeugt ein
dreidimensionales Oberflächenbild. Beide Techniken erlauben eine objektive Darstellung
und Dokumentation der Papille, sowie des Randsaumes und der Exkavation. (1, 4)
Eine verstärkte Exkavation der Papille mit einhergehender Ausdünnung des neuroretinalen
Randsaumes sind typische Befunde für eine glaukomatöse Schädigung der Papille. Weiters
ist eine peripapilläre Pigmentepithelatrophie in der Normalbevölkerung relativ häufig, tritt
jedoch bei Patienten mit Glaukom gehäuft und verstärkt auf. (6)
Die Papille sollte in regelmäßigen Abständen kontrolliert und exakt dokumentiert werden.
Der C/D Wert, welcher sich aus der Größe der Exkavation und der Größe der Papille
berechnet, stellt dabei einen wichtigen Progressionsfaktor dar.
Abbildung 6: Beispiel einer Papille mit deutlichen glaukomatösen Veränderungen:
vergrößerte zentrale Exkavation mit typischen bajonettartigen Verlauf der Gefäße sowie
temporale peripapilläre Pigmentepithelatrophie
10
2.3 Therapieformen
Die derzeitig einzig evidente Therapie, um den Verlauf der Krankheit zu verzögern oder zu
stoppen, ist die Senkung des IOD. Hierbei gibt es im wesentlichen 3 Möglichkeiten.
2.3.1 Medikamentös
Meist beginnt man mit einer medikamentösen Therapieform. Es gibt 5 Wirkstoffgruppen,
die alleine oder kombiniert verwendet werden können. Prostaglandinderivate erhöhen den
Kammerwasserabfluss
über
den
unkonventionellen
Weg,
Betablocker
und
Karboanhydrasehemmer senken die Kammerwasserproduktion. α-Sympathomimetika
senken die Kammerwasserproduktion, verbessern aber auch den Kammerwasserabfluss,
wohingegen Parasympatomimetika nur den Kammerwasserabfluss verbessern. (1)
2.3.2 Lasertherapie
Sollte die medikamentöse Therapie nicht ausreichend oder die Nebenwirkungen nicht
tragbar sein, kann unterstützend eine Lasertherapie angeboten werden. Bei einer
Trabekuloplastik wird das TW mittels eines Argonlasers verödet, wodurch das
Kammerwasser leichter durch das juxtakanalikuläre TW abfließen kann. Es kann aber auch
das Ziliarkörperepithel gelasert werden und somit die Kammerwasserproduktion verringert
werden. (1)
2.3.3 Chirurgische Therapie
Als letzte Therapieform kommt die Filtrationsoperation zum Tragen. Hierbei wird ad
externo das TW eröffnet und ein Abfluss unter die Bindehaut geschafft, damit das
Kammerwasser leichter abfließen kann. Diese Therapie senkt den IOP zwar sehr gut, ist
aber als operative Intervention mit einem erhöhtem Risiko vergesellschaftet. (1)
11
Einführung
2.4 Glaukom Formen
2.4.1 Das Sekundäre Glaukom
Das sekundäre Glaukom folgt anderen Augen- oder auch Allgemeinerkrankungen. So kann
ein Glaukom durch eine längerfristige Kortisontherapie oder durch vorangegangene
Entzündungsprozesse im Auge, wie zum Beispiel durch eine Herpes-Zoster Infektion,
hervorgerufen werden.
In manchen Fällen führen retinale Gefäßerkrankungen, wie eine Zentralvenenthrombose,
ein Zentralarterienverschluss oder eine fortgeschrittene diabetische Retinopathie zu einem
Neovaskularisationsglaukom. Bei diesem kommt es aufgrund einer verstärkten
Gefäßeinsprossung im Kammerwinkel zu einer IOD- Erhöhung.
Bei einem Pigmentdispersionsglaukom führen Pigmentpartikel, die von der Rückseite der
Iris abgetragen werden und das TW verlegen, zu einem erhöhten Augeninnendruck.
Es kommt bei einem Pseudoexfoliationsglaukom durch Ablagerung eines feinfibrillären
Material, welches vermutlich aus dem Ziliarepithel stammt, zu einem erhöhten Widerstand
im juxtakanalikulärem Maschenwerk und damit zur IOD- Erhöhung. (1, 2, 4)
12
2.4.2 Primäre Glaukome
Sie werden nach dem irido-kornealem Winkel unterteilt.
2.4.2.1 Winkelblock Glaukom
Diese Form des Glaukoms unterteilt man in einen akuten Winkelblock, sowie in ein
chronisches Winkleblockglaukom. Beide Arten werden durch eine Verengung des
Kammerwinkels hervorgerufen, wodurch es im Falle des akuten Winkelblockes zu rasch
einsetzender
IOD-
Erhöhung
mit
Schmerzsymptomatik
und
beim
chronischen
Winkelblockglaukom zu langsam steigenden IOD mit typischer glaukomatöser
Papillenschädigung kommt.
2.4.2.2 Das Primäre Kongenitale Glaukom/ Infantiles Glaukom
Es entsteht durch eine Entwicklungsstörung des Kammerwinkels im 7. – 8. Fetalmonat und
ist mit 1 aus 10.000. Geburten insgesamt betrachtet selten. Embryonales Gewebe
überdeckt das Trabekelwerk und führt somit zu einem IOD- Anstieg. Es tritt bei 70% der
Fälle bilateral auf. Durch eine chirurgische Therapie kann der IOD oftmals sehr gut
reguliert werden. (1)
2.4.2.3 Okuläre Hypertension (OHT)
Bei einer OHT ist der IOD dauerhaft über den statistischen Normbereich erhöht, ohne dass
sich eine glaukomatöse Schädigung an der Papille zeigt.
Da der erhöhte Augeninnendruck ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Glaukoms ist,
sollten deutlich erhöhte Druckwerte laut der European Glaucoma Society behandelt
werden, um eine Entwicklung eines Glaukoms zu vermeiden. (1, 13)
13
Einführung
2.4.2.4 Primäres Chronisches Offenwinkelglaukom
Das primäre chronische Offenwinkelglaukom ist eine chronische, neurodegenerative
Erkrankung des Auges, die mit einer Abnahme der retinalen Nervenfaserschicht sowie
typischem Papillenbefund einhergeht, ohne dass okuläre Erkrankungen oder kongenitale
Anomalien vorliegen. Dies kann zu progressiven Gesichtsfelddefekten, bis hin zur
irreversiblen Erblindung führen. Der IOD liegt hierbei ohne Therapie bei ≥ 21 mmHg.
Besonders sensitiv auf die IOD- Erhöhung reagieren die retinalen Ganglienzellen (RGZ).
(1, 7)
Die Patienten bleiben oft jahrelang asymptomatisch, da die typischen Gesichtsfelddefekte
nur langsam progredient sind und sich von der Peripherie ins Zentrum ausbreiten. Auch
kommt es bei einem stetig leicht erhöhten IOD nicht zu der ausgeprägten
Schmerzsymptomatik wie bei einem akuten Winkelblock.
