Verhinderung sexueller Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit

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Hessisches Sozialministerium
in Kooperation mit dem
Hessischen Netzwerk behinderter Frauen
Dokumentation der Fachtagung am 8. Oktober in Wiesbaden
Verhinderung sexueller Gewalt
in Einrichtungen für
Menschen mit Behinderung
Kooperationsveranstaltung
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Hessisches Sozialministerium
Dostojewskistr. 4
65187 Wiesbaden
www.sozialministerium.hessen.de
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des Hessischen Sozialministeriums,
des Hessischen Kultusministeriums,
des Beauftragten der hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen,
des Hessischen Netzwerks behinderter Frauen,
der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen e. V.
und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen
LAG Werkstätten für behinderte Menschen
Hessisches Sozialministerium
in Kooperation mit dem
Hessischen Netzwerk behinderter Frauen
Dokumentation der Fachtagung am 8. Oktober 2010 in Wiesbaden
Verhinderung sexueller Gewalt
in Einrichtungen für
Menschen mit Behinderung
Kooperationsveranstaltung
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des Hessischen Sozialministeriums,
des Hessischen Kultusministeriums,
des Beauftragten der hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen,
des Hessischen Netzwerks behinderter Frauen,
der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen e. V.
und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen
Inhaltsverzeichnis
:: Vorwort
Liane Grewers, Hessisches Sozialministerium
4
:: Grußworte
Stefan Grüttner, Staatsminister des Hessischen Sozialministeriums
6
Rita Schroll, Hessisches Netzwerk behinderter Frauen
10
Clemens Beraus, Vertreter des Beauftragten
der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen
12
Volker Karger, Hessisches Kultusministerium
14
Halgard Bestelmeyer Grommet,
Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen
16
:: Fachvorträge und Austausch
Prof. Dr. jur. Julia Zinsmeister, Sexualstrafrechtlerin, FH Köln:
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Strategien zur Prävention
bei sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderung –
mit Blick auf die Bereiche Schule, Arbeiten und Wohnen
20
Petra Zimmermann, Dipl. Supervisorin,
Paar- und Sexualberaterin, pro familia Kassel:
Sexualaufklärung, Sexualität leben dürfen,
organisatorische Vorkehrungen für Freiräume
30
Udo Brossette, Sexualtherapeut, Systemischer Familientherapeut,
pro familia Darmstadt:
Umgang mit Tätern, Männerberatung;
Angebot für gewalttätige Männer mit Behinderung
38
:: Arbeitsgruppen
Prof. Dr. Julia Zinsmeister/Tanja Tandler:
AG I: Rechtliche und institutionelle Strategien zur Prävention und
Intervention von Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit
Behinderung; Dienstvereinbarung in der Diakonie Nieder-Ramstadt
2
48
Angie Zipprich:
AG II: Selbstbehauptungstraining – Vorstellung der Kurse,
Erfahrungen der AG Freizeit e. V., Marburg
52
Christine Klein:
AG III: Das „Netzwerk gegen Gewalt“
58
Tanja Tandler/Christine Klein:
AG III: Gewaltprävention in Südhessen
60
Gewaltprävention Südhessen / Netzwerk gegen Gewalt
61
Gewaltprävention / Qualifizierung zur Präventionsfachkraft
65
Susanne Zobel-Unruh:
AG IV: Stärkende und gewaltpräventive Angebote in der Schule
68
:: Schlusswort
Liane Grewers, Hessisches Sozialministerium
72
:: Anhang
Presseinformation
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Aspekte der Gewaltprävention
76
Fortbildung Präventionsfachkraft
77
Julia Zinsmeister: Gewaltschutz in sozialen Einrichtungen
für Frauen mit Behinderungen
83
Literaturliste – Netzwerk behinderter Frauen
93
Literaturliste – pro familia Kassel
94
Impressum
96
3
Vorwort
Liane Grewers
Vorwort zur Dokumentation der Tagung mit dem Thema „Verhinderung sexueller
Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung“ am 8. Oktober 2010
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, dass ich Ihnen die Dokumentation der Tagung mit dem Thema:
„Verhinderung sexueller Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung“,
die am 8. Oktober 2010 im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport stattgefunden hat, präsentieren kann.
Die sich häufenden Meldungen über sexuelle Gewalt in Einrichtungen für Kinder,
Jugendliche, aber auch Erwachsene und die Diskussion über die Dunkelziffer und
die Strukturen von Institutionen, die Gewalt begünstigen können, aber auch die
konkreten Schilderungen von weiblichen Gewaltopfern beim Hessischen Netzwerk behinderter Frauen, führten zu der Einsicht, dass das Land Hessen im Bereich
der sexuellen Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung nicht untätig bleiben darf.
Bei Recherchearbeiten wurde schnell deutlich, dass zu viele Institutionen von der
Thematik betroffen sind. Darüber hinaus kamen immer mehr Bedarfsmeldungen
von unterschiedlichen Behinderteneinrichtungen, die uns signalisierten, dass
dieses Feld in der Landesregierung noch nicht besetzt ist, aber zwingend einer
Bearbeitung bedarf. Daher haben wir eine Veranstaltung geplant, die möglichst
viele Felder im Zusammenhang mit Gewaltprävention abdecken sollte. Ganz
wichtig waren uns die zentralen Lebensbereiche: Schule, Arbeit und Wohnen.
Auch inhaltlich sollte das Thema möglichst vielschichtig angegangen werden: von
der Sexualaufklärung, über die Selbstbehauptung oder Selbststärkung, über die
gesetzlichen Rahmenbedingungen und Strategien zur Prävention und Intervention
bei sexueller Gewalt, dem Angebot von Fortbildungen und Dienstvereinbarungen
bis hin zum Umgang mit Tätern. Wir haben hier Fachvorträge und Arbeitsgemeinschaften angeboten.
Zentrale Kooperationspartner waren das Hessische Netzwerk behinderter Frauen
und das Hessische Sozialministerium. Von Bedeutung war die Kooperation mit
dem Hessischen Kultusministerium, damit der große Bereich der Schule in die
Gewaltprävention speziell im Hinblick auf Schüler/Schülerinnen mit Förderbedarf
oder Behinderung einbezogen wird. Aber auch die größeren und kleineren Wohneinrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung leben und die Werkstätten für
behinderte Menschen, die über 16.000 Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz bieten, sollten als zentrale Einrichtungen einbezogen werden. Insofern kam
es zu einer Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen e. V. und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte
Menschen. Der Beauftragte der hessischen Landesregierung für Menschen mit
4
Vorwort
Behinderungen konnte auch als Kooperationspartner gewonnen werden. Dies
war uns wichtig, weil hier alle zentralen Interessensvertretungen von Menschen
mit Behinderung vernetzt sind.
An der Tagung nahmen Werkstattleiter/Werkstattleiterinnen, Schulleiter/Schulleiterinnen, Gruppenleiter/Gruppenleiterinnen, Fachkräfte der einzelnen Einrichtungen, Lehrer/Lehrerinnen, Vertreter/Vertreterinnen von Polizei und Landeskriminalamt, Vertreter/Vertreterinnen aus den unterschiedlichsten Beratungsstellen
und nicht zuletzt – und das war uns auch ganz wichtig – Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen teil.
Wir haben nur positive Rückmeldungen zum inhaltlichen Angebot und den Rahmenbedingungen für die Veranstaltung erhalten. Nun werden Ihnen die einzelnen
Beiträge der Tagung in Form einer Dokumentation vorgelegt. Wesentliche Teile
sind in einer gesonderten Broschüre in eine leichte Sprache übersetzt, damit wir
Menschen mit Lernbehinderung und/oder geistiger Behinderung die Möglichkeit
bieten, die zentralen Aussagen dieser Tagung zu lesen und zu verstehen.
Im nächsten Jahr werden Arbeitsgespräche mit Wohneinrichtungen und Werkstätten für behinderte Menschen stattfinden, in denen erste Schritte zur Erarbeitung von Handlungsanweisungen und Dienstvereinbarungen im Bereich der
Prävention von sexueller Gewalt als Mustertexte gegangen werden sollen. Dieses
Projekt wird vom Hessischen Sozialministerium in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Netzwerk behinderter Frauen gesteuert. Es soll aber auch unter Beteiligung
der verschiedenen Kooperationspartner/Kooperationspartnerinnen, die an der
Tagung mitgearbeitet haben, stattfinden.
Ich hoffe, dass das Lesen der Tagungsunterlagen Ihre Aufmerksamkeit und Ihr
Interesse findet. Die Tagungsunterlagen sollen schon jetzt eine Hilfestellung in
Ihrer praktischen Arbeit bieten.
Liane Grewers
Leiterin des Referats Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Hessisches Sozialministerium
Liane Grewers
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Grußwort
Stefan Grüttner
Grußwort des Sozialministers Stefan Grüttner zur Veranstaltung
„Verhinderung sexueller Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung“
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne übernehme ich die Eröffnung unserer heutigen Tagung. Ich möchte ganz
besonders Frau Schroll vom Hessischen Netzwerk behinderter Frauen, Frau
Bestelmeyer-Grommet von der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen, Herrn Beraus als Vertreter des Beauftragten der hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, Herrn Karger vom Kultusministerium,
und die selbst oder potenziell betroffenen Menschen mit Behinderung sowie alle
Anwesenden ganz herzlich begrüßen.
Es freut mich, dass so viele Interessierte zu unserer Veranstaltung gekommen
sind. Wir haben den Anmeldeschluss um 10 Tage hinausgeschoben und bei 200
Anmeldungen Schluss gemacht, weil hier die Höchstgrenze für unsere Räumlichkeiten im Innenministerium besteht. Es haben sich Teilnehmer/innen aus ganz
Hessen – Nord-, Mittel- und Südhessen –, aber auch aus ganz Deutschland angemeldet.
Anmeldungen kamen überwiegend aus dem Bereich der „Professionellen“, d. h.
von Vertretern/Vertreterinnen der Berufsgruppen, die mit Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen arbeiten: Vertreter/Vertreterinnen von Schulen,
Werkstätten, Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Behindertenverbänden, ambulanten Diensten, Beratungsstellen. Die Hessische Polizei und das
Landeskriminalamt sind ebenfalls vertreten. Aber auch Menschen mit Behinderungen sind heute hier vertreten.
Es ist uns ganz wichtig, dass diejenigen, um die es geht, von Anfang an beteiligt
werden. Dabei folgen wir dem Motto: „nichts über uns ohne uns“. Dieses Motto
stammt aus dem Jahre 2003 – dem Europäischen Jahr für Menschen mit Behinderungen – und ist nach unserer Auffassung heute immer noch bedeutend.
Eine Teilnehmer/in hat bei der Anmeldung unter „sonstige Unterstützung“: leichte
Sprache gewünscht. Hier möchte ich alle Vortragenden und Personen, die sich
zu Wort melden, und mich auch selbst anhalten, möglichst gut verständlich zu
sprechen. Wir wollen, dass das, was wir sagen, auch von denen verstanden wird,
um die es geht. Nach dem Grundsatz des Gender Disability sind Menschen mit
Behinderungen bei allen staatlichen Planungen und Maßnahmen von Anfang
an zu beteiligen. Ihre Vorstellungen sind zu berücksichtigen. Wir bemühen uns,
diesen Grundsatz einzuhalten.
Wir beschäftigen uns heute mit dem Thema der Verhinderung von sexueller
Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderung.
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Grußworte
Verkürzt kann man sexuelle Gewalt als intime Kontakte, Berührungen oder Einwirkungen verstehen, die ohne Einverständnis des anderen geschehen. Dabei
wird die Intimsphäre des anderen missachtet. Was sexuelle Gewalt im Hinblick auf
Strafbarkeit bedeutet, wird uns später Frau Prof. Dr. Zinsmeister in ihrem Vortrag
darstellen.
Sexuelle Gewalt kommt überall vor: in der Familie, in Kindergärten, in Kinderheimen, in Jugendvereinen, in Schulen, in Internaten, in Wohneinrichtungen, im
Bereich von Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie bei Freizeitangeboten und auf dem Nachhauseweg. Sexuelle Gewalt kann von jedermann ausgeübt werden. Es gibt nicht den „Tätertyp“, der vorrangig sexuelle Gewalt ausübt.
Die Täter kommen aus allen sozialen Schichten und allen Berufen. Es kann zum
Beispiel der Vater, der Nachbar, der Lehrer, der Integrationshelfer, der Sozialarbeiter, der Einrichtungsleiter, der Mitbewohner sexuelle Gewalt ausüben oder sexuell
übergriffig sein. Immer noch sind die Täter überwiegend männlich und die Opfer
überwiegend weiblich. Es gibt aber auch weibliche Täter und männliche Opfer. Es
gibt auch Menschen mit Behinderung, die selbst Täter werden. Auch damit werden wir uns heute beschäftigen.
Das Europäische Parlament geht nach einer Untersuchung im Jahre 2007 davon
aus, dass nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behinderungen Opfer
von physischer und psychischer Gewalt werden.
Ebenso wird davon ausgegangen, dass Frauen und Mädchen mit Behinderung
in höherem Maße als andere Frauen der Gefahr von sexueller Gewalt ausgesetzt
sind. Wildwasser – die meisten von Ihnen werden den Verein gegen sexuellen
Missbrauch e. V. kennen – befragte Frauen und Mädchen mit unterschiedlichen
Behinderungen: 64 % gaben an, sexuelle Gewalt erlebt zu haben und 41 % haben
sogar schon mehrfach sexuelle Gewalt erlebt. Das sind erschreckende Tatsachen.
Da darf die Politik nicht wegsehen.
Nur eine sehr kleine Anzahl der tatsächlichen Fälle von sexueller Gewalt führt zu
einem Strafverfahren oder gelangt in das Licht der Öffentlichkeit. Es ist davon auszugehen, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer gibt.
Eine positive Entwicklung der letzten Zeit ist, dass immer mehr Opfer Gehör finden, in der Öffentlichkeit und bei den Verantwortlichen. Das Tabu ist gebrochen.
Nicht wenige Opfer haben einen jahrelangen Leidensprozess hinter sich und
finden erst nach vielen Jahren den Mut, Schamgrenzen zu überwinden und sich zu
äußern. Leider sind die Taten in vielen Fällen dann schon verjährt.
Stefan Grüttner
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Opfer mit Behinderungen in Institutionen geraten jedoch noch relativ selten in das
Licht der Öffentlichkeit. Die Gründe dafür sind sicher vielschichtig. Dennoch sind
einige Besonderheiten erkennbar, warum dies so ist.
Es gibt äußere Rahmenbedingungen, die dazu beitragen, dass „sexuelle Übergriffe“ nicht so schnell nach „außen“ dringen. Dazu zählen:
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relativ geschlossene Institutionen wie z. B. stationäre Wohneinrichtungen,
Pflegeheime oder Internate, in denen sich Menschen über Nacht, über Wochen
und manchmal über Jahre aufhalten. Hier gibt es grundsätzlich nicht so viele
Verbindungen nach außen. Die „soziale Kontrolle“ von außen ist nicht andauernd vorhanden.
Einrichtungen oder Maßnahmen, in denen starke Abhängigkeitsverhältnisse
(körperlicher, geistiger oder finanzieller Art) oder
Machtverhältnisse bestehen, bei denen Täter die Macht- und Autoritätsstellung
ausnutzen können.
Fehlen von ausreichenden Vorkehrungen räumlicher und personeller Art, die
einen ausreichenden Schutz der Intim- und Privatsphäre gewährleisten z. B.
Gemeinschaftszimmer, Gemeinschaftsbäder oder –toiletten.
Fehlendes oder nicht ausreichendes Beschwerdemanagement, d. h. Möglichkeiten sich an „neutrale“ Personen zu wenden, sich jemanden anzuvertrauen
und Unterstützung zu erhalten.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von persönlichen Voraussetzungen, die Menschen mit Behinderungen leichter zu Opfern macht. Ich möchte einige nennen:
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je „hilfloser“ Menschen mit Behinderung sind, je mehr sie auf Unterstützungen,
insbesondere auch hinsichtlich Pflege im Intimbereich angewiesen sind,
je weniger sie sprechen oder sich äußern können, um so mehr werden sie als
Opfer auserkoren.
hohe Pflegebedürftigkeit; pflegebedürftige Menschen mit Behinderung haben
zum Teil sehr enge Körperkontakte mit Unterstützern beim Auskleiden, Waschen, Toilettengang und Ankleiden. Nicht immer erhalten pflegebedürftige
Menschen mit Behinderung gleichgeschlechtliche Pflege.
kommunikative und körperliche Einschränkungen; Jugendliche und Erwachsene mit einer Seh- oder Hörbehinderung oder starken körperlichen Beeinträchtigung, einer psychischen oder geistigen Behinderung können häufig Gefahren
nicht rechtzeitig erkennen. Sie haben weniger Möglichkeiten sich zu äußern, zu
wehren oder zu schützen. Viele sind nicht in der Lage, zeitnah Beratungsdienste
oder Hilfeangebote in Anspruch zu nehmen.
mangelndes Wissen über den eigenen Körper, mangelndes Körperbewusstsein, fehlendes Wissen über „erlaubtes und verbotenes Verhalten“
zu geringes Selbstwertgefühl oder Selbstbewusstsein; insbesondere Mädchen
und Frauen mit Behinderungen haben häufig nicht gelernt, „nein“ zu sagen und
Grenzen zu setzen.
Die heutige Tagung widmet sich dem Thema der Gewaltprävention. Es sollen
Vorkehrungen getroffen werden, um sexuelle Gewalt zu verhindern. Wir wollen
Rahmenbedingungen schaffen, die es potenziellen Tätern oder Täterinnen erschwert, übergriffig zu werden. Es soll bei Übergriffen schneller eingeschritten
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Grußworte
werden können. Es sollen potenziell betroffene Menschen mit Behinderung und
ihre Unterstützer/innen so gestärkt werden, dass sie sich stärker zur Wehr setzen
können.
Wir möchten mit dieser Veranstaltung dazu beitragen, eine Kultur des Wegschauens oder Verschweigens mit einer Kultur des Hinschauens und Ansprechens
abzulösen. Wir werben für ein gesellschaftliches Klima, in dem sexuelle Gewalt
gegenüber Menschen mit Behinderung nicht tabuisiert wird.
Menschen mit Behinderung sollen nicht länger durch sexuelle Übergriffe doppeltes Unrecht erfahren: durch die sexuelle Gewalt selbst und danach durch fehlende
Hilfe oder Unterstützung. Wir wünschen uns, dass vor allem Mädchen und Frauen,
aber auch Jungen und Männer mit Behinderung oder ihre Unterstützer/innen
Selbstsicherheit und Selbstvertrauen gewinnen. Dann werden sie nicht aus Scham
oder aus Angst vor Vertrauensverlust oder Liebesentzug davor zurückschrecken,
sich Hilfe zu holen und über Erlebtes sprechen zu können. Wir wünschen uns ein
ausreichendes Hilfe- und Unterstützungsangebot. Wir müssen dahin kommen,
dass Berichte von Mädchen und Frauen mit Behinderung über Gewalterfahrungen ernst genommen werden. Sie dürfen auf keinen Fall als bloße Phantasien
und Wunschdenken abgetan werden. Wir müssen lernen, genauer hinzuschauen
und Verletzungszeichen von Mädchen und Frauen mit Behinderung schneller zu
erkennen.
Sie werden heute über vielfältige Themen im Bereich von sexueller Gewalt sprechen und einen Einblick in erste Lösungsansätze im Bereich der Beratung, Aufklärung, Fortbildung und Dienstvereinbarung erhalten. Ich hoffe, wir kommen mit
der heutigen Veranstaltung dem Ziel einer wirksamen Gewaltprävention näher.
Ich fühle mich als Hessischer Sozialminister auch verpflichtet, gerade diejenigen zu
schützen, die des Schutzes besonders bedürfen.
Menschen mit Behinderungen mussten lange warten bis sie auf allen Gebieten
des gesellschaftlichen Lebens zumindest eine formale Gleichstellung errungen
haben.
Es dürfte mehr als selbstverständlich sein, dass gerade die Menschen, die einen
zum Teil sehr hohen Bedarf an Schutz und Unterstützung haben, vor furchtbaren
Traumatisierungen bewahrt werden. Ich werde mich dieser Verantwortung nicht
entziehen und ich freue mich, dass Sie hier an meiner Seite sind.
Ich danke allen Kooperationspartnern für die gute Vorbereitung und wünsche der
Veranstaltung ein gutes Gelingen.
Stefan Grüttner
Staatsminister des Hessischen Sozialministeriums
Stefan Grüttner
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Grußwort
Rita Schroll
Grußwort zur Tagung „Verhinderung von sexueller Gewalt in Einrichtungen
für Menschen mit Behinderung“
Sehr geehrter Herr Staatsminister Grüttner,
sehr geehrter Herr Karger,
sehr geehrter Herr Beraus,
sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen des Hessischen Netzwerks behinderter Frauen darf ich Sie herzlich
zu unserer heutigen Fachtagung begrüßen und Ihnen, sehr geehrter Herr Staatsminister Grüttner, für ihr freundliches und informatives Grußwort danken.
Mein Dank gilt nicht minder den Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Fachgebieten für ihre Mitwirkung an der heutigen Tagung.
Gleichfalls bedanke ich mich herzlich bei den Kooperationspartnern, dem Hessischen Sozialministerium, dessen Mitarbeiterinnen Liane Grewers, Sonja AndräRudel und Waltraud Hirt freundlicherweise die Federführung bei der Organisation
dieser Fachtagung übernommen haben, dem Hessischen Kultusministerium, dem
Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen,
der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen e. V. und
der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. für ihr
Engagement zur Verwirklichung dieser Veranstaltung.
Obwohl durch verschiedenste Maßnahmen in den unterschiedlichen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung versucht wird, Übergriffe zu verhindern,
kommen diese weiterhin vor.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Meist fehlt es an sexueller Aufklärung, oft bedingt durch zum Teil nicht ausreichend verständliches Informationsmaterial, zu
wenige Möglichkeiten, Sexualität zu leben sowie fehlende oder nicht ausreichend
vorhandene Konzepte und Angebote zur Gewaltprävention.
Zudem existieren – so unsere Erfahrung – in Einrichtungen bisher nur selten Handlungsleitlinien zum Verhalten beim Bekanntwerden von Übergriffen.
In den letzten zwei Jahren hat das Hessische Netzwerk behinderter Frauen – in
Zusammenarbeit mit Institutionen, die im Bereich Gewaltprävention tätig sind – mit
finanzieller Förderung durch das Hessische Sozialministerium Kurse zur Steigerung
des Selbstwertgefühls und zur Gewaltprävention an hessischen Förderschulen organisiert und teilweise auch selbst durchgeführt. Teilnehmerinnen der Kurse waren
Mädchen mit Lern- oder sogenannter geistiger Behinderung.
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Grußworte
Ziel der Kurse war es unter anderem, die Mädchen für die Themen „Grenzüberschreitung“ und „Drohende Gewaltsituationen“ zu sensibilisieren sowie sie zu befähigen, sich in ihnen unangenehmen Situationen zu wehren bzw. ihre Bedürfnisse
zu äußern.
Dieses „Empowerment“ konnte Mädchen Wege und Strategien vermitteln, einerseits ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken, andererseits aber auch ihre
eigenen Grenzen zu setzen, diese Grenzen zu kommunizieren sowie Wege eröffnen, mit den Grenzen anderer Personen adäquat umzugehen.
Diese Kurse erfreuten sich großen Zuspruchs. Die Rückmeldungen des Lehrpersonals zeigten, dass die Mädchen mit Behinderung sehr von diesen Kursen profitierten. So wurde beispielsweise eine Steigerung der Selbstsicherheit und des
Selbstbewusstseins der Kursteilnehmerinnen deutlich.
Alle Schulen, die an dem beschriebenen Angebot teilnahmen, sind bestrebt, auch
weiterhin Kurse zur Gewaltprävention durchzuführen, sofern sich entsprechende
Finanzierungsmöglichkeiten akquirieren lassen.
Einige der Schulen entwickelten mit unterschiedlichen Institutionen auch Konzepte zur Gewaltprävention für Jungen und führten entsprechende Kurse durch.
Darüber hinaus werden zunehmend von unterschiedlichsten Beratungsstellen
neue Projekte durchgeführt, in denen die Gewaltprävention für Menschen mit
Behinderungen ein Projektschwerpunkt ist.
Dies zeigt, dass das Thema der heutigen Tagung sowohl für Nutzerinnen und Nutzer sowie für das Personal in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen,
als aber auch in der Zusammenarbeit mit Beratungsstellen zunehmend an Bedeutung gewinnt und weiterhin unserer Aufmerksamkeit bedarf.
Namens des Hessischen Netzwerks behinderter Frauen danke ich Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit und wünsche allen eine vielseitige Tagung, bei der Sie mit für Sie
interessanten Informationen versorgt werden, die Ihnen Antworten auf Ihre Fragen
geben und die allen Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch bietet.
Rita Schroll
Koordinatorin im Hessischen Netzwerk behinderter Frauen
Rita Schroll
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Grußwort
Clemens Beraus
Sehr geehrter Herr Staatsminister Grüttner,
sehr geehrte Frau Schroll,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
ist es Ihnen auch aufgefallen? Im Rahmen der Berichterstattung über den Missbrauchsskandal, der in den letzten Monaten die Bundesrepublik erschütterte, war
nach meiner Kenntnis nie die Rede von Menschen mit Behinderungen.
