5 Chirurgie - Thieme Connect

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Frage 453
.......................................
?
Wie kann eine postoperative Darmstimulation nach
chirurgischen Eingriffen ohne Darmanastomose(n)
erfolgen?
! Der beste Weg zur Wiederherstellung einer normalen Darmtätigkeit besteht in der frühzeitigen
enteralen Ernährung. Diese kann bei sedierten
oder kooperationsunfähigen Patienten über eine
liegende Magensonde erfolgen. Eine längerfristige
enterale Ernährung ist besser über eine Jejunalsonde zu erreichen, die mit einer ableitenden Magensonde kombiniert ist, um die Aspirationsgefahr
zu senken (z. B. in Form von Mehrkanal-Ernährungssonden). Die Ableitung von potenziellem
gastralem Reflux ist wegen der Aspirationsgefahr
von besonderer Bedeutung, sollte jedoch so gestaltet werden, dass ein optmaler Abfluss ohne
gleichzeitige „Hebereffekte“ gewährleistet ist.
Dazu eignet sich in der Regel die Aufhängung des
Sammelbeutels in Kopfhöhe. Bei Patienten, die
eine eigenständige enterale Ernährung vornehmen
können, sind keimreduzierte, kohlensäurefreie
Flüssigkeiten zu bevorzugen (z. B. Tee, stilles Wasser). Bei einer verlängerten postoperativen Darmatonie (d. h. mehr als 48 – 72 h) sollte zunächst die
mechanische Volumenreizung des Darmes intensiviert werden. Dazu eignen sich orale Laxanzien
und/oder retrograde Spülungen. Letzteres sollte
vorzugsweise als hoher Hebe-Schwenk-Einlauf erfolgen.
m Cave: Perforationsgefahr bei übertriebener Volumenapplikation.
Deren Effektivität liegt deutlich höher als bei Klistiereinläufen. Die Applikation von Mikroklistieren
ist für die postoperative Darmstimulation ineffektiv und daher abzulehnen. Als orales Stimulans
zeigt Gastrografin häufig eine sehr gute Wirksamkeit. Hierbei kann eine röntgenologische Kontrolle
der Magen-Darm-Passage im Rahmen der erforderlichen Diagnostik einer möglichen mechanisch
bedingten Transportstörung mit der bewussten
Nutzung der Nebenwirkung kombiniert werden.
Bei weiterhin persistierender paralytischer Passagestörung kann am 4.– 5. postoperativen Tag mit
der parasympatikomimetischen Stimulation begonnen werden.
Hierbei ist zu beachten, dass in der postoperativen
Phase aufgrund einer endogenen Katecholaminausschüttung durch perioperativen Stress oder
durch exogene Applikation von Sympatikomime-
tika (z. B. Katecholamine bei Kreislaufdepression)
erhöhte Dosierungen der eingesetzten Medikamente erforderlich sein können. Unter Kreislaufmonitoring sind dabei bis 3-mal täglich Gaben
von Neostigmin in Kombination mit Dexpanthenol
notwendig, wobei diese als Kurzinfusion über
30 – 60 min appliziert werden. Die Wirksamkeit
von Dexpanthenol ist jedoch umstritten. Die Wirkung von Metoclopramid oder anderen Prokinetika ist häufig zur Therapie einer postoperativen
Darmatonie oder bei intensivmedizinischen Patienten nicht ausreichend und sollte daher nur in
der Anfangsphase supportiv eingesetzt werden.
Allerdings sind sie gut geeignet als Kombinationstherapie bei einer gleichzeitig notwendigen antiemetischen Behandlung. Andere Medikamentengruppen, wie z. B. HT5-Rezeptorantagonisten,
sind zur postoperativen Darmstimulation nicht
geeignet. Da das postoperative und bei chirurgisch-intensivmedizinischen Patienten vorkommende Erbrechen meist durch eine gastrointestinale Transportstörung und nicht zentral bedingt
ist (abgesehen von emetischen Effekten einiger
Narkotika unmittelbar postoperativ), sind auch
bei dieser Indikation HT5-Rezeptorantagonisten
selten sinnvoll.
Ceruletid (Takus) ist ein Analogon des gastrointestinalen Hormons Cholecystokinin, das ursprünglich aus der Haut des australischen Laubfroschs
isoliert wurde. Seine Wirkungen entsprechen
denen des physiologisch vorkommenden Hormons mit Steigerung der Kontraktilität der Gallenwege und pankreatischen exokrinen Sekretion,
Stimulation der Darmmotorik und Inhibition der
Magenperistaltik. Der Einsatz bei prolongierter
postoperativer Darmatonie ist sehr wirksam, bei
Eingriffen an den Gallenwegen bzw. Pankreas jedoch sehr kritisch.
Frage 454
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Besonderheiten sind bei der postoperativen
? Welche
Darmstimulation nach chirurgischen Eingriffen mit
Darmanastomose(n) zu beachten?
! Grundsätzlich unterscheidet sich die postoperative Darmstimulation nach Darmeingriffen mit enterischen Anastomosen nicht von der bei anderen
chirurgischen Eingriffen. Es gibt keine evidenzbasierten Hinweise, dass eine mechanische Entlastung des oberen Gastrointestinaltraktes zu einer
verminderten Komplikationsrate von Anastomosen in diesem Bereich führt. Nach einer kurzfristigen perioperativen Schienung, deren Länge jedoch
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Allgemeinchirurgie
5.1 Allgemeinchirurgie
5.1
Chirurgie
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5
gen oder Überdosierungen treten praktisch nicht
auf.
Die wichtigste Gruppe von Medikamenten sind indirekte Parasympathikomimetika, die durch eine
Blockade der Cholinesterase zu einer Erhöhung
von Acetylcholin an den motorischen Endplatten
sowohl der glatten als auch der quergestreiften
Muskulatur und damit einer Steigerung des Muskeltonus führen. Neben der erwünschten Wirkung
auf die Darmmuskulatur wird auch der Tonus der
glatten Muskulatur in den ableitenden Harnwegen
erhöht. Aus dieser Gruppe hat sich weitgehend
Neostigmin durchgesetzt, das als quarternäre Ammoniumverbindung auch die Bluthirnschranke
überwinden kann. Weiterhin kommt auch der direkte Cholinrezeptoragonist Carbachol zum Einsatz. Dessen Nebenwirkungen sind Ausdruck des
erhöhten Parasympathikotonus mit erhöhter Transpiration (bei Flüssigkeitsbilanzierung beachten!),
verstärktem Speichelfluss und Möglichkeit einer
Diarrhö. Bei Herzinsuffizienz, Angina pectoris,
Asthma bronchiale und Hyperthyreose ist die Indikation unter intensivmedizinischem Monitoring
(Gefahr von Vorhof- und Kammerflimmern)
streng zu stellen. Ohne kontinuierliche Überwachung der Herzfrequenz sind Parasympathikomimetika bei diesen Patienten kontraindiziert.
Frage 456
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Effekte hat eine frühe luminale Darmstimu? Welche
lation im perioperativen intensivmedizinischen Bereich?
Frage 455
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welchen Nebenwirkungen muss beim Einsatz von
? Mit
Medikamenten zur Stimulation der Darmmotilität
gerechnet werden?
! Die prokinetisch wirkenden Medikamente (Metoclopramid, Domperidon) wirken über eine Hemmung dopaminerger Funktionen sowohl peripher
als auch zentral und teilweise eine zusätzliche Beeinflussung von Serotoninrezeptoren. Daher stehen zentrale Nebenwirkungen mit Schwindel und
depressiver Stimmungslage im Vordergrund. Da
bei intensivmedizinischen Patienten oft dopaminerge Substanzen (Dopamin, Dobutamin) appliziert
werden, ist in diesen Fällen eine Kombination mit
Prokinetika nicht sinnvoll. Des Weiteren besteht
eine Kontraindikation bei Phäochromozytom.
Panthotensäure ist als Bestandteil von Coenzym A
von fundamentaler Bedeutung für den gesamten
Stoffwechsel. Die Wirksamkeit bei der Darmstimulation in der postoperativen Phase und bei paralytischem Ileus unter hochdosierter parenteraler
Applikation in Form von Dexpanthenol (1000 mg)
ist jedoch umstritten. Spezifische Nebenwirkun-
! Im Bereich der chirurgischen Intensivmedizin
standen bis vor relativ kurzer Zeit die Befürchtungen des Operateurs hinsichtlich der ungestörten
Anastomosenheilung im Vordergrund der Bewertung einer frühen luminalen Darmstimulation.
Dabei wurde und wird postuliert, dass eine luminale Belastung des Darmes bei einer häufig auftretenden postoperativen Darmatonie zu einem
erhöhten Druck im Anastomosenbereich führt,
der eine verminderte Durchblutung und erhöhte
mechanische Belastung der Anastomose mit dadurch bedingter erhöhter Insuffizienzrate nach
sich zieht. Diesen Vorstellungen liegen jedoch
nur wenige evidenzbasierte Untersuchungen zugrunde, sodass in den letzten Jahren ein Umdenken in der perioperativen Intensivmedizin begonnen hat.
Es setzt sich zunehmend die experimentell und
klinisch immer besser belegte Erkenntnis durch,
dass die positiven Effekte einer luminalen Darmstimulation überwiegen. Diese bestehen insbesondere in der Aufrechterhaltung der physiologischen
Funktionen des Darmes. Einerseits führt eine enterale Ernährung unabhängig von der Art und Zu-
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Operative Intensivmedizin
noch individuell sehr unterschiedlich gefordert
wird, wird von vielen Chirurgen heute eine frühe
enterale Flüssigkeitsbelastung angestrebt (möglichst ab 1. postoperativem Tag, teilweise bereits
nach Abklingen der Narkose). Bei einer Applikation von bis zu 300 ml keimreduzierter Flüssigkeit
ist deren Volumeneffekt auf den Gesamtflüssigkeitsgehalt des Darmlumens ohnehin gering und
die positiven Effekte überwiegen deutlich. Eine
weitere Steigerung der enteralen Belastung erfolgt
nach Wiedereinsetzen der normalen Darmtätigkeit.
Bei der Durchführung von Hebe-Schwenk-Einläufen ist dagegen bei kolorektalen Anastomosen Vorsicht geboten. Die hier zum Einsatz kommenden
Flüssigkeitsmengen sind deutlich größer und können zu einem erhöhten intraluminalen Druck führen, der den Berstungsdruck der Anastomose
übersteigt.
Der Einsatz parasympatikomimetischer oder prokinetischer Medikamente unterliegt ebenfalls keinen
besonderen Beschränkungen bei Patienten mit
Darmanastomosen. Die öfter geäußerte Vermutung, dass durch eine zu rasch einsetzende oder
zu rege Darmtätigkeit eine besondere Gefährdung
von Darmanastomosen auftritt, ist weder experimentell noch klinisch evidenzbasiert belegt. Im
Gegenteil kann eine schnelle Wiederaufnahme
der physiologischen Darmtätigkeit eine Reihe von
positiven Effekten hervorrufen, die zu einer verbesserten Gesamtrekonvaleszenz des Patienten
führen.
Frage 457
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Kriterien definieren ein interventionsbedürf? Welche
tiges abdominelles Kompartmentsyndrom?
! Die Bestimmung des intraabdominellen Druckes
erfolgt in der Regel über einliegende Blasenkatheter, die an ein kalibriertes Druckmesssystem (elektronische Drucksonde, Wassersäule) angeschlossen sind. Der normale intraabdominelle Druck
entspricht in etwa dem zentralvenösen Druck
und liegt zwischen 0 – 7 cm H2O. Nach elektiver
Laparotomie kommt es aufgrund der perioperativen Volumengabe, der Flüssigkeitseinlagerungen
im Gewebe und durch physiologische Zytokinausschüttung zu einem leichten Anstieg des intraabdominellen Druckes mit Werten zwischen
5 – 12 cm H2O. Ein darüber hinausgehender Druckanstieg ist als pathologisch anzusehen, was jedoch
nicht zwingend mit einer operativen Interventionsbedürftigkeit einhergeht.
m Erst bei einem Druckanstieg auf Werte über
Frage 458
5.1
20 – 25 cm H2O kommt es zur Ausbildung von Organkomplikationen, die durch eine operative Revision verhindert werden müssen.
Als initiale Parameter treten eine Reduktion der
respiratorischen Funktion bzw. Anstieg des Beatmungsdruckes ⬎ 40 cm H2O auf. Weiterhin kommt
es in der Frühphase bereits zu einer Abnahme der
Urinausscheidung auf ⬎ 0,5 ml/kgKG/h. Bei Persistieren oder weiterem Anstieg des intraabdominellen Druckes kommt es zu weiteren Einschränkungen von Vitalfunktionen, wie z. B. Reduktion der
mesenterialen Durchblutung. Daher sollte bei
einem Druck ⬎ 15 cm H2O ein Blasendruckmonitoring (regelmäßig bzw. kontinuierlich) bis zur
Normalisierung des Druckes und Konsolidierung
der Vitalfunktionen erfolgen. Bei intraabdominellem Druck zwischen 20 – 25 cm H2O besteht die
Indikation zur (Re)laparotomie bei gleichzeitigem
Vorliegen klinischer Symptome. Ein intraabdomineller Druck ⬎ 25 cm H2O stellt eine Indikation
zur dringlichen operativen Entlastung dar.
welche pathophysiologischen Mechanismen
? Durch
wird die klinische Bedeutung des abdominellen Kompartmentsyndroms verursacht?
! Das abdominelle Kompartmentsyndrom unterscheidet sich in seiner pathophysiologischen Auswirkung nicht prinzipiell von Kompartmentsyndromen anderer Lokalisation. Das grundlegende
Problem besteht in einer druckbedingten Reduktion zunächst des venösen Rückstroms, die zu einer
Flüssigkeitsretention im betroffenen Stromgebiet
und einem dadurch bedingten weiteren Anstieg
des Gewebedruckes in dem zugehörigen Kompartment führen. Dadurch entsteht ein Circulus vitiosus, der eine Minderperfusion der betroffenen Organe (zunächst venös, später auch arteriell) verursacht. Der verminderte venöse Rückstrom betrifft
beim abdominellen Kompartmentsyndrom neben
den intraabdominellen Organen auch den Rückstrom abhängender Stromgebiete der V. cava inferior. Dadurch kommt es zu einer Verminderung
des kardialen Preload mit Reduktion des Herzzeitvolumens.
Diese verminderte kardiale Auswurfleistung und
die durch den erhöhten Gewebedruck gleichzeitig
gestörte kapilläre Mikrozirkulation führen zu einer
Funktionsbeeinträchtigung vitaler Organe mit
Rückgang der Diurese, Integritäts- und Funktionsstörung von Leber und Pankreas. Im Gastrointestinaltrakt wird durch die Perfusionsminderung eine
Beeinträchtigung der Barrierefunktion ausgelöst,
was zu einer Mukosaalteration und bakteriellen
Translokation führen kann. Somit kann neben der
direkten Organschädigung ein septisches Krankheitsbild mit Multiorganversagen induziert werden.
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Allgemeinchirurgie
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sammensetzung der applizierten Nahrung zu
einer Verbesserung der Immunfunktion. Gleichzeitig kann durch die enterale Ernährung die bakterielle Clearance des Darmes aufrechterhalten
werden, wodurch pathologische Besiedlungen
und bakterielle Translokationen vermindert werden.
Des Weiteren führt die luminale Belastung zu
einer Verbesserung der Durchblutung der Darmmukosa, was seinen Ausdruck u. a. in einer frühzeitigen Normalisierung des Mukosa-pH (pHi) findet. Als weiterer positiver Effekt ist eine frühere
Wiederaufnahme der Transportfunktion mit verbesserter Rekonvaleszenz zu erwähnen. Ein häufig
unterschätzter Faktor der frühzeitigen enteralen
Ernährung ist in den sehr positiven psychischen
Auswirkungen zu sehen, die zu einer erhöhten
Compliance, verbesserten Mobilisierung und
Schmerzverarbeitung führen. Neben den in ihrer
Bedeutung gegenwärtig neu bewerteten „chirurgischen“ Aspekten der Anastomosensicherheit darf
jedoch ein weiterer Risikoaspekt einer frühen enteralen Ernährung nicht vergessen werden. Bei
einer fehlenden Transportfunktion insbesondere
im oberen Gastrointestinaltrakt kann es zu Reflux
und deutlich erhöhter Aspirationsgefahr kommen.
Insbesondere wiederholte stille Aspirationen bei
nicht beatmeten liegenden Patienten sind hier gefürchtet, da sie zu schweren Pneumonien führen
können. Als indirekter Effekt einer frühen enteralen Ernährung bei sedierten Patienten, d. h. über
liegende Ernährungssonden, besteht in der Gefahr
druckinduzierter Schleimhautdefekte im Nasenrachenraum und Ösophagus-Magen, die bis zu Knorpelnekrosen der Nase und Hohlorganperforation
reichen können.
können Kolikschmerzen durch Spasmen von
? Wie
Hohlorganen therapiert werden?
Operative Intensivmedizin
! Bei Spasmen von Hohlorganen imponiert die Kolik
als heftigster Schmerz mit krampfartigem Charakter, die mit einer vegetativen Symptomatik kombiniert sein können. In der postoperativen Phase
können derartige Schmerzen im Zusammenhang
mit der Wiederaufnahme der Darmmotilität aber
auch bei Überdosierung von Parasympathikomimetika auftreten. Im letzteren Fall führt eine Dosisreduktion rasch zum Abklingen der Beschwerden, eine Antagonisierung mit Atropin ist normalerweise nicht erforderlich.
Bei endogenen Spasmen eignen sich Metamizol
und Pethidin, da beide analgetisch und spasmolytisch wirken. Es können aber auch andere Opioide
Anwendung finden. Alternativ kann N-Butylscopolamin als parasympatholytisches Belladonnaalkaloid eingesetzt werden. Dessen Wirkung in der
postoperativen Phase ist aber oft nicht ausreichend bzw. tritt erst bei Dosierungen ein, die zu
ausgeprägten unerwünschten Nebenwirkungen
wie Herzrhythmusstörungen, Tachykardie, Erregungszustände und Atemdepression führen.
Daher ist eine Kombination von muskulotrop wirkenden Spasmolytika und Analgetika sinnvoll,
wenn die reine analgetische Behandlung nicht
ausreichend ist.
Frage 460
.......................................
?
Gibt es Laborparameter, die im postoperativen Verlauf nach größeren chirurgischen Eingriffen Hinweise
für eine mesenteriale Durchblutungsstörung geben?
! Die laborchemischen und Blutbildveränderungen,
die mit der Entwicklung einer mesenterialen
Duchblutungsstörung einhergehen, sind wenig
sensitiv und spezifisch. Diese relativ geringe Aussagekraft wird sowohl durch die Pathophysiologie
der Durchblutungsstörung verursacht, liegt aber
auch an normalen postoperativen Veränderungen
der entsprechenden Parameter bzw. Pathologien
anderer Genese und Organsysteme, die zu vergleichbaren Verschiebungen führen können. Insbesondere die häufig als Leitdiagnostik angenommenen Verschiebungen im Säure-Basen-Haushalt
durch Freisetzung von Lactat aus dem mesenterialen Stromgebiet, sind unzuverlässig und weder im
positiven noch im negativen Fall für die Differenzialdiagnose gut geeignet. Obwohl es zu einer lokalen Ischämie mit Umschaltung auf anaeroben
Stoffwechsel kommt, wird das Lactat durch einen
gleichzeitig gestörten „Auswascheffekt“ (reduzierte venöse Drainage) nicht zwingend systemisch
wirksam, d. h. nachweisbar. Im Allgemeinen gelten
Serumlactatspiegel ⬎ 2,2 mmol/l als hinweisend.
m Da jedoch vor allem früh postoperativ auch in anderen Organsystemen anaerober Stoffwechsel auftreten kann, sind auch erhöhte Spiegel nicht pathognomonisch.
Dies wird z. B. häufig nach kardiochirurgischen Eingriffen beobachtet, bei denen postoperativ schlechte eingeschränkte kardiale Auswurfleistungen mit
ähnlichen Auswirkungen auftreten können. In vergleichbarer Form verhält sich der systemische pHWert mit einhergehender metabolischer Azidose
(pH ⬍ 7,2; negativer Base Excess unter – 5 bis – 8).
Darüber hinaus können erhöhte Serumphosphatspiegel gefunden werden. Weitere Laborparameter,
wie z. B. D-Dimere, Fibrinogen-Spaltprodukte usw.,
spielen in der Diagnostik akuter Mesenterialischämien keine Rolle.
Frage 461
.......................................
diagnostische Bildgebung sollte bei Verdacht
? Welche
auf eine mesenteriale Duchblutungsstörung veranlasst werden?
! Die konventionelle bildgebende Diagnostik liefert
bei mesenterialen Gefäßverschlüssen in der Regel
wenig richtungsweisende Anhaltspunkte. So zeigt
eine Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens
mit Seitenlage in ca. einem Viertel der Fälle
keine wesentlichen pathologischen Befunde. Dilatierte Darmschlingen und Spiegelbildung sind bei
ca. der Hälfte der Patienten zu finden, treten jedoch bei postoperativer Paralyse bzw. -atonie anderer Genese mit etwa gleicher Frequenz auf. Sonographie und Dopplersonographie können ebenfalls dilatierte Darmschlingen (27 %), fehlende Peristaltik (28 %) und/oder freie abdominelle Flüssigkeit (14 %) zeigen, die jedoch postoperativ ebenfalls nicht spezifisch sind. Der Nachweis eines
Thrombus in Mesenterialgefäßen gelingt nur in
ca. 11 % der Fälle.
Im Gegensatz dazu kann eine Angiographie mit
einer hohen Spezifität (bis 90 %) als Standarddiagnostik angesehen werden. Insbesondere nonokklusive Mesenterialverschlüsse (NOMI) sind als
Verengung der Abgänge der Äste der A. mesenterica superior, alternierende Dilatation und Verengung ihrer intestinalen Äste, Spasmen der Mesenterialarkaden und eingeschränkte Füllung intramuraler Gefäße differenzialdiagnostisch eindeutig
erkennbar. Okklusive Gefäßverschlüsse sind ebenfalls meist eindeutig darstellbar. Gleichzeitig bietet der einliegende Gefäßkatheter die Möglichkeit
zur lokalen Applikation von Medikamenten. Allerdings kann der Zeitverlust, der durch die technisch relativ aufwändige Angiographie auftritt, zu
einem Überschreiten der Ischämietoleranz des betroffenen Darmabschnitts mit den daraus resultierenden negativen Folgen führen. Alternativ können CT-Angiographie oder MR-Angiographie mit
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Frage 459
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! In ca. 20 % der Mesenterialischämien muss mit
einer nonokklusiven Perfusionsstörung gerechnet
werden. Als besondere Risikofaktoren gelten insbesondere einige postoperative Zustände, die mit
einer reduzierten kardialen Leistung einhergehen.
Als wesentlicher Auslöser einer NOMI ist eine
Langzeit- oder Hochdosiskatecholamintherapie
anzusehen. Durch ihre besondere vasokonstriktorische Wirkung besonders im Splanchnikusbereich betrifft dies insbesondere Adrenalin und Noradrenalin bzw. deren Derivate.
Daneben können weitere Medikamente (Digitalis,
Diuretika, Ergotamin) zu einer erhöhten vasomotorischen Sensitivität bzw. zu den zugrunde liegenden Gefäßspasmen führen. Daraus ergibt sich,
dass vor allem Patienten nach kardiochirurgischen
Eingriffen und aortaler Gefäßrekonstruktionen ein
deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer
NOMI haben. Aufgrund der bei diesen Patienten
häufig begleitenden ausgeprägten perioperativen
Immunsuppression und katabolen Stoffwechsellage ist das klinische Bild der Mesenterialischämie
zu einem hohen Prozentsatz untypisch. Im Zweifel
ist daher beim klinischen Verdacht bei diesen Risikogruppen bis zum Beweis des Gegenteils von
einer mesenterialen Minderperfusion auszugehen.
Frage 463
.......................................
welchem Stufenschema werden Patienten mit
? Nach
nonokklusiven Mesenterialischämien (NOMI) behandelt?
5.1
Risikogruppen für nonokklusive Mesente? Bestehen
rialischämien (NOMI)?
klusive Mesenterialischämien ein Vasospasmus im
präkapillären Stromgebiet ausschlaggebend zu
sein scheint, ist eine vasodilatatorische Therapie
bei Vorliegen einer NOMI möglich. Diese wird als
intraarterielle Papaverintherapie über Angiographiekatheter (30 – 60 mg/h über mindestens 24 h)
durchgeführt. Erfolgsraten und klinischer Nutzen
sind jedoch umstritten, sodass diese Therapie nur
unter sehr enger Kontrolle des klinischen Bildes
erfolgen sollte. Nach angiographischer Erfolgskontrolle kann diese Therapie über weitere
24 – 48 h fortgesetzt werden.
Nachfolgend lässt die sympatikolytische Wirkung
nach und die Rate katheterassoziierter Komplikationen steigt deutlich an. Eine fehlende klinische
Besserung sollte eine Laparotomie innerhalb von
6 h bis max. 12 h indizieren. Bei der Indikationsstellung ist zu berücksichtigen, dass kardiochirurgische Patienten, bei denen eine NOMI häufig im
postoperativen Verlauf auftritt, und Patienten
nach großen abdominalchirurgischen Eingriffen
postoperativ für 3 – 5 Tage eine ausgeprägte Immunsuppression aufweisen, wodurch der klinische Untersuchungsbefund häufig schwer einzuordnen ist und unterschätzt wird. Da das
Auftreten einer NOMI oft von einer ausgeprägten
und prolongierten Darmatonie begleitet ist, kann
die Anlage eines Ileostomas zur abdominellen Entlastung im Rahmen dieser Laparotomie sinnvoll
sein.
Frage 464
.......................................
pathophysiologischen Ursachen liegen in? Welche
fektiösen biliären Komplikationen zugrunde?
! Die bakterielle Besiedlung von Gallenwegen erfolgt in der Regel durch Reflux aus dem Darm.
Daher sind alle chirurgischen Eingriffe mit Manipulationen bzw. enterobiliären Anastomosen besonders gefährdet. Da im intensivmedizinischen
Bereich gleichzeitig durch fehlende oder verminderte enterale Ernährung und perioperative
Stressreaktionen eine verminderte Galleproduktion und Entleerung der Gallenblase mit dadurch
bedingter Stase, Sludgebildung und mechanischer
Reizung („Intensiv-Gallenblase“) optimale Bedingungen für eine bakterielle Besiedlung vorliegen,
sind Cholangitiden ein häufiges intensivmedizinisches Problem.
Weitere begünstigende Faktoren bei intensivmedizinischen Patienten sind Medikamentennebenwirkungen mit reduzierter Galleclearance (z. B. durch
Narkotika), Dehydratation mit vermindertem Gallefluss, erhöhte Viskosität der Galle durch vermehrt anfallendes Bilirubin nach Transfusionen
und verminderte Durchblutung der Mukosa der
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Frage 462
.......................................
! Da als pathogenetischer Mechanismus für nonok-
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guter bis sehr guter Spezifität (bis 80 %) eingesetzt
werden. Beide Verfahren haben den Vorteil geringer Invasivität, der Einsatz der MR-Angiographie
ist unter intensivmedizinischen Bedingungen jedoch meist technisch nicht sinnvoll umsetzbar.
Zur Lösung des diagnostischen Dilemmas hat sich
daher folgender Algorithmus in der perioperativen
Intensivmedizin bewährt:
– Angiographie bei Verdacht auf arteriellen Verschluss, insbesondere nonokklusive Ischämien,
– CT-Angiographie bei Verdacht auf venösen Verschluss,
– frühzeitige Laparotomie bei klinischem Verdacht unabhängig von bildgebender Diagnostik,
– Second Look nach rekonstruktiven Eingriffen
im Zusammenhang mit mesenterialen Durchblutungsstörungen.
Frage 467
.......................................
es chirurgische Konsequenzen beim Vorliegen
? Gibt
postoperativer biliärer Infektionen?
! Da postoperative Abflussstörungen und Reflux die
wesentlichen pathophysiologischen Ursachen für
postoperative biliäre Infektionen darstellen, muss
sichergestellt sein, dass chirurgisch behebbare Ursachen ausgeschlossen bzw. korrigiert werden. An
vorderster Stelle steht dabei die Sicherung des
Galleabflusses durch drainierende Maßnahmen.
Diese kann endoskopisch durch Einlage von Gallengangstents oder operativ durch T-Drainagen im
Ductus choledochus erfolgen. Interventionelle
perkutane Drainageverfahren stehen in ihrer Bedeutung bei biliären Infektionen eher zurück, da
diese im Allgemeinen deutlich erweiterte Gallenwege voraussetzen, die im Akutstadium in der
Regel nicht vorliegen. Bei abszedierenden Erkrankungsformen dagegen ist die interventionelle
bildgestützte (sonographisch oder CT-gesteuert)
Drainage in vielen Fällen der chirurgischen Intervention gleichwertig. Voraussetzung ist jedoch die
Schaffung einer suffizienten Ableitung und ggf.
Spülung aller wesentlichen Abszessanteile.
Die interventionell eingelegten Drainagen haben
den Vorteil einer geringeren Traumatisierung,
sind jedoch im Vergleich zu chirurgisch platzierten Drainagen wesentlich dünner und neigen zur
Verklebung und Okklusion. Daher hat sich eine regelmäßige (mindestens 8-stündliche) Spülung der
Drainage mit physiologischer Kochsalzlösung bewährt. Eine bildgebende Erfolgskontrolle der Drainage ist obligat, um ggf. rechtzeitig eine operative
Drainage anzuschließen. Bei noch nicht vorgenommener Cholezystektomie sollte diese nach
Möglichkeit nachgeholt werden.
Frage 465
.......................................
welchem Keimspektrum muss für die kalkulierte
? Mit
Antibiose bei Vorliegen einer biliären Infektion gerechnet werden?
Operative Intensivmedizin
! Die Keime bei biliären Infektionen stammen im
Allgemeinen aus dem Gastrointestinaltrakt,
wobei diese sowohl in der Galle als auch meist
in Blutkulturen nachgewiesen werden können.
Am häufigsten kommen Escherichia coli, Klebsiellen und Enterokokken vor. Der Nachweis von
Anaerobiern gelingt meistens nur bei älteren
oder septischen Patienten.
– Aerobier: Escherichia coli, Klebsiellen, Enterobacter, Proteus, Pseudomonas, Streptococcus
faecalis (Enterococcus).
– Anaerobier: Bacteroides, Clostridien, anaerobe
Kokken.
Frage 466
.......................................
erfolgt die kalkulierte Antibiotikatherapie bei bi? Wie
liären Infektionen?
! Für die kalkulierte Antibiotikatherapie bis zum
Vorliegen eines Resistogramms liegen umfangreiche kontrollierte Studien mit evidenzbasierten
Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft vor.
Entsprechend des zu erwartenden Erregerspektrums kann mit einem Aminopenicillin und Betalactamaseinhibitor (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure; Ampicillin/Sulbactam), Acylaminopenicillin
und Betalactamaseinhibitor (Piperacillin/Tazobactam) oder Cephalosporin der Gruppe 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) oder 4 (Cefoxitin) in
Kombination mit Metronidazol begonnen werden.
Alternativ werden Carbapeneme der Gruppe 2
(Imipenem, Carpenem) oder 3 (Ertapenem) eingesetzt. Die Behandlungsdauer beträgt bei erfolgreicher Sanierung 3 Tage, bei Abflussstörungen auch
länger. Bei Verdacht auf Pseudomonasinfektionen
ist die Kombination mit einem Aminoglykosid
(Amikacin, Gentamicin, Netilmecin, Tobramicin)
zu empfehlen.
Frage 468
.......................................
?
Welches Ausmaß kann ein hämolytischer Ikterus
postoperativ ohne Komplikationen erreichen?
! Im postoperativen Verlauf sind zwei wesentliche
Ursachen für das transiente Auftreten einer Hyperbilirubinämie verantwortlich. Einerseits kann die
Resorption von Hämatomen insbesondere nach
großen Eingriffen an Knochen, bei Unfallverletzten
und Patienten mit Gerinnungsbeeinträchtigungen
(z. B. retroperitoneale Hämatome unter Kumarintherapie) ein erhebliches Ausmaß erreichen, sodass bis zu einer Woche erhöhte Bilirubinserumspiegel auftreten können. In vergleichbarer Weise
kann sich eine Hämolyse nach extrakorporaler Zirkulation bzw. künstlichem Herzklappenersatz
auswirken. Als weitere Ursache für eine Erhöhung
des Bilirubins sind Bluttransfusionen zu beachten.
Die dadurch bedingte Hämolyse hängt stark vom
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Gallengänge im Rahmen viszeraler Umverteilung
des Blutflusses. Postoperative, tumoröse oder entzündliche Stenosen, einliegende Fremdkörper
(T-Drainagen, Stents) und iatrogene Manipulationen (ERC, PTC) sind weitere prädisponierende Einflüsse. Durch biliovenöse bzw. biliolymphatische
Translokation kann nachfolgend eine biliäre Bakteriämie und Sepsis ausgelöst werden. Unbehandelt sind diese Komplikationen mit einer sehr
hohen Mortalität (bis 100 %) belastet, während
auch chirurgische oder radiologische Interventionen in 15 – 30 % die fatalen Verläufe nicht beeinflussen können.
5.1
Frage 470
.......................................
ist ein perioperatives akutes Nierenversagen de? Wie
finiert?
! Durch Narkose und Operationsstress kommt es
Frage 469
.......................................
?
Welche Medikamente kommen als Auslöser einer intensivmedizinisch bedingten Leberfunktionsstörung
in Betracht?
