Integrationspolitisches Leitbild

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Integrationspolitisches Leitbild des Landkreises Grafschaft Bentheim
Einleitung
Infolge von Anwerbevereinbarungen kamen in den fünfziger und sechziger Jahren
zahlreiche ausländische ArbeitnehmerInnen (ArbeitsmigrantInnen) nach Deutschland.
Ihnen folgten seit dem Anwerbestop von 1972 oftmals ihre Familienangehörigen mit
dem Ergebnis, dass zahlreiche ArbeitsmigrantInnen mit ihren Familien im Landkreis
sesshaft wurden.
Migration- und Integrationsprozesse und Interkulturalität stellen einen globalen Trend
dar. Auch in im Landkreis Grafschaft Bentheim bestimmt die kulturelle Vielfalt der
Menschen zunehmend mehr das Bild der hiesigen Gesellschaft und führt zu
grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt- und Lebensverhältnisse. Dies stellt
vielfältige neue Anforderungen. Auch im und für den Landkreis Grafschaft Bentheim.
Integration ist ein über mehrere Generationen ablaufender Prozess, in dem sich
MigrantInnen und auch die Strukturen und Kultur der aufnehmenden Gesellschaft
verändern. Unter MigrantInnen verstehen wir alle zugewanderten Menschen, die im
Landkreis Grafschaft Bentheim leben, ungeachtet des Grundes für die Zuwanderung.
Dies schließt auch Menschen ein, die die deutsche Staatsbürgerschaft durch das
Einbürgerungsverfahren erworben haben und die Spätaussiedler, die nach dem im
Bundesvertriebenengesetz (BVFG) vorgesehenen Verfahren die deutsche
Staatsangehörigkeit erhalten haben sowie deren Nachkommen.
Am 31.12.07 lebten im Landkreis bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 135.000
BürgerInnen über 18.500 Menschen mit Migrationshintergrund (13,7 %), davon 14.593
Personen mit Ausländerstatus. In der Summe von 18.500 Personen sind
Spätaussiedler/innen nicht enthalten, weil für diesen Personenkreis keine gesonderte
Statistik besteht.
Der Landkreis ist sich der besonderen Bedeutung der Integration von MigrantInnen
bewusst. Ziel ist es, den Menschen mit Migrationshintergrund eine gleichberechtigte
Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu
ermöglichen. Dabei soll ihre eigene kulturelle Identität nicht herabgesetzt, sondern
respektiert und als Bereicherung anerkannt werden. Kulturelle, religiöse und ethnische
Vielfalt sind zu selbstverständlichen Bausteinen unserer Gesellschaft geworden.
Integration ist immer ein zweiseitiger Prozess. Um erfolgreich geführt zu werden, setzt
er auch bei den MigrantenInnen ein hohes Maß an Bereitschaft voraus, sich offen,
vorurteilslos und aktiv den Andersartigkeiten und Besonderheiten des Gastlandes zu
nähern. Der Grundsatz des Förderns und Forderns gilt insoweit auch für alle
Integrationsbemühungen.
Für den sozialen Frieden ist Integration deshalb eine wichtige Voraussetzung. Vielfalt
heißt aber nicht, alles zu bejahen und kritiklos zu tolerieren. So kann es z.B. bei
Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen oder
auch bei religiös begründeter Gewalt keine Toleranz geben. Damit dieser
Integrationsprozess erfolgreich verläuft, ist es nötig, ein gemeinsames Verständnis der
1
demokratischen Grundwerte und Grundrechte, wie die Unantastbarkeit der
Menschenwürde, die Einhaltung der Menschenrechte und das Bekenntnis zur
freiheitlich-demokratischen
Grundordnung,
herzustellen,
d.h.
dass
alle
Prozessbeteiligten das Grundgesetz als verbindlich anerkennen.
Integration ist als ein Prozess zu verstehen, zu dessen Gelingen
Aufnahmegesellschaft und MigrantInnen gleichermaßen beitragen müssen.
die
Die Herausforderung an die Kommunen und die kommunalen PolitikerInnen besteht
darin, die interkulturelle Realität als Folge von Migration in unseren Städten und
Gemeinden als kommunale Verantwortung und kommunale Gestaltungsaufgabe zu
begreifen.