Können wir also das Fazit ziehen: Alles in Ordnung?
Ich fürchte nein – denn es wäre schon nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung geradezu als Wunder zu bezeichnen, wären behinderte Menschen
von sexueller Gewalt nicht betroffen – im Gegenteil, ernstzunehmende Stimmen
sowohl in der Sozialwissenschaft wie in der Rechtswissenschaft gehen vom Gegenteil aus!
Der Deutsche Behindertenrat hat in einem kürzlich geführten Gespräch mit der
Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Frau Dr. Christine Bergmann, darauf hingewiesen, dass
Menschen mit Behinderungen – unabhängig vom Alter – in besonderer Weise der
Gefahr sexueller Übergriffe ausgesetzt sind:
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:
:
:
sie sind von Hilfe und Unterstützung abhängig,
sie gehen bei der Anzeige von Taten oft persönliche Risiken ein, weil die Täter
im direkten persönlichen Umfeld zu finden sind, nicht selten – und jetzt gebe
ich die Anführungszeichen ausdrücklich an – „Vertrauenspersonen“ sind,
Menschen mit Behinderungen haben es schwer, die sexuelle Gewalt zu beweisen,
Grenzüberschreitungen hin zu Verletzungen sind oft fließend und müssen von
den Betroffenen wahrgenommen und artikuliert werden können,
bei Menschen mit Behinderungen kann die errungene persönliche Selbstbestimmung und Autonomie jederzeit wieder, z. B. aufgrund des gesundheitlichen Zustandes, oder bloßen Entzug der notwendigen Hilfe, in Frage stehen.
Heute soll es nicht darum gehen, den Status quo zu beschreiben.
Es stellt sich auch unabhängig von der Frage des Ortes, an dem die behinderten
Menschen leben, die Frage, wie sexuelle Gewalt verhindert werden kann angesichts der Tatsache, dass diese Personengruppe besonders gefährdet ist, Opfer
sexueller Gewalt zu werden.
12
Grußworte
Der Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, für den ich heute hier spreche und dessen Grüße ich Ihnen übermittle, ist sich
mit dem Deutschen Behindertenrat einig: In die Qualitätsbewertung einer Einrichtung gehören auch Präventions- und Hilfeangebote gegen sexuelle Gewalt für
die in der Einrichtung lebenden Menschen mit Behinderungen und Qualitätsstandards für diese Angebote.
Viele sexuelle Übergriffe geschehen nur deshalb, weil der oder die Täter sich in
Sicherheit wähnen – entziehen wir den Tätern diese Sicherheit und geben wir den
Menschen mit Behinderungen die Gewissheit, in ihrer Einrichtung in Sicherheit zu
sein!
Clemens Beraus
für den Beauftragten der Hessischen Landesregierung
für Menschen mit Behinderungen
Clemens Beraus
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Grußwort
Volker Karger
Sehr geehrter Herr Minister Grüttner,
sehr geehrte Frau Ministerialrätin Grewers,
sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich darf die besten Grüße von Frau Staatsministerin Henzler zu dieser Veranstaltung überbringen. Sie ist heute leider verhindert und hat mich beauftragt, das
Hessische Kultusministerium zu vertreten. Frau Ministerin begrüßt es sehr, dass mit
der heutigen Tagung zur Sicherung des Wohles von Kindern ein weiterer Beitrag
geleistet wird.
In ihrem Namen wünsche ich uns allen eine ertragreiche Fachtagung sowie wertvolle Anregungen für Sie.
Verehrte Gäste,
beim Phänomen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – der
Thematik, die uns heute hier zusammenbringt – handelt es sich um Straftaten, die
meist im Nahbereich etwa der Familie, der Nachbarschaft, im Rahmen der gemeinsamen Freizeitgestaltung von Minderjährigen und Erwachsenen oder leider auch
in der Schule stattfinden können. Scham, Schuld, körperliche Schädigung und
seelische Verwundung hinterlassen die Übergriffe bei den Opfern und es besteht
kein Zweifel, dass diese Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung gravierende Traumatisierungen und seelische wie körperliche Verletzungen nach sich
ziehen.
Der Prävention sexueller Übergriffe ist daher ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Sie muss auf mehreren Ebenen und in den verschiedenen Lebensbereichen ansetzen, um effektiv zu sein. Zentral ist hierbei die Stärkung der Kinder: Für
eine Vorbeugung im System Schule sind gezielte Schulentwicklungsprozesse zu
initiieren. Änderungen und Signale im Verhalten der Opfer gilt es aufmerksam und
sensibel wahrzunehmen. Eine Kultur des Hinsehens und des Hinhörens muss Teil
des Lebens und Lernens in Schule sein. Jede Schule muss sich Kompetenzen und
Strategien für die Prävention und die Intervention bei sexueller Gewalt aneignen
und nachweisen können. Denn: Weder die Schulen noch die Schulaufsichtsbehörden sind Strafverfolgungsbehörden. Zur Aufklärung von Sachverhalten unter strafrechtlichen Gesichtspunkten fehlen ihnen die Mittel und die Kompetenzen. Daher
ist jede Schulleiterin und jeder Schulleiter ebenso wie die Schulaufsicht gehalten,
14
Grußworte
den Strafverfolgungsbehörden jeden Sachverhalt zu melden und diesen die
weiteren Ermittlungen und Bewertungen in strafrechtlicher Hinsicht zu überlassen.
Die pädagogische Verantwortung dafür, dass Schülerinnen und Schüler „ihre“
Schule als Lern- und Lebensraum wahrnehmen und erleben können, in dem sich
ihre Persönlichkeit entfalten kann, trägt die Einzelschule. Dazu trägt gegenseitiges
Vertrauen, Wertschätzung und Zugewandtheit dort ebenso bei wie in der Familie,
in schulnahen Einrichtungen und Veranstaltungen.
Die pädagogische Qualität der Schule wird maßgeblich durch gemeinsame
pädagogische Ziele der am Bildungsprozess Beteiligten bestimmt. Die Schule
ist dabei ein Lern- und Lebensraum, in dem ein von Wertschätzung geprägter
Umgang, Partizipation und ein geregeltes Zusammenleben gelernt und gestaltet
werden. Diese Haltung von Schule ist wichtig. Sie findet ihren Niederschlag bereits
im Hessischen Referenzrahmen Schulqualität. Toleranz, Transparenz, Offenheit und
angemessene Konflikt- und Kritikbereitschaft sind weitere wichtige Konstituenten
des Zusammen-Lebens und Zusammen-Lernens. Bei der Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen ist der professionelle Umgang mit Nähe und Distanz von wesentlicher Bedeutung. Nur so sind Grenzüberschreitungen, falsche Autoritätseinforderungen und Übergriffe erkenn- und benennbar, kann ihnen entgegengetreten
oder können sie sanktioniert werden.
Das Hessische Kultusministerium arbeitet an einer „Handreichung zum Umgang
mit sexuellen Übergriffen an Schulen“; benachbarten Ressorts und Gremien wurde
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Ende des Jahres wird diese Handreichung mit Handlungsempfehlungen bei sexuellen Übergriffen in den Schulen vorliegen und diese zur Prävention und im Umgang mit dem Phänomen der sexuellen
Gewalt unterstützen. Mit einem schuleigenen Konzept soll schon im Vorfeld alles
getan werden, um Straftaten vermeiden zu helfen.
Für die gute Kooperation im Vorfeld der Tagung mit Ihnen, verehrte Frau Grewers,
bedanke ich mich und hoffe – auch im Namen von Herrn Bognar – sehr, dass daran
angeknüpft werden kann.
Ich wünsche dieser Tagung gutes Gelingen und danke für Ihre Aufmerksamkeit
Volker Karger
Hessisches Kultusministerium
Volker Karger
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Grußwort
Halgard Bestelmeyer Grommet
Sexueller Missbrauch in Institutionen der Behindertenhilfe
Sexueller Missbrauch gegen Schutzbefohlene – nur ein Sujet für Kriminalromane,
wie z. B. in der Millenniums-Trilogie des schwedischen Schriftstellers Stieg Larsson,
wo ein psychisch auffälliges Kind in einer Psychiatrieeinrichtung zum Gegenstand sexueller Phantasien und als Erwachsene von ihrem rechtlichen Betreuer
vergewaltigt wird?
Mitnichten. Sexueller Missbrauch gegenüber Schutzbefohlenen ist bittere Realität
– auch in Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe.
Eine Jugendeinrichtung „verkauft“ in den 90iger Jahren männliche Jugendliche
an Kunden: Sie werden abends vor dem Heim abgeholt und morgens zurückgebracht. Auch ein Mitarbeiter der Einrichtung ist unter denen, die das schmutzige
Geschäft organisieren.
Im Umfeld eines Werkstatthauses soll ein 33-jähriger Mann eine behinderte Frau
vergewaltigt haben, die er bei einem Praktikum in der Werkstatt kennen gelernt
hatte.
Ein Pfleger einer Einrichtung soll sich an einer geistig behinderten Bewohnerin
vergangen haben, die daraufhin sogar schwanger wurde und einen Sohn zur Welt
brachte.
Drei Fälle, die mir bei einer Internet-Recherche ins Auge gefallen sind.
Drei Fälle von wie vielen? Aussagekräftige empirische Untersuchungen gibt es
dazu in Deutschland bisher nicht. Lediglich aus Berlin und Niedersachsen sind mir
Zahlen bekannt geworden, die aber auch nicht von Betroffenen stammen, sondern
von den Einrichtungen selbst. In Niedersachsen waren 51,3 % der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen Fälle sexualisierter Gewalt in den jeweiligen Einrichtungen bekannt. In Berlin schätzten die Leiter von Heimen für geistig Behinderte 1999, dass
jede vierte Bewohnerin zwischen 12 und 25 Jahren von sexueller Gewalt betroffen
war. Zwischen 1991 und 2001 wurde der Berliner Heimaufsicht jedoch kein einziger Fall sexueller Gewalt in Behinderteneinrichtung gemeldet.
Es nimmt nicht wunder, dass die Anzeigebereitschaft solcher Vorfälle so gering
ausgeprägt ist. Die Einrichtungen fürchten um ihren Ruf und versuchen, diese
Vorfälle intern und ohne große Öffentlichkeit zu lösen, Mitarbeiter schauen weg.
Darüber hinaus gestaltet sich die Strafverfolgung schwierig, da es oft keine Zeugen gibt und/oder die Strafverfolgungsbehörden nicht immer von der Glaubwürdigkeit der Opferzeugen überzeugt sind.
16
Grußworte
Einig sind sich aber alle Experten über den deprimierenden Befund, dass Menschen mit Behinderung in Einrichtungen der Behindertenhilfe nahezu „ideale“
Opfer sind. Und das aus mehreren Gründen. Da ist zunächst die Abhängigkeitssituation, in der man sich im Heim befindet. Das beginnt schon mit der Intimpflege, die zwar nach Gesetz durch gleichgeschlechtliche Pfleger geschehen soll.
Wie aber soll das gehen, wenn es davon nicht genügend gibt?
Und man darf auch nicht verkennen, dass zwischen Klienten und Pflegern ein
erhebliches Machtgefälle herrscht. Diese – häufig auch von den Behinderten –
anerkannte Macht des professionellen Betreuers kann ein selbstbestimmtes Leben
und damit die Ausbildung eines Selbstbewusstseins bei den Schutzbefohlenen
in nicht geringem Maße behindern und in Fällen sexueller Belästigung die Gefügigkeit der Opfer erreichen oder verstärken und die Geheimhaltung erzwingen.
Dazu kommen dann intellektuelle Beeinträchtigungen, eine Erziehung zur Anpassung und Unauffälligkeit, eine emotionale Vernachlässigung, verminderte Artikulationsfähigkeit, Leugnung und Reglementierung sexueller Bedürfnisse, sexuelle
Unaufgeklärtheit, Sterilisation.
Und letztlich kommt ein strukturelles Problem hinzu, das nämlich, dass Fragen von
sexueller Gewalt gar nicht oder nur im Anlassfall problematisiert werden.
Aufklärung tut also not. Sowohl bei den Schutzbefohlenen selbst wie natürlich
auch bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Einrichtungen.
Und mittlerweile – das ist das Gute im Unguten – haben die gehäuften Vorfälle von
sexueller Gewalt in Einrichtungen zu zahlreichen Präventionspapieren geführt.
Aus diesen allen lassen sich im Wesentlichen folgende Grundsätze ableiten:
:
:
Die Entwicklung von Ethikrichtlinien für die Einrichtung – wie sie das Positionspapier des Kinderschutzbundes NRW fordert; darin sollten die Themen Sexualität, professionelles Selbstverständnis, pädagogische Konzepte und Leitbilder,
das vorhandene Machtgefälle zwischen Betreuern und Betreuten sowie der
Umgang mit Macht in der eigenen Institution aufgegriffen werden.
Richtlinien für das Bewerbungsverfahren; auch das ist eine – wie ich meine
– sinnvolle Forderung des Kinderschutzbundes; darin sollte eine klare Offenlegung des Problembewusstseins der Institution, eine definierte Vorgabe
hinsichtlich erlaubten und unerlaubten Verhaltensweisen und die Ankündigung
von rechtlichen Konsequenzen im Falle von Verstößen ebenso enthalten sein
wie die Frage nach der Motivation für die Tätigkeit in diesem speziellen Arbeitsfeld.
Halgard Bestelmeyer Grommet
17
Die Präventionsangebote für Betreuungspersonen sollten nach meinem
Dafürhalten darüber hinaus folgende Themenbereiche beinhalten:
:
:
:
:
:
:
die Reflexion der eigenen Werthaltungen und Vorurteile in Bezug auf
Menschen mit Behinderung,
eine Haltung im Umgang mit den behinderten Menschen, die Eigenständigkeit
und Selbstbestimmung fördert und damit Abhängigkeiten reduziert,
das Akzeptieren von Grenzen im Umgang mit behinderten Menschen,
die Wahrnehmung einer eigenständigen Sexualität von Menschen mit
Behinderung,
die Sensibilisierung für das Thema der sexuellen Belästigung und des
sexuellen Missbrauchs in der Einrichtung und nicht zuletzt
Informationen über Anlauf- und Beratungsstellen in Fällen sexueller
Belästigung.
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, in den sie betreuenden
Einrichtungen geschützt zu werden, auch und gerade vor sexuellen Belästigungen
und sexueller Gewalt. Gegenüber diesem Schutzbedürfnis hat das Interesse an
der öffentlich bewahrten Integrität der Institution zurück zu stehen.
Halgard Bestelmeyer Grommet
Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen e. V.
18
Grußworte
Halgard Bestelmeyer Grommet
19
Prof. Dr. jur. Julia Zinsmeister
Gesetzliche Rahmenbedingungen und
Strategien zur Prävention und Intervention
bei sexueller Gewalt
gegen Mädchen und
Frauen mit Behinderungen mit Blick auf
die Bereiche Schule,
Arbeiten und Wohnen
20
Fachvorträge und Austausch
:: Vorüberlegungen
In Abhängigkeitsverhältnissen und geschlossenen Systemen (Familie, soziale Einrichtungen,
Bildungseinrichtungen, Therapie…) besteht
ein erhöhtes Risiko von Machtmissbrauch und
Grenzverletzungen.
Die Träger sozialer Einrichtungen bzw. Bildungseinrichtungen und Arbeitgeber müssen sich
dieses Risikos bewusst sein und Vorkehrungen treffen, um Grenzverletzungen möglichst
frühzeitig erkennen und entgegensteuern zu
können („Fehlerkultur“).
Dabei muss der besonderen Vulnerabilität von
Menschen mit Behinderungen und ihrem Recht
auf ungehinderten Zugang zu Rechtsschutz,
psychosozialer und medizinischer Unterstützung Rechnung getragen werden.
zur Toilette begleitet. Sie lernen: „Jede und jeder darf mich anfassen“. Sie erfahren, dass nicht
sie, sondern andere über ihren Körper bestimmen dürfen und können. Sexualisierter Gewalt
in der professionellen Beziehung geht meist
eine langsame und unmerkliche Grenzverschiebung voraus. Übergriffe werden oft in scheinbar
pädagogisches, pflegerisches oder therapeutisches Handeln eingebettet und bewegen sich
damit lange in einer „juristischen Grauzone“.
:: Beispiel aus einer
Dienstvereinbarung
:
:: Zentrale Maßnahmen der Prävention
:
:
:
:
:
:
Förderung der Selbstschutzkompetenz
behinderter Menschen durch Sicherung ihrer
Selbstbestimmung im Alltag (Abbau sozialer
Kontrolle und Fremdbestimmung), Selbstbehauptungs- und Verteidigungsangebote
und sexualpädagogische Begleitung,
Partizipation, Beratungsangebot durch
externe Fachkräfte und Ombudspersonen,
externes Beschwerdemanagement,
Öffnung der Einrichtung, z. B. Kooperation
mit Mädchen- und Frauenberatungsstellen,
Klärung der Grenzen professioneller Nähe
und Distanz (mit den Klienten/Klientinnen
und den Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen),
Entwicklung einer „Fehlerkultur“ in der
Organisation,
Anonyme Berichterstattung wird ermöglicht,
damit die Intervention nicht an den Loyalitätskonflikten mitwissender Mitarbeitender
scheitert.
:: Klärung der Grenzen
professioneller Nähe und Distanz
Menschen, die auf Unterstützung im Alltag angewiesen sind, erfahren oft strukturelle Gewalt.
Nicht sie, sondern der Dienstplan der Institution
entscheidet, wer sie an- und auszieht, wäscht,
:
Handlungen, die aus Sicht eines (fiktiven)
Betrachters einen Sexualbezug aufweisen,
gelten nicht als sexuelle Handlungen, wenn
sie pflegerisch, therapeutisch oder pädagogisch motiviert und geboten sind (z. B.
Hilfen an An- und Auskleiden, notwendige
Intimpflege).
Handlungen, die aus Sicht eines (fiktiven)
Betrachters einen Sexualbezug aufweisen
und pflegerisch, therapeutisch oder pädagogisch motiviert sind, von den behinderten
Kundinnen und Kunden aber abgelehnt
werden, sind im Zweifelsfall nicht – jedenfalls
nicht durch den/die handelnde/n Mitarbeiter/Mitarbeiterin – zulässig.
:: Zentrale Maßnahmen
der Intervention
:
Handlungsorientierung für Mitarbeitende/
Leitungskräfte:
: Was sind konkrete Verdachtsmomente,
wie ist im Falle eines Verdachts zu handeln (ungeachtet der eigenen Meinung
betreffend die „Schuld“ oder „Unschuld“
des Tatverdächtigen),
: Klärung der Verantwortung für die weitere Intervention, Steuerung und Dokumentation des Informationsflusses, frühzeitige
und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit
Aufsichtsbehörden;
: Der Schutz der Mitarbeitenden vor Vorverurteilung muss sichergestellt werden,
soweit hierdurch nicht der Schutz
der möglicherweise bedrohten Person
gefährdet wird.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Strategien zur Prävention und Intervention – Prof. Dr. jur. Julia Zinsmeister
21
:
:
Dies erfordert eine gründliche Abwägung
zwischen berechtigten Interessen der
mutmaßlich Betroffenen und mutmaßlichen Täter:
Je konkreter und dringlicher der Verdacht, je wahrscheinlicher eine Wiederholung, je schwerer der drohende Schaden für die gefährdete Person ist, um
so weitreichender darf und muss in die
Rechte des tatverdächtigen Mitarbeiters
eingegriffen werden (z. B. durch Abmahnung, Freistellung, ggf. auch (Verdachts-)
kündigung.
: Angemessene Einbindung der „Betroffenen“ in die Intervention (z. B. Entscheidung über Strafanzeige),
: Vermittlung an unabhängige externe
Stellen (Beratung, Therapie, Rechtsanwält/innen),
Information/Schulung behinderter Menschen
über ihre Rechte und das Interventionsverfahren.
:: Nachsorge:
Angebot individueller Nachsorge für die
Betroffenen.
Root-Cause Analysis zur Weiterentwicklung der
Präventions- und Interventionsstrategien:
:
:
Welche institutionellen Bedingungen haben
dazu beigetragen, dass Grenzen verschoben
und verletzt werden konnten?
Wie können und müssen diese Bedingungen
verändert werden?
In diesem Prozess der Aufarbeitung sollten alle
Mitglieder der Organisation und die Aufsichtsbehörden einbezogen werden. Das Ergebnis
sollte öffentlich kommuniziert werden.
22
Fachvorträge und Austausch
:: Fragen:
1. Verpflichtet unsere Rechtsordnung Bildungssituationen, Rehabilitationseinrichtungen
und andere soziale Organisationen, entsprechende Präventionsmaßnahmen („Risikomanagement“) und Interventionsmaßnahmen zu ergreifen?
2. Finden sich konkrete Vorgaben, wie diese
Maßnahmen auszugestalten sind?
3. Wie können und sollten die Maßnahmen
ausgestaltet werden?
:: Übersicht
I. Gewährleistungen durch das internationale
Recht
II. Die institutionelle Verantwortung für Grenzverletzungen im Spiegel des nationalen
Rechts
1. Strafrechtliche Garantenstellung der
Leitungspersonen und Fachkräfte
2. Zivilrechtliche Organisationsverantwortung der Einrichtungsträger
3. Einrichtungsaufsicht
4. Sozialrechtliche Vorgaben
5. Schulrechtliche Vorgaben
III. Ergebnis
Art. 19 UN-Kinderrechtskonvention
i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.07.1992,
BGBl. II S. 990
(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten
Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und
Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder
Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder
Ausbeutung einschließlich des sexuellen
Missbrauchs zu schützen, solange es sich in
der Obhut der Eltern (…) oder einer anderen
Person befindet, die das Kind betreut.
(2) Diese Schutzmaßnahmen sollen je nach den
Gegebenheiten wirksame Verfahren zur Aufstellung von Sozialprogrammen enthalten,
die dem Kind und denen, die es betreuen,
die erforderliche Unterstützung gewähren
und andere Formen der Vorbeugung vorsehen sowie Maßnahmen zur Aufdeckung,
Meldung, Weiterverweisung, Untersuchung,
Behandlung und Nachbetreuung in den in
Absatz 1 beschriebenen Fällen schlechter
Behandlung von Kindern und gegebenenfalls für das Einschreiten der Gerichte.
:: Stand der Umsetzung
auf nationaler Ebene
Strafbares Unterlassen der erforderlichen
Schutzmaßnahmen
§ 13 StGB: Strafrechtliche Garantenpflicht
:
:
Art. 16 UN-Behindertenrechtskonvention
(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten
Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial-,
Bildungs- und sonstigen Maßnahmen, um
Menschen mit Behinderungen sowohl
innerhalb als auch außerhalb der Wohnung
vor jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und
Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte, zu schützen.
(2) (…), um jede Form von Ausbeutung, Gewalt
und Missbrauch zu verhindern, indem sie
unter anderem geeignete Formen der das
Geschlecht und das Alter berücksichtigenden Hilfe und Unterstützung (…) gewährleisten, einschließlich (…) der Bereitstellung von
Informationen und Aufklärung darüber, wie
Fälle von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch verhindert, erkannt und angezeigt
werden können.
(3) Zur Verhinderung jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch stellen die
Vertragsstaaten sicher, dass alle Einrichtungen und Programme, die für Menschen mit
Behinderungen bestimmt sind, wirksam von
unabhängigen Behörden überwacht werden.
:
Strafrechtlicher Garant ist, wer sich durch
Vertrag oder tatsächliche Übernahme der
Verantwortung zum Schutz der Nutzer/
Nutzerinnen (z. B. ihrer Gesundheit, Würde,
Freiheit…) in der Einrichtung verpflichtet hat.
Erhält der Garant Kenntnis, dass die Nutzer/
Nutzerinnen von (sexualisierter) Gewalt,
Misshandlung oder anderen Straftaten
bedroht sind, hat er alle aus seiner Sicht zur
Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
Unterlässt er die aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen, kann dieses Unterlassen
gem. § 13 StGB als eigener Beitrag zur Tat
gewertet werden (z. B. als Beihilfe zum sexuellen Missbrauch durch Unterlassen, §§ 174,
27, 13 (StGB)).
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Einem Schulleiter obliegt eine Garantenpflicht
zum Schutz der ihm anvertrauten Schülerinnen
und Schüler, die ihn verpflichtet, diese vor
gesundheitlichen Schäden zu bewahren (BGH
VersR 1955, 742; OLG Köln NJW 1986, 1947,
1948).
Erlangt ein Schulleiter Kenntnis von sexuellen
Belästigungen von Schülerinnen durch einen
Lehrer im Unterricht, hat er darum die ihm zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung weiterer möglicher sexueller Vergehen, insbesondere
eines sexuellen Missbrauchs der Schülerinnen
zu ergreifen.
Unterlässt er dies, kann dies im Falle weiterer
Taten jedenfalls als Beihilfe (§ 27 StGB), d. h. als
Förderung des sexuellen Missbrauchs nach
§ 174 StGB strafbar sein (BGHSt 43, 82, 87; BGH
MDR 1984, 274 BGH in NStZ-RR 2008, 9-10).