! Grundsätzlich kommt eine Vielzahl von Medikamenten als Auslöser für eine intrahepatisch bedingte Hyperbilirubinämie und/oder einen Transaminasenanstieg in Frage. Bei der Häufigkeit gibt
es jedoch eine gewisse Abstufung, bei der die
Gruppe der Antibiotika zuallererst zu nennen ist.
Weiterhin können einige Analgetika und Narkotika zu hepatozellulären Funktionsstörungen führen, obwohl die modernen Substanzen dieser
Gruppen ein geringeres Potenzial aufweisen. Insbesondere im Bereich der Transplantationschirurgie ist mit lebertoxischen Auswirkungen von Immunsuppressiva zu rechnen.
Aufgrund der bei vielen Tumorentitäten zunehmenden multimodalen Therapie mit neoadjuvanten Bestandteilen tritt in den letzten Jahren eine
physiologischerweise zu einer Einschränkung der
Nierenfunktion für 12 – 24 h. Auch bei maximaler
Konzentrierung des Urins (bis 1200 mmol/l) ist
eine Urinmenge ⬍ 500 ml/d (⬍ 30 ml/h) beim Erwachsenen nicht ausreichend, um die harnpflichtigen Substanzen ausreichend zu eliminieren, d. h. es
liegt eine Oligurie vor. Anurie besteht definitionsgemäß bei einer Ausscheidung ⬍ 50 ml/d. Sinkt die
Urinauscheidung auf Werte ⬍ 0,5 – 1,0 ml/kg/h, ist
eine sofortige Intervention erforderlich. Unabhängig von der Urinmenge kann es zu einem funktionellen Nierenversagen kommen, bei dem trotz ausreichender Urinmenge harnpflichtige Substanzen
nicht suffizient eliminiert werden, d. h. die Nieren
können nicht ausreichend konzentrieren. In diesem
Fall kommt es zu einer Azotämie (Anstieg von
Harnstoff, Harnstoff-N und Serumkreatinin).
..........
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Allgemeinchirurgie
Zunahme der zytostatikainduzierten Leberfunktionsstörungen auf. Diese präoperative Leberschädigung ist sowohl von der Dosierung als auch dem
Zeitschema der Zytostase abhängig und variiert
stark bei den einzelnen Medikamentenkombinationen. Zur Abschätzung der verbliebenen Kompensationsmöglichkeit sollte der Verlauf der Transaminasen während der neoadjuvanten Therapie
und der Zeitpunkt der Normalisierung nach dem
letzten neoadjuvanten Therapiezyklus herangezogen werden. Eine zusätzliche Leberschädigung
kann bei Kombination mit einer Radiatio erfolgen,
wenn die Leber in der Nähe des Bestrahlungsfeldes
liegt, z. B. bei Pankreas- und distalen Ösophaguskarzinomen.
Im weiteren Sinne sind zu den medikamenteninduzierten Leberfunktionsstörungen auch alle Formen
der parenteralen Ernährung zu rechnen. Insbesondere unter längerer, vollständiger parenteraler Ernährung kann es zu einem transienten Ikterus
sowie einem Anstieg verschiedener Leberenzyme
kommen. Alle Komponenten der Ernährungstherapie kommen hierfür ursächlich in Frage. Dabei sind
nicht nur hohe Anteile einzelner Komponenten
(z. B. zu hohe Vitamingaben) lebertoxisch, sondern
auch Mangel- bzw. Minderversorgung bzw. Fehlbilanzierung einzelner Ernährungsbestandteile (z. B.
einzelne Lipidbestandteile, essenzielle Aminosäuren, Spurenelemente) können hepatozelluläre
Schäden hervorrufen.
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Alter der Blutkonserve ab. Bei einem 14 Tage alten
Erythrozytenkonzentrat ist mit einer Hämolyse
von ca. 10 % innerhalb von 24 h nach Transfusion
zu rechnen. Nach 21 Tagen beträgt die Hämolyserate ca. 20 %. Das entspricht bei den heute üblichen Mengen von ca. 250 – 300 ml pro Erythrozytenkonzentrat einer Bilirubinmenge von ca.
130 – 150 mg (bzw. 250 – 300 mg).
Bei einer durchschnittlichen Metabolisierungskapazität der Leber für Bilirubin unter physiologischen Bedingungen von 250 mg/d wird diese insbesondere bei Massentransfusionen schnell
überschritten. Als grobe Orientierung kann man
daher davon ausgehen, dass pro Erythrozytenkonzentrat etwa 1 – 2 Tage für die Verstoffwechslung
des Bilirubins erforderlich sind. Das Maximum der
hämolysebedingten Hyperbilirubinämie ist nach
Massentransfusion bzw. bei der Resorption großer
Hämatome nach 3 – 7 Tagen zu erwarten, wobei
anschließend ein kontinuierlicher Abfall zu verzeichnen sein sollte. Bei einer eingeschränkten Leberfunktion kann hierbei jedoch eine deutliche
Verzögerung des Bilirubinabbaus auftreten.
Im Gegensatz dazu sind intrahepatisch bedingte
Funktionsstörungen mit vermindertem Abbau
von Bilirubin zu sehen, die in der Regel mit einer
Erhöhung der Transaminasen einhergehen. Ursächlich hierfür sind bei intensivmedizinischen
bzw. postoperativen Patienten häufig Reaktivierungen von Hepatitis, verschiedene Medikamente,
eine längerfristige parenterale Ernährung und septische Krankheitsbilder. Des Weiteren können intraoperative Leberischämien, z. B. nach PringleManöver, zu transienten Leberfunktionsstörungen
führen.
Operative Intensivmedizin
Frage 472
.......................................
Therapiegrundsätze gelten für die Aufrecht? Welche
erhaltung der Nierenfunktion?
prophylaktischen Möglichkeiten bestehen zur
? Welche
Vermeidung einer „Crush-Niere“?
! Es lassen sich 3 grundsätzliche therapeutische In-
! Bei größeren Mengen im Blut zirkulierenden Myo-
terventionsmöglichkeiten unter intensivmedizinischen Bedingungen definieren:
– Aufrechterhaltung des renalen Blutflusses,
– frühzeitige diuretische Therapie,
– Vermeidung von Nephrotoxinen.
Die Nierendurchblutung korreliert mit dem Herzzeitvolumen (HZV) und ist vom mittleren arteriellen Blutdruck (MAP) abhängig. Bei einer direkten
Proportionalität zum renalen Perfusionsdruck und
umgekehrter Proportionalität vom renalen Gefäßwiderstand erhalten die Nieren unter Ruhebedingungen 20 – 25 % des HZV. Daraus lässt sich ableiten, dass der renale Blutfluss durch eine Erhöhung
des MAP oder eine Verminderung des renalen Widerstands (z. B. Stimulation von Dopaminrezeptoren mit Vasodilatation renaler Widerstandsgefäße) verbessert werden kann. Als Orientierung
kann ein MAP von 60 mm Hg dienen, der für eine
suffiziente Nierendurchblutung minimal erforderlich ist (wobei individuell höhere Werte notwendig sein können).
m Eine frühzeitige diuretische Therapie ist unter intensivmedizinischen bzw. postoperativen Bedingungen häufig nicht oder nicht ausreichend erfolgreich.
Einerseits lassen sich durch Diuretika die anderen
Faktoren für die Aufrechterhaltung der Nierenfunktion nicht antagonisieren (z. B. ist eine ausreichende glomeruläre Filtration Voraussetzung für
die Ausscheidung, die von Diuretika nicht beeinflusst wird, sondern erst durch nachfolgende Prozesse der Rückresorption); andererseits wirken
Diuretika in bestimmten intensivmedizinischen
Situationen nicht (z. B. bei Azidose). Darüber hinaus ist häufig ein fehlender Effekt auf die Ausscheidung harnpflichtiger Subtanzen zu beobachten, obwohl die Urinmenge aufrechterhalten
werden kann.
Zu den wesentlichen nephrotoxischen Medikamenten zählen einige Antibiotika/Antimykotika
(z. B. Aminoglykoside, Amphotericin B), Röntgenkontrastmittel, Zytostatika (z. B. platinhaltige Substanzen) und Immunsuppressiva (z. B. Cyclosporin
A). Deren Nephrotoxizität kann bei gleichzeitigem
erhöhtem Flüssigkeitsumsatz teilweise deutlich
reduziert werden.
globins aber auch Hämoglobins, wie sie nach ausgedehnteren Weichteilverletzungen auftreten,
kann es zur Entwicklung eines akuten Nierenversagens kommen. Ursächlich dafür ist im Wesentlichen die kleine Molekülgröße des Myoglobins,
die an der Grenze der renalen Filtratrationsmöglichkeit liegt. Dadurch gelangt freies Myoglobin in
die Nierentubuli, wo es im sauren Milieu ausfällt
und zur Embolisierung der Tubuli führt. Da eine
direkte Elimination des Myoglobins nicht möglich
ist und seine renale Filtration nicht beeinflusst
werden kann, richtet sich die Prophylaxe zur Vermeidung einer „Crush-Niere“ auf die Verhinderung der tubulären Ausfällung. Das wird einerseits
durch einen hohen renalen Umsatz mit einer Mindestmenge von 150 – 200 ml Urin/h und eine Harnalkalisierung bereits vor Auftreten renaler Funktionseinschränkungen erreicht. Der Urin-pH sollte
dabei ggf. durch intermittierende Applikation von
kleinen Mengen von Na-Bikarbonat unter Berücksichtigung des systemischen Säure-Basen-Haushalts auf Werten über 7,5 gehalten werden. Obwohl die indivduelle Gefährdung unterschiedlich
ist und neben den Maximalwerten des Myoglobins insbesondere von der Dauer erhöhter Myoglobinspiegel abhängt, hat sich eine derartige Prophylaxe
ab
Myoglobinserumspiegeln
von
⬎ 1000 µg/l als sinnvoll erwiesen.
Frage 473
.......................................
speziellen intensivmedizinischen Faktoren
? Welche
wirken sich negativ auf den renalen Blutfluss aus?
! Verminderung des renalen Perfusionsdruckes:
– Absinken des mittleren arteriellen Blutdruckes:
쐌
Sepsis,
쐌
Volumenmangel,
쐌
medikamentös,
쐌
linksventrikuläre Insuffizienz.
– Erhöhung des venösen Druckes:
쐌
PEEP-Beatmung,
쐌
rechtsventrikuläre Insuffizienz,
쐌
Volumenüberlastung,
쐌
erhöhter intraabdomineller Druck.
– Erhöhung des renalen Widerstands:
쐌
renale Autoregulation über Renin-Angiotensin-System,
쐌
Stimulation adrenerger Rezeptoren
(Katecholamine),
쐌
Prostaglandinsynthesehemmung
(z. B. nichtsteroidale Analgetika),
쐌
entzündliche und Abstoßungsreaktionen
(z. B. nach Transplantation).
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Frage 471
.......................................
Frage 474
lenhydrate erfolgt, um eine katabole Stoffwechsellage zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Für eine
parenterale Ernährung sind spezielle Regime für
diese Patienten zu beachten. Es müssen vor allem
essenzielle Aminosäuren (in speziellen Darreichungsformen handelsüblich verfügbar) und hypertone Kohlenhydratlösungen (z. B. Glucose
40 %) appliziert werden. Ein besonders restriktives
Infusionsregime ist indiziert, wenn Harnstoff und
Harnstoff-N im Serum Werte über 80 mg/dl überschreiten und das Serumkreatinin höher als 3 mg/
dl liegt.
.......................................
welchen Nachteilen bzw. Besonderheiten muss
? Mit
bei Peritonealdialyse im Vergleich zur Hämodialyse
gerechnet werden?
! Die Geschwindigkeit der Elimination toxischer
Frage 475
.......................................
Erhaltungsbedarf für Flüssigkeit und Elekt? Welcher
rolyte besteht bei Oligurie?
! In der oligurischen Phase muss eine streng bilanzierte Flüssigkeits- und Elektrolytbilanzierung
vorgenommen werden, wobei folgender Erhaltungsbedarf besteht:
– Wasser: 500 – 700 ml/d,
– Natrium: 10 – 20 mmol/d (Serumkontrolle),
– Kalium: 10 mmol/d (Serumkontrolle).
Des Weiteren sind zusätzliche Flüssigkeitsverluste
(z. B. Magensonde, Ileostoma, Perspiration) zu ersetzen, wobei weitere Elektrolyte (z. B. Chlorid)
ggf. beachtet werden müssen.
Die Flüssigkeitssubstitution muss so gestaltet
werden, dass eine erforderliche Ernährung gewährleistet wird. Bei einer oralen Ernährung ist
eine proteinarme (30 – 40 g/d) Diät erforderlich,
bei der die Kalorienzufuhr weitgehend über Koh-
Frage 476
.......................................
?
Wie beeinflusst eine kontinuierliche Hämofiltration
die Dosierung von Medikamenten?
Frage 477
.......................................
Wertigkeit hat die laborchemische Nieren? Welche
funktionsdiagnostik in der postoperativen bzw. intensivmedizinischen Phase?
! Als wesentliche Parameter zur renalen Funktionsdiagnostik werden routinemäßig meist Serumund Urinelektrolyte, Serumkreatinin, Serumharnstoff (bzw. Harnstoff-N) und die Osmolarität von
Urin und Plasma bestimmt. Alle diese Parameter
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Allgemeinchirurgie
(CVVH) filtriert Serum über einen externen Hämofilter mit einer Filtrationsrate, die proportional
zum mittleren Blutfluss im Filtersystem und umgekehrt zum onkotischen Druck im Serum ist.
Stündlich können 300 – 1000 ml Serum filtriert
werden, wobei jedoch die Konzentrationen von
gelösten Serumbestandteilen nicht beeinflusst
werden. Die abfiltrierte Menge an Flüssigkeit
kann aber durch Flüssigkeiten mit den jeweils gewünschten Konzentrationen und Zusammensetzungen ersetzt werden. Durch dieses Verfahren
werden gelöste Stoffe unabhängig von ihrem Molekulargewicht ausgetauscht.
Da insbesondere im Molekularbereich vieler Medikamente eine effektive Elimination möglich ist,
müssen individuelle Dosierungen gewählt werden, die in der Regel Ergänzungsdosierungen beinhalten. Bei der Berechnung der Ergänzungsdosierung ist das filtrierte Volumen als zusätzliches
Verteilungsvolumen über die Zeit in etwa dem
Plasmavolumen zuzurechnen. Diese stehen im Gegensatz zu den Dosisreduktionen bzw. Intervallverlängerungen bei eingeschränkter Nierenfunktion. Die Eliminationsfähigkeit pharmakologisch
aber auch toxikologisch wichtiger Substanzen ist
den jeweiligen Fachinformationen bzw. Nachschlagewerken zu entnehmen.
5.1
! Eine kontinuierliche venovenöse Hämofiltration
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Substanzen und der Ausgleich von Stoffwechselfehllagen (z. B. einer Azidose oder Hyperkaliämie)
sind insbesondere bei katabolen Patienten unzureichend bzw. verzögert und bei verminderter peritonealer Durchblutung (z. B. bei Sepsis oder Hypothermie) oder peritonealen Verwachsungen
schwerer steuerbar. Andere gelöste Substanzen
können dagegen verstärkt eliminiert werden. Es
können z. B. erhöhte Verluste von Protein oder Vitaminen auftreten, die sich in einer Hypalbuminämie und Hypovitaminosen manifestieren. Daher
kann bei Patienten mit Peritonealdialyse eine zusätzliche Substitution von täglich 1,5 g Protein
notwendig werden. Im Gegensatz dazu kann der
Verlust von Aminosäuren, der bei Hämodialyse
mit ca. 6 – 9 g pro Behandlung zu veranschlagen
ist, nahezu vernachlässigt werden (0,3 – 0,5 g). Da
die Durchführung einer Peritonealdialyse mit dextrosehaltigen Lösungen vorgenommen wird, kann
durch die Resorption von bis zu 200 g Glucose eine
Hyperglykämie auftreten, die eine Insulintherapie
erfordert.
Neben den letztlich angestrebten Auswirkungen
einer Peritonealdialyse auf die Homöostase kann
die intraabdominelle Flüssigkeitsapplikation zu
einer Erhöhung des intraabdominellen Druckes
führen. Diese erlangt ab Flüssigkeitsmengen
⬎ 500 ml Bedeutung und führt insbesondere bei
Patienten mit eingeschränkter pulmonaler Reserve
zu einer Beeinträchtigung der Ventilation.
des logarithmischen Zusammenhangs zwischen
beiden Parametern etwa eine Halbierung der Nierenfunktion eintreten, bevor pathologische Werte
des Serumharnstoffs auftreten.
Deutlich sensitiver als die Serumkonzentrationen
von Kreatinin und Harnstoff sind deren Clearancewerte, d. h. die tatsächlich ausgeschiedene Menge
über einen bestimmten Zeitraum. Bei gleichzeitiger Beachtung der mengenmäßigen Urinproduktion stellt die Kreatininclearance bei 12-stündlicher
Bestimmung den wohl sensitivsten Parameter zur
Beurteilung der Nierenfunktion dar.
Obwohl die Konzentrationsfähigkeit der Nieren
ein sensitiver Marker der tubulären Funktion ist,
kann das spezifische Uringewicht in der Regel nicht
genutzt werden, da unter Diuretikagaben und
nach intravenöser Applikation von Röntgenkontrastmitteln bzw. bei Glukosurie dessen Messungen nicht verwertbar sind.
Anders dagegen verhält es sich mit der Plasmaund Urinosmolarität bzw. osmolaren Clearance.
Diese Parameter zeigen ebenfalls die Integrität
der tubulären Funktion an. Bei einer maximalen
Harnkonzentration von 1200 – 1300 mmol/l und
ca. 910 mmol/l physiologischerweise anfallenden
toxischen Abbauprodukten ist die osmolare Ausscheidungskapazität bei verminderter Urinproduktion und Oligurie schnell erschöpft. Als Maß
für die Menge an im Plasma bzw. Urin gelösten
Substanzen spiegelt sich die tubuläre Nierenfunktion im Verhältnis von Plasma- und Urinosmolarität wider. Diese osmolare Clearance bzw. die daraus ableitbare Freiwasserclearance sind weniger
von metabolischen Faktoren und einer katabolen
Stoffwechsellage abhängig, können jedoch durch
einen Überschuss osmolarer Substanzen (z. B. Hyperglykämie) falsch niedrige Werte annehmen.
Frage 478
.......................................
welchen postoperativen metabolischen Störun? Mit
gen des Säure-Basen-Haushalts muss gerechnet werden?
! In der unmittelbaren postoperativen Phase kommt
es häufig zu einer vermehrten CO2-Produktion, die
zu einer metabolischen Azidose führt. Ursächlich
dafür sind im Wesentlichen eine periphere Minderperfusion infolge eines postoperativ erniedrigten Herzzeitvolumens und/oder einer peripheren
Vasokonstriktion bei Hypothermie. Darüber hinaus führt in der Aufwärmphase auftretender
Schüttelfrost zu einem hohen Sauerstoffverbrauch
mit vermehrtem CO2-Anfall. Bei Bluttransfusionen, insbesondere Massentransfusionen, tritt eine
metabolische Alkalose auf, die auch bei extensiver
Gabe von Ringer-Lactat-Lösungen induziert werden kann. Durch hochdosierte Diuretikagaben, be-
100 . . . . . . . . . .
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Operative Intensivmedizin
werden jedoch erheblich von anderen Faktoren
sowie iatrogenen Interventionen beeinflusst, sodass deren Aussagekraft hinsichtlich der tatsächlichen Nierenfunktion kritisch betrachtet werden
muss.
Die Zusammensetzung der Serumelektrolyte spiegelt insbesondere unter Bedingungen der intensivierten parenteralen Flüssigkeitszufuhr das Verhältnis zwischen exogener Menge, endogener
Produktion und Ausscheidung wider und wird
daher durch das genutzte Infusionsregime oft
mehr bestimmt als durch Einschränkungen der
Nierenfunktion. Lediglich der Kaliumspiegel kann
als relativ sensitiver Marker genutzt werden. Die
häufig auftretende postoperative Hypokaliämie ist
Ausdruck der transienten postoperativen Polyurie,
während eine Hyperkaliämie bei Ausschluss einer
Überinfusion deutliche Hinweise für eine eingeschränkte Nierenfunktion gibt.
Der klassische Parameter Serumkreatinin (Crea)
wird in der postoperativen Periode und unter intensivmedizinischen Bedingungen häufig falsch
interpretiert. Das ist durch verschiedene Faktoren
bedingt. Zum einen reagiert das Crea mit einer
gewissen Verzögerung von 1 – 2 Tagen auf eine
einsetzende Niereninsuffizienz, sodass die effektive Interventionsphase verpasst wird. Weiterhin ist
die Menge des anfallenden Kreatinins, das über
die Nieren ausgeschieden werden muss, von mehreren physiologischen Faktoren abhängig. Unter
physiologischen Bedingungen besteht eine Korrelation zwischen der Muskelmasse und der Menge
anfallenden Kreatinins, d. h. bei Patienten mit verminderter Muskelmasse kann das Crea trotz einer
signifikanten Reduktion der Nierenfunktion innerhalb des Normbereiches bleiben, weil die Filtrationskapazität noch nicht ausgeschöpft ist. Im Gegensatz dazu kann unter katabolen Zuständen
durch den einsetzenden Muskelabbau eine deutlich erhöhte Menge von Kreatinin anfallen, die bereits bei gering eingeschränkter Nierenfunktion zu
einem Crea-Anstieg führt.
In vergleichbarer Weise sind der Serumharnstoff
bzw. Harnstoff-N in der intensivmedizinischen Situation nur eingeschränkt verwertbar. Die Harnstoffmenge im Serum ist neben der Ausscheidungsfunktion stark von der Leberfunktion, d. h.
der Kapazität zur Metabolisierung, abhängig. Des
Weiteren wird er vom Hydratationszustand des
Patienten beeinflusst. Bei chronisch kranken und
unterernährten bzw. katabolen Patienten gibt der
Serumharnstoff das Ausmaß einer Nierenfunktionsschädigung nicht richtig wieder, d. h. die Bestimmung führt in diesem Fällen oft zu falsch negativen Werten. Wenn bei intensivmedizinischen
Patienten davon ausgegangen wird, dass der Serumharnstoff bei normaler Nierenfunktion im unteren Normbereich zu erwarten ist, muss aufgrund
sonders bei Furosemid, kommt es durch Kaliumverluste und dadurch induzierte Verschiebung von
Protonen in den Intrazellularraum zu einer konsekutiven metabolischen Alkalose.
se oft nur eingeschränkt oder nicht möglich. Diese
muss durch Beachtung anderer Organfunktionen,
vor allem von Lunge und Nieren, erfolgen.
Frage 481
! Insbesondere intensivmedizinische Patienten weisen häufig kombinierte Störungen des Säure-Basen-Haushalts auf, deren Differenzierung für eine
suffiziente Therapie notwendig ist. Derartige Störungen manifestieren sich besonders bei Patienten
mit obstruktiven Atemwegserkrankungen sowie
unter Diuretika- oder Corticoidtherapie meist als
respiratorische Azidose mit einer metabolischen
Alkalose, wobei beide Komponenten nicht notwendigerweise als gegenseitige Kompensation zu
verstehen sind, sondern eigenständige pathophysiologische Ursachen haben. Während die respiratorische Azidose in der Regel durch schmerzbedingte Schonatmung oder medikamenteninduzierte Atemdepression (z. B. Analgetika) verursacht wird, sind Kaliumverluste, Nierenfunktionsstörungen mit Bikarbonatretention, Infusion alkalisierender Lösungen (z. B. Ringer-Lactat) und enterale Verluste (Magensonde, Dünndarmstoma)
häufig Ursache der metabolischen Komponente.
viel Bikarbonat ist zur Korrektur einer metabo? Wie
lischen Azidose notwendig?
! Die Berechnung des Bikarbonatdefizits bildet die
Grundlage für die Korrektur einer metabolischen
Azidose. Dieses Basendefizit (BD) wird mit der
Formel
BD =(0,4 × kgKG) × (HCO3–Soll – HCO3–Ist) [mmol/l]
ermittelt. Dabei entspricht der erste Teil der Gleichung dem Verteilungsvolumen von Bikarbonat
im Körper (ca. 40 % des Körpergewichts, genauer
25 % des Gesamtkörperwassers).
Etwa ein Drittel bis die Hälfte dieses Defizits sollten kurzfristig ersetzt werden, wobei eine engmaschige Kontrolle der arteriellen Blutgase und
Elektrolyte (cave: Hypokaliämie!) notwendig ist.
Dazu eignet sich in erster Linie Natriumbikarbonat. Alternativ kommt bei Hypernatriämie oder
Hyperkapnie der Ausgleich mittels THAM in Frage.
Die weitere Korrektur wird langsam bis zur Erreichung des Ziel-pH (⬎ 7,2), nicht jedoch bis zur
Normalisierung des Blut-pH vorgenommen.
5.1
welchen Patienten rechnen Sie mit respiratori? Bei
schen und metabolischen Störungen?
Frage 482
Frage 480
.......................................
lassen sich respiratorische und metabolische
? Wie
Störungen voneinander differenzieren?
! Bei metabolischen Störungen verändern sich der
pH und der Bikarbonatgehalt des Blutes grundsätzlich gleichsinnig, da die Verschiebungen des
pH-Wertes durch ein Über- oder Unterangebot
des Bikarbonats entstehen. Kompensatorisch ist
der CO2-Gehalt ebenfalls gleichsinnig verändert
(repräsentiert durch paCO2). In reziproker Weise
tritt der Bikarbonatgehalt bei respiratorischen Störungen als Kompensationsmechanismus auf und
verändert sich somit gegenläufig zum pH, während die primäre Störung (Über- oder Unterangebot von CO2 bzw. paCO2) entgegengesetzte Änderungen im Vergleich zum pH aufweist.
Für die Differenzialdiagnose der Veränderungen
des Säure-Basen-Haushalts ist bei intensivmedizinischen Patienten dringend darauf zu achten, dass
kombinierte Störungen durch Beeinträchtigung
verschiedener Organsysteme und direkte pathophysiologische Ursachen die Regel und weniger
die Ausnahme sind. Eine Differenzierung von
kombinierten Störungen gegenüber einsetzenden
Kompensationsmechanismen des Organismus ist
in der klinischen Praxis anhand der Blutgasanaly-
.......................................
? Gibt es Besonderheiten bei Lactat- und Ketoazidose?
! Die Korrektur einer metabolischen Azidose ist von
der zugrunde liegenden Ursache abhängig. Die
Gabe von Natriumbikarbonat ist dann sinnvoll,
wenn eine schwere Azidose (pH ⬍ 7,2) durch anorganische Säuren hervorgerufen wird und gleichzeitig eine Nierenfunktionsstörung besteht. Wird
die Azidose jedoch durch organische Säuren (Laktatazidose, Ketoazidose) verursacht, wird die Bedeutung der Bikarbonatsubstitution kontrovers
beurteilt. Für die Reduktion der hohen Mortalität
beider Formen der metabolischen Azidose ist die
Therapie der Grunderkrankung von wesentlich
größerer Bedeutung als der oft nur temporäre
Ausgleich der Azidose. Bei intensivmedizinischen
Patienten besteht diese vor allem im Ausgleich
einer Hypovolämie und/oder Hypoxie, Verbesserung des Herzzeitvolumens und Verhinderung sekundärer Organschäden (z. B. Ischämie von Darm
und Extremitäten).
m Um das Risiko von Herzrhythmusstörungen zu vermindern und die myokardiale Kontraktilität sowie
das Ansprechen auf Katecholamine zu verbessern,
wird im Allgemeinen ein Ausgleich der Azidose bei
pH ⬍ 7,2 vorgenommen.
..........
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Allgemeinchirurgie
.......................................
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Frage 479
die Atemmechanik wesentlich über begleitende
Komorbiditäten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus usw., einen Einfluss auf
das pulmonale Risiko zu haben.
Für Patienten mit einer chronisch obstruktiven
Lungenerkrankung (COPD) besteht je nach Krankheitsintensität ein 3- bis 4fach erhöhtes Risiko für
pulmonale Komplikationen. Dabei sind folgende
klinischen bzw. diagnostischen Parameter richtungsweisend:
– Grad der Atemwegsobstruktion (leicht, mittel,
schwer).
– Einsatz von Bronchodilatatoren präoperativ.
– Pathologische strukturelle Veränderungen, die
im Röntgen-Thorax sichtbar werden.
– Auch ist ein präoperativer Nikotinabusus signifikant mit dem Auftreten von pulmonalen
Komplikationen vergesellschaftet. Dabei sind
nicht nur die Packungsjahre (Anzahl der Packungen pro Tag × Anzahl der Jahre) ausschlaggebend (2- bis 6fache Erhöhung). Eine präoperative Nikotinkarenz kann in Abhängigkeit von
deren Dauer diesem gesteigerten Risiko entgegenwirken. Eine Reduktion des Risikos um ca.
25 % ist nach 2 Monaten Karenzzeit zu beobachten, während 6 Monate Karenz das pulmonale Risiko weitgehend normalisieren.
Operationsbedingte Risikofaktoren stellen insbesondere alle Eingriffe bzw. Verletzungen dar, die
im Thorax und Oberbauch vorhanden sind. Die
pathophysiologische Grundlage dieses gesteigerten pulmonalen Risikos ist vor allem durch eine
reduzierte Lungenfunktion zu erklären. Thorakotomien und Oberbaucheingriffe können zu einer
50 %igen Reduktion der Vital- und funktionellen
Residualkapazität führen, die erst nach 10 – 14
Tagen wieder präoperative Werte erreichen. Als
Folge dieser durch flache Atmung gekennzeichneten verminderten Belüftung entstehen Atelektasen
mit konsekutiver Hypoxie, interstitiellem Lungenödem und deutlich gesteigertem Infektionsrisiko.
Daher hat sich in den letzten Jahren zunehmend
eine suffiziente Schmerztherapie (z. B. thorakale
Periduralanalgesie) durchgesetzt, um die Atemexkursion problemlos für den Patienten zu ermöglichen und den Kreislauf bereits initial unterbrechen zu können.
Frage 483
.......................................
welchen respiratorischen Komplikationen muss
? Mit
postoperativ gerechnet werden?
Operative Intensivmedizin
! Erkrankungen der Atmungsorgane gehören zu den
wichtigsten Determinanten der perioperativen
Morbidität und Mortalität. Sie sind bei allgemeinchirurgischen Patienten für ca. 30 % der letalen perioperativen Komplikationen verantwortlich, bei
thoraxchirurgischen Patienten für bis 50 % der Todesfälle. Folgende Störungen können einzeln oder
in Kombination dafür verantwortlich sein:
– Reduktion des Atemantriebs,
– beeinträchtigte Lungenmechanik,
– Änderungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses,
– Störung des pulmonalen Gasaustauschs,
– symptomatische und stille Aspiration,
– Reduktion der Bronchialclearance.
Frage 484
.......................................
Risikofaktoren bestehen für perioperative
? Welche
pulmonale Komplikationen?
! Generell ist zwischen patientenbedingten und
operationsbedingten Risikofaktoren zu unterscheiden. Für die Abschätzung des patientenseitigen pulmonalen Risikos sind die anästhesiologischen Risikogruppierungen (z. B. ASA-Klassifikation) gut geeignet, obwohl diese nicht speziell für
pulmonale Risiken erarbeitet wurden. Daraus ergibt sich, dass der Allgemeinzustand des Patienten
einen wesentlichen Risikofaktor für perioperative
pulmonale Komplikationen darstellt. Dieser
scheint zusammen mit einer im Alter erhöhten
Komorbidität für eine gewisse Korrelation zwischen Alter und pulmonaler Komplikationsrate
verantwortlich zu sein, während das Alter des Patienten per se kein erhöhtes Risiko darstellt. In
vergleichbarer Weise scheint Adipositas trotz der
daraus resultierenden direkten Auswirkungen auf
Frage 485
.......................................
?
Nach welchen Kriterien kann die Sauerstoffversorgung beurteilt werden?
! Für die Sauerstoffversorgung des Organismus ist
die Menge des im Blut transportierten Sauerstoffs
pro Zeiteinheit ein entscheidender Parameter.
Diese Menge ist jedoch nicht direkt messbar, sondern kann nur anhand verschiedener anderer
102 . . . . . . . . . .
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Wenn das durch die Bikarbonatgabe vermehrt anfallende CO2 jedoch nicht adäquat abgeatmet werden kann, kann eine Akkumulation in Myokardund Hirnzellen Funktionsstörungen auslösen. Aufgrund der Nebenwirkungen einer Bikarbonatgabe
mit Hyperosmolarität, Hypokaliämie, Hypernatriämie und Hypervolämie wird bei höheren pHWerten von vielen Klinikern Zurückhaltung empfohlen. Eine unter Reanimationsbedingungen
häufig empfohlene und vorgenommene Applikation von Bikarbonat zur Verbesserung der Defibrillation und des Überlebens bei akutem Herzversagen ist bisher weder tierexperimentell sicher
belegt noch evidenzbasiert gut unterstützt.
die postoperative Lungenfunktion bei resezie? Kann
renden Lungenoperationen vorhergesagt werden?
fert einen Anhalt, welches Ausmaß an Lungenresektion für die Erhaltung einer hinreichenden Lebensqualität und pulmonalen Funktion nicht
überschritten werden darf. Mit Hilfe verschiedener Bildgebungsverfahren (Ventilations-Perfusions-Szintigraphie, Plethysmographie, Ergometrie,
Spirometrie usw.) wird die funktionelle Operabilität ermittelt. Bei der Beurteilung der verbleibenden Lungenfunktion ist jedoch nicht nur die
Menge des zu resezierenden Lungengewebes zu
berücksichtigen, sondern vor allem dessen funktionelle Bedeutung. So kann durch die Entfernung
schlecht ventilierten bzw. perfundierten Lungengewebes eine verbesserte Funkionalität des Restgewebes (Wegfall von Shuntvolumina, reaktive
Umverteilungen usw.) erreicht werden, die teilweise sogar zu einer partiellen Verbesserung der
Lungenfunktion führt.
