Praktikum für Fortgeschrittene Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) Jörg Schmauch 12. April 2005 1 Einführung Möchte man eine niedrigere Auflösungsgrenze dmin als in einem Lichtmikroskop erreichen, so muss man die Wellenlänge λ der verwendeten Strahlung verkleinern. Nach Helmholtz gilt für den kleinsten trennbaren Abstand dmin zweier selbstleuchtender Objektpunkte die Beziehung [Bergmann-Schäfer]: dmin = 0, 6 λ n · sin α (1) mit der numerischen Apertur n·sinα. Bei einem Lichtmikroskop liegt mit n·sin α = 1, 4 der kleinste Abstand dmin bei λ/2, d.h. für sichtbares Licht gilt dmin = 200 nm. Verwendet man statt Lichtstrahlen Elektronenstrahlen zur Abbildung, so kann man eine sehr viel bessere Auflösung erreichen. Die Wellenlänge von Elektronen einer bestimmten Energie kann nach de Broglie berechnet werden. λ= h p (2) h: Plancksches Wirkungsquantum p: Impuls der Elektronen Mit p = m · v und dem relativistischen Energiesatz erhält man für ein Elektron, das die Beschleunigungsspannung UA durchlaufen hat: λ= r h 2 m0 · e UA 1 + e UA 2 m0 c2 (3) m0 : Ruhemasse eines Elektrons c: Lichtgeschwindigkeit e: Elementarladung eines Elektrons 1 Für eine heute übliche Beschleunigungsspannung von 200kV erhält man λ200kV = 2, 51pm. (4) Da die Auflösungsgrenze in der Größenordnung der Wellenlänge der verwendeten Strahlung liegt, sollte mit einem Elektronenmikroskop subatomare Auflösung - die typischen atomaren Abstände in Festkörpern liegen in der Größenordnung von einigen Å(= 0, 1nm) - möglich sein. Ruska (Nobelpreis 1986) begann in den dreißiger Jahren mit der Entwicklung eines Elektronenmikroskops, bei dem das Objekt mit Elektronenstrahlen durchstrahlt wird, einem so genannten Transmissionselektronenmikroskop (TEM). 2 Aufbau Der Aufbau eines TEM ist dem eines Lichtmikroskops ähnlich (Abb. 1): Neben B e le u c h tu n g s q u e lle L IM I T E M L a m p e E le k tro n e n s tra h lk a n o n e 4 0 0 -8 0 0 n m W e lle n lä n g e L in s e n s y s te m G la s L S P R O B E L in s e n s y s te m d u rc h s tra h lb a r (D u rc h lic h t) n ic h t d u rc h s tra h lb a r (A u flic h t) l = l (U ) m a g n . L in s e n e le k tro n e n tra n s p a re n t L S A u flö s u n g : B ild a u s w e rtu n g B IL D l L ic h t A u flö s u n g : 1 0 0 l P u n k t S tric h 0 ,3 n m 0 ,2 n m Abbildung 1: Vergleich LIMI - TEM der höheren erreichbaren Auflösung ist der größte Unterschied des TEM zum LIMI, dass die Probe elektronentransparent sein muss, d.h. es werden höchste Anforderungen an die Probenpräparation gestellt (Probendicke < 100nm). Den schematischen Strahlengang in einem TEM zeigt Abb. 2. 2 E le k tro n e n q u e lle 1 . K o n d e n s o rlin s e 2 . K o n d e n s o rlin s e O b je k t O b je k tiv lin s e B e u g u n g s b ild K o n tra s tb le n d e 1 . Z w is c h e n b ild Z w is c h e n lin s e 2 . Z w is c h e n b ild P ro je k tiv lin s e B ild Abbildung 2: Strahlengang in einem TEM 3 3.1 Elektronenoptische Bauelemente Elektronenquellen Man verwendet in der TEM zwei nach unterschiedlichen Mechanismen funktionierende Elektronenquellen: die thermische Elektronenquelle und die Feldemissionsquelle. Das Triodensystem der thermischen Elektronenquelle (Abb. 3) besteht aus Kathode, Wehneltzylinder und Anode. Die aus der Kathode (Wolfram-HaarnadelKathode, LaB6 -Kathode) austretenden Elektronen werden durch den gegenüber der Kathode auf einem negativen Potential liegenden Wehneltzylinder zur optischen Achse hin umgelenkt. Es entsteht der so genannte Cross-over, welcher als reale Quelle des Elektronenstrahls betrachtet werden muss. Die Elektronen werden dann durch das von der Anode erzeugte elektrische Feld abgesaugt und beschleunigt. Bei der Feldemissionsquelle (Abb. 4) werden durch eine Extrakterelektrode (gegenüber der Kathode auf positivem Potential) aus der Oberfläche einer Spitzenkathode Elektronen herausgelöst und durch die Anode weiter beschleunigt. 