Wie der Name sagt, präsentiert sich das POWG mit einem physiologisch offenen Winkel
zwischen Hornhaut und Linse. (1)
Das primäre Offenwinkelglaukom kann auch mit Druckwerten im Bereich der statistischen
Norm einhergehen (Normaldruckglaukom), aber auch hierbei ist die Senkung des IOD die
einzig evidente Therapie. Grundsätzlich nimmt das Risiko für die Entwicklung eines
POWG mit der Erhöhung des IOD kontinuierlich zu. Es hat sich jedoch gezeigt, dass kein
Schwellen-IOD, ab dem unweigerlich ein POWG entsteht, existiert. Somit liegt die
Vermutung nahe, dass andere Risikofaktoren (z.B. vaskuläre) für die Entstehung des
POWG verantwortlich sind. Papillenrandblutungen, die in der Normalbevölkerung sehr
selten sind, sind deutlich mit dem Normaldruckglaukom assoziiert. (5)
14
2.5 Epidemiologie
Die
Glaukome
stehen
weltweit
nach
der
Katarakt
an
zweiter
Stelle
der
Erblindungsursachen. Da die Katarakt aber im allgemeinen durch eine Operation reversibel
ist, sind die Glaukome die häufigsten irreversiblen Erblindungsursachen weltweit. (52, 59)
Derzeit sind rund 60 Mill. Menschen an einer Form des Glaukoms erkrankt. Diese Zahl
wird sich nach Schätzungen in den kommenden Jahren auf weitere 80 Mill. erhöhen. (8,
59)
Es konnte gezeigt werden, dass bestimmte Populationen ein erhöhtes Risiko haben, ein
Glaukom zu entwickeln, selbst wenn sie in andere geographische Regionen ausgewandert
sind. (58)
Gehäuft tritt es vor allem bei Westafrikanern, Afroamerikaner, sowie Teilen der
Bevölkerung westindischer Inseln mit afrikanischen Wurzeln auf. (53)
Bevölkerungsgruppen mit schwarzer Hautfarbe haben mit 4,7% eine deutlich höhere
Prävalenz als Kaukasier (Prävalenz 1,3%) (2)
Ebenso ist in Indien die Prävalenz mit 2,6 – 4,1% recht hoch. Dementsprechend nimmt
man an, dass rund 12 Mill. Menschen in Indien vom Glaukom betroffen sind. (60, 61)
Verwandte eines POWG Patienten ersten Grades haben ein lebenslanges Risiko von 22%
ein Glaukom zu entwickeln, wohingegen Patienten der entsprechenden Kontrollgruppe nur
ein 2 -3%iges Risiko haben. (97)
15
Einführung
2.6 Risikofaktoren für die Entstehung eines POWG
Die Rotterdam Eye Study (RES) (9), das Melbourne Visual Impairment Project (VIP) (10)
und die Barbados Incidence Study of Eye Disease (BISED) (11) haben ein großes
Patientengut auf die Inzidenz und Risikofaktoren zur Entwicklung eines POWG
untersucht.
In allen drei Studien hat sich gezeigt, dass das Alter ein wichtiger Risikofaktor ist.
Patienten, die zwischen 70 und 80 Jahren waren, hatten im Gegensatz zu 40- bis 50Jährigen das 12-fache Risiko ein Glaukom in den kommenden 5 Jahren zu entwickeln. (9,
10, 11)
Ebenso wurde der IOD als starker Risikofaktor identifiziert. So zeigten Patienten, die einen
um 1 mmHg höheren Druck als der Durchschnitt hatten, ein 10 - 14% erhöhtes Risiko, ein
Glaukom zu entwickeln. (11, 10)
Die RES zeigte auch, dass Patienten die einen Verwandten ersten Grades mit Glaukom
haben, ein 10-fach erhöhtes Risiko hatten, ebenso ein Glaukom zu entwickeln. (7)
Analysen der RES deuten weiters darauf hin, dass ein veränderter C/D Wert ein frühes
Zeichen für die Entwicklung eines Glaukom darstellt. Die Ocular Hypertension Treatment
Study (OHTS) konnte zeigen, dass sowohl der erhöhte horizontale als auch der erhöhte
vertikale C/D Wert und eine Asymmetrie der Exkavation beider Papillen Risikofaktoren
sind. (12)
Ein niedriger diastolischer Perfusionsdruck (diastolischer Blutdruck minus IOD) im Auge
wurde von mehreren Studien als Risikofaktor identifiziert. Bei einem diastolischem
Perfusionsdruck unter 51 mmHg steigt die Chance ein Glaukom zu entwickeln, bei unter
30 mmHg steigt diese sogar auf das 6-fache an. (2, 3, 13)
Die zentraler Hornhautdicke liegt bei durchschnittlich 520μm. Die European Glaucoma
Preventions Study (EGPS) hat gezeigt, dass schon bei einer 40μm dünneren Hornhaut eine
starke Assoziation mit dem Glaukom gegeben ist. (4, 13, 3)
16
Eine Myopie ab -3 Dioptrie führt zu einer 3,3 Fach erhöhten Wahrscheinlichkeit, ein
Glaukom zu entwickeln. (11)
Männer haben laut einer Studie überdies ein höheres Risiko als Frauen im Laufe ihres
Lebens an einem Glaukom zu erkranken. (11)
Diabetes mellitus, erhöhter systemischer Blutdruck und Migräne zeigen nur geringe bis
keine Assoziation mit dem Glaukom. (2)
Es konnte bisher kein eindeutiger Einfluss auf die Entstehung eines Glaukom durch den
Lebensstil, das Ausmaß an körperlichen Bewegung, Rauchen, Alkoholkonsum, sowie
Ernährung festgestellt werden. (54, 55)
17
Einführung
2.7 Die Rolle der Apoptose
Das Absterben der retinalen Ganglienzellen mitsamt ihren Nervenfasern und somit die
Ausdünnung des Randsaumes, erfolgt durch Apoptose und nicht durch Nekrose. (20)
Die Nekrose ist ein toxischer Prozess, bei dem Zellen geschädigt werden und durch eine
passive Zellschwellung zugrunde gehen. Inhalte aus dem Zytoplasma werden in den
Extrazellularraum
frei
gegeben
und
fördern
so
einen
immunologischen
Entzündungsprozess. (15, 16, 20)
Apoptose tritt normalerweise als ein Prozess auf, um Zellpopulationen im Gleichgewicht
zu halten. Beide Formen des Zelltodes zeigen Gemeinsamkeiten, doch unterscheiden sie
sich in einigen wichtigen Punkten. Während bei der Nekrose die Zellen durch einen
Energiemangel absterben, ist die Apoptose eine aktive Form des Zelltodes, für den sie ATP
benötigt. Der Zelle wird, entweder von innen oder von außen, ein Signal zum Absterben
gegeben. Darauf beginnt die Zelle Enzyme zu bilden, die ihren eigenen Abbau fördern. Es
gibt aber auch Situationen, in denen die Zelle sich gegen die Apoptose entscheidet, oder in
denen die Apoptose in eine Nekrose übergeht, z.B. bei einem ATP Mangel. (15, 16, 20)
2.7.1 Aktivierung der Apoptose
Derzeit sind 3 Wege zur Aktivierung der Apoptose bekannt, welche allesamt mit der
Aktivierung von Caspase 3 enden. Ab diesem Zeitpunkt spricht man vom gemeinsamen
exekutiven Weg.