Eine Prädiktion des pulmonalen Risikos ist bisher
zuverlässig nicht möglich. Die prognostisch bedeutsamste Größe ist die funktionelle Einsekundenkapazität bei forcierter Exspiration (FEV1),
vor allem wenn die potenziell verbleibende
FEV1post abgeschätzt wird. Das kann mit Hilfe
einer empirischen Formel nach Zeiher
5.1
! Die präoperative Lungenfunktionsdiagnostik lie-
FEV1post = FEV1prä × (1-[S × 0,0526])
erfolgen, wobei S die Anzahl der zu resezierenden
Lungensegmente darstellt. Alternativ kann eine
vereinfachte Abschätzung bei Vorliegen einer Ventilations-Perfusions-Szintigraphie vorgenommen
werden:
FEV1post = FEV1prä × kontralaterale Perfusion [%]
Frage 487
.......................................
Stoffwechselveränderungen sind bei Leberin? Welche
suffizienz zu berücksichtigen?
! Bei der schweren Leberinsuffizienz sind neben
einer häufig ausgeprägten Katabolie sowie Anstieg
des Ammoniaks Verschiebungen der Aminosäurerelationen im Serum zu beobachten (Aminosäureimbalanzen). Während die schwefelhaltigen
und aromatischen Aminosäuren (Methionin, Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan) aufgrund ihres ungenügenden Abbaus in der Leber in ihrer Serumkonzentration ansteigen, fallen die verzweigtkettigen Aminosäuren (Valin, Leucin, Isoleucin) ab.
Durch die an der Bluthirnschranke vorhandenen
kompetitiven Transportmechanismen treten die
aromatischen Aminosäuren verstärkt in die Hirn-
..........
103
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Allgemeinchirurgie
CaO2 = SO2 × Hb × 1,34
Da die Bindung von O2 an Hämoglobin nach einer
sigmoidalen Kurve verläuft, sind die Auswirkungen von Veränderungen des O2-Partialdruckes abhängig von seiner absoluten Höhe. Im oberen Sättigungsbereich, der ab ca. 80 mm Hg PaO2 beginnt,
ist die Zunahme der SO2 auch bei starker Erhöhung der O2-Konzentration gering, da bei
80 mm Hg bereits 98 – 99 % des Hämoglobins vollständig mit O2-Molekülen gesättigt ist. Verschiebungen der O2-Bindungskurve durch Änderungen
der Temperatur, des CO2-Gehalts und des pH-Wertes des Blutes spielen in der klinischen Praxis
keine wesentliche Rolle.
Da der CaO2 nicht direkt gemessen werden kann,
wird zur Beurteilung der O2-Versorgung in der
Regel auf den PaO2 ausgewichen. Dieser Parameter
korreliert jedoch nur mit der relativen Menge an
O2, die transportiert wird, berücksichtigt aber
nicht die absolute Transportkapazität, d. h. den
Hämoglobingehalt. Es haben aber beispielsweise
der Abfall des Hb von 10 auf 9 mg/dl und eine
Reduktion der SO2 von 99 auf 90 % für die O2-Versorgung des Organismus etwa die gleichen Konsequenzen.
Als dritter Parameter ist das Herzzeitvolumen
(HZV) zu beachten, das durch die Menge transportierten O2-beladenen Hämoglobins das O2-Angebot und die O2-Versorgung regelt. In dem o.g. Beispiel würde die Reduktion der CaO2 einem Abfall
des HZV um 10 % entsprechen bzw. kann durch
einen entsprechenden Anstieg vom Organismus
vollständig kompensiert werden. Weitgehend unabhängig vom O2-Angebot (DO2) ist bei der Beurteilung der O2-Versorgung der Gewebe noch deren
Verwertungsmöglichkeit zu berücksichtigen.
Frage 486
.......................................
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Messgrößen abgeleitet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl die chemische Bindung
des O2 als auch die physikalische Löslichkeit im
Blut grundsätzlich berücksichtigt werden müssen.
Letztere wird von der O2-Konzentration der Atemluft und dem zugehörigen Partialdruck PO2 (dieser
hängt mit dem Luftdruck zusammen) bestimmt.
Es besteht eine direkte Proportionalität zwischen
der Menge physikalisch gelösten O2 im Blut und
dem O2-Partialdruck der Atemluft bzw. des Blutes
(PaO2), die Gesamtmenge ist jedoch weitgehend
zu vernachlässigen.
Von erheblich größerer Bedeutung ist die Menge
des an Hämoglobin gebundenen O2, d. h. die Anzahl tatsächlich transportierter O2-Moleküle. Dieser O2-Gehalt des Blutes (CaO2) ist vom Hämoglobingehalt, der Sauerstoffsättigung SO2 (d. h. des
Anteils an Hämoglobin, der tatsächlich vollständig
mit O2 gebunden ist) und der Bindungskapazität
des Hämoglobins Hb (1,34 ml O2/g Hb) abhängig.
Frage 488
.......................................
die Produktion und Resorption von Ammoniak
? Kann
im Rahmen des Leberversagens therapeutisch beeinflusst werden?
Operative Intensivmedizin
! Die Produktion von Ammoniak hängt zu einem
wesentlichen Teil von der Menge an zu verstoffwechselnden Aminosäuren, d. h. von der zugeführten Proteinmenge ab. Bei akutem Leberversagen
sollte die Proteinzufuhr daher reduziert werden
(ca. 20 g/d). Als zweite Quelle von Ammoniak
muss die bakterielle Produktion im Darm beachtet
werden. Diese kann ebenfalls reduziert werden,
indem ein forcierter Transport durch den Darm
induziert wird. Enteral zugeführte Laktulose
wirkt abführend und vermindert gleichzeitig den
pH-Wert des Stuhles, wodurch zusätzlich eine verminderte Resorption von Ammoniak erreicht wird.
Zusätzlich bewirkt eine selektive Darmdekontamination (z. B. mit enteral appliziertem Neomycin)
eine Keimreduktion des Darmes.
Frage 489
.......................................
Leberersatzverfahren können eingesetzt
? Welche
werden?
! Bisher war es nicht möglich, die anfallenden Giftstoffe dem Körper ausreichend zu entziehen. Insbesondere hohe Bilirubinspiegel als auch Ammoniakwerte führen zu sichtbaren Einschränkungen
des Bewusstseins bis zur Beatmungspflichtigkeit.
Verschiedene Ansätze wurden zur Durchbrechung
des pathogenetischen Kreislaufs des Leberversagens entwickelt. Neben der Plasmapherese wurden zellfreie und zellgestützte Systeme entwickelt. Das derzeit am weitesten verbreitete zellfreie MARS-Verfahren basiert auf einer speziellen
Membran mit einem zwischengeschalteten Albuminkreislauf. Über eine spezielle Membran können durch freie Diffusion die freien und an Albumin gebundenen Toxine aus dem Blut sowie auf
der Dialysatseite das über einen Adsorber aufgereinigte Albumin passieren. In dieses System integriert ist eine zweite Dialysestufe, die der normalen Nierendialyse entspricht. Dieses Verfahren
kann so lange kontinuierlich angewendet werden,
wie der Adsorber Aufnahmekapazität bietet, was
insbesondere vom Bilirubinspiegel abhängt. Mit
diesem Prinzip gelingt es, die Entgiftungsfunktion
der Leber durch Reduzierung des Bilirubinspiegels
und anderer Toxine zu entlasten. Gleichzeitig wird
dadurch die Synthesefunktion der Leber stimuliert
(Verbesserung der Gerinnungs- und Cholinesterasewerte).
Insgesamt bestehen bisher noch begrenzte Erfahrungen mit Leberersatzverfahren, sodass die Indikationen und Einsatzbereiche noch wenig evidenzbasiert sind. Grundsätzlich kommen diese
Verfahren jedoch bei folgenden Indikationen in
Frage:
– Lebensbedrohliches therapierefraktäres Leberversagen auf der Basis einer chronischen Vorerkrankung und Einsetzen mindestens einer Komplikation (z. B. Coma hepaticum, Nierenversagen) sowie anderweitig infauster Prognose.
– Akutes Leberversagen aus völliger Gesundheit
heraus (Intoxikation, Lebertrauma nach Unfall).
– Intrahepatische Cholestase (Bilirubinspiegel
10fach erhöht).
– Schwere hepatozelluläre Synthesestörungen
(Quick kleiner 50 % ohne Substitution oder
Cholinesterase kleiner als 60 µmol/l*s).
– Überbrückung bis zur Lebertransplantation,
wenn deren Einschlusskriterien erfüllt sind.
Frage 490
.......................................
erfolgt die Prophylaxe einer postoperativen Ke? Wie
toazidose bei Diabetikern?
! Sowohl intra- als auch unmittelbar postoperativ
sind Kontrollen des Blutzuckerspiegels bei größeren chirurgischen Eingriffen obligat. Zur Vermeidung einer Ketoazidose sollte der Blutzuckerspiegel postoperativ bei Serumwerten ⬍ 250 mg/dl
eingestellt werden. Mit den perioperativen Infusionslösungen sollte eine kontinuierliche Kaliumsubstitution (ca. 5 mmol KCl/h) unter regelmäßiger Elektrolytkontrolle durchgeführt werden. Bei
Insulinabhängigkeit wird zunächst die Hälfte der
normalen Tagesdosis des Patienten verteilt über
24 h appliziert, um das Ausmaß der Stoffwechselbeeinflussung abschätzen zu können.
Schwankungen des Blutzuckerspiegels werden
mittels individuellem Insulindosierungsplan als
Stufenschema festgelegt. Aufgrund der Schwankungen des Blutzuckerspiegels in der frühen postoperativen Phase eignen sich dabei wegen der
besseren Steuerbarkeit kurz wirksame Insuline
(z. B. Altinsulin), während in der Basistherapie länger wirksame Insuline kombiniert werden können. Aufgrund der Neigung zur Dehydratation ist
die Volumensubstitution perioperativ großzügig
zu gestalten.
104 . . . . . . . . . .
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zellen über und sind über die Bildung „falscher“
Neurotransmitter an der Auslösung der hepatischen Enzephalopathie mitbeteiligt. Gleichzeitig
wird der kompetitive Mangel an verzweigtkettigen Aminosäuren für den fehlenden Abtransport
der im Liquor erhöhten Ammoniakmengen verantwortlich gemacht.
rapie sollen in der postoperativen Phase normoglykämische Werte eingestellt werden, d. h. Insulingaben erfolgen bereits bei Blutzuckerspiegeln
über 100 mg/dl, wogegen nach den konventionellen Therapieschemata Interventionen erst ab Serumwerten ab 250 mg/dl vorgenommen werden.
Ziel dieses Therapieregimes ist eine verminderte
postoperative Komplikationsrate bezüglich Wundheilungsstörungen und Insuffizienzraten. Nachteilig ist die größere Gefahr von Hypoglykämien mit
den entsprechenden Folgen für den Elektrolythaushalt (Hypokaliämie) und kardiozirkulatorischen
Funktionen
(Herzrhythmusstörungen,
Schock).
Frage 492
.......................................
therapeutischen Maßnahmen sind bei diabe? Welche
tischer Ketoazidose oder hyperosmolarer nichtketotischer Hyperglykämie notwendig?
! Patienten, die im postoperativen Verlauf eine diabetische Ketoazidose oder hyperosmolare nichtketotische Hyperglykämie entwickeln, sind immer
dehydriert. Der Flüssigkeitsbedarf bei hyperosmolarer nichtketotischer Hyperglykämie zur Wiederherstellung einer Isovolämie ist erheblich und
kann bis zu 10 l Infusionsmenge betragen. Unter
kontinuierlicher Überwachung des zentralvenösen
Druckes und der Beachtung kardialer Vorerkrankungen muss die Flüssigkeit bei gleichzeitiger
adäquater Kaliumsubstitution aggressiv infundiert
werden. Zu beachten sind falsch hohe Serumspiegel des Kaliums, die durch die Azidose verursacht
werden und den tatsächlich vorliegenden Kaliummangel verschleiern. Die Senkung des Blutzuckerspiegels mittels Insulin muss langsam (maximal
100 mg/dl/h) erfolgen, um ein durch die Veränderungen der Osmolarität mögliches Hirnödem zu
verhindern.
Frage 493
.......................................
viel Glucocorticoide produziert die Nebennieren? Wie
rinde täglich?
! Die Nebennierenrinde eines gesunden Erwachsenen sezerniert täglich etwa 15 – 60 mg Cortisol
und 1 – 2 mg Corticosteron mit einem ausgeprägten zirkadianen Rhythmus. Dabei treten in den
frühen Morgenstunden (Maximum ca. 6 – 9 Uhr)
etwa 3fach höhere Plasmaspiegel als in den
Nachtstunden (Minimum 0 – 3 Uhr) auf. Unter
Frage 494
.......................................
Symptome weisen auf eine Nebennierenrin? Welche
deninsuffizienz hin?
! Bei der primären Form der Nebennierenrindeninsuffizienz, bei der die Nebenniere direkt geschädigt ist (z. B. Einblutungen, Karzinommetastasen),
fallen die Glucocorticoid- und die Mineralocorticoidproduktion aus. Im Gegensatz dazu ist bei
der sekundären Form, die durch Störungen der
hypothalamisch-hypophysären Regulation (z. B.
bei längerfristiger Steroidmedikation) verursacht
wird, nur die Glucocorticoidsekretion betroffen.
Da Mineralocorticoide im Wesentlichen nicht der
ACTH-Regulation unterliegen, fehlen bei den unter
Intensivbedingungen häufigeren sekundären Insuffizienzen Störungen des Mineralstoffwechsels.
Ein Mineralocorticoidmangel löst eine veränderte
Resorption in der Niere aus und führt zu Hyponatriämie, Hypochlorämie, Hyperkaliämie und Hypovolämie (hypotone, extrazelluläre Dehydratation mit konsekutiver intrazellulärer Hyperhydratation) mit den dazugehörigen Sekundärerscheinungen. Durch einen Mangel an Glucocorticoiden
werden Störungen des Kohlenhydrat-, Fett- und
Eiweißstoffwechsels mit Hypoglykämie und Gewichtsverlust, Veränderungen des Blutbildes (normozytäre Anämie, Leukozytopenie, Eosinophilie,
Lymphozytose) und zentralnervöse Störungen
(Antriebsschwäche, depressive Stimmung) hervorgerufen. Eine Hypoazidität des Magens und Pigmentveränderungen der Haut werden unter intensivmedizinischen Bedingungen in der Regel nicht
evident.
5.1
! Nach dem Konzept der intensivierten Insulinthe-
Frage 495
.......................................
Substitution eignet sich bei akuter Neben? Welche
nierenrindeninsuffizienz?
! Grundsätzlich beruht die Substitution bei Nebennierenrindeninsuffizienz auf der Überlegung, dass
ein absoluter oder relativer Mangel an physiologisch sezernierten Corticoiden ersetzt werden
muss. Daher eignen sich alle Corticoide, deren
Gluco- bzw. Mineralocorticoidwirkung den physiologischen Wirksamkeiten entsprechen, d. h.
ohne erhöhtes antiphlogistisches Potenzial.
Da bei Intensivpatienten am häufigsten ein Cortisolmangel besteht, ist seine direkte Substitution
(in Form von Hydrocortison) am physiologischsten. Alternativ kann Prednison/Prednisolon eingesetzt werden, wobei bei diesen Derivaten eine 4fa-
..........
105
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Allgemeinchirurgie
beinhaltet eine intensivierte postoperative Insu? Was
lintherapie?
Stressbedingungen können bis zu 240 mg pro Tag
ausgeschüttet werden. Die Plasmahalbwertzeit
des Cortisols beträgt beim Menschen etwa 1,7 h.
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Frage 491
.......................................
Frage 496
.......................................
? Wann ist eine Hyperkalzämie symptomatisch?
! Eine Hyperkalzämie besteht bei Serumspiegeln
⬎ 2,5 – 2,6 mmol/l (1,23 mmol/l ionisiertes Calcium). Bei Hypalbuminämie bzw. Hypoproteinämie
reduziert sich die Bindungskapazität für Calcium
(– 0,4 mmol/l bei – 10 g/l Gesamtprotein), sodass
bei gleichem Gesamtcalcium die entscheidende
Menge freien Calciums unterschiedlich sein kann.
Die häufigste Ursache einer Hyperkalzämie bei Intensivpatienten sind Malignome (z. B. osteoklastische Metastasen). Als akute Symptome treten allgemeine Schwäche und Unwohlsein, Lethargie,
Verwirrtheitszustände, Übelkeit, Erbrechen, paralytischer Ileus sowie polyurisches Nierenversagen,
Bradykardie und Herzstillstand auf. Diese Symptome zeigen sich jedoch meist erst bei höheren
Calciumspiegeln (⬎ 2,8 – 3 mmol/l).
Frage 497
.......................................
sind Störungen der Calciumhomöostase be? Wann
handlungspflichtig?
! Eine symptomatische Hyperkalzämie ist eine lebensbedrohliche Situation, bei der eine rasche
symptomatische Therapie erforderlich ist. Mäßige
bzw. asymptomatische Hyperkalzämien können
dagegen unter regelmäßiger Kontrolle des Serumcalciums beobachtet werden. Gravierende Hyper-
kalzämien sind auch bei fehlender Symptomatik
aggressiv zu therapieren. Die symptomatische
Therapie zielt darauf ab, eine schnelle Senkung
des Calciumspiegels und eine Normalisierung der
begleitenden Veränderungen des Wasser- und
Elektrolythaushalts zu erreichen. Rehydrierung
und forcierte Diurese (auch mit Furosemidstimulation) sind die effektivsten Maßnahmen zur Senkung des Calciumspiegels (renale Calciumausscheidung bis 2 g/d). Bei Patienten mit gleichzeitigem Nierenversagen oder lebensbedrohlicher, vor
allem kardialer Symptomatik ist eine Hämodialyse
indiziert. Andere Therapieformen, wie Osteoklasteninhibitoren, Corticosteroide oder Mitramycin,
weisen einen verzögerten Wirkeintritt auf und
sind für die Akuttherapie nicht geeignet. Die Anwendung von Phosphaten kann bei therapieresistenten Hyperkalzämien vorgenommen werden,
sollte jedoch aufgrund eines deutlich erhöhten Risikos (Calciumphosphatausfällungen in der Lunge)
nur bei fehlenden Dialysemöglichkeiten in Betracht gezogen werden.
Bei der Interpretation von Hypokalzämien ist zu
berücksichtigen, dass nur die freie ionisierte Form
des Calciums funktionell bedeutsam ist. Diese
stellt unter physiologischen Bedingungen etwa
50 % des Gesamtserumcalciums dar. Bei Hypalbuminämie kommt es zu einer begleitenden Reduktion des Gesamtserumcalciums (1 g/100 ml Albumin entspricht einem Gesamtcalcium von ca. 0,2
mmol/l). Die Indikation zur Substitution von Calcium sollte daher von Messungen des ionisierten
Calciums oder der klinischen Symptomatik und
nicht vom Gesamtcalciumspiegel abhängig gemacht werden. Eine klinische Symptomatik ist
im Allgemeinen erst bei Serumwerten des ionisierten Calciums unter 1,0 mmol/l zu erwarten
(Normalwert 1,12 – 1,23 mmol/l). Da bei Patienten
mit zentralnervösen oder neuromuskulären
Symptomen der Hypokalzämie die Gefahr von
Krampfanfällen und Laryngospasmus besteht,
muss bei diesen Patienten eine Substitution von
200 – 300 mg Calcium vorgenommen werden.
m Cave: Infusionsgeschwindigkeit bei i. v. Applikation.
Ohne klinische Symptomatik sollte die Substitution insbesondere postoperativ bzw. posttraumatisch kritisch gesehen werden, da ein zu hohes
Calciumangebot die Gefahr extraossärer Verkalkungen in Wundbereichen und Muskulatur birgt.
Frage 498
.......................................
? Wie äußert sich eine thyreotoxische Krise?
! Eine thyreotoxische Krise tritt heute nahezu ausschließlich bei Patienten mit unbehandeltem bzw.
unzureichend therapiertem Morbus Basedow auf,
bei denen durch eine akute Stressituation eine De-
106 . . . . . . . . . .
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Operative Intensivmedizin
che antiphlogistisch-immunsuppressive Wirkung
und verminderte Mineralocorticoidwirksamkeit
besteht. Andere Derivate, wie Triamcinolon, Methylprednisolon, Dexamethason sind für diese Indikation nicht geeignet. Die Applikation sollte
möglichst den zirkadianen Rhythmus imitieren
(z. B. 2/3 der Tagesdosis früh, 1/3 zeitiger Nachmittag) und für die Dauer der Postaggressionsphase
mit allmählich sinkenden Tagesdosen erfolgen. Bei
sekundärer Nebennierenrindeninsuffizienz bei Patienten mit Corticosteroiddauermedikation richtet
sich der Bedarf nach der Höhe der Dauermedikation. Grundsätzlich sind alle Patienten, die eine
orale Medikation von Corticosteroiden innerhalb
der letzten 3 Monate hatten, in ihrer Nebennierenrindenfunktion supprimiert. Entsprechend des zu
erwartenden perioperativen Stresses muss die
Substitution bereits präoperativ begonnen werden
und in Abhängigkeit vom operativen Trauma dosiert werden. In der postoperativen Phase hat sich
bei unkompliziertem Verlauf eine Dosishalbierung
alle 2 Tage bis zum Erreichen der präoperativen
Dosis als ein für viele Patienten praktikables Schema erwiesen, das dem Postaggressionsbedarf gut
entspricht.
kompensation des Stoffwechsels ausgelöst wird.
In diesen Fällen treten hohes Fieber mit profuser
Perspiration,
gastrointestinalen
Symptomen
(Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen),
Somnolenz bis Koma und kardiozirkulatorischen
Problemen (Tachykardie, kardiale Stauung, Hypotonie und Dehydratation) auf.
– Protein C: 1,5 – 6 h,
– Protein S: 24 – 48 h,
– Protein Z: 24 – 48 h.
Die Plasmahalbwertzeiten können bei erhöhtem
Verbrauch (z. B. disseminierte intravasale Gerinnung, Sepsis) deutlich verkürzt sein. Bei der Applikation ist zu berücksichtigen, dass alle Präparate Heparin enthalten (bis 0,5 IE pro Einheit Faktor
IX).
Frage 499
.......................................
! Gefrorenes Frischplasma (FFP) enthält ca. je 1 Einheit aller gerinnungsaktiven Blutbestandteile und
Inaktivatoren pro ml FFP. Aufgrund der individuellen Schwankungen der Spender können jedoch
chargenabhängig Unterschiede auftreten. Ein Anstieg des Quickwertes von 1 % ist mit der Applikation von 10 – 20 ml/kg FFP zu erzielen. Die Halbwertzeit entspricht theoretisch den physiologischen Umsätzen der Gerinnungsfaktoren, ist jedoch unter Intensivbedingungen (Katabolie, Leberinsuffizienz, Blutungsverluste, erhöhter Verbrauch usw.) in der Regel verkürzt. Da die Halbwertzeiten der einzelnen Faktoren auch physiologischerweise sehr differieren, kommt es bei anhaltendem Ersatz von Gerinnungsfaktoren mittels
FFP zu Imbalanzen zwischen den Faktoren. Daher
eignet sich FFP nur zur globalen Substitution aller
Gerinnungsfaktoren und Inaktivatoren bei kurzfristigem Einsatz. Ein längerfristiger Ersatz einzelner Komponenten des Gerinnungssystems sollte
nach Möglichkeit entsprechend der jeweiligen Defizite gezielt erfolgen.
5.1
beschreiten:
– Hemmung der Hormonproduktion und
– Blockade bzw. Inhibition der peripheren Hormonwirkung.
Mit ersterem Ziel können Propylthiouracil (hemmt
Hormonsynthese und T3-T4-Konversion), Jodid
(blockiert in gesättigter Form die Hormonfreisetzung) und Hydrocortison (hemmt indirekt Hormonfreisetzung) eingesetzt werden. Betarezeptorenblocker
dagegen
antagonisieren
die
Hormoneffekte am Herzmuskel und beeinflussen
symptomatisch die gefährliche Tachykardie und
kardiale Stauung. Gleichzeitig ist häufig eine Volumensubstitution zur Beseitigung der Dehydratation notwendig. Beim Einsatz von antipyretischen
Medikamenten ist darauf zu achten, dass durch
diese Substanzen (z. B. Acetylsalicylsäure) Schilddrüsenhormon aus seiner Proteinbindung verdrängt wird, wodurch eine Erhöhung von deren
freiem, d. h. wirksamem Anteil mit Verstärkung
der Symptomatik induziert werden kann.
sollte gefrorenes Frischplasma eingesetzt wer? Wann
den?
Frage 500
.......................................
Effekte auf das Gerinnungssystem sind vom
? Welche
Einsatz von PPSB zu erwarten?
! Der Prothrombinkomplex (PPSB) enthält die Faktoren II, VII, IX und X sowie die Proteine C, S und Z,
die aus kryopräzipitierten Plasmapools durch Ionenaustauschchromatographie gewonnen werden.
Die Gerinnungsfaktoren sind als Prothrombinkomplex prokoagulatorisch wirksam, die Proteine
C und S sind inhibitorische Bestandteile, Protein Z
wirkt dagegen regulatorisch mit pro- und antikoagulatorischer Komponente. Eine Einheit PPSB/kg
hebt den Quickwert bei intravenöser Applikation
um ca. 1 %. Die Halbwertzeiten der einzelnen Komponenten sind unterschiedlich:
– Faktor II (Prothrombin): 48 – 60 h,
– Faktor VII (Prokonvertin): 1,5 – 6 h,
– Faktor IX (antihämophiles Globulin B):
20 – 24 h,
– Faktor X (Stuart-Prower-Faktor): 24 – 48 h,
Frage 502
.......................................
? Beeinflusst Hydroxyethylstärke die Gerinnung?
! Seit der Einführung der modernen Volumenersatzlösungen gibt es eine anhaltende Diskussion über
die Auswirkungen von Hydroxyethylstärke (HES)
auf die Gerinnung. Dabei stehen funktionelle Gerinnungsparameter der Labordiagnostik und die
subjektive Einschätzung vieler operativ Tätiger in
einem andauernden Widerspruch. In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass der Einsatz von
HES zur perioperativen Volumensubstitution
keine signifikanten Veränderungen der routinemäßig erhobenen Gerinnungsparameter hervorruft. In
den letzten Jahren hat sich das Verständnis der Gerinnungshomöostase und der Funktion der Thrombozyten jedoch erheblich gewandelt. Die bisher
überwiegend genutzten Parameter (TPZ/Quick,
PTT, TZ, Thrombozytenelastogramm, quantitative
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Allgemeinchirurgie
! Eine Akuttherapie kann zwei prinzipielle Wege
Frage 501
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Akuttherapie ist bei einer thyreotoxischen
? Welche
Krise erforderlich?
Frage 503
.......................................
?
Wann besteht bei akutem Blutverlust die Indikation
zur Substitution von Erythrozytenkonzentraten?
Operative Intensivmedizin
! Die Indikationen sind in Leitlinien der Bundesärztekammer geregelt. Bei akutem Blutverlust, z. B.
während Operationen, hat die Aufrechterhaltung
des Sollblutvolumens erste Priorität. Ein akuter
Blutverlust von 30 % des Blutvolumens lässt sich
in aller Regel durch alleinige Volumengabe voll
kompensieren. Auch bei größeren Blutverlusten
mit einem Absinken des Hämatokrits unter 30 %
ist eine restriktive Indikationsstellung für die
Gabe von Erythrozytenkonzentraten am Platze.
Patienten mit normaler Herz-Kreislauf-Funktion
tolerieren i.A. einen isovolämischen Abfall des Hämatokrits bis 20 % (Hämoglobinwert 7,0 – 6,0 g/dl
bzw. 4,3 – 3,7 mmol/l) ohne Zeichen einer hypoxischen Schädigung des Herzens oder anderer Organe (Gehirn, Niere, Leber). Bei Patienten mit bekannten Organschäden, insbesondere des Herzens
(z. B. Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris),
und älteren Patienten ist die Indikation zur Erythrozytentransfusion aufgrund einer individuellen
Risikoabschätzung zu stellen, wobei im Allgemeinen Hämoglobinwerte von 8,0 – 10,0 g/dl bzw.
4,9 – 6,1 mmol/l angestrebt werden.
Erythrozytenkonzentrate haben etwa einen Hämatokrit von 70 %. Bei dem üblichen Gehalt von
250 – 300 ml kann daher bei der Transfusion von
einem Erythrozytenkonzentrat beim Erwachsenen
ein Anstieg des Hämatokrit um ca. 3 % und der
Hämoglobinkonzentration um ca. 1 g/dl erreicht
werden.
Frage 504
.......................................
Effekte sind mit Thrombozytenkonzentraten
? Welche
zu erzielen?
! Ein Thrombozytenkonzentrat enthält bei Herstellung als Poolpräparat ca. 240 – 360 × 109 Blutplättchen, die in 200 – 350 ml Plasmaersatzlösung
(Restplasmagehalt 30 – 40 %) suspendiert sind.
Apheresekonzentrate eines einzelnen Spenders
enthalten ca. 200 – 400 × 109 Thrombozyten in
200 – 300 ml Plasma. Während der Präparation
werden die Thrombozyten funktionsinaktiviert.
Nach der Transfusion verteilen sich die Thrombozyten als zirkulierender Pool und in der Milz. Im
peripheren Blut sind ca. 60 – 70 % der transfundierten Thrombozyten wieder zu finden (Recoveryrate). Diese Recoveryrate ist nach Splenektomie erhöht und bei Hypersplenismus erniedrigt. Therapeutisch sollte mit einem Thrombozytenkonzentrat ein Anstieg der Thrombozytenzahl im peripheren Blut um mindestens 10 Gpt/l bzw.
10.000/mm3 erzielt werden. Die Halbwertzeit der
transfundierten Thrombozyten in der Zirkulation
des Empfängers ist aufgrund einer gewissen präparationsbedingten Vorschädigung dieser Zellen
etwas verkürzt und beträgt je nach Lagerungszeit
ca. 5 Tage, wobei sich für 7 – 10 Tage transfundierte Thrombozyten im Blut nachweisen lassen.
Frage 505
.......................................
physiologische Energieausbeute liefern die
? Welche
unterschiedlichen Substrate der parenteralen Ernährung?
! Bei der Verwertung von Kohlenhydraten werden je
nach Substrat (Glucose, Xylit, Glycerin) 375 – 450
kcal/100 g freigesetzt, die in ca. 21 – 23 Mol ATP
gespeichert sind. Bei der Verbrennung von Fetten
liegt der durchschnittliche Brennwert bei 940
kcal/100 g mit einer ATP-Produktion von 51 Mol.
Beim Abbau von Proteinen hängt der physiologische Brennwert von der Aminosäurezusammensetzung ab, da einzelne Aminosäuren leicht unterschiedliche Brennwerte besitzen (Durchschnitt
425 kcal/100 g mit 24 Mol ATP). Der Unterschied
zu den physikalischen Brennwerten ergibt sich aus
dem Energiebedarf von Zwischenschritten (z. B.
Synthese von Acetyl-CoA), der dem Verwertungsprozess „entzogen“ wird.
Frage 506
.......................................
kann eine frühenterale Ernährung vorgenommen
? Wie
werden?
! Bei den industriell hergestellten bilanzierten Diäten stehen für eine frühe enterale Ernährung prinzipiell die hochmolekularen nährstoffdefinierten
und niedermolekularen chemisch definierten Diäten zur Verfügung. Die quantitative Zusammensetzung dieser Standardnahrungen orientiert sich
an den einschlägigen Leitlinien. Deren Energiedichte beträgt 1 kcal/ml. Die Resorptionsraten beider Formen der enteralen Ernährungen sind vergleichbar. Der Stellenwert von mit immunstimulierenden Substraten angereicherten Diäten
(lmmunonutrition) für eine frühe enterale Ernährung zur Prophylaxe septischer Komplikationen
nach großen Operationen oder schwerem Trauma
108 . . . . . . . . . .
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Bestimmung einzelner Gerinnungsfaktoren) spiegeln jedoch möglicherweise die komplexen Interaktionen nicht ausreichend wider. Daher kann die
Diskussion noch nicht als abgeschlossen betrachtet
werden. Für die intensivmedizinische Anwendung
sollte daher eine mögliche Interaktion von HES mit
der Blutgerinnung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden und insbesondere bei bereits bestehender Blutungsneigung der Einsatz dieser Volumenersatzlösungen kritisch erfolgen.
ist der Postaggressionsstoffwechsel ge? Wodurch
kennzeichnet?
! Die Ernährungsregime bei Patienten mit Postaggressionsstoffwechsel müssen die erheblichen
Veränderungen berücksichtigen, die in Abhängigkeit von der Schwere der Belastungen auftreten,
aber auch individuell vor allem durch unterschiedliche hormonelle Ausstattung differieren
können. Die im Akutstadium vorherrschende
adrenerg-corticoide Phase ist gekennzeichnet
durch:
– verminderte Glucoseutilisation,
– verminderte Insulinwirksamkeit,
– gesteigerte Lipolyse,
– Proteinkatabolie,
– gesteigerte Ketogenese,
– Verschiebungen im Wasser- und Elektrolythaushalt.
Diese Phase dauert normalerweise 1 – 3 Tage, kann
aber z. B. bei Sepsis auch wesentlich länger anhalten. Der Stoffwechsel in dieser Phase wird durch
ein Übergewicht vor allem von Glucagon, Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol bestimmt. In der
nachfolgenden Übergangsphase sinken deren erhöhte Serumspiegel allmählich ab und Insulin
wird stärker wirksam (Dauer ca. 1 – 2 Wochen bei
Operationen ohne erneute Schädigungsmechanismen bzw. Komplikationen). Weiterhin bewirken
Schilddrüsenhormone und Testosteron eine allmähliche Rückkehr zur Anabolie, die sich individuell unterschiedlich über mehrere Wochen erstrecken kann.