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Strategien zur Prävention und Intervention – Prof. Dr. jur. Julia Zinsmeister
23
:: Zivilrechtliche Haftung sozialer
Einrichtungen für Grenzverletzungen
(ohne Schule)
Werkstattvertrag/Betreuungsvertrag/
Heimvertrag
SL-Erbringer
(freier Träger der
Sozialen Arbeit)
:
:
:
:
Arbeitsvertrag
SL-Empfänger/in
:
Mitarbeiter/in
Betriebsabläufe müssen so organisiert und
überwacht werden, dass Dritte nicht zu Schaden kommen (verkehrsübliche Sorgfalt).
Gefahrgeneigte Tätigkeiten erfordern ggf.
ein entsprechendes Risikomanagementsystem.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) regelt Präventions- und Interventionspflichten der Arbeitgeber zum Schutz
der Beschäftigten vor sexueller Belästigung.
Die Schutzpflichten der Einrichtungsträger
gegenüber den Nutzern/Nutzerinnen sind
gesetzlich vergleichsweise vage bestimmt.
Gleichwohl machen sich Einrichtungen
schadensersatzpflichtig, wenn sie Schäden
der Nutzer/Nutzerinnen nicht verhindern,
denen sie bei gehöriger Organisation hätten
vorbeugen können.
:: Sexuelle Belästigung/
Gewalt am Arbeitsplatz
SL-Erbringer
(freier Träger der
Sozialen Arbeit)
Haftung für
Verschulden
der Mitarbeiter/innen
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
SL-Empfänger/in
Haftung für
Organisationsverschulden
Arbeitsvertrag
§ 12 Organisationspflicht des Arbeitgebers
Abs. 1
Verpflichtet den Arbeitgeber u. a., die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung (§ 3 Abs. 4) zu
treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen (siehe Abs. 2).
Abs. 3:
Mitarbeiter/in
:: Organisationspflicht
Pflicht des Organisationsträgers, Abläufe so zu
organisieren, dass individuelle Fehler möglichst
vermieden bzw. frühzeitig erkannt werden und
der ordnungsgemäße Betrieb der Einrichtung
gewährleistet ist:
:
24
Bereitstellung ausreichender Ressourcen
(personell/infrastrukturell)
Fachvorträge und Austausch
„Verstoßen Arbeitnehmer gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der
Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur
Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung
zu ergreifen.“
Abs. 4:
Pflicht, auch gegen Dritte im Falle ihres Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot die
geeigneten, erforderlichen und angemessenen
Maßnahmen zu ergreifen.
:: Sexuelle Belästigung und Gewalt in
Integrationsbetrieben und WfMB
:
:
:
:
:
:
In Integrationsfirmen gelten die Regelungen
des AGG zum Schutz aller Beschäftigten
(„Arbeitnehmer“)
Die Regelungen des AGG gelten auch zum
Schutz „arbeitnehmerähnlicher“ Personen im
Arbeitsbereich der WfBM
Die Regelungen des AGG sind Regelungen
zum Arbeitsschutz und zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Sie finden
daher in WfBM und anderen Einrichtungen
der beruflichen Rehabilitation gemäß § 36
SGB IX auch auf andere Rehabilitanden entsprechende Anwendung.
Die WfBM muss behinderte Menschen nicht
in die Werkstatt aufnehmen, bei denen trotz
einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist. § 136 Abs. 2
SGB IX.
Ein bestehender Werkstattvertrag kann mit
gleicher Begründung gekündigt werden.
Problem: Wann ist eine Fremdgefährdung
erheblich? Wird damit der Schutzpflicht entsprechend § 12 AGG genügt?
Der Anspruch des behinderten Menschen
gegen den Sozialleistungsträger auf Rehabilitation wird von der Kündigung des WfBMVertrages nicht berührt.
:: Zivilrechtliche
Organisationspflichten im BeWo
:
:
:
2001 konnte mit dem Gewaltschutzgesetz
der zivilrechtliche Schutz vor häuslicher (einschließlich sexualisierter) Gewalt erheblich
verbessert werden.
Die verletzte Person hat gegen den Täter
Anspruch auf Überlassung der gemeinsam
genutzten Wohnung („der Täter geht, das
Opfer bleibt“) § 2 GewSchG.
Dies gilt aber nur im Falle eines mit dem
Täter auf Dauer angelegten gemeinsamen
Haushalts.
:
:
:
In Einrichtungen und Außenwohngruppen,
die unabhängig vom Bestand der Bewohner/Bewohnerinnen existieren, fehlt es am
gemeinsamen Haushalt. § 2 GewSchG findet
daher keine Anwendung.
Die Bewohner/Bewohnerinnen sind zu ihrem
Schutz vielmehr auf die Mitwirkung der
Einrichtungs- und Dienstleitung angewiesen.
Hieraus ergibt sich eine entsprechende
Schutzpflicht der Organisationen, die gesetzlich jedoch nicht näher konkretisiert ist.
:: Zwischenergebnis:
Das Strafrecht fragt stets nach der
Verantwortung
:
:
des unmittelbaren Täters, der die Grenzen
durch aktives Handeln verletzt
derjenigen, die trotz Kenntnis der möglichen
Gefahr untätig bleiben, obwohl sie (weitere)
Grenzverletzungen hätten verhindern
können.
Das Strafrecht greift erst in Reaktion auf diese
Vorkommnisse, es wirkt nicht präventiv.
Das Zivilrecht fragt sowohl nach der individuellen Schuld einzelner Akteure, als auch nach dem
Organisationsverschulden des Trägers. Wie die
Träger ihrer Pflicht, Grenzverletzungen vorzubeugen, nachzukommen haben, ist gesetzlich
nicht konkretisiert. Ausnahme: AGG.
Zivilrechtlich geregelt sind jedoch die Folgen
mangelnder Vorkehrungen (Haftung auf Schadensersatz). Es liegt mithin in der Verantwortung
und Gestaltungsfreiheit der Einrichtungen, wie
sie einen wirkungsvollen Schutz sicher stellen.
:: Verwaltungsrechtliche Maßgaben
an die Organisationspflicht
im Bereich Wohnen
:
:
Handlungsmöglichkeiten und Handlungspflichten der Aufsichtsbehörden
Handlungsmöglichkeiten und Handlungspflichten der Sozialleistungsträger
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Strategien zur Prävention und Intervention – Prof. Dr. jur. Julia Zinsmeister
25
:: Rechtsbeziehungen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis
Sozialhilfe-/Jugendhilfeträger
Delegation der Leistungsausführung auf freie Träger im Wege der
Leistungs-Vereinbarung
Zielgerichtete Förderung
(z. B. der persönlichen Entwicklung,
Selbstbestimmung usw.)
§ 27 SGB VIII, § 53 SGB XII usw.
BeWo-Anbieter Wohneinrichtung
(freie Träger der Sozialen Arbeit)
Sozialleistungsempfänger/in
:: Die Einrichtungsaufsicht
Sozialleistungsträger
Einrichtungs-/Heimaufsicht
Jugendhilfe: § 45 ff. SGB VIII
Einrichtungen für Volljährige
Erwachsene mit Hilfebedarf:
Heimgesetz der Länder
Sozialleistungserbringer
(freie Träger der Sozialen Arbeit)
:: Die Einrichtungsaufsicht der
Jugendhilfe: §§ 45 ff. SGB VIII
:
:
:
:
:
26
Einrichtungen der Tagespflege, betreute
Wohnformen für Minderjährige benötigen
Betriebserlaubnis
Betriebserlaubnis kann mit Auflagen
versehen werden
Kontrolle, Beratung, Möglichkeit nachträglicher Auflagen zum Schutz des Kindeswohls
Schwerer, nachhaltiger Verstoß gegen Auflagen kann zum Entzug der Erlaubnis führen
Tätigkeitsuntersagung, § 48 SGB VIII, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
Leitungsperson/Beschäftigter/Beschäftigte
nicht die erforderliche Eignung besitzt.
Fachvorträge und Austausch
Sozialleistungsempfänger/in
:: Die Einrichtungsaufsicht zum Schutz
von volljährigen Menschen mit
alters- oder behinderungsbedingtem Betreuungs- und Pflegebedarf
(Heimordnungsrecht der Länder)
:
:
:
:
gilt i.d.R. nur für Wohnformen, in denen
die Wohnraumüberlassung vertraglich
an Betreuungsleistungen gekoppelt ist.
Kontrolle, Beratung, bei Mängeln
Möglichkeit, Auflagen zu erteilen
Bei schwerem, nachhaltigen Verstoß gegen
Auflagen kann Betrieb untersagt werden
Beschäftigungsverbot, wenn Tatsachen die
Annahme rechtfertigen, dass Leitungsperson/ Beschäftigter/Beschäftigte nicht
die erforderliche Eignung besitzt.
:: Aus dem Prüfleitfaden der Heimaufsicht Hessen:
Prüfungsfrage
1.2.4 Wird das Leben der Bewohner in Beziehungen gestaltet und gesichert?
Kriterium
Die Pflege sozialer Kontakte wird gefördert.
Kriterium
Besuch zu empfangen ist jederzeit möglich.
Prüfungsfrage
1.2.7 Werden die Bewohnerinnen und Bewohner im Umgang mit ihren
Bedürfnissen nach Liebe, Partnerschaft und Sexualität von den Betreuungskräften akzeptiert, begleitet und unterstützt?
Kriterium
Es gibt die Möglichkeit zusammen zu wohnen.
Kriterium
Gegebenenfalls erfolgt eine Begleitung bei Verhütungsfragen und
Partnerschaftskonflikten.
:: Rechtsbeziehungen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis
Sozialleistungsträger
Delegation der Leistungsausführung auf freie Träger im Wege der
Leistungs-Vereinbarung
Sozialleistungserbringer
(freie Träger der Sozialen Arbeit)
:: Einzelne sozialrechtliche
Maßgaben zur Prävention
von Grenzverletzungen
§ 72a SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe)
Persönliche Eignung der in der Jugendhilfe tätigen Personen ist regelmäßig durch erweitertes
Führungszeugnis zu belegen.
§ 2 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB XI (Soziale Pflegeversicherung)
Den Wünschen der Pflegebedürftigen „zur
Gestaltung der Hilfe soll, soweit sie angemessen
sind, im Rahmen des Leistungsrechts entsprochen werden. Wünsche von Pflegebedürftigen
nach gleichgeschlechtlicher Pflege haben nach
Möglichkeit Berücksichtigung zu finden.“
Für die Rehabilitation lässt sich ein entsprechendes Recht aus § 33 SGB I und § 9 SGB IX
ableiten.
Zielgerichtete Erörterung
(z. B. der persönlichen Entwicklung,
Selbstbestimmung usw.)
§ 27 SGB VIII, § 53 SGB XII usw.
Sozialleistungsempfänger/in
Im übrigen lassen sich aus dem Sozialgesetzbuch Schutzpflichten sozialer Institutionen
nur aus der gesetzlichen Zielsetzung der einzelnen Leistung und den sozialen Rechten der
Leistungsempfänger/Leistungsempfängerinnen
ableiten.
Sie könnten jedoch in der Leistungsvereinbarung als Maßnahmen zur Qualitätssicherung
und –entwicklung festgeschrieben werden.
:: Handlungsmöglichkeiten und
Handlungspflichten der Rehabilitationsträger und Pflegekassen
Problem: Sozialleistungsträger erlangen in der
Regel keine Kenntnis von der Gefährdung der
Leistungsempfänger und fühlen sich für deren
Schutz vor Grenzverletzungen bislang meist
nicht zuständig.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Strategien zur Prävention und Intervention – Prof. Dr. jur. Julia Zinsmeister
27
:: Gesetzlich konkretisierte
Handlungspflicht:
Gewährung von Leistung „Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins“ § 44 SGB IX an
behinderte Mädchen und Frauen
Beachtlichkeit des Wunsches auf geschlechtsspezifische Unterstützung und Pflege:
§ 33 S. 2 SGB I, § 9 Abs. 1 und 3 SGB IX,
§ 1 Abs. 4a und § 2 Abs. 2 S. 2 SGB XI
:: Weitere Handlungsmöglichkeiten:
Leistungsvereinbarungen bieten Gestaltungsspielräume, die genutzt werden können:
:
:
Pflicht, geeignete Präventionsmaßnahmen
zu ergreifen
Pflicht, besondere Vorkommnisse zu melden
und fachgerecht zu intervenieren.
„Verträge mit fachlich nicht geeigneten
Diensten und Einrichtungen werden gekündigt“
(§ 21 Abs. 3 SGB IX).
Bieritz-Harder, Renate: Zur Prävention sexualisierter Gewalt in der Rehabilitation: Schutzpflichten des Rehabilitationsleistungsträger
gegenüber den Rehabilitationsleistungsempfängerinnen. In: Zinsmeister, Julia (Hrsg.): Sexuelle
Gewalt gegen behinderte Menschen und das
Recht, 2003
:: Handlungspflichten und –möglichkeiten der Jugendämter als Sozialleistungsträger und Garanten für
das Kindeswohl
Handlungspflicht:
§ 8a Abs. 2 SGB VIII: Vereinbarungen zwischen
Jugendamt und den Trägern der Einrichtungen
und Dienste regeln deren Schutzauftrag gegenüber Kindern und Jugendlichen entsprechend
§ 8a Abs. 1 SGB VIII.
Vereinbarung muss geeignete Verfahren zum
Schutz der Kinder nicht nur durch die Einrichtungen und Dienste, sondern auch innerhalb
der Einrichtungen und Dienste regeln.
Hier sind insbesondere besondere Maßgaben
für die kollegiale Beratung zu treffen:
Zur Vermeidung von Loyalitäts- und Interessenskonflikten müssen hierzu externe Experten/Expertinnen (z. B. Mitarbeiterinnen unabhängiger
Beratungsstellen für gewaltbetroffene Kinder
und Frauen) beigezogen werden.
:: Schulrecht (Hessen)
§ 2 Abs. 9 Hessisches SchulG
„Die Schule ist zur Wohlfahrt der Schülerinnen
und Schüler und zum Schutz ihrer seelischen
und körperlichen Unversehrtheit, geistigen
Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit verpflichtet.
Darauf ist bei der Gestaltung des Schul- und
Unterrichtswesens Rücksicht zu nehmen. (…)“
:: Vorgaben der Hessischen
Dienstordnung Lehrkräfte
Schulleitung meldet
wichtige Vorkommnisse der
Schulaufsicht (§ 23 DO)
Sie melden wichtige
Vorkommnisse an
Klassenlehrer/in / Tutor/in
o. Schulleitung
Lehrkräfte sollen in Zusammenarbeit mit Eltern,
externen Stellen gesundheitlichen/psychischen
Gefahren entgegenwirken, § 7 DO
28
Fachvorträge und Austausch
:: Schutz vor Grenzverletzungen
durch Lehrkräfte
:
:
Disziplinarrecht
Schutz vor Grenzverletzungen durch
Mitschüler/Mitschülerinnen:
§ 82 Hessisches SchulG: Pädagogische
Maßnahmen und Ordnungsmaßnahmen
„Ordnungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn
(…) 2. der Schutz von Personen und Sachen
diese erfordert.“
(vgl. auch Ordnungsmaßnahmen-VO)
Das Kinder- und Jugendhilferecht und das
Schulrecht sehen eine klare Interventionskette vor und regeln die Schutzmöglichkeiten. Die Fachkräfte müssen aber Klarheit
erlangen, welche Verdachtsmomente als
„besondere“ oder „wichtige Vorkommnisse“
zu behandeln und zu melden sind. Sie
müssen befähigt und ermutigt werden,
Verdachtsmomente ernst zu nehmen. Zur
Gefährdungseinschätzung sind externe,
besonders qualifizierte Fachkräfte (z. B. aus
Beratungsstellen für Verletzte sexualisierter
Gewalt) beizuziehen.
:: Zusammenfassung
:: Fazit
:
Folgende Maßnahmen sind nach der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen
zu veranlassen:
:
:
:
:
:
Die Maßgaben der UN-Konventionen zum
Schutz von Minderjähringen und Menschen
mit Behinderungen in Einrichtungen und
Diensten werden bislang faktisch kaum
umgesetzt. Es gibt nur wenige Einrichtungen, in denen Grenzverletzungen gezielt
vorgebeugt wird und in denen geregelt ist,
wer wann wie bei Verdachtsmomenten zu
handeln hat.
Aus dem Zivilrecht lassen sich entsprechende Pflichten der Einrichtungen ableiten,
konkret benannt sind aber nur die Folgen
einer Pflichtverletzung („Organisationsverschulden“).
Im Sozialrecht finden sich vereinzelte Vorgaben, wie dieser Schutz zu gewährleisten ist.
Die Aufsichtsbehörden haben die Möglichkeit, den Einrichtungen konkrete Auflagen
zu erteilen und deren Einhaltung zu überwachen (z. B. externe Ombudspersonen).
Die Sozialleistungsträger können die Vereinbarungen zur Qualitätssicherung und
-entwicklung nutzen, um Schutzpflichten zu
konkretisieren.
Zu klären bleibt, wie sich die Einhaltung von
Auflagen und Qualitätsstandards überprüfen
lässt.
:
:
:
Unabhängige staatliche Aufsicht aller
Einrichtungen und Dienste für behinderte
Menschen
Schutzprogramme in allen Diensten/
Einrichtungen
Beteiligung behinderter Menschen an deren
Entwicklung
Dr. jur. Julia Zinsmeister
Professorin für Zivil- und Sozialrecht
FH Köln, Fakultät für Angewandte
Sozialwissenschaften
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Strategien zur Prävention und Intervention – Prof. Dr. jur. Julia Zinsmeister
29
Petra Zimmermann
Vortrag und Austausch
Sexualaufklärung,
Sexualität leben
dürfen, organisatorische Vorkehrungen
für Freiräume
30
Fachvorträge und Austausch
Gefühle
Gefühle sind von Menschen.
Gefühle kommen von innen
und gehen nach außen.
Gefühle sind in mir drin.
Liebeskummer, Traurigkeit, Sehnsucht,
Mitleid, Liebe, Zärtlichkeit, Wut, Angst,
Ärger. Das sind Gefühle, die alle Menschen haben. Auch wir.
Mendel Finkelstein
(aus Kleeblatt 25/1989)
:: Sexuelle Bildung (von Anfang an)
Eine möglichst selbstbestimmte Sexualität setzt
grundlegende Kenntnisse über Sexualität und
Körpervorgänge voraus.
Auch nachhaltige, wirksame Prävention sexueller
Gewalt setzt bei der Aufklärung und Erziehung
an.
Aufgeklärte Menschen, die sich sicher und stark
fühlen, können sexuelle Übergriffe eher erkennen und sich besser dagegen wehren.
Damit Prävention Wirkung zeigen kann, müssen
grundsätzlich drei Dinge beachtet werden:
1. Isolation und Ausgrenzung behinderter
Menschen müssen reduziert werden.
Eine präventive Erziehung verringert das Gefühl
von Ohnmacht und fördert das Gefühl, etwas
bewirken und sich durchsetzen zu können. Das
fängt bereits bei ganz alltäglichen Dingen an.
3. Es soll Zugang zu Informationen über
Körper, Sexualität und sexuelle Gewalt
verschafft werden.
Unwissen und Abhängigkeit kann aus Menschen mit Behinderung „ideale“ Opfer“ machen.
Um sich gegen sexuelle Übergriffe besser zur
Wehr setzen und Hilfe holen zu können, braucht
es eine entsprechende Sprache und Information. Deshalb sind Sexualerziehung und –aufklärung ein wichtiger Bestandteil der Prävention.
Den eigenen Körper, seine Funktionen und die
Geschlechtsorgane zu kennen, sind wichtige
Voraussetzungen, um Sexualität selbstbestimmt
leben und sexuelle Grenzüberschreitungen benennen und ablehnen zu können. Das gilt auch
für behinderte Menschen, die nicht oder nur
eingeschränkt verbal kommunizieren können.
Allerdings ist das zeitlich begrenzte, einmalige
Aufklärungsgespräch mit zudem verkürzender
Hervorhebung biologisch-anatomischer Zusammenhänge pädagogisch weniger sinnvoll.
Sexualpädagogik sollte in frühester Kindheit
beginnen und zwangsläufig als lebenslange
Aufgabe unverzichtbarer Bestandteil der gesamten Erziehungsbemühungen sein.
Studien zeigen, dass sexuelle Gewalt umso öfter
geschieht, je größer die Isolation der Menschen
mit einer Behinderung ist. Deshalb ist es wichtig, Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung in alle Bereiche des alltäglichen Lebens
zu integrieren und sie nicht von den anderen
Menschen zu separieren.
Dabei gilt der alte sexualpädagogische Leitsatz:
„warten, bis die Kinder fragen und nur so viel
antworten, wie sie fragen“, gerade nicht bei
Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen
Behinderung. Und erst recht wohl nicht bei
Erwachsenen, bei denen Sexualpädagogik versäumt worden ist. Sie fragen nicht, wissen gar
nicht, wie sie sich ausdrücken sollen.
2. Machtlosigkeit muss abgebaut und
Eigenständigkeit gefördert werden.
Wir sind gehalten, aktive, zugehende
Sexualpädagogik zu betreiben.
Der Leitsatz der italienischen Ärztin MARIA
MONTESSORI: „Hilf mir, es selbst zu tun!“ – ist
einer der wichtigsten Erziehungsgrundsätze
auch bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderung. Jede Unterstützung, möglichst viel selbst
zu machen, stärkt auch das Selbstbewusstsein.
Sexualerziehung hat positive Auswirkungen auf
wesentliche Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung, wie Selbstbewusstsein, Verantwortungsgefühl oder die Identität als Frau oder Mann.
Der Spielraum der sexuellen Selbstbestimmung
und der gelebten Sexualität behinderter Men-
Sexualaufklärung, Sexualität leben dürfen, organisatorische Vorkehrungen für Freiräume – Petra Zimmermann
31
schen wird im Wesentlichen durch die Eltern
und die pädagogisch Tätigen und die institutionellen Bedingungen bestimmt.
Das Klima einer Einrichtung, eines Elternhauses,
die Regeln und Normen beeinflussen entscheidend die Entwicklung und die Möglichkeiten
zur sexuellen Entwicklung.
Präventionsarbeit muss auf verschiedenen
Ebenen passieren
:
:
:
:
mit den Eltern
mit den Menschen mit Behinderungen
mit den professionell Tätigen
mit der Einrichtung
:: Sexualpädagogik „praktisch“ –
für Menschen mit Behinderung
Den ganzen Menschen zu bilden, heißt auch
seine sexuellen Kompetenzen zu fördern. Da
Sexualität unser ganzes Mensch-Sein durchzieht, liegen die sexuellen Bildungsziele auch
auf vielen Ebenen. Nachfolgend Beispiele aus
der praktischen Arbeit:
Männer und Frauen –
was sind die Unterschiede
In der praktischen Arbeit informieren wir in dieser Einheit über die Körper von Mann und Frau.
Es gilt eine Sprache zu finden, Fragen zu stellen
und falsche Vorstellungen zu korrigieren. Die
Einheit vermittelt eine Wertschätzung für den
eigenen Körper und gibt eine Erlaubnis, über
körperliche Vorgänge und Zusammenhänge zu
sprechen.
Wer bin ich
Zum Beispiel anhand eines Steckbriefes, den
wir mit jeder Teilnehmerin, jedem Teilnehmer
ausfüllen, soll deutlich werden, dass jeder
Mensch eine eigene Person mit spezifischen
Eigenschaften ist, für die es keiner Begründung
oder Rechtfertigung bedarf. Was ich gerne mag,
mag ein anderer vielleicht überhaupt nicht. Und
beides ist in Ordnung.
32
Fachvorträge und Austausch
Körperwahrnehmung, Intimität,
Berührungen, Grenzen
Hier steht die Wahrnehmung im Vordergrund:
Mit unterschiedlichen Materialien (Bürsten,
Pinsel, Igelbälle, etc.) massieren sich die Teilnehmer den Arm. X mag ich, Y mag ich nicht und
bei meinem Nachbarn ist es umgekehrt. Und
es gibt niemanden, der mir sagen kann: „Das
siehst du falsch: in Wirklichkeit ist Y schön.“
Nur ich weiß, was ich fühle!
An diese Einheit schließt sich das Thema Grenzsetzung und Respektieren von Grenzen an: Was
tue ich, um deutlich zu machen, dass ich X mag
und Y nicht? Und wie kann ich vorgehen, wenn
dies von anderen nicht respektiert wird? Wen
kann ich um Hilfe bitten etc.
Zu dieser Einheit bietet sich auch eine Massageeinheit an, z. B. Pizza- oder Wettermassage:
Auf dem Rücken des Partners wird eine Pizza
gebacken (Teig kneten, ausrollen, Bestreuen mit
verschiedenen Zutaten, Backen etc.) oder ein
aufziehendes Gewitter simuliert (Sonnenschein,
leichter und starker Wind, leichter und starker
Regen, Blitz, Donner etc.). Das sind die Renner
in den Workshops
Jemand kennenlernen,
Freundschaft, Beziehung
Hier dreht sich alles um die Frage, wie und wo
man jemanden kennenlernen kann, wie man
Kontakt aufnehmen kann, aber auch, wie man
unerwünschte Kontaktangebote ablehnen
kann. Rollenspiele in unterschiedlicher Form
bieten sich hier an. Immer wird Wert darauf
gelegt, dass verschiedene Varianten gespielt
werden. Einmal ist die Frau die aktivere, einmal der Mann, einmal sind beide interessiert,
einmal handelt es sich um unerwiderte Liebe
etc.. Relativ einfach sind auch Karten mit Bildergeschichten herstellbar. Darauf sind einzelne
Stationen einer Beziehungsgeschichte zu sehen.