18
2.7.1.1 Der Extrinsische Weg
Die Aktivierung des extrinsischen Weges erfolgt meist durch eine Ankoppelung von
Tumor Nekrose Faktoren an einen transmembranösen Rezeptor. Dadurch wird Caspase 8
aktiviert, welche zur Abspaltung von Caspase 3 führt. (15)
2.7.1.2 Der Perforin/Granzym Weg
Normalerweise zwingen zytotoxische T-Zellen ihre Opfer durch die Aktivierung des
extrinsischen Weges zur Apoptose. Zellen, die darauf nicht reagieren (z.B. Tumor Zellen,
Virus infizierte Zellen) können durch Granula, welche durch Zellporen geschleust werden,
zur Apoptose gezwungen werden. Großteils bestehen diese Granula aus Granzym A und
Granzym B. Granzym B aktiviert Caspase 10, welche im Verlauf Caspase 3 aktiviert.
Granzym A hat zur Folge, dass DNAse NM23-H1 inaktiviert wird und DNA Schäden
nicht mehr ausgebessert werden. (15, 16)
2.7.1.3 Der Intrinsische Weg
Durch die Abstinenz von Hormonen, Wachstumsfaktoren oder Cytokinen, welche eine
Apoptose unterdrücken, wird das Absterben der Zelle getriggert. Dieser Weg kann zum
Beispiel durch Strahlung, Virusinfektionen etc. verursacht werden. Daraus folgt die
Lösung von proapoptotischen Stoffen aus den Mitochondrien, wodurch Caspase 9 aktiviert
wird, welche wiederum Caspase 3 abspalten. (15,16)
19
Einführung
2.7.1.4 Der Exekutive Weg
Alle drei Wege führen zur intrazellulären Abspaltung von Caspase 3. Es kommt zu einer
Auflösung der DNA und dem Abbau des Zytoskelett. Die Zelle ist somit teilungsunfähig
und beginnt ihre eigenen Bestandteile abzubauen. Durch die Inaktivierung der
Elektrolytpumpen und ohne Zytoskelett schrumpft die Zelle zu einem kleineren
apoptotischen Körperchen, dessen Membranrezeptoren es ermöglichen, von Phagozyten
geschluckt zu werden, ohne einen Entzündungsprozess hervor zu rufen. (15,16)
2.7.2 Aktivierung der Apoptose
Eine große Anzahl von Studien konnten Signale definieren, welche alleine oder in
Kombination, das Absterben von RGZ beim Glaukom vorantreiben. (16)
2.7.2.1 Versagen des Axonalen Transportes
Die Hyopthese, dass Störungen des axonalen Transportes zum Absterben von RGZ führen
können, wurde in mehreren Versuchen im Tiermodell und auch beim Sekundärglaukom
beim Menschen überprüft. Es zeigte sich, dass bei einer Erhöhung des IOD vermehrt
Dynein, ein Motorprotein, in den Nervenköpfen der RGZ gefunden wurde, was auf ein
Versagen der axonalen Transportmechanismen zurückzuführen wäre. (39, 40)
20
2.7.2.2 Neurotrophe Faktoren
Neurotrophe Faktoren spielen eine wichtige Rolle, wenn es um das Überleben von
geschädigten adulten Nervenzellen geht. Sie haben die Fähigkeit aktivierte apoptotische
Prozesse zu inhibieren. Es handelt sich um kleine Peptide, von denen BDNF (Brain
Derived Neurotropic Factor) die wohl wichtigste Rolle für die RGZ spielt. Es konnte
gezeigt werden, dass BDNF-mRNA verstärkt in frühen Stadien von OHT exprimiert wird.
Nach einer Schädigung der RGZ ist das Überleben dieser von neurotrophen Faktoren
abhängig. (41)
2.7.2.3 Mitochondriale Dysfunktion
Mitochondrien spielen in der Apoptose eine wichtige Rolle. Sie üben sowohl pro- als auch
antiapoptotische Funktionen aus. Sobald der Weg in Richtung Apoptose eingeschlagen ist,
verstärkt sich die Membranpermeabilität der Mitochondrien und entlässt als erstes
Cytochom C in das Zytoplasma der Zelle, welches den Abbau von Zellbestandteilen
fördert. Die Produktion von ATP in den Mitochondrien verringert sich im Laufe des
Lebens. Ein erhöhter IOD wirkt sich ebenso negativ auf die Produktion von ATP aus, wie
auch ein verringerter Blutfluss. Dies könnte ein Erklärungsmodell sein, warum das Alter
ein so entscheidender Risikofaktor für die Entstehung eines Glaukoms ist. (42, 43)
2.7.2.4 Oxidativer Stress
Oxidativer Stress entsteht durch eine fehlende Balance zwischen dem Entstehen von
reaktiven oxidativen Molekülen und deren Elimination durch Antioxidantien. Zellen
besitzen mehrere Proteine und Enzyme, die sie vor einem Schaden durch oxidativen Stress
schützen. Es besteht Evidenz dafür, dass in den RGZ von Glaukompatienten ein Mangel an
Antioxidantien besteht. (44, 45)
21
Einführung
2.7.2.5 Aktivierung des Intrinsischen Apoptotischen Weges
Die große Familie der MAPK (Mitogen-aktivierte Protein Kinase) Proteine, welche
extrazelluläre Signale in die Zelle weiterleiten, sind ein zentraler Regulator für das Milieu
der Zelle. Eine Fehlregulation dieser Proteine führt zu einem Mangel an ASK1 Proteinen.
ASK1 Mangel wurde im Mausmodell als ein Faktor für das Absterben von RGZ ohne
erhöhtem IOD identifiziert. (51)
2.7.2.6 Aktivierung des Extrinsischen Apoptotischen Weges
Hierfür scheint TNFα eine wichtige Rolle zu spielen. TNFα wurde verstärkt in
neurodegenerativen Prozessen wie zum Beispiel bei Morbus Alzheimer gefunden. TNFα
Rezeptoren werden im Verlauf einer Glaukomerkrankung vermehrt von RGZ exprimiert.
Diese erhöhte Sensitivität der RGZ führt zu einer Aktivierung des extrinsischen
apoptotischen Weges. (16)
2.7.2.7 Exzitotoxischer Schaden
Glutamat stellt eines der wichtigsten Neurotransmitter im ZNS und auch der Retina dar.