3.2 Magnetische Rundlinsen Heute werden in der Elektronenmikroskopie ausschließlich magnetische Linsen verwendet. Magnetische Linsen sind Spulen, die mit einem geeignet geform3 Abbildung 3: Thermische Elektronenquelle [1] ten Polschuh versehen sind. Ihr prinzipieller Aufbau ist in Abb. 5 dargestellt. Elektronen, die durch die Spulenöffnung schießen, werden mit der Lorentzkraft ~k = −e[~v × B] ~ (5) v=Elektronengeschwindigkeit B=magn. Kraftflussdichte abgelenkt, d.h. senkrecht zur momentanen Bahngeschwindigkeit und senkrecht zu B. Durch die Kraft k wird das Elektron aus der achsenparallelen Richtung auf eine Schraubenbahn gezwungen, wobei die Schraubenachse die optische Achse ist, und durch die starke Inhomogenität des Magnetfeldes zur optischen Achse hin abgelenkt. Die Spule übt also eine Wirkung auf die Elektronenstrahlen aus, die mit der brechenden Kraft einer Glaslinse vergleichbar ist (Abb. 6) 3.3 Bilderfassung Während früher die Bilderfassung mittels Photoplatten erfolgte, werden heute zu diesem Zweck so genannte Slow-scan CCD-Kameras verwendet. Zur Anwendung von Slow-scan CCD-Kameras am Elektronenmikroskop muss das Elektronenbild mittels eines Szintillators in eine Photonenverteilung umgewandelt werden (Abb. 7). Diese wird durch eine geeignete Optik auf den lichtempfindlichen CCD-Chip übertragen. 4 Abbildung 4: Aufbau einer Feldemissionskathode [1] Abbildung 5: Magnetische Linsen [1] 5 Abbildung 6: Linsen in Licht- und Elektronenoptik [2] E le k tro n R e fle x io n s s c h ic h t S tre u b irn e S z in tilla to r S z in tilla to rfa s e ro p tik E in g a n g s fa s e ro p tik C C D -C h ip Abbildung 7: Slow-scan CCD Kamera 6 4 Linsenfehler, optimale Auflösung im TEM Wie in der Lichtoptik werden Bildqualität und Auflösungsvermögen von Linsenfehlern beeinflusst und wie in der Lichtoptik treten insbesondere die folgenden Linsenfehler auf: 1. sphärische Aberration 2. chromatische Aberration 3. Astigmatismus 4. Beugungsfehler 4.1 Die sphärische Aberration Randstrahlen werden mit geringerer Brennweite fokussiert als achsennahe Strahlen (Abb. 8). Für Strahlen in verschiedenen Abständen von der optischen Achse erhält Abbildung 8: Sphärische Aberration man verschiedene Brennpunkte und somit keine scharfe Abbildung. Es entsteht ein Brennkreis mit einem Durchmesser ds . ds = cs · α3 (6) α: Aperturwinkel cs : Konstante der sphärischen Aberration 4.2 Die chromatische Aberration Abb. 9 zeigt die Auswirkung der chromatischen Aberration. Ein chromatischer Fehler kann verursacht werden durch Fluktuationen der Beschleunigungsspannung 7 Abbildung 9: Chromatische Aberration (λ = λ(U )), durch unterschiedliche Anfangsenergien beim Herausheizen der Elektronen aus der Kathode, durch unterschiedliche Energieverluste beim Durchgang durch die Linsen infolge von Schwankungen der Linsenströme und durch den Energieverlust bei Wechselwirkungen der Elektronen mit der Probe. Um Auflösungsvermögen von ca. 0, 5 nm zu erreichen, müssen die Energieschwankungen δE/E kleiner sein als 10−5 . Diese Forderung kann heute von der Elektrotechnik erfüllt werden. Energieverluste der Elektronen beim Durchgang durch die Proben werden durch die Verwendung sehr dünner Proben minimiert, so dass insgesamt der chromatische Fehler bei TEM-Untersuchungen von dünnen Proben nur bei Hochauflösungsexperimenten zum Tragen kommt. 