Obwohl es eine Verschiebung der Energiebereitstellung in Richtung Kohlenhydratoxidation gibt,
kann die zelluläre Glucoseverwertung trotz erhöhter Blutzuckerspiegel (verminderte Gluconeogenese in der Leber) eingeschränkt sein (periphere
Glucoseverwertungsstörung). Insgesamt entsteht
eine diabetische Stoffwechsellage, die bei fehlender exogener Energiezufuhr rasch zu ausgeprägten
Mangelzuständen führen kann. Die Verwertung
exogener Glucose ist jedoch limitiert und beträgt
in der Regel maximal 6 g Glucose/kgKG. Bei Zufuhr
von Zuckeraustauschstoffen (z. B. Xylit) kann die
periphere Glucoseresistenz partiell umgangen
werden, was durch verminderte Alaninabgabe zu
einem proteinsparenden Effekt führt.
5.1
Frage 507
.......................................
Frage 508
.......................................
?
Gibt es spezielle Anforderungen an die parenterale
Ernährung bei Patienten mit Leberinsuffizienz?
! Die Leber stellt das zentrale Stoffwechselorgan
dar. Störungen der Leberfunktion führen zu Beeinträchtigungen im Energie- und Proteinstoffwechsel mit konsekutiven Begleiterscheinungen. Das
hepatische Koma wird als wesentlichste Komplikation maßgeblich durch eine erhöhte Ammoniakkonzentration im Plasma und Aminosäureimbalanzen ausgelöst. Eine ausgeprägte Katabolie fördert diese Vorgänge zusätzlich. Durch eine speziell
adaptierte Ernährungstherapie können diese Vorgänge reduziert werden.
..........
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Allgemeinchirurgie
Starke Veränderungen charakterisieren den Proteinstoffwechsel. Die Stickstoffverluste nehmen
mit der Schwere des Traumas und in den ersten
Tagen des Postaggressionsstoffwechsels zu und
sind zunehmend schwieriger auszugleichen. Sie
können bei schweren Traumen oder Sepsis bis zu
30 – 40 g/d betragen, was einem Abbau von ca.
200 g Protein bzw. 800 g Muskelmasse entspricht.
Die kumulative Bilanz ergibt bei einer etwa fünftägigen katabolen Akutphase einen Proteinverlust
von mehreren Kilogramm. Bei zusätzlichen nicht
stoffwechselbedingten Verlusten (Wundsekret,
Aszites, Blutungen usw.) können weitere Proteinverluste hinzukommen. Die Menge an freien Aminosäuren nimmt stark zu, wobei durch gleichzeitige Veränderungen der Synthese und Verwertung
Ungleichgewichte zwischen einzelnen Aminosäuren entstehen. Um die Proteinhydrolyse zu reduzieren bzw. zu verhindern, müssen Aminosäuren
exogen zugeführt werden, wobei sich diese nach
den auftretenden Ungleichgewichten richten müssen. Gleichzeitig muss die energetische Verwertung von Proteinen, d. h. die Oxidation von Aminosäuren, durch Zufuhr anderer Energieträger
verhindert werden, um eine positive Stickstoffbilanz zu erreichen.
Ausgelöst durch die Verschiebungen im hormonellen Gleichgewicht werden vermehrt freie Fettsäuren mobilisiert. Diese werden vor allem in der
Akutphase zur Energiegewinnung oxidiert. Durch
eine exogene Glucosezufuhr und evtl. Insulinsubstitution findet ein Rückgang der Lipolyse mit Abfall der freien Fettsäuren statt, die Proteinkatabolie wird jedoch nicht beeinflusst. Obwohl in dieser
Phase eine intensivierte Clearance von freien Fettsäuren aus dem Blut auftritt, ist eine zusätzliche
exogene Zufuhr bei bereits erhöhten Serumspiegeln von freien Fettsäuren und Triglyceriden
ohne Einfluss auf den Energiestoffwechsel und katabole Vorgänge.
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gewinnt zunehmend an Bedeutung. Inzwischen
liegen ausreichend Daten prospektiv randomisierter Studien vor, die den Einsatz der Immunonutrition in der frühen postoperativen Phase rechtfertigen und nach Kriterien der „evidence based medicine“ empfehlen. Zu den am besten untersuchten Substraten zählen Arginin, Glutamin, Omega3-Fettsäuren sowie Pyrimidin- und Purinnukleotide (RNA).
Frage 509
.......................................
setzt sich der Wasserumsatz eines Erwachsenen
? Wie
zusammen?
! Die Grundverluste setzen sich aus Urin, Hautverlusten, Verlusten über die Lungen und durch den
Stuhl zusammen und betragen pro Tag insgesamt
ca. 2,0 – 2,5 l, von denen bei normalem Stoffwechsel ca. 0,3 l durch Oxidationsprozesse endogen ergänzt werden. Dazu müssen besonders unter intensivmedizinischen Bedingungen und perioperativ folgende Verluste berücksichtigt werden:
– erhöhte Körpertemperatur je °C + 0,1 – 0,3 l,
– mäßiges Schwitzen + 0,5 l,
– starkes Schwitzen, hohes Fieber + 1,0 – 1,5 l,
– Hyperventilation + 0,5 l,
– trockene Atemluft (z. B. fehlende Anfeuchtung
bei Beatmung) + 1,0 – 1,5 l,
– offene Wunden oder Körperhöhlen + 0,5 – 3 l,
– Sekrete, Stomaverluste, Blutverluste nach Bilanz.
Frage 510
.......................................
kann der Energiebedarf eines intensivmedizini? Wie
schen Patienten geschätzt werden?
! Der Energiebedarf eines Menschen setzt sich aus
dem Grundumsatz und dem Bedarfsumsatz zusammen. Der Grundumsatz hängt neben hormonellen Faktoren wesentlich von der Körpertemperatur ab. Dabei führt eine Steigerung der Körperkerntemperatur um 1 °C zu einer Erhöhung des
Grundumsatzes um 15 %. Der Bedarfsumsatz richtet sich nach dem Energieverbrauch aller Organe,
der insbesondere im Postaggressionsstoffwechsel
und bei schwer kranken Patienten starken
Schwankungen unterliegt. Unter physiologischen
Bedingungen sind ca. je 1/4 des Energieverbrauchs
für Leber und Skelettmuskulatur erforderlich, 1/5
wird für das Zentralnervensystem benötigt und
je 1/10 für Herztätigkeit und Nierenfunktion.
Einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss haben
therapeutische Maßnahmen, wie Sedierung, Analgesie und Beatmung, die zu einer Reduktion eines
erhöhten Energiebedarfs nicht unerheblich beitragen können. Daher sind verschiedene Formeln zur
Schätzung des Gesamtenergiebedarfs entwickelt
worden:
– Einfache Grundformel:
25 × kgKG
– Formel nach Harris und Benedict:
Männlich: 66 + (13,7 × kgKG) + (5 × cm Körperlänge) –
(6,8 × Alter in Jahren).
Weiblich: 665 + (9,6 × kgKG) + (1,8 × cm Körperlänge)
– (4,7 × Alter in Jahren)
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Operative Intensivmedizin
Der Glucosestoffwechsel bei Leberinsuffizienz ist
durch verminderte hepatische Glycogenolyse
sowie periphere Glucoseverwertungsstörungen
gekennzeichnet. Trotzdem sollten keine Zuckeraustauschstoffe eingesetzt werden, da sie primär
hepatisch verstoffwechselt werden. Sie führen zu
einem erhöhten Verbrauch an energiereichen
Phosphaten in der Leber sowie vermehrtem
Lactatanfall und können das Organ somit zusätzlich belasten. Das Kohlenhydrat der Wahl ist daher
Glucose. Die alleinige Deckung des Energiebedarfs
durch Glucose ist ungünstig. Ein Teil der zugeführten Glucose wird in der Leber in Triglyceride umgewandelt, die mittels Lipoproteine in VLDL umgewandelt und normalerweise extrahepatisch
abtansportiert werden. Bei Leberinsuffizienz ist
die Synthese der Triglyceride beeinträchtigt. Das
Risiko der Leberverfettung durch Glucosezufuhr
ist daher bei dieser Indikation besonders groß
und zusätzlich organbelastend. Die kombinierte
Verabreichung von Glucose und Fett ist daher
empfehlenswert.
Die Utilisation infundierten Fettes ist trotz krankheitsbedingter Störungen des Fettstoffwechsels
nur unwesentlich vermindert. Eine Fettzufuhr in
Höhe von 15 – 20 % der Gesamtkalorienzufuhr bei
Leberinsuffizienz wird heute als sicher angesehen.
Nach Ablauf einer Adaptationsphase kann unter
täglicher Serumkontrolle der Fettanteil auf
25 – 30 % gesteigert werden. Der Aminosäurestoffwechsel spielt bei manifester Leberinsuffizienz
eine besondere Rolle. Aminosäureimbalanzen
sind maßgeblich an der Auslösung des hepatischen Komas beteiligt und fördern darüber hinaus
die Katabolie. Der bei Trans- und Desaminierungen anfallende Ammoniak wird nur unvollständig
in der Leber zu Harnstoff entgiftet, trägt ebenfalls
zum Koma bei und begünstigt wiederum die Ausbildung von Aminosäureimbalanzen: Durch Zufuhr speziell diesen Verhältnissen angepasster
Aminosäuregemische (kommerziell erhältlich)
lassen sich die Imbalanzen korrigieren, über verminderte Ammoniakfreisetzung hohe Plasmaammoniakspiegel senken und im Rahmen adäquater
Ernährungsregime die Katabolie mindern.
Nährstoffzufuhr pro Tag bei hepatischem Koma:
– Aminosäuren: 1 g/kgKG (am besten als
24-h-Dauerinfusion),
– Glucose: 5 g/kgKG,
– Elektrolyte nach Bilanz.
Nährstoffzufuhr pro Tag bei Leberinsuffizienz
ohne hepatisches Koma:
– Aminosäuren: 1,3 – 1,5 g/kgKG (am besten als
24-h-Dauerinfusion),
– Glucose: 5 g/kgKG,
– Fett: 0,7 g/kgKG,
– Elektrolyte
nach Bilanz.
Weiblich: {665,1 + (9,56 × kg) + (1,85 × cm) –
(4,7 × Alter)} × Aktivität × Schweregrad
쐌
쐌
Aktivität: 1,2: bettlägerig; 1,3: nicht bettlägerig,
Schwergrad:1,2 kleinere Operation; 1,35:
schwerer Unfall; 1,6: Sepsis; 2,1: schwere
Verbrennung.
Frage 511
.......................................
? Wann reicht eine periphervenöse Basisernährung?
! Wenn eine Nahrungskarenz von 2 – 5 Tagen auftritt und sich der Patient in einem guten Ernährungszustand sowie stabiler Stoffwechsellage befindet, kann ein hypokalorisches Ernährungskonzept angewandt werden, das eine Zufuhr über periphere Venen ermöglicht und somit den Applikationsaufwand erheblich reduziert. Bei diesem Ernährungskonzept werden nur absolut essenzielle
Nährstoffe zugeführt. Diese schließen Aminosäuren und Elektrolyte ein, für die im Organismus
keine Speicher zur Verfügung stehen. Sie müssen
zusammen mit einem basalen Energieangebot von
100 – 150 g Glucose bedarfsdeckend appliziert
werden. Die Deckung des Energiebedarfs erfolgt
in dieser Zeit weitgehend unter Nutzung endogener Reserven durch Lipolyse körpereigner Fettdepots. Dieses Infusionsregime beinhaltet folgende
tägliche Substratmengen:
– Aminosäuren: 1 – 3 g/kgKG,
– Kohlenhydrate: 1,5 – 2,0 g/kgKG,
– Elektrolyte (Na+, K+, Mg++, Cl-, HCO3-, H2PO4-,
Zn++),
– Wasser.
Auf die Zufuhr fettlöslicher Vitamine und von
Spurenelementen kann verzichtet werden, da für
den kurzen Zeitraum ausreichende körpereigene
Reserven vorhanden sind. Eine Verbesserung der
Energiezufuhr kann durch periphere Applikation
von 50 g Fett/d erreicht werden. Dazu eignen sich
schnell verstoffwechselbare mittelkettige Fettsäuren.
Frage 512
.......................................
Stadien des Kurzdarmsyndroms sind zu be? Welche
rücksichtigen?
! Nach Resektion von mehr als 50 – 70 % des Dünndarms können schwere metabolische Störungen
auftreten, die nur bedingt von der verbliebenen
5.1
Männlich: {66,47 + (13,75 × kg) + (5 × cm) –
(6,76 × Alter)} × Aktivität × Schweregrad
Frage 513
.......................................
welche Verluste ist bei Kurzdarmsyndrom beson? Auf
ders zu achten?
! Bei der parenteralen Substitution des Kurzdarmsyndroms ist neben der vollständigen Ernährung
auf den Ersatz einiger Vitamine, Mineralien und
Spurenelemente besonders zu achten, da durch
besonders hohe Verluste Mangelerscheinungen
auftreten können. Dazu gehören Vitamin K, Folsäure und Vitamin B12. Hinsichtlich der Mineralund Spurenelementverluste stehen Calcium, Magnesium, Eisen und Zink im Vordergrund und sollten adaptiert nach Serumspiegel supplementiert
werden.
Frage 514
.......................................
?
Welche Faktoren beeinflussen die Pharmakokinetik
von Antibiotika?
! Pharmakokinetische Eigenschafen von Antibiotika
werden durch deren physikochemische Eigenschaften, wie pH-Wert, Lipophilie, Proteinbindung, bestimmt. Ein wichtiger Parameter der
Pharmakokinetik ist der Verteilungsraum des Antibiotikums im Körper, wobei im Wesentlichen der
Intrazellularraum und das Interstitium zu unter-
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Allgemeinchirurgie
Restlänge des Dünndarms abhängen. Entsprechend der zugrunde liegenden Pathophysiologie
hat sich für die Therapieplanung folgende Stadieneinteilung bewährt:
– Stadium I – Hypersekretion mit intestinalen
Flüssigkeitsverlusten ⬎ 2,5 l/d.
– Stadium II – beginnende Adaptation mit intestinalen Flüssigkeitsverlusten ⬍ 2,5 l/d.
– Stadium III – Maximum der Adaptation mit
Stabilisierung der Diarrhö und Steatorrhö.
Für die intensivmedizinische Behandlung sind in
der Regel nur die ersten beiden Stadien von Bedeutung. Im Stadium I gehen große Mengen von
Flüssigkeit und Elektrolyten sowie wesentliche
oral aufgenommene Nährstoffe, Vitamine, Spurenelemente usw. verloren, sodass in diesem Stadium
eine parenterale Substitution unvermeidlich ist.
Im zweiten Stadium gehen die Verluste allmählich
zurück, wobei neben der quantitativen Reduktion
(d. h. Flüssigkeitsmenge) auch eine qualitative
Reduktion (d. h. Anpassung der Resorptionsleistungen) auftritt. Eine vollständige parenterale
Substitution ist jedoch auch in diesem Anpassungsstadium obligat und kann nur allmählich
auf eine orale Ernährung umgestellt werden. Vor
einer frühzeitigen Beendigung der parenteralen
Ernährung ist bei Patienten mit Kurzdarmsyndrom zu warnen.
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– Modifizierte Formel nach Long zur Berücksichtigung von körperlicher Aktivität und Schwere
der Erkrankung:
Frage 515
.......................................
?
Welche Anzneimittelinteraktionen sind bei Antibiotika zu berücksichtigen?
! Antibiotika können mit einer großen Zahl anderer
Pharmaka und bei Kombinationstherapie auch untereinander intensive Wechselwirkungen haben.
Von klinischer und therapeutischer Bedeutung
sind jedoch im Allgemeinen nur Interaktionen bei
der hepatischen Metabolisierung. Hier sind insbesondere Wechselwirkungen von Fluorochinolonen
und Makroliden mit Theophyllin relevant. Darüber
hinaus sind Interaktionen von Makroliden mit Substanzen zu beachten, die einen engen therapeutischen Index haben, wie z. B. Ciclosporin A.
Frage 516
.......................................
welchen Indikationen sollte eine Therapie mit
? Bei
Glykopeptiden (Vancomycin, Teicoplanin) erfolgen?
! Vancomycin und Teicoplanin wirken ausschließlich im grampositiven Bereich. Neben der Wirkung
auf Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken,
Clostridien und Diphteriebakterien sind sie besonderes gegen nosokomiale Problemkeime (methicillinresistente Staphylokokken, ampicillinresistente Enterokokken) hoch wirksam. Da bisher je
nach Erreger kaum oder wenige glycopeptidresistente Stämme isoliert wurden, sollte deren Einsatz
ausschließlich als Reserveantibiotika erfolgen,
wenn aufgrund der Resistenzsituation oder
wegen bestehender Allergien keine alternativen
Therapiemöglichkeiten bestehen. Glycopeptide
haben einen zeitabhängigen, langsam einsetzenden Effekt. Beide Substanzen haben nephro- und
ototoxische Nebenwirkungen, die bei Vancomycin
ausgeprägter sind als bei Teicoplanin.
Zugelassen sind folgende Indikationen: Infektionen durch grampositive Erreger wie Endokarditis,
Pneumonie, Knochen- und Gelenkinfektionen, Infektionen der Niere und ableitenden Harnwege
(nur Teicoplanin), Haut- (nur Teicoplanin) und
Weichgewebeinfektionen, Sepsis und die perioperative Prophylaxe bei erhöhtem Infektionsrisiko
durch grampositive Erreger.
Frage 517
.......................................
welchem Erregerspektrum ist bei nosokomialen
? Mit
Pneumonien auf Intensivstationen zu rechnen?
! Das Erregerspektrum bei nosokomialen Pneumonien ist breit. Die häufigsten Erreger bei leichteren
nosokomialen Pneumonien gehören meist zur endogenen Flora der oberen Atemwege, d. h. grampositive Streptokokken und Staphylokokken, Haemophilus influenzae, Enterobacteriaceae (Eschericha
coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Proteus
spp.). Bei Patienten mit mittelschwerem Risiko
sind zusätzlich Serratia spp., Citrobacter spp., Pseudomonaden, Acinetobacter spp., Stenotrophomonas spp. und Anaerobier Auslöser von Pneumonien.
Bei Hochrisiko- und vielen beatmeten Patienten
spielen typische multiresistente Krankenhauskeime eine wesentliche Rolle. Dazu zählen oxacillinresistente Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp. oder Stenotrophomonas spp. Der sonst wichtigste multiresistente Erre-
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Operative Intensivmedizin
scheiden sind. Lipophile Antibiotika werden passiv
intrazellulär aufgenommen und können sich im
Fettgewebe spezifisch anreichern, sodass ihr fiktives Verteilungsvolumen ein Vielfaches des Körpervolumens darstellen kann. Substanzen mit großen
Verteilungsvolumen besitzen geringere Plasmaund Interstitialspiegel, aber hohe intrazelluläre
Konzentrationen. Hydrophile Antibiotika verteilen
sich dagegen überwiegend im Plasma und Interstitium.
Da die meisten bakteriellen Erreger in diesem Räumen auftreten, ist in der Regel die Konzentration
in diesen Verteilungsräumen entscheidend für die
Therapie. Ein wichtiger Aspekt für die lokale Wirkkonzentration der Antibiotika ist deren Proteinbindung. Da die Konkurrenz um Proteinbindungen
für Antibiotika in der Regel von untergeordneter
Bedeutung ist, muss lediglich der Anteil der Proteinbindung bei der Gesamtdosierung berücksichtigt werden. Zu beachten ist jedoch bei der unter
intensivmedizinischen Bedingungen häufigen Hypoproteinämie bzw. Hypalbuminämie, dass Antibiotika mit geringem therapeutischen Index (z. B.
Glycopeptide, Aminoglycoside) weniger gebunden
und daher leichter überdosiert werden können.
Clearance und Verteilungsvolumen bestimmen
die Halbwertzeit der Antibiotika, die ein Maß für
die Dauer der effektiven Wirkspiegel ist.
Da das Verteilungsvolumen unter klinischen Bedingungen kaum beeinflussbar ist, muss für die
Dosierungsintervalle die Eliminationsgeschwindigkeit und/oder Metabolisierungsrate berücksichtigt werden. Daher haben je nach Substanz
die Nieren- und Leberfunktion wesentlichen Einfluss auf die zu wählenden Dosierungsintervalle
und applizierten Mengen. Antibiotika mit hoher
renaler Ausscheidung müssen in ihrer Dosis bei
verringerter Nierenfunktion nach Kreatininclearance angepasst werden. Bei hepatischer Metabolisierung steht für die klinische Routine kein sinnvoll anwendbarer Parameter zur Beurteilung einer
Dosismodifikation zur Verfügung. Daher sollte bei
intensivmedizinischen Patienten nach Möglichkeit
ein therapeutisches Monitoring der Serumspiegel
für kritische Antibiotika erfolgen.
! Für die kalkulierte Antibiotikatherapie bei nosokomialen Pneumonien hat die Paul-Ehrlich-Gesellschaft eine Unterteilung der Patienten in 3 Gruppen vorgeschlagen, die von pulmonalen Risikofaktoren und Begleiterkrankungen bestimmt wird.
Folgende Risikofaktoren sind Punktwerten zugeordnet:
– Alter ⬎ 65 Jahre – 1 Punkt,
– strukturelle Lungenerkrankung – 2 Punkte,
– antiinfektive Vorbehandlung – 2 Punkte,
– Beginn der Pneumonie ab dem 5. Krankenhaustag – 3 Punkte,
– schwere respiratorische Insuffizienz mit oder
ohne Beatmung – 3 Punkte,
– extrapulmonales Organversagen – 4 Punkte.
Grundsätzlich kann bei leichteren Pneumonien
und Patienten ohne besonderes Risikoprofil eine
Monotherapie ausreichend sein. Bei allen anderen
Patienten – und zu diesen sind die meisten intensivmedizinischen Patienten zu rechnen – ist eine
Kombinationstherapie mit dem Ziel einer möglichst breiten Abdeckung des potenziellen Erregerspektrums und der Nutzung synergistischer Effekte der verschiedenen Antibiotika notwendig. Da
für den Erfolg einer antimikrobiellen Therapie bei
nosokomialen Pneumonien insbesondere unter Intensivbedingungen ein rascher Beginn in ausreichender Dosierung entscheidend ist, wurde
durch eine Expertenkommission der Paul-EhrlichGesellschaft eine Initialtherapie vorgeschlagen,
die den jeweils vorliegenden Resistenzspektren
anzupassen ist und deren Erfolg nach 2 – 3 Tagen
überprüft werden muss.
In der Gruppe 1 (bis 2 Punkte) werden Aminopenicillin und Betalactamaseinhibitor (Amoxicillin/
Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam), Cephalosporine der Gruppen 2 (Cefuroxim, Cefotiam)
und 3a (Cefotaxim, Ceftriaxon), Fluorchinolone
der Gruppen 3 (Levofloxacin) und 4 (Moxifloxacin) und Carbapeneme der Gruppe 2 (Ertapenem)
auf der Grundlage von Metaanalysen empfohlen.
Bei mittelschweren Risikopatienten (Gruppe 2:
3 – 5 Punkte) sollten Acylaminopenicillin und Betalactamaseinhibitor
(Piperacillin/Tazobactam),
Cephalosporine der Gruppen 3b (Ceftacidin) und
4 (Cefepim, Cefpriom), Fluorchinolone der Gruppen 2 (Ofloxacin, Ciprofloxacin) und 3 (Levofloxa-
Frage 519
.......................................
welchen Richtlinien werden nosokomiale Harn? Nach
wegsinfektionen bei Intensivpatienten therapiert?
! Nosokomiale Harnwegsinfektionen auf Intensivstationen sind praktisch immer mit einliegendem
Fremdmaterial in Form von transurethralen oder
suprapubischen Kathetern assoziiert und werden
typischerweise durch Erreger des anogenitalen
Bereiches verursacht (Eschericha coli, Klebsiellen,
Enterobacter spp., Pseudomonaden, Enterokokken
und Staphylokokken). Da die klinische Bedeutung
von nosokomialen Harnwegsinfektionen von einfachen Bakteriurien bis zur Urosepsis reichen
kann, ist ein abgestuftes Therapiekonzept erforderlich.
Asymptomatische Bakteriurien sind auch bei Intensivpatienten oft ausreichend mit einem Wechsel der Katheter unter aseptischen Kautelen und
forcierter Diurese therapierbar. Bei symptomatischen Harnwegsinfektionen ohne Sepsis reicht in
der Regel eine kurzzeitige Antibiotikatherapie
über 3 – 5 Tage aus, wenn keine sonstigen Risikofaktoren vorliegen. Da Intensivpatienten oft bereits mit Antibiotika vorbehandelt wurden und
eine längerfristige Harnableitung notwendig ist,
muss die Initialtherapie parenteral erfolgen. Dazu
eignen sich besonders Antibiotika mit hohen
Wirkspiegeln im Urin, die bei renaler Ausscheidung ein Vielfaches der Serumspiegel erreichen
können: Cephalosporine der Gruppen 3a (Cefotaxim, Ceftriaxon), 3b (Ceftazidim) und 4 (Cefepim,
Cepirom), Fluorchinolone der Gruppen 2 (Ofloxacin, Ciprofloxacin) und 3 (Levofloxacin), Aminopenicilline und Betalactamaseinhibitor (Amoxicillin
und Clavulansäure, Ampicillin und Sulbactam)
und Carbapeneme der Gruppen 1 (Imipenem, Meropenem) und 2 (Ertapenem).
Zum Schließen der „Enterokokkenlücke“ eignet
sich eine Kombination mit einem Acylaminopenicillin und Betalactamaseinhibitor (Piperacillin/
Tazobactam).
Bei Urosepsis werden vornehmlich Eschericha coli,
bei Intensivpatienten aber auch multiresistente
..........
5.1
?
Wie erfolgt die initiale kalkulierte antimikrobielle
Therapie bei der klinischen Diagnose einer nosokomialen Pneumonie?
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Allgemeinchirurgie
Frage 518
.......................................
cin) und Carbapeneme der Gruppe 1 (Imipenem,
Meropenem) eingesetzt werden (Evidenzgrad I).
Bei Hochrisikopatienten ist der Einsatz von Acylaminopenicillin und Betalactamaseinhibitor (Piperacillin/Tazobacam), Cephalosporinen der Gruppen 3b (Ceftacidin) und 4 (Cefepim, Cefpriom),
und Carbapeneme der Gruppe 1 (Imipenem, Meropenem) in Kombination mit Fluorchinolonen
der Gruppen 2 (Ofloxacin, Ciprofloxacin) und 3
(Levofloxacin) sowie einem Aminoglykosid (Amikacin, Gentamycin, Netilmicin, Tobramycin) erforderlich, wobei für diese Gruppe der Evidenzgrad
unterschiedlich ist.
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ger, der methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA), tritt bei nosokomialen Pneumonien
seltener auf. Bei spontan atmenden Patienten sind
multiresistente Erreger als Ursache nosokomialer
Pneumonien weniger wahrscheinlich.
Frage 520
.......................................
Besonderheiten weisen Harnwegsinfektionen
? Welche
bei Patienten mit Diabetes mellitus auf?
Operative Intensivmedizin
! Diabetiker haben ein 20 – 25-mal höheres Risiko,
eine Harnwegsinfektion zu erleiden. Häufig sind
bei diesen Patienten bereits prästationär asymptomatische Bakterurien nachweisbar, sodass es sich
bei nachfolgenden Harnwegsinfektionen eigentlich nicht um nosokomiale Infektionen, sondern
um Exazerbationen bestehender Infekte handelt.
Die erhöhte Infektionsgefahr wird durch eine veränderte Mikroflora des Genitalbereichs hervorgerufen, die durch den Glucosegehalt des Urins
leichter aszendieren kann. Da Urin besonders für
gramnegative Erreger ein sehr gutes Nährmedium
darstellt, sind bei Diabetikern häufig Eschericha
coli, aber auch Proteus spp., Klebsiellen, Enterokokken und Staphylococcus aureus Auslöser katheterassoziierter Harnwegsinfektionen. Daher
sind Fluorchinolone (Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin) oder Acylaminopenicilline und Betalactamaseinhibitor (Piperacillin/Tazobactam) bei
Diabetikern Mittel der Wahl für eine kalkulierte
Initialtherapie von Harnwegsinfektionen. Aufgrund der guten mikrobiologischen Wachstumsbedingungen bei Diabetikern ist oftmals eine längerfristige antibiotische Therapie zur vollständigen Herdsanierung notwendig. Bei Therapieversagen ist jedoch auch an häufig begleitende Pilzinfektionen mit Candida spp. zu denken, die mit
hoher Wirksamkeit durch Fluconazol behandelt
werden können.
Frage 521
.......................................
es neue Entwicklungen beim Einsatz von Anti? Gibt
biotika?
! Gegenwärtig sind neue Generationen verschiedener Antibiotikagruppen in der Entwicklung, die
vor allem im grampositiven Erregerspektrum verbesserte Möglichkeiten bei der Therapie multire-
sistenter Keime versprechen. Tigecyclin ist ein
Glycylcyclin, das im Rahmen von klinischen Studien bisher eine sehr gute Wirksamkeit bei abdominellen und Weichteilinfektionen gezeigt hat. Daptomycin gehört zur Gruppe der Lipopeptide mit
besonderer Wirksamkeit gegenüber methicillinund vancomycinresistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA, VRSA) sowie vancomycinresistenten Enterokokken (VRE). Telavancin ist ein
neues Lipoglycopeptid, das vergleichbar zu Vancomycin eine hohe Wirksamkeit gegenüber multiresistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen besitzt. Gemifloxacin als Gruppe-4-Chinolon wird
vor allem auf den Einsatz bei nosokomialen Atemwegserkrankungen getestet. Das modifizierte Cephalosporin Ceftobiprolmedocaril ist in seiner
Wirkung den Gruppe-3- und Gruppe-4-Cephalosporinen vergleichbar, scheint aber aufgrund seiner Vinypyrrolodin-Seitenkette eine besonders
hohe Wirksamkeit bei MRSA und methicillinresistenten koagulasenegativen Staphylokokken zu besitzen.
Frage 522
.......................................
Bedeutung haben nosokomiale Pneumonien
? Welche
in der Intensivmedizin?
! Als nosokomiale Pneumonien werden Hospitalinfektionen klassifiziert, die ab dem dritten stationären Aufnahmetag bis zur Entlassung manifestieren. Sie stellen in Europa nach Wund- und Harnwegsinfektionen die dritthäufigste nosokomiale
Infektion dar. In der Intensivmedizin sind nosokomiale Pneumonien die häufigste Infektion und
weisen eine Letalitätsrate von 30 – 50 % auf.
Frage 523
.......................................
ist bei der Therapie eines akuten Ischämie? Was
schmerzes zu beachten?
! Bei akut auftretender Extremitätenischämie ist die
Schmerzbehandlung rasch zu beginnen, um einer
schmerzbedingten Schockverstärkung vorzubeugen. Da bei interventioneller oder operativer Akutversorgung von Extremitätenischämien normalerweise eine zumindest mittelfristige Antikoagulation erforderlich wird, sollte die Schmerztherapie in
keinem Fall mittels subkutaner oder intramuskulärer Injektion durchgeführt werden, da an den
Injektionsstellen teilweise ausgedehnte und infektgefährdete Einblutungen entstehen können.
Die frühe Anlage einer peripheren oder periduralen Nervenblockade in Kathetertechnik ist sinnvoll, da es über die sympathikolytischen Effekte
gleichzeitig zu einer Verbesserung der Kollateraldurchblutung kommt.
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Pseudomonaden, Proteus spp., Serratia spp., Enterobacter spp., Enterokokken und Staphylokokken
gefunden. Zur parenteralen Therapie kommt bei
diesem zu erwartenden Erregerspektrum Cephalosporine der Gruppen 3 (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) und 4 (Cefepim, Cepirom) in Kombination mit einem Aminoglykosid (Amikacin,
Gentamycin, Netilmicin, Tobramycin) oder Fluorchinolon (Levofloxacin, Ciprofloxacin) mit hoher
renaler Ausscheidung zur Anwendung. Alternativ
können Carbapenem der Gruppe 1 (Imipenem,
Meropenem) oder Acylaminopenicillin und Betalactamaseinhibitor (Piperacillin/Tazobactam) eingesetzt werden.
ten viszeralen Schmerzen einher. Eine suffiziente
parenterale Schmerztherapie ist daher neben den
positiven Effekten auf den Krankheitsverlauf für
den Patienten unabdingbar. Aufgrund der Intensität der Schmerzen ist hier immer eine Kombinationsbehandlung von peripheren Analgetika und
stark wirksamen Opioiden notwendig. Die weit
verbreitete intravenöse Lokalanalgesie mit Procain
(1 – 2 g/24 h als Dauerinfusion) ist nach klinischer
Erfahrung gut wirksam, obwohl dazu wenig evidenzbasierte Daten vorliegen. Der Einsatz eines
Periduralkatheters sollte frühzeitig erfolgen, da er
ausgezeichnet wirksam ist und durch eine Verbesserung der viszeralen Durchblutung und Durchbrechung humoraler Kreisläufe wahrscheinlich
den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen kann.
Bei hämorrhagisch-nekrotisierender Pankreatitis
ist der Einsatz eines Periduralkatheters jedoch
u.U. unmöglich, da diese häufig mit Gerinnungsstörungen assoziiert ist.
Frage 527
.......................................
obstruktive Atemwegserkrankungen Kontraindi? Sind
kationen für den Opioideinsatz zur Schmerztherapie?
