Die anderen Sukkulenten Süd-Kaliforniens

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Wir stellen vor
Die anderen
Sukkulenten
Süd-Kaliforniens
Von Jürgen Schrenk
Abstract
Most of the succulent species native to Southern California (US) are briefly introduced and
illustrated by in situ photographs.
Agaven-Blütenstand in der Anza Borrego-Wüste
Der Südwesten Nordamerikas ist bei PflanzenFreunden vor allem als “Cactus Country”
bekannt, und bei fast jeder Wanderung zum
Beispiel in der Anza Borrego-Wüste bei San
Diego ist es ein Leichtes, zumindest ein halbes
Dutzend
Kakteenarten
kennenzulernen.
Hier wie auch in verschiedenen anderen
Lebensgemeinschaften SüdKaliforniens
kommt
aber
auch der Liebhaber anderer
Sukkulenten nicht zu kurz.
Einer der auffälligsten und
weitest verbreiteten Vertreter
dieser Gruppe ist eine Yucca-Art,
Hesperoyucca whipplei (Abb.
1), im Volksmund „Our Lord’s
Candle“, die in zahlreichen
Pflanzen-Assoziationen
von
Coastal
Sagebrush
über
Chaparral
(unser
Gegenstück
zur
mediterranen
Macchia und zum südafrikanischen Fynbos)
bis zum Rand der Wüste (Abb. 2) zu Hause
ist. Ihre dichten Rosetten aus schmalen
flexiblen Blättern variieren von graugrün bis
nahezu lila, und auch die cremefarbigen
Blüten sind oft purpurn überlaufen (Abb. 3).
Ähnlich weit verbreitet aber im Allgemeinen
Abb. 1 Hesperoyucca whipplei im
Chaparral der Blue Sky Preserve
bei Poway (alle Fotos vom Autor).
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Abb. 2 H. whipplei am Lucky 5-Trail in den Laguna
Mountains.
Abb. 3 Rot überlaufener Blütenstand von H.
whipplei an der Boulder Mountain Road in Poway.
weniger häufig ist die verzweigte und bis zu 4
m hoch werdende Mojave-Yucca oder „Spanish
Bayonet“ (Yucca schidigera; Abb. 4 & 5) mit
starren dolchartigen Blättern. Noch stattlicher
ist der Charakter-Baum der Mojave-Wüste,
der Joshua Tree (Yucca brevifolia, Abb. 6),
der in einigen Gebieten wie zum Beispiel dem
Antelope Valley wahre Wälder bildet (Abb.
7). Unsere Yucca-Arten sind übrigens zur
Bestäubung vollständig auf eine Mottengattung
(Tegeticula ssp., Abb. 8) angewiesen und ein oft
zitiertes Beispiel für Coevolution und Symbiose
– „Keine Yucca-Motten, keine Yuccas“. Die
Motten legen in einigen der besuchten Blüten
ihre Eier ab, nach deren Schlüpfen die Raupen
von den sich entwickelnden Früchten leben.
Andere Pflanzen werden nicht aufgesucht; der
Kehrsatz gilt also auch: „Keine Yuccas, keine
Yucca-Motten“.
Zur gleichen Familie (Agavaceae) und in
nichtblühendem Zustand nicht
immer leicht zu unterscheiden
gehört die Gattung Nolina, im
Gebiet je nach bevorzugter
Systematik mit 3 bis 4 Arten vertreten. Alle sind zweihäusig (Abb. 12 & 13), nicht
häufig und zum Teil auf
kleine
Verbreitungsgebiete
beschränkt.
Am
ehesten
noch wird der gelegentliche
Besucher der Wüste und ihrer
angrenzenden Berge auf Nolina
Abb. 4 Yucca schidigera-Hain im
Plum Wash, Anza Borrego Desert
State Park (ABDSP).
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Abb. 6 Prachtexemplar von Y. brevifolia bei Red
Mountain in der nördlichen Mojave-Wüste.