Die Teilnehmer beschreiben, was da zu sehen
ist und überlegen sich z. B., wie es weitergehen
könnte.
Zyklus, Menstruation, Samenerguss,
Sex, Verhütung
Um einen Überblick über diese Vorgänge zu geben, nutzen wir verschiedene Arten von Materialien, z. B. Knetmodelle oder Paomipuppen. Auf
ein einfaches Packpapier werden die anatomischen Formen skizziert. Mit Knete werden dann
physiologische Abläufe nachgespielt. Nach der
Vorstellung in getrennten Gruppen erklären die
Männer den Frauen die Abläufe im männlichen
Körper und die Frauen den Männern die weiblichen Abläufe. Ein besonders schönes Hilfsmittel sind z. B. die Paomipuppen (ich führe Sie
Ihnen im Anschluss gern vor).
Sprache und Sexualität
Zum Thema Sprache und Sexualität sammeln
wir wieder in getrennten Gruppen Begriffe, die
die Teilnehmer für Penis, Scheide und Brüste
kennen.
In der Männergruppe wird dann festgelegt,
welche Worte für Penis die Männer nicht gerne
hören, in der Frauengruppe wird das Gleiche
für die Scheide und Brüste festgelegt. Die
Ergebnisse werden der jeweils anderen Gruppe
vorgestellt. Auffallend ist hier immer wieder, wie
wenig Sprache die Teilnehmer und vor allem
die Frauen für diese Körperteile haben.
Wichtige Aspekte für die Umsetzung in die
Praxis:
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für Menschen mit körperlicher Behinderung
braucht es barrierefreie Zugänge
der Gebrauch der leichten Sprache
Ansprechen verschiedener Sinne (Kombination von verbalen Erklärungen und Materialien zum Anfassen und Anschauen)
Reden über Sexualität – aber wie
:: Ein Beispiel aus der Praxis
Auch Joop und Anita waren ausführlich aufgeklärt worden. Dabei war über Freundschaft,
Schmusen und Miteinander-ins-Bett-Gehen
gesprochen worden. Auch Selbstbefriedigung
und die Tatsache, dass beide Lust haben müssen, bevor man etwas miteinander anfängt
sowie das korrekte Benutzen eines Kondoms
und noch vieles mehr waren zur Sprache gekommen. An diesem Abend wollten Joop und
Anita zum ersten Mal miteinander schlafen.
Am Nachmittag traf der Betreuer Joop in seinem Zimmer an. „Bist du schon ein bisschen
nervös?“, fragte der Betreuer Joop ganz beiläufig. „Nein“, sagte Joop, sichtlich nervös. „Das
ist gut“, sagte der Betreuer, „und das mit dem
Kondom, das schaffst du doch, oder?“
„Natürlich“, antwortete Joop und öffnete schnell
den Reißverschluss seiner Hose. „Guck mal“,
sagte er und strahlte vor Stolz: „Ich hab’s schon
um!“
Beim Reden über Sexualität ist wichtig:
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Offenheit auf Seiten der
Betreuer/Betreuerinnen
so konkret wie möglich sein
positiv verstärken, verbal und nonverbal
man darf alles fragen
regelmäßige Wiederholung: damit es besser
im Gedächtnis haftet
Die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen als Expertinnen und Experten in eigener
Sache ist unerlässlich. Deshalb jetzt auch hier
die Forderungen von „Mensch zuerst“ zum Thema Sexualität:
(„Das Netzwerk People First Deutschland e. V.“
ist ein Verein für Menschen mit Lernschwierigkeiten und / oder Mehrfachbehinderungen.)
Diese zwei Sachen sind uns am wichtigsten:
1. Man soll bei diesen Themen so mit uns umgehen, wie man es sich für sich selber auch
wünscht!
2. Man darf keinen Unterschied machen, ob
jemand eine Behinderung hat oder nicht.
Sexualität ist ein Thema für ALLE.
Sexualaufklärung, Sexualität leben dürfen, organisatorische Vorkehrungen für Freiräume – Petra Zimmermann
33
Einige ausgewählte Forderungen:
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Alle haben ein Recht auf ein eigenes,
abschließbares Zimmer.
Man muss Duschen und Toiletten
abschließen können.
Es darf nicht verboten sein, wenn zwei
Frauen ein Paar sind oder wenn zwei Männer
ein Paar sind.
ALLE Paare müssen in Wohneinrichtungen
zusammen wohnen können.
Das Thema Sexualität darf in keiner Einrichtung mehr Tabuthema sein.
Alle haben ein Recht aufgeklärt zu
werden, zum Beispiel über Verhütung
und Geschlechtskrankheiten.
Es ist menschenunwürdig, wenn Frauen oder
Männer einfach sterilisiert werden, weil andere denken, das ist das Richtige für sie.
ALLE Menschen haben ein Recht Kinder zu
bekommen und großzuziehen.
Wir müssen die Unterstützung (Assistenz)
bekommen, die wir brauchen, um Kinder
großziehen zu können.
Wir wollen Frauen- und Männergruppen, in
denen über diese Themen gesprochen wird.
ALLE pro familia-Stellen müssen auch
Menschen mit Behinderungen gut beraten
können.
:: Sexualpädagogik „praktisch“ –
Die Eltern
Eltern wollen ihr Kind schützen, am liebsten
lebenslang. Manche wollen es auch vor der
Liebe schützen, denn sie denken – oder haben
schon erlebt – dass ihre Tochter, ihr Sohn heute
glücklich verliebt sind, morgen aber totunglücklich, weil ihr Freund/seine Freundin einer
anderen schöne Augen macht. Eltern wollen
ihre Kinder vor Frust, Zurückweisung, Enttäuschung bewahren. Deshalb versuchen manche,
dafür zu sorgen, dass ihr Kind gar nicht in die
Versuchung kommen kann, sich zu verlieben.
– Für Profis kann es oft ein wichtiger Schritt in
der Entwicklung ihres Betreuten sein, wenn er/
sie sich verliebt und versucht, sich dem anderen
Geschlecht zu nähern, zu flirten, zu schmusen.
Und sie sind möglicherweise frustriert, wenn
Eltern da nicht kooperieren. Dazwischen steht
der Mensch mit Behinderungen und empfängt
doppelte Botschaften, besonders dann, wenn
es um Sexualität geht.
„Tu’s nicht“ warnen die Eltern. „Trau dich“
ermuntern die Pädagogen/Pädagoginnen und
dann kommt vielleicht noch die pro familia mit
einem Workshop…
In den Beratungen und Gruppenveranstaltungen mit Eltern wurden folgende Fragestellungen deutlich:
:
34
Fachvorträge und Austausch
Eltern von Jungen haben Fragen zu sexuell
auffälligem Verhalten in der Öffentlichkeit
(wie Selbstbefriedigung und übergriffigem
Verhalten).
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:
:
Für Eltern von Mädchen sind Verhütung,
auch Sterilisation und ungewollte Schwangerschaft wichtige Themen. (Manche äußern
Unmut, weil sie über eine Sterilisation nicht
mehr frei entscheiden dürfen, manchmal
haben die Eltern auch große Angst, dass sie
eventuell auch noch Enkelkinder aufziehen
müssen. Diese Angst ist natürlich auch eng
verbunden mit dem Thema Partnerschaft).
Auch haben sie Angst, dass ihre Töchter zu
Opfern sexueller Gewalt werden könnten
(die unbefangene Kontaktaufnahme mancher Mädchen und Frauen beschäftigt die
Eltern).
Für die professionell Tätigen heißt das, mit
den Eltern ins Gespräch zu kommen und
eine Vertrauensbasis zu schaffen, sei es
durch Elternabende oder Einzelgespräche.
Es gilt die Einsicht zu vermitteln,· dass das
Reden über Sexualität nicht nur ein Reden
über Defizite, sondern auch über positive
Körpererfahrungen ist und
dass die Wahrnehmung der Sexualität des
Jugendlichen mit Behinderung eine Wahrnehmung seiner Person als heranwachsendem, sich eigenständig entwickelndem
Menschen, bedeutet.
Wichtig erscheint mir:
:
:
:
:
:: Sexualpädagogik „praktisch“ –
Die Ebene der professionell Tätigen:
Der Erfolg von Sexualpädagogik hängt von der
Art der Vermittlung ab, so z. B. beim Reden über
Sexuelles.
Der Spielraum der sexuellen Selbstbestimmung
wird wesentlich durch die pädagogisch Tätigen
bestimmt und sehr oft verlangt es nach situativen Entscheidungen.
:
eine „angstfreie“ Kommunikation über Sexualität. Die pädagogisch Tätigen sollten selbst
„angstfrei“ und möglichst ungezwungen
über Sexualität reden können, um vorhandene Sprachlosigkeit nicht noch durch eigene
Hemmungen zu verstärken.
Die Akzeptanz im Team. Die Sexualerziehung
steht und fällt mit der Akzeptanz im Team.
Gerade in diesem sensiblen Bereich ist eine
Abstimmung pädagogischer Leitlinien im
Team Voraussetzung für sexualerzieherische
Maßnahmen.
Ein „offenes“ Klima, Transparenz und Abstimmung der professionell Tätigen sind mitentscheidend für den Erfolg. Sexualerziehung
darf kein genormtes Sexualverhalten anstreben, sondern muss eine Vielfalt individueller
Unterschiede zulassen und ermöglichen.
Grenzen liegen in der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und dem mutwilligen Riskieren unerwünschter Auswirkungen sexuellen
Verhaltens, z. B. Anwendung von Gewalt.
Alltägliche Sexualerziehung findet auch
dann statt, wenn sie nicht geplant und beabsichtigt ist. Besonders die Bezugspersonen
nehmen durch ihr alltägliches Verhalten,
ihren täglichen Umgang, ihre bewussten
Einstellungen Einfluss auf die Ausgestaltung
von Sexualität.
Hervorheben der positiven Seiten der Sexualität. Es ist wichtig, die positiven Seiten der
Sexualität hervorzuheben: es geht um Entspannung, Spaß, Sinnlichkeit, Erotik und Lust.
Manchmal haben wir Profis die Neigung besonders die „dunklen“ Seiten zu betonen…
Um all dies auch tun zu können braucht es Zeit,
Fort- und Weiterbildung und Supervision.
Sexualaufklärung, Sexualität leben dürfen, organisatorische Vorkehrungen für Freiräume – Petra Zimmermann
35
:: Sexualpädagogik „praktisch“ –
Die Ebene der Einrichtungen
In Einrichtungen der Behindertenhilfe kommt es
auf die strukturellen Bedingungen an, ob und
inwieweit Sexualität gelebt werden kann. (Sind
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offen für
das Thema, gibt es Einzelzimmer oder Paarzimmer? Darf man das Zimmer abschließen?
Wird angeklopft?)
Wichtig ist eine konzeptionelle Verankerung mit
folgenden Inhalten:
Gerade angesichts des komplexen Interessengemenges von Eltern, Institutionen, Gesellschaft
und behinderten Menschen gibt eine Konzeption Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen oftmals erst
Handlungssicherheit, um ungeschützt und
begründet sexualpädagogisch tätig zu werden,
sie klärt Kompetenzen und Zuständigkeiten und
schafft Transparenz und Verbindlichkeit nach
innen und außen. Dies dient der rechtlichen
Absicherung der Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen
und der Sicherheit der Bewohner.
36
Fachvorträge und Austausch
:
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:
:
Haltung, was unter Sexualtät verstanden wird
(ethische Grundhaltung)
gesetzliche Vorgaben
(z. B. Inhalt der Aufsichtspflicht)
sexuelle Bildung, sexualpädagogische Angebote für die Menschen mit Behinderung
Supervision und sexualpädagogische
Fortbildungen für Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen
Zusammenarbeit mit Eltern, Angehörigen
und Behörden auch in Bezug auf das Thema
Sexualität
Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt
zwischenmenschliche Umgangsformen,
Gestaltung von Sexualität, Intimität und
Beziehungen in der Einrichtung
Hilfestellung und Assistenz
Für Offenheit muss bewusst Raum geschaffen
werden – das ist eine wichtige Aufgabe der
Leitungsebene von Einrichtungen.
Zwei zentrale Punkte:
:: Und zum Schluss noch ein Gedicht
Das Recht auf Liebeskummer
Viele Eltern, aber auch Lehrer/Lehrerinnen und
Erzieher/Erzieherinnen haben Sorge, dass die
Menschen mit Behinderungen auf ihrer Suche
nach Zärtlichkeit und Liebe enttäuscht werden
könnten. Aus dem Gefühl der Verantwortung
versuchen sie oft zu beschützen und halten sie
so in Unselbständigkeit. Aber alle Menschen
lernen durch Erfahrung und nicht durch Verbot
und Kontrolle. Auch wir lernen immer wieder
durch unseren Liebeskummer.
Die Liebe kommt vom Herzen und das
liegt links. Man kann auch sagen das
Herz blutet; wenn das mit der Liebe nicht
klappt. Das tut echt weh.
Hermine Fraas, Ohrenkuss Nr.20/2008
Das Recht auf Eigensinn
„Zu den Menschen- bzw. Grundrechten gehört
das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
und die Freiheit der Person. Dies impliziert auch
das Recht, alles ganz anders zu sehen und
machen zu dürfen wie die Eltern, Betreuer/
Betreuerinnen bzw. Assistenten/Assistentinnen
für einen entscheiden wollen, auch wenn diese
Eigenständigkeit in deren Augen oft als schwieriger Eigensinn erscheinen mag. Das Recht auf
Eigensinn bringt die Idee der Menschenwürde
wohl auf den zentralen Punkt.“
Zitat von Prof. Dr. Joachim Walter).
Petra Zimmermann
Diplom Supervisorin,
Paar- und Sexualberaterin,
pro familia Kassel
Sexualaufklärung, Sexualität leben dürfen, organisatorische Vorkehrungen für Freiräume – Petra Zimmermann
37
Udo Brossette
Beratungsangebot der pro familia Darmstadt
für Männer mit Gewaltproblemen in der
Behindertenhilfe
Umgang mit Tätern,
Männerberatung;
Angebot für
gewalttätige Männer
mit Behinderung
38
Fachvorträge und Austausch
:: Zusammenfassung
Dargestellt wird das Beratungsangebot der pro
familia Darmstadt für Männer mit Gewaltproblemen in der Behindertenhilfe. Zu unterscheiden
sind die unterschiedlichen Formen der Gewalt,
die sich verbal, körperlich oder seelisch oder
sexualisiert zeigen können. Es wird dabei auf
die Gemeinsamkeiten von Gewalt in Beziehungen und Partnerschaften und Gewalt im sozialen
Umfeld hingewiesen. Es werden aber auch Unterschiede deutlich zu der so genannten nichtbehinderten Welt. Die Ursachen von Gewaltverhalten werden beleuchtet und können anhand
der Darstellung von Beratungsbeispielen
nachvollzogen werden. Welche Möglichkeiten
bietet einerseits ein solches Angebot, wo sind
die Grenzen, was ist zu verbessern, um wirksam
Opferschutz zu betreiben?
:: Historischer Rückblick –
die Normalität des Unnormalen –
eine Einführung
Bis in die 1960-iger Jahre bestand die Hilfe für
Menschen mit Behinderung im Wesentlichen in
der Verwahrung und allenfalls in einer notwendigen materiellen Versorgung ihrer Bedürfnisse.
Nie war die Rede von Liebe, Partnerschaft oder
Beziehung als eigenständiges Bedürfnis. War
die Grundlage im Umfeld der Familie nicht vorhanden oder nur unzureichend gegeben, wurden die Menschen in Heimen untergebracht.
Heute veraltet scheinende Aufnahmen von
Großraumschlafsälen und Aufenthaltsräumen
mit schlechter Turnhallenatmosphäre zeugen
von der damaligen traurigen Wirklichkeit.
Die Menschen wurden zwar bedingt in Arbeit
gebracht, Werkstätten entstanden und boten
Entwicklungs- und Fördermöglichkeiten. Bei
Fragen der Selbstständigkeit und selbstbestimmten Lebens sollten noch Jahrzehnte ins
Land gehen bis ernsthafte Veränderungen diesbezüglich sichtbar wurden.
Beziehung, Partnerschaft, Körperlichkeit oder
Sexualität standen nicht im Vordergrund entwicklungsfördernder Konzepte.
Der Ausschluss dieser als menschlich geltenden Bedürfnisse aus der Lebenswirklichkeit der
Menschen mit Behinderung war teils bewusst,
teils unbewusst, nicht selten gottgegeben.
Weshalb Bedürfnisse wecken, die zusätzliche
Probleme hervorrufen und nicht mehr steuerbar
sind? Im Ergebnis der Mensch mit Behinderung,
ein von seinem Trieb gelenktes Monster, das
nicht mehr zu kontrollieren ist.
Dennoch – es wäre verhängnisvoll zu meinen,
Sexualität, Beziehungs- und Partnerschaftswunsch von Menschen mit Behinderung seien
eine Erfindung der Moderne.
Sie sollten nicht existieren, wurden unterdrückt
und bei dem geringsten Aufkommen durch
hemmende Maßnahmen ausgeschlossen.
Es galt keinesfalls als eigenständiges Recht,
diese Bedürfnisse zu leben und sich mit ihnen
zu entwickeln.
Als Opfer gewalttätigen Verhaltens derer, von
denen sie abhängig waren, hätten sie erkennbar werden können – sowohl Frauen als auch
Männer. Körperliche Züchtigung und sexuelle
Ausbeutung im Abhängigkeitsverhältnis wurden weniger juristisch geahndet als dies heute
der Fall sein kann. Damit soll keine Normalität
dieser Zeit beschrieben werden, sondern die
Tatsache, dass die Wirklichkeit der Menschen
mit Behinderung eher in ihrer Opferrolle als in
ihrem Tätersein zu begreifen war.
Tätersein von Männern mit Behinderung ist
demnach keine Verwandlung oder gar ein
Rollentausch vom unschuldigen Opfer zum
schuldigen Täter. Täter konnten diese Männer
nicht sein, weil die Strukturen, in denen sie lebten, ihnen kaum Möglichkeiten dazu boten.
Das also, was gesellschaftliche Realität ist, dass
Gewalt zwischen Männern und Männern, zwischen Männern und Frauen, zwischen Schwachen und Starken stattfindet und deutlicher
wahrgenommen wird, ist auch die Realität der
Menschen mit Behinderung. Dies zu akzeptieren besonders auf dem Hintergrund zu begrüßender Fortschritte eines selbstbestimmteren
Umgang mit Tätern; Männerberatung; Angebot für gewalttätige Männer mit Behinderung – Udo Brossette
39
Lebens der Menschen mit Behinderung ist eine
der Herausforderungen.
:: Ein Unterschied,
der keinen Unterschied macht
Diese Annahme dient keinesfalls als Entschuldigung, sondern ist grundsätzliche Voraussetzung, Männern ein Angebot zu unterbreiten,
wenn sie Probleme mit ihrem Verhalten erzeugen und gewalttätig sind, dabei spielt es keine
Rolle, ob sie behindert sind oder nicht.
Das Verhalten der Männer im Blick, deutet
vieles auf die gleichen Taten hin, die im Kontakt
zwischen Männern und Männern oder Männern
und Frauen jeweils mit und ohne Behinderung
begangen werden.
:: Das Angebot
Die langjährigen Kontakte der pro familia
Darmstadt mit Einrichtungen der Behindertenhilfe in der Region sind u. a. die Voraussetzung,
ein Beratungsangebot bei grenzverletzendem
Verhalten vorhalten zu können.
Seit 2000 fest in der Struktur der Beratungsstelle mit aufgenommen, gibt es die Arbeit
mit Männern, die Gewalt körperlich, verbal,
psychisch oder durch sexualisiertes Verhalten
ausüben. Zunächst war dabei nicht an Männer
mit Behinderung gedacht. Dennoch lag es nah,
dies im Bereich der Arbeit mit Menschen mit
Behinderung ebenfalls anzubieten, wie das u. a.
durch das Gewaltschutzgesetz gewollte Angebot für Täter im Allgemeinen gefordert wird.
Beschwerden – besonders von Mitarbeiterinnen
der Einrichtungen wurden lauter und es ergingen Anfragen, ob für die Männer ein Angebot
da sei.
Problematisches sexualisiertes Verhalten wurde
zudem in sexualpädagogischen Gruppen
thematisiert, in denen viele Frauen von ihren,
zum Teil furchtbaren, Erfahrungen berichteten.
In der sexualpädagogischen Arbeit der pro
familia (besonders in einigen Hessischen Beratungsstellen) entwickelte sich eine intensivere
Beschäftigung mit dem Thema Behinderung
und Sexualität (s. Fachtag „Behinderte Liebe“
– Dokumentation der Fachtagung über Liebe,
Sexualität und Partnerschaft bei geistig behinderten Menschen, 1999). Die notwendige Auseinandersetzung von Problemen in Beziehungen und deren Abläufen war die Folge.
40
Fachvorträge und Austausch
Wenn bislang keine Untersuchungen vorliegen,
die sich mit behinderten Menschen als Täterinnen oder Tätern befasst haben, so können
wir hier von tätlichen körperlichen Angriffen,
von Beleidigungen und Beschimpfungen, von
Nötigung oder Bedrohung sprechen, wenn
gewalttätiges Verhalten gemeint ist. Im Bereich
von Sexualität gibt es Straftaten, die im Strafgesetzbuch zusammengefasst sind als Taten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Über
das Geschlecht der Opfer, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, lassen sich nur Vermutungen anstellen. In der polizeilichen Kriminalstatistik jedenfalls werden sie nicht ausdrücklich
ausgewiesen – weder als Täter noch als Opfer
mit Behinderung.
Männer als Opfer sind eher am Rande im Blick.
Eine erste Tagung „Männer stärken – Gewalt
gegen Jungen und Männer mit einer geistigen
Behinderung“ findet am 09.11.2010 in Bielefeld
statt.
Genauere Aussagen über Täter sind evtl. durch
die aktuell durchgeführte Studie der Universität
Bielefeld, („Lebenssituation und Belastungen
von Frauen mit Behinderungen in Deutschland“,
verantwortlich: Frau Dr. Monika Schröttle) zu
erwarten.
Was also macht den Unterschied aus zwischen
dem Täter mit und dem Täter ohne Behinderung?
:: 1. Die Strafverfolgung
Der Verdacht liegt nahe, dass viele Taten bereits
im Rahmen polizeilicher oder staatsanwaltlicher
Ermittlungen eingestellt oder niedergelegt
werden, falls es überhaupt zu einer Anzeige gekommen ist. Dies deckt sich im Übrigen mit den
Erfahrungen der Beratungsstelle in Darmstadt.
Dabei kommt es also nicht zur Eröffnung eines
Hauptverfahrens aufgrund der Feststellung
von Unzurechnungsfähigkeit seitens des Täters.
(§ 20 StGB Schuldunfähigkeit: Ohne Schuld
handelt, wer bei Begehung der Tat wegen
einer krankhaften seelischen Störung, wegen
einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder
wegen Schwachsinns oder einer schweren
anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das
Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser
Einsicht zu handeln. § 21 StGB Verminderte
Schuldfähigkeit: Ist die Fähigkeit des Täters, das
Unrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht
zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten
Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 StGB,
Abs. 1 gemildert werden…) oder mangelnder
Aussagefähigkeit von Zeugen oder Opfern.
Nach § 153a der StPO kann von einer öffentlichen Klage durch Erteilen von Auflagen abgesehen werden. Dies kann auch die Auflage zur
Beratung sein.
In meiner beruflichen Praxis kam es lediglich in
einem Falle zu einer Verurteilung des Mannes
mit Behinderung, der im Rahmen einer Partnerschaft gewalttätig der Partnerin gegenüber
wurde, nachdem im laufenden Täter-OpferAusgleich Verfahren das Opfer von der weiteren
Bereitschaft der Beteiligung absah. Auf ausdrücklichen Wunsch des Beschuldigten kam es
dann zur Durchführung des Hauptverfahrens.
Was also geschieht mit den Tätern, wenn sie
nicht strafrechtlich belangt werden können?
Nicht selten werden sie in psychiatrische Kliniken überführt, wenn ihr Verhalten wiederholt
grenzverletzend ist, strafrechtlich aber nicht
verfolgt werden kann.
Ziel ist es, aggressives Verhalten mehr oder
weniger erfolgreich mittels triebdämpfender
Medikamente zu mindern oder gar auszuschalten. Ist der Klinikaufenthalt beendet, das Medikament evtl. wieder abgesetzt, wird erneut altes,
auffälliges Verhalten sichtbar.
Leben die Männer in Einrichtungen oder sind
Beschäftigte in Werkstätten, so reagieren diese
oft spontan mit einschränkenden Maßnahmen
bis hin zur Entlassung.
Nicht böser Wille oder gar verlagerte Selbstjustiz sind die Motive, die so manche Reaktion
ins Leere laufen lassen, sondern die Hilflosigkeit
und fehlende Konzepte im Umgang mit ihnen
als Täter im jeweiligen Lebensraum.
Schließlich die Gewalt, die im Familiensystem
stattfindet, wenn der behinderte Mensch Angehörige angreift und es zum Teil über viele Jahre
zu unerwünschtem Verhalten kommt.