5.1
! Die akute Pankreatitis geht fast immer mit stärks-
! Bei Patienten mit obstruktiven AtemwegserkranFrage 525
.......................................
?
Welche Besonderheiten treten bei Patienten mit
Thoraxtraumen oder Rippenserienfrakturen auf?
! Rippenprellungen oder -frakturen bzw. Zustände
nach operativen Thorakotomien sind wegen der
starken atem- und lageabhängigen Schmerzen oft
vital bedrohlich für den Patienten, da sich schon
nach kurzer Zeit infolge von Schonatmung und
Vermeidung von Husten eine respiratorische Insuffizienz, Sekretverhalt und nachfolgende Pneumonien entwickeln können. Durch eine frühzeitige, konsequente und intensive Analgesie können
derartige Komplikationen vermieden werden. Der
Einsatz einer Physiotherapie ist häufig erst unter
effizienter Schmerztherapie möglich. Falls eine
ausreichende Analgesie durch parenterale Kombinationsbehandlung nicht zu erreichen ist, sollten
frühzeitig ergänzend intermittierende Interkostalblockaden mit langwirksamen Lokalanästhetika
(z. B. Ropivacain, Bupivacain), Katheter-Interpleural-Analgesie oder thorakale Periduralkatheter
zum Einsatz kommen.
Frage 526
.......................................
Opioide bei opiatabhängigen Patienten ein? Können
gesetzt werden?
! Bei opioidsubstituierten Patienten (Levomethadon, Methadon, Buprenorphin, Dihydrocodein)
wird die akute Schmerzbehandlung unter Fortfüh-
kungen besteht in der postoperativen bzw. intensivmedizinischen Betreuung das Problem, die potenzielle medikamenteninduzierte Verstärkung
der pulmonalen Probleme gegen eine zureichende
Schmerztherapie durch Verzicht auf stark wirksame Analgetika mit dadurch bedingter pulmonaler
Insuffizienz gegeneinander abzuwägen. Bei diesem Patienten sollten zunächst alle Möglichkeiten
der peripheren und kathetergestützten regionalen
bzw. lokalen Analgesie ausgenutzt werden. Wenn
diese Therapie nicht ausreichend wirksam ist, eignet sich eine Kombination von Paracetamol und
Pethidin/Piritramid. Unter dieser Form der
Schmerztherapie muss jedoch eine kontinuierliche Überwachung der pulmonalen Funktion erfolgen und die atemtherapeutische Behandlung intensiviert werden.
Frage 528
.......................................
welchen Problemen ist bei traumatischen Lun? Mit
genkontusionen zu rechnen?
! Eine Lungenkontusion ist meist Folge eines Hochgeschwindigkeitstraumas mit direkter Gewalteinwirkung auf den Thorax. Dabei korrelieren die äußerlich sichtbaren Verletzungen nur bedingt mit
dem Ausmaß der pulmonalen Kontusion. Typischerweise entwickelt sich das volle Bild einer
Lungenkontusion erst mit einer gewissen Latenzzeit, die in Einzelfällen bis zu 3 Tagen betragen
kann (normalerweise innerhalb der ersten 24 h).
..........
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Allgemeinchirurgie
Schmerztherapie sollte bei akuter Pankreati? Welche
tis eingesetzt werden?
rung der Substitutionsbehandlung durchgeführt.
Eine Entzugssymptomatik ist unbedingt zu vermeiden. Bei opiatabhängigen Patienten, die bisher
keine Substitution erhalten, wird zur Akutschmerztherapie eine Basistherapie mit Levomethadon (initial 5 – 10 mg i. m., nach 1 – 2 h erneute
Dosis möglich, Fortsetzung in 12 – 24-h-Intervall).
Aufbauend auf einer derartigen Basistherapie,
deren Dosis ggf. angepasst werden kann, ist einer
opioidfreien Schmerztherapie grundsätzlich der
Vorzug zu geben. Diese erfolgt als Einzel- oder
besser Kombinationstherapie mit peripheren
Analgetika und Lokalanästhesie nach den üblichen
Regeln. Bei intensivmedizinisch überwachten Patienten kann aber auch eine Kombination mit reinen µ-Agonisten (Piritramid) erfolgen. Reine Antagonisten (Naloxon) oder Partialantagonisten (Buprenorphin, Pentazocin, Nalbuphin) bzw. Kombinationspräparate (Valoron N enthält Naloxon) sind
strikt zu meiden.
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Frage 524
.......................................
Verdacht auf eine Herzkontusion besteht die Indikation zur transösophagealen Echokardiographie,
um das Ausmaß der Störungen der Herzwandkontraktionen zu quantifizieren. Eine prophylaktische
oder spezifische Therapie der Herzkontusion gibt
es nicht, auftretende Funktionsstörungen werden
symptomatisch behandelt.
Frage 531
.......................................
? Wann besteht die Indikation zur Pleurapunktion?
! Die Indikation zur Pleurapunktion und die Entscheidung über eine einmalige oder kontinuierliche Drainage wird sehr unterschiedlich beurteilt.
Grundsätzlich besteht die Indikation zur Entlastung bei Verdacht auf einen Hämatothorax oder
einen Pleuraerguss, der zur Beeinträchtigung der
Atemmechanik mit konsekutiver Reduktion des
Gasaustausches führt. Eine Abschätzung der
Menge eines Pleuraergusses ist mit Hilfe einer
Röntgenthoraxübersicht, die bei Intensivpatienten
normalerweise im Liegen durchgeführt wird, nicht
zuverlässig möglich. Daher ist zur Indikationsstellung eine sonographische Darstellung zu empfehlen, die eine genauere Quantifizierung der Flüssigkeitsmenge und ggf. eine Kammerung nachweisen
kann. Gleichzeitig erlaubt die Sonographie eine
gute Lokalisation von Punktionsstellen und verringert das Risiko von Fehlpunktionen und punktionsbedingten Lungenverletzungen. Gute Erfahrungen haben die Autoren mit dem Konzept gemacht, bei Verdacht auf Hämatothorax grundsätzlich eine nicht zu dünne Bülau-Drainage (mit
20 – 24 Ch) zu platzieren. Bei allen anderen Formen postoperativer oder posttraumatischer Pleuraergüsse wird zunächst der Versuch einer Einmalpunktion unternommen. Bei „Nachlaufen“
des Ergusses oder insuffizienter Drainage erfolgt
die Anlage einer Bülau-Drainage über eine Minithorakotomie von lateral (vordere Axillarlinie)
nach dorsokranial, um den tiefsten Punkt der Thoraxhöhle beim liegenden Patienten zu erreichen.
Frage 529
.......................................
besteht die Indikation zur „inneren“ Stabilisie? Wann
rung bei instabilem Thorax?
Operative Intensivmedizin
! Bei einer Thoraxwandinstabilität, die zu einer bilateralen paradoxen Atmung führen kann, treten
infolge von Pendelluft und schmerzbedingt erheblich reduzierte Atemzugvolumina (⬍ 10 ml/kgKG)
auf. Diese Atemmechanik ist in der Regel nicht für
einen adäquaten Gasaustausch ausreichend. Wenn
dadurch eine signifikant eingeschränkte Lungenfunktion mit paO2-Werten ⬍ 60 mm Hg unter
Raumluft bzw. paO2-Werten unter O2-Gabe hervorgerufen wird, ist die Indikation zur pneumatischen Stabilisierung gegeben. Da die Thoraxwandinstabilität im Allgemeinen kurzfristig nicht wesentlich verbessert werden kann und zusätzlich
meist eine schwere begleitende Lungenkontusion
vorliegt, ist die Möglichkeit einer externen CPAPBeatmung meist eingeschränkt und frühzeitig die
Indikation zur Tracheostomie bei prolongierter
Beatmungspflicht zu stellen.
Frage 530
.......................................
Symptome weisen auf eine Herzkontusion
? Welche
hin?
! Die Symptomatik einer Herzkontusion wird im
Allgemeinen von dem begleitenden Thoraxtrauma
überdeckt. Bei posttraumatisch auftretenden
Herzrhythmusstörungen und/oder einem Anstieg
spezifischer Herzenzyme innerhalb der ersten
24 h besteht der dringende Verdacht auf eine
Herzkontusion. Durch Einblutungen in den Herzmuskel können Ischämien und Erregungsausbreitungsstörungen verursacht werden, die zu einer
Verminderung der Herzfunktion führen. Des Weiteren können Perikardeinblutungen oder Perikarditiden auftreten, die ihrerseits eine weitere Beeinträchtigung der Herzfunktion verursachen. Bei
Frage 532
.......................................
?
Welche Mechanismen führen zu intraabdominellen
Organverletzungen?
! Grundsätzlich sind stumpfe und penetrierende
Bauchtraumen zu unterscheiden. Penetrierende
Verletzungen sind in der Regel von außen erkennbar, wobei das Ausmaß der inneren Verletzungen
nicht mit dem äußeren Erscheinungsbild korreliert. Bei stumpfen Bauchtraumata können 3 Mechanismen zu intraabdominalen Verletzungen
führen:
116 . . . . . . . . . .
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Obwohl in der initialen Bildgebung oft bereits
Hinweise auf eine Lungenkontusion mit Einblutungen bestehen, wird ein wesentlicher Teil der
Problematik durch das sich erst im weiteren Verlauf entwickelnde lokale intra- und extrazelluläre
Ödem bestimmt. Das hat zu dem Konzept einer
möglichst restriktiven Volumentherapie geführt,
die jedoch in Abwägung zu anderen Erfordernissen erfolgen muss. Die Regeneration des geschädigten Lungenparenchyms benötigt je nach Ausmaß der Verletzungen bis zu 2 Wochen. Darüber
hinausgehende röntgenologische Veränderungen
und über den 3. Tag hinaus zunehmende Verschattungen deuten auf eine sekundäre Pneumonie des
kontusionierten Bereichs.
.......................................
Frage 533
! In der Initialphase beherrscht das Capillary-Leak-
In welchen Zeiträumen muss mit mehrzeitiger Symptomatik nach stumpfem Bauchtrauma gerechnet
werden?
Syndrom mit massivem Verlust von Proteinen und
freier Flüssigkeit in den 3. Raum und über die
Wundfläche das Bild, das eine erhebliche Volumensubstitution erforderlich macht. Bei unzureichendem Flüssigkeitsausgleich treten Störungen
der Mikrozirkulation aller wichtigen Organe mit
Entwicklung eines Multiorganversagens auf.
Hauptsächlich betroffen davon sind die Leber, Niere, Lunge (ARDS), Darm (Paralyse) und Herz (Herzinsuffizienz). In den folgenden Tagen kommt es
neben der hohen Infekt- und Sepsisgefahr zur
massiven Freisetzung von Myoglobin, das zur Entwicklung eines Crush-Syndroms mit sekundärem
Nierenversagen führen kann.
Nach Abklingen des Capillary-Leak-Syndroms
werden die großen Mengen eingelagerter Flüssigkeit relativ rasch rückresorbiert, wodurch insbesondere bei kardial vorgeschädigten Patienten
und latenter bzw. manifester Nierenfunktionsstörung eine Volumenüberlastung auftreten kann. Als
indirekte Folge müssen bei Verbrennungen die
häufig inhalierten toxischen Verbrennungsprodukte mit berücksichtigt werden. Vor allem bei Bränden in geschlossenen Räumen oder sonst beschränkter
Sauerstoffzufuhr
treten
häufig
Kohlenmonoxidvergiftungen parallel auf. Andere
inhalative Toxine sind u. a. Cyanide und Schwefelverbindungen.
letzungen entgehen der initialen bildgebenden Diagnostik oder treten erst im weiteren Verlauf
durch Sekundärveränderungen auf. Abscherungen
des Pankreas sind meist im Korpus lokalisiert, der
vor der Wirbelsäule liegt und bei Krafteinwirkungen gegen diese gedrückt wird. Daher ist bei Wirbelsäulenfrakturen in diesem Bereich und starken
bzw. zunehmenden Schmerzen im Rücken immer
an die Möglichkeit von Pankreasverletzungen zu
denken. In vergleichbarer Weise werden mesenteriale Zerreißungen häufig erst durch begleitende
Perfusionsstörungen des jeweiligen Darmabschnitts klinisch evident. Eine traumatische Perforation des Dünndarms ist sehr oft nicht vom Austreten bzw. Nachweis freier Luft intraabdominell
begleitet. Auch die Menge freier Flüssigkeit in der
Peritonealhöhle ist bei der Primärdiagnostik nach
Bauchtrauma oft gering. Durch den aggressiven
Dünndarmstuhl kommt es aber in den nachfolgenden Stunden zu einer starken peritonealen Reizung mit erheblicher Flüssigkeitsverschiebung in
den 3. Raum. Daher ist bei durch das Ausmaß von
Blutungen nicht ausreichend erklärlichem Volumenbedarf frühzeitig die Verdachtsdiagnose
einer Dünndarmperforation zu stellen. Auch können mehrzeitige Rupturen von Leber- und vor
allem Milzhämatomen auftreten, typischerweise
nach 48 – 72 h.
! – Verbrennungen II. Grades mit mehr als 20 % betroffener Körperoberfläche,
– Verbrennungen III. Grades mit mehr als 10 %
betroffener Körperoberfläche,
– Verbrennungen III. Grades im Gesicht, Genitalbereich, Händen oder Füßen unabhängig von
der betroffenen Gesamtfläche,
– Inhalationsverbrennungen,
– Verbrennungen bei Elektrounfall oder anderen
Begleitverletzungen im brandverletzten Bereich,
– Verbrennungen bei Kindern oder älteren Menschen.
Frage 535
welchen Komplikationen muss bei Verbrennun? Mit
gen gerechnet werden?
..........
5.1
.......................................
117
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Allgemeinchirurgie
! Eine Reihe von intraabdominellen Parenchymver-
sollte eine Verlegung in ein Zentrum für
? Wann
Schwerbrandverletzte erfolgen?
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.......................................
?
Frage 534
– Aufprall eines intraabdominellen Organs gegen
die Wirbelsäule oder das Becken,
– Dezelerationskräfte,
– plötzliche Erhöhung des intraabdominalen
Druckes und Platzen eines Hohlorgans.
Allen stumpfen abdominellen Verletzungen gemeinsam ist deren häufiges klinisches Auftreten
erst im Intervall. Daher sind in der Intensivüberwachungsphase häufige Blutdruckmessung, Puls,
Temperatur und Hämatokrit unerlässlich. Das Abdomen muss regelmäßig beurteilt werden, am
besten durch den gleichen Arzt. Eine prophylaktische Antibiotikagabe ist obsolet wegen der Maskierung wichtiger Symptome. Auch der Einsatz
von Schmerzmedikamenten muss so erfolgen,
dass rechtzeitig klinische Symptome einer beginnenden Peritonitis oder peritonealen Reizung bei
Blutung, Gallelackage usw. diagnostiziert werden
können. Bei Zeichen einer Peritonitis oder größerer hämodynamischer Instabilität besteht die Indikation zur Notfalllaparotomie.
intensivmedizinischen Besonderheiten sind
? Welche
bei Wirbelsäulen- und Rückmarkverletzungen zu berücksichtigen?
! Wirbelsäulen- und Rückmarkverletzungen entste-
Operative Intensivmedizin
hen durch erhebliche Gewalteinwirkungen. Sie
verursachen nicht nur eine lokale Traumatisierung, sondern auch eine posttraumatische Systemerkrankung. Diese ist durch Vagotonus gekennzeichnet, der durch den traumatisch bedingten Verlust bzw. die Einschränkung der sympathischen Innervation überwiegt. Diese addiert sich zu
der inflammatorischen Systemantwort des Organismus (SIRS) und verstärkt die Vasoplegie mit
Hypovolämie und hämodynamischer Instabilität.
Bei hohen Rückenmarkverletzungen kann noch
eine Beeinträchtigung der respiratorischen Funktion durch gestörte Innervation der Atemmuskulatur oder reduzierte Atemmechanik hinzukommen. Dadurch entsteht eine starke Neigung zu
verminderter Organperfusion und Ischämie mit
sekundären Organschäden. Diese können rasch
zu ARDS und Multiorganversagen führen.
Die häufigste vital bedrohliche Komplikation nach
einem Rückenmarktrauma (mit Durchtrennung,
aber auch bei Einblutungen, starker Kontusion
usw.) ist der spinale Schock, bei dem durch Ausfall
der Vaso- und Thermoregulation erhebliche Flüssigkeitsverschiebungen in die unteren Extremitäten (venöses Pooling) hervorgerufen werden.
Durch Ausfall der antivagalen Regulation wird
eine Bradykardie bis zum Auftreten eines vagal bedingten Herzstillstands verursacht. Durch die Kombination mit dem traumabedingten Stress und der
dadurch induzierten Katecholaminausschüttung
können vegetative Dysregulationen induziert werden, die sich in Arrhythmien, subendokardialen
Ischämien und Lungenödem äußern können. Aufgrund des beeinträchtigten Blutflusses in der Peripherie sind Thrombosen und thromboembolische
Komplikationen deutlich häufiger als bei anderen
Traumatisierten. Daher ist eine intensivierte
Thromboseprophylaxe längerfristig obligat.
Frage 537
.......................................
?
Haben schwere Traumata Auswirkungen auf viszerale
Organe?
! Ausgedehnte Traumatisierungen gehen auch bei
fehlender direkter Gewalteinwirkung auf intraabdominelle Organe häufig mit reaktiven Problemen
des Splanchnikus- und Urogenitalbereichs einher.
Ursachen dafür sind die Empfindlichkeit dieser Organe gegenüber Minderperfusion bei Hypovolämie, Anämie usw., die durch eine reflektorische
Reduktion der Organperfusion unter Notfallbedingungen verstärkt wird. Atonie und Paralyse sind
daraus entstehende Probleme des Magendarmtraktes, die mit zunehmender Koprostase und Meteorismus zu einer Erhöhung des intraabdominellen Druckes mit Zwerchfellhochstand und nachfolgenden basalen Lungenatelektasen führen können. Lokale Ischämien der Schleimhäute induzieren deren Atrophie, bakterielle Translokation als
Sepsisauslöser und schwer therapierbare Ulzera.
Bei gleichzeitig vorliegender Minderdurchblutung
der Leber ist deren Entgiftungsfunktion kompromittiert, wodurch die bakterielle Toxinclearance
ebenfalls reduziert ist. Bei diesen Patienten ist
eine frühe enterale Ernährung anzustreben, da
durch Substratzufuhr und Induktion der Peristaltik der Stoffwechsel der Enterozyten und die Perfusion der Mukosa verbessert werden.
Neben dem Splanchnikusgebiet ist auch die Niere
häufig von einem hypoxisch und hypovolämisch
induzierten passageren Funktionsausfall betroffen.
Gleichzeitig kann ein reflektorisch bedingter oder
durch Rückenmarkverletzungen ausgelöster Harnverhalt auftreten. Neben den funktionellen Störungen treten auch hier durch verminderte Perfusion der Schleimhäute und verstärkte bakterielle
Belastungen gehäuft infektiöse Komplikationen
auf. Da die Hämodynamik der wesentliche auslösende Faktor für die indirekten Folgen nach
schwerer Traumatisierung ist, stellt deren Behandlung das entscheidende therapeutische Prinzip dar. Medikamentöse Unterstützung durch Diuretika ist erst nach Abklingen der akuten SIRS
nutzbringend.
Frage 538
.......................................
wirken sich Polytraumen auf die Lungenfunktion
? Wie
aus?
! Respiratorische Probleme werden bei Polytraumatisierten durch eine ganze Reihe von Faktoren begünstigt. Diese hängen einerseits vom Verletzungsmuster ab, sind aber auch auf verschiedene
reflektorische Reaktionen und indirekte Auswirkungen zurückzuführen:
– direkte Thoraxverletzungen mit verminderter
Atemmechanik, eingeschränkter Austauschfläche, schmerzbedingter Schonatmung, Lungenkontusion usw.,
– erhöhter intraabdomineller Druck (Darmatonie/Paralyse, Blutungen, operative Maßnahmen
wie Bauchtucheinlage zur Blutstillung usw.)
mit Zwerchfellhochstand,
쐌
gestörte Innervation der Atemmuskulatur:
쐌
Zwerchfell bei Rückmarkverletzungen oberhalb C6,
쐌
Interkostalmuskulatur insbesondere bei
dorsalen Rippenserienfrakturen,
쐌
Muskulatur der Bauchwand – Einblutungen, Wunden, Prellungen usw.,
118 . . . . . . . . . .
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Frage 536
.......................................
des Gastrointestinaltraktes von großer Bedeutung.
Nach Dickdarmresektionen treten z. B. bei enteral
ernährten Patienten die Darmgeräusche und die
erste Defäkation signifikant früher und ausgeprägter auf als bei parenteral ernährten Patienten.
Die Resorptionsfähigkeit des Darmes in der postoperativen Phase variiert für unterschiedliche
Substrate. Für Kohlenhydrate und Peptide bzw.
Aminosäuren besteht eine ausreichende Resorption bereits initial, während die Fettresorption in
den ersten Tagen eingeschränkt sein kann. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Resorptionskapazität des Dünndarms nach 24 – 72 h in den
Normbereich zurückgekehrt ist, wenn nicht andere krankheitsbedingte Faktoren (z. B. Sepsis) dagegenstehen.
Frage 540
.......................................
Frage 539
.......................................
Veränderungen ergeben sich in der Initial? Welche
phase nach abdominalchirurgischen Eingriffen?
! Postoperative Motilitätsstörungen des Darmes
werden häufig als Grund gegen eine frühe enterale
Ernährung aufgeführt. Die Motilität des Gastrointestinaltraktes ist jedoch regional unterschiedlich
betroffen. Während die Magenatonie oder eine
funktionelle Pylorusstenose sowie eine Hypomobilität des Kolons nach Laparotomie längere Zeit
(24 ⫾72 h) in Anspruch nehmen kann, ist die Motilität des Dünndarms weit weniger betroffen. Die
Motilität des Dünndarms ist entweder überhaupt
nicht oder für maximal 3 h nach Laparotomie beeinträchtigt. Daher sollte die Applikation von
Nährsubstraten in der frühen postoperativen
Phase entweder dudenal oder jejunal, z. B. über
Trilumensonden, erfolgen.
Es ist eine weit verbreitete Auffassung, dass die
Motilität des Darms nach einem operativen Eingriff dann wieder eingetreten ist, wenn Darmgeräusche vorhanden sind. Allerdings entstehen
Darmgeräusche durch Verschiebungen von Luft
und Flüssigkeit im Darmlumen. Da jedoch aufgrund der postoperativen Magenatonie keine
oder wenig Luft den Dünndarm passiert, können
Darmgeräusche trotz vorhandener und ausreichender Dünndarmmotiliät teilweise nicht auskultiert werden. Insofern sollte das Fehlen von
Darmgeräuschen nicht als Hinderungsgrund für
eine enterale Zufuhr, sondern eher als Folge der
Nahrungskarenz angesehen werden. Der intraluminale Stimulus ist im Gegenteil für die Motilität
logon, das in der Pankreaschirurgie häufig zur Prophylaxe einer Pankreasfistel eingesetzt wird. Bei
Applikation von 6 mg/24 h Somatostatin oder
0,1 mg/d Octreotid für 5 – 7 Tage kann eine signifikante Reduktion derartiger Komplikationen erreicht werden. In einer Metaanalyse von 14 randomisierten Studien wurde jedoch eine beträchtliche Heterogenität der Anwendungen und Effekte
deutlich, sodass eine Empfehlung derzeit nicht generell gegeben werden kann. Beim Einsatz von Somatostatin oder Octreotid sind jedoch auch Nebenwirkungen zu beachten.
Bei gesunden Probanden hemmt Somatostatin die
Magen-Antrum-Motilität und bewirkt eine Verlängerung der Mund-Zökum-Transitzeit. Da die Inzidenz der verzögerten Magenentleerung nach
Whipple-Operation mit 30 – 50 % angegeben wird,
können hier Interferenzen auftreten. In neueren
Studien wurde jedoch gezeigt, dass die Verwendung von Somatostatin als perioperative Prophylaxe bei der pyloruserhaltenden Pankreasresektion
keinen negativen Einfluss auf postoperativ auftretende Magenentleerungsstörungen hat. Bei insulinpflichtigen Diabetikern kann beim parallelen
Einsatz von Somatostatin und Insulin eine
Hypoglykämie auftreten, die anschließend nach
2 – 3 h eine reaktive Hyperglykämie induziert.
Eine Beeinträchtigung der Thrombozytenaggregation und Abnahme der Thrombozytenzahl unter
Somatostatinapplikation kann zu Blutungsproblemen führen. Auch treten in Einzelfällen schwere
Nierenfunktionsstörungen auf.
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Allgemeinchirurgie
! Octreotid ist ein lang wirksames Somatostatinana-
5.1
es Richtlinien für den Einsatz von Somatostatin
? Gibt
nach resezierenden Pankreaseingriffen?
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– Langzeitrückenlage mit ineffektivem Ventilations-Perfusions-Verhältnis und Entwicklung
basaler Atelektasen,
– Verlust des Sympatikotonus bei Rückenmarkverletzungen mit bronchialer Hypersekretion
und Bronchospasmen,
– Lungenödem durch Mediatorfreisetzung im
Rahmen des SIRS mit Permeabilitätsstörungen,
– Volumensubstitution mit hohem Freiwasseranteil und systemischer Wasserretention,
– häufige, teils stille Aspiration im Rahmen der
Erstversorgung.
Insgesamt stellt der Erhalt einer adäquaten Lungenfunktion einen ganz entscheidenden Prognosefaktor für das Überleben des Polytraumatisierten
dar. Daher ist eine frühzeitige und aggressive Prophylaxe und Therapie mit Frühintubation zur Entlastung der Atemmuskulatur, Überdruckbeatmung
(PEEP, CPAP), regelmäßiger Umlagerung, physiotherapeutischer Atemtherapie, Sekretmobilisation
und intensiver Bronchialtoilette von besonderer
Bedeutung.
ist der Einsatz von Trilumensonden postopera? Wann
tiv indiziert?
Operative Intensivmedizin
! Als einfache Zugangswege zum Gastrointestinaltrakt für eine frühe enterale Ernährung gelten die
nasoenteralen Sonden, die gastral oder jejunal appliziert werden können. Eine Weiterentwicklung
einfacher Sondensysteme stellt die mehrlumige
nasoenterale Sonde dar, die entweder als zweioder dreilumige Sonde industriell angeboten
wird. Die mehrlumige Sonde mit gastralem Ableitlumen und einem jejunalen Ernährungsschenkel
(Bilumensonde), ggf. mit Nebenluftkanal (Trilumensonde), bietet die Möglichkeit der gleichzeitigen gastralen Dekompression und jejunalen Ernährung. Für eine frühe enterale Ernährung bei
kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation
kann diese Sonde sowohl intraoperativ als auch
endoskopisch platziert werden und stellt eine Erweiterung und für eine temporäre Sondenernährung sehr gut geeignete Alternative zu perkutanen
Sonden dar. Wie bei allen Zugängen distal des
Treitz-Bandes ist das Aspirationsrisiko für die applizierte Nahrung zu vernachlässigen. Bei gleichzeitiger gastraler Ableitung ist auch der „Schienungseffekt“ mit stiller Aspiration gering ausgeprägt. Ist eine gastrale Dekompression nicht notwendig, können intraoperativ kontrolliert platzierte dünne Ernährungssonden zur frühen postoperativen Ernährung genutzt werden. Der Nachteil von transnasalen Sondensystemen ist die Neigung zu Dislokation und Fremdkörpergefühl im
Rachen. Ferner sind sie häufig Ursache von Druckulzera, Schleimhautläsionen und Sinusitiden, sodass ihre Liegedauer 2 Wochen nicht überschreiten sollte.
Frage 542
.......................................
? Worauf ist nach Leberresektionen zu achten?
! Hypoglykämie und Hypalbuminämie sind zwei
wichtige Aspekte nach ausgedehnten Leberresektionen. Neben der Entgiftungsfunktion und Stoffwechselaufgaben ist das verbleibende Leberparenchym erst allmählich in der Lage, die gestiegenen
Syntheseanforderungen zu erfüllen. Eine Substitution von Albumin ist jedoch aufgrund der niedrigen Halbwertzeit, der geringen therapeutischen
Effizienz und des potenziellen Infektionsrisikos
nur in Ausnahmefällen indiziert. Die gleichfalls
oft eingeschränkte Synthese von Gerinnungsfaktoren kann zu einer erhöhten Blutungsneigung führen. Eine Substitution ist im Allgemeinen jedoch
erst bei manifesten Blutungszeichen notwendig.
Prophylaktisch kann zur Unterstützung der Lebersynthese eine Substitution mit Vitamin K erfolgen,
bis die Thromboplastinzeit (TPZ, Quick) im Normalbereich ist. Die häufige Neigung zur Hypoglykämie erfordert ein erhöhtes Glucoseangebot
insbesondere bei parenteraler Ernährung und ein
regelmäßiges Monitoring des Blutzuckers bis zur
stabilen Einstellung des Stoffwechsels.
Frage 543
.......................................
ist unter einer Postsplenektomiesepsis zu ver? Was
stehen?
! Die nach Splenektomie gehäuft auftretenden Infektionen sind darauf zurückzuführen, dass die
Bakterienclearance aus dem Blutstrom infolge
einer Störung der Antigenpräsentation (Opsonisierung) beeinträchtigt ist. Da als Erreger für die
Postsplenektomiesepsis in 50 % der Fälle Streptococcus pneumoniae auftritt, sollten alle Patienten
innerhalb von 72 h nach Entfernung der Milz mit
einem polyvalenten Pneumokokkenvakzin immunisiert werden. Die Mehrzahl der in der Regel fulminant verlaufenden Infektionen tritt innerhalb
von 2 Jahren nach Splenektomie auf. Die Mortalität beträgt 50 – 80 %, da die Antibiotikatherapie
nicht rechtzeitig wirksam ist und die Patienten innerhalb von 12 – 18 Stunden versterben.
Frage 544
.......................................
Antikoagulation ist nach gefäßchirurgischen
? Welche
Eingriffen indiziert?
! Entsprechend der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie empfiehlt sich postoperativ nach Endarteriektomie (TEA) und Prothesenbypass, aber auch nach interventionellem Vorgehen zur allgemeinen Thromboseprophylaxe die
Fortführung der präoperativ begonnenen Low-Dose-Heparinisierung. Nach Dilatation und Stenteinbringung ist zudem die Gabe von Aggregationshemmern und/oder Heparinisierung geboten. Darüber hinaus bevorzugen einige Autoren bei gelenkübergreifenden Kunststoffprothesen initial
eine effektive Heparinisierung und anschließende
Kumarintherapie.
Frage 545
.......................................
bei gefäßchirurgischen Rekonstruktionen eine An? Ist
tibiotikaprophylaxe obligat?
! Entsprechend der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie ist eine Antibiotikaprophylaxe bei gefäßchirurgischen Eingriffen nicht
obligat. Von vielen Autoren wird diese jedoch vor
allem bei Einbringen von körperfremden Materialien, Rezidivoperationen und infizierten Weichtei-
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Frage 541
.......................................
! Die postoperative Verlaufskontrolle muss postoperativ in den ersten 24 h engmaschig als ärztliche, nicht delegierbare Aufgabe wahrgenommen
werden. Dazu sind der Bewusstseinszustand, die
Funktion der Hirnnerven (N. laryngeus recurrens –
Heiserkeit; N. laryngeus superior – Zunge; N. hypoglossus – Zunge; N. facialis – Unterlippe), die
Sensibilität und Motorik der Extremitäten zu
überprüfen, um frühzeitig zerebrale Durchblutungsstörungen feststellen zu können. Zur Diagnostik einer blutungsbedingten Kompression
muss ebenfalls regelmäßig eine Wundkontrolle
vorgenommen werden, die sowohl Drainageverluste als auch den Halsumfang einschließt. Bei
Hinweisen auf eine Kompression im Halsbereich
muss schnell, ggf. im Bett, eine Eröffnung der
Wunde zur Entlastung erfolgen, da sonst eine Intubation erheblich erschwert sein kann. Der Blutdruck muss in dieser Phase ebenfalls stabil eingestellt und überwacht werden. Eine Hypotonie
kann auch bei kurzzeitigem Auftreten zu einer
wesentlichen Minderung der zerebralen Versorgung führen, die im einfachsten Fall temporäre
Verwirrtheitszustände auslöst. Andererseits dürfen auch keine Blutdruckspitzen bzw. hypertone
Blutdruckwerte auftreten, da es sonst gehäuft sowohl zu Nachblutungen, aber auch im vorgeschädigten Gefäßgebiet zu Einblutungen kommen
kann.
Frage 547
.......................................
besteht die Indikation zur Kompartmentspal? Wann
tung?
! Nach erfolgreicher Revaskularisation einer zuvor
über längere Zeit minderdurchbluteten Extremität
kann es infolge der postoperativen reaktiven Hy-
5.1
erfolgt das postoperative Monitoring nach Karo? Wie
tiseingriffen?
Frage 548
.......................................
kommt ein Patient potenziell für eine Organ? Wann
spende in Frage?
! Eine Organspende ist in Deutschland nur möglich,
wenn ein beatmeter Patient am Hirntod, d. h. am
irreversiblen Ausfall des gesamten Gehirns (Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm), verstirbt. Der Hirntod
ist eine unabdingbare Voraussetzung, aber nicht
jeder hirntote Patient kommt für eine Organspende in Frage. Die Kontraindikationen für eine Organspende haben sich in den letzten Jahren verringert, teils unter dem Druck des Spendermangels, teils durch verbesserte Möglichkeiten der Organkonservierung und Immunsuppression der
Transplantatempfänger. Alter ist heute kein Kriterium per se – es gibt z. B. Transplantationsprogramme, die speziell auf ältere Spender zuge-
..........