Abb. 5 Blütenstand von Y. schidigera im Joshua
Tree Nationalpark.
parryi (Abb.9) oder mit viel Glück die wesentlich
seltenere sehr ähnliche N. bigelovii treffen,
die in voller Blüte schon von weitem nicht zu
übersehen sind. Um die lokal endemischen N.
interrata und N. cismontana zu sehen, braucht
es eine gezielte Suche. Das Vorkommen von N.
interrata (Abb. 10) ist auf wenige Standorte im
Umkreis des Ortes Dehesa beschränkt wie zum
Beispiel den Gipfel des Sycuan Peak, dessen
Höhe von 854 m keine allzu große Anstrengung
erfordert. Etwas mehr Mühe bereitet der 1.277
m hohe Viejas Mountain, der dafür in guten
Jahren (nach einem regenreichen Winter) in
seiner Gipfel-Region das prächtige Schauspiel
von Tausenden von N. cismontana (Abb. 11)
in voller Blüte bietet und auch beim Aufstieg
schon zahlreiche floristische Höhepunkte
bringt. Einige Systematiker sehen die beiden
Lokal-Endemiten als conspezifisch an; der
Name N. interrata hat dann Priorität.
Agaven sind in Süd-Kalifornien nur mit 2
Arten vertreten, von denen die Desert Agave
(Agave deserti, Abb. 14 & 15)
die weitaus häufigere ist. Wenn
das Blumenmeer der FrühlingsAnnuellen verblüht ist, bilden
die attraktiven Blütenstände
der
Wüsten-Agave
einen
konkurrenzlosen Höhepunkt.
Wesentlich seltener ist A.
shawii (Abb. 16 & 17), deren
Haupt-Verbreitungsgebiet das
benachbarte
mexikanische
Baja
California
ist.
Der
schönste nordamerikanische
Bestand dieser Art auf der
Lichty Mesa fiel der Errichtung
Abb. 7 Joshua Tree-„Wald“ bei
Pearblossom in der südlichen
Mojave; im Vordergrund Goldfields
(Lasthenia californica).
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Abb. 8 Die für Y. schidigera spezifische YuccaMotte Tegeticula yuccasella bei der Tagruhe auf
Xylorhiza orcuttii im Coachwhip Canyon, ABDSP.
Abb. 10 N. interrata auf dem Gipfel des Sycuan
Peak.
Abb. 9 Nolina parryi am Pacific Crest Trail in den
Santa Rosa Mountains
.
Abb. 11 N. cismontana in der Gipfelregion des
Viejas Mountain.
des umstrittenen Grenzzauns zum Opfer;
zerstreute Exemplare finden sich noch auf
den Küstenklippen und (transplantiert) in den
Niederungen dazwischen bis zur Black’s Beach
bei San Diego.
Unsere wohl bizarrste Sukkulente ist
der Ocotillo (Fouquieria splendens, Abb.
18 & 19), der einzige Vertreter der Familie
Fouquieriaceae in diesen nördlichen Breiten
und Charakterpflanze der Colorado-Wüste,
die heute in der Regel unter den Oberbegriff
Sonora-Wüste gestellt wird. Die meiste Zeit
des Jahres wirken Ocotillos leblos, aber als
Antwort auf Winter- oder starke Sommerregen
produzieren sie bis zu siebenmal im Jahr
eine Unzahl Blätter, im späten Frühling dann
meist gefolgt von leuchtend roten terminalen
Blütenständen. Dieses Schauspiel kann man
zur richtigen Zeit von nahezu jeder Straße im
Anza Borrego Desert State Park bequem vom
Auto aus genießen.
Das gilt nicht für den „Elephant Tree“
(Bursera microphylla, Abb. 20 - 22), unser
alleiniges Mitglied der vor allem tropischen
Familie Burseraceae. Dieser stammsukkulente
Baum erreicht hier nicht die gleiche stattliche
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Abb. 12 Verblühte männliche N. cismontanaPflanzen, Viejas Mountain.
Abb. 14 Agave deserti in der südlichen Anza
Borrego-Wüste.
Abb. 13 Fruchtstand einer weiblichen N.
cismontana, Viejas Mountain.
Größe wie in Baja California und ist nur an
einer knappen Handvoll nicht immer leicht
zugänglicher Standorte ausschließlich in Anza
Borrego zu finden. Ein Blick auf die State ParkKarte verrät die meisten von ihnen: Lokalitäten
wie „Elephant Tree Natural Area“, „Torote
Bowl“ oder „Torote Canyon“ sind Hinweis
genug (Torote ist der spanische Name dieses
Baumes).
Abb. 15 Teil-Blütenstand von A. deserti im Shelter
Valley.
Alle bisher genannten Arten eignen sich wegen
ihrer Größe kaum für die Kultur außerhalb ihres
natürlichen Verbreitungsgebietes oder anderer
Zonen mit mediterranem Klima (kühle feuchte
Winter, warme trockene Sommer), aber es gibt
hier durchaus auch für Kleingewächshäuser
oder die Fensterbank geeignete Sukkulenten.