Eine der Hypothesen zum Untergang von RGZ besagt, dass Glutamat verstärkt an
Rezeptoren in der Retina bindet. Somit kommt es zu einem vermehrten Einstrom von Ca2+
und einer vermehrten Aktivierung von proapoptotischen Signalen. Erhöhte endogene
Glutamat Konzentrationen wurden in vielen akuten und chronischen ZNS Schädigungen
nachgewiesen. Die Müller Zellen in der Retina reagieren besonders sensitiv auf Glutamat
mit einer erhöhten Produktion von TNFα. Es wird vermutet, dass ein Zusammenhang mit
dem Glaukom besteht. (49, 50)
22
2.8 Genetik des POWG
2.8.1 Genetik Allgemein
Von den 3.08 Mrd. Basenpaaren eines menschlichen Genoms kodieren rund 25.000 Gene
für ein Protein. Rund 10 Mill. Einzelnukleotidpolymorphismen [Single Nucleotide
Polymorphisms (SNPs)] konnten im humanen Genom bisher identifiziert werden. Die
Variation einzelner Basenpaaren wird mit einer Frequenz von bis zu 0.1% angegeben,
wobei die Substitution eines SNPs am häufigsten vorkommt. (91)
Nur eine geringe Anzahl der Polymorphismen haben jedoch eine funktionelle Auswirkung.
Polymorphismen, die im Exon (dem kodierenden Bereich eines Gens) oder in der
Promotor-Region (der eine regulatorische Funktion der Genexpression zukommt) liegen,
können Einfluss auf die Funktion, Syntheserate und Abbau eines Proteins haben. (91, 90)
Eine klare Genkoppelung, in der ein Genotyp dem Phänotyp gleichgesetzt werden kann, ist
bei komplexeren Erkrankungen wie dem POWG, nicht gegeben.
Eine Erkrankung wird als „komplex“ bezeichnet, wenn der Phänotyp polygenetisch vererbt
wird, also keinen Mendel´schen Erbgang hat, oder durch eine inkomplette Penetranz und
Heterogenität der Genotypen beeinflusst wird. (95)
2.8.2 Methoden der Genanalyse
2.8.2.1 Linkage Analyse
Linkage Analysen sind die älteste Form der genetischen Ursachenfindung. Es werden
Familien,
in
denen
bestimmte
Erkrankungen
gehäuft
vorkommen,
untersucht.
Üblicherweise benötigt man zumindest 10 erkrankte Individuen in einer Familie über
maximal 3 Generationen verteilt, um eine statistisch signifikante Aussage zu machen.
Meist werden größere chromosomale Regionen identifiziert. (96, 97)
23
Einführung
MYOC war das erste Gen, welches durch diese Methode identifiziert werden konnte. (21)
2.8.2.2 Candidate Gene Aproach
Der Candidate Gene Aproach (CGA) wird verwendet, um die Auswirkungen eines
Polymorphismus im Zusammenhang mit einer Krankheit zu bestätigen. Zuerst muss ein
mögliches Gen definiert werden. Dies passiert meist über vorliegende Studien, die einen
oder mehrere Kandidaten als möglichen Verursacher beschreiben. Diese Hypothesen
können in CGAs verifiziert werden.
Es
werden
spezifische
Polymorphismen
auf
einen
Zusammenhang
mit
der
Krankheitsentwicklung hin untersucht. Oft werden Gene gewählt, die für ein Enzym oder
Protein codieren, welche in den biochemischen Prozessen rund um die Krankheit eine
Funktion erfüllen. Ein fundiertes Wissen über die Involvierung des Genes muss dabei
vorausgesetzt werden. Ist die Pathophysiologie einer Krankheit nicht gewiss, können
CGAs nur bedingt Aussagen über den genetischen Einfluss machen. (92) Hierbei wird eine
große Gruppe an Probanden benötigt, um eine Assoziation zu bestätigen. (92)
2012 konnten Ting et al. mittels einer CGA-Studie FBXo11, VRK2, MSH2, RTN4 und
CALM2 als mögliche genetische Faktoren in der Glaukomentwicklung identifizieren. (93)
2.8.2.3 Genomweite Assoziationsstudien (GWAS)
Auf der Suche nach Verbindungen zwischen genetischen Variationen und bestimmten
Krankheiten haben sich genomweite Assoziationsstudien [Genomwide Association Studies
(GWAS)] in den letzten Jahren etabliert. Sie ermöglichen einen Vergleich von vielen
tausenden SNPs in einer großen Anzahl von Patienten. Heutzutage lassen sich Millionen
SNPs in einer Sitzung untersuchen. Es müssen daher, um eine statistisch signifikante
Aussage machen zu können, eine große Anzahl an Patienten untersucht werden. (25)
24
Der Nachteil dieser Untersuchung ist jedoch, dass eine reine Assoziation gefunden wird,
welche noch keine Kausalität beweist. Daher ist es üblich, Ergebnisse von GWAS in
weiteren Untersuchungen auf ihre Funktionalität zu überprüfen.
Auch können seltene SNPs aufgrund der extrem hohen Probandenanzahl unentdeckt
bleiben. (26)
CDKN2B auf Chromosom 9p21 wurde von mehreren GWAS mit dem POWG assoziiert.
Ebenso wurde SIX1/SIX6 in der Auswertung der selben Daten gefunden und in weiteren
Untersuchungen bestätigt. Die derzeit gefunden Genvarianten treffen nur auf unter 10%
der Glaukome zu. (25)
2.8.3 POWG assoziierte Gene
2.8.3.1 Myocilin (MYOC)
Das erste Gen, welches dem Glaukom zugeordnet werden konnte, war das 1997 entdeckte
MYOC Gen im Bereich GLC1A, welches für das Protein Myocilin transkribiert. Entdeckt
wurde es in einer Familie mit starker Prävalenz von juvenilen Offenwinkelglaukomen (62).
Das Myocilin-Gen beinhaltet zwei Introns und drei Exons. Es hat eine Spanne von 17kb
und ist auf dem Chromsom 1q24.3−1q25.2 lokalisiert. (64, 65)
Die Funktion des vom Ziliarkörper und dem Trabekelwerk sezernierten Proteins ist
weitgehend unbekannt. Es gibt jedoch Hinweise, dass die Akkumulation von verändertem
Myocilin die Trabekelzellen an der Umstrukturierung hindern. (21, 2, 58).