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Allgemeinchirurgie
Frage 546
.......................................
perämie und Reperfusionsschaden des Endothels
bei erhöhter Kapillarpermeabilität zur Ausbildung
von Ödemen kommen. Vergleichbare Ödeme entstehen bei traumatisch bedingten Abflussstörungen.
Es treten interstitielle Flüssigkeitsansammlungen
auf, die in den von Muskulatur, Faszien und Knochen gebildeten weitgehend abgeschlossenen
Kompartimenten der unteren Extremitäten infolge
Platzmangel zu einer Erhöhung des Gewebedruckes mit nachfolgender Kompression von Gefäßen
führen. Da durch diese allmähliche Druckerhöhung zuerst der venöse Abstrom betroffen ist,
tritt noch ein Ungleichgewicht zwischen arteriellem Einstrom und venöser Drainage auf, die das
Ödem und die Druckerhöhung weiter verstärken.
Damit bildet sich ein Kreislauf, an dessen Ende
sensorische und motorische Ausfälle stehen.
Ohne akute Entlastung sind diese Schädigungen
irreversibel.
Frühe Zeichen eines Kompartmentsyndroms sind
Sensibilitätsstörungen, Spannungsgefühl und
Muskelschwäche im betroffenen Kompartment.
Schmerzen in diesem Gebiet werden durch passive Dehnung verstärkt. Da bei intensivmedizinischen Patienten diese Kriterien jedoch häufig
nicht zuverlässig zu erheben sind, sollte beim ersten klinischen Verdacht eine Messung des Kompartmentdruckes vorgenommen werden. Eine Indikation
zur
Kompartmentspaltung
mit
langstreckiger Fasziotomie ergibt sich dann bei
Drücken von ⬎ 30 – 40 mm Hg, da dann die Perfusion nicht mehr adäquat ist. Cave: Spaltung aller
potenziell befallenen Kompartmente erforderlich.
Begleitende Phänomene wie Azidose, Hyperkaliämie und Myoglobinämie sind für die Indikationsstellung nicht zuverlässig, da diese Veränderungen
meist erst nach ausreichender Reperfusion oder
bei irreversiblen Schäden auftreten.
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len (besonders pAVK-Stadium IV) empfohlen.
Durch den Einsatz von Cephalosporinen (Wirksamkeit gegenüber grampositiven Hautkeimen)
konnte in einigen Studien die Inzidenz von
Wund- und Protheseninfekten gesenkt werden.
Die besondere Gefährdung bei gefäßchirurgischen
Patienten beruht vor allem auf der meist generellen schlechten peripheren Durchblutungssituation
mit erhöhter bakterieller Translokation und verminderter lokaler Abwehr sowie der schlechten
Prognose bei Protheseninfekten. Die Dauer der
postoperativen Prophylaxe sollte sich dann über
ca. 3 – 4 Tage bzw. zum Entfernen einliegender
Drainagen oder Katheter erstrecken, um mögliche
bakterielle Eintrittspforten zu limitieren.
Frage 549
.......................................
Regelungen gelten für die Hirntodfeststel? Welche
lungen im Zusammenhang mit Organspenden?
! Die Feststellung des Hirntodes ist in den Richtlinien der Bundesärztekammer geregelt. Sie hat durch
zwei dafür qualifizierte, voneinander getrennt untersuchende Ärzte zu erfolgen, die nicht selbst an
der Organentnahme oder Transplantation beteiligt
sind, und beruht auf einem dreistufigen Vorgehen:
– Prüfen der Voraussetzungen: Grundvoraussetzung ist der zweifelsfreie Nachweis einer primären (Hirnblutung, Schädelhirntrauma, apoplektische Insulte, Hirntumoren, akuter Verschluss eines Hydrozephalus) oder sekundären
Hirnschädigung
(Hypoxie,
prolongierter
Schock, Kreislaufstillstand usw.). Dabei müssen
andere Faktoren ausgeschlossen sein, die die
neurologische Beurteilung beeinträchtigen (Sedativa, Muskelrelaxanzien).
– Nachweis der klinischen Symptome: Bei der
neurologischen Untersuchung müssen ein tiefes Koma (Fehlen aller Bewusstseinsleistungen,
zielgerichteter Motorik und vegetativer Reaktionen), Verluste der Hirnstammreflexe (Ausfall der Pupillenlichtreaktion, des okulozephalen Reflexes, des Hornhautreflexes, des Würgereflexes, des Hustenreflexes und fehlenden
Schmerzreaktionen im Gesicht) und Vorliegen
einer Apnoe geprüft werden.
– Nachweis der Irreversibilität: Diese wird in Abhängigkeit vom Alter des Verstorbenen und der
Genese des Hirntodes über unterschiedlich
lange Zeiträume nachgewiesen. Alternativ können apparative Zusatzuntersuchungen (EEG,
Dopplersonographie der Hirnarterien usw.)
eingesetzt werden.
Für den gesamten Ablauf sind entsprechend des
Transplantationsgesetzes genaue Richtlinien und
Dokumentationspflichten durch die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) bzw. die Bundesärztekammer vorgegeben (http://www.dso.de
oder
www.bundesaerztekammer.de/Publikationen/Richtlinien).
Frage 550
.......................................
? Wer darf einer Organentnahme zustimmen?
! Nach dem Transplantationsgesetz dürfen in
Deutschland Organe entnommen werden, wenn
der Verstorbene zu Lebzeiten dazu seine Einwilligung gegeben hat. Diese Einwilligung kann
schriftlich dokumentiert sein, z. B. in Form eines
Organspendeausweises, oder mündlich gegenüber
Verwandten oder engen Freunden geäußert worden sein. Liegt weder eine Einwilligung noch ein
Widerspruch in schriftlicher Form vor, ist der oder
die nächste Angehörige zu fragen, ob der diesbezügliche Wille des Verstorbenen bekannt ist.
Wenn den Angehörigen der Wille des Toten nicht
bekannt ist, können sie eine Entscheidung treffen,
müssen aber den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen berücksichtigen. Als nächste Angehörige im Sinne des Transplantationsgesetzes gelten
Ehepartner, volljährige Kinder, Eltern oder Vormund, volljährige Geschwister und Großeltern.
Volljährige Lebensgefährten sind gleichgestellt,
wenn der Organspender diesem bis zu seinem
Tode besonders nahe gestanden hat. Der Arzt
muss sich vergewissern, dass der Angehörige in
den letzten zwei Jahren Kontakt zu dem Toten
hatte. Bei mehreren gleichrangigen Angehörigen
genügt es, wenn einer von ihnen befragt wird.
Der Widerspruch eines jeden Familienmitgliedes
sollte beachtet und möglichst im Konsens entschieden werden.
Frage 551
.......................................
Sie die Differenzialdiagnose des Blutdruck? Nennen
abfalles am ersten postoperativen Tag nach operativer Ausschaltung eines Aortenaneurysmas.
! Klinisch signifikante Ursachen sind die postoperative Herzinsuffizienz bzw. der Herzinfarkt sowie
die Nachblutung. Im Gefolge einer durch Ligatur
der A. mesenterica inferior bedingten Sigmaisch-
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Operative Intensivmedizin
schnitten sind (Old-for-old-Programm). Auch Hepatitis-B- oder -C-Infektionen sind kein Ausschlusskriterium, wenn die Empfänger bereits
eine entsprechende Infektion haben. Insgesamt
stellt die zu erwartende Qualität des Spenderorgans in Abwägung zur Dringlichkeit des Empfängers das entscheidende Kriterium dar. Dabei stellen die Dauer der Katecholamintherapie, Ischämiezeiten, Anzahl und Dauer von Reanimationsversuchen und funktionelle Parameter (z. B. Natrium- und Kaliumserumspiegel) Richtwerte dar,
die der Transplanteur empfängerseitig bei der Entscheidung über die Annahme der Organe berücksichtigt.
Aktuelle Kontraindikationen der Organspende
sind:
– HIV-Infektion,
– i. v. Drogenabhängigkeit,
– floride Tuberkulose,
– Sepsis mit nachgewiesenen multiresistenten
Keimen,
– therapierefraktäre, systemische Infektionen
durch Viren oder Pilze,
– nicht kurativ behandelte Malignome,
– therapierefraktäres Organversagen,
– unklare neurologische Grunderkrankung (Prionenübertragung).
?
Nennen Sie typische Komplikationen nach einer
Splenektomie und deren Therapie.
! Die häufigste Komplikation nach der Splenektomie ist die Nachblutung. Hier muss eine rasche
operative Reintervention erfolgen. Bei 4 – 7 % der
Patienten, besonders bei Operationen wegen hämatologischer Grunderkrankungen, kommt es zu
einem subphrenischen Abszess, der möglichst Sonographie- oder CT-gesteuert punktiert werden
sollte. Ist dies nicht möglich, so muss eine operative Abszessdrainage erfolgen. Infolge der Nachbarschaft des Pankreasschwanzes zum Milzhilus
kommt es in rund 2 % der Fälle, besonders bei unübersichtlichen Verhältnissen, zu einer Pankreasverletzung mit konsekutiver Pankreasfistel. Bei
freiem Abfluss des Pankreassekrets über die Papille heilt eine solche Fistel meist spontan aus. Des
Weiteren ist das pulmonale Infektionsrisiko nach
einer Splenektomie beträchtlich. Pneumonien
werden in 7 – 13 % der Fälle postoperativ beschrieben. Aus diesem Grunde ist bei elektiver Splenektomie eine vorherige Pneumokokkenvakzinierung
indiziert. Ansonsten sollte eine peri- und postoperative Antibiotikagabe erfolgen.
Frage 553
.......................................
Sie Differenzialdiagnosen der oberen Gas? Nennen
trointestinalblutung.
! Die obere Gastrointestinalblutung macht 85 %
aller gastrointestinalen Blutungen aus. Am häufigsten beruht sie auf einer Ulkusblutung aus
Magen oder Duodenum, seltener auch auf einem
Ösophagusulkus. An zweiter Stelle stehen die Blutungen aus varikösen Veränderungen, besonders
Ösophagus-, seltener Fundusvarizenblutungen.
Das Mallory-Weiss-Syndrom, ein subkardialer
Schleimhauteinriss nach forciertem Erbrechen,
gastrale Erosionen, ein Tumor sowie Angiodysplasien im Bereich des oberen Verdauungstraktes
sind seltenere Ursachen. Richtungsweisend ist
bei diesen Erkrankungen normalerweise die Ösophagogastroduodenoskopie. Angiographie und
Szintigraphie sind speziellen Fragestellungen vorbehalten.
Gefolge einer Ösophagusvarizenblutung.
! An erster Stelle steht hier natürlich die Ausschaltung der Blutungsursache mit den verschiedenen
lokalen und allgemeinen Maßnahmen. Zentral für
die direkte Therapie der hepatischen Enzephalopathie ist die Beeinflussung des Hirnödems. Es
stehen hier verschiedene Maßnahmen, die alle
primär auf eine Senkung der Ammoniakkonzentrationen abzielen, zur Verfügung, so die orale
Gabe von Laktulose bzw. die orale Verabreichung
schwer resorbierbarer Antibiotika. Weitere Maßnahmen sind die Aminosäuren- und die Zinksubstitution. Neuere Untersuchungen legen einen positiven Effekt von Flumazenil, einem Benzodiazepinantagonisten, nahe.
Sinnvolle Allgemeinmaßnahmen sind in dieser Situation eine Verbesserung der Nierenfunktion,
eine dosierte Rehydrierung bei Exsikkose, der Ausgleich von Elektrolytimbalancen sowie eine Korrektur des Säure-Basen-Haushalts.
5.1
.......................................
Sie zentrale therapeutische Maßnahmen
? Nennen
beim Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie im
Frage 555
.......................................
Entstehungsmechanismen liegen einer hypo? Welche
thyreoten Krise zugrunde und wie kann man sie therapieren?
! Bei der hypothyreoten Krise handelt es sich letztlich um ein recht seltenes Erkrankungsbild, von
dem in Deutschland ca. 20 – 30 Fälle jährlich beschrieben werden. Das Alter der Patienten liegt
meistens zwischen 60 – 80 Jahren. Offensichtlich
ist eine Kälteeinwirkung häufig erkrankungsauslösend. Zusätzlich begünstigen wohl Umstände, die
die respiratorische Insuffizienz fördern (z. B. Operationen, Narkotika, Sedativa, Morphin, Barbiturate, Tranquilizer, Alkohol, Unterbrechung der
Schilddrüsensubstitutionstherapie), die Manifestation.
Die medikamentöse Therapie besteht aus 500 µg
L-Thyroxin i. v. am ersten Tag. An den folgenden
Tagen jeweils 100 µg L-Thyroxin. Zusätzlich sollten
200 mg Hydrocortison pro Tag infundiert werden.
Da häufig eine Dilatationshyponatriämie besteht,
sollte die Flüssigkeitszufuhr nur dosiert erfolgen.
Frage 556
.......................................
lautet die konservative Basistherapie bei akuter
? Wie
nekrotisierender Pankreatitis?
! Die konservative Basistherapie besteht aus der
Flüssigkeits-/Elektrolyt- und Kaloriensubstitution
bei gleichzeitiger Nahrungskarenz. Zusätzlich ist
auf eine effektive Analgesie zu achten. Beim Nach-
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Allgemeinchirurgie
Frage 552
Frage 554
.......................................
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ämie kann es zu einer Sepsis kommen. Weitere
Möglichkeiten sind eine postoperative Lungenembolie oder eine distale Embolie im Bereich der unteren Extremitäten.
erte Punktion der Nekrosen mit anschließender
bakteriologischer Aufarbeitung des Aspirates.
Frage 560
.......................................
Sie Hinweise zu Diagnostik und Therapie des
? Geben
abdominellen Kompartmentsyndroms.
Frage 557
! Beim abdominellen Kompartmentsyndrom liegt
Sie Argumente für einen raschen Beginn der
? Nennen
enteralen Ernährung nach großen abdominalchirur-
eine Störung der Mikrozirkulation der abdominellen Organe infolge eines erhöhten abdominellen
Druckes vor. Klinisch zeigt sich hierbei meist
eine Vermehrung des Bauchumfangs mit sehr
starker
Bauchdeckenspannung.
Gleichzeitig
gehen Herzminutenvolumen und Nierenfunktion
zurück. Wichtigste Differenzialdiagnose ist hier
natürlich das septische bzw. akute Abdomen infolge einer akuten lokalen Darmerkrankung (Darmperforation, Anastomoseninsuffizienz). Als zuverlässigstes Kriterium für die Diagnostik des abdominellen Kompartmentsyndroms gilt die Messung
des Druckes in der Harnblase. Dabei werden Blaseninnendrücke von mehr als 25 mm Hg als richtungsweisend für die Diagnose eines abdominellen Kompartmentsyndroms gesehen.
Die Therapie des abdominellen Kompartmentsyndroms besteht in der Anlage eines Laparostomas
(d. h. eines sog. „offen gelassenen Abdomens“).
.......................................
gischen Eingriffen.
! Wesentliche Argumente sind in diesem Zusammenhang die bessere Substratverwertung im Vergleich zur parenteralen Ernährung. Bei enteraler
Ernährung besteht nachgewiesenermaßen ein
präventiver Effekt vor einer Mukosaatrophie. Weiterhin begünstigt die enterale Ernährung den Erhalt der physiologischen Darmflora sowie der enteralen Immunkompetenz. Darüber hinaus ist die
enterale Ernährung im Vergleich zur parenteralen
Ernährung kostengünstiger.
Operative Intensivmedizin
Frage 558
.......................................
Frühkomplikationen nach laparoskopischer
? Welche
Fundoplicatio kennen Sie?
! Die Ösophagus- und Magenwandverletzung mit
konsekutiver Mediastinitis bzw. Peritonitis bei
der laparoskopischen Fundoplicatio ist in den
Händen des erfahrenen Operateurs mit einer Häufigkeit von unter 1 % selten, aber dennoch gefürchtet. In vergleichbarer Häufigkeit kommt es zu
einer Milzverletzung mit Nachblutung. Mittlerweile sehr selten geworden sind Stichverletzungen der großen Gefäße bei der Trokarplatzierung.
Gelegentlich tritt peri- bzw. postoperativ, meist
durch Verletzung der linksseitigen Pleura, ein
Pneumothorax auf. Als zwerchfellnaher Eingriff
weist die Fundoplicatio im Vergleich zu anderen
abdominalchirurgischen Eingriffen eine erhöhte
Pneumonierate auf.
Frage 561
.......................................
Sie die Differenzialtherapie der rektalen
? Diskutieren
Anastomoseninsuffizienz beim septischen Intensivpatienten.
! Bei septischen Intensivpatienten mit rektaler Anastomoseninsuffizienz sollte die Nahrungskarenz mit
intravenöser Hyperalimentation die Grundlage des
Therapiekonzepts sein. Abhängig von der Breite der
Insuffizienz und den lokalen abdominellen Verhältnissen wird man sich zwischen einer Aufhebung
der Anastomose mit Ausleitung des proximalen Kolons im Sinne einer Operation nach Hartmann und
dem Belassen der Anastomose mit Vorschaltung
eines blockierenden Stomas (z. B. eines Ileostomas)
entscheiden. Bei tiefen Anastomosen ist auch eine
transrektale Übernähung bei kleineren Leckagen
möglich. Zusätzlich ist natürlich die Peritonitis
nach allgemeinen viszeralchirurgischen Standards
zu behandeln.
Frage 559
.......................................
Möglichkeiten gibt es, die Entwicklung eines
? Welche
septischen Zustandsbildes bei akuter nekrotisierender
Pankreatitis zu erkennen?
! Neben der Beobachtung des klinischen Zustandsbildes mit den klassischen klinischen Sepsiszeichen, wie z. B. Temperaturerhöhung, Tachykardie
und Hypertonie (bei der hyperdynamen Form),
ist die Infektion vorhandener Pankreasnekrosen,
z. B. durch Lufteinschlüsse in den Nekrosen im
Rahmen einer Computertomographie nachweisbar. Als sensitivstes und spezifischstes Verfahren
gilt in diesem Zusammenhang aber die CT-gesteu-
Frage 562
.......................................
?
Nennen Sie Möglichkeiten der medikamentösen Beeinflussung der Kolonmotilität.
! – Eine beschleunigende Wirkung auf den Dickdarmtransit haben die sog. Prokinetika (wie
das Cisaprid), Cholinergika (wie das Prostigmin), Gallensäuren (wie Ursodesoxycholsäure),
124 . . . . . . . . . .
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weis von Pankreasnekrosen (Nachweis z. B. durch
Computertomographie mit intravenöser Kontrastmittelgabe) sollte prophylaktisch ein Breitspektrumantibiotikum verabreicht werden. Daneben
muss auch eine Stressulkusprophylaxe betrieben
werden.
aber auch Antibiotika, wie Erythromycin oder
Tetrazykline.
– Typische Laxanzien sind die Antrachinone oder
diphenolische Verbindungen.
– Eine Verlangsamung des Dickdarmtransits erfolgt durch Psychopharmaka, Opiate, Anticholinergika, wie Butylscopolamin oder Trospiumchlorid, sowie verschiedene andere Substanzen, wie z. B. Verapamil oder eisenhaltige Substanzen.
lich gemacht werden, sind ein Darmwandödem
sowie Durchblutungsstörungen auf dem Boden
einer Ischämie durch zu stark ausgeprägte Skelettierung. Auch ein zu langer Rektumstumpf sowie
eine Peritonitis scheinen die Ausbildung einer
Rektumstumpfinsuffizienz zu begünstigen. Therapie der Wahl ist die Nachresektion nach vorheriger kompletter Spülung des Rektumstumpfes mit
Serosierung der Naht. In den seltenen Fällen, in
den keine Nachresektion möglich ist, kommt als
Alternative die breite Drainage in Frage.
Frage 563
Komplikationsmöglichkeiten die Nachblutungen
aus dem Operationsbereich sowie eine akute gastrointestinale Blutung. Vaskuläre Komplikationen
sind die Leberarterien- und die Pfortaderthrombose. Des Weiteren kommen Infektionen, insbesondere auch opportunistische Infektionen mit Candida
oder Aspergillusarten, gehäuft vor. Eine wichtige
Differenzialdiagnose zu den vaskulären Komplikationen bzw. Problemen im Bereich der Gefäßanastomosen ist die primäre Dysfunktion. Eine Gallengangleckage bzw. eine Gallengangsstenose ist eine
weitere klinisch signifikante Komplikation.
Als wesentliche Spätkomplikationen gelten die
Hyperthermie, Niereninsuffizienz, chronische Abstoßung, ein Rezidiv der Grunderkrankung sowie
die Entwicklung eines Zweitmalignoms.
Frage 564
.......................................
welchen Komplikationen müssen Sie im Rahmen
? Mit
der Intensivtherapie nach abdominothorakaler Ösophagusresektion rechnen?
Operationsindikationen bzw. Indikationen zur
? Welche
erneuten Revision gibt es bei der akuten nekrotisierenden Pankreatitis?
! Die bakterielle Infektion der vorhandenen Pankreasnekrosen ist die wesentliche Operationsindikation bei der nekrotisierenden Pankreatitis. Dies
impliziert, dass man heute Frühoperationen möglichst vermeiden sollte. Erfahrungsgemäß kommt
es erst nach einem klinischen Verlauf von ca. 2 – 3
Wochen zur bakteriellen Besiedlung der Nekrosen,
bevorzugt mit Darmkeimen. Weitere seltenere
Operationsindikationen sind chirurgisch therapierbare Komplikationen der Erkrankung, wie
eine akute Blutung sowie eine Perforation von
Hohlorganen. Eine operative Revision ist auch als
Ultima Ratio bei sehr schwerem Verlauf zu rechtfertigen, da sich hierunter häufig eine ansonsten
klinisch stumme Nekroseninfektion verbirgt.
5.1
! Neben der Abstoßungsreaktion sind wesentliche
Frage 566
.......................................
Frage 567
.......................................
ist die häufigste Komplikation bei der Duodeno? Was
hemipankreatektomie nach Whipple?
! Die bei weitem häufigste Komplikation ist die In-
! Die häufigste Komplikation ist die Anastomosensinsuffizienz. Danach folgen in der Häufigkeit die
Nachblutung und die Pneumonie. Gelegentlich
kommt es, meist auf dem Boden einer primär klinisch inapparenten Anastomoseninsuffizienz, zu
unklaren Herzrhythmusstörungen.
Frage 565
.......................................
ist eine Rektumstumpfinsuffizienz, wann tritt sie
? Was
auf und was kann man tun?
! Bei einer Rektumstumpfinsuffizienz handelt es
sich um eine Insuffizienz der Naht am blind verschlossenen Rektumstumpf, z. B. im Rahmen einer
Hartmann-Operation. Ursächlich für die Entstehung ist eine starke Füllung des Rektumstumpfes
mit Stuhl. Weitere Faktoren, die für die Entstehung einer Rektumstumpfinsuffizienz verantwort-
suffizienz der Pankreatojejunostomie, die heute
mit einer Häufigkeit von ca. 10 – 15 % auftritt. Begünstigende Faktoren sind ein physiologisch weitgehend intaktes Pankreas, welches aufgrund seiner weichen Konsistenz ein sehr schlechtes Nahtlager darstellt. So weist die Pankreatojejunostomie
bei Whipple-Operationen wegen eines Gallengangkarzinoms mit naturgemäß weitgehend unauffälligem Organ die höchste Insuffizienzrate
auf, während bei Whipple-Operation wegen einer
chronischen Pankreatitis mit derbem Organ die
Insuffizienzraten am geringsten ist. Neben der Organkonsistenz als Faktor für die Haltbarkeit der
Naht scheint eine exkretorische Insuffizienz eher
protektiv bei der Entstehung einer Anastomoseninsuffizienz zu sein.
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Allgemeinchirurgie
?
Nennen Sie wesentliche Komplikationsmöglichkeiten
nach einer orthotopen Lebertransplantation.
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Frage 568
.......................................
Organverletzung tritt am häufigsten bei der
? Welche
Drainage eines linksseitigen Pleuraergusses auf?
Transplantationsversuche gescheitert waren, umgehen, indem er einem kranken eineiigen Zwilling
die Niere des gesunden Geschwisters transplantierte.
! Am häufigsten kommt es bei dieser Maßnahme zu
einer Verletzung der Milz, aus diesem Grunde
sollte die Pleurapunktion dorsal niemals unterhalb des 8. Interkostalraumes erfolgen.
.......................................
Frage 569
sicher abgrenzbar. An welche Verletzungen denken
Sie und welche einfachen klinischen Untersuchungen
gibt es?
? Was versteht man unter einer „Intensivgallenblase“?
! Es handelt sich hier um eine akute steinlose Cholecystitis beim intensivpflichtigen Patienten. Am
häufigsten kommt es zur „Intensivgallenblase“
nach Polytrauma und Verbrennungen. Als Ursachen werden eine Stase des Gallenflusses, eine erhöhte Viskosität der Galle sowie eine Minderperfusion der Gallenblasenmukosa diskutiert.
Frage 570
.......................................
einem Patienten mit Zustand nach Überrolltrauma
? Bei
ist das linke Zwerchfell in der Thoraxübersicht nicht
! Bei dem beschriebenen Verletzungsmechanismus
muss man an eine Zwerchfellruptur denken. Die
sicher einfachste klinische Untersuchung ist die
Auskultation, deren Aussagekraft allerdings nicht
sehr hoch ist. Eindeutig besser sind die Sonographie, die sekundäre Zeichen, wie eine Milz- und/
oder Herzverlagerung, zeigen kann, aber bei guten
Untersuchungsbedingungen auch den Defekt direkt nachweist sowie die Magen-Darm-Passage
unter Gabe von wasserlöslichem Kontrastmittel
zeigt.
Operative Intensivmedizin
? Wodurch ist eine Altersappendizitis charakterisiert?
! Aus letztlich bisher ungeklärten Gründen verläuft
eine Appendizitis beim älteren Menschen häufig
klinisch uncharakteristisch und insbesondere
ohne deutliche Abwehrspannung im rechten Unterbauch. Die Rate zum Zeitpunkt der operativen
Intervention bereits perforierter Appendices ist
beim alten Menschen signifikant erhöht. Desgleichen liegt die perioperative Letalität über dem
Durchschnitt.
Frage 574
.......................................
ist die häufigste Indikation für eine Dünn? Welche
darmtransplantation?
! Die bei weitem häufigste Indikation für die Dünndarmtransplantation stellt das Kurzdarmsyndrom
dar. Die Ergebnisse haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert und man geht heute von
einer Einjahresfunktionsrate des Transplantats
von ca. 80 % aus.
Frage 571
.......................................
Rekonstruktionsmöglichkeiten nach Ösopha? Welche
gusresektion kennen Sie?
! Die am häufigsten verwendete Rekonstruktion
nach Ösophagusresektion besteht aus dem Hochzug eines zu einem Schlauch umgeformten Magens. Steht der Magen zur Rekontruktion, z. B.
nach vorangehenden Magenresektionen, nicht
zur Verfügung, so wird meist eine Koloninterposition eingesetzt. Eine weitere Rekonstruktionsmöglichkeit liegt in der Verwendung eines gestielten
Jejunumsegments.
Frage 572
.......................................
und warum war die erste Nierentransplantati? Wann
on erfolgreich?
! Die erste erfolgreiche Nierentransplantation erfolgte 1954 durch Joseph E. Murray in Boston. Er
konnte die damals noch nicht effektiv beeinflussbare Immunbarriere, an der alle vorangehenden
Frage 575
.......................................
Arten der abdominellen Lavage bei diffuser
? Welche
Peritonitis kennen Sie?
! Man unterscheidet folgende Lavage-Arten:
– Die sog. programmierte oder Etappenlavage,
bei der jeweils in vorher festgelegten Abständen die Eröffnung des Bauchraumes zur offenen Spülbehandlung erfolgt. Abhängig davon,
ob bei der Operation zusätzlich Bauchtücher
eingebracht werden, spricht man von einer
Etappenlavage mit oder ohne „open packing“.
– Alternativ wird die offene oder geschlossene
kontinuierliche dorsoventrale Bauchspülung
eingesetzt. Hierbei erfolgt eine Dauerspülung
des Bauchraumes über dorsal eingebrachte Katheter. Als Nachteil der kontinuierlichen
Bauchspülung wird immer wieder ins Feld geführt, dass sich hier sog. „Spülstraßen“ ausbilden können, d. h. bestimmte Bauchareale bei
dieser Technik nicht adäquat gereinigt werden.
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Frage 573
rhythmien, Minderperfusionen bei reduzierter
kardialer Auswurfleistung und nichtokklusive
Mesenterialischämien von besonderer Bedeutung,
da die unspezifische Symptomatik schwer von anderen postoperativen Folgen (z. B. prolongierte
Darmparalyse) zu unterscheiden ist.
Der Zeitraum vom Auftreten der Symptome bis
zur definitiven Therapie ist jedoch der wichtigste
Prognosefaktor. Insbesondere bei arteriellen Gefäßverschlüssen sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 3 – 4 h deutlich ab, da durch Überschreiten der Ischämietoleranz irreversible
Gewebeschäden im Darm auftreten. Da die Diagnose oft nicht im Anfangsstadium gestellt wird
und vorwiegend ältere multimorbide Patienten
betroffen sind, sind Rekanalisationen und andere
chirurgische Interventionen häufig nicht suffizient
durchführbar bzw. unzureichend
Sie die am häufigsten nachgewiesenen Keime
? Nennen
im Rahmen einer bakteriellen Peritonitis.
! Bei der primären Peritonitis handelt es sich meistens um eine Monoinfektion mit Escherichia coli
(40 – 60 %) oder Pneumokokken (15 %). Bei sekundärer Peritonitis findet sich meist eine Mischinfektion von Escherichia coli, anderen Enterobakterien, Enterokokkenbakterien, Fragilisarten sowie
anderen Anaerobiern.
Frage 577
.......................................
? Was sind Howel-Jolly-Körperchen?
! Howel-Jolly-Körperchen sind atypische Chroma-
Frage 579
erfolgt die Differenzierung von akuten hepato? Wie
zellulären Schäden?
! Unter intensivmedizinischen Bedingungen spielen
Frage 578
.......................................
wissen Sie über die Ätiologie des Mesenterialge? Was
fäßverschlusses?
! Mesenterialischämien sind Ursache bei 0,4 – 1 %
der Patienten mit akutem Abdomen. Das Durchschnittsalter der betroffenen Patienten beträgt in
Abhängigkeit vom Einzugsklientel (z. B. Kardiochirurgie) ca. 70 Jahre. Hauptursache mesenterialer
Perfusionsstörungen sind arterielle Gefäßverschlüsse (Abb. 5.1), die mit einer Letalität von
60 – 95 % belastet sind. Bei venösen Ischämien ist
mit einer Letalität von 20 – 70 % zu rechnen, wobei
sich trotz großer Fortschritte in der intensivmedizinischen Versorgung in den letzten 30 Jahren
kaum Veränderungen bei diesen Krankheitsbildern ergeben haben.
Unter intensivmedizinischen Bedingungen sind
embolische Verschlüsse nach perioperativen Ar-
akute Leberfunktionsstörungen eine wesentliche
Rolle. Verschiedene Schädigungen können als Ursache auftreten. Diese pathogenetischen Mechanismen lassen sich teilweise bildgebend, aber
auch mittels Labordiagnostik differenzieren. Dazu
werden im Allgemeinen LDH, GOT (ASAT), GPT
(ALAT), GLDH (Glutamatdehydrogenase) und die
Gamma-GT (GGT) bestimmt. Aufgrund der zahlreichen Differenzialdiagnosen und Einflussfaktoren können zur Interpretation dieser Laborparameter folgende Quotienten gebildet werden, die
jedoch nur eine Entscheidungshilfe darstellen
(Tab. 5.1).
Darüber hinaus kann ein Verlust einer ausreichenden Funktionsreserve der Leber (Metastasenleber,
ausgedehnte Resektionen, Resektionen bei bestehender Leberzirrhose) zu einem funktionellen Leberversagen führen, das sich in pathologischen
Veränderungen der o.g. Parameter gering oder gar
nicht widerspiegeln kann.
arteriell
akut
okklusiv
Mesenterialarterienembolie
Abb. 5.1
Mesenterialarterienthrombose
5.1
.......................................
venös
chronisch
nichtokklusiv
nichtokklusive
mesenteriale Ischämie
(NOMI)
„Angina
abdominalis“
ischämische
Colitis
Mesenterialvenenthrombose
Ätiologie mesenterialer Gefäßverschlüsse.
..........
127
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Allgemeinchirurgie
tinreste in Erythrozyten. Sie treten obligat nach
Milzexstirpation sowie auch bei Milzaplasie und
bei Erythrozytenreifungsstörungen auf. Finden
sich nach einer Splenektomie Howel-Jolly-Körperchen nur temporär, so ist dies meist auf das Vorhandensein von Nebenmilzen zurückzuführen.
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Frage 576
.......................................
Akute, hepatozelluläre Schäden – Laborparameter
Quotient
GOT + GPT [U/l]
GLDH [U/l]
Perioperative Hypoxie
↑
Akute Perfusionsstörungen
↑↑↑
Arzneimitteltoxizität
↑↑↑
Exazerbation einer Virushepatitis
↑↑↑
GOT [U/l]
GPT[U/l]
(de-Ritis-Quotient)
GGT [U/l]
GPT [U/l]
↑↑
↑
Dekompensation einer Leberzirrhose
↑
↑↑
Traumatische Schädigungen
↑↑
Akute extrahepatische Cholestase
= bis ↓
Akute Parenchymzellschädigung durch Intoxikationen (z. B. arzneimittelinduziert) weisen ein typisches Muster mit LDH ⬎ GOT ⬎ GPT auf. Die
membrangebundenen GGT und GLDH steigen bereits bei leichteren Leberzellschäden an, während
die zytoplasmatischen GOT und GPT erst bei
schwereren Störungen der Zellintegrität freigesetzt werden und ins Serum gelangen, da ca.