4.3 Der Astigmatismus Achsenparallele Strahlen werden bei vorhandenem Astigmatismus nicht in einem Punkt, sondern in einem Strich fokussiert. Wie Abb. 10 zeigt, werden alle in der vertikalen Ebene einfallenden achsenparallelen Strahlen in Fm (meridional), alle horizontalen achsenparallelen Strahlen in Fs (sagittal) vereinigt. Ursachen des Astigmatismus sind u.a. unrunde Bohrungen, Bohrungsverunreinigungen u.ä., so dass sich das Linsenfeld nicht ideal rotationssymmetrisch verhält. Der Astigmatismus ist durch geeignete Polschuhzusätze (Stigmatoren) und elektronisch auf hinreichend kleine Werte zu korrigieren. 4.4 Der Beugungsfehler Der Beugungsfehler wird durch die Wellenlänge der verwendeten Strahlung und durch die numerische Apertur (Öffnungswinkel) definiert. db = 0, 61 8 λ α (7) Abbildung 10: Astigmatismus Abbildung 11: Beugungsfehler Der Beugungsfehler kommt durch die Beugung der Elektronenstrahlen an Begrenzungen zustande. Er bewirkt, dass ein Punkt als ausgedehnte Scheibe abgebildet wird. 4.5 Optimale Auflösung Ausschlaggebend für das theoretische Auflösungsvermögen eines TEM sind also die sphärische Aberration und der Beugungsfehler. Näherungsweise gilt dann für die theoretische Auflösungsgrenze: dtheo = ds + dB = cs · α3 + 0, 61 λ α (8) Aus (8) folgt dann αopt = s 4 λ 0, 6 · cs 3 9 (9) und dmin = A · q 4 cs · λ3 , A = 1, 2 (10) Für ein 200 kV TEM ergibt sich bei einem Öffnungsfehlerkoeffizienten von cs = 1 mm eine optionale Apertur von αopt = 10−2 rad und ein theoretisches Auflösungsvermögen von dtheo = 0, 2 nm. 5 Die Probe Die im TEM zu untersuchenden Proben müssen elektronentransparent sein, so dass fast in jedem Falle eine spezielle Probenpräparation erforderlich ist. Die Präparation sollte zumindest Objektdetails, die untersucht werden sollen, nicht beeinflussen. Wenn z. B. Versetzungsdichten bestimmt werden sollen, ist darauf zu achten, dass durch die Probenpräparation keine zusätzlichen Versetzungen in das Objekt gelangen. Es gibt sehr viele präparative Methoden, die für spezielle Untersuchungen spezieller Materialien geeignet sind. Falls die Proben nicht von vornherein elektronentransparent vorliegen, z.B. weil sie als dünne Filme nach der Evaporationsmethode oder durch Sputtermethoden auf Substrate aufgebracht wurden, müssen sie gedünnt“werden. Das Dünnen“der ” ” Probe richtet sich nach dem Probenmaterial und unterscheidet sich für Metalle (als elektrisch leitende Materialen) von Keramiken (z.B. Al2 O3 , nicht leitend). Fast alle Metallproben kann man heute mit kommerziell erhältlichen Apparaturen dünnen. Das geschieht in der Regel nach elektrolytischen Methoden. Die Probe wird in einer Korrosionszelle (Batteriezelle) als Anode installiert und bei Stromfluss abgetragen. Mit geeigneten Kombinationen von Probenmaterial und Elektrolyt sowie Stromdichte, Temperatur und Strömungsgeschwindigkeit des Elektrolyten können nach einiger Erfahrung die meisten Metalle und einphasigen Legierungen gedünnt werden. Nichtleitende Materialien können in Ionenätzgeräten (Ion Mills)gedünnt werden. Dabei werden in der Regel mit 5 kV beschleunigte Argonionen auf die