Weiteres konnte gezeigt werden, dass im Rattenmodell ein erhöhter IOD mit einem bis zu
4-fach erhöhten Wert von Myocilin im Kammerwasser einhergeht. (64)
2000 ermittelte Fautsch et al., dass eine Myocilin Überexpression im Kammerwasser zu
einem um > 90% erhöhten Abflusswiderstand führen kann. (66) Jedoch konnten diese
Ergebnisse nicht in allen Studien reproduziert werden. (64) Ein erhöhter IOD führt zu einer
vermehrten Expression von Myocilin, jedoch werden Spitzenwerte erst nach 24 Stunden
gemessen. Diese Verzögerung kann ein Hinweis darauf sein, dass Myocilin reaktiv auf
25
Einführung
einen erhöhten IOD produziert wird und kein Ursprung der Druckwerte ist. (67) Weiter
konnte gezeigt werden, dass ein Großteil des Myocilin nicht sezerniert wird, sondern sich
im Endoplasmatischen Retikulum ansammelt. (64)
Veränderungen in diesem Gen, haben große Auswirkungen auf den IOD. Typisch für
Mutationen, die ein Juveniles Glaukom hervorrufen, sind Spitzenwerte von über 40mmHg.
Nur wenige Varianten des Gens sind mit dem Glaukom assoziiert. Meist liegen
Veränderungen auf dem 3. Exon vor. Die häufigste Mutation in Kaukasiern ist
Gln368Stop, weiters fand Cheng et al. 2012 eine starke Assoziation zwischen den
Varianten Q368X bei Kaukasiern und T353I bei Asiaten. (22, 23, 56)
Soweit bekannt sind Myocilin Mutationen für bis zu 3% der adulten POWG
verantwortlich. Doch konnten in 36% der juvenilen Glaukome eine genetische
Veränderung im Myocilin-Gen festgestellt werden. (21, 56, 63)
2.8.3.2 Optineurin (OPTN)
In der Gruppe der familiären Normaldruckglaukome wurde 2002 das Optineurin Gen
(OPTN) in dem Bereich GLC1E gefunden. Es wurde für bis zu 16% dieser Fälle
verantwortlich gemacht. Man vermutet, dass es eine Rolle bei der Exocytose und/oder der
Apoptose spielt, wobei die exakten Mechanismen nicht klar sind. (57) Das humane
Optineurin Gen (OPTN) ist lokalisiert auf Chromosom 10, Lokus 10p13. Es besitzt 13
Exons, die für 577 Aminosäuren kodieren. (70)
Experimentell schützt OPTN bestimmte Zellen vor einem oxidativen Schaden. Eine
Mutation des Gens ist, laut einigen Studien, unter anderem mit der Entwicklung einer
Amylotrophen Lateralsklerose (ALS) assoziiert (71). Seine Transkription wird vermutlich
von TNFα getriggert. In Verbindung mit Huntingtin ist es an der Vesikelbildung beteiligt.
Eine Beteiligung an der Aktivierung der Transkription von mehreren Proteinen wird
ebenso diskutiert. (72, 73, 76).
Im Mäusemodell konnte gezeigt werden, dass eine Überexpression von mutierten OPTN
zu einer erhöhten Apoptoserate in RGZ führt, ohne den IOD zu steigern. Diese Ergebnisse
bestätigten
die
beobachtete
Vergesellschaftung
von
OPTN
Mutationen
und
26
Normaldruckglaukome. (73) Die häufigste Frequenz hat die Mutation E50K mit 13,5%.
(70) H486R ist mit einem seltenen juvenilen POWG assoziiert (74). Es wird vermutet, dass
OPTN zum Schutz der Zelle gebildet wird. Es hat die Eigenschaft Zytochrom C und den
Peroxidase-induzierten Zelltod zu blockieren. Mutationen auf E50K führten zu einem
Protein, das diese Eigenschaft nicht mehr adäquat erfüllen kann. Die Zelle wird dadurch
vulnerabler gegen oxidativen Stress.(75)
Vermutlich führt OPTN zu einer Kaskade an intra- und extrazellulären Signalen. TNFα
oder FasL könnten als Schlüsselmediatoren zur Einleitung einer Apoptose, eines
Entzündungsprozesses oder einer Vasokonstriktion führen. (76)
2.8.3.3 WD40-repeat 36 Gen (WDR36)
951 Proteine können aus den 23 Exons, welche WDR36 bilden, am Lokus 5q22.1
(GLC1G) kodiert werden. Die Expression wurde bis jetzt in der Linse, der Iris, der Sklera,
der Papilla und auch der Retina, nachgewiesen. WDR36 gehört zu der Familie der WD40
repeat-containing
Proteinen
und
ist
als
Gerüstprotein
an
vielen
Prozessen
(Signaltransduktion, genetische Regulation und Apoptose) beteiligt. (24, 77)
Chi et al. konnte 2010 zeigen, dass Mäuse mit einer Mutation an WDR36 einen erhöhten
Verlust an RGZ zeigten. (78)
2005 konnte Monemi et al. mehrere genetische Loci entdecken und fand in seiner Studie,
dass 6% der Patienten mit POWG eine Mutation des WDR36 hatten. (24) Diese
Ergebnisse konnte in mehreren Studien wiederholt werden. (79)
Andererseits konnten einige Studien keinen Zusammenhang von WDR36 Mutationen mit
der Entwicklung eines Glaukoms feststellen. Es wird somit vermutet, dass WDR36
Mutationen das Risiko für ein POWG erhöhen, jedoch nicht allein zur Entstehung eines
POWGS führen. (80)
Eine Hypothese besagt, dass eine Veränderung von WDR36 zu einer gestörten
Immunantwort über IL-2 führt und somit zur Entwicklung eines POWG beiträgt. (81, 82)
27
Einführung
2.8.3.4 Cytochrome P450 family1, subtypeB, polypeptide1 (CYP1B1)
CYP1B1 beinhaltet drei Exons auf zwei kodierenden Regionen, die sich auf dem Lokus
2p22-p21 befinden. Es konnte vor allem während der Entwicklung des Auges in der
Retina, der Iris und der Cornea gefunden werden, jedoch nicht im TW. Nur das adulte
Auge scheint CYP1B1 im TW zu sezernieren. Mutationen in dieser Region können zu
einem unstabilen Protein führen, welches seine Enzymtätigkeit nicht ausführen kann. (77,
84)
Man kann annehmen, dass Mutationen in CYP1B1 zu einer Veränderung im Maschenwerk
führen können und somit den IOD erhöhen. (77)
Es hat sich gezeigt, dass Patienten die sowohl MYOC als auch CYP1B1 Mutationen
haben, früher Auswirkungen eines POWG zeigen. (85, 86) Es gibt jedoch auch Studien,
welche zeigten, dass CYP1B1 Mutationen ohne MYOC Mutationen ebenso zu einem
POWG führen können. (83)
2.8.3.5 Ankyrin repeats and suppressor of cytokine signalling box-containing
protein 10 (ASB10)
Proteine der ASB Familie fungieren als Zytokin Regulator und stehen mit dem Zellzerfall
in Verbindung. Es wurde in vielen Teilen des Auges festgestellt, unter anderem im TW,
der Iris und der Retina. (77)
Es konnte gezeigt werden, das Mutationen im ASB10 eine Veränderung des TW zur Folge
haben, was zu einem erhöhten IOD führen kann. ASB10 wird jedoch auch von der Retina
gebildet, was seine Rolle am Untergang der RGZ nahelegt. (87,77)
28
2012 konnte Passuto et al. Varianten im Gen ASB10 in einer Familie mit starker POWG
Präsenz nachweisen, wohingegen Fingert et al. 2012 ASB10 Polymorphismen nicht als
Risikofaktor identifizieren konnte. (87, 89)
2.8.4 Untersuchte Gen-Polymorphismen
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden funktionelle SNPs in Genen von Proteinen,
denen eine Rolle bei der Apoptose zugesprochen wurde und welche in vorhergehenden
Studien mit dem Glaukom in Verbindung gebracht wurden, auf eine etwaige Assoziation
mit dem POWG untersucht.