Aufgrund demographischer, wirtschaftlicher, politischer und sozialer Veränderungen
der Lebenslagen der MigrantInnen ist eine Neuorientierung der Kommunen
erforderlich, um Versorgungsangebote und Dienstleistungen auf die veränderten
Bedürfnisse und Anforderungen der Migrantenbevölkerung besser abzustimmen.
Die Kommunen spüren die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Folgen der
Migration am konkretesten. Sie müssen Umdenkungsprozesse in der Politik und im
Verwaltungshandeln einleiten, eine solidarische Politikkultur vorleben, Chancen
verbessernde Maßnahmen ergreifen, d.h. interkulturelle Kreispolitik zu einer
ressortübergreifenden Querschnittsaufgabe zu verbessern.
Der Ausländerbeauftragte erarbeitete gemeinsam mit den Fachbereichen 4 „Soziales
und Gesundheit“ und 5 „Familie und Bildung“ das Integrationspolitische Leitbild. Das
Leitbild wird von allen Fachbereichen/Abteilungen der Kreisverwaltung gemeinsam
getragen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilungen sind sich der wichtigen
Aufgabe „Integration von MigrantInnen im Landkreis Grafschaft Bentheim“ bewusst. Es
soll eine nachhaltige Integrationspolitik entwickelt und gestaltet werden, mit dem Ziel,
die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund aktiv zu verbessern.
Der Integrationsprozess kann nicht allein durch die Kreisverwaltung vorangetrieben
werden, sondern sollte Aufgabe aller Bürger und Bürgerinnen sowie Institutionen im
Landkreis sein.
Die zukünftige Integrationspolitik des Landkreises Grafschaft Bentheim orientiert sich
an folgendem Leitsatz:
Integration ist eine Querschnittsaufgabe
kommunalen Handelns mit einzubeziehen.
und
bei
allen
Überlegungen
Die Integrationsthematik lässt sich nicht auf ein kommunales Handlungsfeld oder
Ressort reduzieren. Der gesamtkommunale Ansatz geht davon aus, dass nicht die
Ressorts die Aufgaben bestimmen, sondern die Aufgaben bestimmen, welche
Fachbereiche davon betroffen sind.
Das bedeutet, dass der Handlungsbedarf definiert, welche Organisationseinheiten
einbezogen werden und wie diese übergreifend und abgestimmt miteinander agieren.
Erst die wirksame Koordination und das Wahrnehmen von integrationspolitischen
Anliegen
als
Querschnittsaufgabe
ermöglichen
eine
erfolgversprechende
Integrationspolitik.
2
Die Integrationsmaßnahmen des Landkreises Grafschaft Bentheim orientieren sich an
folgenden Leitlinien, die eine Selbstbindung darstellen:
1. Erwerb der deutschen Sprache
Der Erwerb der deutschen Sprache muss gefördert, aber auch
eingefordert werden. Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration
und damit die Teilhabe an der Gesellschaft ist die Beherrschung der deutschen
Sprache bei gleichzeitiger Akzeptanz der Muttersprache. Ausreichende Kenntnisse der
deutschen Sprache sind für das Zurechtfinden in Deutschland unverzichtbar.
Nur wenn sie vorhanden sind, kann eine Integration im sozialen, gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich erfolgreich sein. Deshalb
unterstützt der Landkreis Grafschaft Bentheim Maßnahmen, die den Erwerb der
deutschen Sprache fördern.
Die MigrantInnen sind zu motivieren,
Eingliederungsmaßnahmen mitzuwirken.
auch
von
sich
aus
aktiv
an
Die Volkshochschule Grafschaft Bentheim stellt für den Landkreis ein systematisches
und nach Zielgruppen differenziertes Angebot an Deutschkursen, Zertifikatsprüfungen
für die Einbürgerung sowie Vorbereitungskursen auf die Einbürgerungsprüfung zur
Verfügung.
Die Sprach- und Orientierungskurse im Rahmen des neuen Zuwanderungsgesetzes
werden möglichst bedarfgerecht und zielgruppenorientiert (insbesondere für Mütter,
Analphabeten) ausgerichtet.
Mit besonderem Blick auf MigrantInnen mit geringen Sprachkenntnissen sollten die
Projekte gefördert werden, die sich an die Eltern von Migrantenkindern in Kindergärten
und Grundschulen wenden und insbesondere den Müttern die Möglichkeit bieten, in
einem ihnen bekannten institutionellen Umfeld parallel zum Unterricht ihrer Kinder
Deutsch zu lernen.