Die Crassulaceae-Gattung Dudleya („Liveforever“ im Volksmund) ist in Süd-Kalifornien mit
mehr als einem Dutzend Arten vertreten, von
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Abb. 18 Ocotillo-„Wald“ mit Teddy-bear Cholla
(Cylindropuntia bigelovii) am Desert Trail, ABDSP.
Abb. 19 Blütenstand von Fouquieria splendens am
Desert Trail, ABDSP.
Abb. 16 A. shawii am inzwischen vernichteten
Standort auf der Lichty Mesa an der mexikanischen
Grenze.
Abb. 17 Rosette von A. shawii, Lichty Mesa.
Abb. 20 Bursera microphylla in der Elephant Tree
Natural Area, ABDSP.
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Abb. 24 Rosette von D. pulverulenta in den Del
Dios Highlands.
Abb. 21 Blüten von B. microphylla, Elephant Tree
Natural Area.
Abb. 22 Früchte von B. microphylla, Torote
Canyon, ABDSP.
Abb. 25 D. farinosa am Point Lobos.
denen viele bevorzugt an felsigen Steilhängen
von den Klippen der Kanal-Inseln bis zu den
Gipfeln der Wüsten-Gebirge wachsen.
Die prächtigste und auch häufigste ist die
„Chalk Dudleya“ (D. pulverulenta, Abb. 23), so
genannt wegen ihrer kreideweiß überlaufenen
Rosetten, die am besten nach der Regenzeit
zur Geltung kommen (Abb. 24) und im Sommer
fast völlig eintrocknen.
Abb. 23 Dudleya pulverulenta bei Mountain Palm
Springs, ABDSP.
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Abb. 26 D. saxosa ssp. aloides an den Hängen des
Grapevine Mountain.
Abb. 28 D. attenuata ssp. orcuttii auf der Lichty
Mesa.
Abb. 27 Teil-Blütenstand von D. saxosa ssp.
aloides am Pacific Crest Trail beim Eagle Rock.
Abb. 29 D. lanceolata im Militär-Reservat Camp
Pendleton.
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Abb. 30 Rosette von D. lanceolata am Wild Horse
Trail in den Agua Tibia Mountains.
Abb. 32 D. variegata in den Poway Grasslands.
bb. 31 D. edulis an der Marron Valley Road am Fuß
des Otay Mountain.
Abb. 33 Abronia maritima am Strand des Devereux
Slough bei Santa Barbara.
D. farinosa erreicht bei Los Angeles die
Südgrenze ihrer Verbreitung und kommt
nur in Küstennähe vor, häufig an besonders
exponierten Stellen (Abb. 25). Letzteres gilt
auch für D. saxosa ssp. aloides (Abb. 26 &
27) an höher gelegenen Standorten in den
Randgebirgen der Wüste. Im Gegensatz dazu
sind die ähnlichen D. attenuata ssp. orcuttii
(Abb. 28) und D. lanceolata (Abb. 29 & 30) eher
im Chaparral und in den Wiesen der Mesas
und Hügelausläufer zu finden. Die beiden
letztgenannten Arten bilden zusammen mit D.
abramsii und D. cymosa einen formenreichen
Komplex und sind auch mit Hilfe biometrischer
Messungen nicht immer eindeutig bestimmbar,
zumal sie bei ähnlichen Biotop-Ansprüchen
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Abb. 36 Marah macrocarpus am Santa Margarita
River.
Abb. 34 Cucurbita foetidissima am Desert Trail,
ABDSP.
Abb. 35 C. palmata in der
nördlichen Anza Borrego-Wüste
bei Terwilliger.
und überlappenden Verbreitungsgebieten
nicht selten hybridisieren. Auf den ersten Blick
erkennbar ist dagegen D. edulis (Abb. 31), die
wegen ihres charakteristischen Habitus im
Volksmund „Lady-fingers“ heißt.
Die Untergattung Hasseanthus schließlich
unterscheidet
sich
unter
anderem
dadurch
von
ihren
Verwandten,
dass
ihre im Frühling gebildeten
kleinen Rosettenblätter zur
sommerlichen Blütezeit bereits
völlig
verschwunden
sind. Alle vier einheimischen
Arten sind selten und wegen
ihrer geringen Größe leicht zu
übersehen; als Beispiel sei D.
variegata vorgestellt (Abb. 32).