2.8.4.1 Bcl-2-assoziiertes X Protein
Das Gen des Bcl-2-assoziierte X Proteins (BAX) ist auf Chromosom 19 lokalisiert. Es
beinhaltet 6 Exons und die Expression wird vom Protein p53 geregelt.
BAX ähnelt strukturell dem Bcl-2 Protein. Ihre Wirkung ist jedoch antagonistisch
zueinander. Bcl-2 Proteine schützen die Zelle vor der Apoptose, BAX hingegen ist ein
Schritt zur Aktivierung des Zelluntergangs. Es führt zum Verlust des mitochondrialen
Membranpotentiales, was wiederum eine Freisetzung von Zytochrom C und anderen
proapoptotischen Proteinen in das Zytoplasma fördert. Dadurch werden Caspasen aktiviert
und der Weg Richtung Apoptose eingeschlagen.
Studien haben gezeigt, dass ein hohes Verhältnis von Bcl-2/BAX zu einem verlängerten
Zellüberleben führt. (32) So wurden von Charles et al. 2005 eine erhöhte Produktion von
BAX Proteinen von RGZ festgestellt, denen Serum entzogen wurde. (33)
Säugetiere produzieren in der Entwicklungsphase der Netzhaut zweimal mehr RZG als
schlussendlich übrig bleiben, wobei BAX für das Überleben der RGZ eine wichtige Rolle
zu spielen scheint.
29
Einführung
Mehrere Experimente an DBA/2J Mäusen haben gezeigt, dass es bei einer völligen
Abstinenz von BAX zu einer Verdickung von RGZ Schichten um bis zu 220% kommt.
(28) Dies traf aber nur auf homozygote BAX negative Mäuse (BAX-/-) zu. Heterozygote
BAX Mäuse (BAX+/-) zeigten eine ähnliche Rate an abgestorbenen RGZ wie homozygot
negative BAX Mäuse (BAX-/-). BAX-/- Mäuse zeigten auch einen erheblich niedrigeren
IOD als BAX+/- oder BAX+/+. Ein Mangel an BAX kann das Absterben von RGZ in
Mäusen mit Glaukom nur verzögern. Ein Grund dafür könnte sein, dass nach einiger Zeit
andere Proteine eine Apoptose induzieren.
Eine Reduktion des proapoptotischen Effektes wurde in BAX Genen nachgewiesen, in
deren Promotorregion ein Guanin zu einem Adenosin substituiert war (BAX -248G>A;
rs4645878). Durch diesen Polymorphismus konnte das Protein nur mehr vermindert
produziert werden. (99)
2.8.4.2 Fas Rezeptor und Fas Ligamente
Die Familie der Tumor Necrosis Factor/Nerve Growth Factor (TNF/NGF) Rezeptoren,
stellt eine der am besten untersuchten Faktoren der Apoptose dar. Ihre Gemeinsamkeit
besteht in einem transmembranösen Protein, welches die Fähigkeit besitzt, intrazellulär
Caspasen zu aktivieren.
FAS Rezeptoren sind Teil dieser Familie und werden von unterschiedlichen Zellen in
großer Anzahl exprimiert. Zum Beispiel werden sie häufig in aktivierten T- oder B-Zellen,
aber auch teilweise von Tumorzellen gebildet. An den FAS Rezeptoren (FAS-R) binden
die FAS Ligamente (FAS-L), welche hauptsächlich an natürlichen Killerzellen und TZellen, aber auch an retinalen und kornealen Zellen vorkommen. Die Bindung von FAS–L
an FAS–R führt in den meisten Fällen zu eine rapiden Proteolyse und im weiteren Verlauf
zur Apoptose der Zellen. (31, 37)
1999 konnten Agarwar et al. zeigen, dass Zellen des TW durch eine Stimulation des FASR zur Apoptose gezwungen werden. (31) Vermehrter apoptotischer Zelluntergang im
Bereich des Trabekelwerks konnte im Verlauf einer Glaukomerkrankung gezeigt werden.
30
Eine Mutation in der Promotor Region von FAS wurden als Risikofaktoren für die
Entwicklung von Alzheimer identifiziert. (37)
Ein Polymorphismus in der Promotorregion von Fas (1377G>A = rs2234767) vermindert
die Expression von Fas, indem Bindestellen für Transkriptionsfaktoren in ihrer Funktion
beeinträchtigt werden. (37, 100, 101)
2.8.4.3 V-AKT murine thymoma viral oncogene homolog 1 (Akt 1)
In den unterschiedlichen Mechanismen, die zur Aufrechterhaltung der Homöostase der
Zelle führen, spielt einer der neurotrophischen Wege eine wichtige Rolle. Dieser beinhaltet
PI3K und Akt als Schlüsselproteine. Sobald diese Proteine an eine Zelle gebunden werden,
können sie Prozesse der Apoptose stoppen. Unter anderem inhibieren sie die Bildung von
Caspase 3 und 9.
Studien haben gezeigt, dass im Tiermodell eine Erhöhung des IOD mit einer gesteigerten
Bildung von Akt einhergeht. Insulin und IGF-1 scheinen bei der Aktivierung von Akt eine
wichtige Rolle zu spielen und wurde vermehrt bei erhöhtem IOD identifiziert. Es zeigte
sich jedoch, dass der neuroprotektive Effekt in den RGZ zu gering war, um die Zellen vor
dem Absterben zu bewahren. (36)
Entsprechend einer rezenten Studie führt der Polymorphismus rs1130233 im Gen AKT1 zu
einer veränderten Syntheserate des Proteins. (38)
31
Methoden
3. Methoden
3.1 Patienten
Insgesamt wurden für diese Studie 668 Probanden im Zeitraum von Jänner 1999 bis März
2011 an der Universitäts- Augenklink Graz akquiriert.