Zwar finden mehr und mehr Eltern und Angehörige den Weg in Beratungseinrichtungen.
Bislang jedoch ist dies nur die Spitze des Eisberges. Der Großteil von ihnen sieht als letzten
Ausweg die Unterbringung in einer Wohneinrichtung als Lösung, wodurch das Problem in
manchen Fällen vielleicht auch verschwindet.
Die Scham über die ungelösten Familienprobleme, das schlechte Gewissen aufgrund eigener Hilflosigkeit und Ohnmacht, lang eingeübte
Beziehungsmuster und die vielen Selbstvorwürfe, begründen dann noch das Schweigen
und die Verheimlichung des unerwünschten
Verhaltens ihrer Söhne und Töchter, in dem sie
selbst die Opfer sind.
Umgang mit Tätern; Männerberatung; Angebot für gewalttätige Männer mit Behinderung – Udo Brossette
41
:: 2. Widerspruch aus
Lebenswirklichkeit und Bedürfnis
Ich möchte die Geschichte von Klaus S. erzählen. Ein 43-jähriger Mann, der mit Unterbrechungen seit ca. zehn Jahren Beratungen der
pro familia Darmstadt in Anspruch nimmt, ein
Stammkunde gewissermaßen.
Mit 20 Jahren verlässt Herr S. das elterliche
Haus, in dem er bis dato zusammen mit seiner
Mutter und dem Stiefvater lebte. Herr S. ist
durch eine Sauerstoffunterversorgung während
der Geburt leicht geistig behindert, in seiner
Lernfähigkeit eingeschränkt. Er wirkt auf den
ersten Blick zurückhaltend und verschüchtert,
später jedoch leicht nervös. Sprachlich ist er
verständlich, häufiger aber außerhalb des
Zusammenhangs einer gerade geführten
Unterhaltung. Herr S. betrachtet es als große
Chance, nach Abschluss der Schule für Praktisch
Bildbare, eine Beschäftigung in der Werkstatt
für Behinderte aufzunehmen. Den damit verbundenen Umzug nimmt er in Kauf, lernt schnell
die Vorteile, die sich daraus ergeben, für sich
zu nutzen. Zunächst lebt er in einer betreuten
Wohngruppe einer Einrichtung der Behindertenhilfe und beteiligt sich an den für die Bewohnerinnen und Bewohnern angebotenen Veranstaltungen. Dabei ist er zunächst ausschließlich
auf die Betreuerinnen und Betreuer festgelegt
und nimmt nur selten Kontakt mit Bewohnerinnen oder Bewohnern auf.
Herr S. ist bis zum Wechsel in die Einrichtung
sehr stark auf das elterliche Umfeld angewiesen.
Er hat nie Freunde in der Schule und weder mit
Mädchen noch Jungen aus seiner Klasse eine
Verabredung.
42
Fachvorträge und Austausch
In der Ortschaft, in der er aufwächst wird er gehänselt und verspottet. In der Pubertät reagiert
er mit Rückzug. Seine Welt ist die Welt der Zeitschriften seiner Mutter und das Unterhaltungsprogramm von ARD und ZDF.
Aufkommendes sexuelles Verlangen findet statt
in der Abgeschiedenheit der elterlichen Wohnung, von der Mutter geduldet, letztendlich auf
Dauer langweilig und unbefriedigend. Ihm fehlt
die Nähe und Zärtlichkeit von anderen, die er
sich erregend und anziehend vorstellt.
In der Wohngruppe beobachtet Klaus S. aber
zunehmend den Umgang anderer Bewohnerinnen und Bewohner. Er sieht Körperkontakt, vermutet Liebe und Partnerschaft. In seiner Selbsteinschätzung hat Herr S. sich nie als behindert
empfunden. Daraus erwächst auch die dauerhafte Selbstabgrenzung gegenüber den anderen Männern und Frauen. Das entdeckte Bedürfnis zur Kontaktaufnahme mit (jungen, hübschen)
Frauen verlagert er nach außen, spricht erstmals
vereinzelt Mädchen im Alter von 12-14 Jahren
im Bus oder im Schwimmbad an.
Ich fasse kurz zusammen: in den folgenden Jahren wiederholen sich diese Ereignisse. Herr S.
spricht immer mehr einen Wunsch nach Partnerschaft und Beziehung aus. Er ist trotz großer
Unterstützung nicht in der Lage, sich auf Beziehungen zu Frauen einzulassen, die aus dem
Bereich Wohngruppe oder Werkstatt kommen.
In seinem problematischen sexuellen Verhalten
findet eine Steigerung statt.
Herr S. lebt beim ersten bekannt gewordenen
Vorfall in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft mit einem Mann. In dessen Abwesenheit zeigt er sich erstmals öffentlich auf dem
Balkon der Wohnung und befriedigt sich dabei
selbst mit der Idee, die im gegenüberliegenden
Haus lebende Nachbarin auf sich aufmerksam
zu machen und hofft, dass sie ihm dabei zuschaut. Seit längerem findet er sie nett und interessant, stellt sich vor, sie könnte seine Freundin
werden. Sie wendet sich an seinen Betreuer und
sieht von einer Anzeige gegen Klaus S. ab.
Mittlerweile lebt Herr S. alleine und wird weiter
ambulant betreut. Er kommt regelmäßig auf
eigenen Wunsch zur Beratung und es haben
sich erstaunliche Veränderungen in seinem
Verhalten ergeben.
Mit Hilfe seines Betreuers und durch die Aufarbeitung der Ereignisse in den Gesprächen ist
es ihm gelungen, dass es in den letzten beiden
Jahren zu keinen derartigen Vorfällen kommt.
Erfolg durch kontinuierliche Beratung und
begleitende Unterstützung.
Herr S. hat den ersten Kontakttermin im Rahmen
der Schatzkiste (Kontaktvermittlung für Menschen mit Behinderung) hinter sich. Die Erkenntnis, dass die Frau, die er dort kennenlernt, für
ihn nicht als Partnerin in Betracht kommt,
erschließt sich erstmals nicht aus der Tatsache
der Behinderung der Frau, sondern vielmehr
in der Feststellung einer zu großen Verschiedenheit in Bedürfnissen und Interessen in eine
mögliche Partnerschaft. Die Frau verfügte über
umfangreiche partnerschaftliche und sexuelle
Erfahrung. In den von ihm formulierten Freizeitvorhaben will oder kann sie sich nicht wiederfinden und es bleibt bei einem einmaligen
Treffen.
Herr S. ist nicht frustriert und hat bereits neue
Partnerschafts-Findungs-Projekte angefangen.
:: 3. Erfolglosigkeit der Beratungsarbeit durch Behinderung der Täter?
Die in der Behandlung nichtbehinderter
Gewalttäter entwickelten Konzepte eignen sich
nur sehr begrenzt für die Arbeit mit Männern
mit Behinderung. Verantwortungsübernahme,
Deliktaufarbeitung, Persönlichkeit stärkende
(fördernde) Arbeit oder Opfergefühle empfinden, können aufgrund der vorhandenen Behinderung lediglich abgewandelt zum Einsatz
kommen.
Worauf kommt es also an?
1. Es sollte für eine ausreichende, die Intimsphäre des Klienten schützende Zusammenarbeit (Kooperation) zwischen Berater und
betreuender Institution, evtl. ergänzt durch
den Kontakt mit den Angehörigen gesorgt
werden.
2. Zunächst muss ein Vertrauensverhältnis
zwischen Berater und Klienten hergestellt
werden.
3. Selbst- und fremdgefährdende Verhaltensmuster des Klienten müssen ausgelotet
werden und notwendige Absicherungsmaßnahmen zum Schutz möglicher Opfer evtl.
für die Täter selbst eingerichtet werden.
4. Betreuungskonzepte sollten gesichtet werden hinsichtlich gewaltpräventiver Bestandteile und Ideen.
5. Ressourcen des Klienten sollten gesichtet
und gefördert werden. Ein auf den Klienten
„maßgeschneidertes“ Paket von Methoden
und ein entsprechendes Angebot sollte entwickelt werden. Dabei sollte deutlich werden
eine Haltung, die Respekt vor seiner Person
betont – ohne die Handlung zu verharmlosen.
6. Das Umfeld des Klienten sollte vorbereitet
werden, um einer möglichen Vereinsamung
vorzubeugen. Das Unterstützerfeld kann
ausgebaut werden.
7. Es kann überprüft werden, ob Medikamente
genutzt werden können. Eine ständige Überprüfung ist dabei erforderlich.
Umgang mit Tätern; Männerberatung; Angebot für gewalttätige Männer mit Behinderung – Udo Brossette
43
:: Mögliche Ursachen und Motive
für Gewalthandlungen
Die nun folgende Auflistung möglicher
Ursachen und Motive von Gewalthandlungen
entspringt den Erfahrungen in der Darmstädter
Beratungsstelle und ist möglicherweise nicht
auf die Allgemeinheit übertragbar oder gar
vollständig. Sie bezieht sich auf die vorhandene
Datenlage der beiden letzten Jahre. Sie deckt
sich aber im Wesentlichen mit den Erkenntnissen der Jahre zuvor.
1. Sexuell motivierte Aggression
In einem Falle fand Beratung mit einem heute
vierzigjährigen Mann statt, der mittlerweile in
einer Wohngruppe lebt. In seinem Verhaltensmuster zeigen sich immer wieder starke Verhaltensweisen mit einhergehenden intensiveren
Selbstverletzungen. In besonderen Stresssituationen greift er zuweilen weibliche und
männliche Mitbewohner mit Schlägen an und
beschimpft sie lautstark, wenn seine Bedürfnisse
nicht sofort in der Wohngruppe befriedigt werden. Zum Abbau entstandener Spannungszustände folgen Selbstbefriedigungshandlungen,
in denen er sich selbst verletzt.
In der Zeit einer freundschaftlichen Beziehung
zu einer Frau aus der Werkstatt kommt es wissentlich zu einer einmaligen gewollten sexuellen Handlung, die zunächst einvernehmlich, zu
einem späteren Zeitpunkt jedoch gegen den
Willen der Frau durch ihn fortgesetzt wird.
Zugrunde liegen eine eigene, nicht von ihm
selbst geäußerte, sexuelle Traumatisierung in
der späten Pubertät und die massive körperliche Verletzung, hervorgerufen durch einen
Arbeitsunfall. In der geschilderten Übergriffshandlung verlagert der Mann eigene
Schmerz- und Frustrationserfahrungen aus der
frühen Kinder- und Jugendzeit nach außen.
So verleiten unvollständige Reifungsprozesse
und mangelnde Chancen einer erwachsenen
Beziehung ihn ständig mit Kindern (besonders
Jungen) Kontakt aufzunehmen. Dabei versucht
er spielend, aber beherrschend und zielgerichtet in Körperkontakt zu gehen. In seiner Ver-
44
Fachvorträge und Austausch
gangenheit finden sich Hinweise einer starken
Trennungserfahrung mit einem Männerfreund
und kurzweiligen Sexualpartner, der von heute
auf morgen aus seinem Leben verschwindet.
2. Bedingtes aggressives Sexualverhalten
An dieser Stelle soll ausdrücklich auf die
wichtige Unterscheidung zu o. g. Ursachen
hingewiesen werden. Liegt im obigen Beispiel
eine massive Beeinträchtigung entwicklungsbezogener Reifungsprozesse vor (Traumatisierung, Behinderung…), so kann aggressives
Sexualverhalten dem jeweiligen, aktuellen
sozialen Lebensumfeld entspringen, in dem
Frustration erfahren wird. Hierbei kann sexuelles durch körperliches oder verbales Handeln
ersetzt werden und ist eine mögliche Folge
mangelnder Fähigkeit zum Ausgleich erlebter
Enttäuschung.
So ist eine Übergriffshandlung eines Klienten
zu verstehen, der mehrmals bei einer Beschäftigten sexuelle Handlungen vornimmt, zuvor
missversteht er ihre Nähe- und Zuneigungsgesten. Seine Handlungen sind zwar sexuelle
Handlungen, die Grenzen überschreiten, für ihn
jedoch ist Sexualität Ausdruck seiner Zuneigung
und Vertraulichkeit, die er sich auch von der
Arbeitskollegin erhofft.
3. Körperliche oder seelische Gewalt
In der Geschichte der meisten Klienten finden
sich kaum Anhaltspunkte zu gewaltfreiem
Konfliktlösungsverhalten. Ihre Erfahrungen sind
gekennzeichnet durch Bestimmtsein von außen
und zum Teil sehr großen eigenen Beeinträchtigungen in Streitsituationen. Sie erleben ihre
Wirklichkeit eingeschränkt und beengt. Entscheidungen werden meistens über sie und
nicht mit ihnen getroffen.
Viele von ihnen haben selbst Gewalt und Aggression nur negativ erlebt. Gefangen im Hin
und Her der Gewalt können sie allenfalls zur
Lösung von Konflikten nur mit ihrer eigenen Gewalt beitragen. Geschrei und Beschimpfungen
gehören zur bitteren Lebenswirklichkeit und
zeugen doch von einer besonderen Hilflosigkeit
und Ohnmacht.
4. Verweigerung
:: Was wird von Beratung erwartet?
Im Umfeld der Täter wird ihre Verweigerung
zur Veränderung unerwünschten Verhaltens
als Uneinsichtigkeit, gar als seelische Störung
aufgefasst oder als Fortsetzung der Gewalt erlebt. Dennoch bleibt ihnen häufig nur die Wahl
zwischen Verdeutlichung ureigener Grenzen
und Bedürfnisse mit erlerntem Verhalten oder
die uneingeschränkte Angepasstheit an eine sie
fremd bestimmende soziale Umwelt.
Beratung beginnt in der Regel dann, wenn
die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung
des unerwünschten Verhaltens ergebnislos
sind, wenn Opfer zu beklagen sind und wenn
Hilflosigkeit und Ohnmacht im gesamten Helferund Unterstützersystem der Betroffenen vorherrschend sind.
:: Was also ist zu tun?
Bei jeder der auftretenden Gewalthandlungen
des Klienten ist eine genaue Ursachenerforschung erforderlich. Es ist zu beachten, ob
eigene Opfererfahrungen vorhanden sind oder
andere Auslöser für grenzverletzendes Handeln
vorhanden sind.
Im Bereich sexueller Grenzverletzungen ist
darauf zu achten, dass die vorhandene Behinderung und aus ihr hervorgehende Entwicklungshemmnisse verstanden werden. So kann
gewünschte Sexualität mit einem Kind einerseits
Folge unerfüllter Bedürfnisbefriedigung in der
Erwachsenenbeziehung sein (Regression als
Kompensation) oder Ausdruck unausgereifter
eigener Persönlichkeitsentwicklung.
Gerade in den Fällen, in denen es innerhalb
einer Partnerschaft oder Freundschaft zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kommt,
ist die Beziehung der streitenden Parteien zu
berücksichtigen – ohne dabei das gewalttätige
Verhalten zu billigen.
Beratungsarbeit mit den Männern kann dann
Veränderungen bewirken, wenn sie parteilich
und konfrontierend zugleich ist. Dabei unterscheidet sie sich nicht von der Beratung von
Männern ohne Behinderung.
Beratung hat nicht selten aus Sicht des Umfeldes der Täter die Funktion, weitere Gewalt zu
verhindern. Beratung soll dazu dienen, unerwünschtes Verhalten abzustellen und zu beenden.
Diesen Auftrag – nicht immer ausgesprochen
– kann Beratung aber nicht uneingeschränkt
erfüllen.
Es kann gelingen, wenn – wie oben genannt
– eine gemeinsame Haltung zu erreichen ist.
In Arbeitsbündnissen müssen Möglichkeiten
gesucht werden, innerhalb und außerhalb des
Lebensumfeldes der Täter, die es erlauben, gewaltfrei zu inneren und äußeren Konflikten der
Täter Lösungen anzubieten und zu entwickeln,
folgerichtig aber mit ihnen zusammen.
Das setzt eine offene Kommunikation und
Abstimmung von Vereinbarungen voraus. Ein
reines Verantwortungs-Übertragungs-Prinzip
scheitert in der Regel. Verlagerung oder gar
Verheimlichung der Probleme führen nicht zu
tragfähigen Lösungen bestehender Konflikte.
Helferkonferenzen haben sich als wichtiges
Instrument einer erfolgreichen Arbeit erwiesen.
Vorbeugende Angebote zu Mann-Sein, Liebe,
Partnerschaft, Sexualität und Konfliktverhalten
müssen ebenso Bestandteil einer weit reichenden Konzeptentwicklung sein wie notwendige
Maßnahmen direkter Krisenbewältigung.
Beratung kann eine Säule dieses Hilfsangebotes
sein. Sie kann die Rolle übernehmen, die helfenden Systeme zu verbinden und zu bündeln.
Umgang mit Tätern; Männerberatung; Angebot für gewalttätige Männer mit Behinderung – Udo Brossette
45
:: Qualifikation eines Beraters
oder einer Beraterin?
Beraterische und/oder therapeutische Qualifikationen sind wichtige Voraussetzungen, um in
diesem Arbeitsfeld tätig zu sein.
Wichtig ist eine klare Auftragsklärung im
Lebensumfeld des Täters.
Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit dem Umfeld des Täters sollte vorhanden sein. Erfahrung
in der Zusammenarbeit mit Polizei- und Justizbehörden sind nützlich.
Grundkenntnisse über die unterschiedlichen
Arten von Behinderung sollten vorhanden sein,
um sich jeweils auf den einzelnen Klienten einstellen zu können.
Den Klienten muss mit Respekt und Achtung vor
ihnen als Person begegnet werden, damit eine
vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich wird.
Kenntnisse zu Inhalten einer gewaltfreien Kommunikation sind von großem Vorteil, ebenso
die Bereitschaft, sich mit Gewalt, Eskalation und
Konfliktverhalten von Menschen auseinanderzusetzen.
:: Struktur des Beratungsangebotes
In der Regel finden die Beratungen in den
Räumen der pro familia statt. Dies soll einerseits dem Schutz der Klienten hinsichtlich der
Anonymität und Schweigepflicht dienen, kann
andererseits in Einzelfällen zur Aufwertung ihrer
Selbstständigkeit beitragen, wenn sie in der
Lage sind, sich selbstständig in der Region zu
bewegen.
In wenigen Ausnahmen findet Beratung im
häuslichen Umfeld der Klienten statt.
Die Beratungszeit beträgt angepasst an die
Konzentrationsfähigkeit des Klienten höchstens
eine Stunde.
In der Regel wird vor dem ersten Termin ein
Vorgespräch mit Bezugspersonen oder Klienten
persönlich oder per Telefon geführt. Darin wird
u. a. geklärt, wer den Klienten zum Erstgespräch
begleiten wird.
Aus Sicht der Klienten hat im Vorfeld nach
einem Vorfall schon das ein oder andere „Gespräch“ stattgefunden. Da ist es umso wichtiger,
dass Ängste und Verunsicherungen nicht zusätzlich durch die neue Situation entstehen und
Beratung sich für die Klienten nicht als weitere
Form einer Bestrafung entpuppt.
Ziel ist es, ein vertrauensvolles Klima zu schaffen, das einen guten Einstieg gewährleistet.
In Abstimmung mit dem Klienten können nach
Bedarf im weiteren Beratungsverlauf einzelne
gemeinsame Gespräche mit den Betreuern
geführt werden.
Neben dieser Kontaktaufnahme durch die
Betreuer kommt es in Ausnahmefällen auch zu
Anfragen, die der Mann mit Behinderung von
sich aus startet.
Paare, deren Interesse die Fortsetzung der
Partnerschaft ist, können gegebenenfalls auch
gemeinsam beraten werden.
46
Fachvorträge und Austausch
:: Kritischer Blick auf eine bestehende
Realität – Thesen zur Anregung einer
„jungen“ Diskussion
:
:
Im Folgenden sind ein paar Thesen aufgelistet,
die zum Nachdenken anregen sollen:
:
:
:
:
:
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung
über Gewalt in Beziehung und Partnerschaft
und deren Folgen führt zum notwendigen
Blick in die Welt der Menschen mit Behinderung – es fehlen Untersuchungen und
Konzepte.
Der Umgang mit Gewalt in Partnerschaft und
Beziehung macht es erforderlich, auf beide
zu schauen, die Opfer und die Täter.
Männer mit Behinderung, die gewalttätig
gehandelt haben, sind dem zusätzlichen
Brandmal (Stigma) der Täterschaft ausgesetzt.
Ihr Tätersein unterscheidet sich vom Täter
ohne Behinderung in den meisten Fällen
durch ihre eingeschränkte Lebenswirklichkeit
und dem daraus folgenden Handicap der
Erklärungsfähigkeit zum Geschehen – hierbei
benötigen sie mehr Begleitung und Unterstützung.
Sie selbst sind oft nur ihren Impulsen überlassen und können diese im Nachhinein
nicht in Relation zu ihrer Handlung sehen.
:
:
:
Damit sind sie hilflos und überfordert.
Ihre Taten erzeugen Opfer – was fehlt, sind
entsprechende Umgehensweisen mit ihrem
Verhalten. Der wirkliche Umgang folgt zumeist der Vorgabe der Bestrafung – Versöhnung oder Wiedergutmachung sind die
Ausnahme.
Gewalttätiges Handeln kann Ergebnis mangelnder Lernerfahrung sein – die Ursachen
sind nicht automatisch Folgen der Behinderung.
Männer mit Behinderung können auch Opfer
sein – Opfer männlicher und weiblicher
Gewalt.
Männer mit Behinderung leiden häufig unter
Einsamkeit, an dem Mangel an körperlicher
und gefühlsmäßiger Nähe, fehlender partnerschaftlicher Liebe und Sexualität.
Udo Brossette
Dipl.Sozialpädagoge
Systemischer Familientherapeut
Sexualtherapeut
pro familia Darmstadt
Umgang mit Tätern; Männerberatung; Angebot für gewalttätige Männer mit Behinderung – Udo Brossette
47
AG I:
Rechtliche und institutionelle Strategien
zur Prävention und
Intervention von
Gewalt in Einrichtungen für Menschen
mit Behinderung;
Dienstvereinbarung
in der Diakonie
Nieder-Ramstadt
48
Arbeitsgruppen
In Anlehnung an den Vortrag von Fr. Zinsmeister
wurden folgende Fragestellungen im Workshop
bearbeitet:
1. Wie können Institutionen Präventions- und
Interventionsmaßnahmen wirkungsvoll
implementieren? Wie rechtsverbindlich sind
Handlungsorientierungen, Handlungsleitfäden und Dienstvereinbarungen oder
Dienstanweisungen?
2. Welche Adressaten/Adressatinnen
(mögliche Täter/Täterinnen) sollten darin
angesprochen werden?
3. Wie wird wohl ein adäquater Schutz der Verletzten als auch ein angemessener Umgang
mit einem/einer Täter/Täterinnen gewährleistet (vor allem bezogen auf Täter/Täterinnen, die kognitiv eingeschränkt sind)?
4. Welche praktischen Erfahrungen bei der
Entwicklung von Handlungsvorhaben innerhalb einer Einrichtung gibt es?
Zur Einführung in die Thematik stellten die
Referentinnen verschiedene Instrumente vor,
darunter:
Dienstanweisungen des
Dienstherren/Arbeitgebers
Sie konkretisieren die arbeitsvertraglichen
Pflichten der Mitarbeitenden und können so
Klarheit schaffen: Sie bergen aber auch das Risiko, bei den Beschäftigten Ängste und Unsicherheiten hervorzurufen. Diese können die Umsetzung erschweren. Gegen sie spricht zudem,
dass die behinderten Klienten/Klientinnen nicht
in die Entwicklung einbezogen werden und von
Dienstanweisungen in der Regel keine Kenntnis
erhalten. Adressat der Dienstanweisung sind
lediglich die angewiesenen Mitarbeitenden.
Rechte und Pflichten der Klienten/Klientinnen
im Umgang miteinander können darin nicht
geregelt werden.
Handlungsorientierung, Interventionsleitfäden
Sie entfalten nur im Ausnahmefall rechtsverbindlichen Charakter, wenn sie als Dienstanweisung des Arbeitgebers gegenüber den
Arbeitnehmern zu interpretieren sind. Ist in
einem gerichtlichen Verfahren zu entscheiden,
welche Pflichten die Beschäftigten oder die Leitung hatten, können sie aber auch dem Gericht
Orientierungshilfe sein. Sie bieten sowohl Raum,
um konkrete Handlungsschritte zu definieren als
auch die erwünschte professionelle Haltung der
Mitarbeitenden, des sozialen Miteinanders und
die Organisationskultur näher zu bestimmen.
Desweiteren besteht hier die Möglichkeit die
Nutzer/Nutzerinnen am Prozess zu beteiligen.
:: Für alle Instrumente gilt:
Sie funktionieren nur, wenn sie das Ergebnis
eines gemeinsamen Reflexions- und Aushandlungsprozesses sind und von einer entsprechenden Organisationskultur getragen werden.
Sie funktionieren am besten, wenn sie sich
gegenseitig ergänzen und in eine Vielfalt von
Präventions-, aber auch Reflexionsangeboten
eingebettet sind.