Außer
den
genannten
offensichtlichen Sukkulenten
zeichnen
sich
vereinzelte
Mitglieder verschiedener Familien durch
Eigenschaften aus, die bei etwas großzügiger
Auslegung der Überschrift ihre Erwähnung in
dieser Übersicht rechtfertigen. Die Strandpflanze
Abronia maritima (Abb. 33, Nyctaginaceae)
zum Beispiel besitzt im Unterschied zu allen
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Abb. 37 Früchte von M. macrocarpus im Love
Valley des Mount Palomar.
anderen hiesigen Sand-Verbenen fleischige Blätter als
Verdunstungsschutz.
Bei
unseren
Kürbisgewächsen (Cucurbitaceae) dagegen ist die Sukkulenz auf ihren
unterirdischen Teil begrenzt.
Cucurbita foetidissima (Abb.
34) und C. palmata (Abb.
35) überleben an ihren oft
extrem trockenen Standorten
in Chaparral und Wüste
aufgrund ihrer rübenformigen
Speicherwurzeln; ihren Volksnamen
„Coyote
Pumpkin“
verdanken sie ihren allerdings
ungenießbaren
Früchten.
Am stärksten ausgeprägt ist
Wurzel-Sukkulenz hierzulande
bei der zur selben Familie gehörigen Marah
macrocarpus (Abb. 36). Diese Liane bedeckt
Gebüsche und ganze Hänge mit einem dichten
Netzwerk mehrerer Meter langer Ranken, zieht
aber schon zu Beginn des Sommers zurück
Abb. 38 Euphorbia misera im Cabrillo National
Monument auf der Point Loma-Halbinsel
Abb. 39 Einzelblüte von E. misera ebenda
und ist nur noch an den hühnereigroßen
stacheligen Früchten zu erkennen (Abb. 37).
Ihre riesige Speicherknolle ist in ihrem Namen
„Man-root“ reflektiert; sie kann tatsächlich so
groß wie ein erwachsener Mensch werden.
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Viel unscheinbarer ist dagegen unser einziger
sukkulenter Vertreter der in Südafrika so
prächtigen Wolfsmilch-Gewächse, Euphorbia
misera (Abb. 38 & 39). Dieser bis meterhohe
Strauch wächst in den Klippen der Steilküste
und selten auch an ähnlichen Stellen im Inland.
So fallen zwar Kakteen vielen Besuchern
Süd-Kaliforniens besonders auf, aber das
Schlagwort „Cactus Country“ ist in Anbetracht
der Vielfalt anderer einheimischer Sukkulenten
mit Sicherheit zu einseitig.
Danksagung
Herrn Tom Chester danke ich für seine Hilfe
bei der Bestimmung einiger kritischer Nolinaund Dudleya-Arten.
Literatur
Beauchamp, R.M. (1986): A Flora of San Diego County,
California. – Sweetwater River Press, National
City, California, USA.
Lightner, J. (2006): San Diego County Native Plants.
– San Diego Flora, San Diego, California, USA.
Munz, P.A. (1974): A Flora of Southern California.
– University of California Press, Berkeley, Los
Angeles, London.
Dr. rer. nat. W. Jürgen Schrenk,
15865 Riparian Road, Poway, CA 92064, USA
[email protected]
Pflanzenschutz - kurz und bündig
Pythium und Phytophthora – Wurzelfäule und Welke
Von Thomas Brand
Schadbild
Wurzel- und Stängelgrunderkrankungen. Oft
als „Vermehrungspilze“ auftretend. Wurzeln
erscheinen braun, faul, teilweise nur noch ein
hohler Wurzelschlauch oder der Zentralzylinder
der Wurzel vorhanden. Weichfäule des
Pflanzenkörpers. Welke durch fehlenden
Wassertransport bei zerstörten Wurzeln.
Biologie
Pythium
und
Phytophthora
können
ohne mikroskopische Untersuchung nicht
unterschieden werden. Schäden in erster Linie
bei anhaltend feuchter Kultivierung. Pythium
nur an Sämlingen und Stecklingen oder
geschwächten Pflanzen (Staunässe, Kälte).
Infektion bei hoher Feuchte durch Wunden
und an weichem Gewebe. Sehr schnelles
Wachstum in der Pflanze führt zu rasantem
Fortschreiten der Fäulnis.
Überdauerung
als
widerstandsfähige
Dauersporen. Leben auf abgestorbener
organischer Substanz möglich.
Vorbeugung
Strikte Hygiene einhalten: Befallene und
befallsverdächtige Pflanzen konsequent entfernen.
Abb. 1 Typisches Wurzelbild mit morschen
Wurzelhüllen und kahlem Zentralzylinder (Fotos vom
Autor).
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