Die Intention ist es, vor allem den zugewanderten Eltern Sprach- und
Strukturkenntnisse zu vermitteln, damit sie die schulische und berufliche Integration
ihrer Kinder besser unterstützen können, d.h. die aktive Einbeziehung der Eltern mit
Migrationshintergrund in die Erziehungs- und Bildungseinrichtungen zu fördern.
2. Vorschulische und schulische Bildung sowie berufliche Ausbildung
Kindertageseinrichtungen und Schulen sind neben der Familie die wichtigsten
Sozialisationsinstanzen, wo das Miteinander von einheimischen und zugewanderten
Kindern nach den Prinzipien der interkulturellen Erziehung gestaltet wird und die
Kinder die Werte dieser Gesellschaft leben lernen.
Der Erwerb und die Förderung von Sprachkompetenzen (fundierte Mehrsprachigkeit)
sind die wichtigsten Pfeiler für die (vor)schulische Integration, da durch die Aufwertung
von Mehrsprachigkeit bestehendes Potenzial genutzt, der Deutscherwerb erleichtert
und gleichzeitig die soziale Integration sowie das Zusammenleben gefördert werden.
3
Außerdem werden die Kinder in den Schulen auf den Übergang in die Arbeitswelt
vorbereitet. Gute Deutschkenntnisse und eine abgeschlossene Schulbildung sind eine
Voraussetzung für den Einstieg in den Beruf und damit zur Integration in das
Erwerbsleben. Die uneingeschränkte Teilhabe von MigrantInnen und deren
Nachkommen an Bildungs- und Ausbildungsangeboten muss ein weiteres Ziel von
Integrationsmaßnahmen sein, denn fehlende Chancen bei Bildung und Ausbildung sind
ein wesentliches Integrationshemmnis.
Wie bereits veröffentlichte Ergebnisse unterschiedlicher Studien1 belegen, finden
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund immer noch erheblich
eingeschränkten Zugang zum Schul- und Ausbildungssystem. Dies muss sich ändern,
da sonst eine nachhaltige soziale Integration von MigrantInnen und deren Kindern nicht
erfolgt. Der unzureichende Zugang zu Bildung und Ausbildung hat für die Gesellschaft
negative Auswirkungen, wie z. B. Perspektivlosigkeit, Arbeitslosigkeit und Bildung von
Parallelgesellschaften.
Deshalb sind auch Eltern von Migrantenkindern in besonderer Weise zu fördern. Sie
sollen die Integration ihrer Kinder unterstützen. Soziale und kulturelle Angebote
besonders auch für Mütter sind hier von großer Bedeutung, um Kindern und
Jugendlichen berufliche und damit auch gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, wie
z. B.
- Bewusstseinsbildung bei den Eltern für die Bedeutung der Sprache bzw. deren Verantwortung für den Spracherwerb der Kinder
- Verstärkte Einbindung von Eltern in Schulen und Kindertagesstätten
- Gezielte Förderung von Kindern mit unzureichenden Deutschkenntnissen bereits in
Kindertagesstätten
- Fortbildungsveranstaltungen für Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und
Lehrer zum interkulturellen Lernen
- Praxisorientierte Sprach- und Orientierungskurse unterschieden nach Zielgruppen
und Bildungsniveau
Hinsichtlich der sozialen Integration der Kinder mit Migrationshintergrund sollten die
Vereine in Kooperation mit Schulen, die eine Ganztagsbetreuung anbieten, in deren
Nachmittagsbetreuung Arbeitsgemeinschaften installieren, mit der Zielsetzung, mehr
Schüler mit Migrationshintergrund zu erreichen, um deren Motivation an Sport und
Vereinsarbeit nachhaltig zu steigern.
Die Nachmittagsangebote in der Ganztagsschule sind weniger auf Leistung und
Lernen, sondern stärker auf Freiwilligkeit und Freizeitgestaltung ausgerichtet, so dass
hier soziale Erfahrungen gesammelt werden können, die maßgeblich zur
Identitätsentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung der Kinder beitragen und damit die
soziale Integration insgesamt fördern können.