In Institutionen, in denen der Alltag behinderter
Menschen von Fremdbestimmung geprägt
ist, müssen Maßnahmen, die alleine darauf
gerichtet sind, sie zum Selbstschutz vor sexualisierter Gewalt zu befähigen, scheitern. Wer
nicht „nein“ sagen kann, wenn er oder sie sich
von einer ihm unangenehmen Person duschen
lassen soll, wird auch nicht „nein“ sagen, wenn
er oder sie vorsätzliche sexualisierte Grenzverletzungen erfährt. Es bedarf einer gemeinsamen
kritischen Reflexion und (Um-)Gestaltung der
Einrichtungskultur und in diesem (vorzugsweise
durch eine externe Fachkraft angeleiteten und
moderierten) Prozess müssen vor allem die behinderten Nutzerinnen und Nutzer angemessen
einbezogen werden.
AG I: Rechtliche institutionelle Strategien zur Prävention und Intervention / Dienstvereinbarung
49
Prinzipiell sollte allen Instrumenten eine ausgeprägte und umfassende Präventionsarbeit
vorangestellt sein, um in der Einrichtung eine
Kultur des wissentlichen und selbstbestimmten
Umgangs mit seinen Bedürfnissen und Grenzen
und denen von anderen zu entwickeln.
Zur Erarbeitung von Handlungsleitlinien und
Orientierungshilfen ist die individuelle Kultur
einer Einrichtung wesentlich. Aufschluss über
die Einrichtungskultur geben z. B. folgende
Fragen:
:
:
:
:
:
:
:
:
50
Wie viel Respekt und Wertschätzung erfahren die Nutzer/Nutzerinnen, aber auch die
Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen innerhalb der
Einrichtung?
Wie wird mit dem Thema Sexualität umgegangen, kann und wird offen darüber
gesprochen zwischen Nutzer/Nutzerinnen,
unter den Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen,
gemeinsam mit Leitungen?
Wird das Thema Macht und Machtmissbrauch offen thematisiert und reflektiert?
Welche Grenzen gilt es, im Miteinander zu
beachten?
Wie geht man auf den verschiedenen
Ebenen der Organisationen mit „Fehlern“
um? Können z. B. im Team eigene Handlungsunsicherheiten oder Kritik an Kollegen
offen angesprochen und sachlich und wertschätzend besprochen werden? Nimmt man
Fehler von Einzelnen auch zum Anlass, über
institutionelle Bedingungen nachzudenken,
die den Fehler mit verursacht haben könnten
(z. B. mangelnder Informationsfluss, Personalmangel). Übernimmt die Leitung hierfür die
erforderliche Verantwortung?
Wissen die Nutzer/Nutzerinnen der Institution, dass sie eigene Vorstellungen äußern
und ihren Alltag danach gestalten dürfen?
Werden sie darin tatsächlich unterstützt?
Kennen die Nutzer/Nutzerinnen nicht nur
ihre Pflichten, sondern auch ihre Rechte
(gegenüber anderen Nutzer/Nutzerinnen,
den Mitarbeitenden, der Leitung, ihren
rechtlichen Betreuern)?
Gibt es entsprechende Informationen in
leichter Sprache?
Arbeitsgruppen
:
:
:
:
Können die erwachsenen Bewohner/Bewohnerinnen einer Wohngruppe bzw. -einrichtung ihre sozialen Kontakte nach eigenen
Vorstellungen gestalten (z. B. Besuch über
Nacht empfangen oder die Nacht außerhalb
der Einrichtung verbringen)?
Gibt es Hausregeln, die dies einschränken?
Wenn ja, warum? Sind sie tatsächlich gerechtfertigt?
Wird geschlechtersensibel gearbeitet?
Wer ist Ansprechpartner/in im Fall von
Grenzverletzungen?
Es gibt keine Möglichkeit, bei Verdachtsmomenten nach „Schema F“, zu intervenieren. Vielmehr
erfordert jeder Einzelfall eine individuelle
Gefährdungsabschätzung und Abwägung der
verschiedenen tangierten Interessen…
…unter Berücksichtigung des Grades des
Verdachts, der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung, der Schwere des drohenden Schadens
und dem Charakter des zur Abwendung der
Gefahr erforderlichen Eingriffs in die Rechte des
Tatverdächtigen oder auch potenziellen Opfers
(z. B. im Falle einer geplanten Intervention ohne
Zustimmung der Betroffenen).
Leitfäden können helfen, diese Interessenabwägung in einer hochemotionalisierten Situation
ausschließlich an sachlichen Kriterien vorzunehmen, sie ersetzen diese aber nicht.
Fachkräfte müssen daher geschult werden,
Verdachtsmomente zu erkennen und fachlich
angemessen darauf zu reagieren. Sie brauchen
hierzu Unterstützung externer Fachleute (thematisch qualifizierte Unterstützung, kollegiale
Beratung, externe Supervision, ggf. rechtliche
Beratung). Sie müssen wissen, welche Verdachtsmomente sie mitzuteilen haben und mit
den weiteren Verfahrensschritten vertraut sein.
Sie müssen darauf vertrauen können, dass die
Leitung ihrer Leitungsverantwortung zügig und
umfassend nachkommt und ebenfalls weiß, wie
sie adäquat mit der Thematik umzugehen hat.
In der Diskussion mit den Teilnehmenden wurde
deutlich, dass die Handlungsunsicherheit der
Mitarbeitenden im Umgang mit der Selbstbestimmung der Nutzer/Nutzerinnen und mit Ver-
dachtsmomenten in der Regel sehr ausgeprägt
ist und daher vor allem auch auf Leitungsebene
erheblicher Handlungsbedarf, aber auch häufig
Handlungsunsicherheit besteht. Hier hat sich als
erster Schritt die Schaffung einer gesprächsoffenen-/bereiten Umgebung und Atmosphäre als
sinnvoll erwiesen, um dann gemeinsam (innerhalb einer Einrichtung) Richtlinien zu entwickeln,
für einen individuell abgestimmten, aber trotzdem transparenten und fachlichen Umgang mit
Verdachtsmomenten oder Übergriffen.
Als ein Problem in der Praxis erwies sich der
korrekte Umgang mit Täter/Täterinnen, die
Mitarbeitende sind. Hier sollten klare Aussagen
einer Einrichtung getroffen werden, sowohl bei
Einstellungsgesprächen, als auch in Arbeitsverträgen und letztendlich in Dienstvereinbarungen, so dass die Haltung einer Einrichtung
deutlich kommuniziert wird und dadurch ein
transparenter Umgang zu Gunsten der betreuten Menschen entwickelt wird. Die „Verdachtskündigung“ wurde konkret und kritisch im
Plenum besprochen, da natürlich unterschiedliche Bedürfnisse im Raum stehen und bedacht
werden wollen. Hier steht allerdings das Opfer
und Opferschutz rein rechtlich an erster Stelle.
Als in der Praxis weiteres und besonders dringliches Problem erwies sich der Umgang mit
gewaltbereiten behinderten Bewohnern. Es
gibt kaum präventive Bildungsangebote zum
Beispiel auch für „Männergruppen“. Es gibt
in kaum einer Einrichtung geeignete (sexual-)
pädagogische Angebote für die überwiegend
männlichen tätlichen Bewohner. Wenn von
diesen eine Gefahr für andere Bewohner/Bewohnerinnen oder Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen
ausgeht, wissen die Einrichtungen nicht, wo und
wie sie die Männer weiter betreuen sollen.
Hier wies Frau Zinsmeister auf die Strukturverantwortung der Rehabilitationsleistungsträger
gem. § 19 Abs. 1 S. 1 SGB IX hin, die dafür Sorge zu tragen haben, dass die Bewohner/Bewohnerinnen in „sicheren“ Wohnverhältnissen leben
können und Mitbewohner, die diese Sicherheit
latent gefährden, in einer speziell für sie zugeschnittenen Wohnform betreut werden können,
in der sie keine Gefahr für andere werden.
Sofern ein Bewohner wiederholt Bewohnerinnen bedroht, genötigt oder sogar vergewaltigt
habe, aber eine psychiatrische Unterbringung
langfristig keine Lösung sei, sei sein Wechsel in
eine Männerwohngruppe der erste (wobei es
inzwischen sehr wenig geschlechtshomogene
Gruppen gibt), wenngleich sicher nicht einzige
notwendige Schritt.
Frau Tandler berichtete über Konzepte und
vereinzelte Angebote für kognitiv beeinträchtigte Täter, stellte aber fest, dass das regionale
Angebot den wenigsten Einrichtungen bekannt
und zudem auch bei Weitem nicht ausreichend
ist, um den Bedarf zu decken. Hier wäre ein
bundesweiter Austausch von erfolgreichen
Ansätzen sinnvoll, um gezielt die Verantwortung
sowohl für Täter/Täterinnen als auch für Opfer in
der Behindertenhilfe zu übernehmen.
Dr. jur. Julia Zinsmeister
Professorin für Zivil- und Sozialrecht
FH Köln, Fakultät für Angewandte
Sozialwissenschaften
Tanja Tandler
Projektleitung
Nieder-Ramstädter Diakonie
AG I: Rechtliche institutionelle Strategien zur Prävention und Intervention / Dienstvereinbarung
51
AG II:
Selbstbehauptungstraining –
Vorstellung der Kurse,
Erfahrungen der AG
Freizeit e. V., Marburg
52
Arbeitsgruppen
:: AG Freizeit e. V. – Kernbereich
AG Freizeit e. V. ist ein Fachdienst der Behindertenhilfe und bietet seit 1980 Angebote und
Hilfen zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung
für Jugendliche und Erwachsene mit (geistiger)
Behinderung. Zu unseren Angeboten gehören
das offene Nachmittagscafé (3 x pro Woche),
der Kulturabend (1 x monatlich Teilnahme an
öffentlichen kulturellen Veranstaltungen), die
Extra-Angebote Kultur und Natur (Tagesfahrten
zu Ausstellungen, Tierparks, Weihnachtsmärkten…) und Freizeiten und Reisen (4 x pro Jahr).
Für die Besucher/innen dieser Angebote werden außerdem die individuell notwendigen
Hilfen geleistet.
Weitere Informationen über AG Freizeit e. V.
finden sie auf www.ag-freizeit.de
:: AG Freizeit e. V. – weiterer Bereich
(seit 2001):
Angebote zur Prävention von Gewalt/sexueller
Gewalt an Mädchen und Frauen mit geistiger
Behinderung:
a) Fortbildung
„Starke Mädchen – starke Frauen“
Unterstützung / Stärkende Arbeit
Für Lehrer/Lehrerinnen, Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen in der Behindertenhilfe…
Um Selbstbehauptungskompetenzen gewinnen
und ausbauen zu können, ist es notwendig, dass
die Mädchen und Frauen im Alltag üben können, dass sie sich als mächtig erleben, dass sie
Entscheidungsfreiheiten haben, dass sie sich so
angenommen fühlen, wie sie sind. Diese Dinge
fehlen bei einem Aufwachsen mit Behinderung
häufig, das Erleben von Ohnmacht und Nichternst-genommen-werden sind dagegen alltäglich.
Ohne das Üben und die Erlaubnis zum NEIN sagen im Alltag kann auch nicht verlangt werden,
dass Mädchen und Frauen mit Behinderung in
Notsituationen NEIN sagen!
Hier kann die Haltung der alltäglichen Bezugspersonen eine wichtige Rolle spielen.
Hierzu gibt es auch ein Handbuch: „Ich will,
ich kann, ich darf“, erhältlich bei AG Freizeit e. V.
für € 8,50 zzgl. Porto
b) Selbstbehauptungstraining für Mädchen
und Frauen mit geistiger Behinderung
Das Training findet statt:
:
:
:
im Nachmittagscafé der AG Freizeit e. V.
zweimal im Jahr Wochenendworkshop
(hessenweite Ausschreibung)
Kurse an Schulen oder in Werkstätten oder
anderen Einrichtungen auf Anfrage
:: Worum geht es?
Wir wollen eine innere Stabilität vermitteln,
welche notwendig und hilfreich im jeweiligen
persönlichen Alltag ist.
:: Selbstbestimmung im Alltag
Selbstbestimmung im Alltag bedeutet, dass
Willensäußerungen ohne Schuldgefühle möglich sind und dass die eigenen Rechte klar sind
und vertreten werden, von einfachen Dingen
wie z. B. der Wahl des Getränks bis hin zu
schwierigeren Themen wie z. B. Nähe und Distanz in Beziehungen.
Hierfür sind die Wertschätzung der eigenen
Person und Achtsamkeit notwendig.
:: Gewaltprävention
Die Selbstbestimmung im Alltag ist zugleich
die Grundlage für Gewaltprävention. Gerade in
Notsituationen und bei Übergriffen ist ein Kennen und Deutlichmachen der eigenen Grenzen
ohne Schuldgefühle nötig. Es ist wichtig, zu
wissen, dass Hilfe und Unterstützung geholt
werden darf. Die innere Stärkung, die Mädchen
und Frauen aus Selbstbehauptungskursen
gewinnen können, nutzt ihnen in allen Lebenslagen.
AG II: Selbstbehauptungstraining – Vorstellung der Kurse, Erfahrungen der AG Freizeit e. V., Marburg
53
:: Für wen?
:: Art und Weise der Durchführung
Die Kurse richten sich ausschließlich an
Mädchen und Frauen (ab 12 Jahren).
Das Wesentliche und Besondere an unserem
Training ist die Ausrichtung auf Teilnehmerinnen
mit geistiger Behinderung. Diese Ausrichtung
zeichnet sich dadurch aus, dass wir den einzelnen Übungen viel Zeit einräumen, dass wir mit
Wiederholungen arbeiten, dass die Übungen
wenig Abstraktes beinhalten – nach dem Motto
„konkret und greifbar“. Dafür haben wir z. T.
herkömmliche Selbstbehauptungs-Übungen
umgewandelt oder auch neue Übungen konzipiert:
Im Zusammenhang mit unserem Selbstbehauptungstraining werden wir immer wieder nach
Voraussetzungen von Teilnehmerinnen gefragt:
– Was ist, wenn jemand nicht spricht oder was
ist, wenn jemand nur sehr langsam oder eingeschränkt Sprache versteht; kann die betreffende
Person dann auch teilnehmen? Die Antwort lautet „JA selbstverständlich!“. Unsere Arbeitsweise
orientiert sich an den jeweiligen Voraussetzungen der Teilnehmerinnen, nicht umgekehrt!
Bezüglich der Art der Teilnahme ist uns wichtig
zu erwähnen, dass jede Teilnehmerin stets
selbst entscheidet, wann und auf welche Weise
sie sich einbringt. Schließlich sollen die Workshops bei allem Lernen und Üben in erster Linie
Spaß machen.
:
:
geschützter Rahmen:
: Kurse sind nur für Mädchen und junge
Frauen
: Schutz durch strenges Strukturieren
des Kurses und strenges Eingreifen
bei Grenzverletzungen
Prinzip Freiwilligkeit/Jede nach ihrer Zeit
(Achtsamkeit, Rücksicht)
Durchführung der Kurse immer mit zwei
Trainerinnen, eine leitet die Übung an, die
andere begleitet bei der Teilnahme
:: Was vermitteln wir?
:
:
:
:
:
:
:: Übungen
:
:
Ich bin wichtig.
Meine Gefühle sagen mir, was richtig ist.
Ich sage JA, wenn ich etwas möchte.
Ich sage NEIN, wenn ich etwas nicht möchte.
Ich mache meine Grenzen deutlich: STOPP,
bis hierhin und nicht weiter!
Wenn ich allein nicht weiterkomme,
hole ich HILFE.
All das DARF ich – es ist mein RECHT!
:
:
:
:
:
:
:
:
:
von niedrigem zu sehr hohem Level
Wiederholungen
Übungen im Kreis (alle sind dabei, jede kann
bei den anderen auch zusehen, wenn sie
selbst gerade nicht dran ist)
Ablauf von Übungen: Vorführen, Anleiten,
Begleiten, Reflexion
die Teilnehmerinnen da abholen, wo sie sich
momentan befinden
Inhalte erlebbar machen
offene Situationen ermöglichen und nutzen
Anpassung von Übungen an individuelle
Voraussetzungen
Transferbegleitung durch Handzettel (auch
für Bezugspersonen) und Fotos zur eigenen
Erinnerung und zum Erzählenhelfen.
Hierzu gibt es ein Handbuch „Selbstbehauptungstraining für Mädchen und Frauen mit
geistiger Behinderung“ Verlag AG Spak Bücher
ISBN 3-930 830-67-I, € 9,50
Erhältich z. B. über donna vita
54
Arbeitsgruppen
:: Übungsbeispiel: Ritualkreis
Der Ritualkreis ist eine sehr wichtige Basisübung, auf deren Aspekte während anderer
Übungen zurückgegriffen werden kann. Zu den
Aspekten gehören die Worte oder Gesten zu
JA, NEIN, STOPP und HILFE sowie Hinweise zur
Körperhaltung.
Durch das ständige Wiederholen, insbesondere
bei fortlaufenden Kursen, können Gesten und
Haltungen ein Stück weit automatisiert werden.
Oft stellt dann, während neuer Übungen, ein
Impuls seitens der Trainerinnen die notwendige
Unterstützung dar („Mach Dich groß!“/„Schau X
an!“ oder Erinnern durch kurzes Vormachen bestimmter Haltungen/Gesten).
Wörter weiterreichen
:
:
Die folgenden Worte werden, in angegebener Reihenfolge, einzeln und jeweils
mindestens drei Runden herum gereicht:
JA-NEIN-STOPP-HILFE (als „Trockenübung“
ohne Bezug).
„Ich bin wichtig!“ mit Applaus der anderen
(kann der Reihe nach im Kreis durchgeführt
werden oder auch durcheinander, dann
muss aber die Reihenfolge sortiert werden)
Grenzsetzung durch Körperhaltung
:
:
:
:
:
:: Erfahrungen aus den Kursen:
Das Training ist nachhaltig
:
:
:
Körperhaltung
:
:
:
Wir arbeiten Unterschiede zwischen einer
geschlossenen (klein) und einer offenen
(groß) Körperhaltung heraus und verwenden die Begriffe KLEIN und GROSS zum und
während des Erklärens!
KLEIN: Blick auf den Boden, Arme verdecken
den Körper; ggf. werden Verhaltensweisen
einzelner Teilnehmerinnen aufgegriffen
(z. B. lautes Greischen, Nörgeln, weinerlich
sein), welche diese zu Abgrenzungszwecken
nutzen. Durch ein maßvolles Übertreiben
werden den Teilnehmerinnen, auf spielerische und z. T. lustige Art, ihre Strategien
widergespiegelt.
GROSS: „fester Stand“ (Beine etwas auseinandergestellt), Oberkörper aufgerichtet;
Blick auf eine Person gerichtet.
Aufgabe: ein „Ärgern“ wird im Kreis herumgereicht.
Eine Teilnehmerin macht sich KLEIN, eine
Kreisnachbarin „ärgert“ sie (die Form des Ärgerns wird vorher vereinbart: Kitzeln, leichtes
Schupsen).
Die Geärgerte spürt nach und macht sich
GROSS, sobald sie genug vom „geärgert
werden“ hat.
Teilnehmerinnen, die sich noch nicht GROSS
machen können, wird die Verwendung der
STOPP-Geste nahe gelegt.
Die Ärgernde stoppt, sobald sie das von der
Geärgerten spürbar vermittelt bekommt.
:
:
Alle Teilnehmerinnen haben in den Kursen
Stärkung erlebt. Viele äußern: „Ich will
wiederkommen“, „Nächstes Jahr mache ich
wieder mit“.
Die Art der Teilnahme ist immer individuell
(schnell, langsam, erstmal gucken, aber
dabei auch schon ganz viel mitnehmen).
Die Umsetzung in den Alltag ist individuell
in der Bandbreite von der jungen Frau, die
einmal etwas fragt und bespricht und dann
umsetzt bis zu der Frau, die seit Jahren
regelmäßig am Training teilnimmt und ganz
kleine Stücke umsetzt und langsam, aber
kontinuierlich wächst.
Rückmeldungen, die wir bekommen haben:
Viele können im Alltag deutlicher sagen/zeigen, was sie wollen und was nicht; manche
probieren das NEIN an allen Stellen aus.
Für sehr viele Mädchen und Frauen ist es ein
langer Weg, die gewonnene Stärke aus dem
Kurs im Alltag umzusetzen, es sind Wiederholungen nötig, eine Transferbegleitung
oder eine fortlaufende Mädchengruppe
können hier einen wertvollen Beitrag leisten.
AG II: Selbstbehauptungstraining – Vorstellung der Kurse, Erfahrungen der AG Freizeit e. V., Marburg
55
:: Ergebnisse aus der Arbeitsgruppe
Erfahrungen der Teilnehmenden mit der Durchführung von Selbstbehauptungskursen oder
anderen gewaltpräventiven Maßnahmen für
Menschen mit Behinderung in Einrichtungen.
Nur sieben der Anwesenden haben bisher Erfahrungen mit der Durchführung von Kursen.
Von den Kursen durch externe Anbieter (aus
dem Grundschulbereich, die Polizei und Defendingteam) kamen nur manche Inhalte bei den
Teilnehmerinnen an, die Kurse waren nicht an
die Lernvoraussetzungen angepasst.
Welche Möglichkeiten der Implementierung
regelmäßiger gewaltpräventiver Angebote
werden gesehen?
Regelmäßige Angebote:
:
:
:
:
Die anderen haben Kurse mit internen Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen durchgeführt, zum Teil
gemischtgeschlechtliche Gruppen und hatten
positive Resonanz und großes Interesse der
Teilnehmer/innen.
:
Deutlich wurde dabei die Notwendigkeit des
wiederholten Übens der Inhalte.
:
:
Fortbildung der Mitarbeiter/innnen:
:
:
:
56
Arbeitsgruppen
Selbstbehauptungstrainings in der
Einrichtung durchführen
Mischung aus externem Kurs (1 x jährlich)
und interner Auffrischung
(z. B. Kurs und dann Übungsabende)
geschlechtsspezifische AGs als regelmäßiges Angebot (Frauencafé, Mädchengruppe,
Jungengruppe…)
präventive Angebote als Begleitmaßnahme
zur Arbeit, als Lerneinheit in der Schule verankern
Informationen über und Vermittlung an
externe Angebote übernehmen
Multiplikatorinnentraining?
Kollegen/Kolleginnen schulen Kollegen/
Kolleginnen
Fortbildung der Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen, die Frauen unterstützen
Vorbild sein
Klare Kommunikationsstrukturen, nonverbale
Kommunikation erlernen
Allgemeine Maßnahmen:
:
:
:
:
:
:
:
Kommunikation und Informationsaustausch
innerhalb der Einrichtung
Gewalt ist alltäglich und Prävention wichtig,
nicht nur als Krisenintervention
Anlaufstelle/Beauftragte schaffen
Einrichtungsnahe Treffpunkte schaffen
(barrierefrei, mit Fahrdienst, Beratung…)
Selbstbestimmung und Ernstnehmen der
Menschen mit Lernschwierigkeiten
Aufnahme präventiver Angebote ins
Einrichtungskonzept
Finanzielle Unterstützung
(z. B. durch Fahrdienst…)
:: Welche Hindernisse gibt es?
:
:
:
:
:
:
:
:
Fehlendes Geld der Teilnehmerinnen
Fehlendes Geld der Einrichtung
Qualifiziertes Personal fehlt
Zeit fehlt
Notwendigkeit wird nicht gesehen/
mangelndes Interesse
Zu wenige Plätze im Kurs
Bedenken/Angst der Teilnehmerinnen
Zu wenige bekannte Angebote
:: Welche Lösungsmöglichkeiten
gibt es?
:
:
:
:
:
:
:
:
:
Informationen zu Fördermöglichkeiten
zusammentragen
Spenden, Fördermittel
Fortbildung, Pädagogischer Tag…
Verankerung ins Angebot, Prävention als
fester Bestandteil berufl. Bildung
Vorhandene Frei- und Zeiträume nutzen
Angebote „schmackhaft“ machen,
informieren
Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen schulen, um
präventive Angebote in den Alltag einbauen
zu können
Unterstützung/Beratung/Vermittlung
Werbung/Öffentlichkeit
Angie Zipprich
AG Freizeit e. V., Marburg
AG II: Selbstbehauptungstraining – Vorstellung der Kurse, Erfahrungen der AG Freizeit e. V., Marburg
57
AG III:
Das „Netzwerk
gegen Gewalt“
Gewaltprävention
in Südhessen
Gewaltprävention
Südhessen / Netzwerk
gegen Gewalt
Gewaltprävention /
Qualifizierung zur
Präventionsfachkraft
58
Arbeitsgruppen
Das „Netzwerk
gegen Gewalt“
Das „Netzwerk gegen Gewalt“ ist die Gewaltpräventionsinitiative der Hessischen Landesregierung. Das „Netzwerk gegen Gewalt“
wird von der Hessischen Staatskanzlei, dem
Hessischen Ministerium des Innern und für
Sport, dem Hessischen Kultusministerium, dem
Hessischen Sozialministerium, dem Hessischen
Ministerium der Justiz, für Integration und
Europa und dem Landespräventionsrat Hessen
getragen.
Das „Netzwerk gegen Gewalt“ sieht Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche als eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gewaltprävention richtet sich nicht nur an Eltern und Schulen, sondern auch an Behörden, Institutionen,
Einrichtungen, Vereine und private Initiativen,
wie beispielsweise Jugendhilfe, Jugendamt,
Polizei, Kommunen, Justiz und Sportvereine.