rotierende Probe geschossen. Der ständige Beschuss erodiert die Probe. Beschleunigungsspannung für die Ionen, Winkelstellung und Kühlung der Probe sind Arbeitsparameter für diese Ionendünnung“. ” Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von TEM-Proben ist das Mikrotomverfahren. Für dieses Verfahren wird die Probe in Kunststoff eingebettet. Mit einer speziellen Apparatur werden dann mit einem Diamantmesser Dünnschnitte (d < 100 nm) hergestellt. Aufgebracht auf ein Cu-Netz können diese dann im TEM untersucht werden. Pulverförmige Proben werden zuerst in eine geeignete Flüssigkeit suspendiert und dann auf ein mit einem Kohlenstofffilm beschichtetes Cu-Netz aufgebracht. Die Dünnungsapparaturen werden im Praktikum gezeigt. 10 6 Bildentstehung im TEM Mit einem TEM lassen sich sowohl Abbildungen der Probe als auch deren Beugungsbild erzeugen (Abb. 12). Um das Beugungsbild zu erhalten wird die Zwischenlinse so erregt, dass die Beugungspunkte, die sich in der hinteren Brennebene der Objektivlinse befinden, auf dem Schirm sichtbar werden. Abbildung 12: Bildentstehung im TEM [2] 7 7.1 Kontrastentstehung Streuabsorptionskontrast Die in die Proben eindringenden Elektronen werden sowohl von den Elektronen (unelastische Streuung) als auch von den Atomkernen der Probe (elastische Streuung) gestreut. Durch Verwendung einer Kontrastblende (Aperturblende) in der 11 hinteren Brennebene der Objektivlinse werden die in große Winkel gestreute Elektronen absorbiert“. Damit erscheinen beispielweise stärker streuende oder dickere ” Objektstellen im Bild dunkler (Dickenkontrast). Besteht eine Probe aus zwei Bereichen, in denen Elemente unterschiedlicher Kernladungszahl Z enthalten sind, dann sind die Objektstellen im Bild dunkler, bei denen Z größer ist (Materialkontrast). Der Dicken- und der Materialkontrast sind für die Bildentstehung bei amorphen Proben verantwortlich. Bei kristallinen Proben kommt noch die Elektronenbeugung zur Kontrastentstehung dazu (Beugungskontrast). Elektronenbeugung bedeutet, dass der einfallende Strahl an den Atomebenen (Netzebenen) der Probe gebeugt wird, wenn die Bragg-Bedingung erfüllt ist: λ = 2d sin Θ (11) d: Netzebenenabstand Θ: Winkel zwischen einfallendem Strahl und Netzebene Dickenkontrast, Materialkontrast und Beugungskontrast werden unter dem Begriff Streuabsorptionskontrast zusammengefasst. Man unterscheidet zwei Abbildungsverfahren (Abb. 13). Bei der Hellfeldabbildung (Abb. 14 a) werden die gestreuten Strahlen durch die Aperturblende absorbiert und die entsprechenden Probenbereiche erscheinen im Bild dunkler. Bei der Dunkelfeldaufnahme (Abb. 14 b) werden die gestreuten Strahlen zur Abbildung verwendet und es erfolgt Kontrastumkehr. Abbildung 13: Hellfeld- und Dunkelfeldabbildung [2] 7.2 Beugungskontrast Der Elektronenstrahl, der die Probe nach der Durchstrahlung in eine bestimmte Richtung k verlässt (s. Abb. 15), hat eine Intensität, die aus den Intensitäten von 12 Abbildung 14: a) Hellfeldaufnahme und b) Dunkelfeldaufnahme einer Au-Probe Einzelwellen resultiert, die als gestreute Wellen von allen Atomen in diese Richtung ausgehen. Die resultierende Intensität ist nach den Regeln für die Superposition I0 , k 0 P ro b e Id , k Ir , k 0 Abbildung 15: Elektronenstrahl beim Durchgang durch eine Probe sich überlagernder Wellen aus dem Amplitudenquadrat Φ20,res zu errechnen. Bei der Superposition sind natürlich die Phasendifferenzen zwischen den Einzelwellen zu berücksichtigen, die