15 – 20 % dieser Enzyme im Zytoplasma lokalisiert
und 80 – 85 % mitochondrial gebunden sind.
Frage 580
Blut zu eliminieren, ist stark eingeschränkt, da
diese an Eiweiß (insbesondere Albumin als universellem Transporteiweiß) gebunden sind. Da zusätzlich die Kapazität der Albuminbindungsstellen
limitiert und der Albuminspiegel im Blut des betroffenen Patienten mangels Synthese auch besonders erniedrigt ist, kommt es zu einer nominellen
Überlastung dieser Bindungsstellen bei sehr
hohen BIutkonzentrationen dieser Toxine. So
kommt ein Kreislauf in Gang, bei dem eine progrediente Schädigung der Leber und anderer Organsysteme mit Ausbildung eines hepatischen
Komas entsteht (Abb. 5.2).
! Speziell für die Ausbildung des Coma hepaticum
.......................................
.......................................
? Wie entsteht ein hepatisches Koma?
werden heute verschiedene Theorien diskutiert.
Besonders interessant scheint die zytotoxische
Wirkung der verschiedenen Metabolite in höheren
Konzentrationen zu sein, die bei Leberversagen in
der Leber nicht entgiftet werden können. Die Kapazität der Leber, neben einigen wichtigen wasserlöslichen Substraten, wie dem Ammoniak, die
überwiegende Anzahl der anfallenden Toxine im
Albuminsynthese ø
Bindungskapazität
für Zytotoxine ø
Schädigung von
Hepatozyten ⁄
Zytotoxine im Blut ⁄
Frage 581
unterscheidet sich die Pharmakokinetik und An? Wie
wendung hochmolekularer und niedermolekularer
Heparine?
! Tabelle 5.2 erdeutlicht Pharmakokinetik und Anwendung.
5.2 Unfallchirurgie
Frage 582
.......................................
GCS-Wert (Glasgow Coma Scale) erreicht ein
? Welchen
intubierter, beatmeter und tief analgosedierter Polytraumapatient?
Organschädigungen ⁄
Coma hepaticum
Abb. 5.2
Pathogenese des hepatischen Komas.
! GCS = 3.
GCS = 0 als Wert, wie es immer wieder in Notarztprotokollen zu lesen ist, gibt es per definitionem
nicht.
128 . . . . . . . . . .
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Operative Intensivmedizin
Tabelle 5.1
Niedermolekulare Heparine
Wirkmechanismus
erhöht durch Bindung an AT III dessen
hemmenden Einfluss auf Thrombin um
den Faktor 1000 durch Inhibition von:
– Faktor Xa
– geringer Faktor IX, XI und XII
– Hauptwirkung: Inhibierung von Faktor
Xa nach Bindung an AT III
– da geringe Komplexbildung mit AT III
fast keine Thrombinhemmung
Bioverfügbarkeit
durch höhere Plasmaeiweißbindung
eingeschränkt und variabel
aufgrund geringerer Bindung an Plasmaeiweiß oder Monozyten/Endothelzellen
weniger beeinflusst
Wirkdauer
kurze Halbwertzeit (Low-Dose ca. 1 h,
High-Dose bis zu 5 h)
längere Halbwertzeit mit Wirkdauer von
12 – 24 h
Monitoring
bewirkt Verlängerung der PTT
(Therapiebereich je nach Indikation
1,5 – 2,5fache Verlängerung)
normalerweise nicht erforderlich, jedoch
über Anti-Faktor-Xa-Bestimmung kann
Wirkung quantifiziert werden
Heparininduzierte
Thrombozytopenie (HIT)
höher als bei niedermolekularen
Heparinen
geringe Inzidenz
Frage 583
.......................................
stellt sich dass Polytrauma heute im Vergleich zu
? Wie
den 1970er-Jahren medizinisch und sozioökonomisch
dar?
! Die absolute Zahl Verkehrstoter hat in 30 Jahren
um 65 % abgenommen. Der PKW-Unfall ist nach
wie vor der Hauptmechanismus, wobei Baumkollisionen und Seitenanprall heute die häufigste Unfallkonstellation darstellen. Durch geänderte Sicherheitseinrichtungen der PKWs (Airbags, ABS,
ESD) und die Gurtpflicht, sind Kopf und Hals die
am häufigsten verletzten Regionen. Die kollisionsbedingten Geschwindigkeiten sind leicht angestiegen, wie die Hannoveraner Unfallforschung
nachweisen konnte. Die Gesamtzahl Polytraumatisierter an den Unfallverletzten hat von 14 % auf
4,5 % abgenommen. Das überlebte Polytrauma
führt heute noch bei 20 % zu Erwerbsunfähigkeit.
Während die Gesamtletalität seit den 1970er-Jahren von 69 % auf 54 % abgenommen hat, ist die
Letalität am Unfallort von 32 % auf 40 % gestiegen.
Mit Erreichen der Klinik ist die Letalität also gesunken. Nach Analysen der Ulmer Unfallforschung
2000 kostet ein Polytrauma mit ISS 37 durchschnittlich € 35.000,-, maximal € 150.000,-,
davon entstehen 2/3 der Kosten in der Phase der
Behandlung auf der ICU, 1/3 der Kosten entspricht
dem Ressourcen- und Implantateverbrauch im OP.
Frage 584
.......................................
gestalten Sie das Management von Brandver? Wie
letzten?
! Ab einer Beteiligung von 20 % Körperoberfläche
(KOF) und einer Verbrennung Grad II sollte der
Patient in ein Zentrum verlegt werden. Ebenso
bei weniger beteiligter KOF jedoch bei schweren
Verbrennungen im Gesicht, am Hals, an den Händen und den Geschlechtsorganen. Wenn die Versorgung in der eigenen Klinik nicht gewährleistet
werden kann, sollte sofort nach Eintreffen des Patienten und nach Sichtung des Verbrennungsausmaßes Kontakt mit der Zentrale für Schwerstbrandverletzte aufgenommen werden (Telefon:
040/428 51 – 3998 oder -3999 – in der Schweiz
und in Österreich dezentral über 3 bzw. 2 Zentren
organisiert).
Dort kann das nächstgeeignete freie Bett in einem
Verbrennungszentrum erfragt werden, dann ist
Kontakt mit diesem Zentrum aufzunehmen und
der Patient voranzumelden sowie die Details der
Verlegung und Vorversorgung des Patienten zu
klären.
In der Regel sollte der Patient mit großlumigen
peripheren Zugängen oder einem ZVK versorgt
werden. Ein arterieller Zugang zur Blutgasanalyse
und Drucküberwachung ist wünschenswert. Ein
Blasenkatheter zur Bilanzierung sollte gelegt werden. Die Schutzintubation kann erwogen werden,
bei Inhalationstrauma muss evtl. in Abstimmung
mit dem HNO-Arzt fiberoptisch vorgegangen werden. Die Gabe von Medikamenten erfolgt in Abstimmung mit dem weiterbehandelnden Zentrum.
Auf Cortison und Eiweißgabe soll verzichtet wer-
..........
129
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Unfallchirurgie
Hochmolekulare Heparine
5.2
Pharmakokinetik und Anwendung hochmolekularer und niedermolekularer Heparine
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Tabelle 5.2
den, Volumen muss gegeben, Antibiose (in der
Regel 3 × 3 g Unacid in den ersten 24 h) kann begonnen werden.
rechtigt, im wohlverstandenen Interesse des Patienten entscheidungsbefugt ist. Je dringlicher
eine Maßnahme, umso geringer kann die Aufklärung ausfallen, ggf. sind Angehörige als Zeugen in
der Einverständniserklärung zu benennen.
Frage 585
.......................................
den müssen Schmerzen und Angst gelindert werden?
! Akuter Schmerz führt zu physiologischen Sofort-
Operative Intensivmedizin
reaktionen des Organismus, die sich in einem gesteigerten Vegetativum ausdrücken:
– Kontraktionen bis hin zu Spasmen der Muskulatur (Zittern),
– Überfunktion von Drüsen und Vasomotorik,
– Veränderung von Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck usw.
Aus diesen auf den Fluchtinstinkt gerichteten
Funktionen des Menschen folgt die individuell in
unterschiedlicher Intensität wahrgenommene
Angst. Durch Angst wird wiederum interindividuell verschieden die Schmerztoleranz gesenkt, sodass zwischen ZNS-Stimulierung und ausgedrückter Angst einerseits und Bedrohung oder
Zerstörung der Gewebe und des Organismus andererseits teils eine erhebliche (oft zusätzlich
noch soziokulturell getriggerte) Diskrepanz bestehen kann. Aus Humanität und Mitleid sollte jedem
behandelten Arzt klar sein, dass mit Erreichen
eines professionellen Helfers der unbedingte
Handlungszwang zur Linderung von Schmerzen
und Angst besteht. Die immer wieder insbesondere von Viszeralchirurgen vorgetragene Sorge, ohne
Schmerzen bei dem Patienten keine abdominelle
Basisuntersuchung durchführen zu können und
den Schmerz als diagnostisches Mittel zu benötigen, ist aus intensivmedizinischer Sicht nur
schwer verständlich. Die Schmerzausschaltung
dient der Beseitigung der vegetativen Begleitsymptomatik, welche zusätzlich Vitalfunktionen
beeinflussen kann.
Manchmal ermöglicht erst die Sedierung und
Analgesie die Wiederherstellung der Kooperationsfähigkeit des Patienten.
Frage 587
.......................................
?
Welche Operationen werden beim polytraumatisierten Patienten am ersten Tag durchgeführt?
! Day-1-surgery und „damage control“ bilden die
lebensrettenden Soforteingriffe (Trepanationen,
Laparotomie, Thorakotomien) und die verzögerten
Primäreingriffe bei vervollständigbarer Diagnostik
zur Blutungskontrolle, Kontaminationskontrolle,
Débridement, Frakturreposition und Stabilisierung
im Fixateur externe und Dekompression von unter
Druck stehenden Kompartimenten. Extremitätenerhaltende OPs stehen unter der Prämisse „limb
for life“ und dürfen den Patienten weder durch
großen Zeitverlust, Blutverlust noch zusätzliche
Traumatisierung vital gefährden. Ziel ist es, den
Patienten durch Eingriffe, die für den Organ-, Extremitäten- und Funktionserhalt wichtig sind, intensivpflegefähig zu machen.
Frage 588
.......................................
? Welche Operationsphasen schließen sich an?
! Im Stadium der Hyperinflammation zwischen Tag
2 und 4 sollten nur Second-Look-Operationen
durchgeführt werden, z. B. Nachdébridement,
Wechsel von Bauchtüchern und Tamponaden im
Abdomen und Beckenbereich. Diese Phase ist in
Bezug auf die körpereignen Abwehrsysteme vulnerabel, zu extensives Operieren kann sich als sog.
Second-Hit-Phänomen auswirken.
Tag 5 – 14 ist das therapeutische Fenster aus traumatologischer Sicht (window of opportunity). In
dieser Phase finden beim hämodynamisch stabilisierten Patienten definitive Frakturversorgungen,
plastische Deckungen, Verfahrenswechsel (von Fixateur externe auf Marknagel), Versorgungen von
Verletzungen im HNO- und ZMK-Bereich statt.
Frage 586
.......................................
?
Wird durch zu früh verabreichte Sedativa nicht die
Fähigkeit in die Einwilligung zu einer Operation gefährdet?
! Die Befürchtung, durch Sedativa die Geschäftsfähigkeit des evtl. zur sofortigen Operation einzuwilligenden Patienten zu gefährden, kann so
nicht gelten, da in der Notsituation der behandelnde Arzt gemäß BGB-Grundsätzen (BGB
§§ 677 ff.) zur Geschäftsführung ohne Auftrag be-
Frage 589
.......................................
Faktoren können zur Verzögerung in der
? Welche
dritten Operationsphase führen?
! Verzögerungen können sich bei Patienten mit SHT
ergeben, deren Hirndrücke in dieser Zeit noch zu
hoch sind, um OP-bedingte Lagerungswechsel zu
tolerieren. Dies kann dazu führen, dass aufwändige Rekonstruktionen an Becken und Wirbelsäule
unter Inkaufnahme eines schlechteren Behand-
130 . . . . . . . . . .
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meisten Schwerverletzten leiden unter Schmer? Die
zen und sind ängstlich aufgeregt. Aus welchen Grün-
ckungskette nachvollziehen. Obligatorisch sollten
zum Schutz der Kliniken Screeningprogramme mit
Nasen- und Rachenabstrichen bei neuen Patienten
und regelmäßig beim exponierten – auch ärztlichen – Personal sein. Insbesondere Patienten die
bereits in anderen Kliniken (v. a. im südeuropäischen Ausland) behandelt wurden, sind überzufällig häufig betroffen.
Frage 592
.......................................
routinemäßig alle Notfallpatienten und alle
? Sollten
elektiv zu operierenden Patienten in einer Klinik
einem HIV-Test unterzogen werden?
Frage 590
.......................................
könnte ein minimaler medikamentöser Basis? Wie
standard auf einer Intensivobservationsstation für
wache, kooperative Patienten aussehen?
! – Metamizol oder Paracetamol 1 g 4/d,
– Morphium oder Derivate (z. B. Dipidolor)
3,75 – 15 mg alle 4 – 6 h oder als Perfusor mit
60 mg/d oder Sevredol 10 – 20 mg 2 – 3/d,
– Protonenpumpenhemmer: z. B. Pantozol 40 mg
1/d,
– Acetylcystein 200 mg 3/d,
– NMH z. B. Fraxiparin, Fragmin, Clexane s.c. 1/d,
– RiLac oder NaCl 1500 ml/d,
– Sedativum zur Nacht oder bei Bedarf: z. B.
Tranxilium 25 mg, Tavor 1 – 2 mg, Diazepam
5 – 10 mg.
Frage 591
.......................................
ist in Bezug auf multiresistente Erreger (MRE) im
? Was
Krankenhaus und besonders auf der ICU und im OP zu
beachten?
! Durch unkritischen Einsatz von Antibiotika in der
Vergangenheit und oft noch bis heute wurden
hochresistente Erreger selektioniert, die heute insbesondere in der Intensivmedizin und im OP zu
immens kostenträchtigen Problemen führen. Der
MRSA und der VRE sind dabei häufige Keime. Die
Keime selbst verhalten sich epidemiologisch ähnlich wie die sensiblen Stämme, jedoch neigen sie
bei immungeschwächten Patienten auf der ICU
und allgemein in Bereichen mit hohem Antibiotikaverbrauch zu epidemischem Auftreten. Das Personal und die Zusammenlegung von Patienten mit
und ohne Besiedlung auf der ICU ohne die notwendigen spezifischen Isolations- und Hygienemaßnahmen fördern die Verbreitung. Sehr gut
lässt sich heute bei einem Ausbruch durch die Bestimmung der Bakterienstämme die „Verwandtschaft“ der betroffenen Patienten und die Anste-
Frage 593
.......................................
?
Ist die Wahrscheinlichkeit der postoperativen Wundinfektion nach Operationen HIV-positiver Patienten
größer und relativiert sich dadurch beispielsweise die
Indikation für den alloplastischen Hüftersatz?
! Gerade bei elektiven Eingriffen stellt das perioperative Infektionsrisiko einen bedeutenden Gewichtungsfaktor bei der Indikationsstellung dar.
Bei HIV-positiven Patienten ist je nach Immunstatus die zusätzliche Gefahr der Ausbreitung von
opportunistischen Infekten und atypischen Keimen gegeben, welche im Vollbild der AIDS-Er-
..........
131
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Unfallchirurgie
die Maßnahme außer im Notfall (dann später dem
Gesetze nach einzuholen) grundsätzlich schriftlich
einwilligungspflichtig. Dennoch rechtfertigt die zu
erwartende Morbidität und Mortalität bei einer
Ansteckung mit allen psychosozialen und ökonomischen Aspekten ein regelrechtes Screening zum
Schutze des Personals. Bei Notfallpatienten kann
das Ergebnis technisch nicht zu Beginn der ersten
Behandlungsmaßnahmen und Operationen vorliegen, daher sollte jeder Notfallpatient – und nicht
nur der, der aufgrund äußerer Erscheinungsmerkmale „verdächtig“ erscheint – mit den Sicherungsmaßnahmen behandelt werden, die bei einem
nachgewiesen positiv getesteten Patienten auch
getroffen würden. Insbesondere die Benutzung
von Spritzschutzvisieren oder Schutzbrillen steht
immer wieder in der Diskussion. Bislang ist in der
Literatur eine Ansteckung von Klinikpersonal via
Tränenflüssigkeit nicht bekannt. Bei einer Kanülenstichverletzung mit kontaminierter Hohlnadel
liegt die Ansteckungswahrscheinlichkeit bei unter
2 %, die Virulenz von Hepatitis B liegt hierbei vergleichsweise bei über 20 %. Bei 3000 elektiv zu
operierenden Patienten eines Traumazentrums
fanden sich bei den kostengünstigen Suchtests
immerhin jährlich 1 – 2 Patienten mit zufälliger
Erstdiagnose beim Screening. Ob es sich um eine
Fehltestung handelt oder nicht, beweisen dann
spezielle immunologische Tests.
5.2
! Ja. Die Kosten sind nicht unerheblich, zudem ist
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lungsergebnisses zurückgestellt werden müssen.
Häufige Probleme entstehen auch bei Patienten
mit offenem Abdomen, die nicht zur Bauchlage
befähigt sind oder deren Kontaminationsrisiko
für einen streng aseptischen aufwändigen Rekonstruktionseingriff an Gelenken, Becken oder Wirbelsäule zu hoch ist. Weiterhin stehen Gerinnungsprobleme häufig nach Massentransfusionen
weiteren Operationen im Weg. Bei manifestem
ARDS nach Thoraxtrauma kann in dieser Phase
eine zusätzliche Einschwemmung von Markraumfett ins intravasale System und die Lunge, wie es
beim Aufbohren von Markhöhlen zum Einbringen
von Marknägeln oder auch bei der Jet-Lavage und
Markraumbürstung zur Dekontamination der Fall
ist, vital bedrohlich sein.
Frage 594
.......................................
? Wann ist die Abnahme einer Blutkultur sinnvoll?
! In der Regel in der Frühphase vom Anstieg der
Körpertemperatur zwischen 38,0 und 39,0 °C. Die
Einschwemmung von Erregern in das Gefäßsystem geschieht meist etwa eine Stunde im Vorfeld
des Fiebermaximums. Es sollten mehrfach Blutkulturen zu Beginn aufeinander folgender Fieberschübe genommen werden, jeweils zur anaeroben,
aeroben und mykologischen Aufbereitung.
Frage 595
.......................................
lautet die Empfehlung zur Tetanusprophylaxe des
? Wie
Robert-Koch-Instituts?
! Bei jeder offenen Verletzung, die nicht unter chirurgisch aspetischen Bedingungen entsteht, ist der
Impfstatus des Patienten abzufragen, also streng
genommen auch bei Gelegenheitswunden wie eröffneten Hautblasen, Schürfungen, Insektenstichen und Zeckenbissen. Bei unbekanntem Impfstatus oder ⬎ 10 Jahre zurückliegendem letztem
Vollschutz simultan (aktive und passive Immunisierung)
mit
Tetanusimmunglobulin
[TG]
250 – 500 IE und Tetanus-Diphterie-Impfstoff
[TD] (z. B. Tetanol) (Tab. 5.3).
Bei Grundimmunisierungen Vervollständigung
durch TD nach 6 Wochen und 6 Monaten.
Tabelle 5.3 Tetanusprophylaxe entsprechend den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts
Vorangegangene
Impfungen
Vor Jahren
Impfstoff
0 oder unbekannt
egal
TG und TD
1
egal
TG und TD
2
⬎ 10
TG und TD
2
⬍ 10
TD
3
⬎5
TD
3
⬍5
–
Frage 596
.......................................
ist bei Bissverletzungen durch Tiere und Men? Was
schen zu beachten?
! Im Gegensatz zu Menschenbissen, die oft mit aerober und anaerober Mischflora (auch Übertragung
von Virenerkrankungen Hepatitis B und C, Lues,
HIV, Herpes, Tetanus und Tuberkulose) einhergehen, sind Tierbisse von Haustieren und domestiziertem Vieh häufig harmloser. Ein gründliches
Wunddébridement erübrigt z. B. bei Hundebissen
häufig eine prophylaktische Breitbandantibiose,
wenn regelmäßige Wundkontrollen vereinbart
werden. Die Frage nach dem Tollwutschutz des
Tieres ist außerhalb von Endemiegebieten eher
von sekundärer Bedeutung. Der Verdacht, die
Krankheit und der Tod durch Tollwut sind meldepflichtig. Eine postexpositionelle Impfung steht
zur Verfügung.
Frage 597
.......................................
ist bei einem Wespen- oder Hornissenstich zu
? Was
veranlassen?
! Insektenstiche, wie z. B. Hornissenstiche, erfordern ein lokales Débridement und die Entfernung
des Stachels. Die systemische Behandlung ist nur
bei anaphylaktoider Reaktion erforderlich und
entspricht der üblichen Schocktherapie bei Anaphylaxie. Notfallmäßig Hydrocortisol (500 –
1000 mg), Volumengabe und ein Antihistaminikum. Die weitere Therapie richtet sich nach den
vitalen Parametern.
Frage 598
.......................................
ist bei Bissen und Vergiftungen von exotischen
? Wie
Tieren wie Spinnen und Schlangen zu tun?
! Glücklicherweise werden in Mitteleuropa überwiegend Halter von exotischen Tieren oder Men-
132 . . . . . . . . . .
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Operative Intensivmedizin
krankung (symptomatische HIV-Infektion) einen
lebensbegrenzenden Faktor einnehmen können.
Hier muss sehr sorgfältig abgewogen werden, ob
dem Betroffenen
– eine Hospitalisierung zur Durchführung einer
nicht lebensnotwendigen OP und
– das erhöhte Risiko einer Infektion zuzumuten
ist.
In Studien jüngerer Zeit wurde gefunden, dass die
Quote der Infektionen bei geschlossenen Verletzungen (ohne präoperative Kontamination) mit
3,5 % unter den HIV-Positiven mit der Quote von
5 % bei HIV-Negativen keine signifikanten Unterschiede aufweist. Bei präoperativer Kontamination
steigt diese bei den HIV-Patienten markant auf
42 % im Vergleich zu 11 %. Als häufigster Keim für
postoperative Wundinfektionen wurde Staphylococcus aureus beobachtet. Der Gewinn an Lebensqualität bei Patienten mit erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen und starken Hüftschmerzen
rechtfertigt die elektive OP. Sind eine suffiziente
antimikrobielle Prophylaxe und hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) perioperativ gewährleistet, relativiert das Vorliegen einer HIV-Infektion die Indikation zur TEP – vor allem bei
Coxarthrose – nicht.
! Das C-reaktive Protein ist der klassische Akutphaseparameter zum Verlaufsmonitoring der körpereignen Entzündungsreaktion auf ein Trauma/Operation. Bei Gewebeschädigung wird vom Monozyten-Makrophagen-System Interleukin 2 (IL-2) freigesetzt, das als Stimulator der CRP-Synthese in der
Leber fungiert. Der IL-2-Anstieg geht daher dem
CRP-Anstieg voraus. Das CRP steigt 4 – 6 h nach
einem Trauma und erreicht nach ca. 36 – 48 h
sein Maximum. Der Abfall des CRP-Spiegels ohne
weiteren externen Stimulus (z. B. erneute OP) oder
hinzukommende Infektion geschieht mit einer
Halbwertzeit von etwa 18 – 24 h. Bei chronischer
Entzündung steigt das CRP gewöhnlich nur diskret
an. Verschiedene Referenzbereiche von Laboren
(Norm ⬎ 0,5 oder ⬎ 5 mg/dl) sind zu beachten.
5.2
ist bei der Interpretation des CRP-Wertes zu be? Was
achten?
Frage 602
.......................................
Frage 600
.......................................
kann intraoperativ ein Cellsaver eingesetzt
? Wann
werden?
! Die Indikation zur maschinellen Autotransfusion
ist bei Operationen oder Verletzungen mit einem
zu erwartenden Blutverlust von 1000 ml gegeben.
Kontraindikationen bestehen bei septischen Eingriffen, Tumorresektionen und Eröffnung des Gastrointestinaltraktes. Die evtl. zusätzlich im abgesaugten Blut enthaltene Menge Kochsalzlösung
muss beachtet werden. Bei Prothesenimplantationen muss mit Beginn der Zementierung bzw. Spülung des Situs mit aseptischen Spüllösungen auf
normale Absaugsysteme umgestiegen werden
können.
Frage 601
weiteren Schockformen sind bei der Behand? Welche
lung von Unfallopfern denkbar?
! Psychogener Schock. Als natürliche Reaktion auf
Life-events und abnorme Belastungen in Unfallsituation bei Opfern, Zeugen und Ersthelfern. Entspricht eher der Übererregung und orthostatischen Dysregulation. Notfallseelsorger und
psychologischer Kriseninterventionsdienst sollten
z. B. gerade bei Unfalltod von Kindern für die Eltern hinzugezogen werden. Im Allgemeinen wie
bei Angstattacken, psychomotorischen Spannungs- und Erregungszuständen kann durch
„talking down“ und evtl. Gabe von Diazepam i. v./
i. m. Linderung verschafft werden.
Anaphylaktischer Schock. Kann bei der Gabe von
Medikamenten (Antibiotika, Lokalanästhetika)
aber auch bei unbekannter Latexallergie auftreten,
wenn die Anamnese hierzu nicht bekannt ist.
.......................................
? Nennen Sie traumarelevante Schockformen.
! Allen Schockformen gemein sind die Symptome
mit veränderter Bewusstseinslage, Unruhe, Angst,
Apathie, Somnolenz, Koma, Zeichen der Zentralisation mit kalten, feuchten, blassen Extremitäten
Frage 603
.......................................
? Was ist ein spinaler Schock?
! Der spinale Schock bezeichnet die schlaffe Parese
mit Verlust der Eigenreflexe posttraumatisch unterhalb der Schädigungshöhe auf RM-Ebene. Kein
..........
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Unfallchirurgie
Frage 599
.......................................
(Ausnahme Frühphase des septischen Schocks),
periphere Zyanose, Hyperventilation, Dyspnoe.
m Cave: Rosige Haut bei CO-Vergiftung.
Hypovolämischer Schock. Gekennzeichnet durch
Blutverluste, Verbrennungen, Erbrechen, Durchfälle, lange Rettungszeit (= lange Blutungszeit, wenn
es im Schockraum immer noch blutet). Ggf. Angabe starken Durstgefühls.
Kardiogener Schock. Hypertonus, KHK, Myokardinfarkt, Klappenvitien, Herzbeuteltamponade,
Myokarditis, Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, alle inneren Ursachen auch als Unfallursache
bedenken bei unklarem Ablauf des Unfalls. Im Gegensatz zu anderen Schockformen hier Oberkörper hochlagern.
Neurogener Schock. Dysregulation des Atemzentrums oder der Atemmuskulatur führt zum Missverhältnis von Sauerstoffangebot und Nachfrage in
Zielorganen im Sinne der Schockdefinition, also
RM-Schädigung oberhalb C4. Nichttraumatische
Gründe: Guillain-Barre-Syndrom (akute, idiopathische Polyradikuloneuritis, aufsteigende Lähmung),
MS-Schub, Myasthenie, Botulismus, Lambert-Eaton-Syndrom (paraneoplastische Erkrankung der
motorischen Endplatte).
Septischer Schock. Eher späte traumatische
Schockform auf der ICU, hohes Fieber mit Schüttelfrost durch Zerfall von Bakterienendotoxinen
im Blut bei Sepsis.
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schen, die mit exotischen Tieren arbeiten, von diesen gebissen, sodass über das Tier und das inokulierte Gift in der Regel sofort Klarheit bestehen
sollte. Neben der Sicherung der Vitalparameter
und der allgemeinen Schockbehandlung sollte unverzüglich Kontakt mit der Giftnotrufzentrale aufgenommen werden, um zu erfahren, wo mögliche
Antiserendepots zur Verfügung stehen und wie zu
therapieren ist.
Frage 604
.......................................
welchen Blutverlusten in das Gewebe rechnen Sie
? Mit
bei geschlossenen Frakturen der verschiedenen Kör-
gedehnten Weichteilgangrän und Sepsis auftreten
können und bei unterlassener chirurgischer Sanierung eine evtl. operative Stabilisierung des
Beckenringes nicht mehr möglich ist.
Frage 606
.......................................
? Welche Operationen sollten in Blutleere stattfinden?
! Alle handchirurgischen Eingriffe, Arthroskopien
des Hand- und Ellenbogengelenks, des Kniegelenks und OSG, alle peripheren Nerveneingriffe.
Endoprothesen-OP außer an der Hüfte und der
Schulter wg. technischer Unmöglichkeit. Beachte
hierbei jedoch das teilweise erhebliche postoperative Nachblutungsrisiko (z. B. nach Knie-TEP),
wenn eine intraoperative Blutstillung bis zur
„Bluttrockenheit“ wegen einer Blutleere nicht
möglich war.
perregionen?
Operative Intensivmedizin
! – Zephalhämatom: 200 ml,
Frage 607
– Hals/ Klavikula/ Rippen: 200 ml,
– Oberarm: 800 ml,
– Unterarm: 400 ml,
– Becken: 5000 ml,
– Oberschenkel: 2000 ml,
– Unterschenkel: 1000 ml.
Intraabdominelle, intrathorakale und mediastinale Blutungen sind von der Volumenmenge schwierig schätzbar in jedem Fall jede für sich potenziell
letal verlaufend. Schwierig ist die Einschätzung
von retroperitonealen Hämatomen und massiven
Weichteilverletzungen mit großflächigem Decollement im Becken-Bein- und Rückenbereich. Hierbei kann das Hämatomvolumen bzw. der Blutverlust schnell auch die 5000 ml übersteigen.
Frage 605
.......................................
? Was ist eine Morrell-Lavallé-Verletzung?
! Eine insbesondere nach Überrolltraumen häufig
beobachtete Sonderform der Beckenverletzung
stellt das ausgedehnte Décollement, die sog. Morrell-Lavallé-Verletzung dar. Hierbei kommt es zu
einer traumatischen Ablösung von Haut und Subkutis von der Faszie, wobei die segmentalen perforierenden Blut- und Lymphgefäße gerissen sind.
Diese oftmals groteske Ausmaße annehmende Ablederung imponiert in der Frühphase durch eine
zunehmende Fluktuation und Abhebung der Haut.
In der Spätphase können ausgedehnte Hautareale
nekrotisch werden. Prädisponierte Stellen sind der
lumbodorsale Übergang, die Glutäalregion, die
trochantäre Region, die iliofemorale Region sowie
die ilioinguinale Region. Derartige Verletzungen
müssen unbedingt frühzeitig erkannt und behandelt werden, da Komplikationen bis hin zur aus-
.......................................
Operationen dürfen nicht in Blutleere statt? Welche
finden.
! Tumoroperationen, alle septischen Eingriffe, Amputationen mit primärem Stumpfverschluss.
Frage 608
.......................................
klassifizieren Sie offene Frakturen und Verlet? Wie
zungen?
! Gewöhnlich wird der Grad der offenen Verletzung/
Fraktur im klinischen Alltag nach Gustilo und Anderson eingeteilt:
– I: Durchspießung von innen ⬍ 1 cm
– II: Weichteildefekt von außen ⬎ 1 cm
– IIIA: Weichteildefekt ⬎ 5 cm, Muskelschäden
– IIIB: Lazeration nach Débridement nicht mehr
von Weichteilen bedeckbar, Periost abgeschoben
– IIIC: zusätzlich größere Gefäß- und Nervenverletzungen
Frage 609
.......................................
? Wie kann Ihnen der MESS-Score helfen?
! Amputationen der unteren Extremitäten nach
dem Grundsatz „limb for life“ müssen häufig bei
schwerem Monotrauma oder beim Polytrauma
durchgeführt werden. Der Mangled Extremity Severity Score (MESS) stellt eine Entscheidungshilfe
dar und befürwortet ab einem Punktwert von ⬎ 7
die Amputation nach folgenden Kriterien:
134 . . . . . . . . . .
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eigentliches Schockgeschehen nach der Definition
einer inadäquaten Gewebeoxygenierung, nicht zu
verwechseln mit dem neurogenen Schock. Die
Therapie besteht in der raschen Dekompression
der Spinalstenose, des Tumors oder des Hämatoms in der Regel operativ, bei Wirbelsäulenluxationen genügt als Erstform oft schon der freie
Durchhang und die rasche Reposition. Gelegentlich findet sich (gehäuft bei jungen Frauen) ein
flüchtiger spinaler Schock nach Niedrigenergietrauma ohne objektivierbare Spinalkanalkompression oder Verletzung, der binnen Minuten bis 24 h
komplett reversibel ist (DD: Erstmanifestation
einer MS-Erkrankung).
2
3
4
sche Druck über 100 mm Hg liegen. Zur besseren
postoperativen Schmerztherapie kann eine
Schmerzpumpe über einen ISK (interskalenärer
Plexuskatheter) erwogen werden. Über die üblicherweise zu platzierende Redondrainage kann
retrograd vor Abschluss der OP durch den Operateur ein Lokalanästhetikum (z. B. Carbostesin) verabreicht werden.
Frage 612
1
.......................................
2
werden zu einem Patienten gerufen, der Stunden
? Sie
nach arthroskopischer Schulter-OP eine Fallhand ent-
3
0
1
2
0
1
2
wickelt hat. Welche häufigen Ursachen kommen in
Betracht?