Die interkulturelle Öffnung der Schulen und der Vereine würde in dieser Hinsicht den
Abbau von Hemmschwellen der Eltern gegenüber den Schulen bzw. den Vereinen und
umgekehrt fördern und damit zur Herstellung eines festeren Vertrauensverhältnisses
1
Vgl. IGLU und PISA -Erhebungen, 2001 und 2006 bzw. 2000, 2003 und 2006
4
sowie der Verbesserung der Kontakte zwischen Eltern, den Lehrenden und Vereinsvorstände beitragen, so dass sich die Bildungseinrichtungen und Vereine mit
Gemeinwesenorientierung zu Integrations- und Familienzentren in Städten und
Gemeinden entwickeln. Auf der Basis des gegenseitigen Vertrauens können Kinder
und Jugendliche mit Migrationshintergrund für die Vereinsarbeit gewonnen werden.
In diesem Sinne erleichtert die Öffnung der Schulen und der Vereine auch die
Vermittlung und die Reflexion von Erfahrungen als Teil der Ausbildung interkultureller
Kompetenz, verstanden als die Fähigkeit, angemessen und erfolgreich in einer
fremdkulturellen Umgebung oder mit Angehörigen einer fremden Kultur zu
kommunizieren, d.h. Interaktionsfreudigkeit, Selbstsicherheit, eigenes kulturelles
Bewusstsein sowie die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten und Konflikte zu ertragen,
sollen gerade im Rahmen von interkulturellen Begegnungen wirksam trainiert werden.
3. Arbeitsmarktintegration
Für eine erfolgreiche Integration von MigrantInnen ist auch die berufliche Integration
von zentraler Bedeutung. Die Integration in den Arbeitsmarkt bildet ein wesentliches
Element auf dem Weg zur gesellschaftlichen Integration. Zum einen ist die
Arbeitslosigkeit bei Migranten erheblich höher als bei der einheimischen Bevölkerung2.
Zum anderen ist es gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und
damit absehbaren Fachkräftemangel entscheidend, die Potenziale von Menschen mit
Migrationshintergrund zu fördern, positiv zu nutzen. Erst eine qualifizierte
Erwerbstätigkeit ermöglicht ein selbständiges Leben und die Wahrung ihrer Würde und
ihres Selbstbewusstseins.
Von einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration in diesem Sinne kann gesprochen
werden, wenn es Bedarfgemeinschaften mit Migrationshintergrund gelingt, ohne
soziale Transferleistungen wie dem Arbeitslosengeld II ihren Lebensunterhalt
sicherzustellen.
Der Landkreis Grafschaft Bentheim fördert den Zugang zur Erwerbstätigkeit für
Migrantinnen und Migranten; er setzt sich ein, Unternehmen dafür als Arbeitgeber und
Ausbilder zu gewinnen. Ziel ist es, insbesondere für junge Frauen und Männer mit
Migrationshintergrund vermehrt Ausbildungsplätze zu schaffen sowie Strategien für
deren Beschäftigung zu entwickeln, wie z. B.
- Fördern des Einstiegs in den Arbeitsmarkt durch Informationen zur Ausbildungssituation und durch Existenzgründungsberatung
- Förderung von Praktikums- und Ausbildungsplätzen für jugendliche MigrantInnen
- Bemühungen zur Anerkennung und Nachqualifizierung von im Ausland erworbenen
Qualifikationen
- Migranten geführte Unternehmen als Ausbilder gewinnen
- Praxisnahe und geschlechtsspezifische Beratung und Hinführung zur Berufs- und
Arbeitswelt (nicht nur in Schulen, im Grafschafter Comeback, der Koordinierungsstelle
Chance oder dem Pro-Aktiv-Center, sondern auch über Migrantenselbst2
Quelle: Agentur für Arbeit Nordhorn, Berichtsmonat Juli 2008
5
organisationen, Jugendwerkstätten, Jugendzentren etc.)
Der Landkreis unterstützt und stellt spezifische Angebote für erwerbslose MigrantInnen
bereit,
damit
sie
berufliche
und
gesellschaftliche
Integrationund
Weiterbildungsangebote wahrnehmen können. Junge Frauen und Männer,
Alleinerziehende und Frauen erhalten entsprechend ihren Fähigkeiten besondere
Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt. Jedoch ist das bloße Angebot von
Integrationsleistungen ohne eine zielgerichtete und engagierte Inanspruchnahme durch
die MigrantInnen wirkungslos.
Deswegen fordert der Landkreis Grafschaft Bentheim gleichzeitig von den
MigrantInnen alle Anstrengungen für eine erfolgreiche Integration in den deutschen
Arbeitsmarkt ein. Voraussetzung für eine Integration in den Arbeitsmarkt ist
insbesondere die sichere Beherrschung der deutschen Sprache mindestens in Wort
und wünschenswert in Schrift.