Das „Netzwerk gegen Gewalt“ leistet Beiträge
zur Kooperation der Initiativen zur Gewaltprävention, um das gesamtgesellschaftliche
Bewusstsein zur Gewaltprävention zu stärken.
:: Beispielhafte Aufgaben:
:
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:
:
:
:
Themenfelder zur Gewaltprävention mit
gleicher oder ähnlicher Aufgabenstellung
erfassen
Kooperationspartner auf dem Sektor Prävention finden und zusammenführen (vernetzen)
Kompetenzen der Gewaltprävention bündeln und anderen zur Verfügung stellen
Zusammenarbeit der im Bereich der Gewaltprävention tätigen Behörden, Institutionen,
Schulen, Vereine und privaten Initiativen
fördern
Institutionen beraten und unterstützen
Präventionsprojekte zusammenführen,
unterstützen, initiieren und planen Präventionsprojekte des „Netzwerks gegen Gewalt“,
wie PiT (Prävention im Team), Gewalt-SehenHelfen, Medienkompetenz für Eltern, Lehrer,
Polizei und sozialpädagogische Fachkräfte
vorstellen und vermitteln
Eigene regionale Schwerpunkte setzen
Das hessenweite „Netzwerk gegen Gewalt“
wurde 2002 gegründet. Die Landesgeschäftstelle mit Sitz in Wiesbaden arbeitet mit ihrer
Geschäftsführung aus dem Innenministerium
und dem Kultusministerium seit 2003. Um die
Kooperation der Initiativen zur Gewaltprävention auf möglichst alle Regionen Hessens
auszuweiten, wurden Anfang 2009 Regionale
Geschäftsstellen „Netzwerk gegen Gewalt“
eingerichtet.
Die Regionale Geschäftsstelle Südhessen hat
Anfang April 2009 ihre Arbeit aufgenommen.
Sie ist für die Landkreise Groß-Gerau, Darmstadt-Dieburg, Bergstraße und dem Odenwaldkreis sowie die Stadt Darmstadt zuständig.
Die Regionale Geschäftstelle Südhessen
„Netzwerk gegen Gewalt“ ist Anlaufstelle für
Fragen der Gewaltprävention in der Region
Südhessen.
Christine Klein
Geschäftsführerin
Netzwerk gegen Gewalt
Regionale Geschäftsstelle Südhessen
AG III: Netzwerk gegen Gewalt / Gewaltprävention / Qualifizierung zur Präventionsfachkraft
59
Gewaltprävention
in Südhessen
:: Gewaltprävention bei geistigund lernbehinderten Kindern,
Jugendlichen und (jungen)
Erwachsenen im Bereich der
Regionalen Geschäftsstelle
Südhessen
Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen findet
Gewalt auch bei und durch geistig- und lernbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene
statt. Weil gerade Menschen mit Behinderung
ihren Tag überwiegend in Einrichtungen der
Behindertenhilfe verbringen und dort teil- oder
vollstationär betreut werden, werden Delinquenz und somit auch Gewaltdelikte meist
intern geregelt und in der Öffentlichkeit nicht
wahrgenommen. Diese Vorgehensweise der
internen Regelung wurde seither sowohl juristisch wie auch gesellschaftlich so gewollt.
Mit der Ratifizierung der UN-Konventionen zur
Gleichbehandlung aller Menschen müssen die
Einrichtungen die Teilhabe behinderter Menschen umsetzen. Dies geschieht teilweise durch
60
Arbeitsgruppen
Regionalisierungsprojekte und Öffnung der
Schulen für alle Betreuungsbedarfe. Nicht nur in
der Schule, sondern auch in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe laufen die Planungen, die zentrale Unterbringung aufzugeben.
Ziel ist, Menschen mit Behinderung möglichst
intensiv in das „normale“ Leben und die Gesellschaft zu inkludieren und die Betreuung geistig
Behinderter in ihr nahes soziales und familiäres
Umfeld zu verlagern.
Damit einhergehend muss sich die Gesellschaft
auch den Problemen stellen, die Menschen
mit geistiger Behinderung haben und auch
machen. Wenn wir die UN-Konventionen ernst
nehmen und umsetzen wollen, wird auch
Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und (junge)
Erwachsene mit Behinderung mehr und mehr
öffentlich werden. Polizei, Staatsanwaltschaft,
Gerichte, aber auch Schulen, Beratungsstellen,
Einrichtungen u. a. müssen sich mit der Thematik befassen. Deshalb bedeutet das Recht zur
Teilhabe behinderter Menschen in allen
gesellschaftlichen Belangen auch, dass wir uns
frühzeitig mit den Themen geistig behinderter
Menschen, dem Gesetz, bzw. Gesetzesüberschreitungen und damit Gewalt und Gewaltprävention ernsthaft auseinandersetzen.
:: Ziel:
Netzwerk bilden zwischen den Institutionen,
Organisationen, Vereinen pp., die von der
Thematik betroffen sind oder durch die Umsetzung der UN-Konventionen betroffen sein werden, übergreifendes Gewaltpräventionskonzept
für geistig- und lernbehinderte Menschen,
insbesondere Kinder, Jugendliche und (junge)
Erwachsene, das auf Nachhaltigkeit ausgelegt
ist.
Zielgruppe (nicht abschließend):
:
:
:
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:
:
:
:
:
:
:
:
:
:
:
:
:
Praktisch bildbare Schulen
Sonderschulen
Grundschulen
Kindertagesstätten
Integrative Einrichtungen
Ambulante Betreuungsdienste
Wohneinrichtungen
Werkstätten und Berufsbildungsbereiche
sowie Förderstätten
Freizeitanbieter
Beratungsstellen
Drogenberatung
Erziehungs-/Familienberatung
Sexualberatung (Wildwasser/Pro Familia)
Polizei
Staatsanwaltschaft
Gericht
Forensik
Gewaltprävention
Südhessen / Netzwerk
gegen Gewalt
:: Historische Betrachtung
Interministerielles Gewaltpräventionsprojekt
der Hessischen Landesregierung 2002
gegründet/seit 2003 aktiv getragen von der
Hessischen Staatskanzlei und vier Ministerien:
:
:
:
:
Hessisches Ministerium des Innern
und für Sport
Hessisches Kultusministerium
Hessisches Ministerium der Justiz,
für Integration und Europa
Hessisches Sozialministerium
sowie dem Landespräventionsrat Hessen.
Landesweite Arbeit im Wesentlichen von
Fachtagungen (regional und landesweit)
geprägt/zentral zu steuernde Projekte.
:: Landtagsbeschluss 2008
Alle Fraktionen im Hessischen Landtag haben
den gemeinsamen Beschluss gefasst:
Gewaltprävention muss bei der Bekämpfung
von Gewaltkriminalität Schwerpunkt sein
und das Netzwerk gegen Gewalt soll gestärkt
werden.
:: Vernetzung Warum?
:
Tanja Tandler
Projektleitung
Nieder-Ramstädter Diakonie
:
Christine Klein
Geschäftsführerin
Netzwerk gegen Gewalt
Regionale Geschäftsstelle Südhessen
:
Rollenklarheit und Akzeptanz der fachlichen
Positionen und anderer Bindungen sind
Grundbedingungen. Konsensprinzip!
Staatliche Initiativen zur Prävention sollten
abgestimmt erfolgen, um Ressourcen
zu schonen und nicht gegeneinander zu
arbeiten.
Der Staat kann nicht alles! Private Initiativen
schonen staatliche Ressourcen und nutzen
gesellschaftliches Engagement.
AG III: Netzwerk gegen Gewalt / Gewaltprävention / Qualifizierung zur Präventionsfachkraft
61
:: Arbeitsebenen und
Struktur der Zusammenarbeit
Lenkungsgruppe
:: Landesweite Programme und
Themen Präventionsatlas Hessen
Strategie und Verbindung in die Ministerien:
:
:
:
:
:
Hessisches Ministerium des Innern und
für Sport (HMdIS)
Hessisches Ministerium der Justiz,
für Integration und Europa (HMdJ)
Hessisches Sozialministerium (HSM)
Hessisches Kultusministerium (HKM)
Präventionsatlas
:: Aufgaben der Regionalen
Geschäftsstellen
Was heißt das konkret?
:
in monatlichen Kontakt zu dem Netzwerk mit
den Geschäftsstellen.
:: Zentrale Geschäftsstelle mit Sitz im
Innenministerium Geschäftsführung
:
:
:
Vertreterin HKM (Frau Schmidt)
Vertreter HMdIS (Herr Weller)
Mitarbeiterin (Frau Gertraud Humbrock)
:
:
Aufgaben
:
:
:
Operative Arbeit auf landesweiter Ebene
Fachaufsicht und Steuerung der Regionalen
Geschäftsstellen
Zentrales Budget des Netzwerks und der
Programme
:: Aufgaben der Regionalen
Geschäftsstellen
Regionale Geschäftsstelle Südhessen Sitz
in Darmstadt
Operative Arbeit auf regionaler Ebene
:
:
:
:
62
Vernetzung und Unterstützung regionaler
Projekte
Umsetzung landesweiter Programme
Regionale Schwerpunkte
oder spezielle Schwerpunktsetzungen
Arbeitsgruppen
Übersicht von ca. 150 Präventionsprojekten
in Hessen auf der Homepage des Netzwerks
:
Kontaktaufnahme, Vorstellen des Netzwerks
und der Regionalen Geschäftsstelle bei
Schul-, Jugendämtern, Drogenberatungsstellen, Kommunen, Ordnungsämtern,
Präventionsräten, Verantwortlichen von
Präventionsprogrammen…
Fachgespräche, Fachtagungen, Seminare…
Sammeln und Bündeln von Informationen
zum Thema Gewaltprävention (Präventionsatlas), Veranstaltungstermine
(Veranstaltungskalender)
Initiieren und Teilnahme an Arbeitskreisen,
Initialen zum Thema Gewalt, Präventionsgremien, Runde Tische…
LK Kassel
LK Waldeck-Frankenberg
LK Werra-Meißner
LK Schwalm-Eder
LK Hersfeld-Rotenburg
LK Marburg-Biedenkopf
LK Lahn-Dill
LK Vogelsberg
LK Fulda
LK LimburgWeilburg
LK Gießen
LK Wetterau
LK RheingauTaunus
Stadt
Wiesbaden
LK MainTaunus
LK Hoch-Taunus
LK Main-Kinzig
Stadt Frankfurt
LK Offenbach
Stadt Darmstadt
LK Groß-Gerau
LK Bergstraße
LK Darmstadt-Dieburg
LK Odenwald
AG III: Netzwerk gegen Gewalt / Gewaltprävention / Qualifizierung zur Präventionsfachkraft
63
:: NRD (Nieder-Ramstädter-Diakonie)
– internes Projekt:
Begleitmaßnahmen für Menschen
mit geistiger Behinderung und
Straffälligkeit in der NRD
Ziele:
:
:
:
:
:
:
Ist-Analyse und Definition zu strafrechtlich
relevantem Verhalten in der NRD durchführen und dokumentieren
das bisherige Unterstützungsangebot
erheben
Grundsätze im Umgang mit dem Personenkreis und deren Opfer entwickeln.
Handlungskonzept (= Sofortmaßnahmen)
für den Fall einer Straftat
Gespräch-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für Menschen mit straffälligem
Verhalten und geistigen Behinderungen und
deren „Opfer“ sowie deren Betreuer
ebenso die Präventionsangebote schaffen.
:: Pilotprojekt Südhessen Vernetzung
Gewaltprävention bei geistig- und lernbehinderten Kindern, Jugendlichen und (jungen)
Erwachsenen im Bereich der Regionalen
Geschäftsstelle Südhessen (Landkreise GroßGerau, Darmstadt-Dieburg, Bergstraße, der
Odenwaldkreis und die Stadt Darmstadt)
Ziele:
:
:
:
Netzwerk bilden zwischen den Institutionen,
Organisationen, Vereinen pp, die von der
Thematik betroffen sind
oder durch die Umsetzung der UN-Konventionen betroffen sein werden
Übergreifendes Gewaltpräventionskonzept
für geistig- und lernbehinderte Menschen,
insbesondere Kinder, Jugendliche und
(junge) Erwachsene, das auf Nachhaltigkeit
ausgelegt ist.
Vorgehensweise:
:
:
64
andere Einrichtung der Behindertenhilfe
befragt
abgeprüft, ob unsere Sichtweise die
Richtige ist
Arbeitsgruppen
:
:
:
:
:
Fragebogen erstellt zur Delinquenz Opfer
und Täter orientiert
bisheriger Umgang
Schulen, Einrichtungen angeschrieben
Anfrage nach Interesse an Rundem Tisch
Rücklauf
Was wollen wir mit dem Runden Tisch?
:
:
:
:
:
:
:
:
alle Beteiligten zusammenführen
Erfahrungsaustausch
Sensibilisierung in der Sache
Externe Fach- und Beratungsstellen
einbeziehen
Systematik in Fallbearbeitung bringen
Fachlichkeit bilden
Präventionskonzepte entwickeln, einführen
und austauschen
Ressourcen optimieren…
Runder Tisch
Wen brauchen wir an „unserem“ Runden Tisch?
:
:
:
:
:
:
:
:
Staatsanwaltschaft, Gerichte, Rechtsanwälte
Polizei
Schule, Schulaufsichtsbehörden
Behinderteneinrichtungen
Beratungsstellen
Menschen mit Behinderung
Forensik und forensische Fachambulanz
und und und…
Ist-Stand:
:
Konstituierende Sitzung
Runder Tisch am 29. Oktober 2010
fortlaufende Sitzungen!
Christine Klein
Geschäftsführerin
Netzwerk gegen Gewalt
Regionale Geschäftsstelle Südhessen
Tanja Tandler
Projektleitung
Nieder-Ramstädter Diakonie
:: Anregungen zu dem Pilotprojekt
aus der AG III – „Gewaltprävention
bei geistig- und lernbehinderten
Kindern, Jugendlichen und (jungen)
Erwachsenen im Bereich der Regionalen Geschäftsstelle Südhessen“
1) Abgrenzung von „Delinquenz“ und
„niederschwelligem übergriffigem Verhalten“
a) wann strafrechtliche Relevanz,
b) wann eher pädagogisches Thema,
c) Abgrenzung Pädagogik/Psychiatrie/
Forensik;
d) wer ist wann zuständig,
e) Handlungsempfehlungen
2) Projektbeschreibung und Entwicklung
ins Internet stellen
3) Sollte man keine Einladung zum Runden
Tischen erhalten haben, gibt es die Möglichkeit später daran teilzunehmen oder sich
anzumelden?
4) Kriterien erarbeiten zur Feststellung der Einvernehmlichkeit bei sexuellen Handlungen
vor allem bei Menschen mit eher schwerer
Intelligenzminderung
5) „Täter“-Begleitung bei Menschen mit
mittelschwerer bzw. eher schwerer geistigen
Behinderung
6) Fachleute von der Forschung/Hochschulen
zum Thema „Behinderung und Gewalt“
7) Einbezug von Heimbeiräten und
Werkstatträten
8) Einbezug von Frauenhäusern
Gewaltprävention /
Qualifizierung zur
Präventionsfachkraft
:: Anlage zur AG III – Qualifizierung zur
Präventionsfachkraft gegen sexuelle
Gewalt in der Behindertenhilfe
(ausführlich im Anhang)
Zielgruppe
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wohnhäusern und Werkstätten für Menschen mit
Behinderung und Förderschulen
Inhalt
Menschen mit geistiger Behinderung sind
besonders gefährdet, Opfer sexueller Grenzüberschreitungen und Gewaltanwendungen
zu werden. Das Seminar befähigt Sie, präventive Angebote in Ihrer Einrichtung zu implementieren. Gleichzeitig steigern Sie Ihre Handlungssicherheit im Umgang mit Verdacht oder
bestätigtem Verdacht. Das Seminar findet statt
im Rahmen des Projektes „Netzwerk gegen
Gewalt und sexuellen Missbrauch an Menschen
mit Lern- oder geistiger Behinderung – Prävention und Beratung“ des Caritasverbandes für
das Erzbistum Paderborn e. V. Die Abschnitte
können nicht einzeln gebucht werden.
Abschnitt 1
:
:
:
:
Normen, Werte und Haltung
Was behindert Sexualität?
Sexualaufklärung – was, wie und warum?
Sexualfreundlichkeit – aber wie?
AG III: Netzwerk gegen Gewalt / Gewaltprävention / Qualifizierung zur Präventionsfachkraft
65
Abschnitt 2
Referenten
:
:
:
Alice Schikowski, Meinwerk-Institut
:
:
Sexuelle Übergriffe: Daten und Fakten
Pädagogische Konsequenzen
Grundlagen und Möglichkeiten
von Prävention
Was tun bei Verdacht?
Wege und Möglichkeiten der
Öffentlichkeitsarbeit
Abschnitt 3
:
:
:
:
:
:
:
Beratung von Menschen mit Behinderung
nach sexualisierter Gewalt
Einführung in das Konzept der
„leichten Sprache“
Multisinnliche Beratung/
Medien und Materialien
Fragen und Antworten/Psychohygiene
Einführung in das Konzept der kollegialen
Beratung
Menschen mit Behinderung als „Opfer“
Menschen mit Behinderung als „Täter“
Abschnitt 4
:
:
:
:
:
:
:
:
Einführung in die Balanced Scorecard
„Vision“ und „Mission“
Strategische Ziele für die Perspektiven
Finanzen, Kunden, Prozesse und Mitarbeiter
Erfolgsfaktoren und deren Messung
Festlegen von Zielgrößen und –werten
Maßnahmen, Aktionen, Projekte
Nachhaltigkeit
Christiane Meier, Sexualpädagogin,
Sozialmanagement, Wohnstättenleiterin
Maria Gies, Dipl. Kunsttherapeutin,
Sexualpädagogin
Michael Mendelin, Dipl.-Theologe,
Master of Organizational Psychology
Koordination
Astrid Schäfers, DiCV Paderborn
Alice Schikowski, Meinwerk-Institut
Diese Fortbildung wird in Zusammenarbeit mit dem Meinwerk-Institut in
Paderborn angeboten.
Anmeldung
Meinwerk-Institut
IN VIA Akademie
Giersmauer 35
33098 Paderborn
E-Mail: [email protected]
Fortbildung in vier Blöcken
in 2010 jeweils an 2 Tagen
Ort
Meinwerk-Institut, IN VIA Akademie
Teilnehmer/innenzahl
20 Personen
Kosten
960,00 € (im Jahr 2010)
66
Arbeitsgruppen
AG III: Netzwerk gegen Gewalt / Gewaltprävention / Qualifizierung zur Präventionsfachkraft
67
AG IV:
Stärkende und
gewaltpräventive
Angebote
in der Schule –
Praxisbeispiele
68
Arbeitsgruppen
:: Einführung/Grundlagen
Schule ist ein komplexes System, in dem soziales Lernen und Sozialerziehung vom ersten
Schultag an im Mittelpunkt stehen und wesentlicher Bestandteil des Schulalltags über die
gesamte Schulzeit hinweg sind.
Förderschulen arbeiten mit einem sehr individuellen Ansatz. Stärkung der Persönlichkeit, ein
Hinführen zu einem größtmöglichen Maß an
Selbstbestimmung ist immer Ziel der Schule in
jeder Altersstufe. Selbstbestimmung unterbindet Fremdbestimmung und wirkt daher präventiv. Stärkende Arbeit hat somit ihren Platz in
jeder unterrichtlichen Arbeit, aber meist keinen
fest verankerten Platz als Angebot im Stundenplan!
Begreift man Gewaltprävention als pädagogische Aufgabe, ist deren langfristiges Ziel, durch
Beeinflussung von Einstellungs- und Verhaltensstrukturen Voraussetzungen zu schaffen, so dass
es nicht zu gewalttätigem bzw. grenzübergreifendem Verhalten kommt. Neben gewaltfreien
Konfliktlösungsstrategien sollen die Schüler/
Schülerinnen lernen, grenzüberschreitende
Situationen als solche zu erkennen und sich in
diesen Situationen richtig zu verhalten. Es sollen
Kompetenzen vermittelt werden, die eine Erweiterung des Selbstbewusstseins ermöglichen, die
Entwicklung von Identität und Selbstwertgefühl
unterstützen und fördern. Ein solches Angebot
sollte konzeptionell verankert werden.
Dabei muss schulische Prävention auf drei
Ebenen ansetzen:
:
:
:
bei den Schülerinnen und Schülern
bei den schulischen Fachkräften
bei den Eltern
:: Praxisbeispiel
Gestaltung des gewaltpräventiven Angebots
in der Wartbergschule, Friedberg: Kurzporträt
der Schule, Informationen zur Entwicklung des
bisherigen Konzeptes:
Die Wartbergschule ist eine Förderschule für
Praktisch Bildbare mit Abteilung für praktisch
bildbare Körperbehinderte. Derzeit besuchen
82 Schülerinnen und Schüler die Wartbergschule. Sie werden in 12 Klassen unterrichtet
und sind zwischen 6 und 19 Jahre alt. Es besuchen deutlich mehr Jungen bzw. junge Männer
die Wartbergschule, ca. 65 % der Schülerschaft
ist männlich. Es arbeiten ca. 50 Personen in
der Wartbergschule, davon sind 33 Personen
pädagogisches Personal. Die Wartbergschule ist
gebundene Ganztagsschule mit einem Unterrichtsangebot von 36 Wochenstunden, d. h. an
drei Nachmittagen findet Unterricht statt.
Aufgrund einer Zunahme der Gewaltsituationen/Grenzüberschreitungen aus verschiedenen
Gründen (z. B. stark gestiegene Schülerzahlen
bei gleich gebliebenem Raumangebot) vor ca.
6 Jahren wurde ein dringender Handlungsbedarf zur Implementierung gewaltpräventiver
Angebote an der Wartbergschule gesehen.
Äußere Maßnahmen, wie z. B. Verstärkung der
Aufsichten, konnten nur kurzfristige Abhilfe
schaffen. In einem über mehrere Jahre laufenden Prozess wurden verschiedene feste Angebote installiert, wobei als erstes Angebot ein
regelmäßiges geschlechtsspezifisches Angebot
für die Mädchen und jungen Frauen geschaffen
wurde (s. u.). Da Menschen mit einer geistigen
oder Lernbehinderung, und innerhalb dieser
Gruppe die Mädchen und Frauen, besonders
gefährdet sind, Opfer von Grenzüberschreitungen zu werden, wurde auch in der Wartbergschule der Fokus zunächst auf die Gruppe der
Schülerinnen gelegt. Das Angebot der „Mädchen- bzw. Frauengruppe“ besteht fortlaufend
seit 2004.
:: Schulische Prävention auf der Ebene
der Schülerinnen und Schüler
Regelmäßiges geschlechtsspezifisches Angebot in der Schule: einmal in der Woche eine
Unterrichtsstunde „Mädchen-/Frauengruppe
sowie Jungengruppe/Männerrunde“, welche
fest im Stundenplan verankert und als freiwilliges Angebot konzipiert ist. Diese Stunde dient
als Gesprächs-, Austauschs-, Beratungs- und
Übungsforum, es herrscht eine vertrauensvolle
Atmosphäre. Die Teilnahme sowie das
Mitmachen der Übungen sind freiwillig.
AG IV: Stärkende und gewaltpräventive Angebote in der Schule – Praxisbeispiele
69
Die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler
bestimmen vorrangig die Inhalte dieser Gruppen. So wird beispielsweise am Anfang jeder
Gruppenstunde besprochen wie sich jede/r
Einzelne fühlt und wenn Bedarf besteht über aktuelle Themen, Befindlichkeiten, Probleme o. ä.
gesprochen. Dabei ist wichtig, dass allen klar
ist, dass das, was in dieser Runde besprochen
wird, nicht nach außen getragen wird. Übungen
aus der stärkenden Arbeit sind inzwischen fester
Bestandteil der Gruppen. Die in den externen
Trainings gelernten Inhalte werden hier aufgegriffen und geübt, damit sich diese Kompetenzen festigen können! Schülerinnen und Schüler,
die noch kein Training absolviert haben, erhalten hier eine Einführung in die stärkende Arbeit.
Die Angebote werden von einem/einer Förderschullehrer/Förderschullehrerin geleitet, welche
in der Konzeptgruppe „Gewaltprävention“ (s. u.)
mitarbeiten und auch die externen Trainings
(s. u.) begleiten.
In der Arbeitsgruppe wurden die Bezeichnungen „Mädchengruppe“ bzw. „Männerrunde“ für
die verschiedenen Altersstufen kritisch gesehen.
Für die älteren Schüler/Schülerinnen sollte der
Begriff „Frauengruppe“ genannt werden, bzw.
bei altersgemischten Gruppen beide Begriffe.
Desweiteren sollte nicht pauschal der Begriff
„Männerrunde“ für die jüngeren Schüler genutzt
werden, hier wäre „Jungengruppe oder -runde“
passender. In der obigen Beschreibung wurde
diese Anregung bereits mit aufgenommen.