Folgende Untersuchungen wurden durchgeführt:

Untersuchung des gesamten Auges an der Spaltlampe inklusive Gonioskopie

Korrigierter Sehtest

Goldmann-Applanationstonometrie

Pachymetrie der Hornhaut

Standardisierte Automatische Perimetrie (Interzeag Octopus 101, Programm G2),
in Fällen von stark geminderter Sehfähigkeit eine Goldmann Perimetrie

Fotographie des Sehnervenkopfes
POWG wurde definiert als:

IOD von mindestens 21mmHg (ohne drucksenkende Medikamenten)

offener Kammerwinkel

glaukomtypische Sehnervenkopfveränderungen

glaukomtypische Gesichtsfelddefekte

Ausschluss eines Sekundärglaukoms
Probanden der Kontrollgruppe zeigten keinen morphologischen oder funktionellen
Schaden, der auf ein primäres oder sekundäres Winkelblock- oder Offenwinkelglaukom
deuten würde. Die Gruppen wurden geschlechts- und altersgematcht (± 3 Jahre).
32
Alle Probanden sind Kaukasier und stammen aus der selben geographischen Region
(südliches Österreich).
Vor den Untersuchungen wurden die Patienten ausführlich über die Studie und das
Prozedere informiert und gaben eine schriftliche Einverständniserklärung ab. Die Studie
wurde von der Ethikkommission bewilligt und erfüllte die Standards des österreichischen
Gendiagnosegesetzes.
3.2 Alter
Das Alter beider Gruppen betrug im Mittel 73,6 Jahre (± 8,1 Jahre) mit einem Minimum
von 43,7 Jahren und einem Maximum von 92,9 Jahren.
Das Alter der POWG Gruppe betrug im Mittelwert 74,1 Jahre (± 8,3 Jahre) mit einem
Minimum von 43,7 Jahren und einem Maximum von 92,9 Jahren.
Das Alter der Kontrollgruppe betrug im Mittelwert 73,2 Jahre (± 7,8 Jahre) mit einem
Minimum von 45,2 Jahren und einem Maximum von 92,1 Jahren.
Tabelle 1: Das Alter der POWG- sowie der Kontrollgruppe mit Standardabweichung,
sowie Minimum und Maximum in Jahren
Mittelwert
N
Standardabweichung Minimum
Maximum
Kontrollgruppe 73,23
334
7,87
45,2
92,0
POWG
74,15
334
8,33
43,7
92,9
Gesamt
73,69
668
8,11
43,7
92,9
33
Methoden
3.3 Geschlecht
Insgesamt nahmen je Gruppe 187 Frauen sowie 147 Männer an der Studie teil.
Tabelle 2: Verteilung der Geschlechter in den Gruppen: POWG und Kontrollgruppe
Häufigkeit
Prozent
Männlich
147
44%
Weiblich
187
56%
Männlich
147
44%
Weiblich
187
56%
Gesamt
668
100%
Kontrollgruppe
POWG
3.4 Geräte, Materialien, Reagenzien
Folgende Gene wurden untersucht:
AKT1
Lokus: rs 1130233
BAX
Lokus: rs 4645878
FAS
Lokus: rs 2234767
FAS-L
Lokus: rs 763110
Die genetische Analyse wurde im molekularbiologischen Labor der UniversitätsAugenklinik Graz durchgeführt.
34
Venöses Blut wurde in 3ml EDTA Röhrchen gesammelt. Die DNA der peripheren
Lymphozyten wurde mit dem QIAamp DNA Mini and Blood Kit (Quiagen, Venlo,
Niederlande) laut Protokoll extrahiert. Die Lagerung bis zur endgültigen Analyse erfolgte
bei -20°C. Die Determinierung der SNPs erfolgte vermittels High Resolution Melting
Curve (HRMC) durch ein LightCycler © 480 System (Roche Diagnostics Ag, Schweiz).
Bestandteile des Reaktions Mix:

High resolution Melting Master:
o FastStart DNA Polymerase,
o Reaktionspuffer
o dNTP Mix
o High Resolution Melting Farbe

MgCl: 3,0 mM

Primers:
o Oligos: Fa. GenXpress
o Primer Konzentration: 0,2 yM
o Amplifizierungslänge: 95 – 118bp
o Anlagerungstemperatur: 57°C – 63°C (an den Primer angepasst)
Tabelle 3: Bezeichnung der Primer und ihre Nukleotidsequenz
AKT1
BAX
FAS
FAS L
Primer Name
Nukleotidsequenz des Primers
AKT1, rs1130233, left
5` agc tgt tct tcc acc tgt cc - -3`
AKT1, rs1130233, right
5` tct ccg agt gca ggt agt cc - - 3
BAX, rs4645878, left
5` acc ctg ccc gaa act tct aa - - 3`
BAX, rs 4645878, right
5` gag cat ctc ccg ata agt gc - - 3
FAS, rs 2234767, left
5´ cct tat ccc act tct ttt tgt gtc - - 3`
FAS, rs 2234767, right
5` ggc ttg tct ctg ttc cac ct - - 3
FASL, rs 763110 left
5` ctg ggc aaa caa tga aaa tg - - 3`
FASL, rs763110 right
5` acc cac ttt aga aat tag atc a - - 3
35
Methoden
Protokol des LightCycler© 480:
Pre-Inkuabtion:
95°C für 10 min
Amplifizierung:
95°C für 10 sek
57°C – 63°C für 10 sek
72°C für 4 – 8 sek (Abhängig von der Amplifizierungslänge)
45 – 60 Zyklen
Melting curve:
95°C für 1 min
40°C für 1 min
70°C für 1 min
95°C kontinuierlich = 25 Akquisitionen /°C
3.4.1 Genetische Analyse
Die Differenzierung von homozygoten und heterozygoten Polymorphismen erfolgte durch
die Unterschiede in der Schmelzkurve (Melting curve). Als Schmelzpunkt wird die
Temperatur definiert, an der die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den DNA
Strängen bricht. Da G-C eine 3 Fachbindung und A-T nur eine Zweifachbindung hat
besitzen sie einen unterschiedlichen Denaturierungspunkt. Diese Unterschiede können über
UV-Absorption oder durch Unterschiede in der Fluoreszenz gemessen werden. (98)
Homozygote Polymorphismen konnten 1:1 vom Wildtyp unterschieden werden. Zur
Detektion der Sequenzunterschiede wurde die Gene Scanning Software 1.5 von Roche
Diagnostics GmbH verwendet.
Zur Qualitätskontrolle erfolgte ein Vergleich von 3 Analysemethoden.
36
3.5 Statistik
Es wurde untersucht, ob sich SNPs im Bereich der Gene AKT1, BAX, FAS, sowie FASL
in einer Gruppe von Patienten mit POWG von einer geschlechts- und alters-gematchten
Kontrollgruppe unterscheiden.
Zur Berechnung der Statistik wurde SPSS© Version 18 und Microsoft Excel Version 2011
herangezogen.