! Ein Überhang des Lokalanästhetikums, das via Plexuskatheter verabreicht wurde, kann selektiv
noch den Radialis oder den Fasciculus posterior
hemmen. Lagerungsbedingt sind am Oberarm üblicherweise keine Neurapraxien zu erwarten. Hat
eine Dehnung des Plexus z. B. im Rahmen einer
Arthrolyse dazu geführt? Wurde ein Fixierverband
(z. B. Gilchrist oder Dessault) angelegt, der zu eng
ist?
5.2
1
lagern Sie einen Patienten nach Hüft-TEP-Im? Wie
plantation?
! Die Lagerung und postoperative Belastung ist abhängig vom operativen Zugangsweg. Generell sollte Beugung der Hüfte über 60 – 70 ° vermieden
werden. Kombinationsbewegungen mit Abduktion
und Außenrotation sind bei vorderen Zugängen zu
vermeiden, Adduktion und Innenrotation bei hinteren Zugängen. Für eine Dauer von ca. 6 Wochen
müssen Kapsel- und Fasziennähte halten, damit
die Muskulatur und die Zugangswege vernarben
können und keine Luxation oder chronische Luxationsneigung entsteht. Axiale Vollbelastung ist
häufig sofort erlaubt, sodass sich die Frage des
Aufstehens über die Bettkante mit Oberkörper
um 90 ° aufgerichtet meist stellt. Dies ist eben
nicht erlaubt, hier muss die Mobilisierung mit
Physiotherapeuten erfolgen, die wissen, wie der
Patient mit nur teilgebeugter Hüfte aus dem Bett
kommt. Auch die Toilette bzw. der Toilettenstuhl
sollen nur mit spezieller Erhöhung und Aussparung bzw. keilförmiger Absenkung der operierten
Seite benutzt werden.
Frage 611
.......................................
wollen einen Patienten arthroskopisch an der
? Sie
Schulter operieren. Welche Vorüberlegungen zur Lagerung und postoperativen Schmerztherapie stellen
Sie an?
Frage 613
.......................................
einem beatmeten Polytraumapatienten auf der
? Bei
ICU sehen Sie auf der Thorax-Röntgen-Aufnahme eine
Fehlstellung des linken Humeruskopfes nach kaudal.
! Sie haben eine häufig übersehene Verletzung gefunden. Klinisch finden Sie vielleicht eine Minderbeweglichkeit des Gelenks und eine tastbare Delle
korrespondierend zur leeren Gelenkpfanne. Die
häufigste Luxationsform ist ventrokaudal (durch
den zurückgeschleuderten, abduzierten, außenrotierten Arm). Leider ist die Schulterpfanne auf den
„Notfall“-Thoraxaufnahmen nicht immer abgebildet, in den möglichen CTs nicht mitrekonstruiert
und bei der Untersuchung oft übersehen. Beim
wachen Patienten ist der periphere Sensibilitätsstatus zu prüfen, beim sedierten Patienten können
Sie nur den Pulsstatus erheben. Die Kontrolle ist
nach Reposition zu wiederholen. Sie reponieren
beim analgosedierten und bei starker Muskelbepackung auch relaxierten Patienten nach der
Zweihelfermethode oder allein nach Kocher, Verfahren nach Arlt und Hippokrates bieten sich auf
der ICU weniger an. Zur Dokumentation der Reposition dient die Schulteraufnahme a.-p. und der
Y-View. Bei Erstluxation sollte der evtl. weitere
Schaden (Bankart-Läsion, Hill-Sachs-Delle, KapselLabrum-Abriss, Rotatorenmanschettenruptur im
MRT oder im Rahmen einer Arthroskopie gesichert
und behoben werden.
! Es wird üblicherweise in sog. Beach-Chair-Lagerung operiert. Dazu muss der Patient nahezu aufrecht sitzen. Vor der Lagerung sollte der systoli-
..........
135
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Unfallchirurgie
Frage 610
.......................................
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– Knochen und Weichteilverletzung
쐌
einfache Fraktur, low velocity Schuss
쐌
offene oder multiple Frakturen,
Dislokation
쐌
Nahschuss mit Schrot, high velocity
Schuss
쐌
Hochrasanztrauma, schwere
Kontamination, Avulsion
– Ischämie
쐌
Pulse abgeschwächt oder fehlend,
Perfusion intakt
쐌
Parästhesien, Pulslosigkeit, wenig
Kapillarfüllung
쐌
kalte Extremität, motorische
Lähmung, asensibel ⬎ 6 h
– Schock
쐌
systolischer Druck immer ⬎ 90 mm Hg
쐌
vorübergehende Hypotension
쐌
anhaltende Hypotension
– Alter
쐌
⬍ 30 Jahre
쐌
30 – 50 Jahre
쐌
⬎ 50 Jahre
sollten Sie bei einem wachen Patienten mit iso? Wie
lierter Erstluxation der Schulter vorgehen?
Verletzungen werden beim polytraumatisier? Welche
ten Patienten häufig übersehen?
! Zunächst muss die Anamnese erhoben, der luxier-
! Häufigste übersehene Verletzungen:
te Status geröntgt und die periphere Sensibilität,
Motorik und der periphere Pulsstatus dokumentiert werden. Das Röntgenbild ist im Sinne der
schnellen Reposition und Beschwerdebesserung
bei klarer Klinik zwar für den erfahrenen Unfallchirurgen nicht zwingend, jedoch aus medikolegaler Sicht unentbehrlich, z. B. um begleitende Frakturen sicher dem Unfall und nicht der Manipulation durch den Arzt zuzuordnen. Bei Erstluxationen ist die Reposition in der Regel schwer und
schmerzhaft, anders als bei häufigen habituellen
Reluxationen, sodass zumindest eine Analgosedierung indiziert ist, da die 6-h-Grenze für eine elektive Narkose in der Regel zur Prävention sekundärer Gefäß-Nerven-Schäden nicht abgewartet werden sollte.
Frage 615
.......................................
Operative Intensivmedizin
Frage 617
.......................................
Medikamente und welches Monitoring benö? Welche
tigen Sie zur Reposition dieser Schulter in Analgosedierung?
! Sie benötigen einen sicheren venösen Zugang zur
Volumengabe. Ein EKG- und RR-Monitoring ist
wünschenswert, eine Pulsoximetrie unentbehrlich. Sie applizieren in Intubationsbereitschaft körpergewichtsadaptiert Sedativum (z. B. Dormicum)
und Analgetikum (z. B. Dipidolor).
Frage 616
.......................................
ist zu tun, wenn die Reposition der erstluxierten
? Was
Schulter nicht gelingt?
! Scheitert die Reposition, ohne dass z. B. begleitende Frakturen erkennbar sind, kann zum einen die
Muskelbepackung zu stark, zum anderen der Limbus eingeschlagen sein. Ein Versuch der geschlossenen Reposition mit Muskelrelaxans erfordert
wiederum eine Allgemeinanästhesie und sollte in
OP-Bereitschaft stattfinden, falls auf die offene Reposition umgestiegen werden muss. Bei Kindern
sollte auch bei geschlossener Reposition in jedem
Fall die Allgemeinanästhesie durch einen Anästhesisten in Erwägung gezogen werden.
– HWS-Verletzungen: Densfrakturen werden im
Röntgen oft nicht gesehen, wenn keine DensZielaufnahme durch den geöffneten Mund erfolgt. Im zervikothorakalen Übergang werden
Frakturen oft übersehen, weil in der Seitaufnahme ohne Längszug an den Armen oft nur
C6 gerade noch abgebildet ist. Diskoligamentäre Verletzungen der HWS sind in der dynamischen Durchleuchtung durch vermehrte Aufklappbarkeit erkennbar. Ein MRT steht bei der
Initialdiagnostik in der Regel nicht zur Verfügung.
– Kapsel- und Bandverletzungen im Kniegelenk:
Bei Oberschenkelfrakturen sind häufig Kreuzbandrupturen zu beklagen, wenn die Gewalt
nicht direkt auf den Oberschenkel eingewirkt
hat. Kapsel-Band-Verletzungen fallen häufig
erst in der Mobilisierungsphase auf.
– Verletzungen Klavikula und AC-Gelenk, Luxation
der Schulter: Häufig in der Erstdiagnostik übersehen und in den Standardthoraxaufnahmen
nicht mit abgebildet.
– Kalkaneusfrakturen,
Verletzungen/Frakturen
Metatarsale und Zehen: Die „kleineren“ Frakturen der unteren Extremität fallen häufig leider
erst in der Mobilisierungsphase der Patienten
auf, wenn Schmerzen bei der Physiotherapie
beim Gehen angegeben werden.
– Fingerfrakturen, Fingerluxation, SL-Band-Dissoziation, Frakturen der Karpale und Metakarpale:
Ebenso wie am Fuß werden die „kleineren“
Verletzungen an der Hand oft übersehen. Hier
gerade, weil die Hände für das Legen von venösen und arteriellen Zugängen in der Schockraumphase nur kurz zur nativen, klinischen Diagnostik zur Verfügung stehen und Hämatome
danach häufig auf ärztliche Maßnahmen zurückgeführt werden.
Frage 618
.......................................
nehmen Sie einen Stiff-Neck bei bewusstlosen,
? Wann
präsumptiv HWS-Verletzten ab, der seitens des Notarztes oder der Rettungskräfte angelegt worden ist.
! Die Diagnostik richtet sich nach den Anforderungen der therapierenden Klinik. Ist der geschilderte
Unfallmechanismus geeignet, eine HWS-Verletzung herbeizuführen? Dies kann bei alten Menschen prinzipiell jeder Sturz zur ebenen Erde
sein, der äußerlich vielleicht nur zu einer Kinnplatzwunde geführt hat. Frakturausschluss kann
im Röntgen der HWS in 2 Ebenen gewährleistet
136 . . . . . . . . . .
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Frage 614
.......................................
? Wie verfahren Sie beim wachen Patienten?
! Prinzipiell genauso, die Angaben von Schmerzen,
insbesondere Druckschmerz über den Dornfortsätzen und Bewegungsschmerzen beim Lagern
sind nur vage Anhaltspunkte häufig unter Analgetikagabe und dem störenden Gefühl des Stiff-Neck
falsch negativ.
Frage 620
.......................................
gesetzlichen Absicherungen gibt es für An? Welche
gehörige und fremde Ersthelfer im Rahmen von Verkehrsunfällen?
! Mit der Hilfeleistung zugunsten Verletzter in Notfallsituationen ist gelegentlich auch die Gefährdung bzw. Eigenschädigung des Ersthelfers an
dessen Gesundheit bzw. Gütern verbunden. Der
Ersthelfer kann grundsätzlich Ersatz der eigenen
Aufwendungen für unvermeidbaren Schaden
(z. B. Reinigungs- oder Wiederherstellungskosten
seiner im Rahmen der Hilfeleistung beschädigten
Kleidung) vom Verletzten (= Geschäftsherrn) bzw.
u.U. von dessen Haftpflichtversicherung verlangen.
In aller Regel kann der Ersthelfer seine Schadensersatzansprüche aber nicht nur beim Verletzten
(s.o.), sondern – oftmals wesentlich leichter –
auch direkt bei den zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträgern geltend machen. So ist
der Ersthelfer kraft Gesetzes beitragsfrei im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gegen
5.2
Frage 619
.......................................
Frage 621
.......................................
?
Welche Differenzialdiagnosen zum retro- und parasternalen Schmerz fallen Ihnen aus unfallchirurgischer
Sicht ein?
! Wenn Rippenfrakturen und Sternumfrakturen
ausgeschlossen wurden (Airbag? Anpralltrauma?
Zeichen der Contusio cordis? Gurtmarke?), kardiologische Differenzialdiagnosen ausscheiden,
Refluxösophagitis und segmentbetonte Schmerzen wie bei einer Interkostalneuralgie ausscheiden, sind als Raritäten u. a. noch das Tietze-Syndrom und das Da-Costa-Syndrom denkbar:
– Tietze-Syndrom: schmerzhafte Schwellung der
Knorpel-Knochen-Grenze der oberen Rippenansätze am Sternum (Überlastungsmikrofrakturen).
– Das Da Costa-Syndrom ist eine Ausschlussdifferenzialdiagnose der KHK und bezeichnet
funktionelle Thoraxschmerzen.
Diese Diagnosen sind jedoch bei Patienten auf Intensiv- und Observationsstationen aufgrund der
mannigfaltigen Differenzialdiagnosen des retrosternalen Schmerzes nur mit äußerster Zurückhaltung zu stellen.
..........
137
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Unfallchirurgie
alle erdenklichen Personen- und Sachschäden versichert, die ihm bei der Hilfeleistung widerfahren.
Bei Körperschäden hat der Ersthelfer bei Vorliegen
der gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf
kostenlose Heilbehandlung, Verletzten- bzw.
Übergangsgeld, besondere Unterstützung, Berufshilfe und Verletztenrente. Sollte der schwerwiegendste Unglücksfall eintreten und der Ersthelfer
bei der Hilfeleistung zu Tode kommen, haben
seine Hinterbliebenen Anspruch auf Rente und
Sterbegeld.
Erleidet der Ersthelfer im Rahmen der Hilfeleistung Sachschäden (z. B. an seiner Kleidung oder
an seinem zur Sicherung der Unfallstelle abgestellten Kraftfahrzeug), so werden diese ebenfalls
im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung
entschädigt. Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung setzen einen formlosen Antrag
beim zuständigen Versicherungsträger voraus.
Dies ist das jeweilige Bundesland, in dem es zu
dem Schaden des Ersthelfers gekommen ist bzw.
der vom Land ermächtigte gemeindliche Unfallversicherungsträger (http://regelwerk.unfallkassen.de/daten/inform/I_8512.pdf ).
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werden, sofern die seitliche Aufnahme bis C7
reicht (ggf. Längszug an der Armen bei der Aufnahme oder sog. Schwimmeraufnahme). Eine
Dens-Zielaufnahme mit dem Dens axis im Zentralstrahl ist sinnvoll. Bei Zweifel CT der HWS, großzügig, wenn die Indikation zum CCT ohnehin besteht. Danach kann der Stiff-Neck abgenommen
werden.
Zum Ausschluss diskoligamentärer Verletzungen
steht in der Notfallsituation das MRT als sensitivste Untersuchung in der Regel nicht zur Verfügung
(oder nur bei Kindern und Schwangeren), daher
als beste Untersuchung immer dynamische
Durchleuchtung der HWS von lateral unter dem
BV anstreben. Dabei können Störungen des ligamentären Alignements und segmental atypisch
vermehrte Aufklappbarkeiten erkannt werden.
Kliniken, die keine knöchernen und diskoligamentären Verletzungen der HWS operativ sanieren
können, sollten im Zweifel dringend an ein Zentrum weiterverlegen.
werten Sie die rechtlichen Möglichkeiten zur
? Wie
Anbringung von Bettgittern und Fixierungen?
! Zunächst verstößt die Maßnahme gegen die
Operative Intensivmedizin
Grundrechte im GG Artikel 2 zur Freiheit der Person. Daher ist eine Freiheitsbeschränkung durch
Fremdbestimmung zunächst bei betreuten wie
„unbetreuten“ Patienten auf den Grundlagen von
§34StGB, §228 BGB oder per PsychKG möglich. Bei
Betreuten treten die Möglichkeiten aus §1906BGB
hinzu.
In den dort aufgezeigten Grenzen kann ein Betreuer – mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts – einen Betreuten unterbringen („einweisen“) lassen oder mittels anderer Maßnahmen
(z. B. Fixierungen/Bettgitter) die Bewegungsfreiheit einschränken. Wo keine Betreuung eingerichtet ist, muss vor freiheitsberaubenden Maßnahmen ein Richter eingeschaltet werden. Im Zweifel
und in der Not entscheidet der Arzt wie immer
allein aufgrund der Abwendung von Gefahr für
Leib und Leben des Patienten (Selbstgefährdung)
durch die Geschäftsführung ohne Auftrag bis ein
Betreuer oder Richter erreichbar ist.
Frage 623
.......................................
?
Bei einer 83-jährigen Patientin, die Sie wegen einer
Spondylodiszitis BWK 11/12 dorsoventral operiert
haben, weist der Mikrobiologe im intraoperativen
Abstrich Mycobacterium tuberculosis nach. Was ist zu
bedenken?
! Mit dem Nachweis der Tuberkuloseerreger
(Krankheit) ist die gesetzliche Meldepflicht an
das zuständige Gesundheitsamt des Heimatortes
des Patienten gegeben. Bei sicherem Nachweis
(z. B. mittels PCR) sollten Sie mit einer 4fachen
Kombination standardisiert therapieren:
– Rifampicin,
– Isoniazid,
– Ethambutol,
– Pyrazinamid.
m Unbedingt ist ein Mikrobiologe mit in die Behandlungsmaßnahmen einzubeziehen.
Zunächst muss eine floride Lungen-Tbc ausgeschlossen werden, die Übertragung durch Aerosole
aus der Wunde (z. B. bei der Spülung im OP) ist
zwar möglich, jedoch auf der Station extrem unwahrscheinlich. Röntgen-Thorax und Ausschluss
von Erregern im Morgensputum oder Magennüchternsaft an 3 aufeinander folgenden Tagen sind die
nächsten Schritte. Eine Isolierung des Patienten ist
bei Ausschluss einer pulmonalen Tbc nicht erforderlich. Standardhygiene ist bei Wundkontakt
ausreichend.
Frage 624
.......................................
? Nennen Sie Formen der pathologischen Atmung!
! – Cheyne-Stokes-Atmung: Anschwellen bis zur
maximalen Atemtiefe, anschließendes Aussetzen der Atemtätigkeit, nach einer Pause setzt
die Atmung mit zyklisch zunächst kleineren,
dann größer werdenden Atemzügen wieder
ein. Prognostisch schlechtes Zeichen bei Herzund Gehirnerkrankungen oder -schäden.
– Biot-Atmung: Wiederkehrende, kurzdauernde
Atemstillstände, dazwischen Atemzüge von
gleicher Tiefe. Bei Störungen des Atemzentrums durch Hirnverletzung, erhöhter intrakranieller Druck bei Hirntumor, Hirnödem, Hirnblutungen.
– Kussmaul-Atmung: Regelmäßige und tiefe Atmung (durch gespitzte Lippen), Azidoseatmung (typischer Geruch der Atemluft!) bei
diabetischem oder urämischem Koma.
– Maschinenatmung: Tiefe und schnelle Atemzüge mit Hyperventilation, z. B. bei SHT.
Frage 625
.......................................
müssen Sie bei i. v.-Drogen-Konsumenten bei der
? Was
Versorgung einfacher Verletzungen in der Ambulanz
beachten?
! Erstens besteht ein eventuelles Ansteckungsrisiko
für das Personal, da dieser Personenkreis unbedingt zu den Risikogruppen für Hepatitiden und
HIV gehört. Ein weiteres Risiko besteht bei der Applikation von Lokalanästhetika, Sedativa, Analgetika und Narkotika, z. B. kann die Wirkung wegen
übermäßiger Gewöhnung völlig ausbleiben oder
vital bedrohlich hohe Mengen erforderlich machen, zum anderen sind pathologische Reaktionen
zu befürchten, auch Kreuzreaktionen auf evtl.
zuvor konsumierte Drogen. Die Personengruppe
sollte während der ambulanten Behandlung permanent unter Aufsicht sein (achte auf Rezeptblöcke, Zugang zu Medikamenten, Infusionen, Spritzen usw.). Paradoxe Reaktionen (Flash-backs, psychogene Delirzustände und Aggression) sind beim
Legen von Kanülen und Gabe von Spritzen immer
wieder zu erleben. Alleine das Sehen der Nadel
kann zu einem Erwartungsdruck des Kicks führen
und psychotische Zustände hervorrufen. Nie alleine am Patienten arbeiten.
138 . . . . . . . . . .
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Frage 622
.......................................
sodass Sie als Unfallchirurg generell gut beraten
sind, sich anhand der Merkblätter der BG für die
Chemische Industrie zu orientieren. Die Giftnotrufzentrale kann Ihnen bei spezifischen Fragen
zu Substanzen ebenso weiterhelfen. Bei der Verätzung mit Flusssäure, besser Fluorwasserstoffsäure
(HF), kommt es zu einer raschen Koagulationsnekrose.
Frage 627
.......................................
gehen Sie bei diesem Patienten therapeutisch
? Wie
vor?
! Einhergehend, auch mit topischem Kontakt (eine
Ingestion ist hierzu gar nicht erforderlich) mit Fluorwasserstoffsäure ist ein erheblicher Calciumverbrauch mit konsekutiver Hypokalziämie, die u.U.
einen erheblichen Substitutionsbedarf aufweist.
Dies ist bedingt durch das Ausfällen des schwer
löslichen Calciumfluorids. Kardiale Reizleitungsund Rhythmusprobleme sowie tetanische Symptome machen ein Intensivmonitoring mit engmaschiger Kontrolle des Calciumspiegels und situationsadäquater u.U. hochdosierter Calciumgabe
notwendig.
Frage 628
.......................................
Patient hat versehentlich Kalilauge ingestiert, was
? Ein
ist zu beachten?
! Eine Kolliquationsnekrose steht zu befürchten; die
Lauge durchdringt das Gewebe schnell und schädigt es. Keine Absaugungen wegen Perforationsgefahr. Trinken von Milch (Neutralisation der Lauge)
und kaltem Wasser (Kühlung), kein Erbrechen induzieren wegen Gefahr der Hohlorganruptur,
Gabe von Steroiden über mehrere Wochen zur
Prävention der Bildung ösophagealer Narbenstrikturen.
5.2
! Es handelt sich um einen meldepflichtigen D-Fall,
Frage 630
.......................................
Diagnostik und intensivmedizinische Behand? Welche
lung ist beim Barotrauma indiziert?
! – Diagnostik: Jede Form der Diagnostik, die nur
akademischen Charakter hat und zu keiner
therapeutischen Konsequenz führt, sollte unterlassen werden. Die Anamnese und die ärztliche Untersuchung (auch HNO-Konsil, ggf. Augen-Konsil, EKG, Röntgen-Thorax, Labor, BGA,
ggf. LuFu) sind ausreichend.
– Behandlung: Sauerstoffgabe ist wie immer das
Notfallmedikament der 1. Wahl, 100 % mit max.
FiO2 unabhängig von Blutgas- oder Sättigungswerten, Ziel ist die beschleunigte Stickstoffauswaschung. Beim leichten wie beim schweren
Barotrauma unverzüglich Transport in eine geeignete Spezialklinik mit Druckkammer und
Möglichkeit zur hyperbaren Oxygenierung zur
Rekompression.
Frage 631
Frage 629
.......................................
?
Welche Symptome stellen Sie bei der Taucherkrankheit fest?
! Bei der Caisson-Krankheit (Dekompressionserkrankung) werden häufig beim Auftauchen die
notwendigen Dekompressionsstops und -zeiten
seitens des Tauchers nicht eingehalten (oder
auch der Rückflug aus dem Urlaub zu schnell
nach dem letzten Tauchgang angetreten) oder es
.......................................
kann vorliegen, wenn nach einer Intubation
? Was
keine Gasinsufflation möglich ist?
! – Abknicken (Kinking) des Tubus,
– Cuffhernie,
– ausgeprägter Bronchospasmus (auskultatorisch: „silent lung“),
– Patient presst gegen Beatmung, da noch oder
wieder wach.
..........
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Unfallchirurgie
Chemielaborant hat sich im Rahmen seiner Arbeit
? Ein
mit Flusssäure verätzt. Was können Sie dazu sagen?
liegen bei interstitiellen Lungenerkrankungen,
Entzündungen der Schleimhäute, Behinderungen
des normalen Druckausgleiches vor.
Symptome der DCS:
– Grad I: Hautsymptome, Hautjucken („Taucherflöhe“), Gelenkbeschwerden („bends“).
– Grad II: schwere Erkrankung mit neurologischen (Wesensveränderung, Mittelhirnsyndrom, Hemiplegie, Krampfanfälle, Gleichgewichtsstörungen bei Embolie des Kleinhirns
und/oder des Innenohrs, RM-Schäden bis zur
Paraplegie im thorakolumbalen Übergangsbereich) und allgemeinkörperlichen Symptomen.
– Grad III: Mischbild eines DCS Grad II mit arterieller Gasembolie infolge eines hyperbaren
Barotraumas der Lunge (Dyspnoe, Husten, Heiserkeit, blutiger Auswurf, Pneumothorax bei
peripherem Lungenriss, Mediastinalemphysem
bei zentralem Lungenriss), Stenokardien,
Rhythmusstörungen,
kardiogener
Schock,
Trommelfellriss, Hörverlust, Tinnitus, Schwindel, Erbrechen, Aspiration, selten akutes Abdomen durch Hohlorganriss.
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Frage 626
.......................................
Sie Gründe für unzutreffende Werte bei der
? Nennen
Pulsoximetrie?
Sie die Ursachen und Symptome einer Lun? Nennen
genembolie (LE)?
! – Methämoglobinbildung,
! Ätiologisch kommt meist eine Phlebothrombose
–
–
–
–
–
–
intravasale Farbstoffe (z. B. Fluoreszin),
CO-Hämoglobin,
störende Haut- /Nagelpigmentationen,
Fehllage des Clips,
Fremdlichteinfall,
niedriges HZV.
Frage 633
.......................................
? Welche Thrombosefrühzeichen kennen Sie?
! – Druckschmerz an der Oberschenkelinnenseite
Operative Intensivmedizin
Frage 635
.......................................
(M. sartorius, M. gracilis),
– Wadenkompressionsschmerz (Lowenberg),
– bei Dorsalflexion des Fußes Wadenschmerz
(Homans-Zeichen),
– Kulissendruckschmerz,
– Leistenschmerz,
– Druckschmerz im Bereich des Adduktorenkanals,
– Pratt-Warnzeichen (Pratt-Venen proximaler
Unterschenkel medial),
– Meyer-Druckpunkte im Verlauf der V. saphena
magna,
– Fußsohlenschmerz,
– Payr-Zeichen: Druck, Handkantenschlag auf die
Fußsohle.
Frage 634
.......................................
?
Ist die Fixierung der Hände eines intubierten Patienten mit dem Argument der Selbstgefährdung zulässig?
! Ja die Fixierung ist zulässig, ausgehend von der
Annahme, der Patient ist auf „Tubustoleranz“ sediert und agitiert dabei, sodass eine unbeobachtete Selbstextubation ihn zweifelsohne vital gefährden würde. Die freiheitsentziehende Komponente
muss (wenn der Patient voraussichtlich länger
nicht einwilligungsfähig sein wird) bei längerem
Weaning, Durchgangssyndrom usw. seitens eines
Amtsrichters (Betreuer muss benannt werden) bestätigt werden. Richtzeit sollten 48 h sein. Bei extubierten Patienten sollte die Eigengefährdung
seitens eines Psychiaters bestätigt werden.
der tiefen Bein- oder Beckenvenen nach z. T. längerer Immobilisation in Betracht. Es gibt jedoch
auch fulminante Ereignisse z. T. intraoperativ
(z. B. Aufbohrung des Markraumes mit hohem
Druck führt zur Fettembolie). Die postoperative
Thrombembolie in die Pulmonalarterie kommt
häufig bei erster Mobilisierung oder Druckerhöhung durch die Bauchpresse vor. Die Gesamtletalität liegt etwa bei 5 %. Die Symptome sind vielschichtig und überlagern sich mit anderen postoperativ zu erhebenden Befunden. Klassischerweise werden plötzliche Dyspnoe, Hustenreiz, Zyanose, Tachykardie, Schwitzen, Kaltschweißigkeit, Tachypnoe und Thoraxschmerz (die letzten beiden
Symptome bei fast allen Patienten) beobachtet.
Vorhofflimmern, Extrasystolie, Todesangst, hämodynamische Instabilität, Übelkeit, Erbrechen, Hypotension und gestaute Halsvenen durch hohen
ZVD können hinzutreten.
Frage 636
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bereiten Sie einen Marcumar-Patienten auf eine
? Wie
elektive Operation vor?
! Gerinnungskontrolle, Ursache der Marcumareinnahme? Gegebenenfalls kardiologische Einschätzung der Narkosefähigkeit und des kardiovaskulären Risikoprofils beim Absetzen des Marcumars.
Ersatzweise niedermolekulares Heparin ab
10.– 14. Tag präoperativ, gewichtsadaptiert, auf
2 s.c.-Dosen täglich verteilt. Gegebenenfalls präund postoperative Vollheparinisierung mit 25.000
IE Heparin über 24 h im Perfusor. Gegebenenfalls
präoperativ Anheben des Quickwertes wertadaptiert mit Vitamin K (z. B. Konakion-Tropfen).
Frage 637
.......................................
diagnostizieren Sie ein Kompartmentsyndrom
? Wie
beim beatmeten und analgosedierten Intensivpatienten?
! Unfallmechanismus und klinische Diagnose der
Ursache. Brettharte Spannung der Extremität,
Spannung der Haut aufgehobene Fältelung, Glanzhaut, Spannungsblasen.
m Cave: Erhaltene periphere Pulse, massiver Anstieg
der CK.
Druckmessung mit piezoresistiver Druckmesssonde. Interpretation der Werte nur in Zusammenschau mit arteriellem Blutdruck, bei Schockpatienten Differenz zwischen Mitteldruck und
140 . . . . . . . . . .
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Frage 632
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Frage 642
Gewebedruck beachten. Anhaltswert Gewebedruck:
– ⬍ 30 mm Hg = drohendes
Kompartmentsyndrom,
– ⬎ 30 mm Hg = manifestes
Kompartmentsyndrom.
Das manifeste Kompartmentsyndrom ist eine operative Notfallindikation zur kompletten Faszienspaltung aller betroffenen Muskellogen. Bei bewusstlosen Patienten gilt im Zweifel die Devise
„if you think about, do it“.
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Frage 638
.......................................
! Aufgrund der Engstellung im kapillaren Stromgebiet kommt es, insbesondere im Zuge eines septischen Geschehens, zu in der Peripherie fortschreitender Minderdurchblutung mit nachfolgender
Ausweitung der tiefgradig verbrennungsgeschädigten Körperoberfläche. Dies macht nachfolgende
weitere Nekrektomien erforderlich.
ist der Unterschied zwischen tangentialer und
? Was
epifaszialer Nekrektomie?
! Öffnen aller Gipse und Verbände, Entlasten der
! – Bei der tangentialen Nekrektomie werden
Nervendruckpunkte, Weichbetten der betroffenen
Extremität (nicht Hochlagern, dies verschlechtert
zusätzlich die Sauerstoffversorgung), AV-Impulsdruckpumpe am Fuß, adäquate Volumentherapie,
Beobachtung von CK und Kalium, regelmäßige
(stündliche) Kontrolle der Klinik.
oberflächliche Hautschichten entfernt bis auf
blutende Areale im Bereich der Haut.
– Bei der epifaszialen Nekrektomie werden allschichtig Hautareale und das darunter befindliche Fettgewebe bis auf die Muskelfaszie abgetragen. Dieses Verfahren findet bei drittgradigen Verbrennungen Anwendung.
Frage 644
5.3 Plastische Chirurgie
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Formen von thermischer Schädigung sind
? Welche
Ihnen bekannt?
Frage 639
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Verbrennungstiefen sind Indikation zur Ope? Welche
ration?
! Verbrennung, Verbrühung, Lichtbogen, Starkstrom, Strahlenschäden, Erfrierung, chemische
Schädigung.
! Verbrennung tief zweitgradig und drittgradig.
Frage 645
Frage 640
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?
Wieviel KOF kann in der Regel in einer operativen
Sitzung nekrektomiert werden?
! 20 % KOF.
Frage 641
.......................................
Patient nach Pkw-Unfall, der im brennenden Auto
? Ein
aufgefunden und geborgen wurde, wird bewusstlos
in die Notaufnahme der Klinik gebracht. Mit welchen
Verletzungen müssen Sie neben üblichen Traumafolgen besonders rechnen?
! – Verbrennungen der Körperoberfläche,
– Barotrauma,
– Inhalationstrauma.
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? Worauf ist bei Starkstromverletzungen zu achten
! Ein- und Austrittstelle des Starkstromes sind
meist umschriebene drittgradige Verbrennungsareale. Der Stromdurchfluss durch den Körper geschieht entlang der Leitungsbahnen. Zu beachten
sind Herzrhythmusstörungen sowie häufig ausgedehnte Muskelschädigungen, Myolysen. Zu achten
ist auf Myoglobinurie, Crush-Niere.
Frage 646
.......................................
Sie die wichtigste lokale Erste-Hilfe-Maßnah? Nennen
me bei der Verbrennung und den Zeitraum.
! Initiale intermittierende Kühlung für 15 – 20 min.
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Plastische Chirurgie
? Wie wird das „Präkompartment“ therapiert?
5.3
Frage 643
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? Was versteht man unter dem Begriff „Nachbrennen“?
Frage 647
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? Welche Symptome kennzeichnen die CO-Vergiftung?
! – Kopfschmerzen,
Interventionsmöglichkeiten gibt es beim
? Welche
Strahlenschaden?
! – Débridement,
Schwindel,
Erbrechen,
Sehstörungen,
Bewusstlosigkeit,
Kreislaufstörungen,
Krämpfe,
Tod.
– Lappenplastik,
– nur in Ausnahmefällen Spalthauttransplantat.
Frage 651
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Todesursachen bei Verbrennungspatienten
? Welche
gibt es geordnet nach der Häufigkeit?
Frage 648
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? Welche Formen von Elektroverbrennungen gibt es?
! – Echte Kontaktverbrennungen,
! – Schock,
– Bronchopneumonie,
– Sepsis,
– Herzversagen.
– Lichtbogenverbrennungen (Hochspannungsverletzungen mit mehr als 1000 Volt).
Frage 649
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Operative Intensivmedizin
? Wie ist das Vorgehen bei einer Erfrierung?
! – Parallel zur Verbrennung, jedoch zurückhaltender,
– langsame Aufwärmung,
– antiseptische Verbände,
– ggf. chirurgisches Vorgehen.
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Frage 650
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