auf Wegunterschiede zurückzuführen sind (kinematische Theorie). Die am unteren Probenrand austretende Strahlintensität variiert periodisch mit der Probendicke t und dem Abweichparameter s (Abweichung von der 13 Bragg-Bedingung). Ir = Φ20 ,res ≈ sin2 (π s · t) (π · s)2 (12) Mit dieser Grundformel der kinematischen Theorie lassen sich die wichtigen Beugungskontraste, nämlich Biegekonturen (Variation von s) und Dickekonturen (Variation von t) verstehen. Die kinematische Theorie gilt für den Fall, dass Ir ≪ I0 ist. Für den Fall, dass Ir ungefähr gleich I0 ist, wurde die dynamische Theorie entwickelt. Eine Gegenüberstellung von kinematischer und dynamischer Theorie zeigt Tab. 1 Tabelle 1: Gegenüberstellung [2] Kinematische Theorie Dynamische Theorie Ir ≪ I 0 Ir nicht sehr klein gegen I0 Verwirklicht in dünnen Probenstellen, bzw. dicken Probenstellen, bzw. nahe großer Abweichung von exakter exakter Bragg-Lage (s ≈ 0) Bragg-Lage (s 6= 0) Mathematische Behandlung Addition der Streuamplituden Quantenmechanik, d.h. Lösung der Gitteratome (Es werden nur der Schrödinger-Gleichung eindie Phasen- differenzen infolge schließlich Randbedingungen von Wegunterschieden berück- (Berücksichtigung von Extinksichtigt, wie bei Ableitung der tion, Wechselwirkung mehrfach Braggschen Gleichung gebeugter Strahlen usw.) 8 Phasenkontrast Verwendet man für die Abbildung sowohl den ungebeugten als auch den gebeugten Strahl, so erhält man bei niedrigen Vergrößerungen zwar ein kontrastärmeres Bild, bei höheren Vergrößerungen kann man aber durch den Phasenkontrast die Netzebenen der kristallinen Probe abbilden. Möchte man die inneren Strukturen einzelner Probenbereiche (z.B.einzelner Kristallite) oder einer einkristallinen Probe abbilden, so muss die Vergrößerung stark erhöht werden und es entsteht das Problem, dass die Probe immer mehr vom Amplituden- zum Phasenobjekt wird, d.h. das Bild der Probe entsteht nicht durch unterschiedliche Intensitäten aus den verschiedenen Probenbereichen und bei einer idealen Abbildung würden keine Objektstrukturen erkennbar sein. 14 Zugleich müssen die abgebeugten Strahlen mit zur Abbildung herangezogen werden, denn sie liefern die Informationen für große Raumfrequenzen (Objektstrukturen im Å-Bereich) und der Fehler der sphärischen Aberration wird erheblich größer (größerer Aperturwinkel). Um nun den Phasenkontrast in einen Amplitudenkontrast überzuführen - denn nur mit einem Amplitudenkontrast kann eine Abbildung erfolgen - muss die Phase der abgebeugten Strahlen um π/2, bezogen auf den Primärstrahl, verschoben werden. Nur dann entsteht ein Bild durch Interferenz der beiden Strahlen. Dies gelingt nach einem Vorschlag von Scherzer durch Defokussieren. Der so gefundene Fokus wird Scherzer-Fokus genannt und ergibt sich aus der Wellenlänge und der Offnungsfehlerkonstante des Mikroskops: ∆f = s 4 · cs · λ 3 (13) Abb. 16 zeigt die Phasenverschiebung eines abgebeugten Strahls als Funktion der Raumwellenlänge d und der Defokussierung. Die Kurve S zeigt den ScherzerFokus mit der Phasenverschiebung π/2. Abb. 17 zeigt die Netzebenen eines Gold- Abbildung 16: Phasenverschiebung des gebeugten Strahls als Funktion der Raumwellenlänge d Kristalls. 