4. Bürgerschaftliches Engagement
Die aktive Mitwirkung von MigrantInnen in Vereinen, Organisationen usw., die das
Verständnis, Teilhabe und Mitgestaltungsmöglichkeiten vermittelt, wird gefördert.
Der Landkreis Grafschaft Bentheim setzt sich dafür ein, dass Initiativen,
Migrantenorganisationen und Vereine gefördert werden. Er unterstützt ehrenamtliches
Engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen und fördert die Partizipation der hier
lebenden MigrantInnen.
Kulturelle Vielfalt ist eine Chance und eine Bereicherung für den Landkreis Grafschaft
Bentheim; er unterstützt daher Aktivitäten und Anlässe, die dem Kontakt und
Austausch dienen; er begrüßt es, wenn Organisationen, Vereine und Einzelpersonen
eigene Projekte und Initiativen entwickeln, die den gesamten Dialogprozess fördern.
Hilfe zur Selbsthilfe und damit die eigenständige Gestaltung sind entscheidend, d.h. die
Integration setzt die Möglichkeit der Selbstbestimmung und -behauptung voraus und
sie gelingt, wenn eine Anerkennungskultur gelebt wird.
5. Altenhilfe und ältere MigrantInnen
Aus der Tatsache heraus, dass die MigrantInnen selbst daran glaub(t)en, spätestens
im Rentenalter in ihre Herkunftsländer zurückzukehren, hat auch die deutsche
Altenpolitik bis vor kurzem an einen Rückkehr-Automatismus geglaubt. Daher sind die
Einrichtungen der Altenhilfe auf die Erfordernisse der älteren MigrantInnen nicht
vorbereitet.
Ein erster Schritt zur bedarfsgerechten Entwicklung der Versorgungsstruktur, welche
den heterogenen Bedarf älterer Menschen berücksichtigt, ist die Wahrnehmung von
möglichen Zugangsbarrieren.
Die Wahrnehmung und die Entwicklung von Strategien zum schrittweisen Abbau von
Zugangsbarrieren fördern die Nutzung vorhandener Angebote der Einrichtungen und
bilden die Voraussetzungen für eine nachholende interkulturelle Öffnung des
Gesundheits- und Sozialwesens sowie für eine vorausschauende interkulturelle
Öffnung der Altenhilfe.
Denn es geht bei der interkulturellen Öffnung vor allem um eine bedarfsgerechtere
Ausgestaltung der Angebote (abgestimmt auf die Belange der verschiedenen
6
Bevölkerungsgruppen im Zuständigkeitsbereich), eine verbesserte Nutzung
vorhandener Ressourcen (durch den Abbau von Zugangsbarrieren) sowie eine
vorausschauende Flexibilisierung, damit beispielweise soziodemographische
Entwicklungen (wie die wachsende Anzahl und die zunehmende Heterogenität der
Gruppen älterer Menschen) frühzeitig in Planungsprozessen berücksichtigt werden
können.
Vorausschauende
Planung
im
Versorgungsbereich
setzt
an
den
soziodemographischen Veränderungen an und versucht, die daraus erwachsenden
Belange verschiedener Gruppen frühzeitig zu berücksichtigen, da
- MigrantInnen in der Regel von Angeboten der stationären, ambulanten wie offenen
Altenhilfe der Regeldienste nicht erreicht werden,
- für die Betreuung und Pflege älterer MigrantInnen, vor allem aus islamischen Kulturkreis geschultes Personal nur in Ausnahmenfällen in den Einrichtungen tätig ist,
- die familiären und ethnischen Netzwerke sowie die Selbsthilfepotentiale der älteren
MigrantInnen nicht ausreichen, um den Bedarf an Hilfeleistungen, Beratung, Freizeitgestaltung und sozialen Kontakten der Senioren gerecht zu werden.
Die Angebote der Altenhilfe müssen die Besonderheiten älterer MigrantInnen erkennen
und sollten ethnisch-bezogene Angebotsformen zulassen und fördern.
Die interkulturelle Öffnung und Organisationsentwicklung der Versorgungsstrukturen ist
keine „Sonderaufgabe“, sie ist vielmehr Bestandteil des Qualitätsmanagements
moderner Dienstleistung.