Selbstbehauptungskurse durch Trainer/Trainerin von außen („Experte/Expertin“): Derzeit
arbeitet die Wartbergschule mit der AG Freizeit,
Marburg zusammen, deren Trainings auf Menschen mit einer geistigen Behinderung ausgerichtet sind. Die Selbstbehauptungskurse werden mit fester Gruppenzusammensetzung an
zwei aufeinanderfolgenden langen Unterrichtstagen während der Unterrichtszeit angeboten
(8.20-14.30 Uhr). Dabei ist die Gruppe den
gesamten Unterrichtstag zusammen, frühstückt
und isst zusammen zu Mittag und legt die benötigten Pausen individuell fest. Als Raum dient
die schuleigene Bewegungshalle. Die Kurse
sind geschlechtsspezifisch konzipiert, getrennt
nach Jungen/jungen Männern und Mädchen/
70
Arbeitsgruppen
jungen Frauen und altersadäquat angepasst,
Beginn ca. 5. Schulbesuchsjahr, d. h. 10 bis 14
Jahre, sowie 15 bis 19 Jahre, was den Schulstufen der Schule für Praktisch Bildbare entspricht.
Eine geschlechtsspezifische Trennung erscheint
erfahrungsgemäß sehr sinnvoll, da die Übungen
zwar die gleiche Intention verfolgen, jedoch bei
Jungen/jungen Männern bzw. Mädchen/jungen
Frauen eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung erfordern. Bei den Kursen mit männlichen
Teilnehmern liegt ein deutlicher Schwerpunkt
auf dem „Sich üben in fairen Auseinandersetzungen“ sowie „Entspannungsübungen“. Dies
fällt Teilnehmern erfahrungsgemäß schwerer
als Teilnehmerinnen. In den meisten Gruppen
ist eine deutliche Konkurrenz unter den männlichen Teilnehmern spürbar. Das Konzept für
die Selbstbehauptungstrainings für Jungen/
Männer der AG Freizeit befindet sich noch in
einem Entwicklungsprozess, so dass noch keine
schriftlichen Ausarbeitungen dazu vorliegen. Ein
großer Teil der Übungen ist denen des Trainings
der Mädchen/Frauen sehr ähnlich bzw. zum Teil
auch identisch.
Alle Trainings sind so konzipiert, dass möglichst
alle Schüler/Schülerinnen unabhängig von Art
und Schwere der Behinderung teilnehmen
können. Sie werden von Förderschullehrer/
Förderschullehrerinnen begleitet, welche auch
im Vorfeld die Kurse mit dem externen Anbieter
organisieren. Dieses Vorgehen hat sich sehr
bewährt, da man zum einen die Arbeit in den
Trainings unterstützen kann und auch viele Anregungen erhält, welche in die stärkende Arbeit
im Unterrichtsalltag bzw. in den „Mädchen/Frauengruppen“ bzw. „Jungengruppen/Männerrunden“ mit einfließen können und dort auch
weiter geübt werden können. Diese Übungssituationen zu schaffen ist äußerst wichtig für die
Nachhaltigkeit des Angebotes.
Das Konzept „Gewaltprävention“ sieht vor, dass
die Kurse die Schüler/Schülerinnen regelmäßig
alle zwei Jahre erreichen. Zurzeit befinden wir
uns im 3. Jahr der Durchführung dieser externen Trainings. Die Kurse sind für die Eltern
kostenneutral und werden zur Zeit über ein zur
Verfügung stehendes Budget „Schulsozialarbeit“ des Schulträgers finanziert. Da es sich aber
um eine freiwillige soziale Leistung des Kreises
handelt, ist nicht sichergestellt, dass dies in den
nächsten Jahren auch noch möglich sein wird.
über die Entwicklung des Konzeptes sowie die
Veranstaltungen wird den Eltern in den Sitzungen berichtet.
Stärkende Arbeit ist im Unterrichtsalltag integriert (s. o.), hat außerdem seinen Platz in besonderen Projekten: Sexualerziehung!, aber z. B.
auch bei der Schülervertretung, der Theater-AG,
der Schulband, im Sportunterricht, der Schulfußballmannschaft…
Vor den Selbstbehauptungskursen gibt es
immer eine ausführliche Elterninformation in
schriftlicher Form von den Trainerinnen und
Trainern.
:: Schulische Prävention auf der Ebene
der schulischen Fachkräfte
Es fanden in den vergangenen Jahren mehrere
Pädagogische Tage zum Thema „Gewaltprävention“, „Umgang mit aggressivem Verhalten“ und
ähnlichen Schwerpunktsetzungen statt. Desweiteren haben einzelne Kolleg/-innen Fortbildungen zu diesem Thema besucht.
Seit 2009 hat sich eine Konzeptgruppe „Gewaltprävention“ gebildet, die aus Mitgliedern
der erweiterten Schulleitung und des Kollegiums besteht. Über die Konzeptarbeit wird
regelmäßig in den Gesamtkonferenzen berichtet. Aufgabe der Konzeptgruppe ist neben der
Organisation der Trainings, der Begleitung der
Trainings sowie des regelmäßigen geschlechtsspezifischen Angebotes, eine mittelfristige
Zielformulierung.
Im vergangenen Schuljahr wurde das Konzept
„Gewaltprävention“ im Schulprogramm verankert, somit sind die „Stärkende Arbeit“, sowie
die „Gewaltprävention“ von allen schulischen
Gremien verbindlich festgelegt. Die Schulleitung tauscht sich mit der Konzeptgruppe regelmäßig aus und ist für die Beantragung der
finanziellen Ressourcen für die Trainings zuständig. Desweiteren steht sie im Austausch mit den
Elternvertreter/Elternvertreterinnen auf den
Elternbeiratssitzungen.
:: Schulische Prävention auf der Ebene
der Eltern
Das Anliegen, gewaltpräventive Angebote
in der Schule zu implementieren, wurde den
Eltern bereits 2004 von der Schulleitung in
einer Elternbeiratssitzung erläutert und von den
Elternvertreter/Elternvertreterinnen begrüßt,
Im vergangenen Schuljahr fand erstmals ein
Informationsabend zum Konzept und Hintergrund der Selbstbehauptungskurse durch die
externen Trainer/Trainerinnen und zur Entwicklung des Konzeptes „Gewaltprävention“ in der
Wartbergschule statt.
Desweiteren erhalten die Schüler/Schülerinnen
nach den Kursen Fotos, so dass sie ihren Eltern
anschaulich berichten können. Durch Berichte
auf Elternabenden bzw. Elternbeiratssitzungen
werden die Eltern umfassend informiert, die
Konzeptverankerung im Schulprogramm wird
von den Elterngremien mitgetragen.
In der Arbeitsgruppe wurde andiskutiert, ob
man die Eltern nicht an den Kursen selbst
beteiligen sollte, sie dort einbeziehen sollte. So
könnte man auch dieser Gruppe die stärkende
Arbeit näher bringen, um sie in den Alltag mit
einfließen zu lassen. Dieses sollte jedoch in speziellen Veranstaltungen nur für Eltern erfolgen,
da die jungen Menschen durch die Anwesenheit ihrer Eltern oder auch die Eltern anderer
Schüler/Schülerinnen verunsichert werden
könnten. Die Übungen könnten in keinem Fall
ungezwungen ablaufen.
:: Ausblick
Die Wartbergschule ist dabei ihr Konzept
„Sexualerziehung“ zu überarbeiten und dabei
soll eine weitere Vernetzung mit dem Konzept
„Gewaltprävention“ stattfinden. Desweiteren ist
eine Fortbildung für das Gesamtkollegium zum
Thema „Stärkende Arbeit“ ggf. in Form eines
Pädagogischen Tages in Planung.
Susanne Zobel-Unruh
Stellvertretende Schulleiterin
der Wartbergschule Friedberg
AG IV: Stärkende und gewaltpräventive Angebote in der Schule – Praxisbeispiele
71
Schlusswort
Liane Grewers
Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere Tagung geht zu Ende.
Wir haben uns mit einem sehr sensiblen Thema befasst, das sehr unter die Haut
gehen kann.
Trotz der großen Anzahl der Teilnehmer/innen ist es uns gelungen – soweit ich es
beobachten konnte – einen intensiven Austausch zwischen den Vortragenden und
den Teilnehmenden zu erreichen. Ich hoffe, alle Beteiligten haben etwas zugelernt,
können ein Stück für ihre Praxisarbeit mitnehmen und hier schon als Multiplikatoren wirken, das heißt, an ihren Arbeitsstellen Kolleginnen und Kollegen, aber auch
Einrichtungsleitungen von den Inhalten der Tagung berichten und in ein Gespräch
kommen. Ich wünsche mir, dass Sie – wie ich – die Tagung in der Hoffnung verlassen: das wir mittel- bis langfristig das gemeinsame Ziel verwirklichen können:
sexuelle Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen in Zukunft zu
reduzieren und am besten ganz zu verhindern.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen haben uns auf wichtige Dinge aufmerksam
gemacht, worauf in Zukunft geachtet werden muss, welche Maßnahmen ergriffen
werden sollten oder müssen, damit Gewaltprävention wirkt.
Es wurde aufgezeigt, dass es notwendig ist, die Rahmenbedingungen in den
Einrichtungen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wir haben erkannt, dass wir uns dafür einsetzen müssen, dass die räumlichen und
personellen Ausstattungen so vorhanden sind, dass sexuelle Übergriffe am besten
gar nicht auftreten.
Wir wünschen uns, dass eine allgemeine Kultur des Hinschauens und Ansprechens
entsteht, dass Menschen mit Behinderung besser über ihren Körper und das, was
verboten und was erlaubt ist, Bescheid wissen, dass sie in ihrem Selbstwertgefühl
und Selbstbewusstsein gestärkt werden, dass Freiräume bestehen, in denen sie
eine unbehinderte Sexualität ausüben können, dass sexuelle Übergriffe schneller
erkannt werden und dass angemessene Angebote zur Unterstützung, Hilfe und
Beratung vorhanden sind.
72
Schlusswort
:: Ausblick:
Wir werden nun mit den Kooperationspartnern die Tagungsergebnisse auswerten
und die nächsten Schritte gemeinsam überlegen. Wir hoffen dabei auf die Unterstützung der hier vertretenen unterschiedlichen Institutionen. Möglicherweise
werden wir zu den einzelnen Projekten zielgerichtet einige der interessierten
Teilnehmer/innen um Mitarbeit bitten.
Konkret ist für 2011 geplant, Arbeitsgespräche mit betroffenen Einrichtungen zu
führen um Mustertexte für Dienstvereinbarungen und Hausordnungen für alle
Werkstätten und Wohneinrichtungen zu entwickeln.
Diese könnten dann Schritt für Schritt von den einzelnen Einrichtungen im Wege
der Selbstverpflichtung übernommen werden. Dabei wollen wir uns inhaltlich auf
die Ergebnisse der heutigen Tagung stützen.
Wir wollen aber auch die Zusammenarbeit mit dem HKM und den Schulen in Fragen der Gewaltprävention weiter verstärken und in eine stärkere Zusammenarbeit
mit dem Hessischen Netzwerk gegen Gewalt sowie der Hessischen Heimaufsicht
einsteigen.
Es wird eine Dokumentation dieser Tagung geben.
Ich möchte mich bei allen Beteiligten für ihr gutes Durchhaltevermögen und ihr
Engagement bei unserem Thema bedanken. Ich bin sehr froh, dass so viele Menschen Interesse an unserem Thema haben. So hoffe ich auch auf weitere gegenseitige Unterstützung.
Einen ganz besonderer Dank richte ich auch an alle Kooperationspartner und Vortragenden, die mit ihren Beiträgen den Inhalt der Tagung erst ermöglicht haben.
Nicht vergessen möchte ich, auch in der Öffentlichkeit, meiner Mitarbeiterin Frau
Andrä-Rudel für ihren hohen Arbeitseinsatz und die sehr gute Vorbereitungsarbeit
für die heutige Tagung herzlich zu danken.
Ich wünsche Ihnen allen einen guten Weg nach Hause und ein schönes
Wochenende.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Liane Grewers
73
Presseinformation
des Hessischen Sozialministeriums
74
Anhang
Anhang
75
Aspekte der Gewaltprävention
:
Fortbildungsangebote für Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen der Einrichtungen für Menschen
mit Behinderungen im Umgang mit sexueller
Gewalt
:
Einbindung des Themas in die Ausbildung
von Erziehern/Erzieherinnen, Integrationshelfern, Lehrer/Lehrerinnen, Sozialarbeiter/
Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen
:
Hausordnungen für Schulen und Einrichtungen der Behindertenhilfe, die Verhaltensregeln in Bezug auf die Vermeidung sexueller
Gewalt enthalten, aber auch Maßnahmen
enthalten, die einzuhalten sind, wenn sexuelle Gewalt eingetreten ist;
:
frühzeitige Beweissicherung z. B. verschmutzte Kleidung mit DNS-Spuren des Täters/der Täterin in Plastiktüten aufbewahren
:
bei ausreichendem Verdacht: frühzeitige
Information der Staatsanwaltschaft, damit
für die Ermittlungen Verjährung unterbrochen werden kann
:
Einrichtung eines Beschwerdemanagements
für Betroffene, Angehörige, rechtliche
Betreuer, Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen –
Gewaltpräventionsbeauftragter – ggf. besser
extern; klare Strukturen für Verantwortlichkeiten
:
externe Beratungsstellen
:
Einbeziehung des Umfelds der Betroffenen
:
Aufbau oder Ausbau von Netzen von regionalen Beratungsstellen und Hilfeangeboten,
Notruftelefonnummern
:
Informationsveranstaltungen für Kinder,
Jugendliche, Erwachsene, für Eltern, Angehörige, Betreuer – Einbeziehung des
Umfeldes
:
Informationsflyer in einfacher Sprache und
schwerer Sprache, CDs für Blinde, Angebote
für Hörbehinderte (vgl. Berlin)
:
Zusammenarbeit mit Polizei und
Staatsanwaltschaft
:
:
Generelle Leitlinie zur Verhinderung von
sexueller Gewalt
:
Sensibilisierung aller zur verbesserten Wahrnehmung hinsichtlich von fragwürdigem
Verhalten, ersten äußeren Anzeichen von
sexueller Gewalt
:
:
:
76
Dienstvereinbarungen zwischen den Interessensvertretungen von Menschen mit Behinderung, Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen und
Leitungspersonal – mit Regelungen entsprechend er Hausordnungen
verstärkte Sexualaufklärung, Aufklärung
über den eigenen Körper, über eigene
Rechte, was ist erlaubt, was verboten (z. B.
mich darf niemand gegen meinen Willen
anfassen oder fotografieren, „petzen“ ist
kein Verrat; vor allem in der Schule
Stärkung von Handlungskompetenzen für
Schülerinnen und Schüler mit Behinderung,
z. B. durch Selbstbehauptungstraining, durch
Training zur Stärkung des Selbstbewusstseins und des Selbstwertgefühls, Erlernen
von Möglichkeiten zur Selbstverteidigung,
Respektieren der Grenzen anderer Personen
ausreichender organisatorischer und personeller Schutz der Intim- und Privatsphäre
Anhang
Fortbildung Präventionsfachkraft
Anhang
77
78
Anhang
Anhang
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80
Anhang
Anhang
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82
Anhang
Julia Zinsmeister:
Gewaltschutz in sozialen Einrichtungen für Frauen mit Behinderung
Anhang
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Anhang
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Anhang
Anhang
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Anhang
Anhang
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90
Anhang
Anhang
91
92
Anhang
Literaturliste –
Netzwerk behinderter Frauen
Literatur sowie Materialien zum Einsatz im
Unterricht aber auch in Mädchen-/Frauen- oder
Jungen-/Männergruppen zum Thema: Gewaltprävention, Verhinderung von sexueller Gewalt
in Förderschulen:
Maike Gerdtz: Auch wir dürfen NEIN sagen!
Sexueller Missbrauch von Kindern mit einer
geistigen Behinderung, eine Handreichung
zur Prävention; Universitätsverlag Winter,
Heidelberg 2003
AG Freizeit e. V. (Hrsg.): Selbstbehauptungstraining für Mädchen und Frauen mit geistiger
Behinderung; Ein Handbuch, Neu-Ulm 2005
AG Freizeit e. V. (Hrsg.): Ich will, ich kann, ich
darf! Stärkende Arbeit für Mädchen und Frauen
mit „geistiger Behinderung“ ein Handbuch für
Mitarbeiterinnen aus der Behindertenhilfe;
Marburg 2008; zu beziehen über die AG
Freizeit e. V., www.ag-freizeit.de
Annegret Frank: Rangeln, Regeln, Rücksicht
nehmen; Spiele und Körperübungen für ein
faires Miteinander von Kindern in Kita und
Grundschule; Ökotopia-Verlag Münster, 2010
Gisela Braun, Dorothee Wolters: Das große und
das kleine NEIN, Verlag an der Ruhr, Mühlheim
an der Ruhr 1991 (Bilderbuch)
Gisela Braun, Martina Keller: Ich sag NEIN!,
Arbeitsmaterialien gegen den sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen; Verlag an der
Ruhr, Mühlheim an der Ruhr 2006
D. Kramer, U. Schele, B. Stolzenburg, P. Zeiher:
Prävention – ECHT STARK! Unterrichtsmaterialien
für Förderschulen und Förderzentren zur Prävention von sexuellem Missbrauch; Petze Präventionsbüro, Schleswig Holstein; Kiel, 2007
Ursula Reichling, Dorothee Wolters: Hallo,
wie geht es dir? Gefühle ausdrücken lernen;
Merk- und Sprachspiele, Pantomimen und
Rollenspiele, Set mit Bildkärtchen, Ideenheft
und Kopiervorlagen; Verlag an der Ruhr,
Mühlheim an der Ruhr 1994
VisoDidac Bilderbox: Gewalt; 25 Bildkarten auf
denen 6 verschiedene Geschichten zu Gewaltsituationen dargestellt sind, dazu 11 Textkarten;
K 2 Verlag
Wildwasser Würzburg e. V. (HGi.): Anna ist
richtig wichtig; Ein Bilder- und Vorlesebuch
für Mädchen über sexuelle Gewalt, mit didaktischem Begleitmaterial; mebes & noak; Köln
2007
Susa Apenrade, Miriam Cordes: Ich bin stark,
ich sag laut Nein!; Arena Verlag Würzburg, 2008
(Bilderbuch, in dem verschiedene Situationen
beschrieben werden, mit Entscheidungsfragen
zum Neinsagen üben)
Tina sagt Nein! Tim sagt NEIN! Eine Broschüre
für Mädchen und Jungen mit besonderem Förderbedarf zur Prävention sexualisierter Gewalt;
Eigensinn e. V., Bielefeld 2006 (zu beziehen
über www.eigensinn.org)
Anhang
93
Literaturliste – pro familia Kassel
Sexualität, Liebe und Partnerschaft von
Menschen mit geistiger Behinderung
10. Bosch, Erik: Wir wollen nur euer Bestes!
dgvt Verlag, 2005.
:: Ausgewählte Literatur
11. Walter, Joachim (Hrsg.): Sexualbegleitung
und Sexualassistenz bei Menschen mit Behinderungen. Universitätsverlag Winter, 2008.
1. Behinderte Sexualität – Verhinderte Lust?
Grundrecht auf Sexualität für Menschen mit
Behinderung. AG Spak, 2002.
2. Walter, Joachim: Sexualität bei geistig
behinderten Erwachsenen. Reha-Verlag,1995.
3. Achilles, Ilse: Was macht Ihr Sohn denn da?
Geistige Behinderung und Sexualität.
Reinhardt Ernst, 2005.
4. „Erklär mir Liebe ...“. insieme-Materialien:
Geistige Behinderung, Sexualität und
Zärtlichkeit. Herausgeber: insieme Schweiz.
Aarbergergasse 33, Postfach 6819, 3001 Bern,
Schweiz, Tel.: 031 30050 20,
[email protected], www.insieme.ch
5. „Liebe(r) selbstbestimmt“. Praxisleitfaden für
die psychosoziale Beratung und sexualpädagogische Arbeit für Menschen mit Behinderung.
AWO Arbeiterwohlfahrt, Bundesverband e. V.,
Heinrich-Albertz-Haus, Blücherstr. 62/63,
10961 Berlin, Tel.: 030/26309-0,
[email protected], www.awo.org
13. Fegert, Jörg M. / Müller, Claudia: Sexuelle
Selbstbestimmung und sexuelle Gewalt bei
Menschen mit geistiger Behinderung.
Mebes & Noack, 2001.
14. Fegert, Jörg M., u. a.: Bundesmodellprojekt:
Ich bestimme mein Leben und Sex gehört
dazu... 3 Bände: a) Geschichten für junge
Menschen mit geistiger Behinderung,
b) Begleitband für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wohneinrichtungen und für Eltern,
c) Kurzfassung des Forschungsberichts zum
Modellprojekt. Infos und Bestellung bei
[email protected].
15. Pixa-Kettner, Ursula: Tabu oder Normalität?
Eltern mit geistiger Behinderung und ihre
Kinder. Universitätsverlag Winter, 2008.
6. Bundesvereinigung Lebenshilfe für
Menschen mit geistiger Behinderung (Hrsg.):
Sexualpädagogische Materialien für die Arbeit
mit geistig behinderten Menschen. Belz, 1999.
16. Palmowski, Winfried / Heuwinkel, Matthias:
Normal bin ich nicht behindert! Wirklichkeitskonstruktionen bei Menschen, die behindert
werden. Unterschiede, die Welten machen.
Borgmann, 2000.
7. Bosch, E. / Suykerbuyk, E.: Aufklärung – Die
Kunst der Vermittlung. Methodik der sexuellen
Aufklärung für Menschen mit geistiger Behinderung. Weinheim, Juventa, 2007.
17. pro familia Bundesverband: Sexuelle Assistenz für Frauen und Männer mit Behinderungen.
Expertise.
8. Forum Sexualaufklärung und Familienplanung
2/3 – 2001. Kostenfrei erhältlich unter
[email protected].
9. Fegert, Jörg, u. a.: Ich bestimme mein Leben
und Sex gehört dazu.
Eigenverlag 2007; ISBN- 10: 3-938968-08-7.
94
12. Kowoll, Paula: Sexualpädagogische Konzeptionen in der Behindertenhilfe. Ein Handbuch.
VDM Verlag Dr. Müller, 2007.
Anhang
18. pro familia – Landesverband Hessen.
Dreiteilige Broschürenreihe:
Julia ist eine Frau, Peter ist ein Mann
Julia und Peter entdecken ihre Lust
Julia und Peter werden ein Paar
Bestelladresse: [email protected]
:: Ausgewählte Filme
1. Liebe und so Sachen... - ein Liebesfilm, der
aufklärt und Spaß macht. Aufklärungsfilm mit
pädagogischem Begleitheft, 2009, pro familia
Landesverband Hessen e. V., Palmengartenstraße 14, 60325 Frankfurt am Main,
[email protected]
2. Uneasy Rider – Behindert, Moslem,
Homosexuell – sonst noch Probleme?
Komödie von Jean-Pierre Sinapi, 2008
3. Behinderte Liebe. Filme von und über junge
Behinderte zum Thema Liebe und Sexualität,
2008, Medienprojekt Wuppertal, Hofaue 59,
42103 Wuppertal,
[email protected]
:: Weblinks
1. Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe
für Behinderte
www.bagh.de
2. Bundesverband für Körper- und
Mehrfachbehinderte
www.bvkm.de
4. Bundesvereinigung Lebenshilfe
www.lebenshilfe.de
5. Behindertenbeauftragter der
Bundesregierung
www.behindertenbeauftragter.de
6. www.familien-besonderer-kinder.de
7. INTAKT – Information und Kontakte
für Eltern von Kindern mit Behinderung
www.intakt.info
8. Freundeskreis für Menschen mit
Handicap e. V.
www.handicap-netzwerk.de
9. www.ohrenkuss.de
10. www.schatzkiste-partnervermittlung.eu
11. www.handycap-love.de
PAOMI®-AufklärungskissenPAOMI®- Modelle
(von Gebärmutter, Penis, Vulva, Vagina und
Hymen)
Doris & H. W. Kupfer GbR, Knetzbergstraße 18,
97422 Schweinfurt, Telefon (09721) 47 60 08 7,
Telefax (09721) 47 59 99 6,
[email protected], www.paomi.de
3. Bundesverband zur Förderung
Lernbehinderter
www.lernen-foerdern.de
Anhang
95
Impressum
Herausgeber
Hessisches Sozialministerium
Dostojewskistraße 4
65187 Wiesbaden
Tel.: +49 (0) 611 817-0
Fax: +49 (0) 611 809399
www.sozialministerium.hessen.de
Redaktion
Liane Grewers, Sonja Andrä-Rudel,
Susanne Andriessens (verantwortlich)
Gestaltung
ansicht kommunikationsagentur
Haike Boller (verantwortlich), Nora Herz
www.ansicht.com
Produktion
Herbert Ujma
Druck
Pitney Bowes, Rüsselsheim
Hessisches Sozialministerium
in Kooperation mit dem
Hessischen Netzwerk behinderter Frauen
Dokumentation der Fachtagung am 8. Oktober in Wiesbaden
Verhinderung sexueller Gewalt
in Einrichtungen für
Menschen mit Behinderung
Kooperationsveranstaltung
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Hessisches Sozialministerium
Dostojewskistr. 4
65187 Wiesbaden
www.sozialministerium.hessen.de
::
des Hessischen Sozialministeriums,
des Hessischen Kultusministeriums,
des Beauftragten der hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen,
des Hessischen Netzwerks behinderter Frauen,
der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen für behinderte Menschen e. V.
und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen
LAG Werkstätten für behinderte Menschen
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