15 Abbildung 17: Netzebenen von Au-Kristallen 16 9 Elektronenbeugung Die an den Netzebenen einer kristallinen Probe gebeugten Elektronen (BraggGesetz) bilden in der hinteren Brennebene der Objektivlinse das Beugungsbild der Probe. Durch entsprechende Erregung der Zwischenlinse kann dieses auf dem Schirm sichtbar gemacht werden. Bei einkristallinen Proben erhält man ein Punktmuster, das so genannte Laue-Diagramm, welches im idealen Fall aus zwei Punkten, dem Zentralstrahl und einem abgebeugten Strahl besteht(exakte Erfüllung der Bragg-Bedingung). Bei polykristallinen Proben zeigt sich auf dem Schirm ein Ring-Diagramm, das Debeye-Scherrer-Diagramm (Abb. 18– 19). Um zu verste- Abbildung 18: Schematische Darstellung der Beugungsbilder hen, warum man bei der Elektronenbeugung im Gegensatz zur Röntgenbeugung jeweils mehrere Reflexe erhält, müssen das reziproke Gitter und die Ewald-Kugel betrachtet werden. Das reziproke Gitter repräsentiert die Netzebenenscharen des realen Gitters. Die Gittervektoren des reziproken Gitters stehen senkrecht auf den Netzebenenscharen und ihr Betrag ist dem Netzebenenabstand reziprok (Abb. 20). Die Konstruktion der Ewald-Kugel erfolgt mit Hilfe der Laue-Bedingung: ~k − ~k0 = ~g (14) Mit |k| = 1/λ kann die Ewald-Kugel als graphische Darstellung der BraggBedingung aufgefasst werden (Abb. 21). Es kommt dann zur Beugung des einfallenden Strahls, wenn ein Punkt des reziproken Gitters auf der Ewald-Kugel liegt. 17 Abbildung 19: a) Einkristallbeugungsbild von Al b) Vielkristallbeugungsbild von Au c) Beugungsbild eines metallischen Glases Je kleiner die Wellenlänge der verwendeten Strahlung, umso größer ist der Radius der Ewald-Kugel. Daher kann unter den speziellen Beugungsbedingungen im TEM, die Ewald-Kugel durch eine Ebene angenähert werden und es tragen alle die Netzebenen zum Beugungsbild bei, deren reziproker Gitterpunkt in dieser Ebene liegt. Auch Netzebenen, deren reziproker Gittervektor nicht direkt auf der EwaldKugel endet, sondern mit einer geringen Abweichung (Abweichungsvektor s im reziproken Raum), reflektieren den einfallenden Strahl. Die entsprechenden Beugungspunkte haben aber eine geringere Intensität. Man kann zeigen, dass die Punkte des reziproken Gitters bei einer dünnen Folie zu Stäben in z-Richtung entarten (Abb. 22) und Reflexion tritt für alle diejenigen Netzebenen auf, deren reziproker Gitterstab“die Ewald-Kugel schneidet (Abb. 23). Wichtig ist, dass alle reflek” tierenden Netzebenenscharen wegen des kleinen Aperturwinkels fast parallel zum Primärstrahl liegen und damit den Primärstrahl als Zonenachse enthalten (Abb. 24). Gelingt es nun solche Beugungsbilder zu indizieren, so kann man Orientierungen festlegen (z.B. einer Einkristallfolie zum einfallenden Strahl, zweier Kristallite eines Polykristalls zueinander). Wie die Indizierung von Beugungsbildern durchgeführt werden kann, wird im Praktikum gezeigt. Um aus den gemessenen Abständen Primärstrahl abgebeugter Strahl, d-Werte, bestimmen zu können, muss die so genannte Kamerakonstante des Mikroskops bekannt sein (siehe Abb. 25). Aus der Braggbedingung, der Geometrie der Beugung und mit sin Φ = Φ folgt die Grundformel der Elektronenbeugung. λL = R · d (15) mit λ · L =Kamerakonstante. Wurde die Kameralänge aus dem Beugungsbild einer 18 Abbildung 20: Das kfz. Gitter: a) Realgitter b) Ausschnitt des zugehörigen reziproken Gitters bekannten Probe ermittelt, können die d-Werte durch Ausmessen der Abstände Primärstrahl- abgebeugter Strahl ermittelt werden: d=λ·L· 19 1 R (16) Abbildung 21: Graphische Darstellung der Braggschen Beugungsbedingungen durch die Ewaldsche Kugel. Die Netzebene (hkl) mit reziprokem Gittervektor g erfüllt die Bedingung genau, d.h. sie liegt auf der Kugel von Radius |k| = 1/λ. Die Abweichung von der idealen Bragg-Bedingung in Richtung des einfallenden Strahles k0 wird durch einen weiteren Vektor im reziproken Raum s gekennzeichnet. 