6. Interkulturelle Handlungskompetenz und soziale Beratung und Betreuung
Aufgrund
soziokulturell
bedingter,
unterschiedlicher
Umgangsformen
und
Kommunikationsmuster treten - unvermeidbar- Konflikte und Reibungsverluste auf.
Verwaltungen und Institutionen sind aufgefordert, zukunftsorientiert mit geeigneten
Maßnahmen auf diese Veränderungen zu reagieren.
Interkulturelle Kompetenz in der Verwaltung und in der sozialen Arbeit ist
Handlungskompetenz in interkulturellen Überschneidungssituationen und ermöglicht,
Schlüsselprozesse zu analysieren und synergetische Handlungskompetenz3 zu
entwickeln.
Interkulturelle
Arbeit
ist
Übersetzungsarbeit
in
kulturellen
Überschneidungssituationen mit der Intention, interkulturelle Missverständnisse zu
verringern und Partizipationsmöglichkeiten zu erhöhen.
Integration ist eine wichtige kommunale Querschnittsaufgabe, die nachhaltig auch in
Verwaltungen und Institutionen verankert werden muss.
Die interkulturelle Öffnung der Angebote und Strukturen ist sowohl im Hinblick auf die
öffentliche Verwaltung als auch auf die Einrichtungen der Regelversorgung notwendig.
Interkulturelle Öffnung ist auch eine Aufgabe der Führungskräfte. Zu diesen
Führungsaufgaben gehören im Bereich der interkulturellen Organisationsentwicklung
die Bereitschaft, das institutionelle Leitbild zu überprüfen und zu aktualisieren,
strukturelle Zugangsbarrieren zu analysieren und ggf. abzubauen, damit
Kooperationen zielgerichteter eingeleitet werden können.
3
Synergie wird verstanden als die Verbindung verschiedener Elemente kultureller Orientierungssysteme, die in ihrer
Wechselwirkung eine neue Qualität ergeben.
7
Interkulturelle Kompetenz und Handeln in der Verwaltung bedeutet damit, die
ungewohnten und unbekannten Lebenssituationen und Lebensweisen von Klientinnen
und Klienten aus anderen Ländern und Kulturen so zu erfassen, dass konstruktiv mit
ihnen umgegangen werden kann.
Interkulturelle Kompetenz wird zu einer Schlüsselqualifikation der Zukunft werden,
deshalb stellen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund eine
wertvolle Bereicherung dar.
Wenn Verwaltungen und Institutionen sich diesen neuen Aufgaben stellen, können
Menschen mit Migrationshintergrund die Dienstleistungen, die hier angeboten werden,
besser nutzen.
In dieser Hinsicht ist es für MigrantInnen wichtig, kompetente Hilfestellungen im
alltäglichen Leben zu erhalten. Diese niederschwelligen Angebote sind von erheblicher
Bedeutung für eine erfolgreiche Integration.
7. Funktion des Ausländerbeauftragten im Integrationsprozess
Der Ausländerbeauftragte steht den Migranten in allen Fragen der Integration beratend
zur Seite. Er unterstützt den Eingliederungsprozess durch die Förderung des Dialoges
zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Durch Informations- und
Öffentlichkeitsarbeit trägt er zu einem interkulturellen Austausch bei und sorgt damit für
eine Sensibilisierung bei allen Beteiligten. Die politischen Gremien berät er ebenso wie
die Verwaltung in allen Fragen zur Integration. Ein besonderes Anliegen des
Ausländerbeauftragten muss weiter darin bestehen, die Selbstorganisationen (Vereine,
Verbände etc.) kompetent zu begleiten, damit deren Erfahrungen im interkulturellen
Austausch nutzbar gemacht werden können.
Dem Ausländerbeauftragten kommt eine zentrale Funktion bei der Vernetzung der
angesprochenen Bevölkerungsgruppen sowie der Akteure in der Arbeit mit und für
Migranten zu. Außerdem sind die Lebenswelten der Migranten kontinuierlich zu
erfassen und zu beschreiben, damit ein verbindliches Berichtswesen gesichert ist. Als
Mittler innerhalb und außerhalb der Verwaltung stellt sich der Ausländerbeauftragte in
den Dienst aller an einer gelingenden Integration der Mitbürger und Mitbürgerinnen
interessierten Menschen in der Grafschaft.
Nordhorn, den 21.10.2008
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