3.5.1 Statistische Analyse: Chi2 Test
Der Chi2 Test eignet sich für dieses Beispiel am besten, da er Merkmale zweier Gruppen
miteinander vergleicht. Er gilt nach wie vor als zuverlässig, vor allem bei großen
Stichproben (n > 30). (94)
Die beobachteten Häufigkeiten werden dabei in eine Kreuztabelle eingetragen. Es wird
eine erwartete Häufigkeit errechnet, die man bekommen würde, wenn die Merkmale
unabhängig voneinander wären. Diese Werte werden dann miteinander verglichen. (94)
Als signifikant werden P-Werte von unter 0,05 (p ≤ 0,05) bezeichnet.
Als sehr signifikant werden P-Werte von unter 0,01 (p ≤ 0,01) bezeichnet.
3.5.2 Bonferroni Korrektur
Um einen statistischen Alphafehler, bzw. falsch positive Ergebnisse, reduzieren zu können,
sollten multiple Hypothesen (m), die unabhängig voneinander an einem Datensatz getestet
werden, auf ihre reale Signifikanz (α´) korrigiert werden. Das Gesamtrisiko (α) wird dabei
durch die Anzahl der Hypothesen (m) dividiert.
Die Bonferroni Methode ist eine grobe Annäherung an das reale Risiko. (102)
37
Ergebnisse
4. Ergebnisse
Tabelle 4 zeigt als Ergebnis, dass die untersuchten SNPs nicht statistisch signifikant mit
dem Vorkommen eines POWG vergesellschaftet sind. Für rs1130233 im Gen AKT1 ist der
Genotyp A/A mit einem p-Wert von 0.031 grenzwertig signifikant. Wird allerdings nach
Bonferroni-Korrektur mit einem Signifikanzniveau von p<0.0125 nicht signifikant.
Tabelle 4: Frequenzen der einzelnen Genotypen der jeweiligen SNPs in Glaukompatienten
sowie Kontrollprobanden, Chi2 Werte sowie P- Werte
Gene
Mutationen
POWG
Kontrollgruppe
Chi2 (=x2)
P-Wert
Akt1
G/G
216
206
0,643
0,422
A/G
99
116
1,982
0,159
A/A
19
8
4,670
0,031
G/G
259
254
0,210
0,647
A/G
66
75
0,728
0,393
A/A
9
5
1,167
0,280
G/G
275
265
0,966
0,326
A/G
54
65
1,237
0,266
A/A
5
4
0,113
0,737
G/G
132
150
1,988
0,159
A/G
159
145
1,183
0,277
A/A
43
39
0,222
0,637
Bax
Fas
FasL
38
Tabelle 5: Frequenzen der Genotypen N (%) mit Allelfrequenzen
Gene
Patienten
POWG (N=334)
(n= 334)
G/G
216 (64,7%)
206 (61,7%)
A/G
99 (29,6%)
116 (34,7%)
A/A
19 (5,7%)
8 (2,4%)
0,795
0,790
G/G
259 (77,5%)
254 (76,0%)
A/G
66 (19,8%)
75 (22,5%)
A/A
9 (2,7%)
5 (1,5%)
0,874
0,873
G/G
275 (82,3%)
265 (79,3%)
A/G
54 (16,2%)
65 (19,5%)
A/A
5 (1,5%)
4 (1,2%)
0,904
0,864
G/G
132 (39,5%)
150 (44,9%)
A/G
159 (47,6%)
145 (43,4%)
A/A
43 (12,9%)
39 (11,7%)
0,633
0,666
Allele Frequenzen
AKT1
G Allele Frequenz
BAX
G Allele Frequenzen
FAS
G Allele Frequenz
FAS- L
G Allele Frequenz
mit Kontrollgruppe
39
Diskussion
5. Diskussion
Einführung
Das POWG ist die häufigste Ursache für eine irreversible Erblindung weltweit. Der
erhöhte IOD, hervorgerufen durch eine Abflussbehinderung im TW, ist dabei die häufigste
Ursache für den Untergang der RGZ. (4, 8)
Dabei hat sich gezeigt, dass die RGZ nicht durch Nekrose, sondern durch Apoptose
zugrunde gehen. Die Aktivierung des programmierten Zelltodes in RGZ ist nach wie vor
das Ziel vieler Studien und ist in seinen Einzelheiten noch nicht ganz verstanden. (16)
Der Lebensstil scheint kaum Einfluss auf die Entwicklung eines Glaukoms zu haben. (55)
Es wurde jedoch in einigen Studien eine Vererbbarkeit und familiäre Häufung festgestellt.
(7) Ebenso zeigten einige Populationen eine gehäufte Glaukom Prävalenz. (53)
All diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das POWG genetisch zumindest mitbedingt
ist. Jedoch konnten bis heute nur eine geringe Anzahl der Glaukomerkrankungen mit einer
genetischen Variante in Verbindung gebracht werden. (25, 56)
Methoden
Insgesamt nahmen 668 Probanden, alters- und geschlechtsgematcht, an dieser Studie teil.
Um ein Glaukom ausschließen zu können, wurde die Kontrollgruppe genau inspiziert. Als
Einschlusskriterium wurden unter anderem ein normaler IOD und ein unauffälliger
Papillenbefund gewählt. Unsere Untersuchungen spiegeln den weltweiten Standard der
Glaukomdiagnostik wieder. Glaukome, die in einem sehr frühen Stadium weder IOD
Erhöhung noch Gesichtsfeldausfälle zeigen (präperimetrisch), können naturgemäß nicht
erfasst werden.
40
Das mittlere Alter der POWG Gruppe betrug 74,1 Jahre (± 8,3 Jahre). Dieses
Durchschnittsalter spiegelt den Häufungsgipfel der POWG Erkrankungen wider. Es zeigt
auch, dass das Alter einen starken Risikofaktor darstellt. (9, 10, 11)
Um exakte Aussagen machen zu können, wurden funktionelle SNPs von Genen gewählt,
deren Produkte an der Apoptose beteiligt sind, sowie in Studien mit dem Glaukom in
Verbindung gebracht wurden.
Das Bax Protein weist eine proapoptotische Funktion auf. Es wurden im Mäusemodell
Polymorphismen entdeckt, die das Absterben von RGZ fördern. (28)
Akt1 Mutationen wurden als ein Faktor für das Überleben von B-Zellen ermittelt. (36)
FAS-R, die an Zellen des TW vorkommen, kann das Absterben dieser Zellen fördern,
wenn dieser mutiert ist. (31)
Mutationen an FAS-L Regionen konnten im Zusammenhang mit mehreren Tumoren sowie
neurodegenerativen Krankheiten festgestellt werden. (37)
Ergebnisse
Nach Anpassung des Signifikanzniveaus durch eine Bonferroni Korrektur zeigte kein
SNPs in den untersuchten Genen eine Assoziation mit dem POWG. Alleine der
homozygote Genotyp A/A im SNP rs1130233 im Gen AKT1 zeigte in einer univariaten
Analyse eine grenzwertige Signifikanz (p=0,031).
Nach bestem Wissen ist dies die erste Studie, die einen Zusammenhang zwischen den
funktionellen SNPs der erwähnten Gene und dem POWG untersucht hat.
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