20 Abbildung 22: Gestalt der reziproken Gitterpunkte in Abhängigkeit von der Probenform: a) dicke Probe b) und c) dünne Probe Abbildung 23: Reziproke Gitterstäbe (streaks) als reaktionsfähige Bereiche einer dünnen Kristallfolie 21 P rim ä rs tra h l (Z o n e n a c h se ) R e le x io n s fä h ig e N e tz e b e n e n = E b e n e n e in e r Z o n e Abbildung 24: Primärstrahl als Zonenachse Abbildung 25: Zur Bestimmung der Kameralänge 22 Literatur [1] David B. Williams, C. Barry Carter; Transmission Electron Microscopy; Plenum Press, New York London; 1996 [2] M. v. Heimendahl; Einführung in die Elektronenmikroskopie; ViewegVerlag; Braunschweig; 1970 [3] E. Hornbogen, B. Skrotzki; Werkstoffmikroskopie; Springer-Verlag; Berlin; 1993 [4] Sie finden 3 Auszüge aus dem Buch ’Transmission Electron Microscopy and Diffractometry of Materials’ von B.Fultz und J.Howe im Semesterapparat: ’Diffraction from Crystalls’ ’Electron Diffraction and Crystallography’ ’Diffraction Contrast in TEM Images’. Zum Semesterapparat gelangen Sie über die Homepage der Uni-Bibliothek. Sie können die Dokumente mit dem Benutzernamen ’semphys’ und dem Kennwort ’phys03bir’ herunterladen. 23 10 Aufgabenstellung 1. Übung Bitte die unten aufgeführten Fragen bis zum 1. Praktikumstermin schriftlich beantworten. 1. (a) Berechnen Sie die Wellenlänge der im Elektronenmikroskop beschleunigten Elektronen (U = 200 kV), nicht relativistisch und relativistisch. (b) Geben Sie die Geschwindigkeit der Elektronen (etwa beim Durchlaufen der Anodenöffnung) an. 2. Was bewirkt der Wehneltzylinder speziell im Hinblick auf die Beleuchtungsintensität? 3. Schätzen Sie das Auflösungsvermögen des TEM ab, das durch die Linsenfehler eingeschränkt wird (nur Öffnungs- und Beugungsfehler, Herleitung) 4. Beschreiben Sie kurz den Strahlengang in einem TEM! 5. Listen Sie Probenpräparationen für die Elektronentransparenz auf und erklären Sie kurz die Funktionsweise. 6. Was bedeutet ”Hellfeld”- und ”Dunkelfeldabbildungen”in der Mikroskopie 7. Das Bragg-Gesetz ~k − ~k0 = ~g beschreibt den Sachverhalt, dass der Endpunkt von ~k auf einem reziproken Gitterpunkt und gleichzeitig auf der Reflexionskugel (Ewald-Kugel) liegt. Skizzieren Sie diesen Sachverhalt und zeichnen Sie die Ewald-Kugel für den Fall der Elektronenstrahlung (λ200 kV = 0, 00251 A) und der Röntgenstrahlung (λm = 1, 51 A) zweidimensional. Was bedeutet dies für die Messung mit Röntgenstrahlen? (s. Literatur [4] ’Diffraction from Crystalls’) 8. Skizzieren Sie den Intensitätsverlauf für Biege- und Keilkonturen (Kinematische Theorie, s.Literatur [4] ’Diffraction Contrast in TEM Images’) 9. Machen sie sich mit der Methode der Quotienten zur Bestimmung von Beugungsdiagrammen vertraut (s. Literatur [4] ’Electron Diffraction and Crystallography’). 2. Übung • Präparationsmethoden 24 • Bauelemente des TEM • Bedienung des TEM • Kontrasteinstellung am Beispiel einer CeO2 -Pulverprobe • Streuabsorptionskontrast • Beugungskontrast • Hell– und Dunkelfeldabbildung (Bestimmung der Teilchengröße) 3. Übung Beugungsaufnahmen: • amorph • kristallin • Bestimmung der Kamerakonstanten (Al-Polykristall) • Bestimmung der Zonenachse eines Au-Einkristalls (Kamerakonstante?) 4. Übung Phasenkontrast: • Ermittlung von Netzebenenabständen 25